Niedersachsen:
Die Auseinandersetzungen um das Weihnachtsgeld und das 13. Monatseinkommen im Metallbereich von 1967 bis 1973

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin, 18.12.2014

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Zu den Auseinandersetzungen um das Weihnachtsgeld bzw. das 13. Monatseinkommen in der Metallindustrie sowie der Eisen- und Stahlindustrie in Niedersachsen können hier bisher nur wenige Hinweise erschlossen werden. Wir bitten um Ergänzungen.

Einleitend für diesen Artikel dient das Weihnachtsgeld bei Hanomag Hannover (vgl. 8.5.1967, 19.5.1967) als Verhandlungsmasse, die gegen Erhöhungen der Löhne und Gehälter abgewogen wird, in der Metalltarifrunde 1970 wird dann in Göttingen und Umgebung ein tariflich abgesichertes 13. Monatsgehalt gefordert (vgl. Sept. 1970, 28.9.1970), aber nicht durchgesetzt, so dass diese Forderung auch im folgenden Jahr erneut erhoben wird (vgl. Aug. 1971).

Zwei Jahre später wird diese Forderung auch in den Streiks für Teuerungszulagen bei AEG Oldenburg (vgl. 26.6.1973, 28.6.1973) und bei VAW-Leichtmetall in Hannover (vgl. 29.8.1973) aufgestellt und auch bei VW Wolfsburg wird die Umwandlung der variablen Erfolgsprämie in ein 13. Monatseinkommen verlangt (vgl. 13.4.1973), während von Alcan Göttingen über die Ergänzung des Weihnachtsgeldes durch eine Jahresprämie berichtet wird, die offenbar die Krankschreibungen verringern soll (vgl. 25.6.1973) und bei Phywe Göttingen statt einer Teuerungszulage lediglich ein Weihnachtsgeld vereinbart wird, dessen Zahlung aber davon abhängt, dass der Arbeitsfrieden gewahrt bleibt (vgl. 17.10.1973).

Zum vorläufigen Abschluß dieser Darstellung stellt der KBW bei VW Braunschweig klar, dass bei VW keine Erhöhung des Weihnachtsgeldes erfolgte (vgl. 12.12.1973).

Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

08.05.1967:
Die KPD/ML-ZB berichtet von Hanomag Hannover (vgl. 2.5.1967, 10.5.1967):"
In Hannover schaltet sich der Arbeitsdirektor der Rheinischen Stahlwerke, Dr. Poth, in die Verhandlungen ein. Anfang Mai macht die Werksleitung einen neuen 'Vorschlag': keine Kürzung der Löhne und Gehälter um 5%, sondern nur um 2,5, dafür aber zusätzliche Streichung des Weihnachtsgeldes und der Teuerungsprämie. Daraufhin legten 4 000 Arbeiter am 8. Mai nach einer Werkstattversammlung aus Protest gegen das Angebot der Kapitalisten die Arbeit nieder. Die IGM-Bezirksleitung schaltete sich in den Kampf der Hanomag-Arbeiter ein; mit dem Ziel der 'Vermittlung im Hanomag-Streik' nimmt sie Verhandlungen mit dem Verband der Metallindustriellen Niedersachsens auf. Die Hanomag-Arbeiter beenden den Streik."
Quelle: Kommunistischer Nachrichtendienst Nr.53,Bochum 14.7.1971, S. 10f

19.05.1967:
Die KPD/ML-ZB berichtet von Hanomag Hannover (vgl. 28.4.1967, 16.5.1967):"
Am 19. Mai gibt die Werksleitung bekannt, daß die Kürzungen zurückgenommen werden: Weihnachtsgeld, Treueprämie und 'einige kleinere Posten aus dem Bereich des Sozialaufwands' werden gestrichen. Etwa eine Stunde nach dieser Erklärung wird die Arbeit wieder aufgenommen.

