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Inhalt
Einleitende BemerkungenZunächst muss festgehalten werden, dass über die Gründungsgeschichte des KABD weitgehend Unklarheit herrscht. Glaubt man den offiziellen Verlautbarungen der MLPD in der „Geschichte der MLPD“ (Teil I), dann hatte er von Anfang an eine „klare politische Linie“, mit der er bestrebt war, die marxistisch-leninistische Bewegung zu vereinigen“ (vgl. S. 173). Von der eigentlichen Gründung der RJ/ML und des KAB/ML ist indes wenig bekannt. Bis zum heutigen Tag hat die Gruppe keine zusammenhängende Darstellung über deren Gründung(en) vorgelegt. Auch nicht darüber, woher die Anhänger kamen und was aus ihnen später in beiden Organisationen sowie im KABD geworden ist.
Der Zusammenschluss eines bunten Haufens aus dem August 1972, der sich primär mit Willi Dickhut, seinem „Revolutionären Weg“ und einigen Mitstreitern aus dem Landesverband NRW sowie einer Gruppe um die ehemalige „Rote SDAJ Opposition“ aus dem Raum Mannheim, Hamburg und Tübingen, dem „Zentralen Aktionskomitee“ (ZAK) Tübingen verbinden lässt, war alles andere als der „blühende Zirkel“, der später gerne herangezogen wurde, um die „proletarische Linie“ des KABD besonders herauszustellen.
In den auf der Web-Seite des Datenbankprojekts „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO) bisher eingestellten Artikeln, u. a. in der „Geschichte der KPD/ML-Zentralbüro“ und der „Geschichte der KPD/ML-Zentralkomitee“ sowie in den Rezensionen der drei Bände der „Geschichte der MLPD“, wird deutlich, dass der KABD nicht das Produkt der Arbeiterbewegung war, sondern ebenso wie alle anderen großen ML-Gruppen dem so genannten „kleinbürgerlichen“ Milieu entsprang. Das Hervorgehen des KABD aus den Traditionen der Arbeiterbewegung, vor allem aber der KPD, entsprach dem damaligen Wunschdenken des arbeiterbewegten Marxismus zu Beginn der 1970er Jahre. Auch der KAB/ML unterlag dem Einfluss der Jugend- und Studentenbewegung und hatte somit wenig von dem, was Dickhut stets einforderte: einen „proletarischen Charakter“.
Der Widerspruch zur „revisionistischen Linie“ der SDAJ, den die Gründerväter der Rebell-Gruppe besonders herausstellten, hielt sich, wie anderswo, in Grenzen bzw. entsprach nur der Diktion der damaligen allgemeinen Abgrenzung vom sog. „modernen Revisionismus“. Er war nur von „Antiautoritären“ getragen. Eine tiefer gehende Kritik an vermeintlichen „revisionistischen“ Positionen war nicht festzustellen. Genauso wie bei der KPD/ML oder bei Dickhut in seinen „epochalen Werken“, den „Revolutionären Wegen“ 1 bis 6 stand der Nachweis der revisionistischen Entartung der KPD auf sehr hölzernen Füßen. Eine fundierte theoretische Erwiderung gelang eigentlich keiner Gruppe. Erst viel später, am Ende der 70er Jahre, einer Zeit, in der die ML-Bewegung schon weitgehend zerfallen war, machten sich die ersten theoretischen Strömungen der Marxisten in der BRD daran, die Politik und die Theorie der KPD zu untersuchen. Was nun bemerkenswert - oder eher nicht - an RJ/ML und KAB/ML war, das soll hier untersucht werden.
Am 4./5. Mai 1968 konstituierte sich die „Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend“ (SDAJ), die Jugendorganisation der DKP, in Essen. Einige Gruppen, vermutlich auch die spätere „Rebell“-Gruppe (RJ/ML), forderten: „Revolutionäre Jugend hinein in die SDAJ.“ Was die Gruppe dazu trieb, diese Losung auszugeben, ist nicht bekannt. Gemutmaßt werden kann, dass versucht wurde, auf diesem Weg Einfluss zu gewinnen und die SDAJ zu unterwandern (vgl. 4. Mai 1968).
04.05.1968:
Ein Gründungsausschuss konstituiert am 4./5. Mai die SDAJ in Essen. Verabschiedet wird ein „Aktionsprogramm der SDAJ“. Unmittelbar nach der Gründung der SDAJ geben westdeutsche Marxisten-Leninisten die Losung „Revolutionäre Jugend hinein in die SDAJ“ aus. U. a. handelt es sich hierbei um die „Revolutionäre Jugend/Marxisten-Leninisten“ (RJ/ML). Mitmachen wollen aber auch Trotzkisten aus Berlin und Augsburg, die 400 Personen, darunter 215 ordentliche Delegierte ausmachten. Aus Augsburg kommen 3 Personen von KPD und deutscher Sektion des VS.
Q: VS-deutsche Sektion-ZR: Rundbrief, o.O. o.J. (Anfang August 1968); Rote Fahne Nr. 28, Berlin 22.10.1971,S.5; Rote SDAJ-Opposition Nr.1, Mannheim 1968; Langguth, Gerd: Protestbewegung, Köln 1983,S.161.
Erst mit dem Einmarsch der Warschauer-Pakt Staaten in die CSSR scheint sich die Lage zu verändern. In Mannheim findet am 21. August eine Demonstration gegen die Okkupation statt, an der sich auch ein erheblicher Teil der Mannheimer SDAJ beteiligt. Nach der Demonstration wird auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung eine Resolution gegen den Einmarsch in die CSSR verabschiedet, die von einer Mehrheit getragen wird. Es kommt zum Eklat mit einem Polizeieinsatz. Die Mannheimer Gruppe der SDAJ spaltet sich daraufhin in die „Linientreuen“ und eine Opposition, die nun als „Rote SDAJ-Opposition“ (später „Rebell“) firmiert (vgl. 21. August 1968).
21.08.1968:
Laut „Rote SDAJ-Opposition“ findet eine Demonstration in Mannheim gegen den Einmarsch sowjetischer Truppen in die CSSR („revisionistische Invasion“) und für den Sozialismus statt. Ein großer Teil der SDAJ Mannheim der späteren DKP nimmt unter roten Fahnen teil. Nach der Demonstration kommt es zu einer a. o Mitgliederversammlung der SDAJ Ortsgruppe Mannheim. Eine Resolution gegen den Einmarsch in die CSSR wird von einer Mehrheit der Mitglieder verabschiedet. In ihr heißt es u. a.: „Die militärische Intervention der UdSSR in die CSSR ist ein Eingeständnis der politischen Schwäche.“ Es kommt zu handfesten Auseinandersetzungen zwischen SDAJ-Anhängern und sogenannten Antirevisionisten, die erst endeten, als die Polizei einschritt. Die in der Opposition stehende Gruppe wird daraufhin aus der SDAJ in Mannheim ausgeschlossen. Der 21. August gilt als Gründungstag der nun erscheinenden Zeitschrift „Rote-SDAJ-Opposition“, später „Rebell“.
Q: Modau, Helmut: Zur Geschichte der KPD/ML und des KABD, o. O. 1979,S.9af; GRW: Rebell (Reprint), Frankfurt 1978,S.III, S.1; ZK der MLPD(Hrsg.): Geschichte der MLPD, I. Teil, Stuttgart 1985,S. 37f; Rote-SDAJ-Opposition Nr. 1, Mannheim August 1968.
Über die SDAJ Mannheim liegen einige Informationen vor, die relativ aussagekräftig sind. Danach waren die Ideen der Jugend- und Studentenbewegung dort mehr oder weniger stark verankert. Insgesamt schien die Zusammensetzung der Gruppe(n) äußerst uneinheitlich zu sein (vgl. 2. September 1968).
02.09.1968:
Es erscheint eine Presseerklärung des Vorstandes der SDAJ Mannheim, in der ausgeführt wird: „Bereits nach der Gründung des SDAJ-Bundesvorstandes in Essen konstituierte sich in Mannheim eine starke SDAJ-Gruppe, wobei ein größerer kritischer Flügel existierte. Die jugendlichen Arbeiter, die die Ideen der revolutionären Studenten reflektierten und übernahmen, kamen sofort mit der in Bürokratismus erstarrten SDAJ-Führung in Konflikt.“
Q: Presseerklärung des Vorstandes der SDAJ Mannheim, 2. September 1968; Modau, Helmut: Zu einigen Fragen der Geschichte des KABD (Teil 1), in AzD Nr. 1/1979, S. 26ff.
Noch deutlicher geht die heterogene Zusammensetzung der Gruppe aus der „Roten SDAJ-Opposition“, Nr. 3 hervor (vgl. Oktober 1968).
Oktober 1968:
Die Nr. 3 der „Roten SDAJ-Opposition“ erscheint in Mannheim mit einer „Widerlegung der Erklärung des SDAJ-Landesvorstandes Baden-Württemberg zur Spaltung der SDAJ-Ortsgruppe Mannheim“. Danach hätten die „Nichtrevisionisten, Anarchisten, Trotzkisten, Antiautoritäre, Marxisten-Leninisten u. a. in der Mannheimer SDAJ die Mehrheit …“
Q: Rote SDAJ-Opposition Nr.3, Mannheim Oktober 1968.
Offenbar hatte die Gruppe „Roter Morgen“ (Mannheim) hier schon längst ihre Fühler ausgestreckt, was aus der Zeitung selbst hervorgeht. Ebenfalls wird deutlich, dass der SDS und das AUSS Einfluss ausübten, wenn sie nicht sogar teilweise dominierend waren. Dass die „Ideen der revolutionären Studenten“ mehr oder weniger reflektiert und gespiegelt worden waren, ist dem „Roten Morgen“ vom September 1968 wohl nicht fremd. (vgl. September 1968).
September 1968:
Die Septemberausgabe des „Roten Morgens“ erscheint mit dem Leitartikel: „Die marxistisch-leninistische Bewegung wächst und erstarkt.“ U. a. wird ausgeführt: „Die letzten Wochen, der letzte Monat brachten ein verstärktes Anwachsen, eine zunehmende Aktivierung der Arbeit der marxistisch-leninistischen Gruppen in Westdeutschland. Der totale Bankrott des modernen sowjetischen Revisionismus, seine völlige Entlarvung als 'sozial-imperialistisches System' durch den Überfall auf die CSSR, stärkten die Reihen der marxistisch-leninistischen Weltbewegung und vergrößerten die Zwietracht, die Widersprüche im revisionistischen Lager. In mehreren westdeutschen Großstädten fanden Demonstrationen statt und wurde in Flugblättern das Vorgehen der Sowjetrevisionisten und ihrer Satelliten gegen die CSSR scharf verurteilt. In einer Flugschrift der 'GRUPPE ROTER MORGEN MANNHEIM und der MARXISTEN/LENINISTEN TÜBINGEN zur Lage in der CSSR' wird der Kampf der beiden revisionistischen Linien Novotny und Dubcek in der CSSR aufgezeigt und anhand zahlreicher Fakten bewiesen, dass ... die Diktatur des Proletariats abgeschafft und ihre Liquidierung mit hohlen Phrasen überdeckt wurde …
In einer vorläufigen Erklärung der GRUPPE ROTER MORGEN MANNHEIM zur Besetzung der CSSR durch die Sowjetrevisionisten und ihre Handlanger heißt es: „Wir Kommunisten sind empört, dass die durch die sowjetrevisionistische Renegatenclique und ihrer Handlanger erfolgte Besetzung der CSSR unter dem Vorwand geschah, die leninschen Prinzipien wiederherzustellen' ... In Mannheim spaltete die sich von den Revisionisten gegründete SOZIALISTISCHE DEUTSCHE ARBEITERJUGEND. Die revolutionären Mitglieder dieser Organisation setzten den revisionistischen Vorstand ab, demonstrierten zusammen mit dem SDS und AUSS unter roten Fahnen für den Sozialismus und gegen die Intervention der Sowjetrevisionisten in der CSSR und gaben die erste Ausgabe einer 'leninistisch-antirevisionistischen' Zeitschrift heraus …“
Q: Roter Morgen, Hamburg, September 1968; Modau, Helmut: Zur Geschichte der KPD/ML und des KABD, o. O. 1979, S.3.
Ob zunächst auf Empfehlung des „Roten Morgen“ nun die „Rote SDAJ-Opposition“ herausgegeben wurde, ist eher fraglich, aber letztlich nicht mehr zu klären. Die „Rebell“-Gruppen nahmen nicht an der Gründung der KPD/ML teil, was wohl dem Konkurrenzdenken untereinander zuzuschreiben ist. Die Gründung des KAB/ML aus „proletarischen Kräften“ mit einer „proletarischen Linie des Rebell“ (vgl. „Geschichte der MLPD“ (Teil 1), S. 182) dürfte tatsächlich eine Wunschvorstellung gewesen sein. Sie ist nicht haltbar. Die ersten drei Ausgaben der „Roten SDAJ-Opposition“ beschäftigten sich primär mit den Vorgängen in Mannheim und der Spaltung der dortigen SDAJ-Gruppe. Die Artikel waren, wie Helmut Modau einmal schrieb, mit „K. M.“ unterzeichnet, was möglicherweise mit Knut Mellenthin übersetzt werden könnte. Daraus könnte auch gefolgert werden, dass der früheste „Rebell“ in Eigenregie herausgegeben wurde, was noch deutlicher auf die Tatsache hinweist, dass er nicht das Produkt von „proletarischen Kräften“ war. Und erst gar nicht der breiten Diskussion, etwa in Mannheim oder Tübingen, entsprach. Die Ausgabe 2 propagiert etwa die Theorien des „Roten Morgen“ aus seiner 1968er September-Ausgabe. Aufgefordert wurde übrigens auch dazu, den „Roten Morgen“ zu abonnieren. (vgl. September 1968).
