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Aus Fröndenberg lag uns kein örtliches Material vor. Es konnten außer von der Deutschen Friedens-Union (DFU) keine Aktivitäten von linken Organisationen dokumentiert werden.
Die DKP berichtet zwar einleitend von Mannesmann Fröndenberg (vgl. 4.12.1969), ansonsten aber widmet sich diese Darstellung auf zweifache Art dem Schulwesen. Einerseits werden offenbar fortschrittliche Lehrer der Gesamtschule aufgrund einer Initiative der Eltern mit Unterstützung örtlicher Firmen und im Verein mit der CDU diszipliniert bzw. in den Märkischen Kreis versetzt, dabei also von Laien in die inhaltliche Gestaltung des Unterrichts eingegriffen (vgl. 20.11.1971), was bundesweite publizistische Beachtung erfährt (vgl. 24.1.1972) und regional zum Protest reizt (vgl. 26.1.1972), u.a. den AStA der PH Dortmund", andererseits machen Fröndenberger Schüler ein Praktikum in der Hellwegkaserne in Unna, die sich gerade durch die Denkschrift von 30 Hauptleuten einen eher unrühmlichen Namen machte, zumindest im friedliebenden Teil der Bevölkerung, der nun u.a. in Gestalt der bzw. organisiert durch die DFU auch gegen das Kasernen-Praktikum der Fröndenberger Schüler Protest erhebt (vgl. 21.2.1972).
Die Studenten der Pädagogischen Hochschule Dortmund zeigen sich durch die Disziplinierung der Fröndenberger Gesamtschullehrkräfte nachhaltig beeindruckt (vgl. 26.6.1972).
04.12.1969:
Die DKP gibt die Nr.36 des Regionalteils NRW ihrer 'Unsere Zeit' (UZ) heraus (vgl. 27.11.1969, 11.12.1969). Berichtet wird u.a. über Mannesmann (350 Besch.) Fröndenberg.
=Unsere Zeit NRW Nr.36,Essen 4.12.1969
Dezember 1971:
Die 'Betrifft Erziehung' (BE - vgl. Jan. 1972) berichtet vermutlich u.a. aus dem Dezember:"
GESAMTSCHULE
AUFSTAND FÜR DAS KAPITAL
In Fröndenbergs Gesamtschule versuchten drei Lehrer ihren Schülern in einem neuen Unterrichtsmodell die Erfahrung entfremdeter Arbeit zu vermitteln. Dieses Experiment brachte nicht nur Lehrer und Eltern, sondern auch örtliche Unternehmer auf die Beine.
Noch argere Tyrannei als in autoritären Staaten hat Egon Lampersbach im westfälischen Fröndenberg bei Unna erfahren müssen. Ereiferte sich der CDU-Bundestagsabgeordnete: 'Wenn ein Ministerialrat aus Düsseldorf die Stirn hat. einem gewählten Vertreter des Volkes den Stuhl vor die Tür zu setzen, dann ist das schon mehr als Diktatur.'
Vor die Tür gesetzt hatte den Wahlkreisrepräsentanten, der während seiner Visite in der Gesamtschule Fröndenberg an einem gerade stattfindenden Gespräch zwischen Eltern und Lehrern teilnehmen wollte, der Kultus-Ministerialrat Schumacher. Nämlich weil es sich hier um ein Dienstgespräch handele.
Zu solch exklusiver Konferenz sah sich Schumacher durch die Aktivitäten einiger Elternvertreter und sie unterstützender einheimischer Unternehmer veranlaßt, die immerhin einigermaßen erfolgreich eine neue Unterrichtseinheit über das Thema 'Arbeit' zum Skandal erhoben hatte. Ziel der konzertierten Kampagne: Versetzung jener drei Lehrer, welche die Unterrichtseinheit entworfen und mit Elf- bis Zwölfjährigen in die Praxis umgesetzt hatten. In ihnen sahen Eltern und Kapitaleigner eine 'rote Zelle' am Werk, von der womöglich Gefahr für die Leistungsfähigkeit und ideologische Standhaftigkeit der Schüler dräute.
