Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e. V.: Wildes Huhn, Nr. 4, Salzgitter, (1977)

21.06.1977:
Vermutlich am 21.6.1977 erscheint die Nr. 4 der Zeitung "Wildes Huhn". Sie erscheint ohne den bisherigen Untertitel. Herausgeber der Ausgabe ist der "Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e. V." (Salzgitter). Inhalt der Ausgabe ist:
- Die Reaktion marschiert auf.
- Täglicher Terror
- Distanzierungen
- Weiter geht's mit Necros
- Warum fürchtet dieser Staat das politische Mandat?
- Kritik daran
- Kritik an der Kritik
- Brief an die VV und Antwort darauf
- II Teil: Atommüll im Schacht? Dann krachts.
- Achtung aufgepasst: Ein Sommer in Gorleben
- Dem Tod ins Auge blicken
- Comix
- Das System macht keinen Fehler, es ist der Fehler
- Wildes Huhn theatre on the Road
- Psychiatrisierung von Günther Sonnenberg beabsichtigt
- Die Revolte braucht Geld
- Über Onanie und was man dagegen machen kann
- An die Steuerzahler
- Asse Manöver
- Gedicht
- Rund alle drei Monate passiert ein Unfall mit Atomwaffen
- Solidaritätserklärung mit dem Hungerstreik der iranischen Studenten in Clausthal.

Der Ausgabe wird ein Zitat von Brecht vorangestellt: "Unsere Gegner sind die Gegner der Menschheit. Sie haben nicht Recht von ihrem Standpunkt aus: Das Unrecht besteht in ihrem Standpunkt."

In der "Hausmitteilung" heißt es: "Dieses Info ist all jenen gewidmet, die auch dann noch Solidarität üben und den aufrechten Gang erproben, wenn Solidarität zunehmend kriminalisiert und das das Erlernen des aufrechten Gangs lebensgefährlich wird. Der Inhalt bzw. die Aussagen der einzelnen Artikel wurden vom Verein nicht zensiert. Wir hätten natürlich die Namen der einzelnen Verfasser darunter setzen können, doch wie jeder weiß, gibt es in der BRD seit einiger Zeit wieder einmal Zensur-Paragraphen(§88, §130). Sie sollen das Volk angeblich vor 'gewalttätigen Schriften und Aufrufen' schützen. Schriften wie 'Bild', 'Nationalzeltung'. 'Quick, Filme wie 'Die Geschichte der O' usw., Reden und Sprüche von Strauß, Dregger und Co. fallen natürlich nicht darunter. Dafür aber fast alle linke Literatur. Darum nennen wir auch nicht die Namen der Verfasser. Gerade bei der Erstellung dieses Info's hat es Auseinandersetzungen gegeben, die bis zum offenen Bruch gingen. Eins war aber wohl Jedem klar, dass wir alles veröffentlichen, was wir für diskussionswürdig und informativ halten. Trotz der Zensurparagraphen! Das Titelbild z. b. war vielen zu provokativ. andere meinten, wir sollten es drucken, weil die Tötung Buback's zum Anlass genommen wurde, Zensurmaßnahmen im weitesten Umfang durchzuziehen. Auch der Terz um unser Info 3 fiel gerade in diese Zeit.

Und dieses Info wird es sicherlich auch viel Wirbel geben, doch hoffen wir, dass nicht nur wir darüber diskutieren und ansonsten die Gerüchte kochen."
Ein Filmprogramm findet statt vom 21.6.-30.8., darunter "Händler der vier Jahreszeiten" (21.6.), "Hauptlehrer Hofer" (5.7.), "Der junge Törless" (19.7.), "Alexis Sorbas" (2.8.), "Salz der Erde" (16.8.), "Blut des Kondors" (30.8.).

Zu den "Distanzierungen" heißt es: "Ein Teil des Beirates hat sich vom Wilden Huhn distanziert, Frau D… vom Beirat des Frankfurter Informationsdienst zur Verbreitung unterdrückter Nachrichten hat sich von demselben distanziert, beide Male lag der Anlass in Äußerungen zur Auseinandersetzung zwischen Stadtguerilla und Staat/Kapital. Die DKP-Studenten distanzieren sich vom Göttinger AStA, weil er sich von seinem Buback-Nachruf nicht distanziert. Dafür distanziert er sich vom Buback-Attentat als solchem. Von denen, die die Parole rufen: "Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht , zucken viele zurück, wenn andere tatsächlich ernst machen mit ihrer Pflicht, sei es, dass sie es als Atomgegner auf sich nehmen, sich mit Sachbeschädigung zu kriminalisieren; sei es, dass sie als Guerillakämpfer denjenigen, welche sie auf den Tod verfolgen, mit gleicher Münze heimzahlen. Der Widerstand ist im deutschen Normalfall strafbar, und das Unrecht ist mächtig und skrupellos. Wenn einer sich erstmal von seinen radikalen Jugendträumen, etwa: eigentumslos in einer Kommune zu wohnen, als sinniger Utopie distanziert und siech für einen anständigen Beruf entscheidet, der ist dann auch für Berufsverbote empfindlich und muss auch bereit sein, sich von noch mehr zu distanzieren.

Dass man dem Druck von oben, bzw. von rechts durch Zurückweichen entgehen könnte, das spricht gegen alle geschichtliche Erfahrung. Der Feind, das Kapital, die Bullen, die Faschisten -hat Wohlverhalten und Bravheit noch nie belohnt; denn der Streit ist keiner, der quasi bei einem Bierchen mit 'Schwamm drüber' vergessen werden könnte, der 'Streit' ist Klassenkampf. Wenn das Wilde Huhn dichtgemacht wird, ist es Klassenkampf, auch wenn der Vorwurf 'Pornografie' hieße, dass es darum nicht geht, dürfte klar sein. Was macht das Wilde Huhn für seine Feinde interessant, wenn es nicht eine Zusammenrottung von Unangepassten, Haufen von Querulanten, eine Art Organisation derer wäre, die auf den staatlich verordneten 'Sozialen Frieden' pfeifen? Diesen sozialen Frieden, der auf den Nenner gebracht wird vom Einheitsbrei Unternehmerstaat-Gewerkschaften; der nicht bedeutet Abwesenheit von Klassenkampf, sondern eine Form davon, eine Form unserer Unterdrückung! Die einfachste und doch entscheidende Frage bleibt: wem nützt das, konkret: wem nützen unsere ehemaligen Beiräte, wenn sie uns mit ihrer öffentlichen Distanzierung zum Abschuss freigeben? Denn genau das tun sie, auch wenn sie es vielleicht gar nicht wollen. Wir können ihnen nur nachrufen: 'Ihr werdet euch damit nicht froh machen'; denn eine Distanzierung beendet den Konflikt nicht, sondern stärkt nur die andere Partei darin. Wer sich distanziert, verrät weniger uns als sich selbst."
Q: Verein zur Förderung von Kultur und Kommunikation e. V.: Wildes Huhn, Nr. 4, Salzgitter, (1977)

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