Die "Erinnerungen" gehören sicherlich zu einer Reihe von zeithistorischen Dokumenten, von denen es vermutlich nur noch wenige gibt. Interessant sind sie deswegen, weil hier Aktivisten persönlich über die Anfänge des Maoismus Mitte der 1960er Jahre in der BRD berichten.
Die Broschüre hat im Wesentlichen zwei Themenschwerpunkte: die "Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" (MLPD), die sich vermutlich 1965 mit ihrem Organ "Sozialistisches Deutschland" konstituierte, und die "Freie Sozialistische Partei (ML)", die sich im April 1967 konstituierte. Beide Gruppen gehörten zu den organisierten Anfängen des sich entwickelnden Maoismus, von der die bundesrepublikanische Öffentlichkeit kaum Notiz nahm, was wohl daran gelegen haben mag, dass man dem aufkeimenden Maoismus keine Bedeutung beimaß und ihn eher als Farce betrachtete. Berichte darüber finden sich allenfalls in damaligen Ausgaben der "Frankfurter Rundschau" und des "Spiegels". Die im Interview genannten Personen spielten mitunter eine nicht unbedeutende Rolle in der maoistischen bzw. marxistisch-leninistischen Bewegung, wenn man etwa an G. Ackermann oder G. Flatow denkt, die am Gründungsparteitag der KPD/ML im Dezember 1968 teilnahmen, später ausgeschlossen wurden und an der Gründung eigener Gruppen beteiligt waren.
In den "Erinnerungen" wird ein Prozess beschrieben, der weitere Forschungsarbeit erfordert. Denn keinesfalls sind die ersten Ansätze der Entwicklung des Maoismus in der BRD schon ausreichend geklärt. Es sind weitere Quellenstudien nötig, um zu klären, wie der Maoismus nach Deutschland kam.
10.11.1984:
In Niederschelderhütte (Kreis Siegen-Olpe) führt Helmut Müller-Enbergs (dessen Name im gesamten späteren Dokument konsequent falsch geschrieben wird) mit Werner und Ruth Heuzeroth ein Interview zur Geschichte der ML-Bewegung. Daraus entstand später die von der Redaktion der "Wahrheit" herausgegebene Broschüre "Erinnerungen zur Geschichte der M-L-Bewegung".
Berichtet wird in "Fragen und Antworten" über den Zustand der maoistischen Bewegung zu Anfang der 1960er Jahre. U. a. werden die Gründung der FSP (ML), die illegale KPD, die erste MLPD mit ihrem Organ "Sozialistisches Deutschland" und die Formierung der KPD/ML um den "Roten Morgen" behandelt. Zudem gibt das Interview Einblicke darin, wie die Maoisten der ersten Stunde sich die Gründung einer marxistisch-leninistischen Kaderpartei vorstellten. Außerdem enthält es eine Reihe von Anekdoten.
Quelle: Erinnerungen zur Geschichte der M-L-Bewegung. Werner und Ruth Heuzeroth berichten in einem Gespräch mit Helmut Müller-Enbergs am 10. November 1984 in Niederschelderhütte, hrsg. von der Redaktion der Wahrheit, Mudersbach (1985).
Letzte Änderung: 19.12.2018