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Zur Geschichte der KPD/ML-Zentralbüro

Kapitel 18 und 19

Von Dietmar Kesten, Gelsenkirchen


Kapitel

  1. Die Politik des Zentralbüros von der antifaschistischen Demonstration in Dortmund bis Ende Februar 1971
  2. Die Bergbautarifrunde im Frühjahr 1971

18. Die Politik des Zentralbüros von der antifaschistischen Demonstration in Dortmund bis Ende Februar 1971

Bereits mit der antifaschistischen Demonstration am 17.1. in Dortmund kam es zu ideologischen Zerwürfnissen innerhalb einiger Ortsgruppen der KPD/ML-ZB und des KJVD.

Im KJVD Bergstraße z. B. (vgl. Jürgen SCHRÖDER: „Kreis Bergstraße“), der vielleicht eine sog. Vorzeigegruppe aufgrund seiner „proletarischen Zusammensetzung“ war, kam es, wie die RJ/ML Darmstadt zu berichten wusste, anscheinend zu größeren Austritten. Die Gruppe, schien sich, so Jürgen SCHRÖDER, „aufgelöst zu haben, was auch eine spätere Rote Garde Bergstraße“ betonte. Sie wurde später vom ZB nicht mehr erwähnt.

Mit dieser Demonstration in Dortmund, musste sich das Zentralbüro auch mit einer weiteren Thematik auseinandersetzen, die die Gemüter schon 1970 erzürnten. Es ging um den sog. 10% Konjunkturzuschlag, den die damalige Bundesregierung am 23.7.1970 per Gesetz erhob. (1) Dieser sollte bis spätestens 30.6.1971 zurückgezahlt werden. Diese Steuer, die vom Zentralbüro und anderen marxistisch-leninistischen Organisation als „Lohnraubsteuer“ bezeichnet worden war, wurde vom Zentralbüro als weiterer Schritt der SPD auf dem Weg zur „sozialfaschistischen Verwaltung der Arbeiterklasse“ begriffen.

Im „KND und in der „Presse“, der Zeitung der Opel- Betriebsgruppe der KPD/ML-ZB hieß es dazu am 18.1.1971:

„MÖLLER: KONJUNKTURSTEUERRÜCKZAHLUNG STATT LOHNERHÖHUNG.

SPD Finanzminister Möller hat einen beispiellosen Plan ausgeheckt, um die Lohnforderungen der Arbeiterklasse zu bekämpfen: Er will mit Hilfe der 'ratenweisen' Rückzahlung der Lohnraubsteuer 'entsprechend der Konjunkturlage' Lohnerhöhungen verhindern.

Das ist schlicht und einfach Erpressung. Für Möller dagegen ist es ein legitimes Mittel: 'Das könnte es den Tarifpartner erleichtern, konjunkturgerechte Lohnvereinbarungen zu treffen.'

Mit nackter Erpressung sollen die Lohnleitlinien der SPD Regierung durchgedrückt werden.

Möller meinte: 'Wenn es uns nicht gelingt, die Tarifpartner zu einem vernünftigen Verhalten zu bringen, das der Konjunkturlage entspricht, wird das Ziel der Regierung nicht erreicht werden können, das sie in ihrem Konjunkturbericht anvisiert hat'.

Er gesteht auch ein, dass die SPD-Regierung 1971 den Konjunkturablauf ohnehin nicht in den Griff bekommen kann. Mit anderen Worten: die Krise wird sich verschärfen. Kurzarbeit und Entlassungen werden sich häufen. Die angedeutete Steuererhöhung will Möller in nächster Zeit doch nicht mehr.

Die Finanzmisere soll durch 'Umschichtung innerhalb der Einzelhaushalte' bereinigt werden. Umschichtung aber läuft wie in der Krise 1966/67 auf Kürzung von Sozialleistungen hinaus. Den Kapitalisten hat die SPD-Regierung versprochen, sich in der Phase der 'geschwächten Konjunktur' ganz für sie einzusetzen: Auf die Drohung der Kapitalisten, jede zusätzliche Belastung der Wirtschaft würde sich 'verhängnisvoll' auswirken (BDI-Berg), reagierte die SPD-Regierung unverzüglich: Regierungssprecher Ahlers: 'Die Bundesregierung erkennt den Wunsch der Wirtschaft an, mit klaren Daten rechnen zu können'.

Weder das groß angekündigte Steuerfluchtgesetz noch irgendeine andere steuerliche Belastung wird die SPD-Regierung ihren Brotgebern auflasten.

Die seit über einem Jahr angekündigte und immer wieder verschobene Erhöhung des 'Arbeitnehmerfreibetrages' 'hängt von der weiteren Entwicklung der Konjunktur, aber auch von der Haushaltslage ab' (Möller). Der Haushalt aber ist pleite. Durch 'Nettokredite' bei der Bundesbank (3,7 Mrd. DM) soll das Loch gestopft werden.

So verschuldet sich der Staat auf Kosten der Steuerabgaben der werktätigen Bevölkerung noch weiter und lässt sich von ihr die Zinsen für die Kredite bezahlen. Da die Regierung sich der wirtschaftlichen und politischen Krise nicht mehr gewachsen fühlt, ruft Möller sogar die CDU zu Hilfe. Mit Stoltenberg, Strauß und Barzel zusammen will die SPD Regierung jetzt die Steuerreform erarbeiten.“ (2)

Die Rückzahlung des Konjunkturzuschlages brachte das ZB mit den sog. „Lohnleitlinien“ in Verbindung, die hohe Lohnvereinbarungen zwischen den Tarifparteien verhindern sollten. Die Rote Fahne „Konjunkturgerechte Lohnvereinbarungen“ waren Forderungen, die nicht über eine 10% Lohnerhöhung hinausgingen. Der Staat zeigte seine Innenansicht: die angeschlagene Ökonomie wurde zur öffentlichen Disziplinierung. Die Marktwirtschaftsprogramme erwiesen sich als der zu erwartende Kontrollmechanismus. Und die stabilitätskonforme Diskussion, mit der man sich Machterhaltung- und Sicherung verschaffte, wurde mit diesem Stabilitätsprogramm durch ein verschachteltes System von Staat, Politikern, Seilschaften und Parteigängern, und vor allem durch innerbetriebliche Kooperation zwischen Gewerkschaften und Betriebsräten einmal mehr in die notwendigen Kanäle gelenkt. Letztlich war man sich auf dieser Ebene einig, dass nur so die Leistungsfähigkeit des Sozialstaates verbessert werden kann.

Die Kritik des Zentralbüros an dieser Gängelung, an den verordneten „Lohnleitlinien“ der BRANDT-Regierung und dem Superminister Karl SCHILLER, der am 13.5.1971 Alex MÖLLER ablöste, wurde in der „Roten Fahne“ Nr. 1/1971 vom 18.1.1971 intensiviert:

„Brandt belügt Arbeiter. In der Neujahrsansprache: 1971 keine Krise.

In seiner Neujahrsansprache hat Brandt versucht, uns Arbeiter und alle Werktätigen über die wirtschaftliche Lage der Bundesrepublik hinters Licht zu führen. Er erklärte: 'Unsere wirtschaftliche Lage ist anders als vor einem Jahr - weniger angespannt, ausgeglichener. Die Maßnahmen zur Normalisierung haben Erfolg gehabt.

Die Bundesregierung wird ihre Mittel einsetzen, um die Wirtschaft gesund zu halten. Es wird keine Rezession geben.' ... Aber die Tatsachen sprechen eine andere Sprache: Die Krise ist da! Die Rezession beginnt! Die Kapitalisten greifen immer mehr die Arbeiterklasse an!

Der erste Angriff heißt Streichung der Überstunden.

Das ist inzwischen schon im ganzen Bundesgebiet geschehen ... Wenn das nicht ausreicht, heißt es: Zwangsurlaub. Vor allem in der Stahlindustrie mussten die Kollegen verlängerte 'Weihnachtsferien' machen ... Der Jahresurlaub vieler Kollegen wird zerstört ... Die dritte Stufe heißt Kurzarbeit ... Als letztes Mittel gehen die Kapitalisten zu Entlassungen über ... Diese Tatsachen überführen Brandt. Er hat gelogen! ... Warum diese Lügen? Die SPD-Führer bekommen Angst um ihre Regierungsposten.

Als sie im Oktober 1969 zusammen mit der FDP die Regierung übernahmen, versprachen sie uns: den Arbeitern soll es besser gehen! Reformen war das neue Schlagwort. Bis heute sprang für uns aber nur die sechswöchige Lohnfortzahlung im Krankheitsfall heraus. Statt Reformen gab es eine höhere Lohnsteuer durch die Konjunkturzulage, steigende Preisen und Mieten. Je stärker die Krise wird, desto geringer werden die Aussichten, die Reformversprechen zu erfüllen ... Das Staatssäckel schrumpft, aus dem die Reformen für die Arbeiter bezahlt werden sollen. Das wissen die SPD-Führer ganz genau .... Die SPD - Führer fürchten, dass die Unruhe der Kollegen noch größer wird. Dann hat ihre Stunde als Regierungspartei geschlagen. Dann werden sie durch eine Partei ersetzt, die offener arbeiterfeindlich ist ... Unsere Lage kann sich nur ändern, wenn wir uns einer Partei zuwenden, die unsere Interessen vertritt, die die Tatsachen beim Namen nennt. Die für einen Staat kämpft, in dem wir Arbeiter Herr im Haus sind. Diese Partei ist die KPD/ML ... Die KPD/ML verrät nicht die Interessen der Arbeiter. Aber die Partei ist noch jung und schwach ... Deshalb: Macht die Partei stärker! Nehmt zu uns Kontakt auf! Organisiert Euch in den Betriebsgruppen der KPD/ML!“ (3)

„Brandt belügt Arbeiter“, das war neben den fadenscheinigen Versprechen der SPD, den Haushalt in Ordnung zu bringen, eine der wichtigsten Parolen des Zentralbüros zum Jahresbeginn 1971; denn darauf baute sich u. a. auch eine Krisentheorie auf, deren Zwangsläufigkeit eine kapitalistische Überproduktion sein sollte.

Danach gerate die Produktion ins Stocken geraten. Die sinkende Nachfrage nach Produktionsmitteln würde Arbeitskräfte frei setzen und die Konsumgüternachfrage senken.

Die Märkte bilden sich zurück und würden es dem Kapital erschweren, Mehrwert zu realisieren.

Die Krise erscheint als Überproduktion von Kapital.

Der KND beschrieb  am 18. 1. diese Situation mit den Worten:

„Die Lage der Arbeiterklasse verschlechtert sich im Moment hauptsächlich durch die Angriffe der Kapitalisten (Rationalisierungen) und die Verrätereien der Gewerkschaftsführer, nicht so sehr durch die staatliche Ausplünderung selbst. Die Angriffe der SPD-Regierung auf die Lage der Arbeiterklasse waren im letzten Sommer die Hauptseite und werden es auch wieder auf dem Höhepunkt der Krise. Die Hauptgefahr ist jetzt die kapitalistische Rationalisierung, momentan sind hier die Angriffe in der Stahlindustrie besonders wichtig.

Die KPD/ML-Betriebszelle beim Bochumer Verein (Krupp) berichtet uns: Nachdem bereits die Kollegen an den Walzstraßen 5/6 und 8/9 vom 19.12. - 11.1. Feierschichten einlegten und dafür Teile ihres Tarifurlaubs opfern mussten, wird jetzt auch an den Straßen 1/2 Zwangsurlaub durchgeführt. Die Kollegen an den Straßen 1/2 arbeiten nur noch zweischichtig: von 5 Uhr 30 - 13 Uhr 30 und von 15 Uhr 30 bis 23 Uhr 30. Diese Schichtzeiten ermöglichen ein stärkeres Vorheizen der Öfen und damit größere Arbeitshetze. Die Kollegen arbeiten jetzt im Turnus 14 Tage feiern, 4 Wochen Arbeit mit wöchentlich 6 und 7 Schichten im Wechsel. 4 von den freien Tagen müssen die Kollegen von ihrem Tarifurlaub nehmen.

Der geschlossene Zwangsurlaub der Kollegen ermöglichte den Krupp-Herren außerdem die Freistellung von 8 Arbeitern je Schicht (die sogenannten Springer), die in Bearbeitungsbetrieben eingesetzt werden, wo noch genügend Aufträge vorhanden sind. In diesen Betrieben werden sogar noch Überstunden gemacht. Trotzdem sollen monatlich 49 Arbeiter entlassen werden, so dass die Belegschaft einschließlich natürlicher Abgänge und 'freiwilliger' Kündigungen bis April um insgesamt 500 Arbeiter verkleinert wird.

Es werden weitere Betriebsstillegungen erwartet. Dass dieses Manöver Erfolg hatte, verdanken die Krupp-Herren den sozialdemokratischen Gewerkschaftsfunktionären im Betrieb.

Sie haben dem Zwangsurlaub zugestimmt mit dem Argument, das Arbeitsamt würde einen Kurzarbeitsantrag doch ablehnen, weil Opel noch offene Arbeitsplätze hat. Ihr Ziel ist es, um jeden Preis den Kollegen weiszumachen, dass die 'Flaute in ein paar Wochen vorüber' ist und dass diese am Besten durch Urlaub überbrückt wird.

Ein Vertrauensmann: 'Vielleicht geht dann der Kelch an uns vorüber.' Gleichzeitig vertreten sie die Theorie, 'die Stahlbosse haben die Preise heraufgesetzt, um Arbeitslosigkeit und Sturz der SPD-Regierung zu bewirken.'

Die BV-Betriebszelle hat diesen Schwindel in ihrer Betriebszeitung aufgedeckt.

Gegen die kapitalistische Rationalisierung hat die BV-Betriebszelle folgende Forderungen aufgestellt:

Weg mit dem Zwangsurlaub!

Keine unbezahlten Freischichten!

Keine Entlassungen!“ (4)

Nach dem “KND” führt der Zustand der Krise zur Rationalisierung, zu „Massenentlassungen“, zu „Betriebsstillegungen“- und wie es in der Sprache der Ökonomie heißt, zur „Kapitalentwertung- oder Vernichtung“. Anlagen werden stillgelegt, Firmen verschrotte. Durch Senkung des Kapitalwerts verbessert sich die organische Zusammensetzung des Kapitals wieder zugunsten der „lebendigen Arbeit“, und der ganze Prozess beginnt wieder von vorne.

Natürlich war die Krisentheorie des Zentralbüros nur halbherzig. Es fehlte die theoretische Durchdringung, die Herausarbeitung der Zwangsläufigkeiten der kapitalistischen Krisenentwicklung, etwa: die Entwertung und Vernichtung von Kapital, Profitratenentwicklung, Intensivierung der Ausbeutung durch Lohnsenkungen und Steigerung der Arbeitsproduktivität, Sicherung von kostengünstigen Rohstoffbasen mit niedrigen Rohstoffpreisen und billigere Arbeitskräfte durch Kapitalexport.

Es blieb bei der Allgemeinheit der Aussagen. In der Nr. 1/1971 der Betriebszeitung „Rote Stanze“ der Betriebszeitung der Betriebszelle der KPD/ML-ZB bei Pohlschröder in Dortmund hieß es am 21.1.1971:

„DIE KRISE GREIFT AUF POHLSCHRÖDER ÜBER. Was Brandt wie Brenner, Pohlschröder wie Schattat bisher immer abgestritten haben, ist eine für alle sichtbare Tatsache geworden: die Krise hat begonnen und greift um sich. In vielen Betrieben häufen sich dafür die Anzeichen: Rückgang der Produktion, Streichung der Überstunden, Kurzarbeit (wie bei Thyssen) und schließlich Entlassungen. Auch Pohlschröder wird von der Krise nicht verschont, und ihre Folgen machen sich auch hier deutlich bemerkbar - obwohl sie bis jetzt noch nicht so scharfe Auswirkungen für die Kollegen haben wie in Betrieben, in denen die Krise schon weiter fortgeschritten ist ... Viele Kollegen wissen nicht, wie sie ihre Zeit rumkriegen oder die Minuten zusammenbekommen sollen.

In Halle Ost sind zur Zeit zwar noch genügend Aufträge da, um einigermaßen auszukommen. Aber bei den Büromöbeln sieht es schon wesentlich schlechter aus: - Meister Schiffmann hat schon Kollegen in die Halle Ost geschickt, weil es bei ihm nichts zu tun gibt. WIR SOLLEN DEN RIEMEN ENGER SCHNALLEN!! Andere Kollegen müssen aufräumen, werden von einem Arbeitsplatz zum anderen geschickt oder dürfen sich damit beschäftigen, ihre Arbeitsplätze umzuräumen. Mehrere Bänder (z. B. Untersetzer- oder Bestseller-Band) stehen tagelang still der laufen langsam.

- Endmontage, Lager und Rampe wurde die Mittagsschicht gestrichen. An den Arbeitsplätzen dort arbeiten jetzt fast doppelt so viele Kollegen und Lagerverwalter Schulz stöhnt bereits, wo er mit ihnen allen hin soll. Viele räumen auf und fegen.

Unter der Belegschaft herrscht Unruhe und Unsicherheit. Aber die Krisenauswirkungen werden noch nicht überall in gleichem Maße spürbar: während in Halle Ost zum Teil samstags gearbeitet wird und Überstunden gemacht werden, wird woanders schon Kurzarbeit eingeführt: Kollegen wurden eher nach Hause geschickt oder müssen Urlaub nehmen. Dort gibt es auch keine Überstunden mehr.

- Entlassungen sind das letzte Mittel der Kapitalisten, um der gesunkenen Produktion und den sinkenden Profiten auf Kosten der Arbeiter zu begegnen und die nachteiligen Folgen auf sie abzuwälzen. Auch Pohlschröder macht da Keine Ausnahme. Dass in den letzten Jahren keine Massenentlassungen stattgefunden haben, heißt noch gar nichts. Nicht umsonst tauchten überall Gerüchte und Vermutungen auf, dass die Meister angehalten wurden, schon mal 5 - 6 Kollegen ihrer Abteilung auszusuchen, die entlassen werden sollten - und dass Pohlschröder vorhat in nächster Zeit 70 Kollegen rauszuwerfen.

DER BETRIEBSRAT SCHWEIGT

Wir Kollegen werden in Unwissenheit und Unsicherheit gehalten. Pohlschröder will die Lage natürlich vertuschen. Aber auch der Betriebsrat hüllt sich in Schweigen und tut, als sei alles in schönster Ordnung.

Was wäre jetzt seine Aufgabe?

Er müsste alle Kollegen über die Lage im Betrieb, über Pohlschröders Pläne und seine Maßnahmen gegen unsere Löhne und Arbeitsplätze informieren. Er müsste zeigen, wie mit den Kollegen umgesprungen wird, wenn sie ihre Arbeitszeit und Löhne nicht mehr planen können, weil jederzeit Überstunden gestrichen und Kurzarbeit eingeführt werden kann. Er müsste mit uns darüber sprechen, wie wir uns dagegen zur Wehr setzen können und alle Kollegen zum gemeinsamen Handeln auffordern.

Das arbeiterfeindliche Betriebsverfassungsgesetz behindert den Betriebsrat zwar in seiner Arbeit, indem es die Arbeitervertreter an den 'Betriebsfrieden' bindet und verhindern will, dass die Arbeiter sich erheben.

Aber wie vielen Betriebsräten und Vertrauensleuten ist es schon gelungen, trotzdem klare Forderungen aufzustellen und die Kollegen zum Kampf aufzurufen!

Voraussetzung dafür ist natürlich, dass sie die Kollegen nicht hintergehen, sondern deren Interessen wirklich vertreten wollen.

WIR FORDERN:

Deshalb wäre es jetzt die Aufgabe des Betriebsrates, eine Betriebsversammlung abzuhalten, auf der alle Kollegen über die wirtschaftliche Lage in der BRD und bei Pohlschröder und über die Auswirkungen der Krise informiert werden, damit wir Bescheid wissen und gegen die Folgen angehen können. Aber wir kennen Schattat und Co. ja zur Genüge. Er wird sich hüten, darauf einzugehen. Er wird genau wie beim Weihnachtsgeld, bei der Lohnraubsteuer und dem 11%-Tarifabschluß sich gegen die Arbeiter und ihre Forderungen stellen.

Er wird gar nichts tun. Er wird erst gar nicht versuchen, den 'Betriebsfrieden' mit Pohlschröder zu 'stören' und die schlimmen Folgen der Krise für uns Kollegen zu verhindern. Damit nutzt er gerade nicht den Kollegen, sondern Pohlschröder. Wir können uns auf Schattat nicht verlassen, sondern nur auf unsere Kraft und Einigkeit im Kampf und auf die revolutionäre Partei der Arbeiterklasse, die KPD/ML, die diesen Kampf führt.

SPD-MINISTER KÜHN LÜGT.

Dazu ist auch gemeinsames Handeln mit den Kollegen aus anderen Betrieben notwendig, denn die Krise schreitet in der ganzen BRD mit großen Schritten voran.

In vielen Betrieben müssen die Kollegen schon Kurzarbeit machen oder liegen auf der Straße.

Bei Krupp/Bochumer Verein z.B. bekommen die Kollegen wegen Kurzarbeit schon 20% weniger Lohn, und bei Porsche (in Stuttgart, d. Vf.) sind gerade 1 300 Kollegen entlassen worden.

Trotzdem versuchen die rechten Arbeiterverräter in SPD und Gewerkschaften uns in Presse und Fernsehen immer noch einzureden, dass ja gar keine Krise in Sicht sei - wie z. B. IGM-Chef Brenner. Sie versuchen mit aller Macht, die Arbeiterklasse daran zu hindern, den Kampf gegen die Auswirkungen der Krise zu führen. Dazu benutzen sie Beschwichtigungen und Lügen wie SPD-Kühn, der behauptete, 1971 brauche sich keiner um seinen Arbeitsplatz zu sorgen - die Kollegen von Porsche und viele andere sind da anderer Meinung! Und die Zahlen sprechen da auch eine andere Sprache: der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit (BfA, d. Vf.) sagte für Ende Januar 300 000 Arbeitslose und 100 000 Kurzarbeiter voraus.

Mit ihren Methoden unterstützen die SPD-Führer am besten die arbeiterfeindlichen Maßnahmen und helfen selber tatkräftig mit, die Krise auf uns abzuwälzen.

GEGEN KURZARBEIT ABSICHERUNG DER EFFEKTIVLÖHNE.

Die KPD/ML hat schon im September in ihrem Zentralorgan ROTE FAHNE gefordert:

'Arbeiter! Kämpft gegen den Versuch der Kapitalisten, die Arbeiterklasse durch Entlassungen und Lohnkürzungen für die kommende Krise zahlen zu lassen. Deshalb: Absicherung der Effektivlöhne durch 6,50 DM MINDESTLOHN!'

ABER WIR WEHREN UNS DAGEGEN!

Pohlschröders Maßnahmen gegen uns werden sich noch verschärfen, das ist sicher. Deswegen müssen wir uns jetzt dagegen zur Wehr setzen.

KOLLEGEN, VERLANGEN WIR JETZT EINE BETRIEBSVERSAMMLUNG!

GREIFEN WIR DIE FORDERUNG NACH ABSICHERUNG DER EFFEKTIVLÖHNE AUF UND STELLEN WIR SIE VOR DEN BETRIEBSRÄTEN UND VERTRAUENSLEUTEN!

KÄMPFEN WIR FÜR DEN ERHALT UNSERER ARBEITSPLÄTZE!

ORGANISIERT EUCH IN DER BETRIEBSGRUPPE POHLSCHRÖDER DER KPD/ML!

GEGEN DIE VERRÄTEREIEN DER SPD-FÜHRER DIE GESCHLOSSENE FRONT DER ARBEITERKLASSE!“ (5)

Die Betriebszeitung der Opel-Betriebsgruppe der KPD/ML-ZB, „Die Presse“, führte die krisenhafte Entwicklung des Kapitals auch auf Lohnkürzungen, Entlassungen und Kurzarbeit in der Autoindustrie zurück.