Was den erbosten UE-Gegnern auch besonders sauer aufstieß, waren Aktivitäten, durch die den Schülern der Eindruck entfremdeter Arbeit vermittelt wurde und die der 'Westfälische Rundschau' (WR,d.Vf.) als Proben zum 'Aufstand gegen das Kapital' erschienen.
Die Kinder besuchten nicht nur Fabriken, um dort stundenlang bestimmte Arbeitsplätze zu beobachten. Darüberhinaus vollzogen sie die Konflikte in Arbeiterfamilien nach, die sich aus der Tätigkeit des Vaters ergeben, simulierten Fließbandproduktionen mit entsprechend monotoner Arbeit und rigider Beaufsichtigung, 'spielten' Betriebsversammlung und Lohnberechnung und erfuhren, wie ein Arbeitsvertrag abgeschlossen und eine Kündigung ausgesprochen wird.
Dabei entdeckten die Lehrer bei den Kindern 'eine Trennung zwischen Motiviertheit zur Arbeit und Motiviertheit zum Geld'. Denn die Kinder bestanden auf der Bezahlung mit echtem 'Kies'. Als dieser ausblieb, trampelten sie zornentbrannt auf einigen der produzierten Güter herum, die ihren 'Arbeitgebern' (hier den Lehrern) 'gehörten'. Spontan malten sie Protestplakate mit garstigen Sprüchen wie 'Killt die Unternehmer!', 'Nieder mit den Geschäftsleuten!', 'Geld raus ihr Ratten'. Die jungen Pädagogen sehen in dem Verhalten der Kinder eine typische Reaktion auf eine Arbeitssituation, in der Produktion und Produkt dem Arbeitenden als etwas Fremdes gegenüber stehen.
Entscheidend dabei war, daß die Schüler auf affektiver Ebene angesprochen wurden. Ausgehend von der Hypothese neuerer pädagogischer Theorien, daß Kognition nicht ohne Emotion erfolgt, insbesondere in der Vorpubertät, sollte den Schülern der Zugang zum rationalen Verstehen der gesellschaftlichen Wirklichkeit über affektive Motive ermöglicht werden (z.B. Identifikation mit bestimmten Rollen und Personen).
Dieses Konzept freilich wurde von Gegnern der UE im Lehrerkollegium heftig angegriffen. Um 'einen bestimmten Lerneffekt', nämlich 'das 'gewisse' emotionale Engagement gegen abhängige Lohnarbeit' zu bewirken - meinte ein besonders engagierter Opponent - sei den 'Arbeit'-Autoren auch der Einsatz 'sachlich falscher Arbeitsmittel' recht gewesen. Beweis: es gebe doch heutzutage gar nicht mehr 'die Gegenüberstellung vom allmächtigen Unternehmer und ausgeliefertem Arbeiter'. Denn die heutige Rolle der Gewerkschaften und des Betriebsrates habe das Abhängigkeitsverhältnis wesentlich verändert.
Gegen diese Vorwürfe wandten sich die angegriffenen Lehrer ganz entschieden: es werde von ihnen 'die Rolle der Gewerkschaften keineswegs übersehen'. An der 'totalen Abhängigkeit der Lohn- und Gehaltsarbeit' werde dadurch jedoch prinzipiell nichts geändert. Aus diesem Grunde habe bei den Schülern überhaupt erst 'ein schwacher Begriff von Arbeit' zugrunde gelegt werden müssen.
Mit ihrer ausgetüftelten Unterrichtseinheit unternahmen die drei Lehrer den Versuch, allgemeine Ziele des Gesamtschul-Modells inhaltlich zu füllen. Denn sie hatten bemerkt, daß Kategorien wie Chancengleichheit, Flexibilität nur idealistische Hüllen bleiben, solange sie nicht mit gesellschaftlicher Analyse und konkreten Zielvorstellungen verknüpft sind. 'So muß immer wieder gefargt werden: Wozu Flexibilität? Welche Chancengleichheit? Individuell oder gesellschaftlich?'
Dieses Wagnis, den Zielen zur gestalt zu verhelfen, und die damit verbundene Kritik am Gesamtschulkonzept bildete - wie Schulleiter Schmidt, der die Unterrichtseinheit nicht voll ablehnte, betonte - denn auch den wesentlichen Konfliktpunkt. So wurde den Gesamtschulkritikern vorgehalten, daß ihre Kritik 'ideologisch' und 'einseitig' sei.
