Zentrale Leitung des KABD:
"Schluss mit der Froschperspektive - Mehr Planmäßigkeit in unserer Arbeit. Analyse der Leitungstätigkeit der Zentralen Leitung des KABD" (1978)

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Dietmar Kesten, Gelsenkirchen, 17.11.2020

Vom Kommunistischen Arbeiterbund Deutschlands (KABD) erscheint im Juni 1978 die Broschüre: "Schluss mit der Froschperspektive". In der Vorbemerkung führt die Zentrale Leitung (ZL) u. a. aus: "Die große Perspektivaufgabe nach dem 3. ZDT ist, die Kritik Selbstkritik-Bewegung über den Rahmen einer Kampagne weiterzuführen und zu einer umfassenden Bewegung zu entfalten.' Dieser Auszug aus der Resolution des 3. ZDT kennzeichnet die Richtung und Methode, den Zirkelzustand im KABD zu überwinden und den Sprung in den Organisationszustand zu vollziehen. In KABD und seinen Jugendorganisationen einen wirklichen Durchbruch in parteimäßiger Richtung zu erlangen. Je mehr die Mitglieder und Leitungen unserer Organisationen sich bemühten, ihrer Hauptaufgabe nachzukommen, die Kämpfe der Arbeiterklasse zu entfalten, umso deutlicher wurde die Notwendigkeit, im Rahmen der Kritik-Selbstkritik-Bewegung eine schwerpunktmäßige Konkretisierung vorzunehmen und die gesamte Organisation darauf zu konzentrieren. Dieses Ziel konnte nur erreicht werden durch eine umfassende Analyse der Auswirkungen der Leitungstätigkeit an der Basis, verbunden mit einer selbstkritischen Untersuchung der inneren Ursachen in der Leitungstätigkeit der Zentralen Leitung. Diese Untersuchung und die daraus gezogenen Schlußfolgerungen sollen der Entwicklung der Leitungstätigkeit und damit der Organisation die Richtung weisen." (Vgl. Juni 1978)

Die ZL erklärt, ohne die Debatte in den Landesverbänden abzuwarten, bereits im September, dass die Broschüre "noch nicht in den Landesleitungen verankert" sei". (Vgl. September 1978)

Im November 1978 nimmt dann die Landesleitung Bayern (München) des KABD wohl als erste Gruppe in ihrer "Dokumentation" Stellung zur "Frosch-Broschüre". Und sie hegt Zweifel an der "Stoßrichtung der Broschüre" und erklärt auch, dass über sie "kein Meinungskampf" stattfinden würde. "Die ZL lässt die Auseinandersetzung nicht zu, weil sie nicht in der Lage ist, sie selbst zu führen". (Vgl. November 1978),

Die sog. "Frosch-Broschüre" wurde nicht von allen Mitgliedern im KABD geteilt. Sie stieß sogar teilweise auf erheblichen Widerstand, etwa in den Ortsgruppen München, Ulm, Aschaffenburg, Erlangen, Nürnberg, Schweinfurt, Würzburg, Saarbrücken, Düsseldorf, Neunkirchen, um einige zu nennen. Aber auch in KSG und im RJVD stieß die Broschüre auf Widerstand. Die Landesleitung Bayern des KABD meinte erneut im Dezember 1978: "Die LL Bayern sieht in der 'Frosch-Perspektiv-Broschüre' keinen Lösungsvorschlag für die anstehenden Probleme. (Vgl. Dezember 1978)

Die Zentrale Leitung und die Zentrale Kontrollkommission sieht sich gezwungen am 20.12. die Kritik des LV Bayern mit dem Hinweis zurückzuweisen, da dies "ein Angriff auf die ideologisch-politischen Grundlagen des KABD" sei. Der Angriff würde auch im Zusammenhang mit der Fraktionierung des LV stehen. Dafür sei Gerd Flatow verantwortlich. Der LV, vor allem die OG München, habe die Ansicht verbreitet, dass die Broschüre der ZL "rechtsopportunistisch und zu bekämpfen sei, weil sie auf eine Ablehnung der revolutionären Theorie hinauslaufe". ZL und ZKK geben daher bekannt: "Alle Mitglieder, die die Fraktionstätigkeit mit GLF aktiv betrieben haben, sind ohne vorheriges Untersuchungsverfahren (…) ausgeschlossen". (Vgl. 20. Dezember 1978)

