Hoesch Dortmund, Stahlbetriebe Bochum und Hagen:
'Solidarität' - Informationsblatt der GIM (Gruppe Internationale Marxisten) (1973/74)

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin, 21.2.2016


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Von der 'Solidarität' der GIM für Hoesch Dortmund bzw. später für den Stahlbereich in Bochum, Dortmund und Hagen, können hier derzeit, neben zahlreichen als Volltext erschlossenen Artikeln und Ausgaben, nur zwei Ausgaben in Reproduktionen dokumentiert werden. Wir bitten um Ergänzungen.

Liste der als Scans vorhandenen Zeitungen

Auszug aus der Datenbank "Materialien zur Analyse von Opposition" (MAO)

20.03.1973:
Die Nr. 1 der 'Solidarität' - Informationsblatt der GIM - Gruppe Internationale Marxisten erscheint in Dortmund (vgl. 19.2.1973, 3.4.1973). Die Ausgabe wird ediert von der Ortsgruppe Dortmund der GIM, Deutsche Sektion der IV. Internationale, Ausschuß für Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit. Verantwortlicher Redakteur und Kontakt ist: Hermann Schink, Dortmund. Es handelt sich bei dieser Ausgabe, die 8 Seiten hat, vermutlich um die allererste. Es ist anzunehmen, daß die Zeitung bei Hoesch Westfalenhütte erscheint und womöglich noch vor den anderen beiden großen Hoesch-Betrieben Union und Phoenix verteilt wird. Ob die Zeitung darüberhinaus noch vor anderen Betrieben erscheint, oder ob sie noch einen anderen Kreis von Menschen anspricht, ist uns derzeit nicht bekannt.
Die Ausgabe hat zum Inhalt:
- Zum Erscheinen der Solidarität,
- Nochmals zum Streik - Verlauf und Lehren der Tarifbewegung,
- Streik bei Hoogovens.

Zum "Erscheinen der Solidarität" wird ausgeführt:"
Nach den Septemberstreiks 1969 war die Führung der IG-Metall reichlich verwirrt - die Arbeiter hatten unmißverständlich deutlich gemacht, daß sie das ständige Nachhinken ihrer Löhne hinter der Wirtschafts- und Gewinnentwicklung (was höhnischerweise auch noch 'aktive Lohnpolitik' genannt wurde) nicht mehr hinnehmen würden. Das hatte entsprechende Auswirkungen auf die Tarifrunde 1970, wo die IG-Metall hohe Forderungen stellte und die Unternehmer relativ hohe Zugeständnisse machten, aus Angst die Vorgänge vom September 1969 könnten sich wiederholen, die Arbeiter der Kontrolle der Gewerkschaftsführung entgleiten und ihre Forderungen selbst stellen und durchsetzen. Deshalb das relativ gute Ergebnis 1970. Ganz anders 1971 und 1972. Die Unternehmer hatten sich in der Zwischenzeit abgesprochen auf die Forderungen 'wilder' Streiks auf keinen Fall mehr einzugehen. Und in der 'konzertierten Aktion' hatten sich Unternehmer und Gewerkschaftsspitze unter Anleitung der sozialdemokratischen Regierung so gut aufeinander eingespielt und hinter verschlossenen Türen auf 'Orientierungsdaten' geeinigt, daß in den Tarifrunden auf die Interessen der Arbeiter und ihre Bedürfnisse keine Rücksicht mehr genommen werden konnte.

Bei den beträchtlichen Preissteigerungen der letzten Jahre konnte dabei kaum der Kaufkraftverlust ausgeglichen werden, und wenn man die Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge vom Januar 1973 mit einbezieht, so kommt gegenüber 1971/72 ein deutlicher Lohnabbau als Ergebnis der letzten Tarifbewegung heraus. Das macht deutlich: Die Gewerkschaftsführung setzt sich eindeutig über die Interessen der Mitgliedschaft hinweg (was an der völligen Mißachtung des ablehnenden Urabstimmungsergebnisses vom Januar (vgl. 11.1.1973, d.Vf.) besonders deutlich wird).

Die Gewerkschaftsspitze ist nicht mehr Organ der Arbeiterschaft, sie hilft vielmehr treu und brav die Gewinne der Unternehmer auf dem Rücken der Arbeiter abzusichern. Wenn die Forderungen der Mitglieder durchgesetzt werden sollen, dann muß also die bisherige Gewerkschaftsspitze aufs Schärfste bekämpft und alle Bürokraten aufmerksam kontrolliert werden. Nur dann können die Gewerkschaften wieder ein Instrument der um ihre Interessen kämpfenden Arbeiter werden. Dieser Kampf um die Gewerkschaften muß geschlossen und zielbewußt geführt werden. Alle Kollegen, die ihre Interessen konsequent und kämpferisch gegen die Anschläge der Unternehmer (z. B. verstärkte Arbeitshetze, Lohnraub durch Preistreiberei u.ä.) verteidigen wollen, müssen sich vereinigen. Es gilt eine kampfbewußte, linke Tendenz in den Gewerkschaften zu bilden um den Einfluß der Bürokraten zu zerschlagen und eine konsequente Gewerkschaftspolitik voranzutreiben.

Die 'Solidarität' steht fest auf der Seite der bewußten Kollegen, die den Kampf aufgenommen haben und wird ihren Beitrag zur Bildung, Festigung und Weiterführung der linken Gewerkschaftstendenz leisten".

Der Artikel "Nocheinmal zum Streik - Verlauf und Lehren der Tarifbewegung" führt aus:"
Die allgemeine wirtschaftliche Lage und die Absicht der Unternehmer: Schon nach der Tarifbewegung 1971/72 stellte der IG Metall-Vorstand fest: 'Die Auseinandersetzungen mit den Unternehmern werden in Zukunft härter'. Nun - sie sind härter geworden! Die 'Arbeitgeber'verbände waren, wie schon 1971, deutlich auf Konfrontationskurs in die Tarifbewegung 1972/73 gegangen, wobei sie sich der vollen Unterstützung von SPD-Finanzminister Schmidt sicher sein konnten, der den Arbeitern angedroht hatte, jede Lohnerhöhung über 8% durch einen nicht zurückzahlbaren Konjunkturzuschlag wegzusteuern. Warum diese Front von Unternehmern und Regierung gegen die Lohnforderungen der Arbeiter? Das Argument, daß die Lohnerhöhungen die Preise in die Höhe treiben, zieht nicht (die Unternehmer sind keine solchen Stabilitätsapostel!); denn trotz der bescheidenen erzielten tariflichen Lohnerhöhungen haben die Automobilfirmen schon drastische Preiserhöhungen für die nächste Zeit angekündigt und auch auf der Frankfurter Industriemesse haben die Preise wieder kräftig angezogen. Es muß also ein Grund da sein. Der ist auch leicht gefunden. Seit der Rezession 1966/67 sind die Gewinnaussichten der deutschen Industrie (in der Stahlindustrie besonders) nicht mehr so glänzend wie vorher. Einerseits wegen der zunehmenden Schwierigkeiten auf dem Weltmarkt, die in der dauernden Dollarkrise sichtbar werden und die die deutsche Industrie durch die DM-Aufwertung besonders belasten; und andererseits auch wegen der deutlichen Abflachung der Binnenkonjunktur. (wodurch die vorhandenen Kapazitäten nicht ständig im notwendigen Umfang ausgelastet werden können). Dies alles führt zur Einengung des Gewinnspielraumes der Unternehmer. Da der Markt eben nicht mehr so ausdehnungsfähig war wie früher, konnte eine Stabilisierung oder gar Erhöhung der Gewinne nur über die Kostenseite erreicht werden. Man verfiel daher auf die Idee die Lohnkosten zu senken d.h. die Arbeiter kurztreten zu lassen. So werden z.B. in vielen Werken mit z.T. erheblich verringerter Belegschaft große Steigerungen des Produktionsausstoßes vorgenommen.

'Orientierungsdaten' der Regierung und die geringen Angebote der Unternehmer.

Das Verhalten der Gewerkschaftsbürokratie: Wie reagierte nun die IG Metall-Spitze auf diesen Versuch die Gewinne der Unternehmer auf dem Rücken der Arbeiter zu stabilisieren? Wies sie diesen Versuch mit der gebotenen Härte zurück? Nein! Schon in den Tarifkommissionen kürzte sie die Forderungen der Betriebe, die durchweg um 13 - 15% und höher gelegen hatten, erheblich auf 11% bzw. 60 Pfennig und ging damit an die unterste Grenze die überhaupt möglich war. Denn ein Abschluß in dieser Höhe hätte bei der letztjährigen Preissteigerungsrate von 6, 4%, der Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge vom Januar und der Lohnsteuerprogression bereits absoluten Lohnstopp bedeutet. Nach dem kläglichen Abschluß von 8, 5% bzw. 46 Pfennig, kann die Urabstimmung vom Dezember (vgl. 20.12.1972, d.Vf.) nur als nicht ernst gemeinte 'Tarifgymnastik' des Vorstandes gewertet werden. Besonders wenn man bedenkt, daß das Ergebnis auf alle 13 Monate (einschließlich Dezember) bezogen nur eine Erhöhung von 7, 9% ausmacht, und eine solche Anhebung hatten die Unternehmer schon im Dezember angeboten. Daß der IG Metall-Vorstand aus dem ablehnenden Urabstimmungsergebnis vom Januar keine Konsequenzen zog, zeigt nur, daß er sich einen Dreck um den Willen seiner Mitglieder schert.

Der Streik um 14 Pfennig:
Es war jedem klar, daß der 46 Pfennig-Abschluß nicht ausreichte den Lebensstandard aller Kollegen auch nur annähernd auf dem Niveau von 71/72 zu halten - er bedeutete Lohnabbau! Daß in dieser Tarifrunde mehr drin war, beweist Daimler-Benz, wo im Anschluß daran innerbetriebliche Lohnerhöhungen bis zu 20% erreicht wurden. Schon kurze Zeit nach Tarifabschluß wurde bei Hoesch für 14 Pfennig linear gestreikt (vgl. 8.2.1973, d.Vf.). Hierbei wurde zweierlei klar: 1.) Die Kollegen hatten klar erkannt, daß die 46 Pfennig wirklich viel zu wenig waren und setzten sich dagegen zur Wehr. 2.) Auch die 14 Pfennig wurden linear, d.h. für alle gleich, gefordert, was zeigt, daß der Versuch des IGM-Vorstandes, die linearen Lohnforderungen schlecht zu machen, mißlungen war.

Warum lineare Lohnforderungen? Lebensmittel, Mieten usw. sind für alle gleich teurer geworden. Jedem von uns wird während der Arbeit immer mehr Leistung abgefordert. Lohndifferenzierungen und prozentuale Lohnerhöhungen sind seit eh und je bewährte Mittel, die Arbeitnehmerschaft auseinanderzudividieren und zu spalten: Alle sind gleich betroffen; wir müssen uns gemeinsam wehren!

Wer geglaubt hatte dem Streik könne ein ebenso rascher Erfolg beschieden sein wie 1969, der sah sich getäuscht! Nach den Septemberstreiks 1969 haben die Unternehmer einen harten Kurs eingeschlagen. Dies zeigt sich u.a. auch daran, daß Schmitthals am 9.2. Repressalien gegen streikende Kollegen androhte und Listen auslegen ließ, in die sich die 'Arbeitswilligen' eintragen sollten und an den Drohbriefen die der Vorstand an die Kollegen verschickte. Unterstützt wurde diese Haltung der Unternehmensleitung noch durch den IGM-Vorstand, der den streikenden Kollegen, wie schon 1969 dadurch in den Rücken fiel, daß er den Streik ablehnte, ihn als 'gewerkschaftsschädigend' erklärte und jede Unterstützung verweigerte (hier wird auch klar, was der IGM-Vorstand meint, wenn er von den inngewerkschaftlichen Konsequenzen der Urabstimmung vom Januar spricht - nämlich Kontrolle und Unterdrückung der Kollegen und Vertrauensleute, die sich konsequent und kämpferisch für die Vertretung der Interessen der Arbeiter einsetzten). Dies erklärt, warum die Streikfront schon am Samstag abbröckelte und zusammenbrach, obwohl noch auf der Kundgebung am Freitag alle drei Hoesch-Werke ihre Entschlossenheit zur Fortführung des Streiks bekundet hatten.

Was läßt sich aus diesem schnellen Zusammenbruch des Streiks schließen? Neben der harten Haltung und den Repressionen der Unternehmer und dem Verrat der IGM-Führung müssen auch gewisse Schwächen in der Streikfront für den Mißerfolg verantwortlich gemacht werden. Es hatte weder Streikvollversammlungen noch eine gewählte zentrale Streikleitung gegeben, die den Zusammenhalt der drei Werke gewährleistet, die Kollegen ständig informiert und Streikposten organisiert hätte. Wäre dies geschehen, so hätten die Gerüchte über die Arbeitsaufnahme bei Phoenix und Union leicht widerlegt und die Streikfront zusammengehalten werden können.

Die gegenwärtigen Auseinandersetzungen und die Lehren für die Zukunft?

Die Auseinandersetzungen bei Hoesch sind keine auf dieses Unternehmen beschränkte Angelegenheit. Das zeigen z.B. die Kämpfe bei Mannesmann, wo man die Arbeiter dadurch prellen will, daß man durch Veränderungen der Arbeitsplätze die Arbeitsintensität erhöht und die entsprechende Höherstufung in den Lohngruppen verweigert, bei Hoogovens in den Niederlanden, wo die Kollegen ebenfalls um Lohnerhöhungen streiken und die Solidaritätsbewegung zur größten Streikwelle nach dem II. Weltkrieg geführt hat und in Großbritannien wo sich die Arbeiterschaft in großen Aktionen gegen das Lohndiktat der Regierung wehrt. Wir sehen, die Konflikte nehmen an Häufigkeit, Ausdehnung und Schärfe immer mehr zu.

Unsere Interessen können wir in diesen Auseinandersetzungen nur durchsetzen, wenn wir eine starke, konsequente Interessenvertretung haben. Um die IG-Metall wieder zu einem kampffähigen Organ der Arbeiter zu machen, ist es notwendig, den Einfluß der Bürokraten in der Gewerkschaft abzubauen.

Deswegen:
- müssen die Mitglieder der Tarifkommissionen statt wie bisher durch die Bürokratie bestimmt zu werden durch die Vertrauensleute gewählt werden,
- müssen alle Mitglieder der Tarifkommission jederzeit abwählbar sein, wenn sie unsere Interessen nicht mehr vertreten,
- muß jeder Tarifabschluß durch Urabstimmung bestätigt werden.

Gegen den 'Stabilitätspakt': raus aus der konzertierten Aktion! Für volle Tarifautonomie! Für unabhängige und demokratische Gewerkschaften! Stärkt die Stellung der Vertrauensleute gegenüber der Gewerkschaftsbürokratie!"

Der Artikel "Streik bei Hoogovens" (vgl. 20.2.1973) führt aus:"
Zehn Tage nach der Beendigung der Arbeitsniederlegungen bei den Hoesch-Werken begann ein Streik bei dem holländischen 'Schwesternkonzern' Hoogovens in den Niederlanden. Bis zum Redaktionsschluß war uns der endgültige Verlauf und Ausgang des Streiks nicht bekannt. Der Streik begann in der Abteilung 'Material und Magazin' und dehnte sich im Laufe des nächsten Tages auf alle wichtigen Abteilungen aus, so daß die Produktion völlig zum Erliegen kam. Doch nicht nur die Kollegen von Hoogovens legten die Arbeit nieder. Mit einer Welle von Sympathiestreiks in Betrieben der verschiedensten Branchen bekundeten zahlreiche holländische Kollegen ihre Solidarität. Aber wenn die Solidarität der Arbeiter ihre Stärke deutlich macht, so sind auch die Unternehmer und ihre Handlanger in Justiz und Politik schnell einig. Mit einer gerichtlichen Verfügung sollte der von den Gewerkschaften unterstützte Streik illegalisiert und verboten werden um so die gewerkschaftlichen Arbeitsmöglichkeiten in den Betrieben rigoros einzuengen und besser unterdrücken zu können. Hier der Versuch acht aktive Gewerkschafter zu entlassen, dort der Versuch, einen Streik durch Gerichtsbeschluß beenden zu
lassen. Die Absichten der Unternehmer sind die gleichen, nämlich das Ziel so gut wie jede gewerkschaftliche und politische Betätigung aus dem Betrieb fern zu halten. Unterschiede gibt es eigentlich nur in der Methode! Der Streik bei Hoogovens war der Auslöser für die größte Streikbewegung in den Niederlanden seit dem II. Weltkrieg. Die Unternehmer sind daher entschlossen, den Kollegen eine Niederlage beizubringen. Denn sie wissen genau, daß eine erfolgreiche Durchsetzung der Forderungen der Kollegen von Hoogovens nach einer linearen Lohnerhöhung (Forderung: Cent statt Prozent), einer Teuerungszulage (TZL, d.Vf.) von 465 Gulden für alle im Jahr (was bei einer offiziell geschätzten Preissteigerungsrate von 8% für 1973 mehr als gerechtfertigt erscheint) und nach Eingliederung der höheren Angestellten in die Tarifverträge, in den meisten Betrieben eine Bewegung in Gang setzen wird, in der die Arbeiter den Unternehmern mit ähnlichen Forderungen entgegentreten werden. Die holländischen Arbeiter haben ihre Solidarität mit den streikenden Kollegen von Hoogovens in eindeutiger Weise ausgedrückt. Wir, die wir über den 'Estel-Konzern' auf's Engste mit den Kollegen von Hoogovens verbunden sind, sollten nicht dahinter zurückstehen und unsere volle Solidarität mit ihren berechtigten Forderungen ebenso deutlich bekunden.

SOLIDARITÄT MIT DEN STREIKENDEN KOLLEGEEN VON HOOGOVENS!"

Letztlich wird in der Ausgabe darauf verwiesen, daß "demnächst unsere Dokumentation über den Streik um 14 Pfennig bei Hoesch erscheint. Sie wird neben einer ausführlichen Chronologie, einer tarifpolitischen Einschätzung, alle diesbezüglichen Artikel der Lokalpresse sowie alle Flugblätter der GIM zum Streik enthalten".
Quelle: Solidarität Nr. 1, Dortmund 20.3.1973

03.04.1973:
Die Nr. 2 der 'Solidarität' - Informationsblatt der GIM - (Gruppe Internationale Marxisten) erscheint in Dortmund (vgl. 20.3.1973, 23.4.1973). Die Ausgabe, die 6 Seiten hat, hat zum Inhalt:
- Eine richtige Konsequenz aus der letzten Tarifbewegung - Zum 'Mitmischer' Sondernummer für Hoesch,
- Zum 1. Mai,
- Frankreich nach der Wahl,
- Streik in Dänemark (vgl. 22.3.1973),
- Zum Artikel: 'Die Zukunft nicht gefährden' in Werk und Wir 3/73.

Im Artikel "Eine richtige Konsequenz aus der letzten Tarifbewegung - Zum 'Mitmischer' Sondernummer für Hoesch" (vgl. **.*.1973) wird ausgeführt:"
Mit der Herausgabe einer Sondernummer des 'Mitmischers', einer Betriebszeitung von fortschrittlichen Kollegen der Klöckner-Werke in Bremen, versuchten diese vor wenigen Tagen Kontakte zu fortschrittlichen Teilen der Vertrauensleute der Hoesch-Werke zu bekommen. Die Kollegen haben damit aufgrund der Erfahrungen der vergangenen Tarifauseinandersetzungen eine wichtige Schlußfolgerung gezogen. Sie haben klar erkannt, daß, solange die Bürokraten in den Gewerkschaften noch eine Politik betreiben können, die einzig und allein ihren Freunden in der SPD-Regierung und den Unternehmern zugute kommt, auch für die nächste Zeit 'wilde Streiks' notwendig sind, um zu verhindern, daß die Löhne weiter abgebaut werden. Gerade die gegenwärtigen Preissteigerungen um 7% auf der einen und durch den Konjunkturaufschwung in der Stahlindustrie bedingten höheren Gewinne der Stahlbosse auf der anderen Seite sind Grund genug, um sich auf weitere Kampfmaßnahmen vorzubereiten. Die Kollegen der Klöckner-Hütte schreiben richtig: 'Soll verhindert werden, daß die IGM-Führung die selbständig handelnden Belegschaften im Stich läßt, wie bei Euch vom 8.-10. Februar, kommt es darauf an, die Bedingungen und den Zeitpunkt für das gemeinsame Vorgehen richtig einzuschätzen. Das heißt nicht, daß man Zeitpunkt und Forderungen im voraus festlegt, sondern daß Vertrauensleute und Betriebsräte unserer Werke rechtzeitig Kontakt aufnehmen und in regelmäßiger Verbindung miteinander die Bedingungen und den Zeitpunkt zum Losschlagen festlegen. So können wir unnötige Niederlagen vermeiden.' Sehr richtig! War doch die Tatsache, daß der Streik gegen den 46 Pfennig-Abschluß vom 8.-10. Februar auf die Hoesch-Betriebe beschränkt blieb und sich nicht auf andere wichtige Betriebe der Stahlindustrie ausdehnte, mit eine Ursache dafür, daß die 14 Pfennig-Forderung nicht durchgesetzt werden konnte (s. u.a. 'Solidarität' Nr. 1). Aus diesem Grunde ist die Aufforderung der Bremer Kollegen so wichtig. Wenn es gelingt, die kommenden Kämpfe zusammen mit den Vertrauensleuten anderer wichtiger Betriebe vorzubereiten und besser zu organisieren, wird es möglich, daß diese Kämpfe nicht so enden wie der letzte Streik. Deshalb: Nehmt Kontakt auf zu den Vertrauensleuten von Klöckner, Mannesmann und andere! Bereitet gemeinsam die kommenden Kämpfe vor!"