Daß diese Anwürfe allerdings auch gar nicht von der Mehrzahl des Lehrerkollegiums voll geteilt wurden, zeigte sich unter anderem in der Unterstützung durch eine Reihe aktiver Sympathisanten bei Abstimmungen im Kollegium. 'Es kamen Leute auf unsere Seite, von denen wir es gar nicht erwartet hatten.' Bei einigen Kollegen waren durch den Konflikt mit Lehrern und Eltern 'Bewußtseinsprozesse in Gang' gekommen.
Solidarität bekundeten nicht nur 35 Lehrer der Gesamtschule Kamen (vgl. S9.**.197*,d.Vf.) und Lehrer aus Gelsenkirchen (vgl. S9.**.197*,d.Vf.). So legte der Lehrerrat der Glückauf-(Haupt-)Schule (vgl. S9.**.197*,d.Vf.) Kamen Mitte 'schärfstens Protest gegen das Vorgehen der Eltern' ein, 'da sie... nicht bereit sind, die umstrittenen Inhalte der Unterrichtseinheit in der Öffentlichkeit zu diskutieren, sondern diese Auseinandersetzung umgehen, indem sie die betroffenen Lehrer in ihrer Existenz bedrohen - dadurch, daß sie ihre Entfernung aus dem Schuldienst (BV,d.Vf.) fordern.'
Und die Lehrerräte mutmaßten, 'daß die Eltern in diesem Fall sich haben verleiten lassen, Interessen zu vertreten, die nicht ihre eigenen sein können.'
Daß 'fremde' Interessen im Spiel sein können - dieser Verdacht wird durch ein Schreiben der Fröndenberger Kettenfabrik Heinrich Prünte (IGM-Bereich - vgl. S9.**.197*,d.Vf.) bestärkt, die im Rahmen der UE von den Schülern besucht worden war und deren Inhaber eine Tochter in die Gesamtschule schickt. In dem Brief an das Kollegium der Gesamtschule wurden die Schreiber recht massiv: 'Wir... verlangen die sofortige Zurückziehung dieser Arbeit.' Und den Anhängern der UE 'Arbeit' schrieben sie ins Buch: in Zukunft sei es diesen nicht mehr gestattet, 'unseren Betrieb zu besichtigen.'
Die 'Union'-Speichen-Fabrik (IGM-Bereich - vgl. S9.**.197*,d.Vf.) faßte sich kürzer: sie würde der Gesamtschule solange keine Betriebsbesichtigung gestatten, 'bis die Unterrichtseinheit der Wirklichkeit im Arbeitsleben und unserer derzeitig bestehenden Gesellschaftsordnung angepaßt ist.'
Und der 'Förderverein der Gesamtschule Fröndenberg' (vgl. S9f**.197*,d.Vf.), dessen Vorstandsmitglied Götz hauptamtlich auch noch Geschäftsführer der heimischen Strom-AG (ÖTV-Bereich,d.Vf.) ist, gab Gesamtschullehrer Schmidt die Meinung kund, 'daß in dieser Unterrichtseinheit in einer Form zu unserem bestehenden Gesellschafts- und Wirtschaftssystem Stellung genommen wird, die von Eltern und Förderern dieser Schule nicht gutgeheißen werden kann.'
Die Schul-Mäzene befürchteten, 'daß unsere Mitglieder und Förderer unter diesen Umständen ihre doch bisher sehr positive Einstellung zur Schule zumindest überprüfen werden.'
Ob den Eltern dieser Interessenklüngel bewußt ist oder inwieweit sie selbst darin verflochten sind, konnte von den attackierten Lehrern nur ungefähr abgeschätzt werden. Nach ihren Beobachtungen gehören die neben den Unternehmer im Aufstand für das Kapital federführenden Eltern dem 'gehobenen Mittelstand' (Ärzte, Kaufleute) an. Unterstützt werden diese 'gehobenen Leute' - so analysierten die Lehrer - von Eltern aus Aufsteigerschichten: Meister, Vertreter, Geschäftsführer.