Gerade die Autoindustrie war Zeit ihrer Existenz permanent von Krisen geschüttelt. Die Konsumflauten gingen an den Autobauern nicht vorbei. Hinzu kamen die Umweltkosten, die Staat und Markt gleichermaßen kostenmäßig in die Knie zwangen.

Der technische Fortschritt der 3. industriellen Revolution, war gleichzeitig die Geißel.

Das Auto als Massenvergnügen war jeweils nur in kritischen Studien hinterfragt worden, aber nicht generell. Die Lebensqualität, Wirtschaftlichkeit und Mobilität hängt bis heute zu einem wesentlichen Teil vom Automobil ab. Und der Fordsche Trend der Automatisierung der Produktionsmethoden in Verbindung mit Taylors „Arbeitswissenschaft,“ brachte das Wegrationalisieren der menschlichen Arbeitskraft in einem bisher nicht bekannten Ausmaße.

Es war schon interessant, wie die Opel-Betriebsgruppe versuchte, diesen Grundwiderspruch zu beschreiben: Mit dem 22.1.1971 und ihrer Nr. 1/1971 formulierte sie:

„DAS NEUE PUNKTESYSTEM FÜR ZEITLÖHNER: HINTERHÄLTIGER SPALTUNGSVERSUCH!

In einigen Abteilungen - besonders in Werk 2 - der Betrug schon begonnen: ab sofort erhalten alle Zeitlöhner einzeln die Leistungszulage nach einem neuen Punktesystem. Nur spärlich sickern die Informationen durch; nur wenige V- Leute wurden von den Meistern klar informiert; vom Betriebsrat keinerlei Anzeichen von Abwehrmaßnahmen. Nach vier Gruppen wie 'Leistung', 'sauberes Arbeiten', 'unfallfreies Arbeiten' sollen die Meister jeden Kollegen mit insgesamt höchstens 32 Punkten bewerten. Keiner hat das Recht, seine Bewertung genau zu erfahren.

Mit Lohnunterschieden von mehr als 50 Pfennig pro Stunde für die gleiche Arbeit sollen wir uns abfinden.

Passt dem Meister deine Nase nicht, willst du dich gegen die ständige Antreiberei wehren: dein Punktkonto sinkt ... Den Opel-Bossen geht es darum, jeden einzelnen Kollegen auf die Jagd nach Punkten anzusetzen, um ihm bis aufs Blut auszunehmen. Ihnen geht es um schärfere Disziplinierung, sie wollen uns zu Radfahrern bei den Meistern machen, sie wollen uns gegeneinander aufhetzen und ausspielen.

Warum ist das gerade jetzt für die Kapitalisten so wichtig? Warum gerade jetzt neue Akkordzeiten und damit Verschärfung der Richtzeiten am Band?

Warum gerade jetzt der verstärkte Versuch, die Arbeitshetze in der Lackiererei noch zu erhöhen, um damit diesen Engpass in der Produktion zu beseitigen und in den folgenden Abteilungen die Bandgeschwindigkeiten abermals zu beschleunigen?

Kollegen!

Auch die Opel-Herren bereiten sich auf die Wirtschaftskrise vor. (Am Mittwoch konnten wir in der WAZ lesen, dass statt 1,24 Millionen Neuanschaffungen von PKWs - 1970 - für dieses Jahr nur noch 600 000 Neuanschaffungen zu erwarten sind.)

Die Vorbereitungen der Opel-Herren: verschärfte Ausbeutung - um die Profite zu sichern, Spaltungsversuche – um den einheitlichen Abwehrkampf gegen Lohnkürzung, Kurzarbeit und Entlassungen zu verhindern.

Angriffe auf unsere Lage und Spaltungsversuche - das ist auch genau die Politik der SPD-Regierung zur Rettung der Profite der Kapitalisten.

Auch wenn wir in der Automobilindustrie die Krise noch nicht direkt zu spüren bekommen, so richten sich doch auch die geplanten Angriffe der SPD-Regierung gegen jeden von uns:

SPD-Finanzminister Möller kündigte an, dass die Zurückzahlung der 10%-Lohnraubsteuer mit den Tarifforderungen zu verbinden. In der Konzertierten Aktion der SPD-Regierung, der Gewerkschaftsführer und der Kapitalisten wurde in 'Lohnleitlinien' beschlossen, dass die Arbeiter in diesem Jahr höchstens 7% mehr bekommen sollen.

Jetzt soll auch noch die 10%-Lohnraubsteuer in den Tarifforderungen verrechnet werden.

Die KPD/ML hat zu Recht von Anfang an die sofortige Zurückzahlung dieser Steuer gefordert. Doch wir blechen weiter.

Dazu kommen jetzt noch massive Preiserhöhungen für Post und Bahn und zum Beispiel 10%-Erhöhung des Milchpreises.

In der Stahlindustrie sind die Kollegen bereits direkt betroffen: der Bochumer Verein (Krupp, d.Vf.) plant nach Zwangsurlaub Kurzarbeit für zahlreiche Kollegen, bei SWB flogen erst vor wenigen Tagen etwa 50 Kollegen auf die Straße.

In der Zuliefererindustrie der Automonopole gibt es massive Entlassungen und Kurzarbeit. So plant Bosch, 800 Kollegen rauszuwerfen. Bei Porsche in Stuttgart-Zuffenhausen wurden vorige Woche 300 Kollegen entlassen. Die Lügen von Brandt und Brenner, 1971 seien die Arbeitsplätze nicht in Gefahr, sind längst durch Tatsachen entlarvt.

In zahlreichen Betrieben haben die Kollegen energisch den Kampf aufgenommen:

- V-Leute von Hoesch in Dortmund fordern garantierten Mindestlohn. Garantierten Mindestlohn auch bei Kurzarbeit (etwa 1 100 DM). Letzter Anstoß ihrer Forderung: es wurde bekannt, dass die Betriebsratsgehälter von 1 600 auf 1 800 DM erhöht werden sollen.

- Bei Mannesmann streikten die Kollegen von zwei Werken (im Regierungsbezirk Düsseldorf, d. Vf.). Sie antworteten auf die Wegrationalisierung von Arbeitsplätzen und den Versuch, aus den übriggebliebenen Kollegen noch mehr herauszuschinden mit der Forderung: 5%-Lohnerhöhung!

- In allen betroffenen Betrieben fordern die Betriebsgruppen der KPD/ML: bei Kurzarbeit voller Lohnausgleich! Es kommt darauf an, dass auch wir bei uns jedem Angriff der Kapitalisten entgegentreten. Ab Februar fallen die Sonderschichten weg; für viele Kollegen schon eine Lohneinbuße von mehr als 10%. Höchste Wachsamkeit ist also geboten.

Informiert uns über alle Versuche der verschärften Ausbeutung!

WEG MIT DEM PUNKTESYSTEM; EINHEITLICHE LEISTUNGSZULAGE FÜR ALLE ZEITLÖHNER!

Die V-Leute müssen uns sofort genauestens über das Punktsystem informieren!

Unsere Kampfbereitschaft haben wir bereits im Tarifkampf und im Preßwerkstreik im Mai bewiesen. Die Opel-Betriebsgruppe der KPD/ML wird wichtige Informationen sofort mit Flugblättern an alle weitergeben und jede Kampfmaßnahme unterstützt!“ (6)

“Neue Akkordzeiten“, die „Verschärfung der Richtzeiten am Band“, die „Wegrationalisierung von Arbeitsplätzen“ und „Lohndrückerei“, das war der Zusammenhang zwischen der Expansion des Fordismus und der Rationalisierung. Doch die Folgen der 3. Industriellen Revolution erkannte man ebenso wenig wie die Tatsache, dass man der Massenarbeitslosigkeit nicht mit Lösungen im gewerkschaftlichen Sinne beikommen konnte.

Die Arbeitslosigkeit als Folge der Durchrationalisierung der Betriebe war schon zu Beginn der 70er Jahre eine globale Dauerkrise, die alle anderen Probleme zu überdecken schien. Sie wuchs ständig an, wurde wiederum durch kurze Zyklen der Stabilisierung des Kapitalismus überlagert, um dann wieder anzusteigen. Die Argumentationsstränge des Zentralbüros, das fiel an diesem Artikel auf, war nahm die „Politik der SPD-Regierung“ ins Visier.

So konnte auch nicht die eigentliche Vernichtungsideologie erklärt werden und die widersinnige technische Entwicklung, die dann zum Ende des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts massenhaft Menschen ins Elend stürzen sollte.

Es fiel auf, dass das Zentralbüro fast jeden politischen Inhalt der SPD im „KND“ kommentierte. Reformvorhaben, oder nicht, alles schien das marxistisch-leninistische Bewusstsein zu beunruhigen.

Zum 25.1.1971 gab es einen Artikel im „KND“ zur flexiblen Altersgrenze:

„FLEXIBLE ALTERSGRENZE': EIN BETRUG.

Die 'Flexible Altersgrenze', als soziale Reform der SPD an die große Glocke gehängt und von den Gewerkschaften gefordert, ist nichts als ein weiteres Mittel, den Kapitalisten unter dem Deckmantel der Reform die Angriffe auf die Lage der Arbeiterklasse zu erleichtern.

Mit der Absicht, dem Arbeiter vorzulügen, er könne freiwillig bestimmen, wann er aus der Plackerei des Arbeitsprozesses aussteigen will, wird er noch mehr den Räubereien des Kapitalisten und den Härten des kapitalistischen Produktionsprozesses ausgesetzt. Wer vor dem 65. Lebensjahr aufhört zu arbeiten, bekommt weniger Rente. So soll ein Arbeiter, der mit 60 Schluss macht, 30% weniger Rente gezahlt bekommen (denn er stellt ja seine Arbeitskraft dem Kapitalisten weniger lang zur Ausbeutung zur Verfügung).

Die Altersgrenze ist auf 67 erhöht worden. Beim zu erwartenden Rentenraub wird der Arbeiter also gezwungen sein, 2 Jahre länger zu arbeiten.

In der Krise ist die 'Flexible Altersgrenze' für den Kapitalisten ein vollkommenes Mittel, den Arbeiter zu frühzeitigem Rentnerdasein zu zwingen (durch Leistungsdruck z. B., dem der ältere Arbeiter nicht mehr gewachsen ist).

Da der Arbeiter ja ein Recht auf Rente hat, gilt das nicht einmal als Entlassung.

Auf diese Art spart auch die Arbeitslosenversicherung mit Hilfe der 'Reform'.

Durch die 'Reform' kann der Arbeiter also gezwungen werden, bis zum 65. oder gar 67. Lebensjahr weiter Mehrwert aus sich herauspressen zu lassen. Gleichzeitig spart der Staat das Geld für die Rente länger ein.

Wird er in der Krise frühzeitig zum Aufhören gezwungen, spart die Arbeitslosenversicherung an ihm und der Staat speist ihn mit einer niedrigen Rente ab. Das Wesen dieser 'Reform' ist also ein Abkommen zwischen Staat und Kapitalisten, um den monopolkapitalistischen Profit 'flexibler' zu sichern und die finanzielle Belastung des Staates so gering wie möglich zu halten.

In ihrem Blatt 'Metall'  erkennt die IGM, von der die Forderung nach dieser 'Reform' ausgegangen ist, dass 'durch solche Abschläge (bei frühzeitiger Pensionierung) das Rentenniveau auf weniger als die Hälfte des vergleichbaren - vorher bezogenen – Nettoeinkommens absinken würde.'

Die Verkettung ihrer Führer mit der SPD Regierung wird bewirken, dass nur ein lauer, demagogischer Protest gegen diesen Angriff auf die Arbeiterklasse geäußert werden wird.“ (7)

Die „flexible Altersgrenze“ wurde als „Rentenraub“ und „Verkettung zwischen IGM und DGB“ bezeichnet. Das Wesen der Reform sei ein „Abkommen zwischen Staat und Kapitalisten“, um die „monopolkapitalistischen Profite flexibel zu sichern“.

Erst 1972 wurde mit dem Rentenreformgesetz die flexible Altersgrenze eingeführt.

Versicherte mit ausreichend langer Versicherungsdauer (45 Jahre) konnten danach mit 63, statt des bis dahin üblichen 65. Lebensjahres Altersruhegeld  beziehen. Die Informationen des „KND“ waren an diesen Punkten eindeutig falsch und trugen nicht dazu bei, eine gewisse Informationslücke, die zweifelsohne bestand, mit richtigen Inhalten zu füllen.

Selbst die Rente konnte so als „sozialfaschistische Verwaltung“ der Arbeiterklasse gedeutet werden. Wirtschaftskrise, Lohnleitlinien, Diskussionen über die Einführung eines Monatslohnes, Lohnraub und Konjunkturzuschlag: in jeder Sanierungsphase des Kapitals werden Löhne gedrückt und Sozialtransfers (hier die Rente) gekürzt.

Und jedes Mal wird eine ideologische Stimmung erzeugt, die nur noch die Produktion als überlebenswert erscheinen lässt.

In der Chemie-Tarifrunde waren es vermutlich betriebsinterne Steuerungsprogramme, mit denen die Arbeitsproduktivität erhöht werden sollte. Der „KND“ meinte dazu am 25.1.1971:

„Jetzt haben die Kapitalisten, die im Arbeitsring Chemie zusammengeschlossen sind, den IG-Chemie-Führern ein 'Angebot' unterbreitet: Die Kapitalisten bieten die Einführung des Monatslohns an, was im Grundsatz einen sozialen Fortschritt bedeutet, und verlangen dafür die Einführung einer 'konzertierten Aktion' auf Branchenebene.

Drei Gremien sollen gebildet werden: Eine ständige paritätische 'BUNDESFACHKOMMISSION von Arbeitgebern und Gewerkschaften'. Sie soll bei Verhandlungen über Betriebsvereinbarungen in Lohngruppenfragen mitwirken. Zur Institutionalisierung der regelmäßigen Kontakte zwischen der Gewerkschaftsführung und dem Arbeitsring Chemie soll ein 'RUNDER TISCH' als ständiges Gremium, gegebenenfalls mit einer festen Geschäftsführung eingerichtet werden. Seine Aufgabe soll 'die Versachlichung strittiger Probleme unter Hinzuziehung von unabhängigen Sachverständigen sein.' Die Werbe- und Informationstätigkeit der Gewerkschaft im Betrieb soll 'einvernehmlich geregelt' werden und 'zur Vermeidung arbeitsgerichtlicher Auseinandersetzungen ein besonderes EILSCHIEDSVERFAHREN geschaffen werden.'

Mit diesen Gremien sollen örtliche Streiks so schnell wie möglich abgewürgt und Lohndrückerei und Knebelung der Arbeiterklasse gesichert werden. So wollen sich die Chemiekapitalisten auf die beginnende Krise vorbereiten.“ (8)

Die Neuorganisierung der Arbeitsläufe dürfte in den westdeutschen Industrien eigentlich überall ähnlich abgelaufen sein.

Waren es in der Chemie-Industrie „Bundesfachkommissionen“ und „Runder Tisch“, die die Produktion in den Betrieben vollautomatisch gestalten sollten, so war es in der Autoindustrie, die schon über den Konsumbedarf hinaus produzierte, einmal mehr die Diskussionen um die Einschränkung der Produktion und die nachlassenden Absatzchancen.

Der „KND“ führte dazu am 25.1.1971 aus:

„Ein weiteres Anzeichen dafür, dass die Krise noch in diesem Jahr in der Autoindustrie spürbar werden wird, ist die Ankündigung des Geschäftsführers des Verbandes der Automobilindustrie, Diekmann, die deutschen Unternehmen müssten ihre Produktion einschränken, wenn der Kostenanstieg nicht nachlasse und keine befriedigenden Absatzchancen durch eine 'normalisierte Binnenwirtschaft' gewährleistet würden.“ (9) Und:

„Immer deutlicher werden die Zeichen, dass sich die beginnende Krise vereinheitlicht und große Teile der Arbeiterklasse durch Lohnraub, Kurzarbeit und Entlassungen bedroht werden.

Als erstes Unternehmen der Autoindustrie hat jetzt Porsche in Stuttgart-Zuffenhausen Kurzarbeit von Februar bis Juli angekündigt. 2 000 von insgesamt 3 800 Kollegen sind gezwungen, im Februar 3 und im März 4 Tage zu Hause zu bleiben. Wie viel Arbeitszeit in den Monaten April, Mai, Juni und Juli ausfällt, verschweigen die Kapitalisten noch.

Der Grund für die angekündigte Kurzarbeit liegt in dem Rückgang der Aufträge aus den USA. Porsche exportiert etwa 45% in die USA.

Hieran kann man sehen, dass die Krise in den anderen imperialistischen Ländern die Krise in der BRD stark verschärfen wird.“ (10)

Die groben Lohnorientierungsdaten unterschieden sich trotz Kurzarbeit und Entlassungen in der Autoindustrie, Arbeitskostenbelastung, der Senkung der Kosten für die menschliche Reproduktion in der Chemie, der Druck- und Papier Industrie, Stahl- und/oder Metallindustrie nicht voneinander.

Davon berichtetet die KPD/ML-ZB zur anstehenden Chemie-Manteltarifverhandlung am 27.1.1971:

„CHEMIE-MANTELTARIFVERHANDLUNGEN

Am 27.1. hat der Hauptvorstand der IG Chemie die Manteltarifverhandlungen für gescheitert erklärt, nachdem der Arbeitsring Chemie sich geweigert hatte, alle Lohn- und Gehaltsbestimmungen aus dem bundeseinheitlichen Manteltarif zu entfernen und sie in die Lohn- und Gehaltstarifverträge in den Bezirken einzugliedern. Nach dem Scheitern der Tarifverhandlungen wird jetzt die Bundesschlichtungsstelle einen 'Schiedsspruch' fällen.

Das Abbrechen der Verhandlungen durch den IG Chemie-Vorstand ist jedoch nicht als Offensive zu werten. In der Offensive sind hier eindeutig die Kapitalisten, denen an den bundeseinheitlichen Lohn- und Gehaltsbestimmungen so viel liegt, weil sie bei zentralen Verhandlungen durch Mauscheleien mit der obersten Gewerkschaftsspitze meist mehr erreichen als bei regionalen Verhandlungen. Die rechten Gewerkschaftsführer befinden sich hier eher in der Defensive, und sie können diesen Kampf auch gar nicht gewinnen, weil sie die Kollegen überhaupt nicht durch Forderungen mobilisiert haben. Die rechten IG-Chemie-Bonzen treiben ihre Schlichtungs- und Arbeitsgemeinschaftspolitik immer weiter voran.

Wir berichteten schon in KND 7 über den Vorschlag der Kapitalisten, einen 'runden Tisch' einzurichten. Jetzt haben sich die IG Chemie-Führer zum ersten Mal seit 1945 zu Spitzengesprächen mit dem Arbeitsring Chemie getroffen. In der neuen Gewerkschaftspost verschweigen sie nicht nur das Thema des Gesprächs (den 'Runden Tisch') sondern behaupten sogar noch demagogisch: 'Weder können aktuelle tarifpolitische Probleme 'wegkompensiert' werden, noch wird es eine 'pseudopartnerschaftliche' Institutionalisierung geben. Denn Konflikte, die sich aus den unterschiedlichen Interessenpositionen ergeben, werden durch noch so viele Gespräche beider Organisationsspitzen nicht aus der Welt geschafft.'

In ihrem gemeinsamen Kommunique über das Spitzengespräch kommt jedoch ihre Arbeitsgemeinschaftspolitik wieder ganz deutlich zum Ausdruck:

'In diesem Gespräch wurden die Beziehungen zwischen den beiderseitigen Organisationen erörtert. Die Gesprächspartner sprachen sich dafür aus, gemeinsam Wege für eine Verbesserung der Beziehungen zu prüfen. Die Spitzengespräche werden fortgesetzt.' Wie weit die Gewerkschaft schon in der Defensive ist, zeigt ein Rundschreiben der Kapitalisten an alle Mitglieder des Arbeitsrings Chemie. Darin heißt es:

'Wir müssen im Hinblick auf die gewerkschaftliche Haltung und die zunehmende Bedeutung der Arbeitskostenbelastung mit der Möglichkeit rechnen, dass bei künftigen Tarifverhandlungen in der chemischen Industrie ernste Auseinandersetzungen, also u. U. auch Arbeitskämpfe nicht mehr vermieden werden können.' Die Kapitalisten könnten nur dann 'vernünftige Maßstäbe in der Tarifpolitik durchsetzen, wenn sie auch für den Arbeitskampffall gerüstet sind.'

Zu dieser Rüstung gehörten vor allem eine ausreichende Vorsorge für die gegenseitige Lieferhilfe bei Streiks. In einer Anlage zum Rundschreiben wird dann auch gleich ein Vertragswerk über Hilfeleistungen im Arbeitskampf mitgeliefert, welches in detaillierter Form für jede nur denkbare Arbeitskampfsituation gegenseitige Unterstützung sicherstellen soll.“ (11)

Zu den „vernünftigen Maßstäben“ in der Tarifpolitik, die hier angeschnitten wurden, sollte auch der Bereich der Lehrlingsmetalltarifrunde gehören. Dieses Feld gehörte besonders dem KJVD, der im „Kampf der Arbeiterjugend“ lautstark über anstehende Verhandlungen berichtete:

Im „Kampf der Arbeiterjugend“ Nr. 3/1971 vom März des Jahres hieß es am 26.1. über die Lehrlingsmetalltarifrunde in Nordbaden/Nordwürttemberg:

„LEHRLINGSTARIFVERHANDLUNGEN IN BADEN-WÜRTTEMBERG.

Am 26.1. wurden die IGM-TARIFE für Lehrlinge im Bezirk Nordwürttemberg/Nordbaden gekündigt und am gleichen Tag die neuen Tarife abgeschlossen. Das Ergebnis: 40 Mark mehr für die ersten drei Lehrjahre, 45 Mark für das vierte Lehrjahr.

Noch eine Woche, nachdem die 'Verhandlungen' über die Bühne gelaufen waren, wussten die IGM-Ortsverwaltungen von Ludwigsburg, Gaggenau und Singen überhaupt nicht, dass Verhandlungen stattgefunden hatten. In diesen Städten fanden noch Versammlungen statt, auf denen die Lehrlinge berieten, welche Forderungen sie aufstellen sollten.

Dieser üble Verrat der Gewerkschaftsbonzen zeigt, wie leicht die Lehrlinge über's Ohr gehauen werden können, wenn es nur um sie geht. Deshalb fordert der KJVD: keine getrennten Tarifverhandlungen mehr!

KEIN LEHRLING WUSSTE BESCHEID.

Für die Lehrlinge waren drei Jugendfunktionäre anwesend. Sie waren aber auch die einzigen, die über diese Tarifverhandlungen wirklich Bescheid wussten.

Alle anderen Lehrlinge waren auf die Informationen in den Gewerkschaftsnachrichten angewiesen. Und da stand: Kündigung der Tarife am 31.1.1971. Noch eine Woche, nachdem schon alles vorbei war, wussten Ortsleitungen wie Ludwigsburg, Gaggenau und Singen usw. nichts davon, dass Verhandlungen stattgefunden hatten ... Der KJVD hat die Lehrlinge schon seit dem Dezember davor gewarnt, dass die Bonzen die Verhandlungen still und heimlich über die Bühne ringen wollen. Er hat von vornherein klargestellt, dass wir die Forderungen der Arbeiterjugend gegen die Gewerkschaftsführer durchsetzen müssen. Und die Tatsachen zeigen, wie Recht er hatte.

Die Gewerkschaftsführer stellen nicht nur von sich aus eine Forderung nach 50 DM mehr für alle Lehrjahre auf, ohne auch nur in einzigen Gewerkschaftsgruppe die Lehrlinge nach ihren Forderungen zu fragen.