Der Artikel "Zum 1. Mai" führt aus:"
Der 1. Mai ist kein Feiertag. Vor über 80 Jahren ist dieser Tag zum internationalen Kampftag der Arbeiterklasse proklamiert worden. Die Geschichte des 1. Mai zeigt die großen Erfolge, die die organisierte Arbeiterschaft in dieser Zeit errungen hat, aber auch die Niederlagen, die sie an diesem Tag erdulden mußte. Das Besondere an diesem Tag ist sein internationaler Charakter. In allen Kontinenten demonstrieren Arbeiter am 1. Mai, um ihre Forderungen sichtbar zum Ausdruck zu bringen. Obwohl in vielen Ländern durch Terror, Folterungen und Unmenschlichkeiten die Arbeiterschaft unterdrückt wird, läßt sie sich diesen Tag nicht aus dem Bewußtsein verdrängen. Es reicht nicht aus, nur Parolen in der 1. Mai-Demonstration zu zeigen, die sich gegen die Unterdrückung in diesen Ländern richtet. Unsere Aufgabe ist es vielmehr, konkret die Interessen dieser Arbeiter zu unterstützen. Wo ist, um ein Beispiel zu geben, eine Gewerkschaft, die in den vergangenen Jahren dazu aufforderte, keine Waffen für Vietnam oder andere Kriegsabenteuer der Imperialisten herzustellen und zu verladen? Warum haben die Gewerkschaften, die in der BRD ein gesellschaftliches Gewicht haben, nicht darauf hingewirkt, daß keine Waffen und Waffenteile für die griechische Obristendiktatur hergestellt werden? Warum wurden diese Lieferungen nicht verhindert? Die letzten Jahre waren auch in Europa gekennzeichnet durch die Verschärfung des Klassenkampfes. In Frankreich, England (Großbritannien, d.Vf.), Italien, Belgien, Holland (Niederlande, d.Vf.), Spanien, der BRD und selbst in den als sozial stabil bezeichneten skandinavischen Ländern wie Dänemark und Schweden befanden sich hunderttausende Arbeiter im Streik. Warum ist der 1. Mai auch heute noch für uns ein Kampftag? In der BRD lösten starke regionale Lohngefälle, riesenhafte Profite und provokative Lohnangebote der Unternehmer, begleitet von einer rapiden Preissteigerungswelle, die bis zum Wucher (Mieten) ausartete, in den letzten Jahren die großen Streiks aus. Diese Streiks haben überall gezeigt, daß zwischen den aktivierten Massen in den Betrieben und der Gewerkschaftsführung eine Kluft im Vertrauensverhältnis klafft. Ein großer Teil der Arbeiter fühlt sich von den Führern der Massenorganisationen entfremdet. Verhängnisvoll wirkt sich die Verkettung der Gewerkschaftspraxis mit der Politik der sozialliberalen Brandt-Regierung aus. Selbst wenn es hin und wieder zu Kontroversen kommt, ist die Ausrichtung der Gewerkschaftspolitik auf die Bedürfnisse der Regierung deutlich. Die Gewerkschaftsführung darf sich nicht durch einzelne Passagen im BetrVerfGesetz (BVG, d.Vf.) auf die Ebene des Verhandelns mit Unternehmer und Regierung abschieben lassen. Sie muß sich auf eine Kampfsituation einstellen! Diese darf sich aber nicht in einer bürokratisch festgelegten Sollerfüllung totlaufen, sondern sie muß durch planmäßige Mobilisierung der Basis, repräsentiert durch ein aktives Instrument von Vertrauensleuten in der Gewerkschaft, weiterentwickelt werden. Die Lohnauseinandersetzungen in diesem Jahr haben gezeigt und werden weiter zeigen, daß sich die Klassenauseinandersetzungen weiter verschärfen. Die Unternehmer sind mit Hilfe der Bundesregierung dabei, die Löhne auf der Basis von Lohnleitlinien festzufrieren. Nur der Bruch mit der 'konzertierten Aktion' kann die Handlungsfreiheit der Gewerkschaften wiederherstellen. Deshalb müssen unsere Forderungen zum 1. Mai lauten:
RAUS AUS DER KONZERTIERTEN AKTION! FÜR DEMOKRATISIERUNG DER GEWERKSCHAFTEN!
GEGEN STAATLICHE LOHNPOLITIK! FÜR TARIFAUTONOMIE DER GEWERKSCHAFTEN!
URABSTIMMUNG NACH TARIFABSCHLÜSSEN! VERTRAUENSLEUTE IN DIE TARIFKOMMISSIONEN!
GEGEN DEN 46-PFENNIG ABSCHLUß!"

Im Artikel "Frankreich nach der Wahl" (vgl. 4.3.1973) heißt es:"
In der ersten Hälfte dieses Monats wurde in Frankreich in zwei Wahlgängen die neue Nationalversammlung gewählt. Die kommunistische und die sozialistische Partei hatten sich auf ein 'Regierungsprogramm' geeinigt und zogen gemeinsam als Union der Linken in die Wahl. Gemeinsam versuchten sie vor der Wahl alle Aktionen der Arbeiterschaft zur Durchsetzung ihrer Interessen abzuwiegeln und zu unterdrücken, da das, wie sie meinten, ihre Chancen bei der Wahl vermindern könnte. Nun, sie haben alle ihre 'Chancen' genutzt und tatsächlich die Mehrheit der Stimmen erhalten ('Union der Linken' 46, 5%, 'Block der Gaullisten' 46, 1%). Dennoch haben die Gaullisten durch die vollkommen ungerechte Aufteilung der Wahlkreise (ein Kommunist braucht ca. 60 000 Stimmen, um einen Parlamentssitz zu erobern, während einem Gaullisten schon 18 000 reichen) wieder eine große Mehrheit in der Nationalversammlung. Außerdem hatte Präsident Pompidou schon angekündigt, daß er, selbst wenn die 'Union der Linken' die Mehrheit der Parlamentssitze erzielen würde, auf keinen Fall einen 'Linken' zum Ministerpräsidenten ernennen würde, sondern das Parlament auflösen und Neuwahlen ausschreiben würde. Um diese Manipulation ist Pompidou noch einmal herumgekommen, aber auch so sind die Illusionen der französischen Arbeiter in das parlamentarische System geschwunden. Sie müssen nun erkennen, daß das Parlament nicht der geeignete Weg ist, um Arbeiterinteressen durchzusetzen. Frankreich steht vor einer Periode verschärfter sozialer Auseinandersetzungen (Streiks, Demonstrationen, usw.), in denen die Bevölkerung ihre Forderungen auf außerparlamentarischem Wege anmelden und durchsetzen wird. Die Forderungen der Gewerkschaften und die Demonstrationen gegen die Verschärfung der Wehrpflicht (die Lex Debray) waren ein Auftakt und zeigen an, welche Schärfe der Kampf annehmen wird.

Der Artikel "Zum Artikel 'Die Zukunft nicht gefährden' in WERK UND WIR 3/73" betont:"
Wer in WERK UND WIR den Artikel zum Streik im Februar gelesen hat, wird sicher vor lauter Angst um die Existenz des HOESCH-Konzerns kaum mehr schlafen können. Warum? Na, weil diese bösen Buben, die damals gestreikt haben, 'rechtswidrig' gehandelt haben, weil sie dem Unternehmen 'erhebliche zusätzliche Kosten' durch den Produktionsausfall verursacht haben. Kollegen, wie könnt Ihr dem armen HOESCH-Konzern solches zufügen, wo doch die Unternehmensleitung, nimmt man diesen Artikel ernst, dauernd am Rande der Pleite entlangwirtschaftet. Zu Tränen gerührt hat mich besonders der letzte Satz des Artikels: 'Unsere Aufgabe muß es sein, in gemeinsamer Verantwortung von Vorstand, Betriebsrat und Belegschaft unser Unternehmen als Existenzgrundlage für alle zu erhalten.' Hört! Hört! Nur in trauter Eintracht - sozusagen als große Familie - kann die Existenzgrundlage erhalten werden; ich frage mich nur, inwiefern die Existenzgrundlage der Bosse jemals gefährdet war. Abgesehen davon sind sie selbst diejenigen, die durch ständige Preiserhöhungen die Existenzgrundlage der Arbeiter dauernd gefährden!
Q: Solidarität Nr. 2, Dortmund 3.4.1973

23.04.1973:
Vermutlich in dieser Woche erscheint bei Hoesch Dortmund der Sonderdruck der 'Solidarität' (vgl. 3.4.1973, 26.4.1973) der GIM, "Die Tarifbewegung 1972/73 und die Februarstreiks bei den Hoesch-Werken, Dokumentation, Analyse." Im Vorwort wird u.a. ausgeführt:"
Warum eine Dokumentation zum 14 Pfennig Streik bei Hoesch? Wir erleben z. Zt. eine ganz auffällige Zunahme der Auseinandersetzungen zwischen Unternehmern und Arbeiterschaft. In der BRD ebenso wie in vielen Ländern des westlichen (kapitalistischen) Auslandes, es nimmt sowohl die Zahl als auch die Schärfe des Kampfes zu. Neue Kampfformen (Fabrikbesetzungen, 'fliegende' Streikposten u.ä.) treten auf; Erfolge werden errungen und Rückschläge müssen eingesteckt werden. Die um ihre Interessen kämpfenden Arbeiter sehen sich immer wieder vor neue Probleme gestellt. z.B. Produktionsverlagerung der internationalen Konzerne in ausländische Betriebe u.ä. Darauf müssen immer neue Antworten gefunden und gemachte Erfahrungen beachtet werden, muß die Solidarität der Kollegen gestärkt, regional, national und international ausgedehnt und in gemeinsame Aktionen eingebracht werden. Nur gemeinsam sind wir stark!
Diese Dokumentation soll ein Beitrag zur Diskussion um die sich aus dem 14 Pfennig-Streik bei HOESCH ergebenden Erfahrungen sein. Sie macht das verräterische Verhalten der IGM-Führung und die feindselige Konfrontationshaltung der Unternehmensleitung deutlich und zeigt die Ursachen für den raschen Zusammenbruch des Streiks auf, die zu einem nicht unwesentlichen Teil in den organisatorischen Mängeln des Streiks, z.B. Fehlen regelmäßiger Streikvollversammlungen, einer gewählten Streikleitung und organisierter Streikposten, begründet lagen (daß ein Arbeitskampf auch heute siegreich beendet werden kann wenn er entschlossen geführt und durchgehalten wird haben die Kollegen bei Mannesmann in Duisburg-Huckingen (MM, IGM-Bereich - vgl. 28.2.1973, d.Vf.) bewiesen, die ihre Forderungen nach 10-tägigem Streik durchsetzen konnten). Für die zukünftigen Arbeitskämpfe wird es notwendig sein, die Organisierung des Streiks und damit seinen inneren Zusammenhalt und seine einheitliche Leitung zu sichern und rechtzeitig Verbindung zu den Belegschaftsvertretern der anderen Unternehmen (fortschrittliche Vertrauensleute und Betriebsräte) aufzunehmen um Beratungen und Vorbereitungen für notwendige und gemeinsame Aktionen einzuleiten, damit die einzelne Belegschaften nicht isoliert den Kampf aufnehmen und einzeln niedergeworfen werden können, sondern gemeinsam ihre Interessen durchsetzen. Aber aus dem Verhalten der Gewerkschaftsspitze müssen auch Schlüsse gezogen werden für Entwicklungen, die sich nicht in Arbeitskämpfen zuspitzen. Es hat sich gezeigt, daß die Gewerkschaftsbürokraten (allen voran Loderer) nicht nur nicht bereit sind die berechtigten Interessen der Kollegen zu vertreten, sondern auch noch die Aktionen der Belegschaften als 'gewerkschaftsschädigend' verunglimpfen und aktive, die Arbeiterinteressen konsequent verteidigende Kollegen mit Disziplinierungsmaßnahmen bedrohen. (Ankündigung der Änderung der Richtlinien für Vertrauensleute und WDR-Interviews während des 14-Pfennig-Streiks). Wenn die Gewerkschaft als Instrument zur Durchsetzung der Interessen der Arbeiter erhalten werden soll, dann müssen die Bestrebungen der Gewerkschaftsbürokratie die innergewerkschaftliche Demokratie abzubauen aufs schärfste bekämpft werden, dann müssen die Funktionen der Vertrauensleute ausgedehnt und deren Verantwortlichkeit gegenüber der Mitgliedschaft verstärkt werden. Allen Bestrebungen die Gewerkschaften in den staatlichen Herrschaftsapparat einzubeziehen (konzertierte Aktion) ist entgegenzutreten. Die Gewerkschaften müssen selbständige Gegenmachtorgane der Arbeiterschaft bleiben und sich an deren Interessen orientieren."

Die Ausgabe hat die Artikel zum Inhalt:
- Tarifkalender,
- Presselupe,
- Flugblätter der GIM,
- Lehren aus dem Streik.

In "Lehren aus dem Streik - Tarifpolitische Einschätzung zur Stahltarifrunde 1972/73" wird zur STR ausgeführt:"
I. Zum Kapitalinteresse in der Tarifrunde 1972/73.
Warum gingen die Unternehmer in dieser Tarifrunde auf einen derart harten Konfrontationskurs? Die Krise 1966/67 hat die Gewinnaussichten der deutschen Industrie und insbesondere der deutschen Stahlindustrie geschmälert. Die Gründe sind einerseits zu suchen in den Schwierigkeiten auf dem Weltmarkt, in der verschärften Konkurrenz zwischen den USA und den EWG-Staaten, die sich zum Beispiel auf das Weltwährungssystems katastrophal ausgewirkt hat (Dollarkrise); andererseits zeichnet sich immer deutlicher eine strukturelle Krise des deutschen Stahlsektors ab. Da es den Unternehmern immer schwerer wird, ihre Gewinne durch Ausdehnung zu sichern, griffen sie verstärkt auf den Lohnsektor zurück. Das Verhalten der SPD-Regierung zeigt deutlich, worauf das Unternehmerinteresse letztendlich hinausläuft: staatliche Lohnpolitik statt Tarifautonomie (Konzertierte Aktion, Orientierungsdaten, Stabilitätsgesetz, die Androhung des Wirtschaftsministers Schmidt, alle Tarifabschlüsse über 8% durch Konjunkturzuschläge wegzusteuern).

II. Zum Verhalten der Gewerkschaftsbürokratie.
Wenn man die unrühmliche Rolle, die die Gewerkschaftsbürokratie in der letzten Tarifrunde gespielt hat, untersuchen will, ist es notwendig, sich über die Funktion der Gewerkschaft allgemein Gedanken zu machen. Wie sich in den letzten Jahren gezeigt hat, besteht zwischen der Basis der Gewerkschaft, d.h. ihren Mitgliedern, und der Führungsspitze, d.h. der Bürokratie, ein deutlicher Widerspruch. Die Gewerkschaftsspitze ist nicht mehr vertretendes Organ der Arbeiterschaft gegenüber den Unternehmern, sondern identifiziert sich mit den Unternehmerinteressen (siehe Konzertierte Aktion usw.). Deutlich wird diese Tendenz auch am Verhalten der IGM-Führung während des Streiks der Hoesch-Arbeiter im Februar. Loderer und die übrigen Spitzenfunktionäre waren nicht bereit, die berechtigten Forderungen der Streikenden zu unterstützen. Der gerade zu dieser Zeit in Sprockhövel tagende IGM-Vorstand hatte offensichtlich Kontakte zum Betriebsrat und zur Unternehmensleitung der Hoesch-AG; das auf Grund dieser Gespräche zustandegekommene Stillhalteabkommen der IGM-Spitze unterstreicht die mangelnde Solidarität mit den Arbeitern bei HOESCH. Daß die ausgesprochenen und später erst wieder unter Druck der Kollegen zurückgenommenen Kündigungen der acht Kollegen im Werk Westfalenhütte kein Einzelfall sind, scheint offensichtlich zu sein. Hier wurde ganz massiv versucht, diejenigen Kollegen einzuschüchtern, die nicht bereit sind, die Politik der Unternehmensleitung widerspruchslos hinzunehmen. Zwar unterstützte die IGM - wenn auch erst auf Druck der Basis hin - die von der Kündigung bedrohten Kolleginnen und Kollegen, aber was von dieser Unterstützung in zukünftigen Fällen zu halten sein wird, wird deutlich in der Presseerklärung des IGM-Vorstandsmitgliedes Judith vom 22.2.1973:
'Wir gehen nun davon aus, daß sich derartige Vorfälle künftig nicht wiederholen, da für uns sonst keine Vermittlungsmöglichkeit mehr gegeben und in solchen Fällen die Gewährung von Rechtsschutz in Frage gestellt ist.'

III. Zur Gewerkschaftsbasis.
Die von der Vertrauenskörperschaft zu Beginn der Tarifrunde gestellte Forderung nach 12-15% mehr Lohn (bzw. die Forderung nach linearer Lohnerhöhung) entspricht genau den Notwendigkeiten. Im Gegensatz zur Gewerkschaftsbürokratie, die von vornherein ihre Forderungen so angesetzt hatte, daß ein Abschluß bei 8, 5% herauskommen mußte, waren die Vertrauensleute und damit die Basis bereit, ihre Forderungen mit Nachdruck durchzusetzen. Doch solange die Vertrauensleute sich in den Tarif- und Verhandlungskommissionen aufgrund ihrer zahlenmäßigen Unterlegenheit nicht durchsetzen können, wird die Gewerkschaftsbürokratie weiter ihre unternehmerfreundliche Politik machen können. Eine wichtige Aufgabe im Hinblick auf künftige Tarifauseinandersetzungen muß also sein, die undemokratische Hierarchie innerhalb der Gewerkschaften massiv zu bekämpfen. Nur durch die Stärkung der direkten Vertreter in den entscheidenden Kommissionen sind solche faulen Kompromisse, wie sie die Bürokratie in der letzten Tarifrunde mit den Kapitalisten schloß, zu vermeiden. Natürlich wird die Funktionärsclique solche Forderungen nach intensiverer Kontrolle und größerem Einfluß der Mitglieder nicht widerstandslos hinnehmen. Aber der solidarische Druck der Basis auf die Bürokratie wird es ermöglichen, daß die Interessen der Arbeiter in Zukunft durchgesetzt werden können. Der Kampf um die 'Demokratisierung der Gewerkschaften' ist also kein leeres Schlagwort, sondern muß mit harten Angriffen gegen die Führungsspitze der Gewerkschaften geführt werden.

SETZEN WIR DIE BÜROKRATIE DURCH UNSERE SOLIDARITÄT UNTER DRUCK!!
KÄMPFEN WIR UM UNSEREN EINFLUß IN DEN GEWERKSCHAFTEN!!
KONTROLLIERT DIE BÜROKRATEN UND SETZT SIE AB, WENN SIE EUREN FORDERUNGEN KEINEN NACHDRUCK VERLEIHEN!"

Berichtet wird aus der STR in NRW von der Aufstellung der Forderung (vgl. 24.10.1972), ihrer Billigung durch den IGM-Vorstand (vgl. 26.10.1972), den ersten beiden Verhandlungsrunden (vgl. 14.11.1972, 24.11.1972), dem ersten Angebot (vgl. 5.12.1972), der Erklärung von Loderer (vgl. 9.12.1972), der vierten Verhandlungsrunde (vgl. 12.12.1973) und deren Abbruch (vgl. 13.12.1972), vom Besuch des IGM-Tarifexperten Schmidt auf der Westfalenhütte (vgl. 17.12.1972), von der Urabstimmung (vgl. 20.12.1972), vom Streikbeschluß in der GTK NRW (vgl. 22.12.1972) und durch den IGM-Vorstand (vgl. 28.12.1972), von der Erklärung der Kapitalisten (vgl. 29.12.1972), ihren Beratungen (vgl. 3.1.1973), den neuen Verhandlungen (vgl. 4.1.1973), von Hoesch Phoenix (vgl. 4.1.1973), von der Tarifkommission (vgl. 5.1.1973), von den Streiks bei Phoenix und Union (vgl. 5.1.1973), von den Vertrauensleuten der Westfalenhütte (vgl. 5.1.1973), von der Urabstimmung in Dortmund (vgl. 11.1.1973), von der innerbetrieblichen Lohnerhöhung bei Hoesch (vgl. 7.2.1973), von dem Streik bei Hoesch (vgl. 8.-10.2.1973), von eigenen Flugblättern am 9.2.1973, 10.2.1973 und 12.2.1973, von den Gesprächen zwischen Betriebsrat und Vorstand (vgl. 13.2.1973), von den angekündigten Entlassungen (vgl. 16.2.1973) und dem Protest dagegen bei Hoesch (vgl. 19.2.1973) u.a. durch die GIM (vgl. 19.2.1973) und anderswo (vgl. 20.2.1973), der Rücknahme der Entlassungen (vgl. 22.2.1973) und den Belegschaftsversammlungen (vgl. 22.2.1973).
Q: Solidarität Sonderdruck Die Tarifbewegung 1972/73 und die Februarstreiks bei den HOESCH-WERKEN, Dokumentation, Analyse 2. Aufl. und Nr. 3, o.O. (Dortmund) bzw. Dortmund o.J. (Apr. 1973) bzw. 26.6.1973, S. 1ff bzw. S.10

25.04.1973:
Die GIM bei Hoesch berichtet am 15.5.1973 von heute und morgen:"
Vertrauensleute der Westfalenhütte und von Phoenix fordern:
WEG MIT DEN 46 PFENNIG/8, 5%-ABSCHLÜSSEN! SOFORTIGE KÜNDIGUNG DER TARIFVERTRÄGE!

Die Preise steigen weiter. Stärker als je zuvor! Aber IGM-Chef Loderer denkt nicht daran den Lohnkampf wiederaufzunehmen. Mit Mauscheleien bei den Manteltarifverträgen hofft er, aus der Klemme zu kommen (Erhöhungen der Zuschläge für Spät- und Nachtarbeit). Notwendig aber ist, die Kündigung der Lohntarifverträge vom 5.1. d.J. und die Aushandlung neuer, allgemeiner Lohnerhöhungen.
Genau in diesem Sinne haben sich die Vertrauensleute der Werke Westfalenhütte und Phoenix auf ihren Vollversammlungen vom 25. bzw. 26.4. ausgesprochen. Auch in vielen anderen Betrieben der metallverarbeitenden und der Eisen- und Stahlindustrie werden ähnliche Forderungen gestellt (Stahlwerke Südwestfalen (SSW, d.Vf.), Ford, Opel, VW u.a.).
Was muß bei den neuen Tarifauseinandersetzungen gefordert werden? Die zwei wichtigsten Punkte müssen sein:
1.) 1 DM mehr pro Stunde für alle. (über die Notwendigkeit linearer Forderungen haben wir in der letzten Nummer der 'Solidarität' schon so viel geschrieben, daß wir hier auf weitere Erörterungen verzichten wollen).
2.) Preisgleitklauseln in die Tarifverträge!
Sofort nach jeder Tarifrunde beginnen die Unternehmer mit Lohnsenkungen, indem sie die Preise erhöhen und so den Reallohn drücken. Schöne Appelle und Preisstopp nützen dagegen nichts, das beweist z.B. England (Großbritannien, d.Vf.), wo trotz Preisstop die Lebenshaltungskosten fast 10% gestiegen sind.
Bei jeder Erhöhung der Lebenshaltungskosten müssen die Löhne mitsteigen.
Das ist der einzige wirksame Schutz gegen Lohnabbau durch Preiserhöhungen. Deshalb Preisgleitklauseln.

Dicke Auftragsbücher - Unterbelegschaft.