Mittelschicht-Mentalität kennzeichnet auch die Einstellung vieler dieser Eltern zur UE 'Arbeit'. Einstellungen wie z.B. die vom Schonraum Schule. So kolportierte der lokale 'Hellweger Anzeiger' eine Elternmeinung: 'Ich finde es unmoralisch, Kindern, die noch kein ausgereiftes Urteilsvermögen besitzen, eine Ideologie aufzwingen zu wollen.'
Mittelschicht-Attitüden kommen auch in jener Forderung 'Statt Palaver Vermittlung von Wissen' und 'Mehr lernen, nicht soviel spielen' zum Ausdruck.
Denn skeptisch stehen Fröndenberger Eltern - und nicht nur sie - schon seit längerem dem Gesamtschulexperiment gegenüber: sie glauben, da ihnen die herkömmlichen Maßstäbe zur Beurteilung - die Zensuren - fehlen, in diesem neuen Schulsystem würden ihre Kinder nicht genug lernen. Die Auseinandersetzung um die UE 'Arbeit' verwandelte dieses Unbehagen nun in 'massive Kritik am Leistungsstand in einigen Fächern (Englisch, Deutsch etc.)' - so Elternpflegschaft und Schulleitung in einem Schreiben an alle Eltern (vgl. S10**.197*,d.Vf.). Und 20 Eltern nahmen den Streit zum Anlaß, ihre Kinder umzuschulen. Schulleiter Schmidt schätzt die Zahl derer, die mit dem gleichen Gedanken spielen oder spielten, noch wesentlich höher: auf 50 bis 100.**unleserlich
Freilich standen die 'Arbeit' Lehrer nicht einer geschlossenen Eltern-Phalanx gegenüber. Unter der Initiative eines Elternpaares (Vater Bundesbahnangestellter (GdED-Bereich,d.Vf.)) formierte sich eine Sympathisantenfront, die auf einer Elternversammlung (vgl. S10**.197*,d.Vf.) das Unterrichtskonzept der drei verteidigte.
Diese Sympathisanten waren 'nicht nur Leute, von denen man sagen kann, daß sie Arbeiter sind' (so einer der Lehrer). Einer von ihnen ist Lehrlingsausbilder, ein anderer leitet ein kleineres Unternehmen. Wie es heißt, hat letzterer die UE 'Arbeit' eingehend studiert und hinsichtlich ihres Wahrheitsgehaltes bestätigt.
Inzwischen ist auch das Kultusministerium (KuMi,d.Vf.) mobil geworden: eine ministerielle Kommission hat eine Reihe von Eltern, Lehrern einer eingehenden 'dienstlichen Befragung' unterzogen (vgl. S10**.197*,d.Vf.) - ein Vorgehen, das von den attackierten Lehrern als 'Einzelverhör' empfunden wurde.
Die bürokratische Aktion wurde auch auf der NRW-Tagung 'Gesamtschule 1971' (vgl. S10**.197*,d.Vf.) in Dortmund zum Anlaß scharfer Kritik an der Kultusverwaltung genommen. In einer Resolution stellten die Tagungsteilnehmer fest, 'daß kein einziges Problem des Versuchs Gesamtschule dadurch gelöst wird, daß man die Schwierigkeiten der Erneuerung allein von den Lehrern tragen läßt, die einer nur organisatorischen Schulform kritisch gegenüberstehen und die versuchen, einen Unterricht zu erteilen, der sich den gesellschaftlichen Problemen stellt, auch wenn dessen Inhalte manchen gesellschaftlichen Gruppen unbequem sind.'