Sie halten es noch nicht einmal für nötig, die Lehrlinge darüber zu informieren, wann die Verhandlungen sind. Sie hüllten sich noch eine ganze Woche nach dem Abschluss in Schweigen. Das ist ein ungeheurer Verrat an den Lehrlingen. Das ist aber auch ein Signal für die Jungarbeiter und für die älteren Kollegen. Das heißt für uns alle: Schließen wir uns zusammen, nehmen wir den Kampf auf gegen diese Verräter.

Unser erstes Ziel muss es sein, für eine Zusammenlegung der Tarifverhandlungen für Lehrlinge und für die anderen Kollegen zu kämpfen. Wir haben ja gesehen, wie leicht es die Gewerkschaftsführer hatten, die Lehrlinge allein fertig zu machen.

Darum: KEINE GETRENNTEN TARIFVERHANDLUNGEN MEHR!

Kämpfen wir unter der Führung der einzigen Organisation, die auch bei diesen Tarifverhandlungen auf der Seite der Lehrlinge stand - Kämpfen wir mit dem KJVD!“ (12)

Doch die „getrennten Tarifverhandlungen” waren unverhandelbarer Bestandteil der Tarifparteien. Warum der KJVD Lehrlingstarifverhandlungen als eigenständige Tarifpolitik kreieren wollten, hing vermutlich mit einer eigenen, vom ZB unabhängigen Politik zusammen. Zwar wurde die Eigenständigkeit des KJVD immer wieder betont, doch in der Praxis sah es meistens anders aus; denn der Jugendverband wurde theoretisch und praktisch trotz aller Beteuerungen, dass dem nicht so sei, vom ZB an der straffen Leine geführt.

Und eine von der Partei unabhängige Politik gab es nur ansatzweise.

Daher gipfelte der kleinlaute Führungsanspruch des KJVD darin, übergeordnet und stellvertretend für die Arbeiterjugend die „Tarifverhandlungen“ zu führen: „Kämpfen wir unter der Führung der einzigen Organisation, die auch bei diesen Tarifverhandlungen auf der Seite der Lehrlinge stand - Kämpfen wir mit dem KJVD!“

Und nicht überall trat der KJVD mit der Forderung nach eigenen Tarifverhandlungen für Jungarbeiter- und Lehrlinge auf. Nur dort, wo er Betriebsgruppen hatte, war diese Forderung aufgestellt worden. Kaum „verankert“ waren sie z. B. in der Druckindustrie. Überhaupt hatten hier die KPD/ML-ZB und der KJVD wenig zu melden.

Zu den Tarifverhandlungen in der IG Druck führte der „KND“ am 29.1.1971 aus:

„IG DRUCK TARIFVERHANDLUNGEN.

Die IG Druck und Papier hat die Tarifverhandlungen für die Druckindustrie für gescheitert erklärt. Die Kapitalisten hatten jede 'Vorweganhebung' abgelehnt. Das zentrale Schiedsgericht in München hat nun am 29.1. einen Schiedsspruch gefällt, der eine lineare Lohnerhöhung von 8,5% vorsieht. Die Gewerkschaftsführer haben diesen Schiedsspruch abgelehnt und Kampfmaßnahmen zur Durchsetzung ihrer Forderungen angekündigt, falls auch ein letzter Einigungsversuch scheitert.

Das Scheitern der Verhandlungen sowie die Ablehnung des Schiedsspruchs sind jedoch ebenso wie bei den Manteltarifverhandlungen in der Chemieindustrie nicht als Offensive zu werten. Es ist der verschärfte Widerstand der Kapitalisten, der die Verhandlungen zum Scheitern brachte.

Noch vor einem Jahr hatten die Kapitalisten zumeist die Vorweganhebung der Tariflöhne als ein neues Allheilmittel gepriesen; jetzt lehnen sie jede Vorweganhebung ausdrücklich ab. Sie ließen die Verhandlungen platzen, indem sie überhaupt kein Angebot machten. Und die Gewerkschaftsführer, die jetzt mit Kampfmaßnahmen drohen, haben doch den Verrat schon von langer Hand vorbereitet: Sie haben die Kollegen nicht für die 12% mobilisiert, sondern die Forderung erst kurz vor den Verhandlungen bekannt gegeben. Außerdem haben sie in der Papierindustrie 7,5% Lohnerhöhung ausgehandelt und mit etwas 'Vermögensbildung' ein billiges Täuschungsmanöver versucht.“ (13)

Das lag auf einer Ebene mit den Tarifverhandlungen bei der Lufthansa. Am 29.1.1971 berichtete die KPD/ML-ZB darüber:

„STREIK BEI DER LUFTHANSA.

Seit dem 29. 1. streikt ein Teil des Bodenpersonals bei der Deutschen Lufthansa. In einer Urabstimmung hatten sich über 94% der in der ÖTV organisierten Kollegen für Streik ausgesprochen. Die Urabstimmung hatte stattgefunden, nachdem die Lufthansa auf die Forderung der ÖTV nach 18% Lohnerhöhung und 'strukturellen Verbesserungen' mit dem Angebot von 13,5 - 15% geantwortet hatte.

Der Streikaufruf wird von den gewerkschaftlich organisierten Kollegen geschlossen befolgt - dies sind jedoch nur etwa 4 000 von insgesamt 15 000 Beschäftigten beim Bodenpersonal. Die Lufthansa nutzt diesen niedrigen Organisationsgrad aus und versucht, die Kollegen zu spalten und Streikbrechertrupps zu organisieren", u. a. in Hessen in Frankfurt, Bundesverkehrsminister Leber, der den Hauptaktionär Bund im Lufthansa-Aufsichtsrat präsentiert, hat erklärt, der Streik sei unter gesamtwirtschaftlichen Gesichtspunkten unvertretbar. Würde man nämlich bei einem Unternehmen wie der Lufthansa zu Beginn des Jahres Forderungen von solchem Ausmaß nachgeben, so wäre damit in der BRD ein Signal gesetzt für die weitere Entwicklung der Lohnforderungen und die von der Regierung gewünschte Stabilität in Frage gestellt. SPD-Leber drohte sogar offen mit Entlassungen, indem er daran 'erinnert', dass die wirtschaftlich ungünstige Entwicklung der beiden großen amerikanischen Fluggesellschaften TWA und Panam durch überhöhte soziale Leistungen mitverursacht worden sei und dass beide im vergangenen Jahr 6 000 Menschen hätten entlassen müssen.

Für die ÖTV ist dieser Streik ein Versuch, ihr Gesicht zu wahren. Nachdem sie gerade für über 1 Mio. Arbeiter und Angestellte 7% abgeschlossen hat, organisiert sie jetzt einen aufsehenerregenden Streik in einem kleinen Teilbereich (4 000 Mitglieder).“ (14)

Der Kapitalismus sucht sich seine Opfer. Selbst bei der Lufthansa scheint der Kapitalbetrieb ins Stocken zu geraten. Und die entstehenden Profite sind auch hier für den gesamtwirtschaftlichen Erfolg verantwortlich. Völlig unabhängig von der Sonderstellung des Personals bei der Lufthansa, meinte das Zentralbüro überall das Aufflackern des Klassenkampfes beobachten zu müssen.

Nebenbei verzettelte sich das Zentralbüro an der ökonomischen Front deutlich. Zum Februarbeginn gab es einen Artikel im „Kampf der Arbeiterjugend“ und im „KND“, der sich mit der Krisenentwicklung beschäftigte. Dort hieß es:

„Aufgrund von besonderen Bedingungen ist es zu einer VERLANGSAMUNG DER KRISENENTWICKLUNG gegen Ende des letzten Jahres und Anfang dieses Jahres gekommen. Diese Bedingungen sind vor allem der milde Winter, der es den Kollegen in den Bau- und Außenberufen ermöglichte zu arbeiten; d.h. die Bauindustrie konnte voll produzieren und die Aufträge für Baumaschinen blieben fast vollständig erhalten. Deswegen stieg die Arbeitslosigkeit auch im Januar und Februar nicht so stark, wie vom Konjunkturverlauf her zu erwarten war.

Das zeigt sich auch deutlich an dem MONATSBERICHT DER BFA (Bundesanstalt für Arbeit) über die Entwicklung der Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit im Februar: Die Arbeitslosenquote lag Ende Februar bei 1,3%; die absolute Zahl der Arbeitslosen betrug 254 800 und lag damit um 9 300 unter dem Vorjahresstand.

Die Zahl der Kurzarbeiter verringerte sich um 1 000 auf 62 900. Die witterungsbedingten Arbeitsausfälle im Baugewerbe betrugen im Februar nur 4,9 Mio. Tagewerke (im Februar 1970 waren es 13,2 Mio. Tagewerke!). Dass sich aber trotz der Verlangsamung die Krise weiter fortentwickelt, zeigen die verhältnismäßig hohe Zahl der arbeitslosen Frauen (sie lag m 45,8% höher als vor einem Jahr) und die zurückgehende Anwerbung von ausländischen Arbeitern: die Arbeitsämter warben im Februar 16 400 ausländische Arbeiter an gegenüber 23 000 im Februar 1970.“

Und:

„Die Produktion in der Stahlindustrie, deren Rückgang sich im Dezember zunächst wegen der zu erwartenden Preiserhöhungen verlangsamt hatte (...), sinkt jetzt weiter ab. Im letzten Monat lag sie schon über 10% unter der Februarproduktion von 1970.“

Doch trotzdem weitet sich die Krise aus:

„Die Krise weitet sich aus: Schon 64 000 Kollegen müssen Kurzarbeit schieben. Von Januar bis Februar steigt die Zahl der Arbeitslosen um 111 100. Und es werden immer mehr.

SPD-FÜHRER - DIE BESTEN HELFER DER KAPITALISTEN.

Die Kapitalisten haben bei diesen Angriffen auf die Arbeiterklasse eine kräftige Unterstützung: die SPD- und Gewerkschaftsführer. Sie setzen alle Hebel in Bewegung, um den Arbeitern über die Wirklichkeit Sand in die Augen zu streuen. In all ihren Zeitungen, von 'Bild' bis zu den Gewerkschaftszeitungen ist immer nur die Rede von sicheren Arbeitsplätzen, von 'Beruhigung der Konjunktur'. Sie schicken die Leute, von denen sie glauben, dass sie den meisten Einfluss bei den Arbeitern haben, von Betriebsversammlung zu Betriebsversammlung. Und sie haben nur ein Ziel: den Arbeitern weiszumachen, dass die Krise nicht beginnt. Sie wollen die Arbeiter in Sicherheit wiegen, damit sie sich nicht zur Wehr setzen, damit sie sich nicht organisieren. Und die Kapitalisten sind mit den SPD-Führern zufrieden. Die Dachorganisation der Kapitalistenverbände (BdA, d. Vf.) lobte Wirtschaftsminister Schmidt und stellte fest, dass er die Unternehmer 'vor zu weit gehenden Forderungen der Gewerkschaften schütze'.

Das kann man wohl sagen! Schiller hat vor einiger Zeit seine Lohnleitlinien festgelegt. Und die Gewerkschaftsführer haben mit allen Tricks versucht, sie gegen die Arbeiter durchzusetzen. Zuerst im öffentlichen Dienst: 7% für die Kollegen, war das Ergebnis.

Bei der IG Druck sah es nicht besser aus: 8,5% lehnten die Gewerkschaftsführer ab - 9% stimmten sie zufrieden zu. Wie sie die Arbeiterjugend an die Kapitalisten verschachern, könnt ihr im Artikel über die Metalltarifrunde (MTR der IGM d. Vf.) in Baden-Württemberg lesen. Aber die SPD-Führer halten nicht nur die Löhne für die Kapitalisten niedrig. Sie geben ihnen freie Fahrt für Preiserhöhungen und machen selbst tüchtig mit:

- Sie haben die Preisbindung für die Molkereien aufgehoben. Jetzt verkaufen die Molkerei-Monopole ihre Milch um rund 10 Pfg. teurer.

- Sie erhöhen selbst die Preise bei Bahn und Post bis zu 25%.

- Mehrere Straßenbahngesellschaften, in denen Aufsichtsrat SPD-regierte Städte sitzen, haben die Preise erhöht. Bei der Bochum-Gelsenkirchener- Straßenbahngesellschaft (BOGESTRA d. Vf.).

Der SPD-Oberbürgermeister Claus aus Bochum meinte: 'Claus: 'Im Hinblick auf die gestiegenen Löhne und Gehälter ist die Fahrpreiserhöhung vertretbar.'

So denken die SPD-Führer über die Lage der Arbeiterklasse!

Von ihnen haben wir bei den Kämpfen um die Absicherung unserer Lage nichts zu erwarten, im Gegenteil.

JUNGARBEITER UND LEHRLINGE!

NEHMT DIESE ANGRIFFE NICHT KAMPFLOS HIN! WEHRT EUCH!

KEINE STREICHUNG DER SONDERZULAGEN!

KEIN AUSFALL VON BERUFSSCHULUNTERRICHT UND WERKSUNTERRICHT!

Die Kapitalisten wollen euch als billiges Arbeitsheer gegen die älteren Kollegen ausspielen!

Unsere Forderung muss heißen:

GLEICHER LOHN FÜR GLEICHE ARBEIT!

Für Lehrlinge:

60% FÜR ALLE LEHRJAHRE FÜR DIE ZEIT DER AUSBILDUNG!

100% DES EFFEKTIVLOHNES FÜR DIE ARBEIT IN DER PRODUKTION!

Für Jungarbeiter:

WEGFALL DER ALTERSABSCHLÄGE!

Die Kapitalisten werden versuchen, die Lehrlinge als Streikbrecher gegen die Kollegen einzusetzen.

Unsere Forderung muss heißen:

STREIKRECHT FÜR LEHRLINGE!

KÜNDIGUNGSSCHUTZ FÜR JUGENDVERTRETER! GEGEN DIE AUSWIRKUNGEN DER KRISE DIE GESCHLOSSENE FRONT DER ARBEITERKLASSE!

ORGANISIERT EUCH IN DEN JUGENDBETRIEBSGRUPPEN DES KJVD!“ (15)

Der negative Auflösungsprozess des Kapitalismus setzte sich in diesen Artikeln trotz „Verlangsamung der Krisenentwicklung“ unvermindert fort. Die Krise von Arbeit und Kapital schien die ganze Nation zu erfassen. Und die Anforderungen an die Kommunisten, den Klassenkampf zu praktizieren, erhöhten sich von Tag zu Tag. Der Rückgang der Produktion in der Stahlindustrie schien da Wasser auf die Mühlen des Zentralbüros zu sein.

Davon berichtete der „KND“: „Die Produktion in der Stahlindustrie, deren Rückgang sich im Dezember zunächst wegen der zu erwartenden Preiserhöhungen verlangsamt hatte ... sinkt jetzt weiter ab. Im letzten Monat lag sie schon über 10% unter der Februarproduktion von 1970.“ (16)

Es galt, in diesen Klassenkampf einzugreifen. Die Krise des Kapitalismus war auch das Ende des Kapitalismus. Zwar stand dieses Ende nicht unmittelbar auf der Tagesordnung, doch der Kapitalismus brach zwangsläufig in sich zusammen. Es ging nur darum, mit dazu beizutragen, dass er am „schwächsten Glied“ brach. Hier hatten die Kommunisten die Aufgabe, das gesamte gesellschaftliche Konfliktpersonal zu bündeln.

Die jüngsten Krisenerscheinungen kündigten sich auch anderswo an. Am 23.1. wurde bekannt, dass die „Einheit der Marxisten-Leninisten“ in weite Ferne rückte. An dieser hatte das Zentralbüro natürlich ein wesentliches Interesse. Die Lesart war jedoch: Die „Einheit der Marxisten-Leninisten“ unter Führung des Zentralbüros herzustellen. In dem Papier Für die Einheit der Marxisten-Leninisten in der KPD/ML“ gaben  „Mitglieder und Sympathisanten aus Bochumer Betriebsgruppen der Gruppe Rote Fahne/Bochum (KPD/ML-ZB) und ihrer Jugendorganisation KJVD“ bekannt, dass sie aus beiden Organisationen austreten“. Tätig waren sie vermutlich auch im IGM-Bereich bei Opel.

Die KPD/ML-ZB wird in diesem Papier u.a. als „spalterisch“ bezeichnet. Die Genossen streben eine Mitarbeit in der „Roten Garde, den Roten Betriebsgruppen und dem KSB/ML“ an. Die KGB/E (17) bezeichnet später diese Gruppe als Neuezristen. Dies tat ebenfalls Peter WWEINFURTH, der ihren Austritt allerdings bereits auf November 1970 legte. Ebenfalls ungefähr im Januar hatten sich, laut KGB/E, auch noch Mitglieder der KPD/ML-ZB aus Südost-Niedersachsen der KPD/ML-ZK angeschlossen. (18)

Über diesen Prozess berichte „Der Rotgardist“, die Zeitung der Roten Garde der KPD/ML-ZK in der Nr. 2/1971 (Februar/März). Die Rote Garde druckte hier einen Leserbrief aus NRW von ihrer Bochumer Ortsgruppe ab, aus dem hervorging, dass es nur eine „Einheit in der KPD/ML“ geben kann. (19)

Die „Einheit in der KPD/ML“ war wie beim Zentralbüro eine Einheit unter dieser Führung. Den Anspruch beider Organisationen konnte man auch als nationale Identitätsstiftung bezeichnen. Eine Integration von oben entsprach der Organisation von unten. Auf Führungsebene, wie auch Mitgliederebene. Es galt, die Machtverhältnisse mittels der politischen Linie klar zu beschreiben. Das tat man durch die Präsenz, die nicht selten den Eindruck erweckte, als handele es sich bei beiden KPD/ML-Organisationen über politische Parteien, die breit im Industrieproletariat verankert waren.

Die politische Linie der KPD/ML-ZB bekam im Februar durch die Herausgabe der Broschüre des KJ-Inform des KJVD „Sozialdemokratie und Sozialfaschismus. Eine Schulungsbroschüre des KJVD“ einen gewissen Aufschwung. Im Vorwort schrieb das KJ-Inform:

„Diese Broschüre gab das KJ-Inform heraus, um Unklarheiten und Missverständnisse, die über die Linie der KPD/ML und des KJVD zur Sozialdemokratie bestehen, aus dem Weg zu räumen. Die wichtigsten Punkte der Sozialfaschismus -Theorie sind hier kurz und leicht verständlich zusammengefasst. Die Broschüre gibt Antwort auf eine Reihe von Fragen:

Welche Rolle spielt die SPD für die Monopolbourgeoisie? Welche 'Tricks' wenden die SPD-Führer an? Wieso kann man sagen: Die SPD-Führung wird zu einer sozialfaschistischen Clique? Wie betrügen die SPD-Führer die Arbeiterklasse? Hierzu bringt die Broschüre eine Menge Beispiele und Informationen. Die Broschüre ist in enger Anlehnung an den Bolschewik Nr. 6 (vgl. Januar 1971, d. Vf.), das theoretische Organ der KPD/ML, geschrieben.“ (20)

Der „Bolschewik“ war es auch, der den Zusammenhang zwischen der Sozialdemokratie und den bürgerlichen Diktaturen des Ostblocks herstellte. Sie waren ja nichts anderes als „revisionistische Entartungen“, sozialdemokratisch/sozialfaschistische Diktaturen. Insofern bildeten beide Broschüren eine Einheit, oder sollten im Kampf gegen die Ostblockdiktaturen eine Einheit

darstellen. Vermutlich erschien die Polen-Broschüre, die von der Propagandaabteilung des Politbüros herausgegeben wurde, Anfang Februar bis Mitte Februar 1971 als Schulungsbroschüre. „Der Aufstand der polnischen Arbeiterklasse gegen die bürgerliche Diktatur der Gomulka-Clique“. (21) In der Broschüre wurde nach eigener Einschätzung

„Die ganze geschichtliche, epochemachende Bedeutung des polnischen Dezemberaufstandes hervorgehoben, den der Aufstand als erste proletarische Revolution gegen die bürgerliche Diktatur der Revisionisten haben musste.

Damit wurde der Einschätzung der internationalen Lage am Ende der relativen Stabilisierung ein wichtiger Baustein hinzugefügt: er zeigt neben der faschistischen Okkupation der CSSR durch den Sozialimperialismus und dem bewaffneten Angriff des Sowjetimperialismus auf die Dschenpao-Inseln an der Grenze der VR China das Ende der Stabilisierung des revisionistischen Lagers und seinen Zerfall an.“

Der Inhalt der Broschüre war:

Die Broschüre war eine Zusammenstellung von Materialien aus folgenden Zeitungen: „Peking Rundschau“, „KND“ der KPD/ML-ZB und des KJVD, „Berliner Extradienst“, „Capital“, „Der Spiegel“ (Jahre 1966 bis 1971), „Le Monde“, „National-Zeitung“, „Unsere Zeit“ der DKP, „Bild am Sonntag“, „Bild“, „Die Welt“, „Süddeutsche Zeitung“, „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“, „Westfälische Rundschau“, „Das Handelsblatt“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, „Frankfurter Rundschau“.

Bücher und Broschüren: Walter ULBRICHT: „Die Bedeutung der Entschließung des Informationsbüros über die Lage in der KP Jugoslawiens und die Lehren für die SED“ (in: ULBRICHT: Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. III, Stuttgart 1953),  J. W. STALIN: „Über die rechte Abweichung in der KPDSU (B)“ (in: Fragen des Leninismus, Moskau 1947), J. W. STALIN: „Die ökonomischen Probleme des Sozialismus in der UDSSR“, Moskau 1952,  W. L. LENIN: „Über die Naturalsteuer“ (in: W. I. LENIN: Über den sozialistischen Aufbau, Berlin 1970).

Außerdem: „Politische Ökonomie, Lehrbuch“, „Der Aufbau des Sozialismus in den volksdemokratischen Ländern“ (Berlin 1955), „Die Polemik über die Generallinie der internationalen Kommunistischen Bewegung“. Peking 1964, „Chinas Renminbi: Eine äußerst stabile Währung auf der Welt“ Peking 1969, „Die Arbeiterklasse der revisionistischen Länder muss auf dem Kampfplatz erscheinen und die Diktatur des Proletariats wiederherstellen“ (aus Zeri i Popullit, 24.3.1968), „Radio Tirana“ (laufende Sendungen), „Geschichte der deutsche Arbeiterbewegung“ (Chronik), Berlin 1967). Und natürlich fehlte das Standardwerk gegen den Revisionismus nicht: SAYERS/KAHN: “Die Verschwörung des Blocks der Rechten und Trotzkisten Gegen die Diktatur des Proletariats in der Sowjetunion“, Berlin 1949. (22)

Durch eine Fülle von Broschüren, Büchern und Artikeln, sollten strategische Schwerpunkte im politischen Kampf gegen Reaktion, Faschismus, Diktatur, Revisionismus und Sozialdemokratie festgelegt werden. So erschien ebenfalls noch im Februar 1971 vom KJVD herausgegeben: „Der wirtschaftliche Kampf der Arbeiterjugend.“ (23) Der KPD/ML-ZB nahestehenden Verlag Kommunistische Texte (VKT) Münster edierte im Februar 1971 innerhalb der Reihe „Dokumente zur Geschichte der Arbeiterbewegung“ als Nr.1 der Sammelband „LENIN, Leben und Werk“. U.a. waren mit Beiträgen vertreten: STALIN, RADEK, SINOWJEW, RYKOW, TROTZKI, BUCHARIN und KRUPSKAJA. (24) Auch dem illegale Kampf der KPD wurde mit besonderer Bedeutung bedacht. Es erschien die Broschüre „Der illegale Kampf der KPD 1933-1945“ als Nr. 3 der Reihe „Dokumente zur Geschichte der Arbeiterbewegung“. (25) Der „Parteiarbeiter“ kündigte für den Februar weitere Broschüren an. Erscheinen sollten in der Reihe der Schulungshefte der KPD/ML „in Kürze“, wie das Politbüro formulierte: „A: Fragen der Politischen Ökonomie, B: Fragen der Staats- und Revolutionstheorie, C: Fragen der Geschichte der Arbeiterbewegung, D: Fragen der Politik und der Arbeitsmethoden der KPD/ML, E: Fragen der internationalen kommunistischen- und Arbeiterbewegung, F: Fragen der marxistischen Philosophie. (26)

Die Quantität war ein rettungsloser Fallstrick. Niemand wollte das verarbeiten, geschweige denn lesen, darunter litt deutlich die Qualität.