Die Bosse streichen den großen Profit ein - die Arbeiter zahlen die Zeche mit ihren Knochen und Unterbezahlung.
WEG MIT PREISTREIBEREI UND LOHNRAUB!
FÜR DIE SOFORTIGE KÜNDIGUNG DER 46 PFENNIG/8, 5% TARIFABSCHLÜSSE!
1 DM MEHR PRO STUNDE FÜR ALLE!
PREISGLEITKLAUSELN IN DIE TARIFVERTRÄGE!"

Die Sympathisantengruppe Passau des AB berichtet bei der Zahnradfabrik (ZF, IGM-Bereich - vgl. 6.6.1973) über heute und morgen:"
HOESCH (Dortmund) Vertrauensleute forderten die Revision der Tarifverträge."
Q: Solidarität Nr. 4, Dortmund 15.5.1973, S. 3

26.04.1973:
Laut GIM findet heute bei Hoesch Phoenix Dortmund eine Vertrauensleutevollversammlung der IGM statt, die sich ebenso wie die gestrige Versammlung auf der Westfalenhütte gegen den 46 Pfennig/8, 5%-Abschluß ausspricht und eine Kündigung der Tarifverträge fordert.
Q: Solidarität Nr. 4, Dortmund 15.5.1973, S. 3

26.04.1973:
Die Nr. 3 der 'Solidarität' - Informationsblatt der GIM (vgl. 23.4.1973, 15.5.1973) erscheint in Dortmund mit 10 Seiten DIN A 4 und dem Leitartikel "Heraus zum 1. Mai. Aufruf der Gruppe Internationale Marxisten zum 1. Mai", in dem u.a. ausgeführt wird:"
DIE EIGENEN INTERESSEN NICHT VERGESSEN - DIE GEWERKSCHAFTEN MÜSSEN UNABHÄNGIGE KAMPFORGANE DER ARBEITER BLEIBEN!
Der 1. Mai ist der traditionelle Kampftag der internationalen Arbeiterklasse. Ein Tag an dem es nicht darum geht, einen großen Umzug zu machen und sich dann von einem Bürokraten oder sonst einem hohen Tier eine große Rede halten zu lassen.
Es geht vielmehr darum, die eigenen Interessen klar zum Ausdruck zu bringen und die Entschlossenheit zu ihrer Durchsetzung zu demonstrieren.
Am 1. Mai:
FÜR DIE SOFORTIGE KÜNDIGUNG DER 46 PFENNIG! 8, 5%-TARIFABSCHLÜSSE! GEGEN PREISTREIBEREI UND LOHNABBAU! GEGEN 'ORIENTIERUNGSDATEN' UND LOHNDIKTAT! FÜR VOLLE TARIFAUTONOMIE!

Die letzten Tarifabschlüsse waren nicht nur nicht in der Lage den Lohnabbau durch die Preissteigerungen des letzten Jahres auszugleichen, sie konnten auch, wie die Entwicklung der letzten Monate zeigte, keinen Beitrag zur 'Stabilität' sein. Die Einkommenszuwächse auf die die Arbeitnehmer verzichteten, schoben sich die Unternehmer durch die Produktivitätssteigerungen, die Preiserhöhungen und Spekulationsgewinne (aus der Dollarkrise) leicht in die Tasche. Deswegen sind die Tarifabschlüsse vom Anfang des Jahres, die schon damals nicht den Interessen der Kollegen gerecht wurden noch unmöglicher und unhaltbarer geworden (Das mußte nun infolge der Unzufriedenheit der Mitglieder auch IGM-Chef Loderer zugeben). Deswegen müssen die alten Tarifabkommen sofort gekündigt werden und eine den Bedürfnissen der Arbeiter gerecht werdende Regelung durchgesetzt werden. Dabei müssen vor allen Dingen folgende Punkte Beachtung finden:
1. Die Lohnerhöhungen müssen für alle gleich, also linear, sein (denn die Belastung durch die Verschärfung des Arbeitstempos und Verteuerung der Lebenshaltungskosten sind für alle gestiegen; außerdem ist die 'Lohndifferenzierung' ein altes Mittel der Unternehmer die Solidarität der Arbeiter zu spalten).
2. Es muß auf jeden Fall ein Mindesteinkommen von 1 200 DM auf der Basis der 40 Stunden Woche garantiert sein, damit niemand mehr gegen seinen Willen gezwungen ist Überstunden zu kloppen oder die Frau arbeiten zu schicken um den Lebensstandard zu halten.
3. In den Tarifvertrag müssen Preisgleitklauseln (gleitende Lohnskala) aufgenommen werden, die bei steigenden Preisen eine automatische, entsprechende Steigerung der Löhne vorschreiben. Die Preisveränderungen sind durch Gewerkschaftsgremien zu kontrollieren. Nur auf diese Weise ist zu verhindern, daß die Unternehmer nach Abschluß der Tarifverhandlungen durch Preiserhöhungen die Löhne sofort wieder senken.
4. Es darf kein Tarifabschluß ohne zustimmende Urabstimmung getätigt werden.

GEGEN DEN 'STABILITÄTSPAKT' VON UNTERNEHMERN, GEWERKSCHAFTSBÜROKRATIE UND SPD-REGIERUNG! RAUS AUS DER KONZERTIERTEN AKTION!

Die Höhe der letzten Tarifabschlüsse war weitgehend hinter den verschlossenen Türen der konzertierten Aktion zwischen den Unternehmervertretern, der Gewerkschaftsbürokratie und der SPD/FDP-Regierung ausgemauschelt worden. Die dort festlegten 'Orientierungsdaten' sind zwar offiziell nicht verbindlich, aber SPD-Finanzminister Schmidt hatte angedroht, alle Tarifergebnisse über 8% durch einen nicht zurückzahlbaren Konjunkturzuschlag wegzusteuern. Das bedeutet die Festlegung der Gewerkschaften auf Lohnleitlinien, d.h. Abschaffung der Tarifautonomie auf kaltem Wege.
Damit wird den Gewerkschaften ihre Stellung als selbständige (autonome) Interessenvertretung der Arbeitnehmer entzogen und sie werden über den Gewerkschaftsapparat in eine Agentur der Staats- und Unternehmerinteressen verwandelt. Die Bürokraten der Gewerkschaftsspitze nehmen diese Entwicklung nicht nur widerstandslos hin, sondern treiben sie durch ihre Kumpanei mit den SPD-Ministern sogar voran und versuchen die konzertierte Aktion auch noch als Schritt zur 'überbetriebliche Mitbestimmung' zu verkaufen.

FÜR DIE ERHALTUNG DER GEWERKSCHAFTEN ALS AUTONOMIE INTERESSENSVERTRETUNG DER ARBEITNEHMER! GEGEN DIE VORHERRSCHAFT DER BÜROKRATEN - FÜR UMFASSENDE GEWERKSCHAFTSDEMOKRATIE!

Daß die bürokratische Gewerkschaftsspitze die Interessen der Arbeitnehmer nicht mehr vertritt, sondern sie zu Gunsten der Unternehmerinteressen verraten haben, wurde spätestens in den letzten zwei Tarifrunden deutlich, wo nicht nur die erzielten Ergebnisse katastrophal niedrig waren, sondern bereits die in den Betrieben erhobenen Forderungen in den Tarifkommissionen unter dem Einfluß des Hauptvorstandes erheblich zusammengestrichen worden waren (im Interesse der Stabilität natürlich - aber Stabilität bedeutet nur die Stabilität der Gewinne!) Unsere Interessen sind nur durch eine starke, konsequente Organisation, die auch die Auseinandersetzung nicht fürchtet, zu vertreten und durchzusetzen. Wir müssen daher um den Ausbau der innergewerkschaftlichen Demokratie kämpfen, um so den Einfluß der Bürokraten zurückzudrängen und zu zerschlagen, die Gewerkschaft wieder zu einer kämpferischen, wirksamen Interessenvertretung zu machen. Wir müssen die Stellung der Vertrauensleute ausbauen und ihre Verantwortlichkeit gegenüber den Mitgliedern verstärken. Die zentrale Parole des DGB für den 1. Mai lautet: 'Mitdenken - mitreden - mitbestimmen'.
Wir sind nun nicht der Meinung, daß die Mitbestimmung eine Forderung wäre für die man am 1. Mai demonstrieren oder sonst kämpfen müsse.
Daß auch Mitbestimmung die Interessen der Arbeiter nicht wirksam schützen kann wurde z.B. im Bergbau, bei Klöckner Hagen, beim 14 Pfennig Streik bei Hoesch und viele andere Male bewiesen. Diese Forderung kann (und soll) nur den elementaren Interessengegensatz zwischen Lohnarbeit und Kapital (der Lohn ist eben Einkommen für den Arbeitnehmer) und Kostenfaktor (für den Unternehmer), der ein gleiches Allgemeininteresse nicht zuläßt, verschleiern.
Wir demonstrieren daher nicht unter den Mitbestimmungsparolen des DGB, sondern wir marschieren auf der DGB-Demonstration um zu zeigen, daß wir nicht abseits stehen, sondern in den Gewerkschaften darum kämpfen werden sie wieder zu Kampforganen der Arbeiterschaft zur Durchsetzung ihrer Interessen zu machen. Wir demonstrieren unter den Parolen:

DIE GEWERKSCHAFT GEHÖRT UNS, NICHT DEN BÜROKRATEN!
GEGEN DEN STABILITÄTSPAKT VON GEWERKSCHAFTSBÜROKRATIE, UNTERNEHMER UND SPD/FDP-REGIERUNG!
GEGEN LOHNDIKAT, FÜR VOLLE TARIFAUTONOMIE!
RAUS AUS DER KONZERTIERTEN AKTION!
GEGEN DEN ABBAU DER INNERGEWERKSCHAFTLICHEN DEMOKRATIE!
FÜR DAS RECHT AUF BILDUNG EINER LINKEN GEWERKSCHAFTSTENDENZ!"

Der Artikel "Der DGB und die Revolutionäre Gewerkschaftsopposition" (RGO) führt u.a. aus:"
In den letzten Wochen veröffentlichten der DGB und auch einzelne Industriegewerkschaften (z.B. Drupa) Stellungnahmen zu den Versuchen verschiedener maoistischer Gruppen eine 'Revolutionäre Gewerkschaftsopposition' zu organisieren. Darin wird betont diese Versuche seien spalterisch und gewerkschaftsschädigend, Vertreter dieser Richtungen (Mitglieder und Sympathisanten) müßten deshalb ausgeschlossen werden. Es ist richtig, die Politik eine RGO aufzubauen ist auf Spaltung der Gewerkschaftsbewegung angelegt und deswegen falsch.
Denn es kann nicht darum gehen die aktiven und bewußten Kollegen neben den gewerkschaftlichen Organisationen zu organisieren und sie von der Masse der Kollegen zu trennen, es ist vielmehr notwendig, den Kampf in den Gewerkschaften um die Durchsetzung innergewerkschaftlicher Demokratie zu führen und sie so wieder zu funktionsfähigen Organen des Kampfes der Arbeiterklasse zu machen.
Was ist nun aber das Ziel der Gewerkschaftsbürokraten mit ihrer Kampagne gegen die RGO? Es geht ihnen dabei gar nicht so sehr um die tatsächlichen Mitglieder und Sympathisanten der maoistischen 'Partei'gründungen. Der Gewerkschaftsapparat versucht sich vielmehr eine Handhabe gegen alle fortschrittlichen und kämpferischen Kollegen zu schaffen (die dann eben flugs zu Sympathisanten der RGO-Politik erklärt werden).
Die Angriffe der Bürokraten richten sich also gegen alle, die gegen die butterweiche und verräterische Politik der Gewerkschaftsspitze opponieren, und die die Gewerkschaften wieder in Organe zur Durchsetzung der Interessen der Arbeiterschaft verwandeln wollen.
Wir dürfen daher nicht zulassen, daß Kollegen auf Grund der RGO-Beschlüsse ausgeschlossen oder sonst gemaßregelt werden.

GEGEN DIE MAßREGELUNG FORTSCHRITTLICHER UND AKTIVER KOLLEGEN!
FÜR DEN AUSBAU DER INNERGEWERKSCHAFTLICHEN DEMOKRATIE!
FÜR DIE FREIHEIT ALLER SOZIALISTISCHEN STRÖMUNGEN IN DEN GEWERKSCHAFTEN ZU ARBEITEN!
FÜR DEN AUFBAU LINKER TENDENZEN IN DEN GEWERKSCHAFTEN!
MACHT DIE GEWERKSCHAFTEN WIEDER ZU KAMPFORGANEN DER ARBEITERSCHAFT!
DIE GEWERKSCHAFT GEHÖRT UNS - NICHT DEN BÜROKRATEN!"

Der Artikel "Verschiedene Notizen unter anderem: Druckerstreik, Chemie- Tarifbewegung, Preisentwicklung", berichtet vom Druckerstreik der DruPa (vgl. 9.4.1973) und zur Chemietarifrunde (CTR der CPK) heißt es:"
Die Produktivitätssteigerung in der chemischen Industrie wird in diesem Jahr 9 - 11% betragen. Trotzdem boten die Unternehmer lediglich eine 'Lohnerhöhung' von 8% an, was nicht einmal die Preissteigerungen des letzten Jahres ausgleicht. Das ist ein schlechter Witz! Angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung (Produktivitätssteigerung, Inflation) ist die Forderung der IG-Chemie nach 11, 5% Lohnerhöhung als Mindestforderung anzusehen, unter der nicht abgeschlossen werden darf. Für die Bürokraten der IG-Chemie im Bezirk Nordrhein, die, nachdem die Verhandlungen als gescheitert erklärt waren, einer Schlichtung zugestimmt haben (vgl. **.*.1973, d.Vf.) zeigt wieder ihren kompromißlerischen verräterischen Charakter. Wie die Tarifergebnisse in den anderen Bezirken aussehen werden, wird entscheidend von der Entschlossenheit der Kollegen ihre Interessen auch gegen den Willen der Gewerkschaftsspitze durchzusetzen, abhängen."

Der 'Solidarität'-Sonderdruck "zur Metalltarifbewegung und zum 14 Pfennig-Streik bei Hoesch" sei nun erschienen (vgl. 23.4.1973). Weiter wird dazu aufgefordert, 'Was Tun?, Zeitung der GIM, zu abonnieren: " Sie erscheint 14-tägig und bringt Berichte und Analysen über Klassenkämpfe und politische Entwicklungen im In- und Ausland."
Q: Solidarität Nr. 3, Dortmund 26.4.1973

27.04.1973:
Die GIM bei Hoesch Dortmund (IGM-Bereich in NRW - vgl. 15.5.1973) verweist in einem Artikel "8, 2 Millionen streikten in Japan" darauf, daß "am 27. April das gesamte Wirtschaftssystem in Japan durch einen Verkehrsstreik blockiert wurde. Große Teile der Arbeiter und Angestellten von Bahn und U-Bahnen, die Docker, Bus- und Taxifahrer und die Techniker der Flugbetriebe streikten. Anfang der Woche begann die Auseinandersetzung mit einem Bummelstreik. Dieser weitete sich dann schnell aus. Es wurde gefordert:
1. eine Lohnerhöhung bis zu 30%.
2. das Recht, überhaupt streiken zu dürfen!"
Q: Solidarität Nr. 4, Dortmund 15.5.1973

08.05.1973:
Bei Hoesch Westfalenhütte Dortmund wird mit einem Schreiben von heute, der Lehrling Rolf Strojec entlassen (vgl. 19.11.1973). Die GIM tritt bei Hoesch (vgl. 15.5.1973) ein:"
FÜR DIE SOFORTIGE WIEDEREINSTELLUNG VON R. STROJEC

Am 10.5. wurde der Kollege Rolf Strojec, Starkstromelektrikerlehrling und Jugendvertrauensmann, fristlos entlassen. Er hatte auf einer Teilbelegschaftsversammlung den tödlichen Unfall des Kollegen Holtkamp beim Werk Union als Ermordung bezeichnet und die Herren der Unternehmens- und Werksleitung verantwortlich gemacht. Das genügte. Dieselben Herren, die durch 'Rationalisierungen und Personaleinsparungen' ständig die Arbeitshetze verschärfen, damit die Sicherheit am Arbeitsplatz laufend verschlechtern und so tatsächlich die Verantwortung für viele Arbeitsunfälle tragen, schmissen ihn raus. Dabei konnten sie sich der Hilfe des BR Roggensack bedienen, der ohne die Zustimmung des gesamten Betriebsrates (der sich noch nachträglich gegen die Entlassung ausgesprochen hat) die Entlassung genehmigte. Diese Entlassung hat eindeutigen politischen Anlaß. Sie ist der Versuch, jede politische Betätigung im Betrieb zu verhindern und zielt in der Perspektive auch gegen jede gewerkschaftliche Arbeit. Sie ist ein Angriff auf das Recht auf freie Meinungsäußerung und die demokratischen Rechte der Arbeiterbewegung. Deshalb rufen wir alle Kollegen zur Solidarität mit Rolf Strojec auf.

FÜR DIE SOFORTIGE WIEDEREINSTELLUNG DES KOLLEGEN STROJEC!
FÜR FREIE POLITISCHE BETÄTIGUNG IN AUSBILDUNG UND BERUF!"
Q: Solidarität Nr. 4, Dortmund 15.5.1973, S. 4

15.05.1973:
Die Nr. 4 der 'Solidarität' - Informationsblatt der GIM erscheint bei Hoesch Dortmund (vgl. 26.4.1973, 13.6.1973) mit 8 Seiten DIN A 4 und einem Leitartikel zum 1. Mai in Dortmund.
Berichtet wird auch von der Entlassung von Rolf Strojec (vgl. 8.5.1973), von einem Generalstreik in Japan (vgl. 27.4.1973), vom 1.Mai in Frankreich, Großbritannien, Japan und Spanien sowie von den Vertrauensleuteversammlungen auf der Westfalenhütte (vgl. 25.4.1973) und auf Phoenix (vgl. 26.4.1973). Aufgerufen wird zur Dortmunder Demonstration für Demonstrationsfreiheit (vgl. 18.5.1973).
Herausgegeben wird die 'Solidarität' von der GIM - Ortsgruppe Dortmund, Ausschuß für Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit. Verantwortlicher Redakteur und Kontakt: Hermann Schink, Dortmund.
Q: Solidarität Nr. 4, Dortmund 15.5.1973

11.06.1973:
Die GIM berichtet bei Hoesch Dortmund (vgl. 13.6.1973):"
280 DM 'TEUERUNGSZULAGE' KEIN ERSATZ FÜR ALLGEMEINE TARIFVERBESSERUNGEN, DESWEGEN WEITER FÜR SOFORTIGE KÜNDIGUNG DER LOHNABBAUTARIFVERTRÄGE VOM JANUAR

Die IGM-Bonzen glauben sich durch eine 'Teuerungszulage' von insgesamt 280 DM (auszahlbar in 4 monatlichen Raten von 70 DM) aus der Klemme zu befreien, in die sie durch die Unzufriedenheit der Kollegen in den Betrieben geraten waren. Die Unruhe war entstanden, nachdem im Januar die Tarifabschlüsse von 46 Pfennig bzw. 8, 5% nicht einmal den Kaufkraftverlust des letzten Jahres ausgeglichen hatten und obwohl die Tarifverträge als 'der Beitrag der Arbeitnehmer zur Geldwertstabilität' den Arbeitern von der IGM-Führung aufgezwungen worden waren, die Preise stärker als je zuvor stiegen. Als nun in der letzten Zeit die Unzufriedenheit in den Betrieben immer häufiger zu spontanen Arbeitsniederlegungen führte und verschiedene Vertrauensleutekörper immer deutlicher die sofortige Kündigung der Verträge vom Januar forderten, konnten sich Loderer und die anderen Bonzen nicht mehr anders helfen, als mindestens zum Schein auf diese Forderungen einzugehen. Nachdem Loderer im April noch große Töne gespuckt hatte, haben die IGM-Bürokraten nun hinter verschlossenen Türen heimlich still und leise diesen 280 DM 'Kompromiß' am Rande der Manteltarifverhandlungen abgeschlossen. Das ist eindeutig ein neuer Versuch, den 'Arbeitsfrieden' auf dem Rücken der Arbeiter zu retten, da sich die Unternehmer bei den überquellenden Auftragsbüchern keine Lohnauseinandersetzungen leisten können.

