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Rheydt

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin, 7.7.2007


Aus bzw. über Rheydt lag uns nur wenig Material vor. Rheydt wurde Ende 1974 nach Mönchengladbach eingemeindet, zufälligerweise enden auch kurz vor diesem Zeitpunkt die hier vorgestellten Meldungen über Rheydt aus den wenigen, von uns ausgewerteten Materialien (vgl. 30.11.1974).

Zu Beginn dieser naturgemäß überaus lückenhaften Darstellung tritt die Aktion Demokratischer Fortschritt (ADF) vermutlich auch in Rheydt auf (vgl. 7.12.1968), die damals ja zahlreiche, zwar von der Farbgebung her nicht sonderlich reizende, weil überwiegend in blassem Giftgrün und mattem Himmelblau gehaltene, Aufkleber herausbrachte, die aber wenigstens poppige Parolen propagierten, wie 'Uwe ist der beste Seeler – ADF hat kluge Wähler' oder 'Lieber ein alter Hut als ein neuer Helm', und bei hinreichendem Einsatz von Speichel auch relativ haltbar hafteten. Die ADF selbst war eventuell weniger haltbar, überdauerte kaum die Bundestagswahlen 1969, bei denen sich die zuvor illegale KPD und nun wohl mehrheitlich auch in Rheydt als DKP legalisierte Partei, die damals nicht nur aus Rheydt berichtet (vgl. 3.7.1969), sondern auch, wenn auch örtlich oder aktionsmäßig völlig bezuglose, aber immerhin frühe überörtliche betriebliche Publikationen herausgibt (vgl. Aug. 1969), sich ihrer vermutlich auch in Rheydt noch als Volksfrontorganisation für den Sieg bei den Bundestagswahlen 1969 bediente, die aber, nicht nur im hier abgehandelten Rheinland, Brandt und Schääl, Verzeihung, Scheel, gewannen.

Bereits zu den Landtagswahlen (LTW) 1970 aber tritt die DKP auch mit aus Rheydt kommenden KandidatInnen direkt und offen an (vgl. 12.2.1970), will dort vermutlich sogar vorbildliche oder zumindest schwerpunktmäßige Solidarität mit Vietnam vorführen.

Nun aber tritt die eventuell nicht stets bereite Rheydter Arbeiterklasse auf den Plan, versucht sich damals zumindest abteilungsweise beim Rheydter Metallbetrieb Scharmann mehrere Stunden lang im vermutlich klar kriminellen Aufstand (vgl. 7.9.1970), ohne dass hier etwa derzeit von friedenstiftenden Maßnahmen der Staatsgewalt berichtet werden könnte.

Immerhin scheint so keine, wie bei 'Peace-keeping'-Polizeieinsätzen sonst oft erforderlichen Notwendigkeit notfallmedizinischer Maßnahmen eingetreten zu sein, die augenscheinlich auch vor geschlagenen 36 Jahren bereits Anlass der allgegenwärtigen Gebührenerhöhung bzw. -neuerhebung oder leichtfertig lustiger Leistungskürzung zu sein schienen, wie wir am Frauentag 1971 hier erfahren dürfen (vgl. 8.3.1971).

Nun aber ist es selbst in der Rheydter aufmüpfigen Schüler- oder Ärzteschaft endlich vorbei mit lustig (vgl. 14.8.1972).

Die landesweiten Elternvertreter der Gymnasien, geißeln nun eifrigst die örtliche Schülerzeitung in Rheydt, wittern sie doch damals scheinbar die 'Rote Gefahr' direkt vor Ort auch in dieser Stadt (vgl. 14.8.1972), in der sich die DKP, unbeschadet dessen, um einen Achtungserfolg bei den Bundestagswahlen (BTW) 1972 zu bemühen scheint, bis sich endlich auch die Rheydter Arbeiterklasse kämpferisch geriert (vgl. 29.1.1973), damit den Eingang in historische Darstellungen findend.

Im weiteren werden nicht nur örtliche Baufirmen aufgrund Bankrott abgewickelt (vgl. 2.7.1973), auch der Kommunistische Bund Westdeutschland (KBW) versucht nun, abschließend für diese dürftige Dokumentation, Rheydt zu revolutionieren. Eventuell hätten ihm dabei gar die örtlichen iranischen Studenten von der FIS gern beigestanden, wären sie nicht alle zusammen, mehr oder minder gewollt, aber zumindest zwangsweise, eingemeindet worden nach Mönchengladbach.


Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

07.12.1968:  Das Innenministerium NRW berichtet von der Aktion Demokratischer Fortschritt (ADF - vgl. 2.11.1968, 1.1.1969):"
Die Konstituierung als politische Partei - um den Vorschriften des Bundeswahlgesetzes zu entsprechen - erfolgte auf der Gründungsversammlung am 7.12.1968 in Frankfurt/Main. ... In Nordrhein-Westfalen bestehen, soweit bisher bekannt wurde, örtliche Gruppen des Aktions- und Wahlbündnisses an 44 Orten, und zwar in ... Mönchengladbach-Rheydt".
=Innenministerium NRW:Extremismusberichte an den Landtag oder Landesbehörden 1969,Düsseldorf 1969,S.11ff

03.07.1969:  Die DKP gibt die Nr.14 des Regionalteils NRW ihrer 'Unsere Zeit' (UZ) heraus (vgl. 26.6.1969, 10.7.1969). Berichtet wird u.a. aus Rheydt.
=Unsere Zeit NRW Nr.14,Essen 3.7.1969

August 1969:  Im Sommer, vermutlich im August, gibt die DKP Mönchengladbach, Rheydt, Viersen und Erkelenz ihren 'Betriebskurier' (vgl. Okt. 1970) heraus.
=Betriebskurier,Mönchengladbach Sommer 1969

18.09.1969:  Die DKP gibt die Nr.25 des Regionalteils NRW ihrer 'Unsere Zeit' (UZ) heraus (vgl. 11.9.1969, 25.9.1969). Von der ADF wird u.a. berichtet aus Rheydt.
=Unsere Zeit NRW Nr.25,Essen 18.9.1969

12.02.1970:  Die DKP gibt die Nr.7 des Regionalteils NRW ihrer 'Unsere Zeit' (UZ) heraus (vgl. 5.2.1970, 19.2.1970). Veröffentlicht wird die Reserveliste zu den Landtagswahlen (LTW - vgl. 14.6.1970). Die KandidatInnen kommen u.a. aus Rheydt.
=Unsere Zeit - Ausgabe NRW Nr.7,Essen 12.2.1970

19.03.1970:  Die DKP gibt die Nr.12 des Regionalteils NRW ihrer 'Unsere Zeit' (UZ) heraus (vgl. 12.3.1970, 26.3.1970). Angekündigt wird eine Vietnamsolidaritätswoche (vgl. 16.3.1970). Deren Schwerpunkte sollen u.a. liegen in Rheydt.
=Unsere Zeit - Ausgabe NRW Nr.12,Essen 19.3.1970

31.03.1970:  In Rheydt soll, laut DKP, die Zwirnerei Kasten und Co. stillgelegt werden.
=Unsere Zeit - Ausgabe NRW Nr.10,Düsseldorf 5.3.1970

07.09.1970:  Bei Scharmann Rheydt (1 000 Besch.) wird, laut DKP, vermutlich in dieser Woche in der mechanischen Abteilung mehrere Stunden lang gestreikt.
=Unsere Zeit Nr.38,Essen 19.9.1970,S.1

Oktober 1970:  Die DKP Mönchengladbach, Rheydt, Viersen und Erkelenz gibt ihren 'Betriebskurier' (vgl. Aug. 1969, Okt. 1972) heraus.
=Betriebskurier,Mönchengladbach Okt. 1970

08.03.1971:  Die KPD/ML-ZB berichtet vermutlich aus dieser Woche:"
GESUNDHEITSWESEN

Für Krankenkassenpatienten, also für die große Mehrheit der Krankenversicherten (nämlich die werktätigen Massen) ist eine ernsthafte ärztliche Versorgung im Krankheitsfall kaum zu bekommen.

Es gibt nicht nur zu wenig Hausärzte (die meisten Ärzte spezialisieren sich zu Fachärzten, weil das profitabler ist): die profitorientierten Krankenkassen machen es den gutwilligen Ärzten unmöglich, ihren Patienten die notwendige Behandlung zu geben.

Ein Hausarzt aus Hockheim bei Rheydt (vermutlich Hockstein, heute Mönchengladbach,d.Vf.), Dr. Heussen wurde von den Krankenkassen dazu gezwungen, seine Patienten nicht nach therapeutisch notwendigen Gesichtspunkten zu behandeln, sondern nach dem Kostenaufwand für die Behandlung.

Dr. Heussen:
'Die Kassen haben mir meine Honorare um 50% gekürzt, weil ich meine Patienten zu oft zu Hause besucht und ihnen teure Medikamente verschrieben habe. Einmal sagte mir ein Kassenvertreter: Hier geht es nicht um Krankheit und Patient. Hier geht es um Geld!'

Der Arzt hatte einem schlaganfallgefährdeten Patienten, der an zu hohem Blutdruck litt, ein 25 DM teures Medikament verschrieben und nicht ein billigeres zu 10 DM, das in diesem Fall nicht geholfen hätte.

Er hatte außerdem z.B. den Verband von Patienten mit schweren Schnittwunden täglich gewechselt und einen Anginakranken fünf Tage hintereinander zu Hause besucht.

Für diese 'unnötigen' Hilfsleistungen wollten ihn die Krankenkassen nicht bezahlen.