Das Zentralbüro schien sich verheddert zu haben; denn in den genannten Reihen erschienen nur Hefte zu „Fragen der Geschichte der Arbeiterbewegung“. So im April 1971: „Fragen der Politischen Ökonomie“, „Fragen der internationalen kommunistischen und Arbeiterbewegung“, Hefte in den Reihen „Fragen der Staats- und Revolutionstheorie“, „Fragen der Politik und der Arbeitsmethoden der KPD/ML“ und „Fragen der marxistischen Philosophie“ erschienen nicht. Eine Selbstkritik gab es hierzu in der offiziellen Parteipublikation nicht. Selbst in der Sondernummer des Funktionärsorgan „Der Parteiarbeiter“, die wahrscheinlich bis Mitte Februar erschien, war darüber kein Wort zu lesen. Denn diese Ausgabe behandelte ausschließlich „Die antifaschistische Demonstration in Dortmund“ (vgl. Abschnitt: „Die antifaschistische Demonstration in Dortmund vom 17.1.1971“). (27)

Mit der Herausgabe der „Roten Fahne“ Nr. 2/1971 vom 1.2.1971, legte das Zentralbüro den Leitartikel „Die Tricks von Schiller und Möller. Lohndiktat - Steuererhöhungen“ vor. Ausgeführt wurde:

„Bundeswirtschaftsminister Schiller hat sich einen hervorragenden Plan ausgedacht, wie er die Lasten der Krise auf die Arbeiter abwälzen kann ... Die gegenwärtige Konjunkturzulage erlaubt nur begrenzte Lohnerhöhungen'. Das ist also die Antwort Schillers und der SPD/FDP-Regierung auf die sich immer verschlechternde Lage der Arbeiterklasse in der zunehmenden Krise! Lohndiktat von 7 bis 8% ... Und die Gewerkschaftsführer spielen mit ... Schiller versucht nun, dieses Lohndiktat den Arbeitern schmackhaft zu machen.

Die Konjunkturzulage soll vorzeitig in Raten zurückgezahlt werden, wenn die Lohnleitlinie eingehalten wird ... Dieser Trick Schillers ist durchsichtig. Denn kurz zuvor hat der Konjunkturrat der Bundesregierung empfohlen, die Lohnraubsteuer nicht aufzuheben und zurückzuzahlen. Und am 14. Januar erklärten alle Fraktionen des Bundestages einmütig: Der Konjunkturzuschlag fällt nicht! Aber das Lohndiktat bleibt dennoch ... Mit diesen durchsichtigen Manövern versucht sich die SPD/FDP-Regierung auf unsere Kosten zu halten und die Folgen der Krise auf uns abzuwälzen. In dieser Situation kommt es darauf an, die Machenschaften der Bundesregierung, der Gewerkschaftsführer und der Kapitalisten geschlossen zu bekämpfen. Das Schlimmste muss verhindert werden. Nur gemeinsam sind wir stark.“ (28)

Die „Lohnleitlinien“, die auch konsequent in der Chemieindustrie angewendet wurden, zeigten nach Auffassung des Zentralbüros das „ganze Ausmaß der Krise“. Der KJVD der KPD/ML meint zu Beginn des Februars zur Chemietarifrunde:

„CHEMIE-TARIFRUNDE 1971. DIE FORDERUNGEN MÜSSEN AUF DEN TISCH.

Die Tarifverhandlungen in der Chemieindustrie stehen vor der Tür. In Hessen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen können die Tarife ab 31.3.1971 gekündigt werden.

Einstellungsstop bei Bayer, Hoechst, BASF, CWH, Boehringer; das ist die Lage der Chemiearbeiter. Die Schließungen bei Phrix im letzten Jahr haben gezeigt, welche Ausmaße die Krise diesmal auch in der Chemieindustrie annehmen wird. Das heißt für die Arbeiter, Jungarbeiter und Lehrlinge: Wir müssen uns gegen die Angriffe der Kapitalisten organisiert zur Wehr setzen. Wir müssen in der Tarifrunde geschlossen für die Absicherung unserer Lage kämpfen. Für die Gewerkschaftsführer heißt das etwas anderes.

Je weiter die Krise voranschreitet, umso fester stehen sie zu den Kapitalisten. An einem 'runden Tisch' wollen sie sich jetzt regelmäßig mit ihnen treffen. Damit wollen sie die Kollegen aus allen Verhandlungen heraushalten.

So war bei BASF in Ludwigshafen eine Jugendvollversammlung geplant, auf der die Forderung für die Tarifverhandlung diskutiert und die Vertreter für den Tarifabschluss gewählt werden sollten.

Aber der Bezirksjugendsekretär von Rheinland-Pfalz, Meyer, und sein Beauftragter für BASF, Selzer, haben das verhindert.

Auf einer Jugendvertrauensleutesitzung, wo auf der Tagesordnung die Tarifverhandlungen nur ein Punkt unter anderen waren, hieß es auf einmal: 'Entweder ihr wählt jetzt die Vertreter, oder sie werden von der Verwaltungsstelle bestimmt.' Und wenn sie mit solchen Überrumpelungsmanövern keinen Erfolg haben, dann gehen sie auch rabiater vor.

Ihre Hauptangriffe richten sie gegen die Kommunisten. Auf sie setzen sie Spitzel in den Gewerkschaftsschulungen an. Sie werden einfach aus der Gewerkschaft hinausgeworfen. Auf sie ist das gemünzt, was Meyer auf einer Jugendversammlung bei Schott (in Mainz - vgl. Feb. 1971, d.Vf.) sagte: 'Die Unternehmer sind selbst schuld. Sie lassen nicht mit sich reden. Da ist es kein Wunder, wenn solche Gruppen hochkommen, die nur ihr ideologisches Süppchen kochen wollen.'

Denn die Kommunisten stören die Ruhe, die die Gewerkschaftsführer gerade jetzt brauchen.

Denn in Rheinland-Pfalz sind am 21.März Landtagswahlen. Und einer der SPD-Kandidaten ist Schweitzer, IG-Chemie-Bezirkssekret„r. Seine Wahlparole ist: 'Zwanzig Jahre CDU-Regierung haben euch die Löhne kaputtgemacht. Jetzt muss die SPD ran.'

Seine Mauscheleien mit den Kapitalisten zeigen schon jetzt, wie die Löhne aussehen werden. Schweitzer wird alles daransetzen, sie so niedrig zu halten, wie sein Kollege Schiller sie vorschreibt. Und Schillers Lohnleitlinien liegen um 7%.

Aber das dürfen die Kollegen natürlich vor den Wahlen nicht so deutlich merken. Darum wollen die Gewerkschaftsführer die Tarifverhandlungen bis dahin am liebsten totschweigen. Sehen wir diesen Manövern nicht tatenlos zu! Wir verlieren die Zeit, die wir brauchen, um den Kampf für die Durchsetzung unserer Forderungen zu organisieren.

Darum fordert der KJVD:

UNSERE FORDERUNGEN MÜSSEN JETZT AUF DEN TISCH!

DAS WICHTIGSTE, WAS DIE LEHRLINGE ERREICHEN MÜSSEN, IST DIE BINDUNG DER LEHRLINGSLÖHNE AN DIE FACHARBEITERLÖHNE.

Diese Forderung sichert, dass die Lehrlinge nicht mehr in gesonderten Tarifverhandlungen verschaukelt werden. Denn nur gemeinsam mit den Jungarbeitern und den älteren Kollegen können auch die Lehrlinge wirksam für die Durchsetzung ihrer Forderungen kämpfen.

Auch die SDAJ-Führer reden von dieser Forderung. Aber sie machen daraus die Forderung nach der Staffelung der Lehrlingslöhne: 40%, 60%, 70%, 80% des Facharbeiterlohnes.

Bei der BASF haben sie es auf der Versammlung, auf der die Gewerkschaftsführer die Lehrlinge überrumpelt haben, geschafft, diese Forderung zur Forderung aller BASF-Lehrlinge erklären zu lassen. Diese Forderung spaltet die Lehrlinge in einzelne Lehrjahre. Stark sind wir aber nur, wenn wir einig und geschlossen kämpfen: einig mit den älteren Kollegen und untereinander.

DESHALB STELLT SICH DER KJVD GEGEN DIESE FORDERUNG

Gerade in der jetzt beginnenden Krise werden immer mehr Lehrlinge in die Produktion eingespannt (...). Sie sollen für einen Hungerlohn die Arbeit für die älteren Kollegen weitermachen. Die richtige Forderung kann da nur heißen:

GLEICHER LOHN FÜR GLEICHE ARBEIT!

100% DES EFFEKTIVLOHNES FÜR ARBEIT IN DER PRODUKTION!

60% FÜR ALLE LEHRLINGE FÜR DIE ZEIT, IN DER SIE AUSGEBILDET WERDEN!

WEGFALL DER ALTERSABSCHLÄGE FÜR JUNGARBEITER!

Das ist die Forderung, die uns Lehrlinge und Jungarbeiter mit den älteren Kollegen vereint. Die SDAJ-Führer aber arbeiten mit ihrer spalterischen Forderung den Feinden der Arbeiterjugend in die Hand.“ (29)

Der Tarifpolitik war auch ein weiterer Artikel gewidmet, den das Zentralbüro am 1.2. im „KND“ veröffentlichte.

„DGB-TACKE ZUR KONJUNKTURGERECHTEN TARIFPOLITIK.

Der stellvertretende Vorsitzende des DGB, Bernhard Tacke, gab in einem Interview auf die Frage, 'Wird sich die gewerkschaftliche Tarifpolitik in diesem Jahr dem konjunkturellen Tatbestand anpassen?' folgende Antwort: 'Wir haben uns in der Vergangenheit nur gezwungenermaßen mit unserer Tarifpolitik konjunkturzyklisch verhalten. Es ist oft genug von uns erwogen und vorgetragen worden, sich mit dem Gedanken einer antizyklischen Tarifpolitik zu beschäftigen.

D. h., ich betrachte es gerade in einer Zeit, in der wir eine nachlassende Konjunktur verspüren, für notwendig, eine entgegengerichtete Tarifpolitik zu betreiben, um über den Weg der höheren Arbeitnehmereinkommen der Konjunktur den erforderlichen Auftrieb wieder zu verleihen. Das würde an Löhnen zwar mehr kosten, es würde aber zweifellos durch gleichbleibende oder gar steigende Produktion und damit Kostenverbilligung wieder wettgemacht werden ... Es passt auch schlecht in das Konzept einer konzertierten Aktion, wenn man von uns nun ein Kürzertreten bei den Tarifverhandlungen erwartet und wenn man noch vor wenigen Wochen eindeutig auf die Richtigkeit unserer Zielprojektionen verwiesen hat.'

Abgesehen von der Unrichtigkeit der Theorie der Massenkaufkraftstärkung in der Krise (...) haben sich die Gewerkschaftsführer bei den Tarifabschlüssen im Januar 1971 genau an das von den Kapitalisten und der SPD-Regierung 'erwartete Kürzertreten bei den Tarifverbesserungen' gehalten: laut Aussagen des DGB machten die Tarifabschlüsse im Januar 8,5% (!) aus, lagen also durchschnittlich nur um 0,5% über den 'Lohnleitlinien' der SPD-Regierung.“ (30)

Um das „Lohndiktat“ ging es auch im Baugewerbe. Der „KND“ vom 6.2. schrieb:

„Der IGBE Vorsitzende Sperner erklärte in einem Interview, dass die 'Tarifpartner keine Verantwortung für eine fehlgeleitete Konjunkturpolitik übernehmen können'. Auf die Frage, wie er zum 8% Lohndiktat steht, antwortete er allerdings, 'Diese 8% sind eine Durchschnittszahl. Es ist durchaus möglich, dass jemand darunter abschließt und es wäre auch möglich, dass jemand darüber abschließt.' - Die Bautarifverhandlungen werden wahrscheinlich noch in diesem Monat beginnen.“ (31)

Aus einem weiteren Artikel zur Lage in der Chemieindustrie war zu entnehmen, dass die KPD/ML-ZB auch von einer allgemeinen kapitalistischen zyklischen Krise ausging. Das war in Zeiten der Hochkonjunktur und der Prosperität des Kapitalismus ziemlich gewagt. So wurde am 1.2. formuliert:

„ZUR LAGE IN DER CHEMIEINDUSTRIE

Durch die verschärfte imperialistische Konkurrenz auf den ost- und westeuropäischen und den US-Märkten hat jetzt auch in der Chemieindustrie eine zyklische Krise begonnen. Anzeichen dafür sind vor allem die Einstellungsstops bei Bayer, Hoechst, BASF (in Ludwigshafen in Rheinland-Pfalz, d. Vf.), CWH (in Marl in NRW, d.Vf.), Boehringer, Kalle Wiesbaden (in Hessen, d. Vf.), zum Teil auch schon Überstundenkürzungen z. B. bei Glasurit, das zu BASF gehört. Weitere Maßnahmen werden möglicherweise von den Kapitalisten noch vor oder in der Tarifrunde (CTR, d. Vf.) zur Erpressung der Arbeiter durchgeführt werden. Das heißt jedoch auf keinen Fall, dass es sich in der Chemieindustrie um eine 'gewollte Rezession' handelt.

Wir müssen hier verstärkt die Forderung nach 6 Mark Mindestlohn stellen und versuchen, sie in den nächsten Monaten zu einer Aktionslosung zu machen ... Das Wichtigste sind im Moment die Verrätereien der rechten Gewerkschaftsführer. In den Betrieben tun die rechten Gewerkschaftsführer alles, um das Aufstellen von Forderungen zu verhindern und rechnen intern mit den üblichen 8 - 9%. Bezeichnend für ihre Taktik ist folgende Geschichte (vermutlich von Conti Hannover in Niedersachsen, d. Vf.): In Chemiebetrieben in Norddeutschland haben KPD/ML-Genossen bei der Vertrauensleuteschulung den Antrag gestellt, sobald wie möglich über die Tarifrunde zu beraten. Im Schulungsplan waren diese Beratungen erst direkt vor dem Kündigungstermin vorgesehen. Die Genossen konnten sich durchsetzen und einen Termin, der über einen Monat vor dem Kündigungstermin liegt, erreichen.

Die Bonzen versuchten diesen Erfolg mit allen Mitteln zu durchkreuzen und suchten Ausreden, um den Termin zu verschieben (Referent erkrankt usw.)! Es hat ihnen aber nichts geholfen. Gegen die Verrätereien der rechten sozialdemokratischen Führer heißt im Moment die taktisch wichtigste Parole:

DIE LOHNFORDERUNGEN MÜSSEN AUF DEN TISCH!

Damit ist nicht gemeint, dass wir warten, bis die Bonzen die Forderungen auf den Tisch legen, sondern dass wir selbst aktiv darangehen, das Aufstellen von Forderungen durchzusetzen.

Wir verbinden dies mit der zweitwichtigsten Parole:

SCHLUSS MIT DER SCHLICHTUNGS- UND ARBEITSGEMEINSCHAFTSPOLITIK!

SCHLUSS MIT DEN SPITZENGESPRÄCHEN!

Die Schlichtungsverhandlungen werden jetzt statt 14 Tagen 23 Tage dauern. Der Schlichtungstermin wurde auf den 19. 2. festgesetzt!“ (32)

Da die kapitalistische Krise für das Zentralbüro gleichzeitig auch eine umfassende Finanzkrise war, ging man davon aus, dass diese unvermindert an die werktätige Bevölkerung weitergegeben wird. Ohne dabei ernsthaft zu differenzieren, meinte der „KND“ am 1.2.:

„LÄNDER WÄLZEN FINANZKRISE AUF WERKTÄTIGE AB.

Die Finanzkrise des Bundes und der Länder und Kommunen vergrößert sich. Auf Landesebene werden schon jetzt die Versprechungen der SPD-Regierung für Reformen im sozialen Sektor Lügen gestraft.“

Eingegangen wird dazu auf Hessen (vgl. 1.2.1971) und Niedersachsen und fortgefahren:

„Was hier in den Ländern vor sich geht ist die von Möller für den Bundeshaushalt angekündigte 'Umschichtung innerhalb der Einzelhaushalte': trotz erhöhter Steuereinnahmen aus der Lohnsteuer werden die sozialen Leistungen gebremst oder gar abgebaut, während die Kapitalisten steuerbegünstigt werden ... Auch die KOMMUNALEN HAUSHALTE stecken in einer tiefen Finanzkrise.

Die Gemeindefinanzreform 1970 hat den Kommunen 2,5 Mrd. DM eingebracht. Durch die 'Kostensteigerung im Personal- und Bausektor' (Vogel, Münchens (in Bayern, d. Vf.) SPD-Oberbürgermeister und Präsident des Deutschen Städtetages) ist das Defizit der Kommunen auf 5 Mrd. gewachsen. Auch die Kommunen werden diese Pleite auf die Werktätigen abwälzen.

Die Anschlussgebühren von Neubauten an die Entwässerung wurden schon um 43% erhöht. Diese Gebührenerhöhungen werden direkt auf die Mieten aufgeschlagen. Der Preis für Abwässer der Haushalte steigt um 25%. Das heißt, das Wasser wird um 25% teurer werden.

Die 'Großverbraucher', also die großen Unternehmen der Industrie, sind nicht von der Gebührenerhöhung betroffen. Im Gegenteil, ihre Abwässer werden 'degressiv', verbilligt, beseitigt.

Auch direkte Wasserpreiserhöhungen werden vorgenommen: in Essen von 65 auf 78 Pfg., in Stuttgart  kostet der Kubikmeter sogar 1 DM.“ (33)

Mineralölsteuererhöhung und die Anhebung der Preise bei den Zündhölzern rundeten diese Auffassungen noch zusätzlich ab. Zum 1.2. hieß es im „KND“:

„MINERALÖLSTEUER-ERHÖHUNG ANGEKÜNDIGT.

Für eine Erhöhung der Mineralölsteuer hat sich der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende und Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Deutschen Bundestag, Hans Apel, ausgesprochen. Seiner Meinung nach sollte sie zu Beginn des nächsten Jahres erfolgen und 3% nicht überschreiten.“ (34)

Und: „ZÜNDHÖLZER werden ab 1. 3. um 20% teuerer. Diese Erhöhung ist von der SPD-Regierung verfügt worden. Die Deutsche Zündwaren-Monopolgesellschaft ist in Bundesbesitz.“ (35)

Rationalisierungsmaßnahmen in allen Wirtschaftszweigen waren deutliche Anzeichen für den Vernichtungsprozess des Kapitals, der sich für das Zentralbüro so darstellte:

„Die Duisburger Kupferhütte, die zu je 30% BASF, Bayer, Hoechst (alle CPK- Bereich, d.Vf.) gehört, hat umfangreiche kapitalistische Rationalisierungsmassnahmen angekündigt. Bereits im letzten Jahr wurde die Belegschaft durch Entlassungen um 266 verkleinert. In diesem Jahr sollen 300 weitere Kollegen auf die Straße gesetzt werden, außerdem soll das gesamte Ausbildungswesen aufgegeben werden und die Lehrlinge anderen Unternehmen angewiesen werden. Die Lehrwerkstatt und das Ausbildungspersonal sind zur Verpachtung angeboten worden. Vorstandsvorsitzender Schackmann: 'Wir müssen bis an die Grenze des Vertretbaren gehen, um diese Durststrecke durchzustehen.“

Und:

„LEHRWERKSTATT WIRD VERSCHACHERT.

VERSCHÄRFTE ANGRIFFE AUF DIE ARBEITERJUGEND

Die Krise hat auch die Duisburger Kupferhütte erfasst. Die Kapitalisten reden von drastischen Sparmassnahmen, und Aufsichtsratsvorsitzender Schackmann meinte: 'Wir müssen bis an die Grenze des Vertretbaren gehen, um diese Durststrecke durchzustehen.' 'Bis an die Grenze des Vertretbaren gehen' - das heißt, ein bisschen weniger Profit für die Kapitalisten - für 300 Kollegen heißt das: Entlassung. Für die Lehrlinge heißt das: Verschachert werden an andere Kapitalisten. Die Kapitalisten wälzen die Lasten der Krise auf die Arbeiterklasse ab - auch auf die Lehrlinge und Jungarbeiter.“ (36)

Zur Kurzarbeit und Entlassungen bei Intermetall (Halbleiterproduktion), meine das Zentralbüro am 4.2.:

„Welches Ausmaß aber die kapitalistischen Rationalisierungsmaßnahmen dort angenommen haben, zeigt der folgende Bericht aus Freiburg: Kurzarbeit und Zwangsurlaub gibt es seit dem 7. Dezember. Ca. 300 Arbeiterinnen sind bereits entlassen worden. Von Kurzarbeit und Zwangsurlaub waren zunächst 705 Arbeiterinnen betroffen.

Der größte Teil von ihnen wurde bis zum 9. Januar nach Hause geschickt; zwei Abteilungen arbeiten seitdem kurz: Früh- und Spätschicht im Wochenweisen Wechsel. Am 9. Januar wurde der Zwangsurlaub teilweise verlängert, teilweise wurden andere Kolleginnen 'in Urlaub geschickt' bis zum 5. Februar.

In der Betriebsversammlung am 4. 2. gab die Geschäftsleitung bekannt, dass für die Kolleginnen, die am 5. Februar wieder anfingen zu arbeiten, nun bis zum 22. März 250 andere Arbeiterinnen zu Hause bleiben müssen, außerdem geht die Kurzarbeit in den beiden Abteilungen ebenfalls bis zum 22. März weiter.

Für alle Arbeiterinnen wurde die Schichtzulage gestrichen, teilweise auch die Prämien. Die Kolleginnen bekommen jetzt bis zu 50 Pfennig in der Stunde weniger. Im Betrieb wird jede Arbeiterin ganz genau beobachtet, es werden schwarze Listen geführt, die Vorarbeiterinnen werden über die einzelnen Kolleginnen ausgefragt. Die Frauen, die krank feiern, werden auf die Kurzarbeitsliste gesetzt, ebenso einzelne Kolleginnen, die schwanger sind und deshalb sechs Wochen vor und nach der Geburt nicht zu arbeiten brauchen. Die IGM führt gegen die Streichung der Schichtzulage einen Arbeitsgerichtsprozess. IGM-Betriebsrat Hellinger aber sagt zu den Maßnahmen der Betriebsleitung kein Wort.“ (37)

Die ZB-Betriebsgruppe Gussstahlwerk in Gelsenkirchen der Rheinstahl Gießerei AG berichtete in einer Ausgabe ihrer Betriebszeitung „Der Rote Gußstahl-Arbeiter“ vom 1.2.1971 konkreter über diesen Krisenprozess:

„Bei Gußstahl machen sich schon seit September die Auswirkungen der Krise bemerkbar. Der Auftragseingang ist stark zurückgegangen und die Kapitalisten haben fast alle Überstunden und Sonderschichten gestrichen. Immer mehr Betriebszweige werden auf Morgenschicht umgestellt. Nur noch ein Teil der Belegschaft arbeitet auf Mittagsschicht (ein Beispiel: von ca. 10 Putzern, 4 Anhängern, 6 Brennern, 6 Schmorern arbeiten nur 2 Putzer, 2 Anhänger, 2 Brenner und 2 Schmorer auf Mittagschicht-Vorputzerei ... Seit Januar arbeiten im Stahlwerk von 3 Elektroöfen nur noch 2. In der Formerei sollen die Kollegen demnächst nur noch 35 Stunden pro Woche arbeiten.