September 1968:
Die Nr. 2 der 'Roten SDAJ-Opposition' erscheint in Mannheim. U. a. enthält sie die Artikel: „Hat die Invasion in der CSSR etwas mit Stalinismus zu tun?“, „Spaltung der SDAJ-Ortsgruppe Mannheim durch Revisionisten, Rowdys, Renegaten“ und „Zerschlagt die NATO und den Warschauer Pakt!“. Aufgefordert wurde auch dazu, den „Roten Morgen“ zu abonnieren.
Q: Rote SDAJ-Opposition Nr. 2, Mannheim, September 1968; GRW: Rebell Reprint, Frankfurt 1978,S.6ff; Modau, Helmut: Zur Geschichte der KPD/ML und des KABD, o. O. 1979.
September 1968:
Im „Roten Morgen“ vom September 1968 erscheint auch ein Artikel zum Überfall der Sowjetunion auf die CSSR. Ausgeführt wurde u. a.: „Der totale Bankrott des modernen sowjetischen Revisionismus, seine völlige Entlarvung als sozial-imperialistisches System durch den Überfall auf die CSSR, stärkt die Reihen der marxistisch-leninistischen Weltbewegung und vergrößert die Zwietracht, die Widersprüche im revisionistischen Lager …“
Q: Roter Morgen, Hamburg, September 1968.
Wie aus dem „Roten Morgen“ vom Mai 1968 hervorgeht, hatten bereits zu dieser Zeit, etwa der „Rote Morgen“ (Gruppe Mannheim), die „FSP/ML“, der „Rote Morgen“ (Gruppe Hamburg), der „Rote Morgen“ (Gruppe Karlsruhe), wobei sie wohl nichts anderes als ein Leserkreis der Zeitschrift war und später nicht mehr in Erscheinung tritt, die „Revolutionären Kommunisten Nordrhein-Westfalen“ (wer sie waren und woher die Gruppe stammte, ist ebenso ungeklärt) beschlossen, enger zusammenzuarbeiten. Ziel war es, die Gruppen zu vereinigen. Dass in dieser Zeit die Zusammenarbeit mit den „Antirevisionisten“ Mannheims enger wurde, liegt auf der Hand. Über personelle Kontinuitäten liegen indes wenige Informationen vor (vgl. Mai 1968).
Mai 1968:
Der „Rote Morgen“ aus dem Mai 1968 erklärt u. a.: „Ein entscheidender Schritt ist getan. Die zur Zeit stärksten marxistisch-leninistischen Gruppen Westdeutschlands haben beschlossen, ihre Kraft zu vereinen und zur Offensive überzugehen.“ Sie haben „beschlossen, ihre Arbeit politisch und organisatorisch mit dem Ziel der Gründung einer deutschen revolutionären marxistisch-leninistischen Partei zu koordinieren. Ihr Organ ist der Rote Morgen …“
Q: Roter Morgen, Hamburg, Juli 1968.
Mit der Ausgabe 4 der „Roten SDAJ-Opposition“ ändert die Zeitschrift ihren Namen in „Rebell“ (ehemals „Rote SDAJ-Opposition“) und wird von der „Revolutionären Jugend Marxisten-Leninisten“ (RJ/ML) herausgegeben. Woher der Name stammt, ist ungeklärt. Zu vermuten ist, dass er die Abgrenzung von der SDAJ herausstreichen sollte. Das Organ „Rebell“ wird nun zum Sprachrohr aller indifferenten Gruppen aus Mannheim. Wichtig erscheint auch der Hinweis, dass man bemüht war, „sich von der lähmenden Vormundschaft der Oma KPD (zu) befreien“, was eher auf den antiautoritären Charakter der RJ/ML verweist, was übrigens zum damaligen Zeitpunkt in der Gruppenherausbildung gang und gäbe war, wenn etwa an die frühe „Rote Garde NRW“ gedacht wird (vgl. November 1968).
November 1968:
Mit der Nr. 4 ändert die Zeitschrift „Rote SDAJ-Opposition“ ihren Namen in „Rebell“ (ehemals „Rote SDAJ-Opposition“). Herausgegeben wird der „Rebell“ von der Revolutionären Jugend (Marxisten-Leninisten) - RJ/ML. Eingangs betonen die Verfasser, dass immer mehr SDAJ-Gruppen „sich von der lähmenden Vormundschaft der Oma KPD befreien“. Der „Rebell“ versteht sich nunmehr als „ein Blatt, das den Rahmen bloßer SDAJ-Opposition überschreitet“.
Q: Rebell Nr. 4, Mannheim November 1968; Modau, Helmut: Zur Geschichte der KPD/ML und des KABD, o. O. 1979, S.10; GRW: Rebell Reprint: Auszüge aus den Jahren 1968-1970,Frankfurt 1978, S.17; Rebell Nr.1, Hamburg 1974,S.1.
Gegen die Verabschiedung der Notstandsgesetze fanden in Tübingen verschiedene Aktivitäten statt, die in der Mehrheit von Stundeten getragen wurden. Studenten verteilten, nach eigenen Angaben, Flugblätter vor Betrieben, und ein Teil des Tübinger SDS widmete sich kurze Zeit später dem Aufbau von Betriebsgruppen. Eine ähnliche Entwicklung machte übrigens die Bochumer Betriebsgruppe B 1 durch. Die „Betriebsbasisgruppen“ hatten das Ziel, ein „Informations- und Koordinationszentrum“ für die weitere Arbeit „im Proletariat“ zu schaffen. Aus dem „SDS Info“ 20 ist nicht zu entnehmen, dass es eine deutliche Abgrenzung von der „kleinbürgerlichen studentischen Denkweise“ gab. Ganz im Gegenteil. Man kann sogar von einer Identität mit den studentischen Basisgruppen sprechen. Das „Info“ war unterzeichnet mit „SDS Betriebsprojektgruppe Tübingen-RJ/ML (vgl. Mai 1968).
Mai 1968:
In Tübingen finden ebenso wie in anderen westdeutschen Universitätsstädten Aktivitäten gegen die Verabschiedung der Notstandsgesetze statt. Die Aktionen werden, laut Helmut Modau, zum Auslöser für einen Teil der SDSler, sich dem Aufbau von Betriebsgruppen zu widmen.
Während der Notstandsdemonstration werden, nach eigenen Angaben, Flugblätter vor den Betrieben verteilt und es wird ein Marsch mit ca. 100 Arbeitern zum DGB-Haus organisiert. Ein paar Lehrlinge kommen zu den Betriebsgruppensitzungen, jedoch gibt es keine Perspektive für die Betriebsarbeit. Nach den Springer-Blockaden traten einzelne Gruppen aus Tübingen, Esslingen etc. an die Tübinger Gruppe mit der Aufforderung heran, ein Informations- und Koordinationsgremium zu schaffen, das gemeinsame Aktionen leitet. So kam das ZAK (Zentrale Aktionskomitee) zustande.
Q: SDS: Info Nr. 20, Frankfurt 1969; H. Modau: Zur Geschichte der KPD/ML und des KABD, o.O. 1979,S.9.
Mai 1968:
Im „SDS Info“ 20, das in Tübingen vom SDS herausgegeben wird, heißt es: „Die Betriebsprojektgruppe des SDS Tübingen konstituierte sich nach dem Notstandsgesetzstreik (an der Universität, d. Vf.), wo Flugblätter vor den Betrieben verteilt wurden und ein Marsch mit etwa 100 Arbeitern zum DGB-Haus mit anschließender Diskussion stattfand. Diese mobilisierten meist ältere Arbeiter, die einige Male zu den Abenden der Betriebsgruppe kamen, blieben dann aber weg. Nur eine Handvoll Lehrlinge blieb weiter dabei. Die Schwierigkeiten rührten zum größten Teil von unserer Konzeptlosigkeit her. Wir hatten noch keine Erfahrung mit der Arbeiteragitation. Weder in unserer Gruppe Tübingen, noch im SDS gab es eine längerfristige Perspektive für die Betriebsarbeit. Auf den Gruppenabenden versuchten Studenten (SDSler bis hin zu Linksliberalen) aus einer abstrakten Einsicht in die Notwendigkeit der Politisierung der Arbeiter Konzepte zu entwickeln. - SDS Betriebsprojektgruppe Tübingen - RJ/ML.“
Q: SDS: Info Nr. 20, Frankfurt 1969.
Die Darstellung in der „Geschichte der MLPD“ über die Entwicklung in Tübingen im Sommer 1968 beginnt erst mit dem Herbst 1969. Ein großer Teil der Geschichte des Tübinger SDS wird darin somit unterschlagen und ist deutlich mangelhaft. Schnell geht sie zum „Roten Pfeil“ und deren angebliche „inhaltliche Gestaltung“ über, die etwa in der Parole gipfeln sollte: „Den Klassenkampf führen.“ (vgl. „Geschichte der MLPD“ (Teil 1), S. 186f.) Auch die „zunehmende Klarheit über die proletarische Linie und der Beteiligung an den Kämpfen der Arbeiterklasse“, die den Nachweis des „Einfluss von KAB/ML und RJ/ML“ bringen soll, gehört zu den deutlichen Fehlschlüssen dieser Entwicklung (vgl. Oktober 1968).
Oktober 1968:
„Im Herbst 1969 hatten sich an der Universität Tübingen sogenannte Basis- und Projektgruppen auf der Grundlage des Antiautoritarismus gebildet. Sie verbreiteten ihre Ansichten im Roten Pfeil, der im Oktober 1969 erstmalig erschien … Erst mit der Nr. 3 vom 1. Dezember 1969 änderte sich der ideologisch-politische Charakter des Roten Pfeil. Offensichtlich hatten die Marxisten-Leninisten stärkeren Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung genommen. So begann der Leitartikel: ‚Den Klassenkampf in Westdeutschland führen.’“
Q: ZK der MLPD (Hrsg.): Geschichte der MLPD, Teil 1, Stuttgart 1985, S. 186ff.
An der zur Jahreswende 1968/69 in Hamburg unter Ernst Aust gegründeten KPD/ML nahmen die Rebell-Gruppen nicht teil. Allgemein wurde der KPD/ML später von verschiedenen Fraktionen, vor allem aber durch Dickhut, vorgeworfen, dass es ihr an den „organisatorischen, politischen und ideologischen Voraussetzungen“ einer Parteigründung mangeln würde und daher ein „Bund“ und ein Theoretisches Organ die Voraussetzungen für die nachzuholende Parteigründung erst schaffen müssten. Der „Bund“ spielte in dieser Form der marxistisch-leninistischen Bewegung zu Beginn der 1970er Jahre allerdings kaum eine Rolle, es sei denn, man würde die krude Projektion Dickhuts und seiner Parteigründung (Vereinigung der „vier Organisationen“ KPD/ML (RW), KJVD (RW), RJ/ML und KAB/ML zum KABD) als solchen bzw. einer Vorstufe zu ihm verstehen.
Die Rebell-Gruppen sollen die Parteigründung der KPD/ML als „verfrüht“ bezeichnet haben, was aus der „Geschichte der MLPD“ (Teil 1) jedoch nicht hervorgeht. Dort wird nur von den „objektiven und subjektiven Bedingungen“, die für eine Parteigründung heranreifen müssten, gesprochen. Meines Wissens ist diese Aussage ausschließlich Dickhut zuzuschreiben, der in seinem „Revolutionären Weg“ (Nr. 5) „Über den Parteiaufbau“ des Öfteren diese Formulierung benutzt hatte. Damit legte er einen der Grundsteine für die spätere Behauptung, dass sich RJ/ML und KAB/ML stets bemüht hätten, diese Bedingungen für den Parteiaufbau nachzuholen. Letztlich sei dies durch die Gründung des KABD im August 1972 geschehen.
Aus welchen Gründen sich die Rebell-Gruppen nicht an der Gründung der KPD/ML beteiligten, ist daher (s. o.) nur zu vermuten. Womöglich ging es, wie so oft, um interne Streitigkeiten, die möglicherweise auch darauf hinausliefen, Aust und seinen „Roten Morgen“ als alleinige Urheber der Gründung einer marxistisch-leninistischen Partei zu favorisieren. Damit war der „Rebell“ ins zweite Glied gerückt und dürfte fortan nur die Rolle eines Konkurrenzorgans gespielt haben, wie die „Geschichte der MLPD“ (Teil 1) meint (vgl. Oktober 1985).
Oktober 1985:
„Auf der dritten zentralen Konferenz zur Parteigründungsvorbereitung im November 1968 war Ernst Aust bereit, den Druck des Rebell zu übernehmen unter der Bedingung, dass der ideologische Kampf um die Parteigründung im Rebell nicht geführt wird. Das lehnte die Mannheimer Gruppe ab, die sich dann allerdings spaltete. Ein Teil nahm an der Gründung der KPD/ML teil, ein anderer Teil scharte sich um den Rebell als selbständige Gruppe. Zur letzten zentralen Tagung vor der Parteigründung am 7./8. Dezember 1968 wurde keine kritische Gruppe (vermutlich auch der Rebell nicht mehr, d. Vf.) mehr eingeladen …“
Q: ZK der MLPD (Hrsg.): Geschichte der MLPD, Teil 1, Stuttgart 1985, S. 53f.