Und an die Adresse der politischen und Verwaltungsinstanzen wurde die Aufforderung gerichtet, 'sich für die Bewahrung dieses Innovationsspielraumes im Rahmen der Verfassung einzusetzen und intensiv in der Öffentlichkeit dahingehend zu wirken, daß die Toleranzgrenze gegenüber inhaltlichen Neuerungen an Gesamtschulen vergrößert wird.' Ab 1.Januar 1972 befindet sich eine der drei, eine Referendarin, an einer gewöhnlichen Schule. Sie wurde kurzfristig dorthin versetzt. Ob damit die Kultusbürokratie bereits ihre Toleranzgrenzen gesteckt hat, läßt sich nicht feststellen. Begründet wurde die Versetzung mit einem neuen Erlaß (vgl. S10**.197*,d.Vf.), wonach Referendare in NRW von ihrer einjährigen Ausbildungszeit nur die Hälfte der Zeit an Gesamtschulen verbringen dürfen. Die Referendarin hatte gerade die Hälfte ihrer Ausbildung hinter sich gebracht. An der Gesamtschule Fröndenberg."
Solidarität gibt es u.a. von GesamtschulehrerInnen in NRW (vgl. 26.1.1972).
Verbreitet wird dieser Artikel auch in:
- NRW durch den AStA der PH Dortmund (vgl. 2.2.1972).
=AStA PH Dortmund:AStA-Information Nr.8,Dortmund 2.2.1972,S.9f;
Betrifft Erziehung Nr.1,*********** Jan. 1972,S.*, zitiert nach: AStA PH Dortmund:AStA-Information Nr.8,Dortmund 2.2.1972,S.9f
24.01.1972:
Vermutlich in dieser Woche erscheint der 'Stern' Nr.4 (vgl. **.1.1972, **.*.1972). Berichtet wird u.a. aus NRW von Maßregelungen gegen LehrerInnen der Gesamtschule Fröndenberg (vgl. Jan. 1972).
Damit befaßt sich auch in:
- NRW der AStA der PH Dortmund (vgl. 26.1.1972).
=AStA PH Dortmund:AStA-Information Nr.7,Dortmund 26.1.1972,S.18
26.01.1972:
U.a. der AStA der PH Dortmund (vgl. 26.1.1972) rief in den Hörsaal II (HII) der PH Dortmund zur:"
PROTESTKUNDGEBUNG GEGEN DIE MASSREGELUNG DER FRÖNDENBERGER GESAMTSCHULLEHRER
Im Oktober/November 1971 führten drei Fröndenberger Gesamtschullehrer eine UE 'Arbeit' durch, die im gesamten Umkreis viel Zustimmung und Ablehnung fand, und für die betroffenen Lehrer nicht ohne Folgen blieb (vgl. 'BE' 1/1972 und 'stern' 4/1972 (vgl. Jan. 1972 bzw. 24.1.1972,d.Vf.)). Zum Januar 1972 wurde die Referendarin Frau Kühn mit formal korrekten Ausbildungsgründen an eine Unnaer Hauptschule versetzt. Vor wenigen Tagen ist die Abordnung des Studiendirektors von Koerber an ein Gymnasium in Hemer zum 1.2.1972 verfügt worden.
Diese Maßnahme wird mit dem durch Herrn von Koerber 'gestörten Schulfrieden' begründet.
Aus diesem Anlaß treffen sich solidarische Gesamtschullehrer am Mittwoch, den 26.1.1972, 18 Uhr im H II der PH Dortmund.
Kommilitonen, unterstützt die fortschrittlichen Berufskollegen durch euer zahlreiches Erscheinen."
Der AStA der PH Dortmund (vgl. 2.2.1972) berichtet:"
Die Gesamtschullehrer aus NRW trafen sich am 26.1.1972 um 18 Uhr im HII der PH DO. Um die Versetzung ihrer Kollegen rückgängig zu machen, verfaßten sie zusammen mit den anwesenden Studenten folgende Resolutionen:
'Dortmund, 26.1.1972
RESOLUTION I
Anläßlich der Abordnung des Kollegen von Koerber von der Gesamtschule an ein Gymnasium wenden sich die Unterzeichneten entschieden dagegen, daß Gesamtschullehrer auf Grund ihrer Bemühungen, Ziele der Gesamtschule inhaltlich zu füllen - wozu sie im Schulversuch verpflichtet sind - mit dem Mittel kurzfristiger Abordnung und Versetzung persönlich gemaßregelt werden. Wir weisen nachdrücklich darauf hin, daß ein Festhalten der vorgesetzten Dienstbehörden an ihrer Entscheidung jede inhaltlich neue Unterrichtskonzeption als unerwünscht erscheinen läßt.