Der Streik der Hanomag-Arbeiter zeigt, wie entschlossen die Arbeiterklasse ist, gegen die Krisenangriffe zu kämpfen: Obwohl Betriebsrat und Werksleitung die Verhandlungen über vier Wochen hinauszögerten, konnte der Streik nicht zermürbt werden. Dennoch beweist dieser Streik den immer noch großen politischen Einfluß der sozialdemokratischen Gewerkschaftsführer im Betrieb: sobald die Gewerkschaftsführer Verhandlungen mit der Werksleitung aufnahmen, wurde der Streik abgeblasen, er flammte immer wieder auf, wenn Betriebsrat oder IGM-Vertreter die Verhandlungen für gescheitert erklärten. Auch die Annahme des vom Betriebsrat ausgemauschelten Ergebnisses, das nur einen sehr kleinen Erfolg für die Hanomag-Arbeiter darstellt, ist ein deutliches Zeichen dafür."
Q: Kommunistischer Nachrichtendienst Nr.53,Bochum 14.7.1971,S.11

September 1970:
Es erscheint die Nr. 12 der 'Göttinger Betriebszeitung' – Informationen für Arbeitnehmer (vgl. Juli 1970, Nov. 1970) mit dem Leitartikel "Wir wollen mehr" der über die Mindestforderungen zur Metalltarifrunde (MTR) von Vertrauensleuten u.a. von Bosch, Feinprüf, Händler & Natermann, Isco und Zeiss nach 75 Pfennig mehr für alle Lohngruppen, einem 13. Monatsgehalt, Abschaffung der Lohngruppen 1 - 4 und Abschaffung der Ortsklassen berichtet.
Q: Göttinger Betriebszeitung Nr. 12, Göttingen Sept. 1970

28.09.1970:
Heute beteiligen sich, laut 'EXI', 430 in einem Betrieb in Göttingen an einem Warnstreik im Rahmen der Metalltarifrunde (MTR).

Die 'Göttinger Betriebszeitung' (vgl. Nov. 1970) berichtet:"
Auch in Göttingen und Uslar wurde gestreikt.
Am 28.9.70 stellten die Kollegen bei Feinprüf in Göttingen und der Sollinger Hütte in Uslar die Maschinen ab. Sie streikten für eine harte, kompromißlose Verhandlungsführung der IGM in Hannover. Bei Feinprüf wurde nicht für 10 % , sondern für 15 % als absolute Mindestforderung gestreikt. Die Kollegen der Sollinger Hütte streikten für die Forderungen, die die Vertrauensleute aufgestellt hatten: Abschaffung der Ortsklassen, 75 Pfg für alle, 13. Monatseinkommen, Abschaffung der Lohngruppen 1 - 4."
Q: Express International Nr. 108, Frankfurt 30.10.1970, S. 4; Göttinger Betriebszeitung Nr. 13/14, Göttingen Nov. 1970, S. 4

August 1971:
Es erscheint eine Sondernummer der 'Göttinger Betriebszeitung' – Für den organisierten Kampf in den Betrieben (vgl. Juli 1971, Sept. 1971) zur Metall-Tarifrunde (MTR) unter der Schlagzeile "Forderungen für die Metall-Tarifrunde". Vorgestellt werden "5 Forderungen aus den Betrieben", wozu es heißt: "Die Diskussion in den Göttinger Betrieben bei Feinprüf, Zeiss, Spindler & Hoyer; Bosch, Alcan und Haendler & Natermann haben die verschiedensten Forderungen erbracht. In anderen Betrieben ist die Diskussion noch nicht abgeschlossen. Wir haben hier die 5 zentralen Forderungen zusammengefaßt, die in mehreren Betrieben in ähnlicher Form aufgestellt wurden".

Hierbei handelt es sich um:
- "1. Angleichung von Effektiv- und Tariflohn";
- "2. Lineare Lohnerhöhung";
- "3. Anhebung der unteren Lohngruppen";
- "4. Öffnungsklauseln für betriebsnahe Tarifverträge";
- "5. 13. Monatslohn und 13. Monatsgehalt".
Q: Göttinger Betriebszeitung Sondernummer zur Metall-Tarifrunde, Göttingen Aug. 1971