In ca. 4 Wochen wird das heißen: auch Kurzarbeit in den anderen Betriebszweigen, also Vorputzerei und Fertigputzerei.“ (38)

Die „35 Stunden pro Woche“ wurden hier als Krisenauswirkung geschildert. Die „35 Stundenwoche“, die kurze Zeit später von verschiedenen Stadtteilgruppen der IG Metall als Antrag formuliert wurde, und die vorhandenen Arbeitsplätze sichern sollten, sollte für heftige Diskussionen um eine Arbeitszeitverkürzung führen.

Dass sie hier noch den tiefen Charakter der Krise ausmachte, gehörte zu den vielen Fehlleistungen des Zentralbüros. Allerdings gehörte sie zu dem Versuch, mit keynesianischer Politik einen wirtschaftlichen Einbruch zu verhindern, der 1974/75 sichtbar wurde. Dementsprechend fielen auch die wirtschaftlichen Rezepte aus, um die Expansionsstrategie des Kapitals auch für Deutschland vollends auszuschöpfen.

Die „35 Stundenwoche“ sollte so eine gewisse wirtschaftliche Stagnation verhindern. Das sie das doch nicht war, sollte sich später herauskristallisieren.

Die Diskussionen um eine Arbeitszeitverkürzung hatte im Zentralbüro allerdings nicht den Stellenwert, den sie bei anderen marxistisch-leninistischen Organisationen später haben sollte. Das hing letztlich damit zusammen, dass in der Endphase der Organisation dieser Diskurs nicht mehr relevant war.

Und schließlich war die Kritik an der Gewerkschaftsführung dermaßen auf die Spitze getrieben, dass sie selbst zu einem Teil der kapitalistischen Wirtschaftsmaschinerie mutierte. Durch die Verflechtungen mit der SPD, konnte es mit ihr auch keine dauerhaften Veränderungen geben.

Die unnachgiebige Kritik an der Gewerkschaftsführung führte dazu, dass die Mitglieder der KPD/ML-ZB und des KJVD von Ausschlüssen aus der IGM bedroht waren. Über diese Gewerkschaftsbestrebungen berichtete der KJVD:

„Auch in Recklinghausen und Essen haben sich Jusos und SDAJ-Führer (der SPD bzw. DKP, d.Vf.) mit den Gewerkschaftsbonzen zusammengetan, um KJVD-Mitglieder aus den Gewerkschaftsgruppen hinauszuwerfen.“

Und:

„Die ersten Ergebnisse der Zusammenarbeit haben die Genossen vom KJVD und die Jungarbeiter und Lehrlinge bereits zu spüren bekommen. In Recklinghausen erklärten die Jusos wenige Tage, nachdem Voigt die neue Richtung der Jusoarbeit angegeben hatte, dass sie Mittel und Wege finden würden, um die KJVD-Genossen und alle anderen, die den Verrat der SPD-Regierung bekämpfen wollen, aus der Gewerkschaft herauszuwerfen.“ (39)

Arbeitsmarktpolitik und staatlicher Interventionismus, die von der Sozialdemokratie als  konjunkturstabilisierend betrachtet wurden, wurden vom Zentralbüro am 5.2. im „KND“ mit den Worten kritisiert:

„BFA-ARBEITSLOSENZAHLEN.

Die Bundesanstalt für Arbeit hat am Freitag die Zahlen über die Entwicklung der Arbeitslosigkeit im Januar bekannt gegeben: die Zahl der Arbeitslosen stieg um 111 100 oder 63,5% auf 286 200. Liegt also nahe der 300 000 Grenze, die BfA-Präsident Stingl für Ende Januar 'vorausgesagt' hatte. Die Arbeitslosenquote erhöhte sich von 0,8% auf 1,3%. Die Zahl der Kurzarbeiter ist von Mitte Dezember bis Mitte Januar um 17 000 auf 64 000 gestiegen.

Der Schwerpunkt lag mit 29 900 Kurzarbeitern in der Elektroindustrie, in der Bekleidungsindustrie waren es 8 400 Kurzarbeiter. Für die nächste Zeit liegen bei den Arbeitsämtern Anträge auf Kurzarbeit, die insgesamt etwa 33 000 Arbeiter und Angestellte betreffen vor. Dass es sich bei dem starken Ansteigen der Arbeitslosenzahl aber nicht nur um den 'üblichen Anstieg der winterlichen Saisonarbeitslosigkeit' handelt, zeigt die Verlagerung der Arbeitslosenzahlen in den verschiedenen Branchen; z. B. lag die Zahl der Arbeitslosen in der Metall- und Elektroindustrie in diesem Jahr deutlich höher als im Januar 1970, während in den 'witterungsabhängigen Saisonberufen' (z. B. Bau) die Zahl der Arbeitslosen wesentlich niedriger lag als im Vorjahr.

Ein weiteres Zeichen dafür, dass der Anstieg der Arbeitslosigkeit ganz klar Ausdruck der beginnenden Krise ist, ist die Verschiebung der Arbeitslosigkeit von den Männern auf die Frauen.

Die Zahl der arbeitslosen Männer verdoppelte sich zwar im Januar um 92 700 auf 190 600 und erhöhte sich bei den Frauen 'nur' um 18 500 auf 95 600, das waren jedoch im Vergleich zum Vorjahr 12,4% weniger arbeitslose Männer, aber 40% mehr arbeitslose Frauen.“ (40)

Die niedrigen Arbeitslosenzahlen zu Anfang der 70er Jahren zeigten bereits im Kern, dass es niemals mehr Vollbeschäftigung geben würde. Die „beginnende Krise“, die das Zentralbüro als faktische Tatsache annahm, begann vielleicht als Rezession erst 1974 im Automobil- und Bausektor, später dann in der Stahlindustrie und der Metallindustrie und im Kohlebergbau.

Die Krise, deren Auswirkungen die KPD/ML-Zentralbüro mit immer neuen Facetten zu untermauern versuchte, war zu diesem Zeitpunkt noch keine Überproduktionskrise; denn in dieser kann nicht mehr die Gesamtmasse des verfügbaren Kapitals die zu erwartende Profitrate für alle Kapitalien sicherstellen. Sie führt jedoch zu einem drastischen Verfall der Preise. Die unvermeidliche Konsequenz daraus war, dass das Angebot die Nachfrage weit überstieg.

Das war einmal mehr in der Stahlindustrie zu beobachten. Auf dem Weltmarkt herrschte eine stärkere Konkurrenz als auf den Binnenmärkten. Die spezielle Verschlechterung der Konjunktur in der Stahlindustrie, war dem Umstand geschuldet, dass beträchtliche Überkapazitäten vorhanden waren, die den Absatz bei gleichzeitigem Rückgang der Industrieproduktion schmälerten. Trotz der Tatsache, dass einige Abteilungen in der Stahlindustrie ihren Aufschwung fortsetzen konnte, erinnerte sich hier das ZB gerne an das „Lehrbuch der Politischen Ökonomie“ (41), demzufolge eine Krise umfassend ist. Am 8.2. führte das ZB zur Lage in der Stahlindustrie aus:

„In der Stahlindustrie verschlechtert die Krise zunehmend die Lage der Arbeiter. Nicht nur Kurzarbeit und Entlassungen, sondern auch Akkordkürzungen, Streichung von 'Sozialleistungen', Ansteigen der Arbeitshetze und damit auch der Betriebsunfälle sind Zeichen der beginnenden Krise.

Die Genossen aus Essen berichten uns: 'Krupp hat weitgehend die Überstunden abgebaut. Zwar gibt es keine Entlassungen, wohl aber werden Kollegen auf andere Arbeitsplätze, wo noch was zu tun ist, verschoben.

Um die Lasten der Krise auf die Arbeiter abzuwälzen, geht Krupp zum großangelegten Lohnraub über. So ist die Sozialzulage ab 1. Januar gestrichen worden, d.h. der Stundenlohn des Arbeiters wird um 2 Pfennig für die Ehefrau und um 1 Pfennig pro Kind gekürzt. Bei den Angestellten macht das rund 10 Mark aus. Damit hat Krupp die 11%ige Lohnerhöhung vom letzten Herbst auf 10% - die von den Kapitalisten gesetzte Grenze, gedrückt.

Außerdem gibt es Akkordkürzungen, die bisher schleichend durchgeführt werden - ein Kollege nach dem anderen, um keine geschlossenen Kampfmaßnahmen hervorzurufen. Mit Hilfe des rechten Betriebsrats, der dem Lohnraub einfach zustimmte, konnten die Krupp-Kapitalisten bisher Kampfmaßnahmen verhindern.

Die Rationalisierung wird auch verstärkt angewandt, um die Lohnkosten zu drücken und die Arbeitshetze zu steigern. So sind z. B. die Laufkräne in der mechanischen Werkstatt, die bisher mit einem Kranfahrer oben im Korb und einem Kettenanschläger belegt waren, nun auf 1 Mann-Betrieb umgestellt worden: jetzt muss 1 Kollege den Kran fahren und die Ketten anschlagen und das muss genauso schnell gehen wie vorher, da ja alle Drehbänke im Akkord laufen. Das Ergebnis ist: die Unfälle steigen rapide an, in wenigen Wochen gab es mehrere Unfälle am Kran.“ (42)

Und über die Ruhrchemie Oberhausen war zu lesen:

„In den Betrieben der Chemieindustrie verschlechtern die kapitalistischen Rationalisierungsmaßnahmen  jetzt bereits die Lage der Arbeiter.   Neben Bayer, BASF, Hoechst, CWH (in Marl, d.Vf.), Boehringer und Kalle Wiesbaden (in Hessen, d. Vf.) gibt es jetzt auch bei der Ruhrchemie Oberhausen totalen Überstunden- und Einstellungsstop. Bei der Ruhrchemie arbeiten etwa 3 000 Arbeiter und Angestellte. Jeweils ein Drittel der Aktionen gehören Hoag und Mannesmann (MM. d/Vf.) Die Ruhrchemie ist Großproduzent von Hostalen und Alkoholen/Aldehyden mit einem Weltmarktanteil von 10%.“ (43)

Die kapitalistische Krise war sozusagen umfassend in allen Betrieben zu spüren.

Bei Salamander, dem „größten Schuhkonzern“, laut KPD/ML-ZB gab es tiefe Einbrüche. Salamander, so der „KND“ am 17. 2.  „legt zwei von über 50 deutschen Werken still, und zwar das Werk in Worms und Hatzenbühl. Über 500 Arbeiter sind von der Stillegung betroffen. In Worms sind 2/3 der Arbeiter Frauen. Salamander will ebenso wie Siemens seine Profite dadurch absichern, dass es 'lohnintensive Produktionszweige' in's Ausland verlegt.“ (44)

Bei der Hausgerätefirma Krupps in Bottrop „wird in Kürze Kurzarbeit eingeführt, und zwar werden die Kollegen nur noch 3 Tage in der Woche arbeiten“. (45) Selbst die großen Chemiekonzerne Bayer, BASF und Hoechst stecken tief in der Krise. Der  „KND“ führte am 8. 2. aus:

„Als weiteres Anzeichen der beginnenden Krise in der Chemieindustrie ist die Einschränkung der Beteiligung an der Kunststoffmesse in Hannover zu werten.

Die drei großen Chemiekonzerne, Bayer, BASF und Hoechst haben beschlossen, ihre Beteiligung stark zu reduzieren.

Unter anderem soll das 'Standpersonal' drastisch verringert werden. Hoechst, der bisher 20 - 30 Mitarbeiter auf seinem Messestand eingesetzt hatte, will dieses Jahr nur noch fünf - acht einsetzen.“ (46)

Und weiter:

„Bei OPTIK-SCHNEIDER in Bad Kreuznach sind weitere Massenentlassungen geplant. Die Genossen des KJVD Bad Kreuznach berichten über Gerüchte, nach denen man auf eine vorläufige (!) Belegschaftsstärke von 800 Mann kommen will.

Nach der Entlassung von 120 Arbeitern im Januar (...) beträgt die Belegschaftsstärke zur Zeit 1 180 Arbeiter.“ (47)

In der Elektroindustrie führen „die Kapitalisten weitere Schläge gegen die Arbeiter“, meinte der „KND“ ebenfalls am 8.2.

„Die Halbleiterproduktion von SIEMENS in Regensburg wird bis Ende 1971 stillgelegt. 800 Arbeiter fliegen auf die Straße. Die Herren von Siemens gehen dabei natürlich genauso vor wie die Kapitalisten aus der Stahlindustrie: monatlich 49 Entlassungen.

Die Kapitalisten wollen die Produktion nach Singapur und in die Abruzzen (Norditalien) verlegen, weil dort die 'Lohnkosten' niedriger sind und die Kapitalisten auf diese Weise ihre Profite in der Krise zu retten versuchen.“ (48)

Die KPD/ML-ZB Augsburg berichtete:

„Um schneller und rationeller arbeiten zu können, werden zur Zeit bei MBB laufend neue Maschinen aufgestellt. Da diese Maschinen oft 8 und mehr Arbeiter ersetzen und die dabei freiwerdenden Arbeiter vor allem Dreher und Fräser bestimmt nicht alle anderweitig in der Produktion wieder eingesetzt werden können, werden wohl einige Arbeiter entlassen.“ (49)

Aus Hochheim, wurde laut KPD/ML-ZB bekannt, dass die „techite Rohrwerke GmbH in Hochheim „nicht wie angekündigt stillgelegt werden. Auf Protest des Betriebsrats hin werden jetzt nur 50 der gut 100 Arbeiter entlassen und künftig nur noch eine Schicht verfahren.“ (50) Selbst in Künzelsau ist die kapitalistische Krise nicht mehr von der Hand zu weisen.

KJVD und KPD/ML-ZB wussten zu berichten:

„KURZARBEIT, ENTLASSUNGEN, ZWANGSURLAUB BEI SIGLOCH IN KÜNZELSAU.

Nachdem vor Weihnachten sogar noch Schüler zu Wochenendarbeiten angestellt wurden und die Arbeiter täglich bis zu 15 Stunden arbeiten mussten, wurden in den letzten Wochen zunächst die in Jugoslawien von Firmenvertretern angeworbenen Gastarbeiter klammheimlich in ihr Heimatland abgeschoben. Danach mussten die meisten Arbeiter kurzarbeiten, was vor allem am Inhalt der Lohntüten deutlich wurde, der Bevölkerung aber nicht bekannt war.

Gleichzeitig begann die Firmenleitung des Buchbindebetriebs, einem der bedeutendsten der BRD, unliebsame Arbeiter mit schlechter Arbeitsmoral und geringerer Arbeitsleistung, vor allem ältere Kollegen auf die Strasse zu setzen. Viele wurden auch gezwungen, den verbliebenen Urlaub zu nehmen. Die Ursache für diese Maßnahmen ist die planlose Wirtschafterei der Kapitalisten in der Buch- und Buchbindeindustrie, die noch verschärft wird dadurch, dass es dort üblich ist, Bücher vor allem an zwei Terminen auf den Markt zu bringen: im Frühjahr und zu Weihnachten. Das führt dazu, dass die Arbeiter mal soviel arbeiten müssen, dass sie kaum noch zum Schlafen kommen und ein paar Wochen später sitzen sie auf der Straße. Einen Ausweg aus dieser anarchistischen Bankrottwirtschafterei kann nur die sozialistische Planwirtschaft bringen, wo man bei der Planung von den Interessen und Bedürfnissen der Arbeiter ausgeht. Das würde in diesem Fall bedeuten, Erscheinungstermine und Herstellungstermine der Bücher so zu koordinieren, dass in allen zusammenhängenden Betrieben gleichmäßig gearbeitet werden kann, was heißen würde: Weder Kurzarbeit, Entlassung oder Zwangsurlaub, noch übermäßige Überstunden. Volle Ausnutzung der Produktionskapazität, was nicht nur die horrenden Preise für Bücher erniedrigen sondern auch eine beständige Erhöhung der Löhne mit sich bringen würde.“ (51)

Besonders spürbar sei die Krise in der Maschinenbauindustrie. Dass eine Rezession durch den permanenten Fall der durchschnittlichen Profitrate ausgelöst und mit einem Rückgang bei den produktiven Investitionen in die Länge gezogen wird, interessierte das ZB nicht. Der Maßstab sei einfach Kurzarbeit und Entlassungen.

Am 11.2. war im „KND“ zu lesen:

„Besonders stark spürbar sind jetzt auch bereits die Auswirkungen der Krise in der MASCHINENBAUNDUSTRIE. Das ist deshalb besonders wichtig, weil der Maschinenbau der deutlichste Maßstab für Neuinvestitionen ist, deshalb kann man ihn als 'Konjunkturindikator' ansehen.

Die Mannheimer Genossen berichten uns über die Lage in der Maschinenbauindustrie: Bei den MANNHEIMER MOTORENWERKEN (MWM) werden in der nächsten Zeit 100 -140 Arbeiter und Angestellte auf die Straße geworfen. Das sind bei einer Stärke der Belegschaft von ca. 2 000 Mann 4%. Der Betriebsrat bei MWM, bestehend aus SPDlern und zwei D'K'P-Mitgliedern gab seine volle Zustimmung zu den Entlassungen. Er versprach, nachdem ihm die Liste der zu Entlassenden vorlag, nichts dagegen zu unternehmen, da sich für diese Kollegen 'ein Einsatz der Arbeitnehmervertreter nicht lohnen würde' (nach einer Meldung des Mannheimer Morgen vom 12. 2.1971). Über die Haltung der D'K'P-Betriebsräte ist nichts bekannt, doch haben sie offensichtlich keine Forderungen aufgestellt und die Belegschaft dafür mobilisiert.

Die Trotzkisten zeigten ebenfalls ihre spalterische Politik, indem sie zu einer Solidaritätsdemonstration für zwei von der Entlassung betroffene Lehrlinge aufriefen und dabei die 'restlichen' betroffenen Kollegen einfach unter den Tisch fallen ließen, um ihre Idee von der Jugendavantgarde an den Mann zu bringen.“ (52)

Und zum 15. 2. über Zeiss Ikon:

„ZEISS IKON hat jetzt auch im Braunschweiger Werk Kurzarbeit eingeführt. In den nächsten zwei - drei Monaten soll nur an vier Tagen in der Woche gearbeitet werden. Von dieser Maßnahme sind 300 - 340 der 2 300 Beschäftigten betroffen.

In das Braunschweiger Werk soll die gesamte Kamerafertigung von Stuttgart (in Baden-Württemberg, d.Vf.) verlegt werden“.

Der KJVD der KPD/ML-ZB berichtete:

„Tausenden von Kollegen droht der Rausschmiss, weil die Betriebe, in denen sie beschäftigt sind, für die Kapitalisten nicht mehr rentabel genug sind. Sie schließen ihre deutschen Fabriken und bauen verstärkt dort neue Fabriken, wo die Arbeitskräfte billiger sind als hier. Wie bei Zeiss-Ikon in Braunschweig:

Die Kapitalisten haben für 30 Millionen DM eine neue Produktionsanlage in Singapur gebaut. Hier können sie mehr Profit machen, weil es dort ein Heer von Arbeitslosen gibt, die jede Arbeit zu jedem Lohn annehmen müssen, um nicht zu verhungern. Für 300 Braunschweiger Kollegen heißt das: Kurzarbeit.“ (53)

Die Wirtschaftskrise im Kapitalismus mag immer eine Überproduktionskrise von Waren sein. Aber auch wieder nicht im mechanischen Sinne des Begriffs mit einer gradlinigen und kausalen Kette.

Allerdings gibt es vor diesem „Krach“ eine Zunahme und keine Kürzung der Investitionen.

Im allgemeinen gibt es auch keinen Rückgang der Löhne. Die Verschärfung der kapitalistischen Krise mit einer umfangreichen Reduzierung der laufenden Produktion bedeutet einfach, dass im Hinblick auf das gesamte gesellschaftliche Kapital der  insgesamt erzeugte Mehrwert nicht mehr ausreicht, die alte Profitrate zu halten. Die „Verschärfung der kapitalistischen Krise im allgemeinen“, so wie von KPD/ML-ZB und KJVD behauptet, war hier nichts anderes als eine monokausale Erklärung, die Grundlage des Irrtums überhaupt. Der KJVD setzte die kapitalistische Krise und eine Krise der politischen Parteien (hier der Sozialdemokratie) einfach gleich. Wenn die Sozialdemokratie die Löhne kürzt, verschlimmert sich die Krise.

Am 15.2. gab der KJVD die Nr.1/2 1971 seines „Jungen Bolschewik“ (Organ für Theorie und Praxis des KJVD) heraus. Dort waren die „taktischen Hauptaufgaben für die nächste Zeit“ bestimmt. Über den Zusammenhang zwischen kapitalistischer Krise, Sozialdemokratie war zu lesen:

„Das Ziel der jetzigen Etappe der Revolution ist der Sturz der Diktatur der Monopolbourgeoisie und die Errichtung der Arbeitermacht, die Errichtung des Sozialismus. Dabei führen wir den Hauptschlag gegen die soziale Hauptstütze der Monopolbourgeoisie, die Sozialdemokratie, bekämpfen wir den Einfluss der Sozialdemokratie in der Arbeiterklasse, den Einfluss des Sozialdemokratismus als Ideologie überhaupt. Hierbei müssen wir ebenfalls einen Schlag gegen die DKP führen als neue Sozialdemokratie, als Stütze der sozialdemokratischen Ideologie innerhalb der Arbeiterklasse.

Was sind die Hauptkräfte der Revolution und was die Reserven? Die Hauptkraft der Revolution in Deutschland ist das Proletariat, die einzige Klasse der Gesellschaft, welche konsequent für den Sturz der bestehenden Gesellschaftsordnung kämpft, weil das Proletariat als einzige Klasse keine Bindung an die Bourgeoisie hat, weil das Proletariat die einzige Klasse ist, die nichts als seine eigenen Ketten zu verlieren hat.

Bündnispartner des Proletariats sind die halbproletarischen Schichten und das zum Proletariat neigende Kleinbürgertum. Sie bilden die Reserve der Revolution.

Wann ist eine Änderung der Richtung des Hauptschlages notwendig? Im Groben können wir hier folgende Punkte aufzeigen, die es uns erlauben, die Notwendigkeit der Änderung unserer Strategie näher zu bestimmen: Es sind dies erstens:

Eine Verschärfung der Fraktionskämpfe innerhalb der Bourgeoisie. Eine Verschärfung dieser Fraktionskämpfe kann man mit der Verschärfung der kapitalistischen Krise im allgemeinen immer feststellen ... Es ist zweitens die zunehmende Zersetzung der sozialdemokratischen Kader innerhalb des Staatsapparates durch faschistische Kader. Drittens: wenn die Krise der Sozialdemokratie auf der Tagesordnung steht; wenn die Revolutionierung breiter Teile der Arbeiterklasse stattfindet; wenn traditionell sozialdemokratische Schichten innerhalb der Arbeiterklasse (Beispiel Arbeiteraristokratie) sich von der Sozialdemokratie abwenden. Viertens: Wenn die bolschewistische Partei auf der Grundlage der Krise der Sozialdemokratie und der Revolutionierung breiter Teile der Arbeiterklasse erstarkt. Ja, wenn sie in der Lage ist, die Millionenmassen der Arbeiterklasse und des werktätigen Volkes zum revolutionären Ausweg zu führen.

Wenn diese Punkte im Wesentlichen erfüllt sind, stellt sich für uns die Frage der Änderung des Hauptschlages. Der Hauptschlag muss auf der Grundlage der aufgezeigten Bedingungen dann gegen den Faschismus geführt werden. Unsere bisherige Strategie bestimmt auf der Grundlage der jetzigen Etappe der Revolution die Sozialdemokratie als die soziale Hauptstütze der Bourgeoisie.