Jeder innovativ tätige Lehrer muß befürchten, daß er wegen seiner Arbeit beruflich bedroht ist.
Unabhängig davon werden die Unterzeichneten sorgfältig prüfen, ob die Unterrichtseinheit 'Arbeit', die zum Anlaß für die Abordnung des Kollegen von Koerber genommen wurde, nicht auch an anderen Gesamtschulen durchgeführt werden kann.
Wir fordern den Kultusminister (KuMi,d.Vf.) auf, die Abordnung des Kollegen von Koerber rückgängig zu machen.
65 Ja-Stimmen 3 Nein-Stimmen Keine Enthaltung
RESOLUTION II
Die Unterzeichneten verurteilen den Mißbrauch, der mit dem Erlaß zur Ausbildung von Referendaren an Gesamtschulen im Fall Jutta Kühn getrieben wurde.
Die Kollegin Kühn wurde unter Berufung auf diesen Erlaß GEGEN IHREN WILLEN von der Gesamtschule Fröndenberg entfernt und einer Hauptschule zugewiesen. Wir haben den Eindruck, daß man damit die Konsequenzen aus der Mitarbeit der Kollegin Kühn an der Unterrichtseinheit 'Arbeit' gezogen hat, und fordern, daß der Kollegin Kühn Gelegenheit gegeben wird, weiterhin an der Gesamtschule Fröndenberg zu verbleiben.'
Der Lehrer wird in der Auswahl der Lehrinhalte immer mehr eingeschränkt. Wenn er diese nicht nach den Richtlinien des Kultusministeriums behandelt, sondern kritisch hinterfragt, vielleicht mit den Schülern auf Widersprüche in unserem Gesellschaftssystem stößt, kann er damit rechnen, daß seine Mitarbeit an der betreffenden Schule nicht mehr unbedingt erwünscht ist.
Kommilitoninnen und Kommilitonen, SOLIDARISIERT euch mit den Lehrern, die die vorgegebenen Lehrinhalte nicht kritiklos übernehmen, sondern versuchen, gesellschaftliche Probleme in ihren Unterricht mit einzubeziehen.
Kommt in den AStA und unterzeichnet die dort ausgehängten Resolutionen!"
=AStA PH Dortmund:AStA-Information Nr.7 und 8,Dortmund 26.1.1972 bzw. 2.2.1972,,S.18 bzw. S.10f
26.01.1972:
An der PH Dortmund erscheint die Nr.7 'AStA-Information, DOS - Dortmunder Studentenzeitung' (vgl. 19.1.1972 2.2.1972). Aufgerufen wird zur heutigen landesweiten Protestveranstaltung von Lehrern gegen die Disziplinierung der Fröndenberger GesamtschullehrerInnen.
=AStA PH Dortmund:AStA-Information Nr.7,Dortmund 26.1.1972
21.02.1972:
Die Deutsche Friedens-Union (DFU) NRW gibt vermutlich in dieser Woche das folgende Faltblatt von vier Seiten DIN A 5 ohne Impressum zur Hellweg-Kaserne in Unna bzw. einem dortigen Berufspraktikum heraus:"
'DIE SCHULE DARF KEINE VORSCHULE FÜR DIE BUNDESWEHR WERDEN.'
APPELL AN DIE LANDESREGIERUNG VON NORDRHEIN-WESTFALEN
Das kürzlich durchgeführte Berufspraktikum von Schülern aus Fröndenberg in einer Unnaer Bundeswehrkaserne veranlaßt uns, von der Landesregierung zu verlangen, daß die Wehrerziehung (WKE,d.Vf.) schulpflichtiger Jugendlicher ein für allemal unterbunden wird.
Es ist ein Skandal, wenn vierzehnjährige Jungen in der militärischen Theorie unterwiesen werden, am Exerzieren teilnehmen, mit Panzern ins Gelände fahren, Schießübungen mitmachen und sogar Gepäckmärsche und Nachtübungen absolvieren.