Interessant ist dabei, dass auf einer Konferenz in Bayern im Spätsommer 1978 von ZL/ZKK das Scheitern der "Kritik-Selbstkritik-Bewegung", die die propagandistische Arbeit des KABD voranbringen sollte, erklärt worden war. Gleichzeitig wurde die Richtigkeit der Broschüre erklärt und ein neuer Perspektivplan propagiert, die "Große Initiative". (Vgl. Februar 1981)

Auszug aus der Datenbank "Materialien zur Analyse von Opposition" (MAO)

20.05.1978:
Von der ZKK des KABD wird als Entwurf das Papier: "Untersuchung der Leitungstätigkeit der ZL des KABD. Mehr Planmäßigkeit in unserer Arbeit" vorgelegt. Das Papier wird im Juni als ZL-Broschüre "Schluß mit der Froschperspektive" erscheinen. In dem Papier der ZKK wird die Situation der Organisation als "bedrohlich" dargestellt, "die man in allgemeinen als eine Zuspitzung der Handwerkelei und des Praktizismus bezeichnen muß". So hätte sich "eine gefährliche Perspektivlosigkeit eingeschlichen, die unsere Initiative lähmt". Die Mehrheit der Ortsgruppen des KABD würden die "Bedeutung der ideologisch-politischen Grundlagen der Organisation völlig unterschätzen", es würde "Hilflosigkeit bei der Analyse grundsätzlicher ideologischer, politischer, ökonomischer und organisatorischer Probleme" vorherrschen, es würde "kein ideologischer Kampf geführt werden", es gebe "Einbrüche von reformistischen und revisionistischen Anschauungen". In den OG sei "eine gefährliche Ausweitung des Zirkelzustandes, ja sogar bürokratische Erscheinungen" festzustellen. Seit dem Sommer 1975 würden im KABD vermehrt auftreten:
- Handwerkelei,
- ökonomistische Tendenzen,
- Resignation,
- Zerfallserscheinungen,
- liquidatorische Angriffe,
- tiefster Subjektivismus.
Diesen Subjektivismus müsse die ZL "gemeinsam mit der ganzen Organisation" überwinden. Es würde darum gehen, die "Froschperspektive" zu überwinden um somit "mehr Planmäßigkeit in unserer Arbeit" zu erreichen.
Quelle: KABD-ZKK: Untersuchung der Leitungstätigkeit der ZL des KABD, o.O. 20.5.1978.

Juni 1978:
Es erscheint von der ZL des KABD die Broschüre: "Schluss mit der Froschperspektive - Mehr Planmäßigkeit in unserer Arbeit. Analyse der Leitungstätigkeit der Zentralen Leitung des KABD". Die Broschüre will die große Perspektivaufgabe nach dem 3. ZDT, die Kritik Selbstkritik-Bewegung über den Rahmen einer Kampagne weiter führen" und "eine umfassende Bewegung entfalten". Artikel der Broschüre sind:
"I. Die Situation an der Basis ist geprägt vom Kampf gegen Handwerkelei und Praktizismus.
1. Werden unsere ideologisch-politischen Grundlagen systematisch angeeignet und angewendet?
2. Wird unsere Politik und Taktik der Entfaltung der Kämpfe der Arbeiterklasse erfolgreich verwirklicht?
3. Ist die Organisation ein wirksames Instrument unserer praktischen Tätigkeit?
4. Bilden Demokratie und Zentralismus eine lebendige Einheit?
5. Wirkt Kritik und Selbstkritik als Entwicklungsgesetz?
II. Die Organisation ist so gut wie ihre Leitung
1. Entspricht die Leitungstätigkeit den objektiven Anforderungen?
2. Wie äußert sich der Subjektivismus in der Leitungstätigkeit der ZL?
3. Was ist der Nährboden des Subjektivismus, was hält ihn in der Leitungstätigkeit so hartnäckig?
III. Schluß mit der Froschperspektive-Mehr-Planmäßigkeit in der Arbeit!
IV. Machen wir die Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit zum Brennpunkt unserer Tätigkeit!"
Q: ZL des KABD: "Schluss mit der Froschperspektive. Mehr Planmäßigkeit in unserer Arbeit. Analyse der Leitungstätigkeit der Zentralen Leitung des KABD, o. O., Juni 1978.