Die Entwicklung in Hamburg ist äußerst undurchsichtig. Wie der „Geschichte der KPD/ML-ZK“ auf den Web-Seiten des Datenbankprojekts MAO zu entnehmen ist, wetteiferten dort gleich eine Reihe von Gruppen, die sich marxistisch-leninistisch nannten, miteinander. Eine eigene Rebell-Gruppe ist aus Hamburg nicht zwingend bekannt, allerdings eine „Initiative der Gruppe Hamburg“. Ob sie die berühmte „Rebell“-Gruppe aus Hamburg war, lässt sich wohl nicht mehr endgültig recherchieren, aber zu vermuten ist, dass dort eine Reihe von Kräften die Bildung der KPD/ML nicht mittrugen und dass die im Schrifttum immer wieder genannte Gruppe aus Hamburg in diesen Kreis involviert war und sich abspaltete. Der „Hamburger Initiativausschuss zur Bildung einer marxistisch-leninistischen Liga“ mit der Zeitschrift „Links“ (von der wahrscheinlich nur eine Ausgabe erschien) warnte im Januar 1969 indes vor der Bildung der KPD/ML. Der „Rote Morgen“ polemisierte gegen diese „Liga“-Auffassung in seiner Dezember 1968/Januar 1969 Ausgabe (vgl. Dezember 1968).
Dezember 1968:
Der „Rote Morgen“, Ausgabe Dezember 1968/Januar 1969 erscheint in Hamburg mit der Titelüberschrift: „Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten gegründet.“ Die Ausgabe enthält auch den Artikel „Liga oder Partei.“ Darin wird u. a. ausgeführt: „Wer die Frage Partei oder Liga entscheiden will, sollte sich tatsächlich an die Massen, an die Arbeiter wenden. Die werden ihm schon sagen, was sie davon halten. Sie lehnen in ihrer großen Mehrheit alles was mit Liga, Bund, Verein, Union usw. zu tun hat, konsequent ab … Mit Entschiedenheit wenden wir uns gegen all jene, die uns veranlassen wollen, einen unverbindlichen Club zu gründen.“
Q: Roter Morgen, Januar 1968/Dezember 1969, Hamburg.
Gerade die Gruppenbildung in Hamburg dürfte eher darauf hindeuten, dass indifferente Gruppen die Ablösung von der Jugend- und Studentenbewegung bzw. den Bruch mit ihr, nicht so vollzogen, wie es die „Geschichte der MLPD“ (Teil 1) weismachen will. Die „Bildung einer ML-Liga“ stand im Kontrast zur Parteigründung. Deutlich wird der Gegensatz zu Aust, dem später sogar vorgeworfen wurde, ein „westdeutscher Grippa“ gewesen zu sein.
Mit wem künftig die Zusammenarbeit angestrebt werden sollte, machte eine knappe Erklärung der „Liga“ deutlich (vgl. 26. September 1968).
26.09.1968:
Laut KFR wird eine Erklärung eines Teils der Gruppen Roter Morgen Hamburg, Mannheim, Karlsruhe und Tübingen, die sich nicht an der späteren Gründung der KPD/ML beteiligen verfasst. Laut Knut Mellenthin und MLPD wird von der GRM Hamburg zur Bildung einer ML-Liga aufgerufen, wobei sich später die anderen Gruppen anschließen. Laut SALZ und KAB Hamburg entsteht die Erklärung erst am 28.9.1968.
In der Erklärung bzw. dem Rundschreiben heißt es: „Die auf den Roten Morgen orientierten Gruppen sind weder organisatorisch noch ideologisch (dazu) in der Lage, eine Partei zu gründen. Beweis dafür ist einerseits die innere Zerrissenheit der Gruppen, andererseits die meist persönlich motivierten Machtkämpfe zwischen einzelnen Gruppen. Wir sehen darin einen klaren Ausdruck mangelnder politischer Reife. Würde dennoch eine Gründung vollzogen, so würde dadurch der Sache der Arbeiterklasse unabsehbarer Schaden zugefügt. ... Die Bildung einer marxistisch-leninistischen Partei, die diesen Namen auch verdient, kann nur das Ergebnis eines langen Prozesses sein. Die Gründung muss genau zu dem Zeitpunkt vollzogen werden, wenn alle subjektiven und objektiven Bedingungen dafür herangereift sind, und nicht schon in einem Moment, der aus irgendwelchen anderen Gründen opportun erscheinen mag.“
Laut SALZ und KAB Hamburg schlug die Gruppe auch vor, die Diskussion um eine Reorganisierung der westdeutschen Marxisten-Leninisten zu eröffnen. Eine programmatische Erklärung zur Bildung einer marxistisch-leninistischen Liga wird gefordert.
Es erscheint auch der Aufruf einer „ML-Liga“, in der es heißt: „Welche Verbindungen sind etwa zu den fortschrittlichen Arbeitern, Schülern und Studenten geknüpft worden. Welchen Anteil haben die Rote-Morgen Gruppen an den politischen Kämpfen des letzten Jahres?“
Q: SALZ und KAB Hamburg: Was sind die Superlinken und wie schaden sie der Sache des Proletariats?, Hamburg 1971,S.6; Mellenthin, Knut: Einige Bemerkungen zur Vorgeschichte der KPD/ML, o. O. o.J.,S.2; ZK der MLPD (Hrsg.): Geschichte der MLPD, I. Teil, Stuttgart 1985; Klassenkampf und Programm Nr. 3, Dortmund April 1973,S.40f; Liga oder Partei, Hamburg, o. O., o. J. (1969).
Der „Rote Morgen“ wandte sich auch deutlich gegen das „Basisgruppenkonzept“ der „Liga“ und meinte vermutlich die „Rebell“-Gruppen, die später die RJ/ML und den KAB/ML bilden sollten (vgl. Dezember 1968).
Dezember 1968:
Der „Rote Morgen“, Ausgabe Dezember 1968/Januar 1969 erscheint in Hamburg mit der Titelüberschrift: „Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten gegründet.“ Die Ausgabe enthält auch den Artikel „Liga oder Partei.“ Darin wird u. a. auch gegen das „Basisgruppenkonzept“ der „Liga“ polemisiert: „Dass sie auf die Forderung nach einer Liga kommen, liegt daran, dass sie von den Massen isoliert sind. Ihre Basis liegt in Studentenkreisen, ihr Umgang sind Studenten und diese wollen … tatsächlich keine Partei …“
Q: Roter Morgen, Januar 1968/Dezember 1969, Hamburg
Selbst Dickhut gesteht zu, dass die „Liga“ eine gewisse Konkurrenz zur KPD/ML darstellte. Jedoch wurde sie von ihm später, wie die meisten Gruppen, die sich nicht seinen Positionen unterordnen wollten, als unbedeutend charakterisiert, weil sie nicht in sein Konzept einer Arbeiterpartei passte (vgl. Januar 1969).
Januar 1969:
Laut Willi Dickhut konstituiert sich in Hamburg eine Marxistisch-Leninistische Liga, die allerdings bereits zuvor tätig war. Führender Funktionär ist das Ex-KPD-Mitglied Dieter Schütt, der auch das Organ 'Links' herausgibt. Dieses erscheint, laut „Geschichte der MLPD“ (Teil 1), im Januar erstmals und letztmals. In den ebenfalls von ihm herausgegebenen „Roten Briefen“ befasst Dieter Schütt sich dieses Mal in der Nr. 12 u. a. mit den ML Westberlin. Laut H. Modau ist allerdings nicht Schütt, sondern Knut Mellenthin die eigentliche Kernfigur der Liga.
Q: Willi Dickhut: Erläuterungen zur geographischen Darstellung der ml Bewegung in der BRD. Stand Juli 1971,Solingen 1971, S.2; MLPD-ZK: Geschichte der MLPD, I. Teil, Stuttgart 1985, S.59; Rote Briefe Nr.12, Hamburg Jan. 1969; H. Modau: Zur Geschichte der KPD/ML und des KABD, o. O. 1979,S.11.
Die internen Debatten über die zukünftige Parteigründung, KPD/ML bzw. die damaligen offiziellen Darstellungen, geben Auskunft darüber, dass zwei Organisationsmodelle miteinander wetteiferten. Zum einen die Gründung einer Marxistisch-Leninistischen Partei, zum anderen ein mehr loser Zusammenschluss von eher antiautoritären Gruppen, die zunächst in den „Betriebsbasis(projekt)Gruppen“ ihre Heimat sahen. Zur ersten Gruppierung gehörten die Parteigründer, zur anderen die sog. „Rebell-Gruppen“.
Offenbar war dieser „Rote Morgen“ (Gruppe Hamburg) nicht identisch mit dem rebellischen Teil dieser Gruppe. Vermutlich war es eine Abspaltung von der Aust-Gruppe. Die nachzuholenden „subjektiven Bedingungen“, die die Rebell-Gruppen und zunehmend dann auch Dickhut in den Auseinandersetzungen um eine „VKPD/ML“ im Sommer 1970 einforderten, entsprachen der folgenden Grundlage der RJ/ML und des KAB/ML. Einheitsbestrebungen mit anderen Gruppen (allgemein genannt: Einheit der Marxisten-Leninisten) waren somit per se ausgeschlossen (vgl. Juni 1970).
Juni 1970:
Vermutlich im Juni 1970 erscheint die Nr. 21/22 des „Rebell“. Dort wird zur Diskussion um die Parteigründung der KPD/ML folgende Position eingenommen: „Die Gruppe Roter Morgen Hamburg erhob daraufhin Ende September 1969 die erste warnende Stimme und brachte zu den Problemen der Parteigründung eine umfassende Stellungnahme heraus, die eine heftige Diskussion in den Gruppen in Gang brachte.“ Es werden die Positionen wiederholt, die schon in der „Erklärung“ vom 26. September 1968 enthalten sind.
Q: Rebell Nr.21/22, Tübingen 1970; Stellungnahme der Ortsgruppe Essen der RF-Organisation, o. O. (1973); Rebell (Reprint), Frankfurt 1978.
Im „Rebell“ Nr. 21/22 wird auch zur Situation in Mannheim Stellung bezogen. Offenbar zeigte man in Mannheim keinerlei Interesse an einer Verbindung, gar Vereinigung mit der KPD/ML (vgl. Juni 1970).
1970:
Vermutlich im Juni 1970 erscheint die Nr. 21/22 des „Rebell“. Zur Situation in Mannheim wird ausgeführt: „Ausgehend von unserer Situation in Mannheim können wir die Wiedergründung der KPD nicht befürworten … ebenso wenig wie man ein Haus ohne Fundament bauen kann, können wir eine Partei ohne Kader gründen …“
Q: Rebell Nr.21/22, Tübingen 1970; Stellungnahme der Ortsgruppe Essen der RF-Organisation, o. O. (1973); Rebell (Reprint), Frankfurt 1978.
Ebenfalls positionieren sich die Tübinger im „Rebell“ Nr. 21/22 deutlich. Danach wird die Ablehnung der KPD/ML immer deutlicher und ein Alleingang der Rebell-Gruppen ist nun vorgezeichnet (vgl. Juni 1970).
Juni 1970:
Im Mai/Juni 1970 erscheint die Nr. 21/22 des „Rebell“. Zur Situation in Tübingen wird ausgeführt: „Den Einwänden der beiden Arbeitergruppen schlossen sich die Marxisten-Leninisten Tübingen an, die in einem Zirkular betonten: ‚Wir stimmen den Mannheimer Genossen voll zu, wenn sie eine Parteigründung ohne qualifizierte Kader ablehnen. Eine solche Parteigründung hätte notwendigerweise abenteuerlichen Charakter und wäre eigentlich ein aufgebauschter Papiertiger …“
Q: Rebell Nr.21/22, Tübingen 1970; Rebell (Reprint), Frankfurt 1978.
Die sog. „Rote SDAJ-Opposition“ kann als Zeitschrift bezeichnet werden, die ausschließlich für Mitglieder der SDAJ Mannheim gedacht war. Sie sollte kurze Zeit später auch weiter verbreitet werden und war vermutlich eines der vielen organisationsstiftenden Organe, was aus dem „Rebell“ Nr. 7 vom März 1969 hervorgeht. Deutlich wird das nun im Zuge der allerorts entwickelten Partei- und Kadermodelle. Der „Rebell“ scheint nun die Funktion eines überregionalen Organs einzunehmen und soll die Gruppen untereinander binden (vgl. März 1969). Eine ähnliche Rolle spielte m. E. die (West-)Berliner „Rote Pressekorrespondenz“, die die Diskussion unter den verschiedenen Gruppen zu führen gedachte und zu ihrem Ende hin als Organ der KPD/AO fungierte (vgl. März 1969; Jürgen Schröder: „Die RPK-Arbeitskonferenz 1969„)
März 1969:
Die Nr. 7 des „Rebell“ (ehemals „Rote SDAJ-Opposition“) erscheint im März 1969. Darin heißt es u. a.: „… ist es den einzelnen Gruppen nicht mehr möglich, isoliert und vollständig auf sich allein gestellt zu arbeiten. Wir brauchen eine Organisation, die die Arbeit koordiniert, Informationen unter den … verstreuten Gruppen austauscht, in der wir eine verbindliche Gesamtstrategie ausarbeiten, gemeinsame Aktionen zentral planen und durchführen … Helft uns den Rebell zu verbreiten. Baut Vertriebszirkel auf. Verkauft den Rebell im Betrieb, in der Schule, in eurer Gruppe. In Baden-Württemberg versucht das Zentrale Arbeitskomitee (ZAK) diese Arbeit aufzunehmen. Dem ZAK haben sich bisher angeschlossen: SDS Tübingen, RC Tübingen, RC Reutlingen, SC Esslingen, USG Bietigheim, Sozialistischer Lehrerbund Ludwigsburg …“
Q: Rebell Nr. 7/1969; Rebell (Reprint), Frankfurt 1978.