13.04.1973:
Bei VW Wolfsburg streiken, laut KB Bremen und KG Hamburg, alle von 8 Uhr 30 bis 10 Uhr für die Umwandlung der Erfolgsprämie in ein 13. Monatsgehalt, "nachdem bereits in den Tagen zuvor in den Zweigwerken Emden und Kassel (vgl. 12.4.1973, d.Vf.) für mehrere Stunden gestreikt worden war. Die spontanen Streiks sollen die Forderungen der Kollegen unterstützen, die alljährlich vom VW-Werk ausgeschüttete 'Erfolgsprämie' in ein 13. Monatsgehalt umzuwandeln und im Manteltarifvertrag zu verankern. Die 'Erfolgsprämie' steht seit 1953 im Manteltarif, jedoch ohne eine bestimmte Höhe, die jedes Jahr zwischen der Geschäftsleitung und den Betriebsräten neu ausgehandelt werden muß.

Sie erreichte in verschiedenen Jahren die Höhe von 8 %, was etwa 96 % eines Monatsgehaltes entspricht. Zuletzt wurden 8 % im Jahre 1970 gezahlt. Für 1972 hat die Konzernleitung 6, 5 % angeboten, was jedoch abgelehnt wurde. Die unterbrochenen Verhandlungen wurden wegen der Warnstreiks vorzeitig wieder aufgenommen!"

Vom Streik berichten auch die ABG. Auch laut KABD wird eineinhalb Stunden lang gestreikt. Berichtet wird auch durch die KPD/ML-ZK und den KBW.
Q: Kommunistische Volkszeitung Nr. 1, Mannheim Juli 1973, S. 6; Roter Morgen Nr. 15, Dortmund 21.4.1973;Rote Fahne Nr. 4, Tübingen Apr. 1973;Wahrheit Nr. 4, Bremen Apr. 1973;Auf Draht Nr. 25, München Apr. 1973;Der Motor Nr. 5, München Apr. 1973;Hamburger Arbeiterzeitung Nr. 2, Hamburg 24.5.1973, S. 6

KVZ1973_01_11


25.06.1973:
Der KBW (vgl. 26.9.1973) berichtet vermutlich aus dieser Woche:"
RÄTSELHAFTE ZUNAHME DER STERBLICHKEIT

Ein Arbeiter vom Göttinger Alcan-Werk berichtet:
'Bei Alcan gibt es die ausgeklüngelsten Prämiensysteme. Es soll hier nur ein einziges Beispiel der Prämienhetzerei und Spalterei gezeigt werden. Dieses Beispiel ist die 'freiwillige Jahresprämie für Lohnempfänger'. Diese Prämie wurde zum Weihnachtsgeld gezahlt, und zwar bekam derjenige Arbeiter, der im Jahr jeden Tag zur Arbeit kam, 225, -DM, wer einmal krank war (fehlte). 180, -DM, wer zweimal fehlte, 135, -DM, wer dreimal fehlte, 454, -DM, wer nur fünfmal fehlte, bekam überhaupt nichts mehr. Es gab viele Kollegen, die krank (z. B. (4) mit Fieber, Übelkeit usw.) zur Arbeit gekommen sind, weil sie auf die Prämie nicht verzichten konnten bzw. darauf angewiesen waren. Der Zweck der Prämie ist klar zu sehen: wir sollen das ganze Jahr über an den Arbeitsplatz gebunden werden. die Alcan-Kapitalisten holen ein Vielfaches der Prämien aus unserer Arbeitskraft heraus, wenn wir tagein, tagaus trotz Fieber, Erkältung, Übelkeit usw. weiterarbeiten'."
Q: Kommunistische Volkszeitung Nr. 3, Mannheim 26.9.1973

26.06.1973:
Der KBW Ortsgruppe Göttingen berichtet in "Kapitalisten üben 'Solidarität'!" von einem Brief des Arbeitgeberverbands Oldenburg zum Streik bei AEG (vgl. 25.6.1973.

