Solidarität - Informationsblatt der GIM (Gruppe Internationale Marxisten), Jg. 1, Nr. 2, 3. Apr. 1973

03.04.1973:
Die Nr. 2 der 'Solidarität' - Informationsblatt der GIM - Gruppe Internationale Marxisten erscheint in Dortmund (vgl. 20.3.1973, 23.4.1973). Die Ausgabe, die 6 Seiten hat, hat zum Inhalt:
- Eine richtige Konsequenz aus der letzten Tarifbewegung - Zum 'Mitmischer' Sondernummer für Hoesch,
- Zum 1. Mai,
- Frankreich nach der Wahl,
- Streik in Dänemark (vgl. 22.3.1973),
- Zum Artikel: 'Die Zukunft nicht gefährden' in Werk und Wir 3/73.

Im Artikel "Eine richtige Konsequenz aus der letzten Tarifbewegung - Zum 'Mitmischer' Sondernummer für Hoesch" (vgl. **.*.1973) wird ausgeführt:"
Mit der Herausgabe einer Sondernummer des 'Mitmischers', einer Betriebszeitung von fortschrittlichen Kollegen der Klöckner-Werke in Bremen, versuchten diese vor wenigen Tagen Kontakte zu fortschrittlichen Teilen der Vertrauensleute der Hoesch-Werke zu bekommen. Die Kollegen haben damit aufgrund der Erfahrungen der vergangenen Tarifauseinandersetzungen eine wichtige Schlußfolgerung gezogen. Sie haben klar erkannt, daß, solange die Bürokraten in den Gewerkschaften noch eine Politik betreiben können, die einzig und allein ihren Freunden in der SPD-Regierung und den Unternehmern zugute kommt, auch für die nächste Zeit 'wilde Streiks' notwendig sind, um zu verhindern, daß die Löhne weiter abgebaut werden. Gerade die gegenwärtigen Preissteigerungen um 7% auf der einen und durch den Konjunkturaufschwung in der Stahlindustrie bedingten höheren Gewinne der Stahlbosse auf der anderen Seite sind Grund genug, um sich auf weitere Kampfmaßnahmen vorzubereiten. Die Kollegen der Klöckner-Hütte schreiben richtig: 'Soll verhindert werden, daß die IGM-Führung die selbständig handelnden Belegschaften im Stich läßt, wie bei Euch vom 8.-10. Februar, kommt es darauf an, die Bedingungen und den Zeitpunkt für das gemeinsame Vorgehen richtig einzuschätzen. Das heißt nicht, daß man Zeitpunkt und Forderungen im voraus festlegt, sondern daß Vertrauensleute und Betriebsräte unserer Werke rechtzeitig Kontakt aufnehmen und in regelmäßiger Verbindung miteinander die Bedingungen und den Zeitpunkt zum Losschlagen festlegen. So können wir unnötige Niederlagen vermeiden.' Sehr richtig! War doch die Tatsache, daß der Streik gegen den 46 Pfennig-Abschluß vom 8.-10. Februar auf die Hoesch-Betriebe beschränkt blieb und sich nicht auf andere wichtige Betriebe der Stahlindustrie ausdehnte, mit eine Ursache dafür, daß die 14 Pfennig-Forderung nicht durchgesetzt werden konnte (s. u.a. 'Solidarität' Nr. 1). Aus diesem Grunde ist die Aufforderung der Bremer Kollegen so wichtig. Wenn es gelingt, die kommenden Kämpfe zusammen mit den Vertrauensleuten anderer wichtiger Betriebe vorzubereiten und besser zu organisieren, wird es möglich, daß diese Kämpfe nicht so enden wie der letzte Streik. Deshalb: Nehmt Kontakt auf zu den Vertrauensleuten von Klöckner, Mannesmann und andere! Bereitet gemeinsam die kommenden Kämpfe vor!"