Den ersten Ausgaben des „Rebell“ war ein politischer Standort fremd. Allein die Abgrenzung von dem, wie es kurze Zeit später hieß, „modernen Revisionismus“ kann nicht als alleinige Bestätigung dafür angenommen werden, dass sich nun allerorts marxistisch-leninistische Gruppen herausbildeten. Andere taten das übrigens auch, wenn etwa an verschiedene Hochschulgruppen gedacht wird, die nicht zwingend eine marxistisch-leninistische Position einnahmen. Erst mit der chinesischen Kulturrevolution und der einsetzenden Polemik der Chinesen und dann auch der Albaner gegen den „Sozialimperialismus der Sowjetunion“ zwischen 1968 und 1970 begannen sich die Strömungen zu definieren. Die schon erwähnte „Oma KPD“ diskreditierte sogar, wenn man so will, eine ganze Epoche kommunistischer Politik der Weimarer Arbeiterbewegung. Der „Rebell“ selbst sprach sogar von „verschiedenen linkspolitischen Strömungen“, die nicht genuin marxistisch-leninistisch gewesen sein dürften (vgl. November 1968).
November 1968:
Ab der Nr. 4 der Zeitschrift „Rote SDAJ-Opposition“ ändert die Zeitung ihren Namen in „Rebell“ (ehemals Rote SDAJ-Opposition), die herausgegeben wird von der Revolutionären Jugend (Marxisten-Leninisten). Daraus geht nun auch hervor, dass „kritische Genossen der verschiedenen linkspolitischen Schattierungen gegen die revisionistische Führung auftreten“.
Q: Rebell Nr. 4, Mannheim November1968; Modau, Helmut: Zur Geschichte der KPD/ML und des KABD, o. O. 1979,S.10; GRW: Rebell Reprint: Auszüge aus den Jahren 1968-1970, Frankfurt 1978.
Ob die Gründung von „Initiativausschüssen“ gleichbedeutend mit der Organisationsfrage war? Zumindest spricht die Ausgabe Nr. 5 davon, „auf Bundesebene … eine marxistisch-leninistische Partei zu konstituieren“. Dem steht entgegen, dass zum Jahresende 1968 die „Erklärung des Hamburger Initiativausschuss zur Bildung einer marxistisch-leninistischen Liga für Westdeutschland und Westberlin“ explizit von der Bildung „von Initiativausschüssen“ ausgeht, die mehr an einen lockeren Zusammenhang denken lassen, wobei die „Geschichte der MLPD“ (Teil I) sich vehement dagegen ausspricht, die „Rebell“-Gruppen in Verbindung mit einer Parteigründung zu sehen (vgl. 16. Dezember 1968; Oktober 1985).
16.12.1968:
Es erscheint die „Erklärung des Hamburger Initiativausschuss zur Bildung einer marxistisch-leninistischen Liga für Westdeutschland und Westberlin.“ In dieser wird eine übereilte Parteigründung, die nach Ansicht der Genossen mit der KPD/ML bevorsteht, vehement kritisiert. Erst müsse eine programmatische Erklärung ausgearbeitet werden. Der Initiativausschuss gründete sich, laut 'RW', erst Ende des Jahres. Ihre Konzeption einer Liga erklären sie, laut MLPD u. a. in dem Organ „Links“, das nur einmal erscheint.
Ausgeführt wurde auch: „Wir müssen es erreichen, überall Initiativausschüsse zu gründen, die - auf dem Boden des Marxismus-Leninismus stehend - sich unter ihrem frei gewählten Namen paritätisch der Liga anschließen …“ Im Februar 1969 gibt es diese Gruppierung bereits nicht mehr.
Die Erklärung ist u. a. von Hans Kolbe, Dieter Schütt und Inge Jahnke unterzeichnet. Laut KFR handelt es sich hierbei um die ehemalige Gruppe Roter Morgen (GRM) Hamburg, die Ernst Aust ausgeschlossen hatte. Die Erklärung wird u. a. im „Berliner Extra Dienst“ vom 24. Dezember 1968 und im „Rebell“ Nr. 5 vom 27. Dezember 1968 verbreitet.
Q: Klassenkampf und Programm Nr. 3, Dortmund April 1973, S.41; Revolutionärer Weg Nr. 5, o.O. 1970,S.29; ZK der MLPD-ZK (Hrsg.): Geschichte der MLPD, Teil I, Stuttgart 1985, S.59; Hamburger Initiativausschuss zur Bildung einer m-l Liga für Westdeutschland und Westberlin: Erklärung, Hamburg 1968.
Oktober 1985:
In der „Geschichte der MLPD“ (Teil I) wenden sich die Verfasser ausdrücklich gegen eine Parteigründung, die nicht den Anforderungen entspricht und meinen: „Rechtzeitig warnten sie (die RJ/ML, d. Vf.) vor einer verfrühten (entsprach der Dickhutschen Konzeption) Gründung einer Partei- ohne ausreichende Kader, ohne ideologisch-politische Vereinheitlichung …“
Q: ZK der MPLD (Hrsg.): Geschichte der MLPD Teil I, Stuttgart 1985, S. 173.
Der Sammlungsprozess oder „Kommunikationsaustausch“ der verschiedenen heterogenen Gruppen dürfte ab dem Jahresende 1968 in eine wichtige Phase eingetreten sein. Möglich war, dass der „Rebell“ nun die SALZ-Konzeptionen favorisierte. Und zu vermuten ist auch, dass die „Liga“ eher dieser Konzeption entsprach, wonach all jene Gruppen den Weg zur RJ/ML fanden, die irgendwie zu dieser Linie passten („Dachverband“). Dabei dürfte es auch relativ egal gewesen sein, mit wem man sich arrangierte. Der Bruch mit der Jugend- und Studentenbewegung dürfte nicht gelungen sein, zumal die „Rebell“-Gruppen nun selbst im Kern dieser Bewegung entsprachen. Warum man sich dann gegen die „Studentenpartei“ KPD/ML wandte, wäre letztlich nur mit Eigendünkel zu erklären. Etwas Ähnliches sollte sich dann einige Monate später im Ruhrgebiet mit der „Roten Garde NRW“ fortsetzen (vgl. 27. Dezember 1968).
27.12.1968:
Die Nr. 5 des „Rebell“ (ehemals Rote SDAJ-Opposition - Revolutionäre Jugend Marxisten-Leninisten) erscheint. Sie druckt eine Erklärung von Dieter Schütt und Sigurd Debus (Hamburg) ab, in der es u. a. heißt: „Die konkrete Aufgabe ist jetzt, einen Kommunikationsaustausch aller Marxisten-Leninisten durchzuführen mit dem Ziel, auf Bundesebene und auch außerhalb der Hochschule eine revolutionäre, marxistisch-leninistische Partei zu konstituieren. Dazu ist es notwendig, die schon bestehenden Bestrebungen in eine marxistisch-leninistische Liga zusammenzuführen … Es dient nicht dem notwendigen Sammlungsprozess, wenn bereits jetzt einige Gruppen von sich aus eine Partei gründen. Unser nächstes Ziel sollte die Formierung einer Liga sein … In dieser Liga - als eine Art Dachverband der verschiedenen Gruppen und Gruppierungen - wäre es möglich die gegenwärtige Zersplitterung der marxistisch-leninistischen Linken schrittweise zu überwinden …“
Q: Rebell Nr. 5, Mannheim Dezember 1968; Weg der Partei Nr. 2, Dortmund 1974.
Das „Zentrale Aktionskomitee“ sollte die Ablösung von der Jugend- und Studentenbewegung mit sich bringen, wie „Geschichte der MLPD“ (Teil I) meint (vgl. Oktober 1985).
Oktober 1985:
Zum „Zentralen Aktionskomitee“ führt die „Geschichte der MLPD“ (Teil I) aus: „Mit der zunehmenden Klarheit über die proletarische Linie und der Beteiligung an den Kämpfen der Arbeiterklasse wuchs der Einfluss von KAB/ML und RJ/ML … Das zeigte sich schon in ihrer Beteiligung an dem Zentralen Aktionskomitee - kurz ZAK …“
Q: ZK der MLPD (Hrsg.): Geschichte der MLPD Teil I, Stuttgart 1985, S. 179.
Damit hatte sich im ZAK, wie die Verfasser der „Geschichte der MLPD“ (Teil I) meinen, unterschwellig die „proletarische Linie“ herauskristallisiert; denn gleichzeitig wurden dort „die Revisionisten entlarvt“ (vgl. Oktober 1985).
Oktober 1985:
Zum ZAK führte die „Geschichte der MLPD“ (Teil I) weiter aus: „Aber schon bald nach der Gründung gelang es marxistisch-leninistisch arbeitenden Gruppen (vermutlich waren RJ/ML und KAB/ML gemeint, d. Vf.), die Revisionisten zu entlarven und aus dem ZAK auszuschließen.“
Q: ZK der MLPD (Hrsg.): Geschichte der MLPD Teil I, Stuttgart 1985, S. 179.
Weiter positioniert sich die „Geschichte der MLPD“ (Teil I) nicht zum ZAK. Das ZAK selbst entsprach einer Betriebsprojektgruppenkonzeption, die sich zum Ziel gesetzt hatte, praktische Arbeit zu leisten. ZAK und „Rebell“-Gruppen unterschieden sich nicht in ihrer praktischen bzw. organisatorischen Tätigkeit voneinander. Daraus geht auch hervor, dass das „Informations- und Koordinationsgremium“ womöglich keine andere Funktion als die der praktischen Unterstützung anderer Gruppen hatte. Auch die „Bochumer Betriebsgruppe 1“ (B1) und die späteren „Reisekader“ der Berliner „Ruhrkampagne“ kamen 1969 übrigens diesen Bedürfnissen verschiedener SALZ-Gruppen nach gemeinsamen Aktionen im Ruhrgebiet nach (vgl. 1969).
1969:
Es erscheint das „SDS-Info“. 20 Ausgeführt wird: „Als die Studentische Bewegung verstärkt auch auf die Schüler, Lehrlinge und Jungarbeiter übergriff, bildeten sich auch in Städten ohne Universität spontan ROs, SOs und APO-Gruppen. Z. B. in Esslingen und Reutlingen nach der Springer Blockade. Diese Gruppen kamen des Öfteren zu uns und baten uns um Hilfe: Schickt unbedingt Leute zur Sprengung einer Veranstaltung her, oder: Schickt Referenten zu dem und dem Thema. Um die Information und Koordination unter diesen Gruppen zu gewährleisten, schlossen sich die Gruppen enger zusammen. Dieser anfangs noch lose Zusammenschluss im ZAK (Zentrales Aktionskomitee) soll die Vereinzelung der Gruppen, die in den Städten ohne Universität politisch arbeiten, aufheben.“
Q: SDS Info 20, Tübingen, 1969.
Die SDS-Betriebsprojektgruppe Tübingen - RJ/ML formierte sich einerseits aus dem Notstand heraus, nicht genügend Kader für ihre praktische Tätigkeit bereitzustellen und entsprach andererseits dem Bedürfnis und dem Ruf von verschiedenen Gruppen, sich mehr mit der Praxis am Ort zu beschäftigen. Das eigentliche Ziel des ZAK war ein rein praktisches. Und das Umfeld war eindeutig die Jugend- und Studentenbewegung. Zu vermuten ist auch, dass die SDS Projektgruppe Tübingen und ZAK-Gruppen, die später den KAB/ML konstituierten, wobei die Grenzen fließend gewesen sein dürften, sich auch in den Strukturen (Basisarbeit von unten) nicht von den anderen SDS-Gruppen in der damaligen BRD unterschieden (Umfunktionieren von Wahlveranstaltungen, Aktionen gegen Mietwucher usw.). Der „Rebell“ als „Mitteilungsorgan“ entsprach dann auch eher einer der vielen AStA-Zeitungen in der BRD - etwa „Bochumer Studentenzeitung“(vgl. 22. Februar 1969).
22.02.1969:
In Tübingen beginnt, laut RJ/ML, die erste zweitägige Arbeitstagung des zunächst auf Baden-Württemberg beschränkten Zentralen Arbeitskomitees (ZAK), auf der u. a. beschlossen wird, den durch die RJ/ML herausgegebenen „Rebell“ als Mitteilungsorgan des ZAK zu verwenden. Thema der Tagung ist „Kritik der KPF-Politik“. Das Organ des ZAK: „ZAK-Info 1. Mitteilung für die Gruppen des Zentralen Aktionskomitees“ wird verantwortet von Thomas Quest in Tübingen (später KAB (ML), danach KABD-ZKK-Mitglied).