Ein Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigung erklärte: 'Bei ihm wird ein Untersuchungs- und Leistungsaufwand getrieben, der nicht mehr zu vertreten war. Wenn alle Ärzte so arbeiten, müßten die Kassen ihre Beiträge um 1 - 2% erhöhen'.

Dr. Heussen ist aber nicht der Prototyp des Hausarztes. Die meisten Ärzte beugen sich den Kommandos der Krankenkassen, untersuchen nur oberflächlich, verschreiben billige Medikamente, die nicht wirksam sind und lassen kranke Patienten tagelang auf ihren Besuch warten."
=Kommunistischer Nachrichtendienst Nr.21,Bochum 17.3.1971,S.5f

14.08.1972:  Die Landeselternschaft der Gymnasien in NRW (vgl. Okt. 1972) berichtet vermutlich u.a. aus dieser Woche über die Tätigkeit ihres Vorstands:"
SCHÜLERZEITUNGEN
...
Nach den Beobachtungen des Ausschusses sind oft gerade besonders radikale Schülerzeitungen infolge der Isolierung ihrer Redaktion und aus Mangel an Leserinteresse sehr schnell wieder verschwunden.

AUSSERSCHULISCHE SCHüLERZEITUNGEN

Ganz anders liegen die Verhältnisse nach den Ermittlungen des Ausschusses bei den Schülerzeitungen und Informationsschriften (Infos), die von außerschulischen Schüler- oder Jugendgruppen herausgegeben werden. Z.B. vom Marxistischen Schülerbund Düsseldorf (MSB der SDAJ der DKP,d.Vf.), 'Imun' aus Rheydt u.ä....

Diese Publikationen sind nicht Schülerzeitungen im Sinne des Schülerzeitungserlasses, da sie außerhalb der Schule entstehen. Zum Teil werden sie offensichtlich von starken Organisationen gestützt; sie erscheinen auch viel regelmäßiger als die Blätter an den Einzelschulen. Ihre meist radikal marxistische Tendenz ist zweifellos bedenklich im Hinblick auf eine mögliche Indoktrinierung von Schülern. Gleichwohl kann nicht eine Zensur befürwortet werden; sie wäre ebenso falsch und unzweckmäßig wie ungesetzlich. Konflikte, die durch solche Zeitungen in den Schulen auftreten können, müssen im Alltag der Einzelschule ausgetragen werden. Die Schulpflegschaften sollten sich einer Diskussion nie entziehen, sondern umgekehrt hinwirken auf gemeinsame Gespräche."
=Landeselternschaft der Gymnasien in NRW:Mitteilungsblatt Nr.77,Rheydt Okt. 1972,S.10ff

Oktober 1972:  Die DKP Mönchengladbach, Rheydt, Viersen und Erkelenz gibt ihren 'Betriebskurier' (vgl. Okt. 1970, Nov. 1972) heraus.
=Betriebskurier,Mönchengladbach Okt. 1972

November 1972:  Die DKP Mönchengladbach, Rheydt, Viersen und Erkelenz gibt vermutlich im November ihren 'Betriebskurier' (vgl. Okt. 1972) heraus.
=Betriebskurier,Mönchengladbach o.J. (1972)

29.01.1973:  Bei Schieß Werk Rheydt wird, laut KG (NRF) Mannheim/Heidelberg, heute und morgen gestreikt. Das meint auch die KPD. Berichtet wird auch vom KABD (vgl. Feb. 1973). Die DKP berichtet:"
Über 1 000 Arbeiter der Schieß AG in Düsseldorf und Rheydt traten am 29. und 30. Januar in einen Proteststreik, weil die Firmenleitung betriebliche Zulagen streichen wollte. Der Protest verhinderte das. Die 8,5 Prozent werden voll auf den Effektivlohn berechnet."
=Heisse Eisen Extrablatt,Dortmund 7.2.1973,S.2;
Arbeiter-Zeitung Nr.2,Mannheim/Heidelberg Feb. 1973;
Rote Fahne Nr.5,Dortmund 31.1.1973;
Rote Fahne Nr.2,Tübingen Feb. 1973


02.07.1973:  Die Baufirma des SPD-Mitgliedes Josef Kun (ings. 3 500 Besch.) wird, laut KPD, geschlossen. Vertreten ist die Firmengruppe u.a. in Rheydt.
=Rote Fahne Nr.28,Dortmund 11.7.1973

01.05.1974:  In Mönchengladbach/Rheydt veranstaltet der DGB eine Mai-Saalfeier. Der KBW verkauft die 'KVZ' und verteilt Flugblätter.
=Kommunistische Volkszeitung Nr.10,Mannheim 15.5.1974

30.11.1974:  In Köln soll heute, laut und mit KPD, eine Anti-Schah bzw. Iran-Demonstration stattfinden, zu der die Ortsgruppen der Föderation Iranischer Studenten (FIS) u.a. in Rheydt aufrufen.
=Rote Fahne Nr.48,Dortmund 27.11.1974

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