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24.06.1978:
Mit dem 24./25. Juni 1978 ist im KABD, laut MLPD(2), die Untersuchung der Leitungstätigkeit der Zentralen Leitung (ZL) abgeschlossen. Das Ergebnis war u.a. die Broschüre der ZL zur "Froschperspektive". Einerseits treiben Zirkelzustand und Zirkelarbeitsweise einem Höhepunkt zu, andererseits existieren unübersehbare Keime der parteimäßigen Arbeit. Das ist der charakteristische Widerspruch für den Zustand in unserer Organisation. Die Keime des parteimäßigen Arbeitens sind die Grundlage für die Weiterentwicklung des KABD."
Q: MLPD-ZK: Geschichte der MLPD, II.Teil, 2.Halbband, Düsseldorf 1986, S. 383.

15.09.1978:
Papier der ZL des KABD: "Stand der Umsetzung der Broschüre 'Schluß mit der Froschperspektive'". Der Bericht enthält eine Auswertung der Landesfunktionärskonferenzen und der OL-Treffen, sowie einzelne Berichte und Stellungnahmen. Als Fazit wird festgestellt: "Die Broschüre ist noch nicht in den Landesleitungen verankert. Die Aneignung in den Landesverbänden ist zum größten Teil der Eigeninitiative überlassen. Von den Aufbaugebieten liegen keine Kenntnisse vor."
Q: KABD-ZL: Stand der Umsetzung der Broschüre Schluß mit der Froschperspektive. o.O. 15.9.1978.

November 1978:
Es erscheint die "Dokumentation der Landesleitung Bayern des KABD. Im Abschnitt: "Kritik der Landesleitung des KABD", wird auch zur "Frosch-Broschüre" Stellung genommen. Dort heißt es u. a.: "Wir sind der Meinung. dass es an der Zeit ist, offen über einige brennenden Fragen zu sprechen. Wir bitten Euch um eine offene und ehrliche Auseinanderersetzung über die Broschüre 'Schluss mit der Froschperspektive' und unsere Kritik an ihr. Wir lehnen im Wesentlichen die Schlussfolgerungen ab da sie das Problem nicht an der Wurzel packen und ähnlich angelegt sind wie die Arbeitsstilkampagne. (…) Es ist allzu offensichtlich, dass die mangelnde Aneignung des ML und der Linie des KABD bei der ZL und allen Mitgliedern das Haupthindernis zur Lösung aller ideologischen, politischen und organisatorischen Probleme darstellt."
Q: KABD: Dokumentation der Landesleitung Bayern des KABD, o. O. November 1978, S. 16ff.

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Dezember 1978:
Es erscheint von der Landesleitung Bayern das Papier "Vertrauensfrage (Entwurf)". Inhalt des Papiers ist u. a. eine Kritik an der "Frosch-Perspektiv-Broschüre". Man sehe hier "keinen Lösungsvorschlag für die anstehenden Probleme". Kritik wird auch an der "Großen Initiative" des KABD geübt. Der Landesverband Bayern werde "keinen Arbeitsplan der ZL mehr umsetzen, da sie sich außersande sieht, auf Grundlage einer verkehrten Ausrichtung zu arbeiten".
Q: Landesleitung Bayern des KABD: Vertrauensfrage (Entwurf), o. O., (Dezember 1978).

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16.12.1978:
Resolution der Ortsgruppe Aschaffenburg des KABD, in der die Broschüre der ZL "Schluß mit der Froschperspektive" heftig kritisiert wird. Sie soll "insgesamt schwerwiegende Fehler und Mängel" enthalten.
Q: KABD-OG München: Richtigstellungen. Zu den Behauptungen und Anschuldigungen von ZL und ZKK anhand von Dokumenten, München 1979, S. 3.

17.12.1978:
Eine außerordentliche Mitgliederversammlung des KABD in Bayern spricht sich gegen die "Froschperspektive"-Broschüre der ZL aus und fordert, "dass die bereits begonnene Umsetzung der ZL-Broschüre sofort einzustellen ist". Die erwähnte Broschüre war seit ca. Juli 1978 im KABD diskutiert worden. Vor allem von den OGs München, Aschaffenburg, Erlangen, der KABD-Landesleitung und von Vertretern der KSG wird scharfe Kritik am KABD geübt.
Q: KABD-Bayern-Letzte gewählte Landesleitung: Zum letzten Geleit. Zur Auflösung des Landesverbandes Bayern des KABD, o.O. 1979.