Auf der Grundlage dieser Bestimmung führen wir auch den Hauptschlag gegen die Sozialdemokratie.

Innerhalb der Metalltarifrunde trat der KJVD zum ersten Male unter geeinten Losungen an, konnte er auf Bundesebene eine einheitliche Agitation durchführen. Diese einheitliche Linie brachte den Verband erheblich voran, vergrößerte seinen Einfluss in der Arbeiterjugend. Innerhalb der Metalltarifrunde allerdings wurde ebenfalls eine Reihe von Fehlern begangen ... Generell jedoch hat die Metalltarifrunde den Verband gestärkt, sowohl politisch als auch organisatorisch. Die Metalltarifrunde war begleitet von einer Reihe von Angriffen von Feinden der Partei auf die Partei und auf den Jugendverband, besonders auf die zentralen Leitungen. Diese Angriffe konnten entschieden zurückgeschlagen werden. Besonders der LV NRW hatte unter diesen Angriffen zu leiden, da hier parteifeindliche Elemente lange Zeit eine erhebliche Wühlarbeit im Verband geleistet haben, systematisch die zentralen Leitungen verhetzten und durch ständig auftretende rechte und linke Abweichungen die Arbeit des Verbandes erheblich behinderten.

Organisatorisch stärkte sich der Verband, wobei hier besonders das Wachsen des LV Hessen zu nennen ist. Mit Abschluss der Metalltarifrunde hat der LV Hessen den LV NRW mit Hilfe seiner massierten Massenarbeit auf der korrekten politischen Linie erreicht.

In der Zeit der Metalltarifrunde war das Hauptaugenmerk der Partei und des Jugendverbandes nach außen gerichtet, war darauf gerichtet, einen Teil der Aktivitäten der Massen zu führen, auf sie Einfluss zu nehmen.

Massenhafte Agitation vor den Betrieben, Aufrufe und Parolen wurden an die Massen gegeben. Die Arbeiterklasse selbst kämpfte, kämpfte auch gegen den Verrat der Gewerkschaftsbonzen und der SPD, die ihre Rolle als soziale Hauptstütze der Bourgeoisie gerade in der Metalltarifrunde sehr deutlich gemacht hatte.

Es fehlte aber die politische Organisation der Arbeiterklasse, jene Organisation, die einzig und allein in der Lage ist, dem Kampf der einzelnen Arbeiter Perspektive und Richtung zu geben; es fehlte die bolschewistische Partei als die Partei der Arbeiterklasse. Gerade in der Tarifrunde zeigte sich sehr deutlich, wie diese Führung fehlte.

Sie fehlte auf der Grundlage der organisatorischen Schwäche der Partei, fehlte, weil die Partei einfach zu jung war, um die Führung in diesen Kämpfen übernehmen zu können. Den sozialdemokratischen Führern allerdings gelang es gerade aufgrund dieser Tatsache, den Kampf der Arbeiter abzuwürgen, gelang es, eine 'politische' Schlichtung durchzuführen.

Mit dieser Schlichtung bröckelte dann langsam die vorhandene Kampfbereitschaft der Arbeiter ab, verebbte langsam der Kampf des Proletariats.

Wie muss unsere Taktik aussehen?

War in der Metalltarifrunde die Aktivität hauptsächlich nach außen gerichtet, so müssen wir nun daran gehen, sie nach innen zu richten. Wir müssen die Fehler, die gemacht worden sind, genau analysieren. Wir müssen die Organisation politisch und organisatorisch festigen und ausrichten. Wir müssen uns auf die kommenden Klassenkämpfe sowohl politisch wie organisatorisch vorbereiten ... Welches ist nun das Kettenglied für den gegebenen Moment im Jugendverband?

Das entscheidende Kettenglied für den KJVD ist im gegebenen Moment die Hebung des politisch-ideologischen Niveaus innerhalb breiter Teile des Verbandes, auch der leitenden Kader ... Wollen wir die Sozialdemokratie schlagen, so müssen wir erst einmal alle sozialdemokratischen Elemente innerhalb unserer eigenen Organisation liquidieren, müssen wir die gemachten Fehler aufzeigen, ihre Wurzeln nennen, sie kritisieren und korrigieren.

Gleichzeitig werden wir die Reste sozialdemokratischer Ideologie in unserem Verband bekämpfen und die Schulung, die im gesamten Verband sehr daniedergelegen hat, beleben.

Im Rahmen des Kampfes gegen den Rechtsopportunismus führen wir auch die politische Auseinandersetzung mit der SDAJ . Auf der untersten Ebene werden wir die Grundschulungskurse einrichten und den Genossen die Grundlagen der politischen Ökonomie vermitteln. Des weiteren gibt das KJ-Inform eine Massenschulungsbroschüre zur Sozialdemokratie heraus. Bei der Auseinandersetzung mit sozialdemokratischen Resten innerhalb unserer Organisation führen wir gleichzeitig den Kampf gegen die Organisation der Sozialdemokratie innerhalb der kommunistischen Bewegung.

Wir müssen unsere Genossen anhand der praktischen Politik dieser Organisationen (KAB, AO (KPD/AO, d. Vf.), KB, Dickhut (KPD/ML-RW, d.Vf.) und Weinfurth-Gruppe) und zwar nicht anhand von fernliegenden Fragen, sondern anhand unserer Tagespolitik die Verräterei dieser Organisationen erklären ... Das Ziel dieser Politik soll eine größere und tiefere Einheit des Verbandes sein. Diese politisch-ideologische Einheit ist die Voraussetzung für die Einheit im Kampf gegen die Sozialdemokratie, wenn wir die Einheit der Arbeiterjugend und unter der Führung der Partei der Arbeiterklasse, der KPD/ML, die Einheit der Arbeiterklasse herstellen wollen ... Wir müssen uns verstärkt im Proletariat verankern. Die Betriebsgruppen des KJV müssen unsere Verbindung zu den arbeitenden Massen darstellen, sie müssen immer mehr die Grundlage des Verbandes werden. Gerade die kommenden Kämpfe machen die Notwendigkeit der organisatorischen Grundlage notwendig. Nur in den Betrieben erreichen wir den fortgeschrittensten Teil des Jungproletariats in einer solchen Fülle, so organisiert. Die Betriebsgruppen sind weiter ein Garant dafür, dass wir eine mögliche Illegalität überleben. Die Betriebsgruppen müssen die Grundlage des Verbandes werden. In unserer Agitation gegen die Sozialdemokratie müssen wir in den kommenden Monaten folgende Punkte in den Vordergrund stellen:

a) die kommende Krise.

b) Sozialdemokratie, Faschismus - Neue Ostpolitik.

Bei der Agitation über die kommende Krise müssen wir die SPD besonders auf ihrem Geschwätz zwecks Verhinderung der Krise hinweisen und auf ihre dafür durchgeführten arbeiterfeindlichen Maßnahmen (10% Lohnraubsteuer und dergleichen mehr) ... Wir müssen die Sozialdemokratie konsequent als Steigbügelhalter des Faschismus entlarven. Wir müssen aufzeigen, dass diese neue Ostpolitik letztendlich im Krieg enden wird.

Wir müssen aufzeigen, welche Vorbereitungen die Sozialdemokratie hierzu bereits unternimmt. Wir müssen die Militarisierung der Arbeiterjugend, den Kern des Wehrgerechtigkeitsprogramms, entlarven. Wir müssen die Kollaboration von Sozialdemokratie und Faschismus aufzeigen ... Wir müssen die Arbeiterjugend auf die Gefahr des Faschismus hinweisen, auf der Grundlage der Erfahrungen der gesamten Arbeiterklasse mit dem Faschismus und besonders seine Angriffe auf die Arbeiterjugend.

Im Rahmen des allgemeinen Kampfes gegen die Sozialdemokratie richten wir in den nächsten Monaten den Hauptstoß  gegen einen Teil der Sozialdemokratie, gegen die SDAJ.  Die SDAJ ist die einzige sozialdemokratische politische Jugendorganisation, die in einzelnen Bereichen in den Betrieben Einfluss auf die jugendlichen Kollegen hat ... Da die SDAJ eine politische Jugendorganisation ist, muss unser Ziel darauf gerichtet sein, die SDAJ als politische Organisation zu liquidieren.

Für die kommenden 2-3 Monate heißt das für uns: Gewinnung der besten Genossen aus der SDAJ; vor allem ihrer proletarischen Genossen.

Zerschlagung einzelner Organisationen der SDAJ, wobei das Schwergewicht auf ihre betriebsmäßig organisierten oder arbeitenden Gruppen zu legen ist.

Dieser Kampf wird, wenn er korrekt durchgeführt wird, unsere Organisation politisch und organisatorisch stärken, die SDAJ und damit die Sozialdemokratie dagegen politisch und organisatorisch schwächen.

Als viertes müssen wir unsere Org.-Arbeit erheblich verbessern. Wir müssen uns bemühen, ein konkretes System der Anleitung und Kontrolle aufzubauen.

Dieses System sollte bis April nächsten Jahres (1971) auf allen Ebenen stehen ... Unsere Kaderpolitik muss ebenfalls systematisch betrieben werden ... Des weiteren muss der technische Apparat vorbereitet, fast überall sogar noch geschaffen werden, der notwendig für die kommenden Klassenkämpfe ist ... Diese Vorbereitungen müssen wir treffen, um in der kommenden Krise Teile der Kämpfe der Arbeiterjugend führen zu können. Wir müssen uns streng an diesen Hauptaufgaben orientieren ... Die hauptsächlichen Losungen sollen sein:

Neben dem Kampf für die Einheit der Arbeiterklasse, müssen wir verstärkt die Organisierung im KJVD propagieren ... Wir müssen die jungen Kollegen mit konkreten Kampfforderungen für den KJVD gewinnen.

Wir müssen sie überzeugen, dass sie den besten Beitrag für die Durchsetzung ihrer Forderungen im KJVD leisten.“ (54)

Wir müssen uns auf die „kommenden Klassenkämpfe sowohl politisch wie organisatorisch vorbereiten“. Und „wenn die Krise der Sozialdemokratie auf der Tagesordnung steht; wenn die Revolutionierung breiter Teile der Arbeiterklasse stattfindet“, dann ist es die Aufgabe der Kommunisten, „die kommenden Klassenkämpfe vorzubereiten“. Mit einer Reihe von Aktionen, Forderungen und Kampfprogrammen, griffen KPD/ML-ZB und KJVD in diese „klassenkämpferischen“ Auseinanderssetzungen ein. Auch die bloße Erwähnung von Demonstrationen, Hinweisen und/oder Berichten über Auseinandersetzungen im gesellschaftspolitischen Bereich, waren immer „Klassenkampf“.

So im Februar, als der KJVD in Essen nach eigenen Angaben „eine Werbewoche“ durchführte. Nach dem „Jungen Bolschewik“ sollen dort ca. „700 Exemplare des „Kampf der Arbeiterjugend“ verkauft und „180 Adressen“ gesammelt worden sein. (55) In Münster fand nach eigenen Angaben ebenfalls im Februar eine „Werbewoche“ des KJVD statt. (56) Zur Chemietarifrunde im Februar stellte die KPD/ML-ZB eine „Mindestforderung von 6 DM“ auf. Im „KND“ war zu lesen:

„Die Genossen aus Darmstadt haben diese Forderung bereits bei einer Arbeiterversammlung der IG Chemie-Bonzen für Merck (einem der 10 größten hessischen Chemiebetriebe) propagiert. Sie wurde von den Kollegen mit Beifall aufgenommen.“ (57) Die Vertrauensleute der Verwaltungsstelle Darmstadt hätten zu dieser Runde auf einer Versammlung „175 Mark für alle gefordert“. (58)

Die ungenügende ökonomische Analyse führte dazu, dass das ZB sich von dem Verdacht befreien musste, naiv in die politische Landschaft zu blicken. So schob es einfach eine „Verlangsamung der Krisenentwicklung“ nach. Daran hatte der „milder Winter“ maßgeblichen Anteil. Zu lesen war:

„Aufgrund von besonderen Bedingungen ist es zu einer VERLANGSAMUNG DER KRISENENTWICKLUNG gegen Ende des letzten Jahres und Anfang dieses Jahres gekommen. Diese Bedingungen sind vor allem der milde Winter, der es den Kollegen in den Bau- und Außenberufen ermöglichte zu arbeiten; d. h die Bauindustrie konnte voll produzieren und die Aufträge für Baumaschinen blieben fast vollständig erhalten. Deswegen stieg die Arbeitslosigkeit auch im Januar und Februar nicht so stark, wie vom Konjunkturverlauf her zu erwarten war. Das zeigt sich auch deutlich an dem MONATSBERICHT DER BFA (Bundesanstalt für Arbeit) über die Entwicklung der Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit im Februar: Die Arbeitslosenquote lag Ende Februar bei 1,3%; die absolute Zahl der Arbeitslosen betrug 254 800 und lag damit um 9 300 unter dem Vorjahresstand. Die Zahl der Kurzarbeiter verringerte sich um 1 000 auf 62 900. Die witterungsbedingten Arbeitsausfälle im Baugewerbe betrugen im Februar nur 4,9 Mio. Tagewerke (im Februar 1970 waren es 13,2 Mio. Tagewerke!).

Dass sich aber trotz der Verlangsamung die Krise weiter fortentwickelt, zeigen die verhältnismäßig hohe Zahl der arbeitslosen Frauen (sie lag um 45,8% höher als vor einem Jahr) und die zurückgehende Anwerbung von ausländischen Arbeitern: die Arbeitsämter warben im Februar 16 400 ausländische Arbeiter an  gegenüber 23 000 im Februar 1970.“

Allerdings würde sich die Krise trotzdem ausweiten wie der KJVD zu berichten wusste: „Die Krise weitet sich aus: Schon 64 000 Kollegen müssen Kurzarbeit schieben. Von Januar bis Februar steig die Zahl der Arbeitslosen um 111 100. Und es werden immer mehr.“

Und die SPD-Führer unterstützen dabei die Kapitalisten: Der KJVD berichtet:

„SPD-FÜHRER - DIE BESTEN HELFER DER KAPITALISTEN.

Die Kapitalisten haben bei diesen Angriffen auf die Arbeiterklasse eine kräftige Unterstützung: die SPD- und Gewerkschaftsführer. Sie setzen alle Hebel in Bewegung, um den Arbeitern über die Wirklichkeit Sand in die Augen zu streuen.

In all ihren Zeitungen, von 'Bild' bis zu den Gewerkschaftszeitungen ist immer nur die Rede von sicheren Arbeitsplätzen, von 'Beruhigung der Konjunktur'. Sie schicken die Leute, von denen sie glauben, dass sie den meisten Einfluss bei den Arbeitern haben, von Betriebsversammlung zu Betriebsversammlung. Und sie haben nur ein Ziel: den Arbeitern weiszumachen, dass die Krise nicht beginnt. Sie wollen die Arbeiter in Sicherheit wiegen, damit sie sich nicht zur Wehr setzen, damit sie sich nicht organisieren.

Und die Kapitalisten sind mit den SPD-Führern zufrieden. Die Dachorganisation der Kapitalistenverbände lobte Wirtschaftsminister Schmidt und stellte fest, dass er die Unternehmer 'vor zu weit gehenden Forderungen der Gewerkschaften schütze'.

Das kann man wohl sagen! Schiller hat vor einiger Zeit seine Lohnleitlinien festgelegt. Und die Gewerkschaftsführer haben mit allen Tricks versucht, sie gegen die Arbeiter durchzusetzen. Zuerst im öffentlichen Dienst: 7% für die Kollegen, war das Ergebnis.

Bei der IG Druck sah es nicht besser aus: 8,5% lehnten die Gewerkschaftsführer ab - 9% stimmten sie zufrieden zu.“ (59)

Am 9.2. war über eine Bauerndemonstration in Schleswig-Holstein und Ostwestfalen in NRW zu lesen:

„Sprecher und Organisatoren dieser Bauerndemonstrationen sind die rechten großbäuerlichen Bauernverbandsführer, wie der CDU-MdB Klinker in Schleswig-Holstein, die ihre Forderungen als Forderungen des ganzen Verbandes aufstellen; diese Forderungen werden auch von der SPD-Regierung unterstützt:

Nach dem jetzt vorgelegten Agrarbericht der Bundesregierung ist auch die SPD-Regierung wie die Großbauern gegen die Politik des Preisdrucks auf dem EWG-Agrarmarkt, und zwar mit der Begründung, dies könne auch die 'agrarpolitisch erwünschten Großbetriebe zum Aufgeben zwingen'.

Die Politik der SPD-Regierung trifft jedoch die Klein- und Mittelbauern: Nach dem Agrarbericht soll bis 1980 jeder 2. in der Landwirtschaft Arbeitende gehen - statt 2,2 Mio. sollen dann nur 1 Mio. in der Landwirtschaft arbeiten. Gegen die Klein- und Mittelbauern als die Massen der demonstrierenden Bauern richtet sich auch die Kritik der SPD-Regierung: Der Westberliner SPD-MdB Löffler erklärte auf der Agrardebatte im Bundestag am Dienstag, die Demonstrationen in Schleswig-Holstein seien ja wohl nicht das richtige Mittel, um in der Bevölkerung mehr Verständnis für die Lage in der Landwirtschaft zu wecken.“ (60)

Und:

„BAUERNDEMONSTRATION GEGEN EWG-POLITIK.

Am Dienstag haben 7 000 Bauern in Schleswig-Holstein in einer großen Protestaktion den gesamten Grenzverkehr nach Dänemark verhindert. Sie sperrten die Grenzstraßen und die Hauptbahnstrecke der Bundesbahn sechs Stunden lang. Mit ihrer Demonstration protestierten die Bauern gegen die Preispolitik der EWG und der SPD-Regierung.

Sie forderten eine Erhöhung der Agrarerzeugerpreise um 15% (vom Deutschen Bauernverband (DBV, d. Vf.) werden nur 10% gefordert).

Während ihrer Sperraktion bauten die Bauern Feldküchen für die Demonstranten und die Reisenden auf.

Aufgerufen zu dieser Demonstration hatte der schleswig-holsteinische Bauernverband, damit die 'Bonner Politiker endlich einmal Stehvermögen in den Verhandlungen des EWG-Ministerrats Ende Februar zeigen'. Die Demonstration sollte sich nicht gegen die skandinavischen Nachbarländer richten, sondern der Öffentlichkeit zeigen, dass 'wir nicht mehr gewillt sind, eine Erweiterung der EWG auf Kosten der Landwirtschaft durch einen Druck der Agrarpreise hinzunehmen' (Zitate FAZ 10.2.).

Auf einer Kundgebung in Schleswig-Holstein forderten die Bauern auch den Rücktritt des EWG-Präsidenten Mansholt ... Inzwischen werden die Bauern auch polizeilich verfolgt:

Gegen die Verantwortlichen laufen Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruch und Verdachts der Nötigung, gegen die Masse der demonstrierenden Bauern (vor allem die, die nach dem Ende der angemeldeten Demonstration die Grenzsperre fortsetzten) laufen nach Angaben der Polizei eine noch unbekannte Zahl von Anzeigen wegen Nichtbeachtung polizeilicher Anordnungen und wegen Verkehrsbehinderungen.“ (61)

Zum Lufthansastreik wurde ausgeführt:

„LUFTHANSA STREIK.

Nach viertägigen Verhandlungen haben sich die ÖTV- und DAG-Führer mit dem Vertreter des Bundesrechnungshofes auf eine Erhöhung der Löhne und Gehälter um durchschnittlich 15,9% geeinigt. Damit haben die Gewerkschaftsführer die Forderung der Mechaniker, nämlich die Gleichstellung mit dem Luftpersonal ('Gleicher Lohn für gleiche Arbeit') ganz klar verraten.

Dennoch haben sie mit ihrer Demagogie erreichen können, dass 72, 6% der bei der ÖTV Organisierten dem Ergebnis zugestimmt hätten.

Einige Teile, vor allem der Mechaniker haben sie jedoch nicht täuschen können, z. B. in NRW in Düsseldorf ... Ein wesentlicher Grund dafür, dass sich die rechten Gewerkschaftsführer anfangs so 'radikal' geben mussten, war die Kampfbereitschaft der Kollegen bei der Lufthansa: das fliegende Personal hat sich im letzten Jahr durch Streikdrohungen und 'Dienst nach Vorschrift' wesentliche Lohnerhöhungen erkämpft.“ (62)

Der Abschluss in der Druckindustrie wurde mit den Worten am 11.2. kommentiert:

„9% IN DER DRUCKINDUSTRIE

Am Donnerstag haben sich die rechten IG D.u.P.-Bonzen mit den Kapitalisten vor dem obersten Schlichtungsamt für die Druckindustrie auf eine Lohnerhöhung von 9% (!) geeinigt. Der neue Wochenecklohn beträgt jetzt 255,25 gegenüber bisher 234,18 DM. Das macht im Monat rund 80 Mark mehr aus, wovon bei den zahlreichen Preiserhöhungen in der letzten Zeit (...) kaum etwas übrig bleiben wird.

Die Forderung nach Vorweganhebung wurde 'für diese Tarifrunde zurückgezogen, da sie nicht durchsetzbar war', so Eugen Stolz vom IG Druck Hauptvorstand.

Dieser Verrat der rechten Gewerkschaftsführer kam nicht überraschend, er war von langer Hand vorbereitet (...). Jetzt nach der Einigung gab der Vorsitzende der IG Druck, Mahlein, im Fernsehen folgendes Interview: 'Herr Mahlein, 5 Tage und 4 Nächte hat es gedauert, bis zu einer Einigung kam. Aber es hat jetzt den Anschein, als ob sie haben zurückstecken müssen.'

'Ich würde das nicht als Zurückstecken empfinden. Wir haben eine dreigliedrige Forderung gestellt: einmal die 10%ige Vorweganhebung, eine lineare Lohnerhöhung von 12% und eine Regelung für die Vergütung der Auszubildenden. (Mahlein verschweigt hier, dass die Forderung konkret hieß: Erhöhung der 'Lehrlingsvergütungen' um 25 - 75% gestaffelt nach Lehrjahren!) Wir haben einen Abschluss getätigt mit einer linearen Lohnerhöhung von 9% und einer Erhöhung der Ausbildungsvergütungen im ersten Jahr um 20, im zweiten Jahr um 30 und im dritten Jahr um 40%!'

Sie hatten aber auch gefordert eine 10%ige Vorweganhebung. Hiergegen hatten sich die Arbeitgeber entschieden gewehrt. Dies ist nun nicht zu ihren Gunsten ausgefallen.'

'Das ist sicher der schwierigste Punkt dieser Verhandlungen gewesen. Wir haben mit dieser 10%igen Vorweganhebung den Versuch machen wollen, eine größere Tarifwahrheit in der Druckindustrie herzustellen, nachdem wir feststellten, dass es doch ziemlich stark und erhöhte übertarifliche Zulagen gibt.'

'Vor diesen Schlichtungsverhandlungen hatten Sie und ihre Mitglieder von Streik gesprochen, von einem möglichen Streik. Es hat aber den Anschein, dass ein Streik zu dieser Situation etwas unpopulär gewesen wäre. War dies ein Grund mit, dass es heute endgültig zu einer Einigung gekommen ist?' 'Ich glaube, das ist nicht richtig dargestellt, nicht WIR haben von Streik gesprochen, sondern die Frage des Streiks oder der Streikbereitschaft wurde zum ersten mal von der Arbeitgeberseite genannt. Wir haben darauf geantwortet: wenn es der Fall sein sollte, wir sind darauf eingestellt. Ich glaube nicht, dass man sagen könnte, Streik würde nicht in die gegenwärtige Landschaft passen. Ich glaube, andere Industriegewerkschaften wie z.B. die ÖTV haben gezeigt, dass man streiken kann.