Berichtet wird in der ersten Nummer u. a. vom Sozialistischen Club Esslingen und von Kaderschulungen in Tübingen. Ein längerer Bericht beschäftigt sich auch mit der Betriebsprojektgruppe Tübingen, die sich nach den Aktionen gegen die Notstandsgesetze (NSG, d. Vf.) in Tübingen konstituierte. Das ZAK sollte dem Bericht folgend Informations- und Koordinationszentrale werden. Der zunächst relativ lose Zusammenschluss verfestigte sich in den kommenden Wochen und Monaten. Später gab es sog. ZAK-Seminare, die alle zwei Monate in Tübingen stattfanden. Weitere „ZAK-Infos“ wurden uns bisher aber nicht bekannt.
Q: Rebell Nr. 10, Mannheim Juni 1969; ZK der MLPD (Hrsg.): Geschichte der MLPD, I. Teil, Stuttgart 1985,S.179; ZAK-Info 1,Tübingen 1969; SDS-Info 20, Tübingen 1969.
Die praxisorientierte Seite des ZAK, die wohlwollend von der „Geschichte der MLPD“ (Teil I) mit zunehmender Klarheit in der „proletarischen Linie“ hofiert wird, dürfte sich bis Ende 1969 nicht verändert haben (vgl. 1969).
1969:
Das „SDS-Info“ 20 führt zur Praxis der ZAK Gruppen aus: „Auf diesen Sitzungen wird einmal über die Praxis der einzelnen Gruppen diskutiert …“ Es wird debattiert etwa für „Aktionen gegen unhaltbare Zustände in einem Lehrlingsheim, Diebstahl in einem Lehrlingsheim (rechtliche Beratung und Unterstützung vor Gericht), dann gemeinsame Aktionen der ZAK-Gruppen, z. B. Umfunktionieren des Ostermarsches und die Aktion ‚Für einen roten 1. Mai‘ in Mannheim und Stuttgart.“
Q: SDS Info 20, Tübingen, 1969.
Im April 1969 fand in Tübingen ein Kontaktgespräch zwischen verschiedenen Gruppen statt, an dem das ZAK teilnahm. Hier ging es nur darum, den „Linken“ eine Perspektive zu vermitteln, wobei auch hier die Tätigkeit des ZAK klar auf die „kleinbürgerliche Bewegung“ ausgerichtet war (vgl. April 1969).
April 1969:
In der Nr. 8/1969 des „Rebell“ vom April 1969 führen die Verfasser zum ZAK aus: „Am 10. April fand in Tübingen ein Kontaktgespräch zwischen süddeutschen Schülergruppen und Sprechern des ZAK statt. Auf Seiten der Schüler nahmen an dem Gespräch Gruppen teil aus Stuttgart, Mannheim, Ulm, Heilbronn, Karlsruhe, Biberach, Rottweil und weiteren Städten. Die Vertreter des ZAK wiesen darauf hin, dass das Zentrale Aktionskomitee es sich vor allem zur Aufgabe gemacht hat, die vielfältige und oft zersplitterte Arbeit der Linken Gruppen zu koordinieren, mit ihnen gemeinsame Aktionen durchzuführen, wichtige Informationen auszutauschen, beispielhafte Arbeitsmodelle zu entwickeln und die Zusammenarbeit zwischen Jungarbeitern und Lehrlingen, Schülern und Studenten zu festigen. Linke Gruppen und Einzelpersonen wenden sich … an Thomas Quest.“
Q: Rebell Nr. 8/1969.
Im Juni 1969 schließlich war der „Rebell“ (Nr. 10) voll des Lobes für das ZAK. Er meinte sogar, dass mit ihm die Probleme der „sozialistischen Gruppen der APO“ gelöst seien. Deutlich wird hier auch, dass der Konkurrenzgedanke zur KPD/ML Überhand gewann und die „Gruppen der APO“ hofiert wurden (vgl. Juni 1969).
Juni 1969:
In der Nr. 10/1969 des „Rebell“ vom Juni 1969 formulierte der „Rebell“ im Artikel: „Scheinradikale Aktion des DGB entlarvt. Lehrlingstreffen in Köln“: „Der Bericht über das Zentrale Aktionskomitee (ZAK) stieß auf reges Interesse, das das ZAK gegenwärtig die einzige revolutionäre Organisation in der BRD ist, die das Problem, wie sich die sozialistischen Gruppen der APO zusammenschließen sollen, im Ansatz gelöst hat. Das ZAK umfasst antikapitalistische, antiimperialistische und antirevisionistische Gruppen …“
Q: Rebell Nr. 10/1969.
Der „Rebell“ ist spätestens hier nichts anderes mehr als ein „Mitteilungsorgan des ZAK“ (vgl. Juni 1969).
Juni 1969:
In der Nr. 10/1969 vom Juni formulierte der „Rebell“ im Artikel „Scheinradikale Aktion des DGB entlarvt. Lehrlingstreffen in Köln“ u. a.: „Die erste Arbeitstagung (wohl des ZAK, d. Vf.) fand am 22./23. Februar in Tübingen statt. Dort wählten die Gruppen u. a. den „Rebell“ zum Mitteilungsorgan des ZAK.“
Q: Rebell Nr. 10/1969.
Der „Rebell“ vom Januar 1969 (Nr. 6) brachte den ersten Teil zur Gewerkschaftsfrage. In der Beurteilung der DGB-Gewerkschaften unterschieden sich die „Rebell“-Gruppen nicht von den meisten anderen Gruppen. Für sie waren sie typische Opportunisten, reformistisch und reaktionär. Der Trend zu einer „Revolutionären Gewerkschaftsopposition“ (RGO) war unverkennbar. (vgl. Januar 1969).
Januar 1969:
Im „Rebell“ (ehemals Rote SDAJ-Opposition) Nr. 6 vom Januar 1969 erscheint Teil 1 zur „Gewerkschaftsfrage“. Dort führen die Verfasser u. a. aus: „Die Gewerkschaften sind reformistisch und weitgehend reaktionär … Revolutionäre Gewerkschaftsarbeit darf nicht darin bestehen, sich mit den existierenden Gewerkschaften zu identifizieren. Für eine rote Gewerkschaftspolitik.“
Q: Rebell Nr. 6/1969.
Die RGO oder zumindest die „rote Gewerkschaftspolitik“, was immer darunter zu verstehen war, musste auch als Aufhänger für die Debatte mit der DKP herhalten. Selbige hatte, so der „Rebell“, die „Linkswende“ der Komintern kritisiert und die RGO als „linkssektiererisch“ bezeichnet (vgl. Januar 1969).
Januar 1969:
Im „Rebell“ (ehemals Rote SDAJ-Opposition) Nr. 6 vom Januar 1969 erscheint Teil 1 zur „Gewerkschaftsfrage“. Zur RGO nimmt die Zeitung folgende Position ein: „Dieser Beschluss, eine selbständige Gewerkschaftsorganisation RGO zu entwickeln … wird heute von der offiziellen revisionistischen Geschichtsschreibung abgelehnt …“
Q: Rebell Nr. 6/1969.
Im 2. Teil zur „Gewerkschaftsfrage“, der im „Rebell“ Nr. 7 vom März 1969 veröffentlicht worden war, ging es nur noch um die Zementierung dieser Positionen. Der Artikel, der durchgängig aus Zitaten von Lenin bestand, war wohl dazu gedacht, das alte Konzept der Betriebsbasisgruppen rundzuerneuern, sich aber auch eine Tür für eine mögliche Neubewertung dieser Frage offen zu halten (vgl. März 1969).
März 1969:
Im „Rebell“ Nr. 7 vom März 1969 erscheint Teil 2 zur „Gewerkschaftsfrage“. Hier geht es nur noch eine Abgrenzung von der DKP/KPD. Die „Revisionisten würden (in dieser Frage, d. Vf.) reine Nachtrabpolitik betreiben“ und hängen sich an die „jeweils gängige kleinbürgerliche Bewegung an“. Sie sind zu „offenen Vertretern des Revisionismus geworden … Der Fehler dieser revisionistisch-reformistischen Theorie liegt darin, dass sie die Machtfrage völlig ignoriert.“ Die Marxisten-Leninisten vertreten „die Notwendigkeit des revolutionären Weges gegenüber den gefährlichen utopischen Träumereien der Revisionisten vom friedlichen Übergang.“
Q: Rebell Nr. 7/1969.
Teil 3 zur „Gewerkschaftsfrage“ beschäftige sich mit der „Mitbestimmungsfrage“, wie sie allerorts debattiert und in vielen Artikelserien der verschiedenen Zentralorgane behandelt wurde. Eine etwaige andere Standortbestimmung, die den Artikeln aus den Nummern 6 oder 7 widersprechen würde, gab es nicht. In der Nr. 8 aus dem April 1969 wurde gegen die SPD und deren „Mitbestimmungsentwurf“ gewettert. Hier hielten sich die Positionen zur SPD noch Grenzen (vgl. April 1969).
April 1969:
Im April 1969 erscheint die Nr. 8 des „Rebell“. Dort ist auch Teil 3 zur „Gewerkschaftsfrage“ enthalten. Die Verfasser führen dort aus: „Die einzige Alternative zur Mitbestimmung am grünen Tisch besteht in der Entwicklung einer selbständigen sozialistischen Arbeiterpolitik, die Nah- und Fernziel konsequent und richtungsweisend miteinander verbindet. Weder von der SPD noch von den etablierten Gewerkschaftsbürokratien wird solch eine Alternative kommen.“
Q: Rebell Nr. 8/1969.
Die Positionen zu den Einzelgewerkschaften des DGB bekamen in der Nr. 9/1969 des „Rebell“ eine gänzlich andere Wendung. Im 4. Teil zur „Gewerkschaftsfrage“ waren die (sozialdemokratischen) Gewerkschaftsführer nicht nur „opportunistisch“, sondern „sozialfaschistisch“. In einem Kommentar zum Ostermarsch 1969 in Hamburg hatte sich der „Rebell“ in seiner April-Nummer nun auch über die „Sozialfaschisten“ mokiert. Die Formulierung war eindeutig von KPD und Komintern der 1930er Jahre entlehnt. Und auch deren Charakterisierung der Sozialdemokratie als „sozialfaschistisch“ sollte übernommen werden. Damit hatte der „Rebell“, der in der „Geschichte der MLPD“ stets als Vorreiter für eine „proletarische“ Bewegung genannt worden war, die Einschätzung der KPD/ML-ZB zur SPD vorweggenommen. Auch wird wiederum deutlich, dass die „eigenen (roten) Gewerkschaften“ nun favorisiert wurden. (vgl. April 1969; Mai 1969).
April 1969:
Die Nr. 4/1969 des „Rebell“ aus dem April erscheint. U. a. wird auch zum „Ostermarsch“ Stellung bezogen. In einem Bericht aus Hamburg heißt es zur SPD: „Die Sozialfaschisten, die auch rote Fahnen und Transparente zerfetzten, zogen sich erst zurück, als andere Genossen hinzukamen …“
Q: Rebell Nr.4/1969.
Mai 1969:
Die Nr. 9/1969 des „Rebell“ erscheint. U. a. enthält er Teil 4 zur „Gewerkschaftsfrage“. Ausgeführt wird dort u. a.: „Die opportunistischen und sozialfaschistischen Gewerkschaftsführer haben den Klassenkampf in die Sackgasse der ‚Konzertierten Aktion‘ geführt. Diese Politik orientiert die Bedürfnisse der Lohnabhängigen ausschließlich an den Interessen der Herrschenden … Im DGB vollzieht sich seit seiner Gründung ein ständiger Kampf zwischen den reformistischen (‚linken‘) einerseits und den zum Sozialfaschismus tendierenden Kräften andererseits. Natürlich ist es unsere Aufgabe, die Gewerkschaften gegen den Zugriff der Sozialfaschisten zu verteidigen.“
Weiter formulieren die Verfasser: „Nach unserer Auffassung ergibt sich für die revolutionären Kräfte die Notwendigkeit, die Organisierung eigener Gewerkschaften ins Auge zu fassen.“ Wir müssen eine „Massenbasis gewinnen“, die es „uns ermöglichen könnte, an den Aufbau revolutionärer Gewerkschaften zu gehen … Erst wenn es uns durch die politische Arbeit innerhalb und außerhalb der Gewerkschaften gelungen ist, eine wirkliche Massenbasis zu gewinnen … wird die Parole: Raus aus der opportunistischen Gewerkschaft, rein in die revolutionäre Gewerkschaft richtig sein.“
Q: Rebell Nr. 9/1969.
Wie falsch man die sog. „Arbeiterkontrolle“ verstehen konnte, dafür lieferte der „Rebell“ in seiner Ausgabe Nr. 9 vom Mai 1969 ein eklatantes Beispiel. Zur Orientierung sei gesagt, dass es vor allem W. Dickhut in der Auseinandersetzung mit dem ZB der KPD/ML und speziell der „Bochumer Betriebsgruppe 1“ war, der damit ihren „Trotzkismus“ beweisen wollte. Der Streit um diese Frage entzündete sich an der kruden Behauptung, dass diese und ähnliche Gruppierungen die Arbeiter im Produktionsprozess „kontrollieren“ würden oder wollten. Diese Auffassung schien dem „Rebell“ nicht fremd zu sein. Übrigens war der Terminus der „Produktionskontrollen“ gang und gäbe in der Jugend- und Studentenbewegung und schon gar nicht primär eine trotzkistische Auffassung.