20.12.1978:
Es erscheint von der Zentralen Leitung/Zentrale Kontrollkommission die "Mitteilung Nr. 1". An die Leitungen des KABD, RJVD und der BKI-Kollektive zur sofortigen Verlesung an alle Mitglieder". Erklärt wird u. a, dass der LV "grundsätzlich falsche Ansichten" vertrete. So wird kritisiert: "Die Broschüre der ZL 'Schluss mit der Froschperspektive…' sei rechtsopportunistisch und zu bekämpfen, weil sie auf eine Ablehnung der revolutionären Theorie hinauslaufe". Im Zuge der Kritik wird auch erklärt, dass Gerd Flatow für die Entwicklung im LV verantwortlich sei. Die ZL habe die Fraktionstätigkeit "aufgedeckt und die liquidatorischen Angriffe entlarvt". "Ohne vorheriges Untersuchungsverfahren" habe man sich entschlossen, die Verantwortlichen aus dem KABD auszuschließen".
Q: KABD, ZL/ZKK: Mitteilung Nr. 1. An die Leitungen des KABD, RJVD und der BKI-Kollektive zur sofortigen Verlesung an alle Mitglieder, o. O., 20. Dezember 1978.

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18.02.1979:
Es findet ein Ortsleitertreffen des KABD NRW zum Liquidatorentum statt. Das Treffen wurde, laut einem Bericht aus Duisburg, einberaumt, "mit dem Ziel das Liquidatorentum zu verurteilen". Auf dem Treffen, an dem auch die ZKK teilnimmt, wird von ihr u.a. erklärt, "daß über 90% der Resolutionen … das Liquidatorentum verurteilen". Die ZKK würde zur Zeit "einen Zweifrontenkrieg gegen die Liquidatoren und gegen die ZL führen". Dazu führt sie aus: "Wie kam es zu dieser Entwicklung?
Nachdem sich die ZL die Froschperspektivbroschüre erarbeitet hatte, wartete die ZKK und die gesamte Organisation auf grundlegende Äußerungen. Diese traten nicht ein. Daraufhin untersuchte die ZKK die Situation und machte einen Vorschlag zur ideologisch-politischen Initiative aller Mitglieder, zur Mobilisierung aller Mitglieder im Kampf gegen Fehler und Mängel in der Arbeit (Große Initiative). Das Sekretariat reagierte abblockend: Die ZL befand sich in der Defensive und fürchtete durch diese Initiative überrollt zu werden. (…) Durch das direkte Auftreten des Liquidatorentums gelangte die ZL noch weiter in die Defensive. (…) In der weiteren Auseinandersetzung konnten die Standpunkte zur 'Großen Initiative' jedoch geklärt werden." Insgesamt soll das Treffen gezeigt haben, "wie das ideologisch-politische Bewußtsein der Genossen des Landesverbandes in dieser Auseinandersetzung gewachsen ist".
Q: KABD: Bericht vom Ortsleitertreffen am 18.02.79, Duisburg 1979.

Februar 1981:
Es erscheinen von Ehemaligen des KABD "Die 'Beiträge zur Diskussion". Dort wird auch u. a. zur "Frosch-Broschüre" Stellung bezogen. Mit der Broschüre wollte man die Krise der Organisation lösen. "Es blieb bei dem Versuch'". Die Broschüre wird nun "in eine neue Kampagne", die sich "Große Initiative" nennt, überführt. Und: "Die Kritik-Selbstkritik-Bewegung hatte die Aufgabe, die Hindernisse auf dem Weg zur Gründung der Partei wegzuräumen. Doch die Parteigründung war weiter weg denn je. Die 'Frosch-Broschüre' nahm auch konsequenterweise zum Parteiaufbau gar nicht mehr Stellung.
Q: Beiträge zur Diskussion Nr. 1, Aschaffenburg. Februar, 1981 S. 4f.

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Letzte Änderung: 17.11.2020