Aber wir haben diesen Abschluss getätigt, weil wir meinten, dass es in dieser Situation besser wäre, die Erhaltung des Arbeitsfriedens beizubehalten.“ (63)

Über die Vorgeschichte zu der Lehrlingsdemonstration in Mannheim  bei MWM am 11.2. meinten GIM/RJK, indem sie auch den KJVD, der dort ebenfalls aktiv war, kritisierten:

„LEHRLINGS-DEMONSTRATION ZU MWM

Die RKJ schlug den anderen in der Lehrlingsarbeit aktiven Gruppen eine Einheitsfront-Demonstration gegen die Entlassungen vor, und unter dem Druck der Wirkung des Falles sagten sie zunächst auch zu. Die SDAJ (Jugendorganisation der DKP, d.Vf.) blieb bei ihrer Bereitschaft, wollte aber die Rolle der Gewerkschaftsbürokratie nicht denunzieren, da sie um ihre 'guten Beziehungen' bangte. Dass die Einheitsfront doch nicht zustande kam, lag am KJVD (Jugendorganisation der KPD/ML-ZB, d. Vf.), der ohne Begründung zu den vereinbarten Besprechungen nicht erschien und damit demonstrierte, was PRAKTISCH von seinem ständigen abstrakten Gefasel von 'Einheit der  Arbeiterklasse' zu halten ist. Die RKJ hat diese Demonstration also allein getragen, nicht aus Vorsatz, sondern auf Grund der sich ergänzenden Borniertheit der rechts- und linksstalinistischen Organisationen. Der Fall hatte inzwischen ausreichend Kreise gezogen, dass trotzdem eine Demonstration zustande kam.

Natürlich waren es neben den RKJ-Genossen in erster Linie MWM-Lehrlinge, die daran teilnahmen, aber durch die Agitation an den Berufsschulen wurden auch einige Lehrlinge anderer Betriebe mobilisiert.

DIE DIALEKTIK DER INTERVENTIONSSEKTOREN.

Obwohl die RKJ in Mannheim eine umfangreiche Lehrlingsarbeit macht, geht es ihr nicht darum, eine 'lupenreine' Lehrlingsdemonstration zu veranstalten. Dazu fehlt es uns an Proletkult und Sektierertum. Es geht darum, eine solche Verteidigungsaktion möglichst wirkungsvoll, folglich die Demonstration möglichst stark zu machen. Für die Lehrlinge, die sich fragen: wer setzt sich überhaupt für unsere Kollegen ein, wenn die Gewerkschaft nichts tut, wird die Organisation schon ein bisschen glaubwürdig, wenn es ihr gelingt, eine Demonstration vor die Tore MWMs zu führen, die immerhin so stark war, dass sie die Aufmerksamkeit der ganzen Mannheimer Tagespresse fand. Das zeigt den Lehrlingen, dass es effektiv sein kann, einer politischen Organisation anzugehören, auch wenn die Entlassungen durch die Demonstration natürlich nicht verhindert wurden. Die RKJ hat zum Fall MWM auch Agitation bei Schülern und Studenten gemacht, indem sie ihnen die Lehrlingssituation im Vergleich zu ihrer eigenen aufgezeigt und ihnen klargemacht hat, dass sie den Kampf der Lehrlinge unterstützen müssen, wenn ihr eigener Kampf nicht perspektivlos bleiben soll. Das hat die Wirksamkeit der Aktion vergrößert, was den Bereich der Öffentlichkeit betrifft, es hat den Lehrlingen gezeigt, dass Schüler und Studenten tatsächlich bereit sind, sie PRAKTISCH zu unterstützen und es hat letzteren gezeigt, wie man die vielbeschworene 'Verbindung zum Proletariat' praktisch werden lassen kann.“

In der Mannheimer 'Abendzeitung' heißt es als Bildunterschrift von der Demonstration:

„Rund hundert Jugendliche demonstrierten am gestrigen Abend gegen die Kündigung zweier Lehrlinge eines Mannheimer Betriebes. In einem Solidaritätsmarsch durch die Mannheimer Innenstadt forderten sie auf Schildern und in Sprechchören, Schluss mit der Ausbeutung der Lehrlinge zu machen.

Die Revolutionär-Kommunistische Jugend (RKJ) hatte am Morgen an Schulen, Universität und Betrieben zu der Demonstration aufgerufen.“

Im 'Mannheimer Morgen' (MM) wird berichtet:

„PROTEST GEGEN ENTLASSUNGEN.

Jugendliche wenden sich gegen Leitung und Betriebsrat der MWM Gegen die Entlassung von zwei Lehrlingen der Motoren-Werke Mannheim demonstrierten gestern Abend etwa 120 Jugendliche. Unter den Fahnen der Revolutionär-Kommunistischen Jugend (RKJ) forderten sie zur Solidarität auf. Sprechchöre kritisierten die Lehrlingsausbildung: 'Ausbeutung Tag für Tag - gesichert durch den Lehrvertrag'. Der Zug bewegte sich vom Gewerkschaftshaus durch Planken, Breite Straße zum MWM-Werk in Mannheim-Neckarstadt. Herbert Obenland forderte dort die IG Metall solle sich nicht am Status quo der Rechte der Arbeiter orientieren, sondern müsse sie erweitern.

Anlass zu dieser Demonstration gab ein Schreiben der MWM-Betriebsleitung, wonach die Lehrlinge Wolfgang Krawietz (19) und Karl Hreus (20) bei Beendigung ihrer Ausbildung am 12. Februar nicht ins Arbeitsverhältnis übernommen werden. In dem Brief heißt es, die Gründe lägen 'nicht in der Person'. Während Betriebsrat und Gewerkschaft IG Metall keine rechtliche Handhabe sehen, diese Kündigung ihrer Mitglieder anzufechten - rief die Revolutionär-Kommunistische Jugend zur Solidaritätsbekundung auf. Werner Nagel, Vorsitzender des Betriebsrates von MWM, erklärte auf Anfrage, Krawietz sei wegen ungebührlichen Verhaltens (Prügelei mit einem anderen Lehrling) und unsachgemäßer Werkzeugbehandlung gerügt worden. Außerdem habe er zwölf Tage unentschuldigt gefehlt.

Damals habe ihm die Werksleitung kündigen wollen, den Bemühungen des Betriebsrates sei es zu danken, dass er die Ausbildung habe beenden dürfen.

Krawietz bestätigte die schriftliche Verwarnung, doch sei für ihn damit die Angelegenheit erledigt gewesen. Als maßgebend für den Entschluss der MWM betrachtet er seinen häufigen Einsatz für andere Lehrlinge, auch habe er den Vorsitzenden der MWM-Jugendvertretung scharf kritisiert. Damit erklärt er sich, dass die Gewerkschaft ihnen Unterstützung verweigere, zumal Werner Nagel nicht an 'unbequemen Leuten' interessiert sei. Nagel weist diese Vorwürfe zurück, ebenso die Behauptung des RKJ-Flugblattes, er wolle MWM als 'SPD-Festung' reinhalten.

Während der Betriebsrat in dem unentschuldigten Fernbleiben des Lehrlings einen Entlassungsgrund sieht, machte der RKJ-Sprecher geltend, dass gleichaltrige Schüler und Studenten wesentlich mehr Urlaub als Lehrlinge hätten, die 'den Unternehmern zu Extra-Profiten' verhelfen.  Mit dieser Ansprache wurde die friedliche Demonstration beschlossen.“ (64)  

Selbst über einen Lotsenstreik wurde ausführlichst berichtet, der als Nahrung für den Klassenkampf herhalten musste: Am 13.2. las man im „KND“:

„LOTSENSTREIK.

Am Samstag haben die Lotsen in Hamburg, Bremen, Bremerhaven und Jade (in Niedersachsen, d.Vf.) die Arbeit niedergelegt. Sie wollten damit ihrer Forderung nach Lohnerhöhung und Arbeitszeitverkürzung Nachdruck verleihen.

Die Lotsen fordern eine Erhöhung der Heuern um 15% und eine Arbeitszeitverkürzung um 4 Stunden; (die Lotsen verdienen zur Zeit im Durchschnitt 3 000 Mark und haben eine Wochenarbeitszeit von 61,5 Stunden). Das Bundesverkehrsministerium, das die Heuern für die Lotsen aushandelt, hatte zunächst 8% angeboten, dann 10,4% und eine Arbeitszeitverkürzung um 1 1/2 Stunden.

Daraufhin hatten die Lotsen beschlossen, am Samstag die Arbeit niederzulegen. Sie forderten in Versammlungen die Lotsenbrüderschaften auf, neue Verhandlungen mit dem Bundesverkehrsministerium zu führen. Die Lotsen sind freie Gewerbetreibende und nicht in Gewerkschaften, sondern in Brüderschaften organisiert. Gerd Wichmann von der Lotsenbrüderschaft erklärte zu der Arbeitsniederlegung, 'Das ist kein Streik'.“ (65)

Zum 15.2. verfasste die KPD/ML-ZB ihr „Kampfprogramm für die Chemie-Tarifrunde“. Zu lesen war:

„KPD/ML-KAMPFPROGRAMM ZUR CHEMIETARIFRUNDE.

Die KPD/ML hat für die anstehenden Tarifverhandlungen in der Chemieindustrie ein Kampfprogramm aufgestellt. Das Kampfprogramm steht unter der Parole: 'Gegen die Verrätereien der SPD-Regierung und ihrer Gewerkschaftsführer die geschlossene Front der Arbeiterklasse'.

Hier das Programm in Auszügen:

'Unser Kampfprogramm besteht aus drei Teilen:

I. Gegen die Lohndiktate der SPD-Regierung und ihrer Gewerkschaftsführer! Die SPD-Regierung hat im Auftrage der Kapitalisten beschlossen, Lohndiktate von 7 - 8% durchzusetzen und die rechten Gewerkschaftsführer sind bereit, ihnen dabei zu helfen. Sie führen seit Monaten Spitzengespräche mit den Kapitalisten, aber in den Betrieben verschweigen sie den Arbeitern, was sie bei den Lohnverhandlungen wollen.

Darum muss es jetzt heißen: 'Die Lohnforderungen müssen auf den Tisch!' dies ist zur Vorbereitung der Kämpfe die taktische Aktionslosung ... Den Kampf gegen die Lohndiktate verbinden wir mit der Losung: 'Weg mit der Lohnraubsteuer' ...

II. Gegen die Angriffe der Kapitalisten in der beginnenden Krise: gegen Spaltung, Lohnabbau und Arbeitshetze! In der beginnenden Krise wollen die Kapitalisten den Widerstand der Arbeiter und Angestellten durch Spaltungsversuche brechen. Wir müssen deswegen ihre grundlegenden Manöver durchkreuzen, die sie schon seit Jahren mit Erfolg durchführen. Also:

GLEICHER LOHN FÜR GLEICHE ARBEIT.

Weg mit den Leichtlohngruppen!

Weg mit den Altersabschlägen!

GEGEN DEN LOHNABBAU - GARANTIERTER MINDESTLOHN 6 DM!

Gerade in der beginnenden Krise werden die Kapitalisten durch die Streichung von Prämien, Kürzung von Akkordzeiten, durch Umsetzung und Produktionsverlagerung versuchen, die Löhne zu drücken.

Allgemein stellen wir die Forderung nach 6 DM Mindestlohn, weil sie eine klare Absicherung bedeutet und nicht wie die 'Vorweganhebung' zur Kürzung von Prämien usw. führt ...

GEGEN VERSCHÄRFTE ARBEITSHETZE - 7 STUNDENTAG BEI VOLLEM LOHNAUSGLEICH!

In der Krise verschärfen die Kapitalisten die Arbeitshetze und pressen die Ware Arbeitskraft noch mehr aus. Dagegen fordern wir als erstes Arbeitszeitverkürzung - dass damit nicht der konkrete Kampf gegen verschärfte Arbeitshetze, z. B. Akkordkürzung entfällt, ist wohl klar. Dort, wo die Kapitalisten behaupten, sie hätten nicht mehr genügend Arbeit, stellen wir ihnen ebenfalls diese Forderung entgegen ... Dies ist hauptsächlich ein propagandistisches Argument gegen Entlassungen und Kurzarbeit, an dem wir zeigen, wie die Krise auf die Werktätigen abgewälzt wird.

Diese Forderung müssen wir im Verlauf der Chemietarifrunde zu einer breiten Aktionslosung machen ...

III. Gegen die Spalter - für die Einheit

Gegen die kapitalistische Ausbeuterordnung - für den Sozialismus Der Kampf gegen die Spalter ist im Moment besonders wichtig. In der beginnenden Krise vervielfachen sich die Verrätereien der rechten Gewerkschaftsführer. Sie führen Spitzengespräche, sie schließen ein neues Schlichtungsabkommen bis zum 31.12.1975 ab, sie sehen ruhig zu, wie sich die Kapitalisten zum harten Widerstand rüsten. Unsere Forderung heißt:

SCHLUSS MIT DER SCHLICHTUNG UND DEN SPITZENGESPRÄCHEN!

SCHLUSS MIT DER ARBEITSGEMEINSCHAFT VON KAPITALISTEN UND GEWERKSCHAFTSFÜHRERN!

Die SPD-Regierung braucht die Schlichtungspolitik, weil sie den Kapitalisten den Rücken freihalten will für die Eroberung der osteuropäischen Märkte, für die Vorbereitung der Eroberung der DDR, für die sie schon eine heftige Aufrüstung betreibt. Unsere Forderung heißt:

GEGEN DIE EROBERUNG DER DDR!

SCHLUSS MIT DER AUFRÜSTUNGSPOLITIK DER SPD-REGIERUNG!

Die SPD-Regierung bereitet sich aber auch auf den verschärften Kampf gegen die erwachende Arbeiterklasse vor. Sie bezahlt die faschistischen Banden, die den Terror gegen die Arbeiterklasse vorbereiten und schon heute wieder Gewerkschaftshäuser demolieren. Sie rüstet die Staatsmacht aus für die faschistische Unterdrückung. Sie hat die Notstandsgesetze mitbeschlossen, sie rüstet den Bundesgrenzschutz  als Bürgerkriegsarmee aus. darum heißt unsere Forderung:

SCHLUSS MIT DER BEZAHLUNG DER FASCHISTISCHEN BANDEN DURCH DIE SPD-REGIERUNG!

WEG MIT DER BÜRGERKRIEGSARMEE!

Dies ist unser Kampfprogramm.“ (66)

Das „Chemie-Kampfprogramm“ ging in gewisser Weise über alle anderen Industrie-Kampfprogramme hinaus. Die Kämpfe gegen das verordnete Lohndiktat sollte mit der Losung „Weg mit der Lohnraubsteuer“ verbunden werden, die selbst als „Angriff der Kapitalisten in der beginnenden Krise“ bezeichnet wurde.

Interessant war, dass das ZB den „7 STUNDENTAG BEI VOLLEM LOHNAUSGLEICH“ forderte. Allerdings entstand damit eher Eindruck, dass diese Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung eher taktisch motiviert erschien; denn sie sollte die Abgrenzung gegenüber der SPD-Politik verdeutlichen. Eine eigentliche Begründung für diese Arbeitszeitverkürzung schob das ZB nicht nach. Völlig abweichend war auch der Hinweis auf die „Schlichtungspolitik“ der SPD, weil sie den „Kapitalisten den Rücken freihalten“ sollte „für die Eroberung der osteuropäischen Märkte“, für die „Vorbereitung der Eroberung der DDR, für die sie schon eine heftige Aufrüstung betreibt“.

Damit schälte sich bereits ein weiterer Teil der künftigen Politik gegen Notstand, Aufrüstung und Revanchepolitik heraus, die zu einem Grundpfeiler der ZB-Politik werden sollte. Die Forderungen hierzu gipfelten in den Losungen:

„GEGEN DIE EROBERUNG DER DDR!

SCHLUSS MIT DER AUFRÜSTUNGSPOLITIK DER SPD-REGIERUNG! SCHLUSS MIT DER BEZAHLUNG DER FASCHISTISCHEN BANDEN DURCH DIE SPD-REGIERUNG!

WEG MIT DER BÜRGERKRIEGSARMEE!“ (67)

Bei den IG Chemie Verhandlungen wurde bereits zum 15. 2. ein erster Abschluss getätigt. Darüber schrieb der „KND“:

„IG CHEMIE TARIFVERHANDLUNGEN

Die IG Chemie-Führer haben für den Bereich der feinkeramischen Industrie eine Lohnerhöhung von 9% (!) vereinbart. Dieser Verrat ist wichtig im Hinblick auf die anstehenden Lohn- und Gehaltstarifverhandlungen in der Chemieindustrie (CTR, d.Vf.). Die Gewerkschaftszentrale in Hannover hat laut Handelsblatt bereits einer Pressemeldung widersprochen, wonach die IG Chemie 15% fordern würde.“ (68)

Über die weiteren Verhandlungen war am 22.2. zu lesen:

„CHEMIETARIFRUNDE.

Während die Chemiekapitalisten sich auf harte Verhandlungen vorbereiten (Glanzstoff-Direktor Esser: 'Wir sind entschlossen, uns unvernünftigen Forderungen der Gewerkschaft auf das entschiedenste zu widersetzen') und offen mit der beginnenden zyklischen Krise in der Chemieindustrie drohen (...), weichen die rechten Gewerkschaftsführer bereits jetzt immer mehr zurück. IG Chemie Vorsitzender Hauenschildt erklärte in einem Interview mit der 'Wirtschaftswoche' wörtlich: 'Die Abschlüsse müssen aufgrund der wirtschaftlichen und tariflichen Situation OBERHALB VON 85 (!) liegen.“ (69)

Die Krise in der Chemieindustrie kommentierte der „KND“ am 22.2. mit den Worten:

„Jetzt haben die BASF-Kapitalisten die Entlassung von 3 000 Arbeitern und Angestellten in diesem Jahr angekündigt. (BASF hat insgesamt 51 000 Beschäftigte). Diese 'Personalverringerung soll unter Ausnutzung der Fluktuation und der Nichtverlängerung von abgelaufenen Arbeitsverträgen mit Gastarbeitern erfolgen.' Die Entlassungsdrohung verbinden die BASF-Herren auch gleich mit Drohungen zur Chemietarifrunde (CTR, d. Vf.): eine zweistellige Lohnerhöhung sei völlig indiskutabel.“ (70)

Das „Kampfprogramm“ des ZB erwies sich als taube Nuss. Es kam eigentlich nirgendwo zur Anwendung, wenn man einmal davon absieht, dass es nur in der Form von Flugblättern und Betriebszeitungen verbreitet wurde. Der stetige Wechsel von Politikereignissen sollte dazu führen, dass die Chemie-Tarifrunde schnell vergessen werden konnte. Bereits Ende Februar kündigten sich auch die kommende Auseinandersetzungen im Ruhrkohlebergbau an, die später in der Bergbautarifrunde des Zentralbüros massiv an die Oberfläche getragen wurden. Zunächst gab es einen Artikel im „KND“, der sich mit dem „Konkurrenzkampf zwischen Kapitalisten und Gewerkschaftsführern“ beschäftigte. Am 22. 2. führte er aus:

„STREIT UM RAG-GESPRÄCHSKREISE - KONKURRENZKAMPF ZWISCHEN KAPITALISTEN UND GEWERKSCHAFTSFÜHRERN.

Bei der Ruhrkohle AG ist um die leitenden Angestellten ein harter Konkurrenzkampf zwischen Gewerkschaftsführern und Kapitalisten ausgebrochen.

Der Vorstand der RAG wollte die seit langem geplante Einrichtung von 'Gesprächskreisen' für leitende Angestellte (...) vorantreiben. Er will mit den Gesprächskreisen 'moderne Management-Methoden' einführen. Das Schwergewicht liege dabei auf dem 'Gedanken- und Erfahrungsaustausch im Interesse der Verwirklichung eines kooperativen Führungsstils'.

Vorstandsvorsitzender Kuhnke: 'ein runder Tisch', an dem man endlich 'einmal laut denken könne, ohne gleich auf die erste Äußerung festgenagelt zu werden'. Eine Konferenz der Gesamtbetriebsräte der RAG kündigte daraufhin offiziell dem Vorstand die Zusammenarbeit auf. Begründung: Die Gesprächskreise seien ein Versuch die Belegschaft zu spalten. Es handle sich um eine einseitige Entscheidung des Ruhrkohle Vorstands, die die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Vorstand und den Betriebsräten empfindlich störe und den Betriebsfrieden ernsthaft in Frage stelle. Carl-Heinz Mross, der Vorsitzende der Gesamtbetriebsräte: mit der Einrichtung von Gesprächskreisen werde 'UNZEITGEMÄSSES KLASSENDENKEN' (!) demonstriert.

Die Betriebsräte fordern eine Sondersitzung des Aufsichtsrats, bis zu der von seiten des Vorstands alle Aktivitäten bzgl. der 'Gesprächskreise' ruhen müssen. Die Betriebsräte wollen in dieser Zeit nur 'Dienst nach Vorschrift' absolvieren. Das heißt im einzelnen: Bei spontanen Aktionen der Belegschaft wollen die Betriebsräte nicht mehr 'Feuerwehr' spielen; Überschichten, die mit dem Betriebsrat ausgemacht werden müssen, sollen verhindert werden; Unfallverhütungsvorschriften sollen peinlichst genau beachtet werden; bei Einstellungen und Entlassungen werden die Betriebsräte ihre Unterschrift nicht mehr sofort, sondern unter Umständen erst nach Einberufung des

Gesamtbetriebsrats geben. Carl-Heinz Mross: 'Was wir bisher mit der rechten Hand angefasst haben, werden wir jetzt mit der linken tun.' Diese umfangreichen Maßnahmen zur Werbung der leitenden Angestellten sind im Rahmen des Konkurrenzkampfes zwischen Gewerkschaftsführern und Kapitalisten zu sehen.

Dieser Kampf trat auch schon bei der Diskussion um das neue BVG Auf ... Der DGB hat sogar im Rahmen dieser Werbung in den letzten Wochen eine riesige Anzeigenkampagne für die leitenden Angestellten durchgeführt.

All diese Maßnahmen sind deutliches Zeichen der Verlagerung der sozialen Zusammensetzung in den Gewerkschaften zu privilegierten Schichten der Werktätigen.

'Die Orientierung auf das Finanzkapital ... kommen den Interessen der privilegierten Schichten der Werktätigen nach und ziehen diese naturgemäß an die Gewerkschaften heran und stoßen gerade die untersten Schichten des Proletariats heraus. Dies ist ein nicht unwichtiges Element im Prozess der Faschisierung.' (Bolschewik 6, S. 105 (vgl. Jan. 1971,d. Vf.). Wenn es 'nur' um die Interessen der 'einfachen' Arbeiter und Angestellten ging, haben die RAG-Betriebsräte bisher noch immer mit den RAG-Herren gut zusammengearbeitet und es nie zu einem Bruch kommen lassen. Die Orientierung auf die privilegierten Schichten der Werktätigen, die Thälmann schon 1929 beschrieb, bedeutet eben, dass die Gewerkschaftsführer die Interessen der unteren Schichten der Werktätigen nicht mehr vertreten können; das zeigt sich bei der Ruhrkohle ganz deutlich, wenn man sich das Verhalten der Gewerkschaftsführer zu den Zechenstillegungen ansieht: Schon bei der Gründung der RAG, an der die damaligen IGBE-Führer Arendt und Vetter mitbeteiligt waren, wurde mit SPD-Schiller vereinbart, bis zum 30. 4.1971 20 Mio. t Jahresförderung Kohle stillzulegen. Das sind etwa 12 Zechen mit insgesamt 30 000 Bergarbeitern. Die IGBE-Führer haben von diesem Plan gewusst, aber ihn trotzdem vor den Kollegen geheimgehalten (...). Auch bei den bisher erfolgten Stillegungen haben die Gewerkschaftsführer die Bergarbeiter nicht zum Kampf gegen die kapitalistische Rationalisierung aufgerufen, sondern die Pläne immer so lange wie möglich geheimgehalten und dann schnell einen Sozialplan ausgemauschelt, der am Ende dann noch nicht mal den Forderungen der Kollegen entsprach.