Dass sie eine Änderung der kompletten Arbeitsorganisation eines Unternehmens voraussetzen würde (Einsicht in die Geschäftsbücher, Einspruchsrecht bei Einstellungen und Entlassungen, Kostenkalkulation, Wahl von speziellen Betriebskomitees, Ablösung der vom Unternehmer eingesetzten Abteilungsleiter oder Werksmeister etc. durch die Arbeiter selbst usw.), war den meisten gegen sie wetternden Gruppen nicht klar. Mit einer trotzkistischen Losung hatte die „Arbeiterkontrolle“ gar nichts zu tun. Sie stammte auch nicht von Leo Trotzki. Sie war sogar Teil einer sog. „Übergangsforderung“ der Doppelherrschaft der Bolschewiken aus der vor-russischen Oktoberrevolution von Februar bis ca. Juni/Juli 1917. Ernest Mandel hatte sie u. a. später im Zuge des Pariser Mai (1968) neu formuliert. Das war dem „Rebell“ total fremd. Ging es ihm doch nur darum, zu verdeutlichen, dass die „Arbeiterkontrollen“ (die Zeitung wählte übrigens den Plural) zu nichts führen würde. (vgl. Mai 1969).
Mai 1969:
Die Nr. 9/1969 des „Rebell“ erscheint im Mai 1969. Darin wird auch zur sog. „trotzkistischen Arbeiterkontrolle“ von Ernest Mandel Stellung bezogen. Die Verfasser meinen: „Ohnehin weiß jeder auch nur etwas klassenbewusste Arbeiter, dass der Kapitalist gar nicht daran denkt, seine Karten auf den Tisch zu legen, geschweige sich denn in den Kram reden zu lassen … Warum sollten wir die Arbeiter dazu ‚erziehen‘, halbe Lösungen anzustreben (sich kontrollieren zu lassen, d. Vf.), sich mit dem Kapitalismus irgendwie zu arrangieren … sind die Arbeiter aber erst bewußtseinsmäßig in der Lage, eine Arbeiterkontrolle zu erzwingen, so sind sie schon so fortgeschritten, dass es unsinnig wäre, bei dieser Forderung stehen zu bleiben.“
Q: Rebell Nr. 9/1969.
Vehement wettert die „Geschichte der MLPD“ (Teil I) gegen die „Arbeiterkontrolle in der Produktion“ und versteht sie ebenfalls so falsch, wie man nur etwas falsch verstehen kann. Sie sei nicht nur „revisionistisch“ und „trotzkistisch“, sondern auch „kleinbürgerlich“. Warum das so sein sollte, wird nie erläutert (vgl. Oktober 1985).
Oktober 1985:
In der „Geschichte der MLPD“ (Teil I) heißt es zur „Arbeiterkontrolle“: „Das Konzept der Arbeiterkontrolle ist fester Bestandteil trotzkistischer und revisionistischer Politik, während sie vom Marxismus-Leninismus schon immer als Illusion und Irreführung der Arbeiter abgelehnt wurde. Damit (mit der „Arbeiterkontrolle“, d. Vf.) zementierten sie ihre „kleinbürgerliche Denkweise“.
Q: ZK der MLPD (Hrsg.): Geschichte der MLPD Teil I, Stuttgart 1985, S. 126ff.)
In Fragen der Kaderschulung (plus Organisation) übernahm der „Rebell“ vollständig das Basisgruppenkonzept der Jugend- und Studentenbewegung (siehe auch „Ruhrkampagne“). Dort wurden die Klassiker studiert und über das weitere Vorgehen bei der Betriebsagitation beraten (vgl. August 1969).
August 1969:
Vermutlich im August 1969 erscheint die Doppelnummer 11/12 des „Rebell“. Ausgeführt wurde u. a.: „Die Losung muss lauten: Organisierung an der Basis, Hineintragen des Klassenkampfes in den Betrieb, Schule und Universität …“
Q: Rebell Nr. 11/12 1969.
Die Kaderschulung bestand im Wesentlichen also darin, dass einige Werke der Klassiker zur Hand genommen und geschult wurden. Die Kaderschulung sollte „Arbeiterkader“ heranbilden, die aus der „Linken“ kamen und die „die Mängel ihrer Arbeit erkannt hätten“ (vgl. August 1969).
August 1969:
Vermutlich im August 1969 erscheint die Doppelnummer 11/12 des „Rebell“. Ausgeführt wird u. a.: „Der Schwerpunkt unserer Kaderschulung ist es, Arbeiterkader heranzubilden, die in der Lage sind, die Widersprüche des Spätkapitalismus am konkreten Beispiel … aufzuzeigen … Wir haben- um unsere ideologisch-politische Linie zu festigen - mit dem Studium von Mao Tse-tungs Schrift ‚Über den Widerspruch‘ begonnen … Mit den Ergebnissen unserer Kaderschulung hoffen wir, unsere Agitproparbeit wirksamer gestalten und die Massenarbeit allmählich weiten zu können … Organisieren, Kader heranbilden, Vorwärts mit der Kaderschulung.“
Q: Rebell Nr. 11/12 1969.
August 1969:
Vermutlich im August 1969 erscheint die Doppelnummer 11/12 des „Rebell“. Ausgeführt wird u. a.: „Schnell erkannten die Genossen die Mängel ihrer Arbeit, analysierten die Lage gründlich und kamen zu der Einsicht, dass man die aktivsten Linken zu einem Kader zusammenschließen müsste, um den politischen Arbeitsstil (zu) verbessern und die organisatorische Effektivität erhöhen zu können …“
Q: Rebell Nr. 11/12 1969.
Natürlich kam man nicht darum herum, die allerorts blühende Arbeit unter den Lehrlingen (denn sie waren nun mal die Zielgruppe der Zeitung „Rebell“) in die Schulungskonzeption mit einzubeziehen. Ein taktischer Schachzug also, der die Arbeit im Proletariat aufwerten sollte. Identisch sind in etwa die Aussagen aus dem „Rebell“ 11/12 (s. o.) mit dem „SDS Info“ 20 (vgl. Mai 1968)
Mai 1968:
Im „SDS Info“ 20 führen die Verfasser aus: „Aus unserer politischen Linie ergibt sich für uns nur eine Zusammenarbeit derjenigen Kader und Gruppen, die eindeutig auf der Grundlage des Marxismus stehen … Der nächste Schritt soll die Zusammenfassung der politisch bewussten Lehrlinge in den einzelnen Gruppen zu einem Kader sein. Diese Kader haben die Aufgabe nach der Führungsmethode ‚Aus den Massen schöpfen, in die Massen tragen‘, Konflikte in Betrieb, in Lehrlingsheimen, in der Freizeit usw. aufzugreifen, zu vermitteln und weiterzutreiben, d. h. immer mehr Lehrlinge und Jungarbeiter zu mobilisieren, zu politisieren und zu organisieren, immer mehr klassenbewusste Arbeiter heranzubilden und den Klassenkampf vorwärtszutreiben. Um dies zu leisten, müssen sich die einzelnen Kader in einer überregionalen Organisation zusammenschließen.“
Q: SDS Info 20, Tübingen, 1969.
Die gesamte „Parlamentarismusdebatte“, die mit dem „Rebell“ Nr. 10 vom Juni 1969 eröffnet worden war, war jene, die vom SDS bereits geführt worden war und von den „Rebell“-Gruppen übernommen wurde. Teil I beschäftigte sich mit dem Thema „Vom bürgerlichen Staat zur Diktatur des Proletariats“, wobei man sich im Wesentlichen auf Marx und Lenin berief und sie interpretierte. Es fällt hier auf, dass die staatstragenden Parteien mit keinem Wort erwähnt wurden (vgl. Juni 1969).
Juni 1969:
Vermutlich erscheint im Juni 1969 die Nr. 10 des „Rebell“. Dort lautet ein Artikel: „Unsere Einschätzung des Parlamentarismus - Vom bürgerlichen Staat zur Diktatur des Proletariats“ (Teil I). Dort führen die Verfasser u. a. aus: „Der Staatsmacht dienen als Hauptwerkzeug der Gewaltausübung die Polizei und das stehende Heer … Neben der Polizei und dem stehenden Heer als direkte Machtinstrumente steht der Bourgeoisie ein Heer von Beamten als Organe der Gesellschaft über der Gesellschaft zur Verfügung. Diese Bürokratie, die die Tendenz zur Ausweitung in sich trägt und für Korruption äußerst anfällig ist … hat die Aufgabe, die unterdrückten Klassen im Sinne der Bourgeoisie zu verwalten …“
Q: Rebell Nr. 10/1969.
Auch zu den Wahlen bzw. zum Wahlboykott gingen die Statements des „Rebell“ nicht über die allgemeinen Formulierungen der „Linken“ resp. des SDS hinaus. Auch hier fällt besonders in Auge, dass man es nicht für nötig hielt, Aussagen zu den bürgerlichen Parteien zu machen (vgl. August 1969).
August 1969:
Vermutlich erscheint im August 1969 die Doppelnummer 11/12 des „Rebell“. Zum „Wahlboykott“ wird folgende Auffassung vertreten: „Keine Stimme dem bürgerlichen System. Leistet aktiven Wahlboykott … Bürgerliche Parlamente taugen im günstigsten Falle höchstens zur Aufklärung, revolutionär-proletarische Mehrheiten kommen dort kaum zustande … Wir sagen: Aktiver Wahlboykott! Diese Kampfform hat bereits Lenin entwickelt. In unserer gegenwärtigen Situation ist diese leninistische Kampfform genau das Mittel, um das parlamentarische System der bürgerlichen Verschleierung und Manipulation bloßzustellen und den werktätigen Massen und der Jugend Klarheit über ihre wirkliche Lage zu verschaffen.“
Q: Rebell Nr. 11/12 1969.
Teil II zu „Unsere Einschätzung des Parlamentarismus“ erschien in der August-Nummer des „Rebell“ (11/12). Dort standen die „Diktatur des Proletariats“ im Mittelpunkt und die „Zwei-Klassen“-Theorie. Abermals unterließ es der „Rebell“, sich zu den staatstragenden Parteien zu äußern. Auch hier sind die Ähnlichkeiten mit Verlautbarungen des SDS absolut nicht von der Hand zu weisen. (vgl. August 1968).
August 1969:
Vermutlich erscheint im August 1969 die Doppelnummer 11/12 des „Rebell“. Zur „Diktatur des Proletariats“ heißt es: „Der Kampf des Proletariats und seiner Partei gegen die bürgerlichen Rechten war der Kampf zweier Linien: Festhalten an der Diktatur des Proletariats und Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft oder Restauration des ausbeuterischen kapitalistischen Systems … Der Widerspruch zwischen den beiden Klassen, den beiden Wegen, den beiden Linien in einer sozialistischen Gesellschaft konnte nur durch eine Methode gelöst werden … durch die Kulturrevolution proletarischen Typs … Die Diktatur des Proletariats ist eine Staatsform mit den drei wesentlichen Merkmalen: Direktive- von unten kommende Initiativen des Volkes, direkte Bewaffnung der Volksmassen, direkte Abwählbarkeit der Volksbeauftragen.“
Q: Rebell Nr. 11/12 1969.
Teil III zu „Unsere Einschätzung des Parlamentarismus“, im Untertitel: „Der bürgerliche Manipulationsapparat“, wurde in der Nr. 13/1969 vom September veröffentlicht. Dort wurde mit Agnoli ebenso argumentiert wie mit Marx, was in der Studentenbewegung nun keine Seltenheit darstellte, sondern selbstverständlich war (vgl. September 1969).
September 1969:
Im September 1969 erscheint die Nr. 13/1969 des „Rebell“ u. a. mit Teil III von „Unsere Einschätzung des Parlamentarismus“. U. a. heißt es zu den staatstragenden Parteien: „Aber wir müssen das Wesen solcher Organisationen wie DGB, SPD und DKP (wobei, wie beim „Roten Morgen“, das K mit Anführungszeichen versehen ist, d. Vf.) erkennen. Sie sind zum größten Teil dem Bürgertum auf den Leim gegangen, sind weitgehend korrumpiert, vertreten nur noch in schwachem Maß die Sache des Proletariats oder überhaupt nicht mehr, sind arbeiterverräterisch und verrichten die schmutzige Arbeit der Herrschenden, der Ausbeuter und Unterdrücker. Sie leugnen den Widerspruch zwischen Lohnarbeit und Kapital, leugnen, dass Klassen bestehen, und versuchen, den Klassenkampf zu dämpfen.“
„… ebenso braucht der moderne Verfassungsstaat den „staatstreuen, den Rahmen der Ordnung, peinlich beachtenden, vertrauenden und das ist (der) unmündige Bürger auf politischer Ebene …“ (Agnoli).
Q: Rebell Nr. 13/1969.
Teil IV der Artikelserie „Unsere Einschätzung des Parlamentarismus“ mit dem Untertitel „Der bürgerliche Manipulationsapparat“ erschien in der Oktober-Ausgabe des „Rebell“ (Nr. 14/1969). Die Zeitung wurde nun zum gemeinsamen Organ des KAB/ML und der RJ/ML. Auch dieser Teil blieb, streng genommen, den SDS-Theorien treu. Frei nach dem Untertitel eines seiner Plakate, auf dem Marx, Engels und Lenin abgebildet waren („Alle reden vom Wetter, wir nicht“), schien Agnoli richtungsweisend in Sachen Charakterisierung des bürgerlichen Staates zu sein. Durchaus wird hier die Stamokap-Theorie eines Teils der Studentenbewegung aufgefrischt (Vgl. Oktober 1969).