Damit hat die Bürokratie wieder bewiesen, daß sie sich einen Dreck um den Willen der Mitglieder schert. Denn bei einer Preissteigerungsrate von über 8% ist diese 'Teuerungszulage' ein Witz. Jeder weiß, das reicht nicht vorn und nicht hinten.
DARUM WEITER FÜR SOFORTIGE KÜNDIGUNG DER LOHNABBAUTARIFVERTRÄGE!
DEN PREISTREIBERN UND DER VERRÄTERISCHEN GEWERKSCHAFTSBÜROKRATIE EINEN HEISSEN SOMMER UND HERBST!
FÜR 1 DM MEHR PRO STUNDE FÜR ALLE!
PREISGLEITKLAUSELN IN DIE TARIFVERTRÄGE!"
Q: Solidarität Nr. 5, Dortmund 13.6.1973

13.06.1973:
Die GIM gibt bei Hoesch Dortmund die Nr. 5 der 'Solidarität' (vgl. 15.5.1973, 2.7.1973) mit 6 Seiten DIN A 4 und einem Leitartikel "Das 'Stabilitätspaket' der SPD/FDP-Regierung und was es den Arbeitern bringt!" heraus, in dem ausgeführt wird:"
Im Zuge des gegenwärtigen rapiden Konjunkturaufschwungs hat die Geldentwertung weiter zugenommen. Sie hat die 8% Marke erreicht und wird sich schnell vollends der 9 und 10% Grenze nähern. Damit drohte die bisher schleichende Inflation in absehbarer Zeit in eine galoppierende umzuschlagen, wenn die Regierung nicht versuchte, sie in den Griff zu kriegen. Diesen Versuch hat die Bundesregierung nun mit ihrem 21-Punkte-Programm, das fast alle Instrumente des Stabilitätsgesetzes beinhaltet, gemacht. Was wird es nun bringen? Dieses 'Stabilitätsprogramm' wirkt vor allen Dingen auf zwei Ebenen, nämlich:
1. der Drosselung der Staatsausgaben und
2. der Verteuerung der Investitionen.
Was das erste angeht, so wird nun endgültig klar, daß für die Inangriffnahme der sozialdemokratischen Reformversprechen absolut kein Raum mehr ist. Vom zweiten, der Investitionssteuer, der Aussetzung der degressiven Abschreibung und der Kreditverteuerung kann zwar angenommen werden, daß sie den Konjunkturverlauf beeinflussen werden, aber auf die Preisentwicklung wird dies keinen entscheidenden Einfluß haben.
Denn die Unternehmer werden ihr laufendes Investitionsprogramm natürlich weiterführen und die Verteuerungen allesamt auf die Preise überwälzen. Das muß natürlich mittel- und langfristig bedeuten, daß die private Kaufkraft, die ja infolge der, gemessen an der Preisentwicklung, katastrophal niedrigen Tarifabschlüsse die neuen Produkte nicht mehr alle aufnehmen kann, daher die Verengung des Marktes, die ja mit der Drosselung der Staatsausgaben schon eingeleitet war, sich derart verschärfen wird, daß die Profite erneut fallen werden und die Investitionstätigkeit nachläßt.
Nur - die Preise werden auch dann nicht fallen, sondern die Produktion wird eingeschränkt.
Ein Beamter des Wirtschaftsministeriums bekannte freimütig: 'Dieses Programm bedeutet die Absage an die Vollbeschäftigungsgarantie'. Denn wenn die Produktionsziffern fallen werden, werden die Arbeitslosigkeitszahlen steigen und für die übrigen, die noch eine Arbeit haben, wird die Arbeitshetze verschärft werden - wir haben das ja 1966/67 erlebt.
Und spätestens hier wird deutlich, daß auch wenn auf einen allgemeinen Konjunkturzuschlag verzichtet wurde, weil man bei der Regierung allzuviel Angst vor dem Unmut der Arbeiterschaft hatte, dieses Programm die Wirtschaft wieder auf dem Rücken der Arbeiter 'gesunden' lassen soll.
Steigende Gefährdung der Arbeitsplätze, zunehmende Arbeitshetze, weiterhin steigende Lebenshaltungskosten und zunehmende Staatseingriffe in die Lohnpolitik (konzertierte Aktion und das Geschwätz von Bundesbankpräsident Klasen über den Lohnstop), das ist der Preis, den die Arbeiterklasse für die 'Stabilitätskrise' der westdeutschen Wirtschaft bezahlen soll.
Deswegen werden folgende Forderungen immer wichtiger und aktueller:
FÜR UNABHÄNGIGE GEWERKSCHAFTEN! GEGEN LOHNDIKTAT - FÜR TARIFAUTONOMIE - RAUS AUS DER KONZERTIERTEN AKTION!
PREISGLEITKLAUSELN IN DIE TARIFVERTRÄGE - GLEITENDE LOHNSKALA!
KEINE ENTLASSUNGEN; SONDERN VERTEILUNG DER VORHANDENEN ARBEIT AUF ALLE
BESCHÄFTIGTEN BEI VOLLEM LOHNAUSGLEICH - GLEITENDE ARBEITSZEITSKALA!
KONTROLLE DER BESCHÄFTIGTEN ÜBER DIE UNTERNEHMENSPOLITIK - ÖFFNET DIE BÜCHER!
WEG MIT DEM BANKGEHEIMNIS!"

Der Artikel "Demonstrationsverbote! Erneute Verschärfung der politischen Unterdrückung" führt aus:"
Das Demonstrationsverbot gegen die 1. Mai-Kundgebung der KPD und das brutale Vorgehen der Polizei bei dieser Kundgebung war der Anlaß zur Gründung eines Komitees gegen die Demonstrationsverbote. In diesem Komitee befinden sich Gruppen (u.a. GIM), die zwar die Politik der KPD ablehnen, aber vereint gegen diese politischen Unterdrückungsmaßnahmen kämpfen wollen.
Dieses Komitee veranstaltete am 18.5. eine Protestkundgebung, die von der Polizei verboten und brutal niedergeknüppelt wurde. An dieser Kundgebung nahmen ca. 1 500 Personen teil. Davon wurden zwischen 200 - 300 Demonstranten und Passanten verhaftet und bis zum nächsten Morgen festgehalten. Die Antwort auf diese Repression war die Teilnahme von ca. 4 000 Demonstranten an der Kundgebung der KPD, die am nächsten Tag stattfand.
Bevor sich der Demonstrationszug formierte, diskutierten die Demonstranten mit den Bürgern von Dortmund über die Vorkommnisse des vergangenen Tages. Schon hier nahmen Zivilbeamte jede Person fest, die sich über den Polizeieinsatz äußerte. Als sich der Demonstrationszug in Bewegung setzte, stürmten schon die ersten Hundertschaften mit gezogenen Knüppeln auf Demonstranten und Unbeteiligte. Demonstranten, Passanten, Photografen, Kinder und ältere Mitbürger wurden Opfer dieses Polizeiterrors. Alles, was sich ihnen in den Weg stellte, wurde niedergeknüppelt. Die Demonstration war ebenfalls, wie am Vortag, mit der Begründung verboten worden: Sicherheit und Ordnung wurde durch die Demonstration gefährdet, Gewalttaten können nicht ausgeschlossen werden ('ich habe die Aufgabe und die Pflicht, dieses Land vor Leuten zu schützen, die in der Gewalt ein Mittel der Politik sehen' - Genscher (FDP, d.Vf.)). Wer die Bevölkerung gefährdet und gegenüber Demonstranten gewalttätig wurde, konnte jeder Beobachter sehr schnell feststellen. Die demokratischen Rechte wurden durch diese Notstandsübungen außer Kraft gesetzt. Das im Grundgesetz (GG, d.Vf.) garantierte Recht auf freie Meinungsäußerung, körperliche Unversehrtheit haben die Knüppelgarden, die sich anmaßen, diese Rechte zu schützen, in faschistoider Manier verletzt.
Politische Repressionen richten sich nicht nur gegen Studenten und Kommunisten, die nur einen Bruchteil der Bevölkerung ausmachen, sondern können auch als Disziplinierungsmaßnahmen gegen die Arbeitnehmer eingesetzt werden. Der starke Staat wird sich gegen eine Bewegung der Arbeitnehmer richten, die für Lohnerhöhungen, gegen Arbeitshetze, Massenentlassungen und allgemeine Teuerung auf die Straße gehen. Ein Vorgehen gegen solche Kämpfe ist durch das Notstandsgesetz (NSG - vgl. **.5.1968, d.Vf.) legal geworden. Wir werden dafür kämpfen, daß die Demonstrationsverbote nicht durchgehalten werden können. Wir werden für unsere Rechte auf die Straße gehen. Wir begreifen die Demonstrationsverbote als einen Teil der politischen Unterdrückung durch die Herrschenden, gegen alle politisch bewußten Bürger. Unsere Forderungen lauten deshalb:
WEG MIT DEN DEMONSTRATIONSVERBOTEN!
FÜR DAS RECHT AUF FREIE POLITISCHE BETÄTIGUNG!
KAMPF DEM STAATLICHEN TERROR!
FREIHEIT FÜR ALLE POLITISCHEN GEFANGENEN!"

Der Artikel "Muß Hoesch im Stahlwerk Phoenix die Produktion drosseln?" meint:"
Obwohl das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen eindeutig entschieden hatte, daß Hoesch die vor gut 10 Jahren erhaltene Genehmigung zur Stahlproduktion in sträflicher Weise mißachtet, haben die Leitungsgremien des Werkes bereits eine Waffe zur Umgehung der geltenden Gesetze zu ihrem Gunsten gefunden. Sie drohte mit der Behauptung 2 400 Arbeitsplätze seien dadurch gefährdet, d.h. sie drohten mit Entlassungen.
Unterschwellig klingt dabei auch die Drohung der Verlegung der gesamten Produktion ins Ausland mit. Diese Tendenzen zeigten sich schon in der Verbindung mit Hoogovens zu Estel.
Das Werk wurde zu dieser gerichtlichen Auseinandersetzung gezwungen, da sich die Beschwerden über die unzumutbare Staubbelästigung bei der Staatlichen Gewerbeaufsicht immer mehr häuften. Daraufhin wurden Ermittlungen aufgenommen, die ergaben, daß Hoesch die Produktion stillschweigend von 216 000 auf 280 000 Monatstonnen erhöht hatte, ohne sich einen Dreck um die steigende Umweltverschmutzung zu kümmern. Wichtig war der Profit, nicht die Umwelt!
Als taktisch sehr klugen Zug hat Hoesch nun folgenden Vorschlag in die gerichtliche Auseinandersetzung eingebracht:
Das Unternehmen will die Produktion nicht drosseln, sondern im Gegenteil schrittweise auf 400 000 Tonnen im Monat steigern.
Dafür bietet es dann 'großzügig' betriebstechnische Ergänzungen und Verbesserungen des Umweltschutzes an. Über eine solche Abmachung wird sich das Werk ganz sicher im Laufe einiger Jahre, ebenfalls, wie in der Vergangenheit, hinwegsetzen."

Berichtet wird über die TZL in der Stahlindustrie NRW (vgl. 11.6.1973).
Q: Solidarität Nr. 5, Dortmund 13.6.1973

02.07.1973:
Bei Hoesch Dortmund erscheint die Nr. 6 der 'Solidarität' - Informationsblatt der GIM (vgl. 13.6.1973) vermutlich frühestens in dieser Woche mit 6 Seiten DIN A 4. In der Folge erscheint die Zeitung nicht mehr nur für Hoesch Dortmund bzw. die Westfalenhütte, sondern auch für die Stahlbetriebe in Bochum und Hagen (vgl. 24.9.1973). Im Leitartikel "Was Arbeiter von der Inflation wissen müssen" wird u.a. ausgeführt:"
Inflation und Kampf gegen die Inflation - davon ist jetzt im Fernsehen, Rundfunk und in der Presse die Rede. Diese Berichterstattung ist aber so, daß sie bei der Masse der arbeitenden Menschen nur Verwirrung auslöst. Das führt dazu, daß die Manöver des Großkapitals, die sich gegen die Interessen der Arbeiter richten, verschleiert werden.

1. Was bedeutet Inflation?

Inflation bedeutet jede Aufblähung der Geldmasse über das Wachstum der laufenden Produktion hinaus. Früher gab es im wesentlichen nur eine Quelle der Inflation: Defizite im Staatshaushalt, die durch die Ausgabe zusätzlicher Banknoten gedeckt wurden. Die Inflation war vor allem eine Inflation an Papiergeld. Heute ist diese Form der Inflation in den imperialistischen Staaten nicht mehr die wichtigste. Die Inflation nimmt vor allem die Form einer Aufblähung des Bankkredites an (das sog. Buchgeld, weil diese Kredite lediglich durch Verbuchung auf dem Konto des Bankkunden entstehen). Einige Zahlen verdeutlichen dies: während sich das Bruttosozialprodukt (die Menge an erzeugten Waren und Dienstleistungen) von 1960-1970 etwas mehr als verdoppelt hat, - es stieg von 302 Mrd. auf 682 Mrd. DM -, haben sich die Bankkredite an inländische Unternehmen und Privatpersonen fast vervierfacht, von 116 Mrd. auf 430 Mrd. DM. Der gewaltige Abstand zwischen den 120% Produktionssteigerung und den 370% Erhöhung der Kredite zeigt das Ausmaß der gegenwärtigen Inflation an.

2. Sind allein die Banken an der Inflation schuld?

Die kapitalistischen Banken haben durchaus ein Interesse an der Verschärfung der Kreditinflation; denn Kredite im privaten Bereich bedeuten für sie ein glänzendes Geschäft. Aber daß die Banken Kredite gewähren können, reicht nicht aus: die Unternehmen und die privaten Haushalte müssen sie auch verlangen. Deshalb drücken sich in dieser Kreditinflation der letzten 10 Jahre zwei wesentliche Erscheinungen aus:
1) Die kapitalistischen Unternehmen finanzieren einen wachsenden Teil ihrer Käufe, laufenden Zahlungen und Investitionen über Bankkredite;
2) Die privaten Haushalte greifen immer mehr zum Kredit, um den Kauf von Wohnungen und langlebiger Konsumgüter auf Abzahlung zu finanzieren.

3. Warum nimmt man immer stärker Kredite in Anspruch?

Hinter der immer stärkeren Inanspruchnahme von Krediten verbergen sich zwei grundsätzliche Widersprüche des kapitalistischen Systems: die kapitalistischen Unternehmen bemühen sich, das Tempo ihres Wachstums, die Expansion ihrer Investitionen aufrechtzuerhalten und sogar zu beschleunigen, obwohl sie über weniger Eigenkapital im Verhältnis zu den wachsenden Kosten der Investitionen verfügen. Sie sind aber durch die Konkurrenz gezwungen, diese Höllenfahrt nicht zu verlangsamen, um nicht von ihren Konkurrenten überholt zu werden. Der Verbraucherkredit muß künstlich die wachsende Kluft zwischen der gewaltig steigenden Produktionskapazität und der viel geringer gestiegenen Kaufkraft der Masse der Werktätigen überbrücken. Die Inflation ist also für den niedergehenden Kapitalismus das wichtigste Mittel, mit dem er die Gefahren wirtschaftlicher Krisen verringern will.

4. Wurde die Inflation aus dem Ausland 'importiert'?

Diese Technik der 'Krisenbekämpfung' durch Inflation wurde von allen kapitalistischen Regierungen angewandt; die Inflation ist ebenso in der BRD selbst entstanden wie in Frankreich, England usw. Da aber der Dollar als Weltgeld' diente, hat die Inflation in den USA die der anderen Länder angeheizt und verschärft. In den USA wurde die Inflation vor allem durch folgende Ursachen beschleunigt:
- durch die gewaltigen Ausgaben für den Vietnamkrieg;
- um die Rezession von 1969/70 zu bekämpfen, die tiefer als die vorangegangenen Rezessionen war.

Daraus ergab sich ein großes Defizit im Staatshaushalt und ein wachsendes Defizit in der Zahlungsbilanz. Es kamen ständig mehr Waren und Dienstleistungen in die USA hinein als ausgeführt wurden; die Differenz wurde mit Dollars ausgeglichen. Hierdurch ergoß sich eine Dollarflut in die Wirtschaft der anderen imperialistischen Staaten.

5. Sind 'übertriebene' Lohnforderungen Schuld an der Inflation?

Das Jahresgutachten 1971/72 des Sachverständigenrates stellt fest, daß die wirklichen Lohnerhöhungen des letzten Jahrzehnts nur ungefähr der physischen Produktivität pro Arbeiter entsprechen. Die Lohnerhöhungen haben der Arbeiterklasse so eben gerade ihren Anteil am Nationaleinkommen erhalten - mehr aber auch nicht. In der verarbeitenden Industrie macht der Lohnanteil zur Zeit zwischen 20 und 25% der Gesamtkosten aus. Eine Lohnerhöhung von 10% erhöht also die Gesamtkosten nur um 2 bis 2, 5%. Würden die Banken nicht den Geldumlauf erhöhen, blieben die Preise stabil. Die Erhöhung der Kosten würde sich lediglich in einer Verringerung des kapitalistischen Profits niederschlagen.

Was aber geschieht in Wirklichkeit?
Steigen die Löhne um 10%, werden die Preise um 5-6, wenn nicht sogar um 10% erhöht, wobei die Masse des Kreditgeldes automatisch weiter anschwillt und die Kapitalisten ihre Profitspanne erhöhen.
Die Kapitalisten und die Banken sind also verantwortlich für die Inflation und nicht die Gewerkschaften. Die Kapitalisten sind auch deshalb in der Lage, ihre Preise derart zu erhöhen, weil wir im Zeitalter des Monopolkapitalismus leben. Absprachen, Kartelle und andere Machenschaften verhindern, daß es Konkurrenten gibt, die die Preiserhöhungen nicht mitmachen.

6. Was verstehen die Kapitalisten unter 'Kampf gegen die Inflation'?

Die Bourgeoisie versteht unter 'Kampf gegen die Inflation' den Versuch, eine 'Einkommenspolitik' zu erzwingen, d.h. die gewerkschaftliche Verhandlungsfreiheit über die Löhne der Arbeiter einzuschränken oder ganz abzuschaffen. Sie möchte gern, daß dies in 'Güte' mit Einverständnis der Gewerkschaftsführung geschieht, aber sie ist auch bereit, dies den Gewerkschaften aufzuzwingen wie gegenwärtig in England (Großbritannien, d.Vf.). Der 'Kampf gegen die Inflation' ist für die Bourgeoisie nur ein Vorwand, um den Anteil der Löhne am Nationaleinkommen zu verringern und den Anteil des Profits zu erhöhen. Man will die kapitalistische Wirtschaft auf dem Rücken der Arbeiter sanieren. Hierbei schreckt die Bourgeoisie auch nicht vor dem Mittel der Arbeitslosigkeit zurück. Die bürgerliche Presse klagt ständig, daß die Vollbeschäftigung eine Verringerung des Lohnanstiegs unmöglich mache. Oder man bedauert, daß es keinen genügenden 'Anreiz' für Investitionen gäbe, wenn die Lohnforderungen nicht eingedämmt werden. Man droht ständig mit einem 'Investitionsstreik'. So sieht also in Wirklichkeit das häßliche Gesicht des Kapitalismus aus. Die Arbeiter werden vor die Wahl gestellt, sich entweder durch eine 'Einkommenspolitik' rupfen zu lassen, oder aber durch eine Politik der Arbeitslosigkeit entlassen zu werden, um 'zur Vernunft' gebracht zu werden. Gegen diese Alternative muß man sich entschlossen zur Wehr setzen und gleichzeitig gegen das kapitalistische Regime insgesamt, das dieses Dilemma erzeugt. Ein wirklicher Kampf gegen die Inflation macht deshalb erforderlich:
- Die gleitende Lohnskala, um die Arbeitereinkommen gegen die vom Kapital erzeugte Inflation zu schützen,
- die gleitende Skala der Arbeitszeit, also statt Entlassungen die Verteilung der Arbeit auf alle Hände bei entsprechend variabler Arbeitszeitverkürzung,
- die Ablehnung von Kündigungen und Betriebsschließungen, die nicht von der Schaffung neuer Arbeitsplätze begleitet sind, um allen Regionen die nötige Zahl von Arbeitsplätzen zu sichern,
- die Aufhebung des Bank- und Geschäftsgeheimnisses, Arbeiterkontrolle über die Buchführung der Unternehmer und die Berechnung der Gestehungskosten, um die Profitspanne zu verringern, die verantwortlich für die steigenden Lebenshaltungskosten sind, die Verstaatlichung aller Banken und Kreditinstitute sowie aller preistreibenden Spekulationsobjekte wie Grund und Boden in den Städten."

Der Artikel "Und nicht vergessen, weiter für die sofortige Kündigung der Lohnabbautarifverträge vom Januar" führt aus:"
ARBEITSKÄMPFE SOMMER 73: FÜR TEUERUNGSZULAGEN (TZL, d.Vf.)!
Daß die Preissteigerungsraten eine unerträgliche Höhe für die Arbeitnehmer erreicht haben, zeigt sich an der Streikwelle, die immer größere Ausmaße annimmt. Die letzten Lohnerhöhungen verhinderten gerade einen Reallohnabbau, die jetzigen Teuerungsraten von 0, 7% pro Monat und die Steigerung der Grundnahrungsmittelpreise von 11, 1% (!) ergeben jetzt einen Abbau der Reallöhne. Dies alles geschieht zu einer Zeit, in der die Unternehmen durch eine verschärfte Arbeitsbelastung der Belegschaft riesige Profite einstreichen.
Dieser Zustand wird nun nicht mehr so einfach hingenommen. Bei Stahl wurden die Unruhen durch die unzureichende Pauschale von 280 DM aufgefangen. Die metallverarbeitende Industrie ließ es auf eine Machtfrage ankommen, und in den meisten Fällen war sie dann auch am längeren Hebel.

Streik bei John Deere in Mannheim (in Baden-Württemberg, d.Vf.): am 24.5. legten 2 500 Kollegen die Arbeit nieder. Ihre Forderungen lauteten: 70 Pfennig mehr pro Stunde für die Arbeiter, 120 DM für die Angestellten und 60 DM mehr für die Lehrlinge. Diese massiven Forderungen wurden sofort von der Betriebsleitung beantwortet. Man denunzierte die ausländischen Arbeiter, die die Mehrheit bildeten, als randalierenden Haufen und versuchte, die Arbeiter zu spalten, indem den Deutschen bezahlter Urlaub angeboten wurde. Ein paar Tage später wurden dann noch die Lehrlinge, die eine aktive Rolle spielten, aus dem Werk hinausgeworfen.
Am 29. Mai wurde dann eine Säuberungsaktion gestartet, aktive Streikende wurden von der 'Aktionseinheit', die aus der Werksleitung, Werksschutz und leitenden Angestellten bestand, verprügelt und aus dem Werk vertrieben. Dann veranlaßten auch die Vertreter der Ortsverwaltung der IGM die Vertrauensleuteversammlung, den Streik zu beenden. Kurz darauf brach dann die Streikfront zusammen. Das Ergebnis: 140 DM Pauschale verteilt auf 7 (!) Monate. 14 Kollegen wurden gekündigt, darunter Vertrauensleute, doch die anschließende Solidarität bewahrte die meisten davor.

Klöckner in Bremen:
Am 25. Juni traten 6 000 Kollegen in den Streik. Ihre Forderungen: 30 Pfennig pro Stunde mehr für die Arbeiter und 51 DM für die Angestellten. Die Reaktion der Unternehmer war in bezug auf Verhandlungen gleich Null, aber 2 'Rädelsführer' wurden entlassen und mehrere Drohungen ausgesprochen.

Die Unternehmer reagierten hart, denn sie wollten 'stabilitätsbewußt' sein, d.h. sie wollen sich ihre Profite nicht schmälern lassen. Die bürokratischen Kräfte in den Gewerkschaften unterstützten diese Haltung; denn sie wollen sich nicht die Lohnkämpfe aus der Hand nehmen lassen, da spontane Aktionen gegen ihr Machtinteresse verstoßen. Wie weit sie dabei gehen, zeigt sich am Beispiel des Kurzstreiks bei Hoesch-Schwerte. Als 250 Mann der Frühschicht streikten, überzeugten Betriebsrat und Gewerkschaft gemeinsam mit der Betriebsleitung die Belegschaft, daß sie keinen Anspruch auf Zahlung einer Zulage habe, da sie nicht zur metallverarbeitenden Industrie gehöre! Gemeinsam mit den aktiven und fortschrittlichen Gewerkschaftern müssen wir solche Taschenspielertricks bekämpfen; denn wir können unsere Interessen nicht zum Vorteil der Profitsteigerung der Unternehmen und zum Vorteil bürokratischer Gewerkschaften vergessen. Die Inflation darf nicht auf unsere Kosten gehen. Deshalb:
FÜR SOFORTIGE KÜNDIGUNG DER LOHNABBAUTARIFVERTRÄGE!
SOLIDARITÄT MIT DEN KOLLEGEN, DIE FÜR TEUERUNGSZULAGEN KÄMPFEN!"