Der Artikel "Zum 1. Mai" führt aus:"
Der 1. Mai ist kein Feiertag. Vor über 80 Jahren ist dieser Tag zum internationalen Kampftag der Arbeiterklasse proklamiert worden. Die Geschichte des 1. Mai zeigt die großen Erfolge, die die organisierte Arbeiterschaft in dieser Zeit errungen hat, aber auch die Niederlagen, die sie an diesem Tag erdulden mußte. Das Besondere an diesem Tag ist sein internationaler Charakter. In allen Kontinenten demonstrieren Arbeiter am 1. Mai, um ihre Forderungen sichtbar zum Ausdruck zu bringen. Obwohl in vielen Ländern durch Terror, Folterungen und Unmenschlichkeiten die Arbeiterschaft unterdrückt wird, läßt sie sich diesen Tag nicht aus dem Bewußtsein verdrängen. Es reicht nicht aus, nur Parolen in der 1. Mai-Demonstration zu zeigen, die sich gegen die Unterdrückung in diesen Ländern richtet. Unsere Aufgabe ist es vielmehr, konkret die Interessen dieser Arbeiter zu unterstützen. Wo ist, um ein Beispiel zu geben, eine Gewerkschaft, die in den vergangenen Jahren dazu aufforderte, keine Waffen für Vietnam oder andere Kriegsabenteuer der Imperialisten herzustellen und zu verladen? Warum haben die Gewerkschaften, die in der BRD ein gesellschaftliches Gewicht haben, nicht darauf hingewirkt, daß keine Waffen und Waffenteile für die griechische Obristendiktatur hergestellt werden? Warum wurden diese Lieferungen nicht verhindert? Die letzten Jahre waren auch in Europa gekennzeichnet durch die Verschärfung des Klassenkampfes. In Frankreich, England (Großbritannien, d.Vf.), Italien, Belgien, Holland (Niederlande, d.Vf.), Spanien, der BRD und selbst in den als sozial stabil bezeichneten skandinavischen Ländern wie Dänemark und Schweden befanden sich hunderttausende Arbeiter im Streik. Warum ist der 1. Mai auch heute noch für uns ein Kampftag? In der BRD lösten starke regionale Lohngefälle, riesenhafte Profite und provokative Lohnangebote der Unternehmer, begleitet von einer rapiden Preissteigerungswelle, die bis zum Wucher (Mieten) ausartete, in den letzten Jahren die großen Streiks aus. Diese Streiks haben überall gezeigt, daß zwischen den aktivierten Massen in den Betrieben und der Gewerkschaftsführung eine Kluft im Vertrauensverhältnis klafft. Ein großer Teil der Arbeiter fühlt sich von den Führern der Massenorganisationen entfremdet. Verhängnisvoll wirkt sich die Verkettung der Gewerkschaftspraxis mit der Politik der sozialliberalen Brandt-Regierung aus. Selbst wenn es hin und wieder zu Kontroversen kommt, ist die Ausrichtung der Gewerkschaftspolitik auf die Bedürfnisse der Regierung deutlich. Die Gewerkschaftsführung darf sich nicht durch einzelne Passagen im BetrVerfGesetz (BVG, d.Vf.) auf die Ebene des Verhandelns mit Unternehmer und Regierung abschieben lassen. Sie muß sich auf eine Kampfsituation einstellen! Diese darf sich aber nicht in einer bürokratisch festgelegten Sollerfüllung totlaufen, sondern sie muß durch planmäßige Mobilisierung der Basis, repräsentiert durch ein aktives Instrument von Vertrauensleuten in der Gewerkschaft, weiterentwickelt werden. Die Lohnauseinandersetzungen in diesem Jahr haben gezeigt und werden weiter zeigen, daß sich die Klassenauseinandersetzungen weiter verschärfen. Die Unternehmer sind mit Hilfe der Bundesregierung dabei, die Löhne auf der Basis von Lohnleitlinien festzufrieren. Nur der Bruch mit der 'konzertierten Aktion' kann die Handlungsfreiheit der Gewerkschaften wiederherstellen. Deshalb müssen unsere Forderungen zum 1. Mai lauten:
RAUS AUS DER KONZERTIERTEN AKTION! FÜR DEMOKRATISIERUNG DER GEWERKSCHAFTEN!
GEGEN STAATLICHE LOHNPOLITIK! FÜR TARIFAUTONOMIE DER GEWERKSCHAFTEN!
URABSTIMMUNG NACH TARIFABSCHLÜSSEN! VERTRAUENSLEUTE IN DIE TARIFKOMMISSIONEN!
GEGEN DEN 46-PFENNIG ABSCHLUß!"