Oktober 1969:
Im Oktober 1969 erscheint die Nr. 14/1969 des „Rebell“. U. a. mit Teil IV von „Unsere Einschätzung des Parlamentarismus.“ Ausgeführt wird u. a.: „Sie sind Ordnungsparteien (gemeint waren die im Parlament vertretenden Parteien, d. Vf.), d. h. sie sorgen mit den Herrschenden zusammen, und oft wegen ihres Scheincharakters, besser noch als diese, für Ruhe und Ordnung. Sie betreiben also das Geschäft derer, die aus dem sozialen Frieden allein ihren Nutzen ziehen …“
„Anders gesagt: Das der Antagonismus staatlich-politisch von den Parteien nicht mehr vertreten wird, findet die Reproduktion nur des einen Pols der Gesellschaft statt, dessen Macht antagonistisch sonst in Frage gestellt wäre.“ (Agnoli)
Q: Rebell Nr. 14/1969.
Zum 1. Mai 1969 trat die KPD/ML erstmalig in einigen Städten der BRD als Partei auf. Auch in Hamburg, wo die dortige „Rebell“-Gruppe entstand. Die Tatsache, dass im „Rebell“ keine Auseinandersetzung über ihr Auftreten dort und in anderen Städten geführt wurde, legt die Vermutung nahe, dass sie völlig ignoriert wurde. Stattdessen beschäftige sich der „Rebell“ allgemein mit dem Auftreten linker Gruppen bei den Maiaktionen. Im Leitartikel des „Rebell“ Nr. 9 (Mai 1969) lautete der Leitartikel: „Der 1. Mai ist wieder Rot!“ Die Maikampagne war die des damaligen SDS; sie wurde in den vom „Rebell“ genannten Orten (etwa: Mannheim, Heidelberg, Stuttgart, Darmstadt oder Hamburg) von den SDS-Basisgruppen ins Leben gerufen. Der „Rebell“ verstand sich als Teil dieser Gruppen. So ist auch ihr Kampf gegen die „Gewerkschaftsbürokratie“ zu verstehen. Das Auftreten der Jugend- und Studentenbewegung im Rahmen der SDS-Kampagne „Für einen roten 1. Mai 1969“ verbuchte die RJ/ML dann auch als ihren Erfolg (vgl. Mai 1969).
Mai 1969:
Die Nr.9 des 'Rebell' (vgl. April 1969, Juni 1969) berichtet u. a. über den 1. Mai („Der 1. Mai ist wieder rot“) in Mannheim, Heidelberg, Stuttgart, Darmstadt und Hamburg. Die Verfasser schrieben: „Es stellte sich heraus, dass die Linke auf Anhieb nahezu gleichviel, in manchen Fällen sogar mehr Demonstranten um sich scharen konnte, als die Gewerkschaftsbürokratie … Durch den roten 1. Mai ist Linke Westdeutschlands und Westberlins gestärkt worden … Jetzt kommt es darauf an, den Kampf an der Basis, d. h. in Betrieb, Schule und Universität mit neuem Elan zu führen.“
Q: Rebell Nr.9,Mannheim Mai 1969.
In der Auseinandersetzung mit der KPD/ML, die wohl 1968/69 die Messlatte gewesen sein dürfte, betrat dann der „Rebell“ mit der Ausgabe 11/12 (1969) vom August die Bühne seines Unfehlbarkeitsanspruches, den man bisher nur vom „Roten Morgen“ her kannte. Er nahm die Dickhutsche Diktion aus der „Geschichte der MLPD“ (Teil I) und der kleinbürgerlichen Deutung des Rests der Bewegung vorweg und erklärte sich selbst zum progressiven Architekten der ML-Bewegung (vgl. August 1969).
August 1969:
Die im August 1969 erscheinende Doppelnummer 11/12 des „Rebell“ enthält auch den Artikel: „Erklärung der Revolutionären Jugend-Marxisten-Leninisten. Gegen die bürokratisch-dogmatischen Spalter in der westdeutschen marxistisch-leninistischen Bewegung.“ Ausgeführt wurde u. a.: „Gewisse Leute in der KPD/ML, Ernst Aust an ihrer Spitze, versuchen mit allen Mitteln - mit Lügen z. b. in der bürgerlichen Presse - Verwirrung in der ML-Bewegung zu stiften, um die Situation dafür auszunutzen, Genossen, die eine proletarische Kritik vorbringen, zu überrumpeln und sie an ihre führende bürokratisch-dogmatische Fraktion zu binden … Vertreter der Revolutionären Jugend/Marxisten-Leninisten bemühten sich, die von den bürokratisch-dogmatischen Kräften bewusst herbeigeführte Spaltung der ML-Bewegung zu überwinden und übernahmen Anstrengungen, Gespräche mit der KPD/ML über eine gemeinsame Plattform aller marxistisch-leninistischen Gruppen vorzubereiten.
Die Aust-Fraktion, die kurz zuvor die kläglichen Überreste der ‚Liga‘, bestehend aus undurchsichtigen Elementen, deren ideologische Skala vom Trotzkismus bis zum Irrationalismus reicht, aufgesogen hat, glaubt nun, mit der RJ/ML ähnlich verfahren zu können … Gegen den Bürokratismus, Dogmatismus und Pseudo-Maoismus! Kämpft mit der RJ/ML in der KPD/ML gegen die heimlichen Spalter …“
Q: Rebell Nr. 11/12 1969.
Dadurch hintertrieb der „Rebell“, wie alle anderen Gruppen auch, die Einheit der Marxisten-Leninisten bereits schon zu einem sehr frühen Stadium und stellte sich nicht als die Gruppe heraus, die die „Prinzipien der Vereinigung“ auf proletarischer Grundlage als erste formulierte. Der „ideologische Kampf“ verkam somit zu übersteigerten stereotypen Gegenbildern mit schon dämonischer Übersteigerung (vgl. Oktober 1985).
Oktober 1985:
In der „Geschichte der MLPD“ (Teil I) nehmen die Verfasser auch zur zum „Rebell“ und seinen Aktivitäten hinsichtlich des „ideologischen Kampfes“ Stellung. Ausgeführt wird u. a.: „Von Anfang an führten die Genossen den ideologischen Kampf gegen rechte und linke Abweichungen vom Marxismus-Leninismus - in der eigenen Organisation und in der sich marxistisch-leninistisch nennenden Bewegung in Westdeutschland.“
Q: ZK der MLPD (Hrsg.): Geschichte der MLPD Teil I, Stuttgart 1985, S. 175.
Und doch kam der „Rebell“ nicht darum herum, der vielfach gescholtenen „kleinbürgerlichen Bewegung“ sogar etwas Positives abzugewinnen, ganz im Gegenteil zu Dickhut und der „Geschichte der MLPD“, die es stets vermieden, sich ihr überhaupt anzunähern (vgl. November 1969).
November 1969:
In der Nr. 15/1969 des „Rebell“ erscheint auch der Artikel: „Die kleinbürgerliche Studentenbewegung und der proletarische Kampf.“ Dort wird auch u. a. ausgeführt: „Die kleinbürgerliche Studentenbewegung hat das Verdienst, die mit dem Kampf der Klasse des Kleinbürgertums Leistungszwänge und Autoritätskonflikte bewusst gemacht zu haben … Das Hauptziel der kleinbürgerlichen Studentenbewegung ist es, die individuelle Emanzipation zu verwirklichen …“
Q: Rebell Nr. 15/1969.
Die späteren Auseinandersetzungen um den sog. „Spalter-Rebell“, der von Rainer Strähle (ehem. Mitglied der Ortsgruppe Mannheim der RJ/ML) in gleicher Aufmachung im Juni 1970 herausgegeben worden war, warf 1969 bereits seine Schatten voraus. Es zeigte sich nämlich, dass die späteren Verunglimpfungen des KAB/ML und der „Geschichte der MLPD“ (Teil I) gegenüber ehemaligen Mitstreitern kein Zufall waren. Waren sie es doch gerade, die später Strähle zum Vorwurf machen sollten, dass er Mitglied der OG Mannheim des „Deutschen Freidenkerverbandes“ gewesen war und ihn somit vorverurteilten. Dass im Juli 1970 auf einem Delegiertentag des KAB/ML die „linkssektiererische Strähle-Gruppe“ ausgeschlossen wurde, war das Ende dieses Schauspiels (vgl. April 1969).
April 1969:
Die Nr. 8 des „Rebell“ berichtet u. a. im Leitartikel „Ostermarsch 1969 - Die Linke ergreift die Initiative“ über die Ostermärsche in Stuttgart, Mannheim, Heidelberg, Hamburg und Düsseldorf. Abgegrenzt wird sich wiederum von den Trotzkisten. In Mannheim sei in der ehemaligen Gewerkschaftsjugendgruppe 'Rosa Luxemburg' eine trotzkistische Fraktion vorhanden, ebenso aber auch eine antitrotzkistische und zugleich antirevisionistische. Aus der OG Mannheim des Deutschen Freidenkerverbandes sei der RJ/MLer und 2. Vorsitzende der OG Rainer Strähle ausgeschlossen worden.
Q: Rebell Nr.8, Mannheim April 1969.
Selten war es 1969 nicht, dass die Versuche der Abgrenzung zu den Maoisten, Züge annahmen, die mitunter zur Volksbelustigung ausarten mussten. Woher die Informationen des „Rebell“ etwa zur „NBBD“ kamen, bleibt auch nachhaltigen Recherchen verschlossen. Ähnlich wie der „Rote Morgen“ oder etwa die „Rote Fahne“ der MLPÖ und noch später etwa der „WBK“ oder „GDS“ verfielen diese Geschichten doch eher einem modernen Modepöbel, wobei man nicht wusste, was ernst gemeint war und wer eigentlich verunglimpft werden sollte (vgl. Mai 1969).
Mai 1969:
Die Nr. 9/1969 des „Rebell“ erscheint im Mai 1969. U. a. enthält die Ausgabe auch den Artikel: „Seltsame Genossen.“ Dort wurde auch zu einer sog. „Nationalen Befreiungsbewegung Deutschlands“ (NBBD) Stellung bezogen. „Mini-Organisationen mit fragwürdiger Zielsetzung und noch fragwürdigeren Geldquellen schießen wild ins Kraut, bei denen man oft nicht mehr zu sagen vermag, ob nun der Verfassungsschutz, die Revisionisten oder gar beide die Hände im Spiel haben. Manche dieser Grüppchen geben sich streng ‚maoistisch‘, andere suchen bei den Trotzkisten Rückhalt und wiederum andere bieten von allem etwas an … Die ‚NBBD‘ gibt eine deutschsprachige Zeitschrift „Meinung“ heraus, die von London aus nach Westdeutschland verschickt wird … Die ‚NBBD‘ ist darauf berechnet, mit nationalrevolutionärer Phraseologie und patriotischen Parolen nützliche Idioten für die Ziele der Revisionisten einzufangen… Unter anderem propagiert die ‚NBBD‘ ein sozialistisches Großdeutschland unter Einschluss Österreichs und der Schweiz …
Bemerkenswert ist, dass die ‚NBBD‘ trotz ihrer offenen revisionistischen und anti-chinesischen Zielsetzung Verbindung zu ‚maoistischen‘ Zirkeln in Westdeutschland nicht nur gesucht, sondern auch bereits gefunden hat … Wer sind die ‚Maoisten‘, von denen wir gerade sprechen? Die ‚NBBD‘ würde mit zwei Gruppen zusammenarbeiten: Mit „Der Wahrheit“, Werner Heuzeroth“ und der „Internationalen Korrespondenz, Horst Ackermann“ …
Die „Wahrheit“ war zunächst das Sprachrohr einer Gruppe ‚maoistischer Kleinbürger‘, die Anfang 1967 die zur trauriger Berühmtheit gelangten ‚Freien Sozialistischen Partei/Marxisten-Leninisten‘, kurz FSP/ML, gründeten, später aber der von ehemaligen (?) KP-Funktionären geführten Mini-Partei KPD/ML, beitraten. Chefideologe und Herausgeber der Wahrheit ist gegenwärtig Lothar Denzel …, der sich als fanatischer Wirrkopf und strammer ‚Maoist‘ gibt … In Verbindung mit der ‚Wahrheit‘ ist Denzel bemüht eine uniformierte Rote Garde auf die Beine zu stellen … Daneben betätigt sich Denzel als Verbindungsmann der ‚NBBD‘ für Westdeutschland. Er versorgt diese Organisation mit Adressenmaterial und schreibt … Leiartikel für die ‚Meinung‘ …
Der Psychopath H. J. Ackermann, dessen ‚IKs‘ (Internationale Korrespondenz, d. Vf.) seit kurzem mit dem anmaßenden Untertitel ‚Schrift der Roten Garde Deutschlands‘ erscheint, arbeitet mit der Sekte um das Blättchen ‚Wahrheit‘ eng zusammen. Eine kurze Zeit war es sogar im ZK der FSP/ML … Ackermann ist geistig krank und wird wahrscheinlich vom Verfassungsschutz ausgenutzt.“
Q: Rebell Nr. 9/1969.