Der Artikel "Bemerkungen zum Steiner-Skandal" meint:"
Vor etwa mehr als einem Jahr versuchte Barzel mit den Stimmen einiger gekaufter Überläufer die Regierung Brandt-Scheel zu stürzen; um sich und die CDU so in die Vorzüge der Regierungspfründe zu bringen. Das mißlang. Die Arbeiter, die 1972 massenweise gegen den 'Barzel-Coup' auf die Straße gingen, erfahren jetzt, auf welche Weise die Würfel tatsächlich gefallen sind; der ehemalige CDU-Abgeordnete Steiner ließ sich von SPD-Wienand mit der sanften Gewalt von 50 000 DM bewegen, gegen Barzel zu stimmen. Wer allerdings meint, diese Vorkommnisse seien Unfälle des parlamentarischen Systems, der irrt. Hier zeigt sich vielmehr deutlich, daß es sich bei der 'parlamentarischen Demokratie' halt nicht um die Herrschaft des Volkes, sondern um eine hier und heute geeignete Form der Herrschaft des Kapitals über das Volk handelt, bei der die jeweilige Regierung der geschäftsführende Ausschuß des Kapitals ist, das sich seine Politik kauft. Die Beteiligung der Bevölkerung an dieser 'Demokratie' besteht ausschließlich darin, daß sie alle 4 Jahre an die Wahlurne bemüht wird, um eine Wahl zu treffen, die keine ist; wie auch gewählt wird, im Interesse der Lohnabhängigen regiert wird nicht."

Herausgeber ist die GIM - Ortsgruppe Dortmund, Ausschuß für Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit. Verantwortlicher Redakteur und Kontakt: Hermann Schink, Dortmund.
Q: Solidarität Nr. 6, Dortmund o.J. (1973)

24.09.1973:
Bei Stahlbetrieben in Bochum, Dortmund und Hagen gibt die GIM die Nr. 7 der bisher für Hoesch Dortmund erschienenen 'Solidarität' (vgl. 2.7.1973, 22.10.1973) mit 6 Seiten DIN A 4 und dem Leitartikel "Streikbewegung Sommer 1973" heraus, in dem u.a. gesagt wird:"
Die größte Einzelgewerkschaft der Welt, die IG Metall, fühlt sich durch die Aktionen von mehr als 120 000 Kollegen in den letzten Wochen und Monaten, auf den Schlips getreten. Ohne Billigung der Gewerkschaftsführung hatten die Kollegen die Tarifverhandlungen übernommen, nachdem sie erkannt hatten, daß der 'stabilitätsbewußte' Abschluß von 8, 5% vom Jahresanfang offensichtlich nicht nur nicht die Steigerung der Lebenshaltungskosten decken konnte, sondern sogar Reallohnabbau bedeutete. Schon die Tatsache, daß damals nur gute 25% für den Abschluß stimmten, dokumentierte das große Unbehagen der Kollegen. In dieser Situation waren die HOESCH-Kollegen die ersten, die mit ihrem Streik um 14 Pfennig ihrem Unmut Luft machten. Sicherlich, allein vom materiellen Ergebnis (5 Pfennig mehr) war der Streik nicht gerade ein berauschender Erfolg. Aber wenn man berücksichtigt, welche Auswirkungen dieser Streik auf den Gewerkschaftsapparat (man erinnere sich an die krampfhaften Versuche der Vorstandsmitglieder, der Bezirks- und Ortsbürokraten die Basis wieder unter Kontrolle zu kriegen) und auf die Kollegen in den Betrieben hatte, erscheint dieser Streik in einem ganz anderen Licht: er war der Auslöser für die größte 'wilde Streik-Welle der Nachkriegszeit. Denn der starke Anstieg der Inflationsrate schlug bei immer mehr Kollegen in Streikwillen um. Ihnen gelang es nicht unerhebliche Lohnnachschläge herauszuholen:
- Hella-Werke Lippstadt: 67 Pfennig.
- Neusser Pierburg Autogerätebau KG: 40 Pfennig mehr für alle.
- Holstein und Kappert (in Dortmund und Witten, d.Vf.): 250 DM Teuerungszulage usw.

Die Erfolge des Streiks gehen nicht selten auf das Konto der ausländischen Kollegen. Die hervorragende Rolle dieser Kollegen hat ihre Ursache in ihrer doppelt schlechten Lage. Sie werden erstens von der Inflationsrate genauso hart getroffen wie die deutschen Arbeiter und erhalten zweitens, da sie zum großen Teil keine Ausbildung haben, und als Angelernte eingestuft werden, von vornherein die schlechtesten Löhne (so z.B. bei den Hella-Werken in Lippstadt, in denen der Durchschnittslohn eines ausländischen Kollegen 600 DM Netto beträgt). Das Verhältnis der deutschen und ausländischen Kollegen war teilweise leider gestört. Während die ausländischen Kollegen für die Forderungen konsequent kämpften, haben deutsche Kollegen den Streik oft nach kurzer Zeit aufgegeben. Ihnen sollte in Zukunft die Solidarität der deutschen Kollegen in Zukunft gewisser sein, als heute; denn die guten Ergebnisse währen wohl kaum ohne ihre Kampfbereitschaft zustande gekommen. Der Staatsapparat reagierte auf diese Welle spontaner Streiks mit dem Einsatz seines Unterdrückungsapparates. Bereits im Frühjahr dieses Jahres wurde die Polizei mit besseren Mitteln ausgerüstet, darunter mit speziellen Barrikadenräumfahrzeugen, nicht etwa um Studentenunruhen niederzuschlagen, sondern wie Innenminister Weyer (von NRW - FDP, d.Vf.) ausdrücklich betonte, um für den Heißen Herbst in den Betrieben gerüstet zu sein. Hier wird mehr als deutlich, wie hart die Auseinandersetzungen in der Zukunft sein werden! Die SPD-Führungsspitze zeigte in der Auseinandersetzung mit den Jusos allen Kollegen, die an den Arbeitsniederlegungen teilgenommen hatten oder sich mit diesen solidarisiert hatten wieder einmal, auf wessen Seite sie steht. Anstatt sich hinter die Streikresolution der JUSOS zu stellen, hatte diese nichts eiligeres zu tun, als die Jusos scharf zu attackieren und die spontanen Streiks zu verurteilen. Nun, die Kollegen können sich ihr eigenes Urteil über diese 'Arbeiterregierung' machen. Mittlerweile wächst auch unter sozialdemokratischen Kollegen immer mehr die Erkenntnis heran, daß dieses kapitalistische System nur zwei Möglichkeiten anzubieten hatte: entweder Wirtschaftsaufschwung und Inflation oder Wirtschaftsabschwung und Arbeitslosigkeit. Da die bisherigen Mittel der Konjunktursteuerung der kapitalistischen Wirtschaft alle versagten und auch keine neuen zu finden sind, ist die Regierung immer stärker gezwungen, sich gegen die Arbeiter zu stellen. Für die kommende Tarifrunde hat sie sich daher auf einen Abschluß vorbereitet, der lediglich bei 12, 5% Lohnerhöhung liegt. Die Gewerkschaft, die durch die Aktionen der Kollegen im Betrieb immer mehr den Druck der Basis zu spüren bekommt, richtet sich auf einen Abschluß ein, der mit 15% nicht wesentlich höher liegt. Das wesentlich mehr notwendig ist, und daß auch mehr drin ist, wissen die Kollegen. Dies zeigt nicht zuletzt die Forderung der Hoesch-Vertrauensmänner, die eine 20% Forderung aufstellten (vgl. **.*.1973, d.Vf.). Wenn es sein muß, werden solche Forderungen mit den gleichen Mitteln durchgesetzt werden müssen, wie die der Kollegen in diesem Sommer."

Der Artikel "Zum Erscheinen der 'Solidarität' in Hagen und Bochum!" führt aus:"
Dies ist die erste Nummer der Solidarität, die für den Bereich Dortmund, Bochum und Hagen herausgegeben wird. Die Kollegen aus Dortmund haben uns bereits schon seit 6 Nummern kennengelernt. Sie war speziell für die Westfalenhütte herausgegeben. Von nun ab wird die 'Solidarität' auch vor den Stahlwerken Bochums und Hagen verteilt werden. Unsere Zeitung soll dazu beitragen, daß Solidarität nicht länger nur ein Wort bleibt, sondern täglich und in jeder Situation von allen Kollegen untereinander praktiziert wird."

Der Artikel "Solidarität mit Chile!" meint:"
Am Dienstag, den 11.9.1973 wurde über die Nachrichtensender die Meldung verbreitet, daß die Oberkommandierenden der Armee gegen die verfassungsmäßig gewählte Regierung Allende geputscht haben. Das Militär und die Polizei seien 'vereint in der historischen und verantwortungsvollen Mission für die Befreiung des Landes vom marxistischen Joch zu kämpfen.' Die Armee, die stets behauptet hat, die Legalität und die Verfassung zu schützen, hat demonstriert, daß sie zum Schutz dieser Verfassung nur solange bereit ist, solange diese unter der Kontrolle der herrschenden Klasse steht.

Die sofort verhängte scharfe Pressezensur der Militärjunta macht es fast unmöglich, daß echte Informationen ins Ausland durchsickern. Die Junta versucht nun in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, das Land sei unter ihrer Kontrolle. In Wirklichkeit organisieren die chilenischen Arbeiter und Bauern massiven Widerstand. Die Militärs, die faschistische Untergrundorganisation 'Vaterland und Freiheit' der US-Imperialisten mit ihrem CIA (amerik. Geheimdienst), das chilenische Bürgertum und andere reaktionäre Kräfte wollen den Widerstand im Blut ersticken. Schon jetzt sind tausende von Arbeitern und Bauern im Bürgerkrieg umgekommen. Alle, die noch die alte rechtsmäßige Regierung unterstützen, sollen standrechtlich erschossen werden. Die Militärs betreiben eine fürchterliche Hexenjagd auf Demokraten, Kommunisten und Revolutionäre. Wenn jetzt Tausende von Arbeitern und Bauern ihr Leben lassen müssen, so trifft die Mitschuld daran auch die Volksfrontregierung, aber ganz besonders die KP Chiles, da sie die Massenbewegung für die Verteidigung und den Ausbau der sozialen und politischen Errungenschaften vernachlässigt haben. Sie hielten die ganze Zeit an dem Traum vom friedlichen verfassungsmäßigen Übergang zum Sozialismus fest. Alle außer ihnen wußten, daß die bewaffnete Auseinandersetzung unvermeidlich war. Die jetzt stattfindende Entscheidungsschlacht findet nicht zwischen der alten 'rechtmäßigen' Regierung und der neuen Militärdiktatur statt; sie wird auf den Straßen, auf dem Lande und in den Fabriken geschlagen. Die Alternative zur Militärdiktatur ist nicht die Wiedereinsetzung der bisherigen Volksfront-Regierung, sondern die revolutionäre Arbeiter- und Bauernregierung!"

Der Artikel "Lip - Arbeiter übernehmen die Produktion" berichtet, daß im Juli und August in Frankreich die Arbeiter "die Uhrenfabrik Lip in Besancon besetzt hielten". Weiter wird ausgeführt:"
Durch eigenständige Weiterproduktion zeigten sie, daß eine Fabrik ohne Unternehmer und Antreiber funktionieren kann. Weiter zeigten die Lip-Arbeiter, wie man Konkurse verhindern kann, Geschäftsmanipulationen, die auch die deutschen Arbeiter immer wieder treffen (Baufirma Kun). Anfang Juni wurde der Lip-Belegschaft mitgeteilt, daß ihnen ein Teil des Junigehaltes und die Juliferien nicht bezahlt werden sollten -Zahlungsunfähigkeit! Vorher war noch schnell Geld von den Betriebskonten verschwunden. Vom Standpunkt der Schweizer Uhrenfirma, die die Lip-Geschäftsleitung kontrolliert, war es eben unerträglich, sich einen französischen Konkurrenten zu 'halten'. Doch die Arbeiter besetzten daraufhin die Fabrik: Die Unternehmer brauchen uns, wir brauchen sie nicht!60 000 Uhren werden aus dem Werk geschafft und verkauft, um die Löhne weiter auszahlen zu können. Um ihre Selbstverwaltung zu schützen, versteckten sie Betriebsunterlagen und Maschinen. Mit den, in der Fabrik verbleibenden Maschinen wurde dann die Uhrenproduktion wieder aufgenommen. Obwohl die Besetzung von Lip in ganz Frankreich Sympathie fand, ging die Regierung mit brutaler Gewalt vor: 3 000 (!!) Mann der Armee (!!) überfielen Lip. Eine für den Kapitalismus gefährliche Situation entstand. Der Funke von Lip hätte auch auf andere Fabriken übergreifen können. Da mußte der Staat sich eben auf die Seite des Kapitals schlagen, denn wo kämen wir denn hin, wenn…

Wie könnte nun die Zukunft von Lip aussehen?

Die Regierung macht sich diesbezüglich keine Gedanken, sie hat ja schon Soldaten nach Lip geschickt. Die sozialdemokratische Opposition forderte entweder eine Arbeitergenossenschaft, die Arbeiter sollen also ihre Ausbeutung selbst organisieren, oder die Übergabe der, vom Staat sanierten Firma an Privatleute, welch ein königliches Geschenk! Nur ein verstaatlichter Betrieb, unter der wirksamen Kontrolle der Lip-Arbeiter, wäre für die Arbeiter eine annehmbare Möglichkeit. Doch dies wäre ein, für die Bourgeoisie gefährliches Beispiel - zur Nachahmung empfohlen. Der Kampf um Lip geht weiter! Solidarität mit den Lip-Arbeitern!"

Der Artikel "Fleischboykott in Dortmund" macht darauf aufmerksam, daß in Dortmund "ein Verbraucherinnenkomitee zum Fleisch-Boykott" aufrief (vgl. **.*.1973):"
Die Aktion weitete sich ziemlich schnell aus, und sie wurde auch vom DGB durch ein Flugblatt unterstützt. Hin und wieder wurden auch die Preise etwas gesenkt und Sonderangebote umfassender bekanntgegeben. Aber da ja die größeren Unternehmen das meiste Fleisch verkaufen, konnten sie die Einbußen einfach auf andere Waren verteilen, so konnten sie dem Protest durch Scheinlösungen begegnen. Obwohl diese Aktion der Verbraucherinnen eine notwendige Reaktion war, zeigten sich doch schnell ihre Grenzen. Am 10.9. wurde das Komitee in Dortmund dann auch aufgelöst - allgemein niedrige Preise waren nicht erreicht worden. Die Methode, eine bestimmte Ware mit einem Verbraucherboykott zu belegen, ist auch nicht immer möglich (Wohnung, Benzin, Brot). Um die Benachteiligung der Verbraucher aufzuheben, müssen andere, wirksamere Wege gefunden werden. Die Preise steigen nicht, weil die Löhne gestiegen sind, sondern weil sie gesteigert werden. Dies zeigte sich deutlich bei den letzten Tarifverhandlungen. Trotz der niedrigen Lohnerhöhungen stiegen die Preise unwahrscheinlich. Um die Benachteiligung der Arbeiter aufzuheben, müßte der Lohn stets um die Preissteigerungsraten angehoben werden. Anhand des 'Warenkorbs' wären die Preissteigerungsraten, auf gewerkschaftlicher Ebene, festzulegen. Der Warenkorb müßte natürlich die Bedürfnisse der Arbeiter berücksichtigen. Diese gleitende Lohnskala dürfte, da sie unabhängig von Tarifverhandlungen sein müßte, reale Lohnerhöhungen bei den Tarifverhandlungen bewirken. Wehrt Euch gegen die Preistreiberei durch Einführung der gleitenden Lohnskala.

Das Impressum für die Zeitung lautet nun:"
'Solidarität' -Informationsblatt der GIM; Herausgegeben von der Gruppe Internationale Marxisten - deutsche Sektion der IV. Internationale - Ortsgruppe Dortmund, Hagen, Bochum. Verantwortlicher Redakteur und Kontakt in Dortmund: Hermann Schink, 46 00 Dortmund, Mittelstraße 5. Kontakt in Hagen: Klaus Hensel, 58 Hagen-Vorhalle, Ophauser Straße 33, Kontakt in Bochum: Georg Kerski, 463 Bochum-Querenburg, Laerheidestraße 28."
Q: Solidarität Nr. 7, Dortmund 24.9.1973

16.10.1973:
In NRW berichtet die GIM vor Stahlbetrieben in Bochum, Dortmund und Hagen (IGM-Bereich - vgl. 22.10.1973) vom MTV NB/NW:"
KAMPF UM DEN LOHNRAHMENTARIFVERTRAG IN NORDWÜRTTEMBERG/NORDBADEN

Die Arbeiter der metallverarbeitenden Industrie in Nordwürttemberg/Nordbaden stimmten mit 88, 8% für Streik! Und das, obwohl sonst die Verhandlungen um Lohnrahmentarifverträge kaum beachtet worden waren.
Am Dienstag, den 16.10. begannen die Arbeiter für ihre Forderungen zu streiken. Seit 17 Jahren hat die IG Metall die konkreten Arbeitsbedingungen nicht zum Gegenstand eines Kampfes gemacht. Unter dem Druck der Basis mußte sie nachgeben und den Kampf gegen Arbeitshetze und Benachteiligung der älteren Arbeiter aufnehmen. Diesmal wurde ernst gemacht mit der Forderung nach Kündigungsschutz und Verdienstabsicherung der Arbeiter ab 50 Jahre, nach einer Grunderholzeit von 6 Minuten in der Stunde, nach einer Mindestverdienstgarantie für Akkordarbeiter, nach einem Verbot von Arbeitsakten unter 1, 5 Minuten und nach mehr Mitbestimmung des Betriebsrats bei Gruppen- und Fließbandarbeit.
Die Unternehmer weigerten sich, befriedigende Zugeständnisse zu machen, und sie lehnten auch den Schlichtungsvorschlag ab, dem die IGM zugestimmt hatte. Die Unternehmer, die ihre Schwierigkeiten auf Kosten der Arbeiter lösen wollen, wollen keine Zugeständnisse machen. Wie sollten sie diese Forderungen auch durch Preistreiberei wieder rückgängig machen?
Aber ein gutes Ergebnis auf diesem Gebiet ist nur ein Teilsieg.
Die Interessen der Arbeiter müssen auch gegen Inflation und Arbeitslosigkeit vertreten werden! Die Unternehmer fangen gerade wieder an, Arbeiter vor die Tore zu setzen, nachdem sie durch die Preistreiberei selbst in
Schwierigkeiten geraten waren.

SOLIDARITÄT MIT DEM KAMPF DER ARBEITER IN NORDWÜRTTEMBERG/NORDBADEN!"
Q: Solidarität Nr. 8, Dortmund 22.10.1973

22.10.1973:
Die Nr. 8 der 'Solidarität' - Informationsblatt der GIM erscheint bei Stahlbetrieben in Bochum, Dortmund und Hagen (vgl. 24.9.1973, 2.11.1973) mit 6 Seiten DIN A 4 unter Verantwortung von Hermann Schink, Dortmund mit dem Leitartikel "Bei den spontanen Streiks: Polizeieinsätze gegen streikende Arbeiter. Provokation der Arbeiterklasse!", in dem ausgeführt wird:"
Die Lage in der Bundesrepublik war in diesem Sommer gekennzeichnet durch ungeheuer steigende Lebenshaltungskosten und dadurch hervorgerufene Streiks. Die Preissteigerungen für Konsumgüter lagen lange Zeit um 8% und darüber. In spontanen Aktionen nahm die westdeutsche Arbeiterklasse den Kampf gegen den Reallohnabbau durch willkürliche Preiserhöhungen auf. Es gab die größten wilden Streiks seit 1969, wobei die Septemberstreiks von '69 noch weit übertroffen wurden. Im Laufe des Sommers streikten nach und nach hunderttausende von Arbeitern. Wenn es auch einige Gemeinsamkeiten mit den '69er Streiks gab, so zeigten sich doch entscheidende Veränderungen, die bei allen zukünftigen Aktionen der Arbeiter berücksichtigt werden müssen. Zu den Gemeinsamkeiten gehört, daß beide Streikbewegungen auf eine Tarifrunde folgten, in der die IGM-Bürokraten die Interessen der Lohnabhängigen durch viel zu niedrige Tarifabschlüsse zugunsten der Gewinninteressen der Unternehmer verraten hatten. Erklärt wurde dieses Verhalten mit der Phrase von gemeinsamen Wirtschaftsinteressen (1969 Wirtschaftswachstum, 1973 Preisstabilität). Dadurch hatten die Kapitalisten beide Male die Möglichkeit ihre wirtschaftlichen Schwierigkeiten auf dem Rücken bzw. dem Geldbeutel der Arbeiter auszubügeln.

Neu ist die Ausdehnung der Streiks, die in diesem Sommer auch Sektoren der Arbeiterklasse erfaßt hat, die sich bisher nicht an den Arbeitskämpfen beteiligt hatten. Besonders bemerkenswert dabei ist, daß auch die Belegschaften von Klein- und Mittelbetrieben zu Kampfmaßnahmen griffen und vor allem, daß die ausländischen Kollegen, deren Interessen von den Gewerkschaften stiefmütterlich behandelt werden, aktiv ihre Bedürfnisse zum Ausdruck gebracht und verteidigt haben und oft ihren deutschen Kollegen ein leuchtendes Beispiel an Solidarität und Kampfbereitschaft gegeben haben. Neu war auch teilweise die Streikform. In verschiedenen Betrieben wurde dazu übergegangen beim Streik nicht das Werk zu verlassen, sondern die Produktionsanlagen besetzt zu halten oder Demonstrationen durchzuführen. In einigen Fällen wurden auch Streikleitungen gewählt (wie z.B. bei Hella, Lippstadt), welche Streikposten und Kurierdienste einrichteten und teilweise direkt mit den Betriebsleitungen verhandelten. Durch diese neuen Formen der Selbstorganisation der Arbeiter war es verschiedene Male möglich, beträchtliche Erfolge zu erringen. Neu ist aber auch die Reaktion der Unternehmer und des Staates auf die spontanen Anstrengungen der Arbeiter, ihren Lebensstandard auch ohne Unterstützung und teilweise sogar gegen den Widerstand der Gewerkschaftsbürokraten zu verteidigen. In NRW wurde erstmals Polizei in den bestreikten Betrieben: Hella-Werke, Lippstadt und Fordwerke, Köln eingesetzt. Bei Ford wurden sogar Schlägertrupps des Werksschutzes gegen die Streikenden gehetzt. Diese Erfahrungen zeigen: Deutsche und ausländische Arbeiter sind in gleicher Weise von den Versuchen der Unternehmer betroffen, ihre Profite auf Kosten des Lebensstandards der Arbeiterschaft zu sichern. Dabei versuchen sie das Lohnniveau dadurch zu drücken, daß sie die untertariflich bezahlten Arbeitskräfte aus dem Ausland holen, denen durch das deutsche Ausländerrecht fast jede Möglichkeit genommen wird für ihre Interessen einzutreten. Die ausländischen Arbeitskräfte (ca. 10% der lohnabhängigen Bevölkerung) sollen dadurch als Streikbrecher im Falle eines Arbeitskampfes eingesetzt werden. Aber die ausländischen Kollegen haben sich in diesem Sommer mit ihrer Kampferfahrung auch nicht unterkriegen lassen (der letzte Satz ist nur sinngemäß wiedergegeben, da er wegen schlechtem Druck kaum zu lesen war, d.Vf.). Die Arbeiter, ob Ausländer oder Deutsche haben gemeinsame Interessen!
AUSLÄNDISCHE UND DEUTSCHE ARBEITER EINE KAMPFFRONT!
FÜR DIE VOLLEN GEWERKSCHAFTLICHEN UND POLITISCHEN RECHTE DER AUSLÄNDISCHEN KOLLEGEN!
WEG MIT DEM AUSLÄNDERGESETZ!