Daß die Offiziere dieser Kaserne von diesem ersten Schülerpraktikum bei der Bundeswehr hellauf begeistert sind, und es in ihren Kreisen allgemein empfehlen wollen, verwundert niemanden, der sich der reaktionären Vorkommnisse in der Hellweg-Kaserne in Unna erinnert. Bekanntlich brachten im März 1971 (vgl. 15.3.1971,d.Vf.) dreißig Hauptleute eben dieser 7.
Panzergrenadierdivision, die in der Hellweg-Kaserne in Unna stationiert ist, jene berüchtigte, nach rechts tendierende Denkschrift heraus, in der 'eine realistische Darstellung der Bedrohung der Bundesrepublik', die 'Anerkennung des Soldaten als Kämpfer' und eine schärfere Disziplinarordnung gefordert werden. Die Denkschrift wendet sich gegen die mit den Verträgen von Moskau und Warschau (mit der SU bzw. Polen,d.Vf.) eingeleitete Entspannungs- und Verständigungspolitik, sie lehnt Entscheidungen für die Bundeswehr durch die poltische Führung ab und verwahrt sich gegen den Zugang der Gewerkschaften zu den Soldaten in den Kasernen. Seit diesem unerhörten Auftreten ist das Offizierskorps der Hellweg-Kaserne in Unna für seine reaktionäre Gesinnung in der Öffentlichkeit bekannt. Die Vermutung liegt nahe, daß die Schüler in der Hellweg-Kaserne im Geiste der Hauptmannsdenkschrift, die übelstes militaristisches und antikommunistisches Gedankengut enthält beeinflußt wurden und weiter beeinflußt werden sollen. Offensichtlich fühlt man sich in den Offiztierskreisen dazu besonders ermuntert, seit Bundeswehrminister Helmut Schmidt (SPD,d.Vf.) trotz der in Gang gekommenen Entspannungspolitik Mobilmachungspläne verkündet und die umfassende Militarisierung des öffentlichen Lebens einschließlich des Schulwesens anstrebt.
Gerade deshalb ist es unverantwortlich, daß die zuständige Schulleitung in Fröndenberg mit der Bundeswehr-Führung in Unna das Berufspraktikum der Schüler vereinbart hat und die Kreisschulbehörde nicht dagegen eingeschritten ist. Bei dem Schülerpraktikum in der Kaserne handelt es sich einerseits um einen eklatanten Verstoß gegen die Richtlinien und Lehrpläne für die Hauptschulen in NRW für das Fach 'Arbeitslehre'. Noch schwerer wiegt der Verstoß gegen die Landesverafssung, Artikel 7:
'Die Jugend soll erzogen werden im Geiste der Menschlichkeit, der Demokratie und der Freiheit, zur Duldsamkeit und zur Achtung vor der Überzeugung des anderen, in Liebe zu Volk und Heimat, zur Völkergemeinschaft und Friedensgesinnung.'
Wir erwarten deshalb von der Landesregierung, daß sie die Verantwortlichen für das Schülerpraktikum in der Unnaer Hellweg-Kaserne zur Rechenschaft zieht und ein strenges Verbot für weitere Ausbildungspraktiken von Schülern bei der Bundeswehr erläßt.