Nun dürfte das Auftauchen des KAB/ML im „Rebell“ zeitlich in den Zusammenhang mit den Septemberstreiks 1969 gebracht werden. Zuvor hatte sich der „Rebell“ in der Ausgabe 13/1969 (September) mit einer „15%-Forderung … im Lohnkampf“ solidarisch erklärt. In seiner Ausgabe 14/1969 vom Oktober lautete der Leitartikel: „Die Arbeitermassen gehen zum Angriff über!“ Vermutlich hatten die Septemberstreiks für die „Rebell“-Gruppen eine ähnliche Signalwirkung wie sie vom „Roten Morgen“ bekannt wurde, der seinerzeit in seiner Septemberausgabe 1969 die „Arbeiterklasse“ sprechen ließ, die den „kleinbürgerlichen-revolutionären APO Mythos“ hinwegfegte und symbolisch Marcuse und Co. für tot erklärten und zu Grabe trugen (vgl. September 1969).
September 1969:
In der Septemberausgabe des „Roten Morgen“ wird zu den Septemberstreiks 1969 im Leitartikel: „Jetzt spricht die Arbeiterklasse“ u. a. ausgeführt: „Ein weiterer bürgerlicher Mythos ist zusammengebrochen, der Mythos, dass die westdeutsche Arbeiterklasse angeblich völlig integriert sei, kein Klassenbewusstsein mehr habe und nicht mehr kämpfen könne. Die umfassendste Streikbewegung seit 1963 hat diesen bürgerlichen Mythos, der auch in der kleinbürgerlich-revolutionären APO-Bewegung weit verbreitet ist, innerhalb einer Woche völlig zerfetzt und vom Tisch gefegt …“
Q: Roter Morgen, Hamburg, September 1969.
Die RJ/ML verstand sich bis zum Jahresende 1969 als Teil der Linken und, zu diesem Zeitpunkt, nicht etwa als Jugendorganisation des KAB/ML. Das „Revolutionäre“ in der Gruppe war sozusagen eine offene Kampfansage an die KPD/ML und die Rote Garde. Das erklärt auch, warum die Gefolgschaft des nun entstehenden KAB/ML sozusagen vom Himmel fiel. Der KAB/ML, der zunächst nirgendwo anders zum Vorschein kam, wurde erstmals in der Nr. 14/1969, in der Oktoberausgabe des „Rebell“, mit einem Flugblatt des KAB/ML Mannheim zur Bundestagswahl genannt (vgl. Oktober 1969).
Oktober 1969:
Es erscheint als gemeinsames Organ des KAB/ML und der RJ/ML der „Rebell“ Nr. 14/1969 mit dem Leitartikel: „Die Arbeitermassen gehen zum Angriff über.“ Eine Begründung dafür wird nicht angegeben. Auch der KAB/ML, hinter dem sich die Führungsgruppen der RJ/ML Mannheim und Tübingen verbergen, wurde bisher nicht vorgestellt. Verantwortlich zeichnet Thomas Quest in Tübingen. Zur Veröffentlichung gelangt auch erstmals ein Flugblatt des KAB/ML Mannheim zur Bundestagswahl. Auch die OG Würzburg der KPD/ML-ZK (vgl. Sept. 1970) berichtet von der KAB-Gründung.
Q: Rebell Nr. 14/1969; KPD/ML-ZK-OG Würzburg: Rote Front Nr.6, Würzburg September 1970,S.2; Helmut Modau: Zur Geschichte der KPD/ML und des KABD, o.O. 1979,S.46; ZK der MLPD (Hrsg.): Geschichte der MLPD, I. Teil, Stuttgart 1985,S.41f und S.175.
Natürlich hatte die „Geschichte der MLPD“ (Teil 1 und 2) großes Interesse daran, den Gründungsakt des KAB/ML zu verschleiern und ihn mit den Septemberstreiks in Verbindung zu bringen; denn das gab dem KAB/ML erst die richtige „proletarische Herkunft“ (vgl. September 1969).
September 1969:
Vermutlich im September wird der „Kommunistische Arbeiterbund (Marxisten-Leninisten)“ (KAB/ML) aus der RJ/ML heraus gegründet. Seine ca. ein Dutzend Mitglieder sind zunächst in Mannheim und Tübingen tätig. Die MLPD berichtet: „Sogleich begann der KAB(ML) an den Hochschulen in Tübingen, Stuttgart und anderen Städten über Basis- und Projektgruppen Studentengruppen aufzubauen, die sich am Marxismus-Leninismus orientierten.“
Q: ZK der MLPD (Hrsg.): Geschichte der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands, II. Teil,1. Halbband, Düsseldorf 1986, S.117f.
Die Ausgabe des „Rebell“ 15/1969 vom November stand nun ganz im Zeichen des KAB/ML. Im Leitartikel des Organs „Rebell - Organ des KAB/ML und der RJ/ML“, so der genaue Titel, wurde der KAB/ML, der eine zentrale Kundgebung in Mannheim organisiert hatte, schon hofiert (vgl. November 1969).
November 1969:
Die Nr. 15/1969 des „Rebell“ als gemeinsames Organ des KAB/ML und der RJ/ML erscheint mit dem Leitartikel: „Unterstützt die zentrale Kundgebung der Marxisten-Leninisten gegen die US-Aggression in Vietnam! Der Kommunistische Arbeiterbund (Marxisten-Leninisten) und die Revolutionäre Jugend (Marxisten-Leninisten) veranstalten am 15. November 1969 … in Mannheim eine zentrale Kundgebung …“
Q: Rebell Nr. 15/1969.
Die letzte Ausgabe im Jahr 1969, die Nr. 16, die im Dezember erschien, sah den KAB/ML bereits als führende Gruppe des ZAK, obwohl er definitiv zu diesem Zeitpunkt dort nur eine Gruppe unter vielen war. Zudem ging es immer noch um die Vereinheitlichung der „antirevisionistischen und antitrotzkistischen“ Gruppen (vgl. Dezember 1969).
Dezember 1969:
Die Dezember-Ausgabe des „Rebell - Organ des KAB/ML und der RJ/ML“ erscheint. Zum ZAK wird u. a. ausgeführt: „Erneut fand eine Tagung des Zentralen Aktionskomitees (ZAK) statt. An dieser Arbeitstagung nahmen mehrere aktiv in der politischen Arbeit tätigen Lehrlings- und Betriebsgruppen, vor allem dem süddeutschen Raum, teil. Diese Gruppen, die eine antirevisionistische und antitrotzkistische Politik betreiben, arbeiten eng mit dem KAB/ML und der RJ/ML zusammen …“
Q: Rebell Nr. 12/1969.
Es verwundert nun auch nicht mehr, dass die Gruppenformierung gleich um zwei weitere fortgesetzt wurde. Zum einen entstand mit dem „Roten Pfeil“ die KSG als Studentengruppe des KAB/ML (vgl. 20. Oktober 1969; 25. November 1969; 1. Dezember 1969), zum anderen entstand das „Rote Signal“, das Organ der Marxistisch-Leninistischen Schülergruppen, allerdings zu einem deutlich späteren Zeitpunkt (vgl. Januar 1971).
20.10.1969:
Die Nummer 1 des „Roten Pfeils“ erscheint in Tübingen. Herausgegeben wird sie von folgenden Basis- und Projektgruppen: Medizin, Naturwissenschaften, Anglistik, Jura, Psychologie, Schülerprojektgruppen, Projektgruppe Verwertung, Betriebsgruppe. Diese Gruppen haben sich, laut MLPD (2), erst im Herbst gebildet (vgl. Okt. 1969). Der Hauptartikel lautet: „Zur Lage der Studienanfänger.“
Q: Roter Pfeil Nr.1,Tübingen 20.10.1969; ZK der MLPD (Hrsg.): Geschichte der MLPD, I. Teil, Stuttgart 1985, S.187.
25.11.1969:
Die Nr. 2 des „Roten Pfeils“ erscheint an der Uni Tübingen. Herausgegeben wird sie von folgenden Gruppen: Basis- und Projektgruppen Naturwissenschaften, Medizin, Jura und Psychologie, Projektgruppe Lehrerausbildung, Schülerprojektgruppe, Betriebsgruppe (Marxisten-Leninisten). U. a. wird dazu aufgerufen, „die Wahlen zu den Gremien der Grundordnung der Universität zu boykottieren“.
Q: Roter Pfeil Nr. 2, Tübingen 25.11.1969; ZK der MLPD (Hrsg.): Geschichte der MLPD, I. Teil, Stuttgart 1985,S.187.
01.12.1969:
In Tübingen erscheint der „Rote Pfeil“ Nr. 3. Der Hauptartikel lautet: „Den Klassenkampf in Westdeutschland führen: Das heißt proletarischer Internationalismus“. Im „Roten Pfeil“ wird, laut H. Modau, ab Dezember 1969 bis zum Herbst 1970 die Auseinandersetzung mit der Jugend- und Studentenbewegung geführt. Dabei bewegte sich der „Rote Pfeil“ ganz im Rahmen der Organisations- und Intellektuellenfrage. Herausgeber des „Roten Pfeils“ waren die Basis- und Projektgruppen an der Universität Tübingen. Unter ihnen war auch die Betriebsgruppe (Marxisten-Leninisten), hinter der sich der KAB/ML verbarg.
Q: H. Modau: Zur Geschichte der KPD/ML und des KABD, o.O. 1979,S.52; ZK der MLPD (Hrsg.): Geschichte der MLPD, I. Teil, Stuttgart 1985,S.188.
Januar 1971:
Die Nr. 1/1971 des „Roten Signal - Organ der Marxistisch-Leninistischen Schülergruppen“ erscheint mit dem Leitartikel: „Kampf dem Angriff auf unsere demokratischen Rechte.“ Vermutlich handelt es sich hierbei um die erste Ausgabe überhaupt.
Q: Rotes Signal Nr. 1/1971.
Es zeigt sich anhand der Dokumente deutlich, dass die „Rebell“-Gruppen in den Jahren 1968 und 1969 Teil der Jugend- und Studentenbewegung waren. In allen Fragen, etwa in der Parlamentarismusdebatte, der Gewerkschaftsfrage, des Basisgruppenkonzepts oder der Kaderschulung, waren sie in dieser „kleinbürgerlichen Bewegung“ involviert, lehnten sich an deren Konzepte und Theorien an.
Selbiges gilt auch für das ZAK. Das ZAK bemühte sich sogar nach Kräften der „kleinbürgerlichen Bewegung“ organisatorische Hilfestellung zu leisten bzw. ihr die dafür notwendigen Mittel (etwa: Kader) zur Verfügung zu stellen. Das ZAK behandelte die „Intellektuellenfrage“ im Sinne der Zuordnung zur Jugend- und Studentenbewegung und war Fortsetzer dieser. Ihre Interessen waren die Interessen des ZAK.
Die frühe RJ/ML entstammte der Kampagnen des SDS. Es ist nicht daran zu zweifeln, dass sie das Basisgruppenkonzept bis zum Ende des Jahres 1969 mit trug. Die RJ/ML verstand sich sogar als ein wesentlicher Teil der „Linken“ und war ein Sammelbecken für antirevisionistische und antitrotzkistische Gruppen jedweder Couleur. Auch sie führte mit ihnen den (gemeinsamen) Kampf gegen die „Gewerkschaftsbürokratie“ und verfocht das RGO-Konzept und den Aufbau selbständiger Gewerkschaften. Eine Broschüre mit dem Titel „Für eine rote Gewerkschaftspolitik“ (siehe „Rebell“, Nr. 10 vom Juni 1969) belegt das deutlich.
Für den frühen „Rebell“ waren überdies die Sozialdemokraten und die Gewerkschaftsführer „Sozialfaschisten“. Insgesamt lässt sich diese und ähnliche Nomenklatur in ihrer Programmatik zu jener Zeit in die deutliche Sprache des SDS und der Basisgruppen einordnen. Diese Charakterisierung wurde allerdings später (ab 1970) nicht mehr, wie etwa bei der KPD/ML-ZB, zur Theorie erhoben.
In Fragen des Parteiaufbaus lief die Konzeption auf eine „Liga“ oder einen „Bund“ hinaus. Damit standen die „Rebell“-Gruppen deutlich im Kontrast zur KPD/ML. Der Aufbau einer eigenständigen Gruppierung stand somit nichts mehr im Wege. Die „Rebell“-Gruppen waren eine Konkurrenzorganisation zur KPD/ML und verstanden sich auch als solche. Wie der „Rote Morgen“, so deklarierten auch sie sich als die alleinige Vertretung der Marxisten-Leninisten in der BRD.
Die Tatsache, dass es dem „Rebell“ nicht gelang, eine Begründung für seine Konstituierung zu veröffentlichen, legt den Verdacht nahe, dass er sich damit nur der vorherrschenden Strömung, unbedingt eine Partei schaffen zu wollen, anpasste. Selbiges würde für den „Roten Pfeil“ und auch für das „Rote Signal“ gelten (Studenten- und Schülerorganisation).
Die Überwindung der „kleinbürgerliche Zirkelmentalität“ seitens der RJ/ML und des KAB/ML (vgl. ZK der MLPD (Hrsg.): Geschichte der MLPD. Parteiaufbau vom KABD zur MLPD, II Teil, 1. Halbband, Düsseldorf 1986, S. 64ff.) entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Mythos, der über die Jahre hinweg vom KABD und der MLPD gefeiert wurde.
Die „Kleinbürgerlichkeit“ der „Rebell“-Gruppen, der RJ/ML und des KAB/ML, war die Basis des KABD. Die MLPD, die sich als „proletarische Partei“ versteht, die auf „proletarischer Grundlage“ entstanden sein soll, bleibt den Gegenbeweis bis zum heutigen Tage schuldig.
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