Im Artikel "Frankreich nach der Wahl" (vgl. 4.3.1973) heißt es:"
In der ersten Hälfte dieses Monats wurde in Frankreich in zwei Wahlgängen die neue Nationalversammlung gewählt. Die kommunistische und die sozialistische Partei hatten sich auf ein 'Regierungsprogramm' geeinigt und zogen gemeinsam als Union der Linken in die Wahl. Gemeinsam versuchten sie vor der Wahl alle Aktionen der Arbeiterschaft zur Durchsetzung ihrer Interessen abzuwiegeln und zu unterdrücken, da das, wie sie meinten, ihre Chancen bei der Wahl vermindern könnte. Nun, sie haben alle ihre 'Chancen' genutzt und tatsächlich die Mehrheit der Stimmen erhalten ('Union der Linken' 46, 5%, 'Block der Gaullisten' 46, 1%). Dennoch haben die Gaullisten durch die vollkommen ungerechte Aufteilung der Wahlkreise (ein Kommunist braucht ca. 60 000 Stimmen, um einen Parlamentssitz zu erobern, während einem Gaullisten schon 18 000 reichen) wieder eine große Mehrheit in der Nationalversammlung. Außerdem hatte Präsident Pompidou schon angekündigt, daß er, selbst wenn die 'Union der Linken' die Mehrheit der Parlamentssitze erzielen würde, auf keinen Fall einen 'Linken' zum Ministerpräsidenten ernennen würde, sondern das Parlament auflösen und Neuwahlen ausschreiben würde. Um diese Manipulation ist Pompidou noch einmal herumgekommen, aber auch so sind die Illusionen der französischen Arbeiter in das parlamentarische System geschwunden. Sie müssen nun erkennen, daß das Parlament nicht der geeignete Weg ist, um Arbeiterinteressen durchzusetzen. Frankreich steht vor einer Periode verschärfter sozialer Auseinandersetzungen (Streiks, Demonstrationen, usw.), in denen die Bevölkerung ihre Forderungen auf außerparlamentarischem Wege anmelden und durchsetzen wird. Die Forderungen der Gewerkschaften und die Demonstrationen gegen die Verschärfung der Wehrpflicht (die Lex Debray) waren ein Auftakt und zeigen an, welche Schärfe der Kampf annehmen wird.

Der Artikel "Zum Artikel 'Die Zukunft nicht gefährden' in WERK UND WIR 3/73" betont:"
Wer in WERK UND WIR den Artikel zum Streik im Februar gelesen hat, wird sicher vor lauter Angst um die Existenz des HOESCH-Konzerns kaum mehr schlafen können. Warum? Na, weil diese bösen Buben, die damals gestreikt haben, 'rechtswidrig' gehandelt haben, weil sie dem Unternehmen 'erhebliche zusätzliche Kosten' durch den Produktionsausfall verursacht haben. Kollegen, wie könnt Ihr dem armen HOESCH-Konzern solches zufügen, wo doch die Unternehmensleitung, nimmt man diesen Artikel ernst, dauernd am Rande der Pleite entlangwirtschaftet. Zu Tränen gerührt hat mich besonders der letzte Satz des Artikels: 'Unsere Aufgabe muß es sein, in gemeinsamer Verantwortung von Vorstand, Betriebsrat und Belegschaft unser Unternehmen als Existenzgrundlage für alle zu erhalten.' Hört! Hört! Nur in trauter Eintracht - sozusagen als große Familie - kann die Existenzgrundlage erhalten werden; ich frage mich nur, inwiefern die Existenzgrundlage der Bosse jemals gefährdet war. Abgesehen davon sind sie selbst diejenigen, die durch ständige Preiserhöhungen die Existenzgrundlage der Arbeiter dauernd gefährden!
Q: Solidarität Nr. 2, Dortmund 3.4.1973

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