Über den bedeutenden Erfolgen, die in diesem Sommer errungen wurden, dürfen aber nicht die bitteren Niederlagen vergessen werden, z.B. Klöckner, Bremen und John Deere-Lanz, Mannheim (in Baden-Württemberg, d.Vf.). Diese Niederlagen waren dadurch bedingt, daß alle Streiks einzeln ausbrachen und jede Belegschaft auf sich allein gestellt war, und weil es versäumt wurde, die Macht der Arbeiterschaft zu organisieren und Organe der Streikenden zu errichten. So erst wäre die Schlagkraft von vielen Arbeitern wirkungsvoll geworden. In den zukünftigen Arbeitskämpfen müssen Formen der Selbstorganisierung der Arbeiter entwickelt werden.

FÜR AKTIVE STREIKS - BESETZUNG DER ARBEITSPLÄTZE UND FABRIKEN
FÜR REGELMÄSSIGE STREIKVERSAMMLUNGEN UND DIE WAHL EINER STREIKLEITUNG
FÜR DIE EINRICHTUNG VON INFORMATIONSDIENSTEN UND STREIKPOSTEN
ZUSAMMENARBEIT FORTSCHRITTLICHER KOLLEGEN AUF ÜBERBETRIEBLICHER EBENE
MACHT DIE GEWERKSCHAFTEN WIEDER ZU ORGANEN DES KAMPFES DER ARBEITER
FÜR DIE BILDUNG LINKER TENDENZEN IN DEN GEWERKSCHAFTEN

Die verschiedenen Unterdrückungsmaßnahmen werden massiv gegen Arbeiter angewandt, sobald diese sich für ihre Interessen einsetzen und kämpfen. Und nicht nur gegen linke Sektierer wie die Gewerkschaftsbürokratie mit ihren 'Unvereinbarkeitsbeschlüssen' (UVB, d.Vf.) und Vorwürfen von 'gewerkschaftsschädigendem Verhalten weismachen will. Die Polizei zeigte bei ihren Einsätzen gegen streikende Arbeiter, auch dem letzten der es noch nicht glaubte, durch Brutalität auf welcher Seite der Staat steht, auch wenn die SPD mit in der Regierung ist. Die Bürgerkriegsausbildung und die Bürgerkriegsproben der Polizei in diesem Sommer zeigen deutlich, daß dieser Angriff sich nicht nur gegen Studenten und Revoluzzer richtet. Hier wird deutlich, daß es für alle Arbeiter, die ihre Interessen verteidigen wollen und bereit sind, dafür zu kämpfen, eine wichtige Aufgabe ist, sich gegen den weiteren Abbau der Rechte und Freiheiten der Arbeiterklasse (Tarifautonomie, Streikrecht, Unabhängigkeit der Gewerkschaften vom Staat) und weiteren Ausbau des staatlichen Unterdrückungsapparates zur Wehr zu setzen.

WEG MIT DEN UNVEREINBARKEITSBESCHLÜSSEN!
POLIZEI RAUS AUS DEN BETRIEBEN!
SCHLUSS MIT DER BÜRGERKRIEGSAUSBILDUNG BEI POLIZEI UND BUNDESGRENZSCHUTZ (BGS, d.Vf.)!
VERTEIDIGT DIE RECHTE UND FREIHEITEN DER ARBEITERKLASSE!
STOPPT DIE TENDENZEN ZUM 'STARKEN STAAT'!"

Aus Baden-Württemberg wird berichtet aus dem IGM-Bereich vom Kampf um den Lohnrahmentarifvertrag in Nordwürttemberg/Nordbaden (vgl. 16.10.1973).

Im nächsten Artikel heißt es:"
VON DEN BOSSEN GEFEUERT: ZU DEN ENTLASSUNGEN VON JUGENDVERTRETERN!

'Wir teilen ihnen der Ordnung halber mit, daß wir nicht beabsichtigen, Sie nach Beendigung ihrer Ausbildung in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen'.

Derartige Briefe, mit denen Jugendvertretern und jungen Betriebsräten gekündigt wird, sind in Nordrhein-Westfalen in mindestens 40 Fällen Jugendlichen zugestellt worden (die tatsächliche Zahl dürfte weit höher liegen, der DGB-Landesbezirksvorstand NRW spricht von der Spitze eines Eisberges). Solche Briefe sind heute in der ganzen Bundesrepublik an der Tagesordnung (bisher sind 600 Fälle bekannt geworden). Einen derartigen Angriff auf die demokratischen Rechte können wir uns nicht gefallen lassen. Wir müssen durch solidarisches Handeln gegen die Willkür der Unternehmer kämpfen. Wir müssen aber auch gegen falsche und unsolidarische Entscheidung einiger Gewerkschaftsbürokraten und Betriebsräte kämpfen. So empfahl z.B. der Betriebsrat der BBC-Werke Mannheim (in Baden-Württemberg, d.Vf.) zusammen mit der IGM, fristlos gekündigten Jugendvertretern in ein anderes BBC-Werk überzutreten, oder selbst zu kündigen. Die Begründung für die Entlassungen sind meist konstruiert, oder an den Haaren herbeigezogen. Warum ist dieser 'Entlassungsboom' eingetreten? Die Unternehmer können es sich heute weniger als früher leisten, Unruhe in den Betrieben zu riskieren. Wie die Streikwelle der letzten Monate gezeigt hat, ist der Kampfwille der Arbeiter gestiegen. Die Entlassung von aktiven Jugendvertretern ist (genauso wie Berufsverbot für Linke im öffentlichen Dienst (BV im ÖD, d.Vf.) etc.) ein Versuch der Unternehmen, aktive Gewerkschafter oder Linke von der Öffentlichkeit zu isolieren und so die Möglichkeit der Einflußnahme zu verhindern. Es ist also ein Versuch, die Kampfkraft der Arbeiter zu schwächen. Die Gewerkschaftsbürokratie stand diesen Vorfällen bisher recht passiv gegenüber. Zwar protestierte man mit vielen mehr oder weniger schönen Worten, aber es wurde z.B. für Demonstrationen nur ungenügend oder gar nicht mobilisiert. Zudem wird eine ganz ähnliche Politik in der Gewerkschaft selbst geführt.

Unter dem Vorwurf der RGO-Politik (revolutionäre Gewerkschaftsopposition) werden linke Gewerkschafter aller Schattierungen aus der Gewerkschaft herausgeworfen, weil diese RGO-Politik (die von den meisten linken Gewerkschaftern natürlich nicht betrieben wird) unvereinbar mit der Gewerkschaft sei. Andererseits müssen die Bürokraten in letzter Zeit immer mehr Rückzieher machen. Der Druck, meist aus der Gewerkschaftsjugend ist zu stark geworden als daß die Bürokraten nicht reagieren müßten. So soll am 27. Oktober 1973 in Köln um 11 Uhr 30 eine Demonstration gemacht werden, zu der in ganz NRW aufgerufen wird. Diese Aktion, die auch wieder von der Bürokratie nur halbherzig unterstützt wird - so wurden keine Gelder für eine gleichzeitige Plakatierungsaktion zur Verfügung gestellt - ist ein Erfolg bewußter Gewerkschafter gegen die Bürokratie. Wir müssen heute die Aktion gegen die Kündigungen mit aller Kraft unterstützen. Denn dies ist ein Problem das nicht nur Lehrlinge und Jungarbeiter betrifft, sondern ebenso auch die älteren Kollegen. Denn dies ist nur der Anfang, wenn wir heute den Unternehmern zeigen, daß wir Kündigungen von Jugendvertretern und jungen Betriebsräten einfach geschehen lassen, werden die Unternehmer morgen auch vor den älteren Kollegen (Betriebsräten und Vertrauensleuten) nicht halt machen. Heute Jugendvertreter unterstützen heißt auch morgen noch die schwererkämpften demokratischen Rechte zu besitzen, die uns die Grundlage zur Erkämpfung weiterer Rechte bietet. Die Frage der Beteiligung an der Demonstration in Köln ist damit keine Frage der Sympathie mit Jugendvertretern und Betriebsräten, sondern eine absolute Notwendigkeit.

SOLIDARITÄT MIT DEN JUNGEN KOLLEGEN!"

Im letzten Artikel heißt es:"
CHILE

Das 'wirkliche Gesicht' Chiles - laut Bild oder: Wie macht man eine Militärdiktatur salonfähig?

Während das chilenische Militär Arbeiterviertel bombardierte, seine Standgerichte im Akkord arbeiteten und Arbeiterführer in den Kellern der Geheimdienste zu Tode gefoltert wurden, ersonn man in den Redaktionsstuben des Herrn Springer bereits ein neues Chilebild. Noch während Massendemonstrationen in der ganzen Welt stattfanden, erschien in BILD ein Bericht über Allende, der ihn zum heimlichen Diktator erkor, der einen Putsch von links vorbereitete. Zugleich versicherte man, daß man aus 'gut informierten Kreisen' wisse, daß der Präsident Selbstmord begangen habe.

Diese beiden Lügen stellen den Beginn einer Kampagne dar, um die Henker von Santiago salonfähig zu machen. Wäre die erste Behauptung wahr, so hätte eine gut bewaffnete chilenische Arbeiterklasse mit dem Spuk eines Armeeputsches kurzen Prozeß gemacht. Zum zweiten hat Allendes Frau die wirklichen Todesumstände klar ausgedrückt: 'Mein Mann wurde umgebracht'. (Spiegel vom 24.9.1973).

Man hätte erwarten können, daß Friedens-Willy Brandt seine Stimme erhoben hätte, um das Regime zu verurteilen und den Befreiungskampf zu unterstützen. Doch nur Illusionäre konnten an soviel Menschenfreundlichkeit glauben. Dieses Regime und ihr Friedensnobelpreischef hatten schon im letzten Dezember die riesigen Bombenangriffe der US-Armee in Vietnam stillschweigend akzeptiert. Zum anderen wäre es den Sozialdemokraten gewiß schwergefallen, einen Salvador Allende zu verteidigen, der im Kampf mit der Waffe in der Hand gefallen ist. An der Seite der Arbeiter und nicht wie ehedem Noske und Ebert samt ihren Enkeln an der Seite der Unternehmer. Und wer immer noch nicht versteht, warum in der BRD heute eine neue chilenische Geschichte geschrieben wird, warum der DGB-Bundesvorstand die Teilnahme an Chile-Solidaritätsaktionen zusammen mit sogenannten Linksradikalen verbietet, warum der Friedensnobelpreisträger schweigt, dem wurde einiges klarer, als er vor einigen Tagen die F.A.Z. las. Dort war nämlich zu lesen, was jetzt zu tun sei: 'Chile: Jetzt investieren!' Nun ist alles klar, warum Willy schweigt und BILD sich in Lügen selbst übertrifft weil sie alle investieren wollen: Herr Abs, Herr Siemens und Konsorten. Gerade deshalb kommt es darauf an, nicht zu schweigen und Solidarität zu üben! Heute gilt es umso mehr jede Initiative zu unterstützen, die die Sache des chilenischen Volkes vertritt:

ES LEBE DER KAMPF DER CHILENISCHEN ARBEITER; BAUERN UND STUDENTEN!
NIEDER MIT DER MILITÄRDIKTATUR!
HOCH DIE INTERNATIONALE SOLIDARITÄT!"
Q: Solidarität Nr. 8, Dortmund 22.10.1973

02.11.1973:
Die Nr. 9 der 'Solidarität' - Informationsblatt der GIM erscheint bei Stahlbetrieben in Bochum, Dortmund und Hagen (vgl. 22.10.1973, 29.11.1973) mit 6 Seiten DIN A 4 unter Verantwortung von Hermann Schink, Dortmund, und mit dem Leitartikel "Tarifbewegung 1973/74: Kampf um Leistungen, die nicht durch Preistreiberei und Verschärfung der Arbeitshetze abgebaut werden können. Gleitende Lohnskala und menschenwürdige Arbeitsplätze!", in dem zur STR ausgeführt wird:"
Der Hauptvorstand der IG-Metall und der Gesamtverband metallindustrieller Arbeitgeberverbände haben vereinbart, den Beginn der Tarifverhandlungen im Eisen- und Stahlbereich auf Anfang November vorzuziehen. Dies hat uns schon in der letzten Woche (Dienstag, 16.10.) die erste Sitzung der großen Tarifkommission gebracht. Nun ist die Katze aus dem Sack! Nachdem schon vorher bekannt war, daß die Verhandlungen um den Lohnrahmentarifvertrag mit den Verhandlungen um den Lohntarif zusammengelegt werden, ist nun auch bekannt gegeben worden, daß beide im Zusammenhang zu sehen seien. Das heißt, das Ergebnis bei den Rahmentarifverhandlungen auf die Lohnergebnisse anzurechnen seien und umgekehrt.

Und was das bedeutet, hat schon die Sitzung der Tarifkommission vom 16.10. gezeigt: 15% mit knapper Mehrheit - nicht nur die Kollegen in Dortmund hatten 20% gefordert. Obwohl jeder weiß, daß das nach dem dürftigen 46 Pfennig/8, 5% Abschluß vom Januar und den gewaltigen Preissteigerungen im Laufe dieses Jahres äußerst dürftig ist. Aber es wurde ja gesagt, daß diese Forderung im Zusammenhang mit den Lohnrahmentarifverhandlungen gesehen werden muß. Nun - nehmen wir die große Tarifkommission beim Wort! 15% sind ganz entschieden zu wenig; wenn wieder passiert, was wir dieses Jahr erlebt haben, wenn uns die Preise wieder während der Laufzeit des Tarifvertrages davonlaufen. Deshalb müssen unbedingt Forderungen durchgesetzt werden, die nicht durch Preistreiberei und Verschärfung der Arbeitshetze abgebaut werden können! Das bedeutet, daß für die Lohntarifvertragsverhandlungen 15% das absolute Minimum sind - darunter darf nicht abgeschlossen werden!

Forderungen, die nicht so ohne weiteres durch Preistreiberei und Arbeitshetze abbaubar sind, und daher einen Schutzwall für den sozialen Besitzstand der Kollegen bilden, müssen sein:

1.) Wegfall der unteren Lohngruppen.
Die unteren Lohngruppen (Leichtlohngruppen) reichen sowieso nur zum nötigsten, daher werden diese niedrigen Einkommen von den hohen Preissteigerungsraten naturgemäß am härtesten betroffen. Deshalb müssen, um das minimale Lebensniveau der Kollegen zu garantieren, die unteren Lohngruppen weg.

2.) Wenn die Preise steigen, müssen auch die Löhne steigen - gleitende Lohnskala.
Wenn die Preise immer weiter steigen, während die Löhne durch die Friedenspflicht eingefroren sind, bedeutet das, daß während der Laufzeit der Tarifverträge die Reallöhne gesenkt werden. Dagegen hilft nur eins (auch wenn IGM-Mayr auf der Funktionärsversammlung noch so sehr dagegen schimpft): GLEITENDE LOHNSKALA (auch als Gleitlohn oder Preisgleitklausel bekannt). Das bedeutet, daß die Löhne automatisch immer im selben Maße steigen, wie die Preise. Dadurch kann der Lebensstandard der Arbeiter nicht mehr durch Preiserhöhungen gesenkt werden. Das bedeutet nicht, daß Tarifverhandlungen überflüssig würden, mit denen der Lebensstandard erhöht werden soll.
GEGEN LOHNRAUB DURCH PREISSTREIBEREI - GLEITENDE LOHNSKALA!

3.) Menschenwürdige Arbeitsplatzbedingungen.
Die konkreten Arbeitsbedingungen im Betrieb müssen verbessert werden, d.h. in die Tarifauseinandersetzungen müssen qualitative Forderungen eingebracht werden: Erholungszeiten während der Arbeitszeit sind unbedingt erforderlich um der Arbeitshetze und der dadurch bedingten frühzeitigen Beförderung in den Ruhestand entgegenzuwirken. Verdienstgarantie und Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer, damit die älteren Kolleginnen und Kollegen die Angst vor altersbedingten Kündigungen weitgehend verlieren. Der Altersfeindlichkeit der Betriebe soll endlich entgegengewirkt werden. Absicherung des Akkordverdienstes durch festen Durchschnittsverdienst, damit Arbeitsunterbrechung durch fehlerhafte Arbeitsorganisation des Betriebes, Erzeugnis- und Typenwechsel usw. nicht mehr zu Lasten des Arbeiters gehen. Schutz gegen willkürliche Akkordfestsetzung durch rechtzeitige und umfassende Information der Arbeiter über Datenermittlung und durch namentliche (und schriftliche) Bekanntgabe der Beauftragten an den Betriebsrat. Hier muß mit den bisherigen statistischen Ungenauigkeiten zu Lasten der Arbeitnehmer aufgeräumt werden."

Enthalten ist auch eine Presseerklärung der GIM zu der NRW-weiten Demonstration in Köln gegen Jugendvertreterentlassungen (vgl. 27.10.1973) und im letzten Artikel heißt es zu Baden-Württemberg:"
Lohnrahmentarifvertrag in der Metallindustrie von Nordwürttemberg/Nordbaden:
DIE GEWERKSCHAFTSBÜROKRATIE BREMSTE!

Die Kollegen in Nordwürttemberg/Nordbaden hatten nicht nur die Verhandlungen um den Lohnrahmentarif-Vertrag II beeinflußt und vorangetrieben, sie zeigten auch durch ihren ungeheuer starken Willen zu streiken, wie wichtig für sie dieser Vertrag war. Doch die Gewerkschaftsbürokratie spielte bei diesem Arbeitskampf den Bremse. Ungeachtet der Stimmung in den Betrieben genehmigte sie nur Streiks bei Daimler und Bosch. So schwächte sie die Kampfkraft der Arbeiter erheblich. Der durch diesen 'Kleckerstreik' erreichte Vertrag war daher auch nichts weiter als ein fauler Kompromiß. Wichtige Forderungen wurden gestrichen oder abgeschwächt in den Vertrag aufgenommen. Vor einer Woche ging von Wirtschaftsinstituten folgender Rat aus: 'Für die Stabilität notfalls sogar mehr Arbeitslose.'
Ein Bonner Staatssekretär war etwas direkter: 'Im Winter können wir auf eine halbe Million Arbeitslose kommen'. Dies ist eine unmißverständliche Botschaft. Obwohl die Preissteigerungsraten kaum sanken, büßten schon Tausende ihren Arbeitsplatz ein. Um die Profite der Unternehmer zu sichern, werden Kollegen entlassen! Neben dem Entlassungsdruck und auch durch ihn, wird der Leistungsdruck in den Betrieben verschärft. Wer nicht schnell genug Profite erarbeitet, der wird dann eben entlassen. Um diese konkreten Arbeitsbedingungen ging es bei dem Lohnrahmentarif-Vertrag in Nordwürttemberg/Nordbaden. Doch das Vorgehen der IGM stärkte die Position von GESAMTMETALL.

Die Fronten wurden total verdreht: Bisher war es so, daß die Unternehmer an einer reibungslosen Produktion interessiert waren. Jetzt versuchen die Betriebsräte mit allen Mitteln die Produktion aufrechtzuerhalten, derweil die Unternehmer stillegen wollen. Der Grund für die Haltung der Betriebsräte ist klar. Wenn die Arbeiter erfahren hätten, daß stillgelegt werden sollte, hätten sie gefordert, in den Streik einbezogen zu werden. Das sollte aber vermieden werden. Das Ergebnis war dann aber auch dementsprechend mager. Anstatt 6 Minuten Pause in der Stunde für Fließband-, Akkord- und Prämienlohnarbeiter, erreichte die Gewerkschaft 5 Minuten (16% weniger als die ursprüngliche Forderung). Wenn man bedenkt, daß schon 1970 von 580 000, die in den Ruhestand versetzt wurden, 28 000 Frührentner waren, ist das Ergebnis schon etwas mager.

Bei dem Entlohnungssystem für Fließband-, Akkord- und Prämienarbeiter war die Kompromißbereitschaft der IGM noch deutlicher: Die 140% Forderung als Verdienstgarantie schrumpfte auf 125% (in 2 Jahren auf 130%). Aber dieser Satz brauch nur im Betriebsdurchschnitt gezahlt werden. Damit entfällt die Lohngarantie. Es kann auch weniger als 125% gezahlt werden! Die geplante Taktzeitbeschränkung auf 1, 5 Minuten fiel fort. Diese Forderung kam nicht durch, weil dies eine weitere Zerstückelung des Arbeitsprozesses verhindert hätte. Damit steht einer Verschärfung der Arbeitshetze nichts mehr im Wege. Weiter forderte die IGM die Alterssicherung von Arbeitern ab 50 Jahren. Von diesem Alter ab sollten ein besonderer Kündigungsschutz und der Schutz vor Lohnabbau gelten. Dadurch sollte die Benachteiligung, die sonst das Alter mit sich brachte, aufgehoben werden. Das Ergebnis: Der Kündigungsschutz gilt nur für Arbeiter ab 54 Jahren, wenn sie 3 Jahre (!) im Betrieb beschäftigt sind. Für Verhandlungen über den Lohnrahmentarif-Vertrag in NRW müssen wir aus den Abschlüssen in NB/NW lernen. Wir dürfen uns nicht so leicht täuschen lassen; denn das Eingehen auf die Vorschläge der Unternehmer geht auf unsere Knochen! Weitgehende Forderungen nach dem Schutz unserer Arbeitskraft und unseres Arbeitsplatzes müssen gegen Unternehmer und auch gegen die Gewerkschaftsbürokratie verteidigt werden."
Q: Solidarität Nr. 9, Dortmund 2.11.1973

04.11.1973:
Bei Stahlbetrieben in Bochum, Dortmund Hagen (IGM-Bereich in NRW - vgl. 11.12.1973) berichtet die GIM:"
DEMONSTRATION UND NEUER MILITÄRPUTSCH IN ATHEN:
Das Militärregime in Griechenland wankt

Im Oktober hatte die griechische Militärjunta, die im April 1967 durch einen Putsch zur Macht gekommen war, ein ziviles Kabinett eingesetzt und eine gewisse Liberalisierung, jedoch nicht zu Frieden, es will Volksmacht und Arbeiterdemokratie (?, d.Vf.).