Der KAJB (vgl. 29.6.1973) berichtet:"
Seit Dienstag dem 26.6.73 streikten 3 000 Arbeiter im AEG Werk entschlossen für eine Lohnerhöhung von 70 DM und ein 13. Monatsgehalt.
Am Montag soll nach Angaben der IGM die Arbeit wieder aufgenommen werden. Weiter werden am Montag die Verhandlungen zwischen IGM und Kapitalisten aufgenommen werden."
Q: Kämpfende Jugend Nr. 6/7, Bremen Juni / Juli 1973, S. 4; Der Metallarbeiter Nr. 8, Göttingen 10.7.1973, S. 5f

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28.06.1973:
Der Bund Kommunistischer Arbeiter (BKA) Freiburg gibt seinen 'Klassenkampf für die Kolleginnen und Kollegen in den Metallbetrieben' Nr. 16 (vgl. 7.6.1973, 6.9.1973) heraus. Berichtet wird auch:"
Streik in Oldenburg

Bei AEG in Oldenburg sind 3 000 Arbeiter mit der ersten Schicht in den Streik getreten. Schon am Mittwoch und Freitag letzter Woche fanden Warnstreiks statt. Organisiert wird der Streik von den Vertrauensleuten. Die Forderung lautet: 70 DM und 13. Monatslohn."
Quelle: Klassenkampf für die Kolleginnen und Kollegen in den Metallbetrieben Nr. 16, Freiburg 28.6.1973, S. 2

29.08.1973:
Die DKP berichtet aus Hannover vom Kampf für Teuerungszulagen (TZL):"
LEICHTMETALL-KOLLEGEN FORDERN 20 PROZENT!

Am Mittwoch, dem 29. August fand bei VAW Leichtmetall eine spontane Protestaktion statt. Etwa 300 Arbeiter der Frühschicht zogen vor das Verwaltungsbüro und forderten den Betriebsrat auf, Stellung zu nehmen zu den Forderungen, die aus der Belegschaft in einer Entschließung formuliert waren.

Der Rest der Belegschaft stellte die Maschinen ab und diskutierte am Arbeitsplatz die Forderungen:

Hier ein Auszug aus der Entschließung:
'Bis zum nächsten Tarifabschluß Anfang nächsten Jahres sollte in der Metallindustrie eine Teuerungszulage von 400 DM durchgesetzt werden.

Der nächste Tarifabschluß muß weiterhin die negativen Auswirkungen der augenblicklichen Wirtschaftspolitik auf die Arbeitnehmerschaft einbeziehen und den Kaufkraftverlust bzw. den Nachholbedarf entsprechend berücksichtigen:
20% Lohn- und Gehaltserhöhung,
20% mehr Urlaubsgeld
und ein 13. Monatsgehalt als Weihnachtsgratifikation müssen Bestandteil des neuen Tarifvertrages werden.

Die Auszubildenden sind in diese Vereinbarungen miteinzubeziehen.

Nur was wir uns selbst erkämpfen, werden wir bekommen!'"
Q: DKP Informationen Nr. 9, Hannover 13.9.1973, S. 8

17.10.1973:
Es erscheint die Göttinger Betriebszeitung (GBZ) Nr. 47 (vgl. 11.10.1973, 7.11.1973). Berichtet wird über die TZL über die:"
Situation im Göttinger Raum
Phywe
Viele Kollegen forderten eine Teuerungszulage von 400 DM. Der Vertrauenskörper forderte den Betriebsrat auf, darüber zu verhandeln. Doch der Betriebsrat lehnte es ab, Verhandlungen aufzunehmen. Die Geschäftsleitung lehnt es ab, eine Teuerungszulage zu zahlen. Stattdessen schließt sie eine Betriebsvereinbarung über das Weihnachtsgeld mit dem Betriebsrat ab. Darin steht: 'Bei Störung des Arbeitsfriedens behält sich die Geschäftsleitung es sich vor, diese Sonderzulage zu zahlen.' Mit dieser Erpressung gelingt es Geschäftsleitung und Betriebsrat fürs erste, die Kollegen einzuschüchtern und vom solidarischen Handeln abzuhalten."
Q: Göttinger Betriebszeitung Nr. 47, Göttingen 17.10.1973, S. 3

12.12.1973:
Bei VW Braunschweig gibt der KB Braunschweig in Aktionseinheit mit der Initiativgruppe Braunschweig die Nr. 8 der 'Zündkerze' (vgl. 29.10.1973, 8.2.1974) heraus. Enthüllt wird: "Weihnachtsgeldtabelle: plumpe Täuschung".
Q: Zündkerze Nr. 8, Braunschweig 12.12.1973, S. 7

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