Deutsche Friedens-Union NRW
gez.: Gertrud Wolferts, Studiendirektorin
gez.: Werner Sanß, Pfarrer"
Enthalten ist ein Coupon als "Zustimmungserklärung zum Appell" und unter der Überschrift "Diesem Appell schlossen sich folgende Lehrer und Erzieher an" erscheint die folgende Liste:
Dr. Ulrich Böhme, Unna-Lünern, Lehrer; Rosemarie Böhme, Unna-Lünern, Kontoristin; Helmut Böttiger, Fröndenberg-Frömern, Lehrer; Ulrich Brinkschulte, Kamen, Lehrer; Heinz Dieckmann, Kamen, Lehrer; Ulrich Ebbinghaus, Unna, Lehrer; Ursula Edelhoff, Unna-Königsborn, Apothekerin; Hans-Joachim Ehmke, Uentrop, Sonderschuldirektor; Reinhard Fehling, Kamen, Lehrer; Friedhelm Fischer, Unna, Lehramtsanwärter; Ralf Flessenkämpfer, Kamen, Lehramtsanwärter; Claus Goehrke, Südkamen, Lehrer; Ulrich de Greiff, Kamen, Lehramtsanwärter; Udo Günzel, Hamm, Sozialarbeiter; Gerd von Haaren, Kamen-Methler, Lehramtsanwärter; Rainer Heimlich, Kamen, Lehramtsanwärter; Martin Jennrich, Hamm, Realschullehrer; Gabriela Karl, Bergkamen-Overberge, Lehrerin; Ernst Kiphard, Hamm, Dipl. Sportlehrer; Helmut Koch, Unna, wissenschaftlicher Assistent; Wulfger von Koerber, Unna-Königsborn, Studiendirektor; Manfred Krüger, Unna, Lehramtsanwärter; Jutta Kühn, Unna-Königsborn, Lehramtsanwärterin; Helga Lefelmann, Kamen, Lehrerin; Claus Mayr, Hamm, Lehrer; Ortwin Musall, Kamen, Lehrer; Barbara Naether, Kamen, Lehrerin; Marlies Neff, Kamen, Lehrerin; Dieter Pessara, Bergkamen, Lehrer; Detlef Plett, Kamen, Lehrer; Helmut Plontke, Hamm, Realschullehrer und Grafiker; Ursula Potthast, Kamen, Lehrerin; Ria Rodberg, Hamm, Lehrerin; Roswitha Römer, Kamen, Lehramstanwärterin; Gerhard Sandweg, Unna-Königsborn, Lehramtsanwärter; Gisela Sandweg, Unna-Königsborn, Lehramtsanwärterin; Ingrid Schulte, Hamm, Lehrerin/Hausfrau; Karl Schulte, Kamen, Oberstudienrat; Heinz Schulze, Menden, Lehrer; Helmut Seemann, Rhynern, Oberstudienrat; Joachim Sensebusch, Hamm, Stud. Sozialarbeiter; Karl H. Supplie, Bockum-Hövel, Pfarrer; Jörg Theis, Hamm, Sozialarbeiter; Ulrike Vielhaber, Kamen, Lehrerin; Egon Wolfertz, Kamen, Lehrer; Ursula Wolfertz, Kamen, Lehrerin; E.W. Zaremba, Unna-Methler, Lehramtsanwärter.
Die letzte Seite wird eingenommen von der Verkleinerung eines DFU-Plakates "Bundeswehr RAUS aus unseren Schulen und Hochschulen!".
=DFU NRW:'Die Schule darf keine Vorschule für die Bundeswehr werden.',o.O. o.J. (1972)
26.06.1972:
Der AStA der PH Dortmund gibt vermutlich Anfang dieser Woche seine 'AStA-Information, DOS - Dortmunder Studentenzeitung' Nr.13 (vgl. 22.6.1972, 16.10.1972) heraus. Enthalten ist u.a. der:"
BERICHT DES STUDIENKOLLEKTIVS IM DEUTSCHSEMINAR: 'JUGENDBUCHREZENSIONEN'
Zu Beginn dieses Semesters hatte die GEW-AG zusammen mit anderen Seminarteilnehmern eine Arbeitsgruppe im Seminar 'Jugendbuchrezensionen'
gebildet.
Die Arbeit der Gruppe sah folgendermaßen aus: in Diskussionen mit den übrigen Seminarteilnehmern wurde versucht, die politischen Implikationen der herkömmlichen Kinder- und Jugendliteratur aufzudecken - denn es gibt keinen unpolitischen Freiraum - und vom Standpunkt der Arbeitenden aus zu kritisieren.
Als zweites stellte die Gruppe eine neue Richtung von bewußt politischer Kinder- und Jugendliteraur vor, die gesellschaftliche Zwänge und Widersprüche aufzeigt. ...
Einige der Bücher kann man auf Grund der Informationsfülle im Unterricht von Geschichte/Politik und Arbeitslehre verwenden (z.b. Good-bye, Onkel Sam). Allerdings ist die Anwendungsmöglichkeit wegen der politischen Disziplinierung begrenzt (s.Fall Fröndenberg)."
=AStA PH Dortmund:AStA-Information Nr.13,Dortmund o.J. (Juni 1972)
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