Am 4. November zog anläßlich einer Trauerkundgebung für den bürgerlich-liberalen Politiker G. Papandreou ein mächtiger Demonstrationszug in die Athener Innenstadt, der unter der Parole 'Nieder mit der Militärdiktatur' stand. Die Junta reagierte darauf mit der gewohnten Härte - das Gerede von der 'Rückkehr der Demokratie' entlarvte sich als Lüge. Die Polizei zerschlug die Demonstration mit brutaler Gewalt. Mehr als 60 Demonstranten wurden verletzt, Dutzende wurden verhaftet. Die Reaktion des griechischen Volkes waren riesige Protestdemonstrationen und die Besetzung der Athener Universität durch die Studenten. Mit Panzern und Maschinengewehren antwortete das Militär auf die Forderungen nach Volksmacht und Arbeiterdemokratie. Die Universität wurde gestürmt, alle Versammlungen gegen das Militärregime verboten und aufgelöst. Dabei fanden 200 Menschen den Tod und mehrere Tausend wurden in Gefängnisse und KZ's gesperrt. Dennoch breitete sich die Bewegung aus und immer größere Teile der Arbeiterschaft bekundeten ihre Opposition zum Militärregime. Um die Krise der Papadopolus-Junta zu überwinden, putschte deswegen ein Teil des griechischen Militärs und brachte General Androtsopoulus zur Macht. Die neue Junta hat angekündigt, daß der harte Kurs fortgesetzt würde und man an Demokratisierung nicht denke. Die griechische Bourgeoisie versucht auf diese Weise ihre Herrschaft und ihre Profite zu sichern. Aber die griechische Befreiungsbewegung hat bewiesen, daß sie ihren Tiefpunkt überwunden hat. Immer mehr Griechen treten auf die Seite der Freiheitskämpfer. Der Widerstand wird wachsen. das Militärregime wankt. Der Sturz der bürgerlichen Militärdiktatur ist gewiß.

Nieder mit der Militärjunta!
Für Volksmacht und Arbeiterdemokratie!
Für ein freies Sozialistisches Griechenland!"
Q: Solidarität Nr. 10, Dortmund 11.12.1973

29.11.1973:
Ein Flugblatt der GIM erscheint als Extraausgabe vermutlich der allerdings ungenannt bleibenden 'Solidarität' (vgl. 2.11.1973, 30.11.1973) für Stahlbetriebe in Bochum, Dortmund und Hagen unter Verantwortung von Hermann Schink, Dortmund:"
WIEDER LOHNSTOPPABSCHLUß FÜR STAHLARBEITER!

TARIFABSCHLUß BEI 11% FÜR 10 1/2 MONATE LAUFZEIT!
Gestern hat die große Tarifkommission der IG Metall in Bochum mit 83 gegen 22 Stimmen einen 'Kompromiß' angenommen, der die diesjährige Lohntarifrunde (STR, d.Vf.) mit dem Ergebnis von 11% Lohn'erhöhung' bei einer Laufzeit des Abkommens von 10 1/2 Monate abschließt.

DIESES ERGEBNIS IST NICHT ANNEHMBAR!

Denn: Schon die letzte Tarifrunde mit dem katastrophalen 46 Pfennig/8, 5% Abschluß hat den Lohnstopp für die Stahlarbeiter bedeutet. Denn: Die Preissteigerungen dieses Jahres, die um 8% darüber gelegen hatten, brachten eine weitere Senkung der Reallöhne. Denn: Bei guter Auftragslage in der Stahlindustrie wurden die Kapazitäten trotz der in den letzten Jahren verminderten Belegschaften hochgefahren, was eine erhebliche Verschärfung der Arbeitshetze in den Stahlbetrieben brachte. Das heißt: die Belastung der Stahlarbeiter ist in den letzten Jahren erheblich gewachsen - ihr Lebensstandard ist aber nicht mitgewachsen, sondern er stagnierte oder fiel. Nun kommt die IG Metall-Führung und will diesen 11% Abschluß als den Interessen der Arbeiter entsprechend verkaufen. Aber es kann nichts darüber hinwegtäuschen:
11% SIND EIN HOHN!

Denn:
- wenn man sie mit der 8%igen Preissteigerung dieses Jahres aufrechnet, bleiben noch 3%.
- wenn man die Lohnsteuerprogression einrechnet, bleibt nichts mehr.
- und wenn man berücksichtigt, daß für 1974 weiter mit 5 - 8%
Preissteigerungen gerechnet wird, (Schätzung der '5 Weisen') zeigt sich, was 11% Lohn'erhöhung' wirklich bedeuten:
Reallohnsenkung durch Preistreiberei während der Laufzeit des Tarifvertrages!
DESWEGEN IST DER 11% ABSCHLUSS NICHT ANNEHMBAR!!

Deswegen:
ZUSÄTZLICH DIE 9% FÜR ALLE!
PREISGLEITKLAUSELN (gleitende Lohnskala) IN DEN TARIFVERTRAG!
KEINEN TARIFABSCHLUSS OHE URABSTIMMUNG!
KEINE BEWÄLTIGUNG DER KRISE DER KAPITALISTISCHEN WIRTSCHAFT AUF DEM RÜCKEN
DER ARBEITER!
KEINE LOHNLEITLINIEN!
RAUS AUS DER KONZERTIERTEN AKTION!"
Q: Solidarität Extra, Dortmund 29.11.1973

30.11.1973:
Die GIM gibt ein zweiseitiges Extra ihrer 'Solidarität' (vgl. 29.11.1973, 11.12.1973) für Stahlbetriebe in Bochum, Dortmund und Hagen unter Verantwortung von Hermann Schink, Dortmund zur Stahltarifrunde (STR) heraus:"
TARIFABSCHLUSS BEI EISEN UND STAHL: 11% SIND EIN HOHN!

IG-METALLFÜHRUNG VERSUCHT mit 'Dynamisierung' des Leistungsslohnanteils und 'stahltypischen Zuschlägen' zu TÄUSCHEN.

WIR WOLLEN KIES IN DEN BEUTEL, STATT SAND IN DEN AUGEN!

Ein Rechenbeispiel macht klar: die 'Dynamisierung' des Leistungslohnanteils bringt keinen Pfennig über die 11%, sondern ein Abschluß ohne diese 'Dynamisierung' hätte eine tatsächliche Erhöhung des Nominallohns um nur 9% bedeutet (und das war das Unternehmerangebot)!

RECHENBEISPIEL:
Angenommen ein Kollege verdiente bisher 1 200 DM,
davon war 'Leistungsanteil' 120 DM
ohne die 'Dynamisierung' wäre die 11% Erhöhung ---------
also nur auf 1 080 DM erfolgt.
11% von 1 080, - sind: 118, 80 DM, von 1 200, - sind aber 118, 80 DM gleich 9, 9%!

Erst wenn die 120 DM 'Leistungsanteil' auch um 11% angehoben werden, kommt man auf eine tatsächliche Nominalerhöhung von 11%.
11% von 120 DM sind 13, 20 DM.

'Lohnerhöhung' 118, 80 DM
'Dynamisierung' + 13, 20 DM
---------
tatsächl. Nominalerh. 132, - DM.

Erst 132, - DM sind 11% vom ursprünglichen Lohn von 1 200, - DM! Das Geschwätz von den zusätzlichen Leistungen durch die 'Dynamisierung' des Leistungslohnanteils ist also offensichtlich Augenwischerei!

DER ABSCHLUSS BRINGT 11% UND DAS IST ZUWENIG!

Denn rechnet man die Preissteigerungen des letzten Jahres (um 8%) und die erhöhten Abzüge durch die Lohnsteuerprogression ab, so bleibt als Reallohnsteigerung nichts übrig! - Lohnstopp!
Wenn man weiter die zukünftigen Preissteigerungen (nach Schätzung der 'fünf Weisen' 5-8%) berücksichtigt, wird deutlich, daß in Zukunft weitere Löcher im Geldbeutel entstehen werden - REALLOHNABBAU DURCH PREISTREIBEREI!

Man will die Krise der kapitalistischen Wirtschaft mal wieder aus der Tasche der Arbeiter bezahlen - unter tätiger Mithilfe der IG-Metall-Führungsbonzen, die mit ihrem Betrugsmanöver den Stahlarbeitern die Augen verkleistern wollen.

Das darf nicht zugelassen werden.

Reallohnerhöhung muß her!

Wenn die Gewerkschaftsbonzen bei den Tarifverhandlungen 'Sozialpartnerschaft' machen, müssen wir unsere Interessen selbst vertreten.

Wir bekommen nur, was wir uns erkämpfen.

Absicherung der Reallöhne durch Preisgleitklauseln (gleitende Lohnskala)!

Kein Tarifabschluß ohne Urabstimmung!

Für eine konsequente Vertretung der Arbeiterinteressen -
für eine klassenkämpferische Gewerkschaftspolitik -
Für die Demokratisierung der Gewerkschaften!"

Kontaktadressen sind:
Dortmund: H. Schink, 46 Dortmund, Mittelstraße 5,
Bochum: Georg Kerski, 463 Bochum-Querenburg, Laerheidestraß 28,
Hagen: Klaus Hensel, Hagen, Opphauser Straße 33.
Q: Solidarität Extra, Dortmund 30.11.1973

11.12.1973:
Die Nr. 10 der 'Solidarität' - Informationsblatt der GIM erscheint für Stahlbetriebe in Bochum, Dortmund und Hagen (vgl. 30.11.1973, 28.1.1974) mit 8 Seiten DIN A 4 unter Verantwortung von Hermann Schink, Dortmund:"
DIE TARIFRUNDE 1973/74 UND DIE KRISE: Oder: Der Betrug mit der Ölkrise

Schwere wirtschaftliche Rückschläge werden uns prophezeit - aufgrund des Ölboykotts der arabischen Staaten. Das Wehgeschrei aller Kreise der westdeutschen Wirtschaft ist in allen Ohren. Und dort soll es auch sein. Besonders in den Ohren des Arbeiters und anderer Lohnabhängiger und Gehaltsempfänger, die sich zur Zeit in den Vorbereitungen auf die Lohntarifverhandlungen 1973/74 befinden, oder sie wie bei Eisen- und Stahl abgeschlossen haben. Die Arbeiter sollen durch den Hinweis auf die Ölkrise dazu gebracht werden, ihre Lohnforderungen dem 'Gemeinwohl' unterzuordnen. Die gegenwärtige Krise ist gar nicht die Ölkrise. Die Ölkrise wird vorgeschoben und hochgespielt; denn bisher sind in den europäischen Öllandhäfen noch keine wesentlich geringeren Mengen an Rohöl eingetroffen (insgesamt wird im Januar etwa 15% weniger Öl erwartet). Die Ölkrise wird von den Ölkonzernen gemacht, und diese verdienen daran Unsummen. Sie lassen z.B. ihre Öltanker z.T. nicht in die Bestimmungshäfen einlaufen, sondern auf hoher See kreuzen, um so abzuwarten, bis die Preise für die Ölprodukte wieder ein Stück gestiegen sind. So bringt die 'Ölkrise' den Ölkonzernen riesige Extraprofite. Aber sie dient daneben der gesamten Kapitalistenklasse und der Bundesregierung. Für sie ist die 'Ölkrise' ein willkommenes Instrument, eine allgemeine Krisenangst zu verbreiten. Sie soll uns eine Verzichtbereitschaft einbläuen, die weit über sinkende Wohnungstemperatur und Fahrverbot hinausgeht. Denn die wirtschaftliche Situation hatte sich in der letzten Zeit schon so verschlechtert, daß selbst bürgerliche Sachverständige eine Rezession für die zweite Hälfte des nächsten Jahres ankündigten. Das heißt: keine wirtschaftliche Sicherheit - keine sicheren Arbeitsplätze - keine Reformen.

Hier zeigt der Kapitalismus wieder sein wahres Gesicht - es sieht schön aus, solange die Kapitalisten Gewinne machen können, wenn aber eine Krise kommt, dann sollen die Arbeiter den Kopf hinhalten. Während die Kapitalisten in den Phasen guter Konjunktur ihre Profite machen, sollen die Arbeiter in der Krise die Zeche zahlen. Deswegen wird gegenwärtig die Ölkrise so weit über ihre wahre Bedeutung hochgespielt. Sie soll ablenken von der Unfähigkeit des Kapitalismus eine stabile wirtschaftliche Entwicklung und damit sichere Arbeitsplätze und laufende Befriedigung der Lebensbedürfnisse des arbeitenden Menschen zu gewährleisten. Und sie soll bei den Lohnabhängigen Angst um ihren Arbeitsplatz verbreiten, damit sie in der laufenden Lohnrunde Abschlüsse hinnehmen, die den Rückgang der Reallöhne, des Lebensstandards bedeuten. Die kapitalistischen Profite sollen gesunden, indem die Geldbeutel der Arbeiter die Schwindsucht kriegen.

Kapitalisten, Bundesregierung und Gewerkschaftsbonzen im Gleichschritt.

Die Unternehmer jammern und legen Betriebe still. Die Bundesregierung spricht von Anstrengungen wie in der Nachkriegszeit und ruft zu einer großen Kraftanstrengung mit viel Schweiß und Sparsamkeit auf. Kapitalisten und Bundesregierung behaupten in schöner Einigkeit, daß Lohnerhöhungen über 10-11% der gesamtwirtschaftlichen Lage nicht gerecht würden und daher unverantwortlich wären. Die Bonzen von der IG-Metallführung wollen sich auch den Forderungen des 'Gemeinwohls' nicht verschließen und Rücksicht auf die gesamtwirtschaftliche Lage nehmen. Vor einem Jahr wurden auch mit Rücksicht auf die gesamtwirtschaftliche Lage die Lohnforderungen zurückgestellt. In der Hochkonjunktur, jetzt wieder, bei sich abschwächender Konjunktur. Es gibt offensichtlich keine Lage, in der das 'Gemeinwohl' den Lohnforderungen der Arbeiter entgegen käme.

Im letzten Jahr sah es so aus, daß die Tarifbruttolöhne bei 8 bis höchstens 10% lagen, während sich die Nettogewinne zwischen 17 und 20% (d.h. um das Doppelte) erhöhten. Man muß schon sagen: die Lohnpolitik der IGM-Führung hat sich ausgezahlt! Allerdings nicht für die Metaller, sondern für die Kapitalisten. Das ist das sogenannte Gemeinwohl.

Die Abwiegelei der IGM-Führung in dieser Tarifrunde.

In den Tarifkommissionen setzt die IGM-Führung alles daran, die 15% Forderung mit geringen Abweichungen durchzusetzen (bei Eisen und Stahl mit 50 : 48 Stimmen, obwohl die Betriebe wesentlich höhere Forderungen - bis 20% gestellt hatten). Bei einer sollchen Forderung sind die Weichen aber erneut auf Lohnstopp gestellt. Denn geht man von der Verhandlungspraxis der IGM-Führung aus, so ist bei einer 15%-Forderung ein Abschluß bei 10-12% einkalkuliert. Das hat der 11% Abschluß bei Eisen und Stahl bereits bewiesen. Und ein solcher Abschluß bedeutet bei der gegenwärtigen Teuerung, die auch im nächsten Jahr eher zu als abnimmt, im besten Fall Lohnstopp. Denn 11% Bruttolohnerhöhung bringt für einen Facharbeiter nur etwa 7-8% Nettolohnerhöhung. Zieht man die Teuerungsrate von 7-8% noch ab, so bleibt real nichts übrig (siehe auch dazu 'Solidarität' Extra vom 29.11.1973).

Die Betrugsmanöver der IGM-Führung nach dem 11%-Abschluß.

Nach dem die IGM-Führung die völlig unzureichenden 11% abgeschlossen hatte, versuchte sie den Kollegen bei Eisen und Stahl Sand in die Augen zu streuen. Sie sprach viel von den zusätzlichen Leistungen, der Erhöhung der Zuschläge für Sonntags- und Nachtarbeiten und der Dynamisierung stahltypischer Zuschläge. Die Verbesserungen der Bezahlung von Sonntags- und Nachtarbeit haben mit dem Lohntarifvertrag nichts zu tun, sie stehen im Manteltarif. Ein Rechenbeispiel macht den Betrug mit den stahltypischen Zuschlägen deutlich:

Rechenbeispiel
Angenommen, ein Kollege verdiente bisher 1 200, -DM
davon war 'Leistungsanteil' 120, -DM
--------
ohne die 'Dynamisierung' wäre die 11% Erhöhung
also nur auf 1 080, -DM erfolgt.
11% von 1 080, -DM sind 118, 80 DM, von 1 200, -DM sind aber 118, 80 DM gleich 9, 9%. Erst wenn die 120, -DM 'Leistungsanteil' auch um 11% angehoben werden, kommt man auf eine tatsächliche Nominallohnerhöhung von 11%. 11% von 120, -DM sind 13, 20 DM.
'Lohnerhöhung' 118, 80 DM
'Dynamisierung' + 13, 20 DM
___________
tats. Nominallohnerh. 132, - DM.
Erst 132 , -DM sind 11% vom ursprünglichen Lohn von 1 200, -DM.

Das Geschwätz von den zusätzlichen Leistungen durch die 'Dynamisierung' des Leistungslohnanteils ist also offensichtlich Augenwischerei. Herausgekommen sind bei der Tarifrunde für Eisen und Stahl 11% und das ist zuwenig; denn das bedeutet Lohnstopp! Wenn wir die Lohnstopp-Rechnung der Kapitalisten und der Bundesregierung durchkreuzen wollen, müssen wir uns an den Erfahrungen dieses Jahres ausrichten.

STILLHALTEN HILFT IMMER NUR DER ANDEREN SEITE!
LOHNFRAGEN SIND MACHTFRAGEN!
WAS WIR BRAUCHEN, MÜSSEN WIR UNS HOLEN!

Was wir brauchen ist:
1. eine Lohnerhöhung, die eine echte Erhöhung der Reallöhne bringt. Deshalb: Lineare Lohnerhöhung um 20% des Ecklohns für jeden!

2. ein Schutz von Lohnraub während laufender Tarifverträge; denn die Teuerung ist zu einem ständigen Problem geworden, gegen das wir taugliche tarifpolitische Instrumente brauchen. Deshalb: Automatische Anpassung der Tariflöhne an die Steigerung der Lebenshaltungskosten - Preisgleitklauseln ('Gleitende Lohnskala') in die neuen Tarifverträge. Bestimmung des Preisindex des Lebensstandards der Arbeiter durch die Gewerkschaften,

GEGEN DEN VERRAT DER ARBEITERINTERESSEN!
FÜR EINE KLASSENKÄMPFERISCHE GEWERKSCHAFTSPOLITK!
KEINE TARIFABSCHLÜSSE OHNE URABSTIMMUNG!
FÜR VOLLE TARIFAUTONOMIE - WEG MIT DEN LOHNLEITLINIEN - RAUS AUS DER KONZERTIERTEN AKTION!"

Berichtet wird auch aus Griechenland (vgl. 4.11.1973) und im letzten Artikel heißt es zu den UVB:"
Zu den: UNVEREINBARKEITSBESCHLÜSSEN GEGEN AKTIVE KOLLEGEN

Interne Konsequenzen' hatte IG-Metall Chef Loderer nach der vernichtenden Niederlage Anfang 1973 angekündigt, die der Vorstand bei der Urabstimmung über den Tarifabschluß in der Eisen- und Stahlindustrie erlitten hatte. 66, 6% der Stahlarbeiter, die sich an der Abstimmung beteiligten, waren verständlicherweise nicht mit dem Lohnabschluß von 8, 5% einverstanden. 'Interne Konsequenzen' beginnen auch die Kollegen zu fordern. Doch offensichtlich in einer anderen Richtung. So wurde z.B. auf einer zentralen Funktionärskonferenz in Köln (vgl. **.**.1973, d.Vf.), an der 1 000 IG-Metaller teilnahmen, scharfe Kritik an der Politik der hauptamtlichen Funktionäre der Gewerkschaftsführung geübt. Die Kollegen warfen ihnen eine immer größere Entfremdung von der Basis vor. Gleichzeitig stellten sie einen Forderungskatalog auf, der u.a. folgende wichtige Punkte enthält:
- betriebsnahe Tarifpolitik,
- Absicherung übertariflicher Lohn- und Gehaltsbestandteile,
- einheitliche Tarifverträge für Arbeiter und Angestellte,
- Festbeträge von 150, -DM für Arbeiter und Angestellte bei den nächsten Tarifverhandlungen,
- und vor allen Dingen Preisgleitklauseln.

Die Erfüllung dieser Forderungen würde für die Gewerkschaftsführung bedeuten, in den Tarifverhandlungen endlich einmal die Interessen der Arbeiter zu vertreten und durchzusetzen, anstatt wie bisher unter dem Motto der 'Sozialpartnerschaft' den Vorstellungen der Unternehmer mehr Folge zu leisten, als denen der Kollegen im Betrieb. Das würde weiter für die Gewerkschaftsführung bedeuten, aktiven Gewerkschaftern in den Betrieben volle Unterstützung zu bieten. Doch die hauptamtlichen Gewerkschaftsfunktionäre denken gar nicht daran, ihr sozialpartnerschaftliches Getue mit den Unternehmern aufzugeben. Im Gegenteil: Die Anfang des Jahre erlassenen Unvereinbarkeitsbeschlüsse der IGM und der IG-Drupa (UVB - vgl. **.*.1973 bzw. **.*.1973, d.Vf.), sollten die rechtliche Grundlage bilden, um gerade diejenigen Kollegen, die sich entschieden für die Forderungen aus den Betrieben einsetzten, in einer breitangelegten Ausschlußkampagne aus den Gewerkschaften feuern zu können. So z.B. die letzten Betriebsratswahlen (BRW, d.Vf.) bei Daimler-Benz in Untertürkheim (in Stuttgart in Baden-Württemberg, d.Vf.).Die Kollegen Willi Hoss, Hermann Mühleisen und Mario D'Andrea arbeiteten schon 12, 18 bzw. 9 Jahre bei Benz und waren als konsequente Vertreter der Arbeiterinteressen bei ihren Kollegen bekannt. Sie hätten beim normalen Lauf der Dinge eine gute Chance gehabt, auf der IGM-Einheitsliste zu kandidieren. Aber der bisherige Betriebsrat, an der Spitze der Karrierist Karl Hauff (SPD-Mitglied bei der Daimler-Benz AG) hatte sich durch Abschaffung demokratischer Wahlen praktisch schon die Besetzung des neuen Betriebsrats gesichert. Durch Beschluß der Vertrauenskörperleitung wurde einfach das Recht der Mitglieder, Kandidaten zu benennen, abgeschafft. Kandidaten konnten somit nur noch von Gewerkschaftsfunktionären des Betriebsrats und des Vertrauensleutekörpers benannt werden. Um ganz sicher zu gehen, wurde im Kreise der Funktionäre noch eine 50%-Klausel errichtet, die auch einer starken Minderheit die Kandidatur unmöglich machte. Von daher sahen die Kollegen Hoss, Mühleisen und D'Andrea nur die Möglichkeit, auf einer eigenen Liste zu kandidieren. Ihr späterer Wahlerfolg (28% der Stimmen, das hätte für 8 Betriebsratssitze gereicht) bestätigte die Einschätzung der 3 Kollegen, daß ein nicht unerheblicher Teil der Belegschaft mit der Arbeit des alten Betriebsrates unzufrieden war. Das noch vor der Wahl eingeleitete Ausschlußverfahren aus der IGM wegen 'gewerkschaftsschädigenden Verhaltens' endete mit dem Ausschluß der Kollegen Hoss und Mühleisen und dem 2jährigen Funktionsverbot des Kollegen D'Andrea. Die IGM Bezirksleitung meinte dazu, daß das Verfahren hätte eingestellt werden können, wenn die 3 Kollegen ihr Verhalten als gewerkschaftsschädigend bedauert hätten und sich zukünftig den Beschlüssen der Hauff-Mehrheit unterwerfen würden. Die Kollegen haben diese Erklärung nicht abgegeben, da sie eine Selbstverleugnung und darüber hinaus eine Mißachtung des Willens von über 3 000 Wählern bedeutet hätte.

Die Liste der 'internen Konsequenzen' von Seiten der IGM und anderer Teilgewerkschaften des DGB könnte mit ähnlichen Beispielen beliebig weitergeführt werden. Ausschlußverfahren und Funktionsverbote gegen ernste Gewerkschafter, Auflösung von Betriebsjugendgruppen, Jugendausschüssen und Bildungsarbeit, sind keine Einzelfälle mehr. Höhepunkt all dessen bildet schließlich die Weigerung der IGM, einigen Kollegen Rechtsschutz zu bieten, die während der letzten Streikwelle der Willkür der Unternehmer ausgesetzt, entlassen wurden. Auch in anderen Gewerkschaften des DGB ruft die Politik der Führung Unruhe in der Basis hervor. So wurde dann auch im September (vgl. **.9.1973, d.Vf.) ein für alle Einzelgewerkschaften verbindlicher sogenannter 'Radikalenerlaß' aus der Mottenkiste gekramt.

Solche Maßnahmen sind in der Geschichte der Gewerkschaften nichts Neues. Sie wurden immer dann angewandt, wenn sich größere Teile der Mitglieder nicht mehr mit der Politik der Gewerkschaftsführung abfinden wollten. So in den 20er Jahren, während der Weltwirtschaftskrise, Anfang der 30er Jahre und schließlich Anfang der 50er Jahre im Zusammenhang mit der allgemeinen Kommunistenverfolgung. Heute wollte die Gewerkschaftsführung auf den 'Heißen Herbst' gut vorbereitet sein, der, auf Grund der dauernden Preissteigerungen durch die die letzten dürftigen Lohnerhöhungen schon längst aufgefressen worden sind, allerorts erwartet wurde.

Der 11%-Abschluß der letzten Stahltarifrunde kann von daher nur als glatter Hohn bezeichnet werden. Da man nicht offen aussprechen kann, daß die Unvereinbarkeitsbeschlüsse für die Kollegen gelten sollen, die nicht alles hinnehmen wollen, was da oben ausgehandelt wird mußte ein neuer 'Buhmann' geschaffen werden - die RGO (Revolutionäre Gewerkschaftsopposition). Die RGO-Vertreter (KPD/ML und KPD) vertreten die Meinung, daß die Kontrolle der Gewerkschaftsführung über die Mitglieder im wesentlichen außerhalb der Gewerkschaft, im Aufbau eigener Gewerkschaftsorganisationen, überwunden werden kann. Deshalb zielt ihre Politik darauf hin, die fortschrittlichsten Kollegen aus den Gewerkschaften herauszuziehen und eigene Organisationen aufzubauen. Doch diese Politik ist spalterisch und deshalb falsch. Wir können der Gewerkschaftsführung und den Unternehmern keinen größeren Gefallen tun, als die fortschrittlichsten Kollegen von den anderen zu isolieren. Denn diese außergewerkschaftlichen Organisationen könnten keinen direkten Einfluß mehr auf die Politik der Gewerkschaftsführung nehmen. Es ist vielmehr notwendig in den Gewerkschaften um die Durchsetzung der innergewerkschaftlichen Demokratie zu kämpfen, d.h. alle Mitwirkungsmöglichkeiten der Kollegen an der Basis bei der Willensbildung zu sichern, als Voraussetzung für einen wirksamen, gewerkschaftlichen Kampf in Betrieb und Verwaltung.

Wenn auch die Politik der RGO-Anhänger falsch ist, wie steht es dann mit der Gewerkschaftsführung?

Ihre Spaltungsversuche sind doch nur ein Zeichen ihrer eigenen Schwäche und stellen so ihre ganze Politik bloß. Würde sie die richtige Politik betreiben, d.h. die Interessen der Mitgliederbasis vertreten, hätten sie es nicht nötig, jede Kritik durch administratives Vorgehen zu ersticken. Daran wird deutlich, daß es dem DGB weniger um die RGO-Vertreter geht, als vielmehr um die Kollegen, die immer häufiger ihre Mißbilligung gegenüber der Gewerkschaftsführung zum Ausdruck bringen. Doch der DGB-Vorstand wird mit seinen Spaltungsversuchen die Kollegen nicht bei der Stange halten können. Bisher haben Ausschlüsse nicht zu einer Solidarisierung mit dem Vorstand, sondern mit den Ausgeschlossenen geführt. Diese Solidarisierung mit den fortschrittlichen Kollegen muß weitergeführt werden! Denn der Gewerkschaftsführung dienen die Unvereinbarkeitsbeschlüsse nur als Handhabe gegen die Kollegen, die die versöhnlerische Politik der Gewerkschaftsführung mit den Fabrikherren bekämpfen wollen!

SOLIDARITÄT MIT DEN AUSGESCHLOSSENEN KOLLEGEN!
GEGEN DIE MASSREGELUNG FORTSCHRITTLICHER UND AKTIVER KOLLEGEN!

Unsere Antwort auf die Spaltungsversuche der Gewerkschaftsführung kann nur sein: in jedem einzelnen Konflikt den Kampf darum zu führen, daß die gewerkschaftliche Organisation lebensfähig bleibt1!

FÜR DIE EINHEITSGEWERKSCHAFT! MACHT DIE GEWERKSCHAFTEN WIEDER ZU KAMPFORGANISATIONEN DER ARBEITER!

Die Gewerkschaften müssen wieder zum lebensfähigen Kampfinstrument der Arbeiter werden, zur Verteidigung der Arbeits- und Lebensbedingungen aller Kollegen gegen die ständigen Angriffe der Konzern- und Fabrikherren!

FÜR AKTIVE INTERESSEN- UND TARIFPOLITK!
WEG MIT DEN UNVEREINBARKEITSBESCHLÜSSEN!
FÜR DIE RÜCKNAHME ALLER AUSSCHLÜSSE!"
Q: Solidarität Nr. 10, Dortmund 11.12.1973

28.01.1974:
Für Stahlbetriebe in Bochum, Dortmund und Hagen geben die drei Ortsgruppen der GIM ihre 'Solidarität' Nr. 11 (vgl. 11.12.1973, Feb. 1974) mit 6 Seiten DIN A 4 unter Verantwortung von Hermann Schink, Dortmund, heraus:"
DAS GROSSE GESCHÄFT MIT DER KRISE

Daß ein neuer wirtschaftlicher Abschwung bevorsteht, spüren heute schon viele Arbeiter am eigenen Leibe: in zahlreichen Betrieben wurde Kurzarbeit eingeführt und allein im Dezember 1973 wurden Zehntausende von Kollegen entlassen! Es gab im Dezember 1973 bereits achtmal soviel Kurzarbeiter wie im August 1973, nämlich über 105 000 und wir hatten zur Jahreswende 480 000 Arbeitslose. Diese Zahlen sind erschreckend und heute bestreitet niemand mehr, daß sie noch weiter steigen werden. (Einige Experten sprechen von über 1 000 000 Arbeitslosen für 1974).

Fragt man nach den Gründen, so verweisen Kapitalisten und bürgerliche Presse auf die Ölkrise. Sie spielen sie hoch, um von den wahren Gründen für Kurzarbeit, die Entlassungen und den sich jetzt verschärft entwickelnden Wirtschaftsabschwung abzulenken. Diese liegen alle in dem Wirtschaftssystem, von dem behauptet wird, daß es gerade durch den freien Wettbewerb die Bedürfnisse ALLER befriedigen könnte! Die heutige Situation zeigt uns jedoch wieder einmal wessen Bedürfnisbefriedigung eigentlich gemeint ist! Die immer wieder erwähnte Abhängigkeit vom Öl der arabischen Länder z.B., war schon immer eine Abhängigkeit von den Ölgesellschaften. Sie haben die Energiepolitik der industrialisierten Staaten bestimmt, haben ihren Gewinn daraus gezogen und können sich heute leisten, am Mangel zu verdienen, den sie selbst schaffen. Sie werden noch einmal an dem Mangel verdienen, der auf den Ölboykott der arabischen Länder zurückzuführen ist.

Andere Wirtschaftszweige ziehen skrupellos nach. Sie schwätzen uns eine Krise auf, um Profit daraus zu schlagen. Sie drohen mit Kurzarbeit und Entlassungen, um die Arbeiter für die anlaufenden Tarifrunden zum Stillhalten zu bewegen. Denn Vollbeschäftigung und reale Lohnerhöhungen würden ihrer Profitgier im Wege stehen.

FÜR VOLLE TARIFAUTONOMIE!
RAUS AUS DER KONZERTIERTEN AKTION!
KEINE ENTLASSUNGEN!
BEI RÜCKLÄUFIGER PRODUKTION GLEITENDE VERKÜRZUNG DER ARBEITSZEIT FÜR ALLE BEI GLEICHBLEIBENDEM LOHN!

Wir müssen uns darüber im Klaren sein, daß nur massiver und solidarischer Druck der Kollegen aus den betrieben und in den Gewerkschaften unsere Forderungen realisieren können!

Das Verhalten der Bundesregierung ist wie geschaffen für die Pläne der Kapitalisten. Sie ist der Mangelwirtschaft der Ölkonzerne gegenüber scheinbar machtlos. Während in England (Großbritannien, d.Vf.), Frankreich und Italien durch staatliche Preispolitik wenigstens den Ölkonzernen die Nägel gestutzt werden konnten, werden bei uns Phrasen gedroschen wie 'gemeinsame Kraftanstrengung mit viel Fleiß und Sparsamkeit' usw. Durch Maßhalteappelle und Vertrauen in den Marktmechanismus zeichnet sich die Wirtschaftspolitik unserer Regierung aus. Ihr neues 'konjunkturpolitische Konzept' zeigt ganz klar auf welcher Seite sie steht. Dabei stützt sie sich auf ein Gutachten des Sachverständigenrates, das besagt, daß die wirtschaftliche Stabilität des kommenden Jahres von der Lohnpolitik abhänge. Die Regierung hat das dann auch dankbar aufgegriffen und in ihren Orientierungsdaten für die 'Tarifpartner' also vor allem Gewerkschaften, als Obergrenze für die Lohnsteigerung 10%! bei mindestens 6% Preissteigerungen im kommenden Jahr verkündet. So hält sie dann auch höhere Lohnforderungen für der wirtschaftlichen Lage nicht angemessen und daher FÜR UNVERANTWORTLICH!

Das Auftreten der Gewerkschaftsführung sieht nicht viel besser aus. Ihrer Passivität gegenüber den entlassenen ausländischen Arbeitern und dem Anwerbungsstop müssen wir unsere Solidarität mit diesen Kollegen entgegensetzen!

Die Arbeiter, ob Ausländer oder Deutsche haben gemeinsame Interessen!

AUSLÄNDISCHE UND DEUTSCHE ARBEITER EINE KAMPPFRONT!
FÜR VOLLE GEWERKSCHAFTLICHE UND POLITISCHE RECHTE DER AUSLÄNDISCHEN KOLLEGEN!
WEG MIT DEM AUSLÄNDERGESETZ!

Mit dem unzulänglichen Ergebnis bei Eisen und Stahl in NRW gab sich die IG-Metall zufrieden und vom 11% Abschluß am 14.1. der eisenschaffenden Industrie an der Saar meint sie auch, das erreicht zu haben, was die Kollegen brauchen.

In die neuen Verträge hineingemußt hätte aber: lineare Lohnerhöhung um 20% des Ecklohnes, die eine echte Erhöhung der Reallöhne gebracht hätte! Als Schutz vor Lohnraub während laufender Tarifverträge:

DIE GLEITENDE LOHNSKALA IN DIE NEUEN VERTRÄGE - AUTOMATISCHE ANPASSUNG DER TARIFLÖHNE AN DIE STEIGERUNG DER LEBENSHALTUNGSKOSTEN!

Wir dürfen nicht zulassen, daß diese Krise wieder auf dem Rücken der Arbeiter überwunden werden soll! Daher ist es höchste Zeit den Angstmachern das Handwerk zu legen! Deshalb müssen die Gewerkschaften zu konsequenten Interessenvertretungen und Kampfinstrumenten der Arbeiter gemacht werden.

FÜR AKTIVE INTERSSEN- UND TARIFPOLITIK!
MACHT DIE GEWERKSCHAFTEN WIEDER ZU KAMPFORGANEN DER ARBEITER!
WEG MIT DEN UNVEREINBARKEITSBESCHLÜSSEN (UVB, d.Vf.)!"

Der nächste Artikel berichtet über:"
'ERDÖLKRISE' UND POLITISCHE UNTERDRÜCKUNG

Ob zur Zeit die Milchpreise steigen oder der Staat Demonstrationen verbietet - für alles muß die 'Ölkrise' herhalten! In tausendfacher Ausführung kann man dazu das Gejammere der Industrie vernehmen: Wir haben kein Öl mehr, also müssen wir Betriebe schließen, kurzarbeiten lassen und natürlich auch die Preise erhöhen.

Man will uns vormachen, daß die wirtschaftlichen Schwierigkeiten durch die 'Profitgier' der Araber entstanden seien. Damit versucht man zu verdecken, daß die jetzige Lage durch die PROFITGIER DER KAPITALISTEN entstanden ist. Diese Schwierigkeiten sollen natürlich mal wieder die Arbeiter tragen (Entlassungen, Kurzarbeit, Lohnabbau). Damit dies auch ohne weiteres klappt, setzt die Regierung verstärkt ihre Repressionsmittel ein. Wenn die Bevölkerung nicht ruhig ist, muß der Polizeiknüppel für die 'nötige' Ruhe sorgen und dies wird dann mit der 'Ölkrise' erklärt. Diesen Zusammenhang zeigt deutlich die Verbotsbegründung der Polizei in Saarbrücken. Sie verbot eine Demonstration gegen Terrorurteile im Iran" (vgl. 1.12.1973, d.Vf.).

Es werden Auszüge aus der Verbotsverfügung abgedruckt und gefragt: "In wessen Interesse wurde nun diese Verbotsverfügung verfaßt?

In wessen Interesse ist es, wenn Maßnahmen des Staates und der Industrie (Lohnleitlinien, Entlassungen, Demonstrationsverbote) ohne Widerspruch hingenommen werden?

In wessen Interesse ist es, wenn der Iran bei uns Panzer und andere Waffen kauft, um damit die Bevölkerung zu unterdrücken?

DIESE MASSNAHMEN NÜTZEN DER INDUSTRIE, DIE AUF KOSTEN DER ARBEITER IN DEUTSCHLAND UND IM IRAN Profite einstreicht!

Wir dürfen es nicht zulassen, daß durch die Maßnahmen des Staats unsere politischen Rechte weiter reduziert werden, um dadurch auch unsere wirtschaftliche Basis weiter angreifen zu können! - WIR MÜSSEN UNSERE SOLIDARITÄT GEGEN DIE INTERESSEN DES KAPITALS SETZEN!"

Im letzten Artikel heißt es:"
CHILE: 'KEINE KLAGEN'

oder Wie eine CDU-Delegation in Chile die Militärdiktatur deckt.

Schon im November des vorigen Jahres reisten zwei CDU-Bundestagsabgeordnete, Heck und Gewandt, nach Chile, um sich über die Situation nach dem Putsch zu informieren. Was sie von dort mitbrachten, waren 'positive' Eindrücke.

Die Übergriffe bei der Machtübernahme seien längst vergessen, das Leben normalisiere sich wieder und endlich würde das Land wieder zur politischen und wirtschaftlichen Stabilität zurückgeführt. Von Folterungen und Mißhandlungen, von denen berichtet worden war, will Herr Gewandt 'nichts bemerkt' haben.

Auch der Berliner CDU-Mann Wohlrabe, der vor wenigen Tagen von einer Chile-Reise zurückkam, ist optimistisch. Auf der Gefangeneninsel Dawson 'haben die Gefangenen in humanitärer Hinsicht keine Klagen gehabt.'

In Anbetracht dessen gibt Gewandt der Bundesregierung den Rat, den Putschgenerälen mit Wirtschaftshilfe unter die Arme zu greifen.

Hören wir zur politischen Situation in Chile den 'SPIEGEL', der in der Nr. 41/1973 (vgl. S5.**.1973, d.Vf.) auf S. 126 folgendes berichtet:
'Die Nacht ist zur Besuchszeit geworden im Chile der Militärdiktatur. Während am Tage die vollen Straßen, das Geschrei der Zeitungsverkäufer und das Hupen ungeduldiger Autofahrer den von der Junta propagierten Eindruck ruhiger Normalität vermitteln, wiederholt sich Nacht für Nacht der brutale Auftrieb politischer Gegner, verschärft sich die hysterische Jagd auf alles, was links ist oder zu sein scheint.'

Offenbar haben sich die CDU-Reisenden nur während der Geschäftszeit für das Geschehen in Santiagos Straßen interessiert. Auch in den Morgenstunden, wenn die Leichen Erschossener (zur Abschreckung) im Mapoche-Fluß treiben und andere Opfer der nächtlichen Exekutionen in der Müllverbrennungsanlage des Nationalstadions beseitigt werden, müssen die Christdemokraten noch fest in ihren Hotel-Suiten geschlafen haben.

Der Spiegel berichtet weiter von stand'rechtlichen' Erschießungen während der nächtlichen Besuche und von Mißhandlungen an linken Parteifunktionären; auch davon hat Herr Gewandt 'nichts bemerkt.'

Den besten Eindruck von der Lage der Gefangenen in den geheimen Straflagern gibt die Schilderung des Schauspielers und Kommunisten B., der dort selbst interniert war und entkommen konnte:

'Im Unterstand der Sondereinheit wird systematisch gefoltert. Eine Gruppe von 5 oder 6 Spezialisten 'bearbeitet' einen Mann. Es ist furchtbar, nicht zu wissen, woher der Schlag kommt. Die Folterer verwenden Stromstöße, tauchen uns in mit Exkrementen gefüllte Bottiche ein, bis wir knapp vor dem Erstickungstod stehen, verbrennen uns mit Zigaretten und Zigarren an den Genitalien, in den Kniekehlen und am Hals, in den Achselhöhlen - überall an den empfindlichsten Körperstellen. Sie schlagen uns mit nassen Sandsäcken, hängen uns an den Fußgelenken auf, schlagen uns mit Gummischläuchen ins Gesicht, bis die Lippen platzen, das Nasenbein bricht und die Augen sich schließen. …Hinrichtungen erfolgen alle paar Stunden. Niemand wußte, wann er an der Reihe sei. Immer wieder hörten wir das Geräusch eines Bulldozers, der Massengräber aushob und nach den Gewehrsalven die Gräber wieder einebnete.'

Wie ist die Widersprüchlichkeit der Aussagen zu erklären?

Jakob Moneta, Chefredakteur der Gewerkschaftszeitung 'Metall', der nach seinem Chile-Besuch (er konnte nur als Tourist getarnt einreisen) die Berichte über die Schlächterei bestätigte und sogar Fotos davon mitbrachte, meint:

'Wenn der Gewandt erzählt, daß in Chile nicht gefoltert wird, dann lügt er entweder bewußt oder die Leute haben ihm nichts gesagt, weil sie Angst vor einer Denunziation hatten.'

Letzteres hält er selbst für unwahrscheinlich, weil Gewandt in vielen Fällen mit denselben Leuten gesprochen habe wie er. Warum vertuschen also unsere CDU-'Demokraten' und 'Menschenrechtskämpfer' die Barbarei und blutige Unterdrückung in Chile? Es ist nur eine Erklärung möglich: Daß sie sie billigen. Und die Forderung nach Wirtschaftshilfe weist darauf hin, daß sie das grausame Regiment des General Pinochet auch nach besten Kräften unterstützen wollen.

Schon die offizielle CDU-Erklärung zum Putsch ließ eine gewisse Erleichterung darüber erkennen, daß der 'marxistische Spuk' vorüber sei. Erleichterung darüber, daß nun auch in Chile, wie in vielen Ländern Lateinamerikas ein Bollwerk gegen die sozialistische Revolution errichtet sei, die sich bereits unter dem zögernden Allende und dessen illusionärer Politik ankündigte.

Die blutige Niederhaltung der Arbeiter und Bauern, die Zerschlagung der Gewerkschaften und verschärfte Ausbeutung sollen Chile wieder zu einem Profitparadies und die Arbeiter- und Bauerndemokratie zu einem Traum werden lassen.

Um die Empörung über das grausame Regime zu beschwichtigen sind der Rechten in der BRD auch Lügen und Verfälschungen recht.

Die Arbeiter dagegen müssen aus Solidarität mit den verfolgten und Unterdrückten in Chile dem verzweifelten Appell folgen, den ein chilenischer Arbeiter dem 'Metall'-Chefredaktuer mit auf den Weg gab:

'Ihr müßt die Empörung über das, was hier geschieht, wachhalten. Das ist unsere einzige Chance.'"
Q: Solidarität Nr. 11, Dortmund 28.1.1974

Februar 1974:
Für Stahlbetriebe in Bochum, Dortmund und Hagen gibt die GIM vermutlich im Februar ihre 'Solidarität' (vgl. 28.1.1974) heraus, wobei es sich um die letzte uns derzeit vorliegende Ausgabe handelt.
Q: Solidarität, Dortmund o.J. (1974)

Letzte Änderung: 04.11.2019