Der IGBE-Hauptvorstand hat die Ruhrkohle-Betriebsräte kurz nach ihrem Beschluss zurückgepfiffen und ihnen 'empfohlen', die Aufsichtsratssitzung abzuwarten und bis dahin nichts zu unternehmen. Dass der Vorsitzende der IGBE, Schmidt, kein Interesse an einem offenen Kampf zwischen Gewerkschaftsführern und Kapitalisten hat, ist wohl klar: er sitzt selbst als 1. stellvertretender Vorsitzender im Aufsichtsrat der RAG!“ (71)

„Der Stempel“, die Zeitung der Betriebsgruppe Zeche General Blumenthal Recklinghausen berichtete am 22.2. u. a. über Lohnordnung, Lohnverlust und Krisenzeichen. Die Zeitung führte aus:

„WEISSE BRIEFE.

Wochenlang haben die Ruhrkohle-Bosse mit ihrem Gerede von den Fehlschichten Stimmung gegen die Kumpel gemacht. Dieses Gerede war eine Drohung. - Jetzt sind die Zechenherren zum offenen Angriff gegen die Kumpel übergegangen!

Folgenden Brief erhielten die Kollegen, die den Kapitalisten im letzten Jahr zuviel krank gefeiert haben. Über 100 solcher Brief solle auf Blumenthal herausgegangen sein!

'Wie wir Ihrer Schichtenstatistik entnehmen können, haben Sie innerhalb der letzten zwölf Monate nicht weniger als ... Arbeitstage durch Krankheit verloren.

Das Unternehmen muss nicht zuletzt im Interesse seiner Mitarbeiter und deren Familienangehörigen alle Maßnahmen treffen, die geeignet sind, den Gesundheitszustand seiner Mitarbeit soweit wie möglich zu erhalten. Wir glauben der Zahl Ihrer Arbeitsausfälle entnehmen zu können, dass Sie aufgrund Ihres Gesundheitszustands für die von Ihnen ausgeübte Arbeit nicht geeignet sind und halten eine Verlegung an einen für Sie geeigneten Arbeitsplatz für unumgänglich.

Wir geben Ihnen deshalb Gelegenheit am 15.2.1971 in der Zeit von 9 - 12 Uhr bzw. 14 - 16 Uhr auf der Anlage 1/2/6 Zimmer 8/II mit einem unserer Beauftragten in Anwesenheit eines Mitglieds des Betriebsrats über ihre Verlegung zu sprechen. Wir erwarten von Ihnen in dieser Angelegenheit Ihr volles Verständnis.

Bergbau AG Herne / Recklinghausen
Bergwerksdirektion General Blumenthal
'

WARNSCHUSS GEGEN ALLE KUMPEL.

Es ist kein Zufall, dass sich dieser unverschämte Angriff gegen die Kollegen richtet, deren Gesundheit unter Tage ruiniert wurde! Erst durften sie sich für die Profite der Zechenherren kaputtmachen, jetzt, wo die Kapitalisten nicht mehr genug aus ihnen herauspressen können, bekommen sie die Quittung.

Mit diesem Trick umgehen die Ruhrkohle-Bosse das Lohnfortzahlungsgesetz: Verlegung an einen 'geeigneten' Arbeitsplatz! Das bedeutet für uns: WENIGER LOHN, obwohl wir durch die Krankheit bestimmt nicht weniger Ausgaben haben, weniger Lohn, obwohl durch unverschämte Preissteigerungen unser Geld sowieso immer weniger wird.

VERLEGUNG - LOHNVERLUST - ENTLASSUNG!

Aber das ist noch nicht alles: Dieser 'geeignete Arbeitsplatz' ist für uns nur die letzte Station vor der Entlassung. Das hat schon im Herbst der Leiter eines benachbarten Arbeitsamtes unmissverständlich angekündigt: 'Mitarbeiter, die das Werksgelände in Ordnung halten und fegen, gibt es zur Genüge. Es wird sich deshalb kaum vermieden lassen, einigen dieser Betriebsangehörigen das Ausscheiden nahe zulegen.' Und es ist klar: Diese Kollegen werden kaum einen neuen Arbeitsplatz finden, denn welcher Kapitalist interessiert sich denn schon für uns, wenn wir über 45 sind und kaputte Knochen haben!

So sehen also die 'sicheren Arbeitsplätze' der RAG aus: Erst dürfen wir für die Profite der Bosse die Knochen hinhalten - dann Verlegung, Lohnkürzung und Entlassung!

Diese Briefe sind ein Angriff gegen alle Blumenthal-Kollegen: wer jetzt nicht ranklotzt, wer jetzt krankfeiert, der ist als nächster dran. Das wollen die Zechenherren erreichen: dass die Kollegen noch mehr ranhauen, dass sie gar nicht mehr zum Arzt gehen aus Angst vor Lohnkürzung und Entlassung. So wird dann die Gesundheit erst recht ruiniert!

Aber um die Gesundheit der Kumpel haben sich die Zechenherren noch nie gekümmert. Profit, Profit, und wenn die Knochen dabei draufgehen, heißt ihre Parole. Darum wird das Gedinge ständig hochgetrieben, dass keine Zeit mehr haben, uns um Unfallverhütungsvorschriften zu kümmern, darum müssen wir Reparaturarbeiten bei laufenden Maschinen ausführen, darum sind Unfälle unter Tage an der Tagesordnung!

Das Interesse der Zechenherren am Profit und das Interesse der Kumpel an ihrer Gesundheit haben nichts miteinander zu tun. Und da tun die Zechenherren in ihrem Brief noch so, als läge ihnen bei der Verlegung unsere Gesundheit am Herzen!

KRISENZEICHEN

Es ist kein Zufall, dass die Ruhrkohle-Bosse gerade jetzt so hart zupacken. Schon im letzten 'Stempel'  schrieben wir: Eine neue Wirtschaftskrise kündigt sich an!

Kurzarbeit und Entlassungen in der Stahlindustrie - das wird auch den Kumpel treffen: Wenn die Stahlbarone ihre Auftragslisten für die RAG kürzen, dann sind für die Kumpel Entlassungen und Feierschichten nicht mehr fern. Wir schrieben auch, wie sich die RAG-Bosse für diese Krise rüsten, wie sie ihre Profite auf Kosten der Arbeiter retten wollen: 'Fehlschichten senken durch Kündigungen!' (Stempel Nov. 1970)

Auf Prosper in Bottrop haben die Zechenherren schon im Sommer die Entlassung von 40 Kollegen geplant, meist ältere Kumpel, die häufig krankfeiern müssen.

Auf Prosper 4 haben die Kollegen die Entlassungen verhindert: Sie drohten, dass sie alle kündigen, wenn man mit den älteren Kollegen so umspringt!

Kollegen, der Drohbrief der Ruhrkohle-Bosse trifft nicht nur einige Kollegen, er trifft uns alle! Wenn wir uns diese Angriffe gegen unsere Kollegen bieten lassen, dann werden die Zechenherren früher oder später mit uns genauso umspringen.

Das ist die richtige Antwort an die Zechenherren:

- KEINE LOHNKÜRZUNGEN!
- KEIN KUMPEL DARF WEGEN KRANKHEIT ENTLASSEN WERDEN!

VERRAT VON BETRIEBSRAT UND IGBE-FÜHRERN

Wie haben die IGBE-Führer doch noch vor Wochen in der 'Einheit' getönt: 'Schluss mit dem Fehlschichten-Gefasel! Der Bergmann ist kein Prügelknabe!' - Grosse Worte damals! jetzt, wo die Angriffe der RAG-Kapitalisten beginnen, ist von den großmäuligen Gewerkschaftsvertretern nichts zu hören und zu sehen. Noch schlimmer: Sie unterstützen die Zechenherren sogar!

Was sagte Konrad Brandau, Betriebsratsvorsitzender, Gewerkschaftler und SPD-Mitglied, auf der letzten Belegschaftsversammlung  über Fehlschichten und Lohnfortzahlung? 'Es gibt immer einige, die nicht in die Gemeinschaft passen. Wir müssen die Masse der Belegschaft schützen, und die Masse ist anständig.'

Heißt das: die Kollegen, die jetzt die Drohbriefe der RAG bekommen haben, sind NICHT anständig, das sind die ewigen Miesmacher, die nicht den Schutz des Betriebsrats verdienen? Heißt das: Brandau findet die Maßnahmen der RAG berechtigt? - Anscheinend! Denn wir haben von Betriebsrat und Gewerkschaftsführern noch kein Wort des Protestes gegen die RAG-Maßnahmen gehört, wir haben keine einzige Maßnahme gegen diesen Angriff gesehen.

Darum haben es die Kapitalisten so leicht, darum können sie immer frecher die Krisenfolgen auf die Arbeiter abwälzen. Sie wissen: Die Gewerkschaftsführer fallen ihnen dabei nicht in den Rücken. Und auch nicht die SPD-Führer, die unsere IGBE-Vertreter immer so in den Himmel heben und von denen sich viele von uns noch etwas versprochen haben, als sie an die Regierung kamen. Diese Regierung hat damals versprochen: ES WIRD KEINE KRISE MEHR GEBEN! - Und jetzt, bei den drohenden Verlegungen und Entlassungen angesichts der kommenden Krise - jetzt feiert Schiller diese Krisenanzeichen als 'wirtschaftliche Normalisierung!“

Im nächsten Artikel wird aufgefordert:

„MIT DER BETRIEBSGRUPPE DER KPD/ML DEN KAMPF AUFNEHMEN!

Kollegen, als die Weißen Briefe rauskamen, war allen klar: Das ist eine ungeheure Sauerei der Zechenherren! Auf Schacht 7 sind einige Kollegen schließlich zum Betriebsrat gegangen und haben gefragt, ob er da seine Hand mit im Spiel hätte. - Als dann der Verrat von Betriebsrat und Gewerkschaftsführern offensichtlich war, da wollten einige Kollegen ihre Gewerkschaftsbücher zurückgeben und sich dem Bergarbeiterverband anschließen! Andere Kollegen aber haben ihnen die richtige Antwort gegeben: Das dient nicht der Einheit der Kumpel!

DENN WARUM HABEN WIR BISHER NICHTS ERREICHT?

Warum wurden die Verlegungen nicht rückgängig gemacht, warum konnten Betriebsrat und Gewerkschaftsführung den Kumpeln ungestört in den Rücken fallen?

ES WAR KEINE EINHEIT UNTER DEN KOLLEGEN DA!

Einig waren sich alle in der Empörung, aber keiner sagte, was jetzt zu tun war, es gab keine gemeinsame Forderung, hinter die sich alle Kollegen gestellt hätten und mit der die, die zum Betriebsrat gegangen sind, den Betriebsrat und die Betriebsführung unter Druck setzen konnten!

WIE HABEN DIE KOLLEGEN AUF PROSPER ES GEMACHT?

Sie haben eine Abordnung zum Betriebsrat geschickt, die im Namen aller Kollegen klar forderte: Weg mit den Entlassungen oder wir kündigen alle! Die Prosper-Kumpel waren sich einig - darum haben sie ihre Forderung durchgesetzt: Die Entlassungen konnten verhindert werden! Lernen wir von den Prosper-Kumpeln! Die weißen Briefe sind nur ein Anfang -weitere Angriffe der Kapitalisten, weitere Verrätereien der Gewerkschaftsführer und der SPD-Regierung stehen uns bevor: weitere Verlegungen, Lohnverlust und Entlassungen, Lohndrückerei in der Tarifrunde.

DIESEN ANGRIFFEN DÜRFEN WIR NICHT NOCH EINMAL UNVORBEREITET UND UNORGANISIERT GEGENÜBERSTEHEN!

Von den Gewerkschaftsführern und SPD-Bonzen haben wir nichts zu erwarten.

WIR BRAUCHEN EINE STARKE BETRIEBSGRUPPE!

In der Betriebsgruppe müssen sich die Kollegen zusammenfinden, die klar erkennen, wer die Feinde der Kumpel sind und was wir von ihnen zu erwarten haben; die rechtzeitig allen Kollegen sagen, was los ist im Betrieb und was zu tun ist, um jeden neuen Angriff und jeden neuen Verrat entschieden abzuwehren; die solche Forderungen aufstellen, hinter die wir uns alle stellen können, und ihre Durchsetzung organisieren!

Stärkt die Betriebsgruppe, damit sie zu einer macht im Betrieb und in der Gewerkschaft wird!

Die Betriebsgruppe wird sich auf keinen Verrat einlassen. Denn sie kämpft unter der Führung der KPD/ML, der einzigen Partei, die fest die Interessen der Arbeiter vertritt!

Rüsten wir uns für die nächsten Angriffe der Kapitalisten und die Verrätereien von SPD- und Gewerkschaftsführung!

GEGEN VERLEGUNGEN, LOHNVERLUST UND ENTLASSUNGEN GEGEN DIE LOHNDRÜCKEREI IN DER TARIFRUNDE.

Stärkt die Betriebsgruppe der KPD/ML!“

In 'Der Kampf der Arbeiterjugend', den Jugendseiten des KJVD, hieß es zur JVW JUGENDVERTRETERWAHL:

„Am 3., 4. und 5. März finden die Jugendvertreterwahlen auf General Blumenthal statt. Die Jugendvertretung soll zwei Jahre lang unsere Interessen gegenüber den Ruhrkohle-Bossen vertreten, hat aber in Wirklichkeit nicht die geringsten Rechte! Der erste Jugendvertreter wird nicht einmal für diese Aufgabe freigestellt. Was noch wichtiger ist: den Jugendvertretern kann, wenn sie den Bossen nicht passen, jederzeit gekündigt werden! - Und was nützt uns ein Jugendvertreter, der gefeuert wird, wenn er sich für uns einsetzt?

Deshalb fordern wir:

- KÜNDIGUNGSSCHUTZ FÜR JUGENDVERTRETER
- GLEICHSTELLUNG MIT DEM BETRIEBSRAT

Aber diese Rechte allein genügen nicht. Wir brauchen eine Jugendvertretung, die wirklich bereit ist, sich für die Interessen der Jugendlichen auf Blumenthal einzusetzen! Es reicht nicht, nur so zu tun und bei irgendwelchen Sitzungen das Maul aufzureißen. Z. B. ist der Ausbildungsplan im Lehrrevier ein wichtiges Problem für die Jugendlichen. Von Ausbildung kann da nicht mehr die Rede sein! Wir arbeiten hauptsächlich voll in der Produktion.

WENN WIR ABER SCHON PRODUKTIVE ARBEIT MACHEN, DANN WOLLEN WIR AUCH DAS VOLLE GELD DAFÜR SEHEN UND NICHT DIESEN HUNGERLOHN, DER SICH AUSBILDUNGSBEIHILFE NENNT!

So eine Forderung kann die Jugendvertretung niemals durchsetzen, wenn sie sich nicht auf die Kampfkraft der Jugendlichen stützen kann. Die Ruhrkohle-Bosse würden sie nur auslachen, wenn sie auf einer Sitzung fordern würde:

GLEICHER LOHN FÜR GLEICHE ARBEIT!

Denn das wissen die Kapitalisten: Wenn die Jugendvertretung die Jugendlichen nicht hinter sich stehen hat, dann können sie mit ihr machen, was sie wollen.

Und sie billigen ihr nur das zu, was ihren Profit nicht angreift!

DIE JUGENDVERTRETUNG IST IMMER NUR SO STARK, WIE STARK DIE KAMPFKRAFT DER KOLLEGEN IST!

Eins ist klar: Freiwillig rücken die Bosse nichts heraus. Da können wir warten, bis wir schwarz werden. Unsere älteren Kollegen haben das Streikrecht schon lange. Es ist eines ihrer wichtigsten Kampfmittel gegen die Kapitalisten! Wir Lehrlinge dürfen nicht streiken. Dadurch will man uns von den älteren Kollegen abspalten, damit wir nicht mit allen Kollegen für gemeinsame Forderungen kämpfen. Es geht sogar so weit, dass Lehrlinge als Streikbrecher eingesetzt werden. Wir brauchen unbedingt

- STREIKRECHT FÜR LEHRLINGE

JUGENDVERSAMMLUNG

Anscheinend wird die Jugendvertreterwahl vom Wahlvorstand auf die leichte Schulter genommen, oder aber er hat keinen Kontakt zu den Jugendlichen. Denn dann wüßte er, dass die Kandidaten zum größten Teil überhaupt nicht bekannt sind, besonders bei den jüngeren!

Wie sollen wir da eine Wahl treffen? Wir fordern deshalb

JUGENDVERSAMMLUNG VOR DER WAHL

bei der sich die Kollegen mal genauer vorstellen können. Die Versammlung muss aber innerhalb der Arbeitszeit oder bei vollem Lohnausgleich außerhalb der Arbeitszeit stattfinden! Voller Lohnausgleich heißt: Der Durchschnittslohn aller Wahlberechtigten wird für die Dauer der Versammlung an alle Teilnehmer ausgezahlt. Bei einer Versammlungsdauer von drei Stunden (mit Anfahrt) und einem Durchschnittslohn von zwei Mark pro Stunden hieße das: sechs Mark für jeden Versammlungsteilnehmer sofort ausgezahlt.“

In einem weiteren Artikel hieß es:

„WIR HABEN EINEN GROSSEN SCHLUCK AUS DER PULLE GENOMMEN!

Das war für unseren Betriebsratsvorsitzenden Brandau auf der letzten Belegschaftsversammlung das Fazit der letzten Monate. Wenn wir uns aber anschauen, was der Betriebsrat in den letzten drei Monaten alles geleistet hat, dann müssen wir sagen: Das ist uns alles schon auf der letzten Belegschaftsversammlung als großartiger Erfolg der Arbeit des Betriebsrats angepriesen worden.

Wie recht hatte doch der Kollege, der Brandau fragte: 'Wer hat denn nun den größten Schluck aus der Pulle genommen? - Das sind doch wohl die Aktionäre und Stahlkonzerne gewesen!'

Das hat uns Brandau nämlich nicht erzählt: Die RAG ist eine Aktiengesellschaft mit einem Kapital von 546 Mio. Die Aktien gehören den Altgesellschaften (also Rheinstahl, Thyssen, Hoesch usw.). Sie kontrollieren die RAG und setzen den Vorstand ein. Die RAG schuldet den Altgesellschaften 2 Milliarden DM und 1,6 Mrd. DM Zinsen, sie muss jährlich 185 Mio. an die Altgesellschaften zahlen.

Das bedeutet, dass das Defizit, über das die Aktionäre der RAG so jammern, gerade daher kommt, dass sich diese Aktionäre jährlich 185 Mio. DM aus der Kasse nehmen! Die dicken Profite machten die Kapitalisten mit zwei Tricks. Das Bergbauvermögen, das sie wegen der Kohlenkrise an die Einheitsgesellschaft loswerden wollten, durften sie selbst bewerten. Dafür trafen sie die richtigen Vorbereitungen: Vor der Gründung der RAG haben die Altgesellschaften die Förderung mit allen Mitteln hochgetrieben, damit ihre Gruben mehr wert waren. Da haben sie auch ruhig einmal die Aus- und Vorrichtung vernachlässigt. Wer bezahlt dafür mit mehr und schnellerer Arbeit, mit Arbeitshetze und Unfällen? Natürlich wir! Als der Stichtag der Bewertung kam, legte die Kapitalisten ihre Rechnung auf den Tisch: Jahrelang hatten sie sich über die aussichtslose Lage des Bergbaus beklagt, und jetzt brachten sie es fertig, den Wert des eingebrachten Vermögens auf zwei Milliarden DM zu beziffern. Diese Summe muss die RAG in 20 Jahren zurückzahlen und noch 6% Zins dazu - das sind jedes Jahr 185 Mio. DM. Die müssen wir ihnen erst einmal rausholen.

Wenn man die 185 Mio. abzieht, dann hat die Ruhrkohle kaum rote Zahlen gehabt. Trotzdem halten die Kapitalisten und die Gewerkschaftsführer dieses Märchen von den roten Zahlen aufrecht, um unsere Lohnforderungen herabzudrücken. Die Stahlbarone waren aber nicht damit zufrieden, dass sie bei dem Verkauf ihrer Zechen dicke Profite machten, sie sicherten sich auch noch einen Extrapreis für den Koks, den sie bei der RAG weit billiger als sonst wo bekommen. Als die RAG kürzlich versuchte, zur Verbesserung ihrer finanziellen Lage den Preis für Koks heraufzusetzen, leisteten die Stahlbarone erbitterten Widerstand. Eigentlich müssten sie als Aktionäre der RAG an einem guten Abschluss interessiert sein, aber die Kapitalisten rechnen nur mit einem: dem höchsten Profit - und den haben sie, wenn sie auch noch den Koks billiger bekommen. Sie wissen nämlich: SELBST WENN DIE RUHRKOHLE PLEITE IST, BEKOMMEN SIE WEITERHIN DIE JÄHRLICHE RÜCKZAHLUNG. Die einzigen, die bei der Ausplünderung der RAG draufzahlen müssen, sind wir: uns droht man mit Lohnstop, Sozialabbau und Wohnungsmangel, weil angeblich kein Geld in der Kasse ist. Den Kapitalisten aber hat SPD-Schiller bei der Gründung der RAG rückhaltlose Unterstützung zugesagt: BEI ZAHLUNGSUNFÄHIGKEIT DER RAG BEKOMMEN DIE KAPITALISTEN DIE JÄHRLICHE RÜCKZAHLUNGSRATE AUS DEN STEUERGELDERN, D.H. VON UNSEREM GELD ERSETZT!

Darum ist es auch den Kapitalisten egal, wie die Bilanz aussieht, ihren Profit haben sie ja staatlich garantiert. Und wenn sie jetzt versuchen unsere Lohnforderungen für die kommende Tarifrunde zu drücken, dann haben sie auch hier die volle Unterstützung der SPD-Regierung: damit die fetten Gewinne der Kapitalisten erhalten bleiben, sollen uns 7%-Lohndiktate, genannt 'Lohnleitlinien' aufgezwungen werden!

Dieses Komplott zwischen Kapitalisten und SPD-Regierung will Brandau mit seinen schönen Reden decken. Darum muss er auch den 'Stempel' als Schmiererei bezeichnen! Aber lassen wir uns durch solche Reden und durch die Tricks der SPD-Regierung nicht einschüchtern. Wir verlangen für die kommende Tarifrunde:

STATT 7%-LOHNDIKTAT EINE KRÄFTIGE LOHNERHÖHUNG!“

Die Ausgabe enthielt auch eine Polemik zur DKP-Betriebszeitung 'Roter Hobel'.

„EIN WORT ZUR DKP

In der letzten Ausgabe ihrer Betriebszeitung DER ROTE HOBEL wirft die DKP der KPD/ML vor, sie täte das Gleiche wie die NPD, Strauß und Bild, wenn sie die Verrätereien der SPD- und Gewerkschaftsführer aufdeckt. Sollen wir das etwa billigen und stillschweigen, wenn der Tarifexperte der IGBE, Gelhorn, den Funktionären der IGBE empfiehlt, dafür zu sorgen, dass die Kumpel in den Betrieben nicht zu hohe Forderungen für die Tarifrunde (BETR, d. Vf.) stellen? Oder sollen wir es uns gefallen lassen, wenn Schiller versucht, uns durch das Lohndiktat von nur 7% an die Kette zu legen? Welche Interessen vertreten diese Herren denn damit? Sie dienen damit doch nur den Kapitalisten. Die wollen doch angesichts der kommenden Krise ihre Profite auf unsere Kosten retten! Und wenn die Kollegen von der DKP diese Verrätereien, die jeder Kollege kennt, unter den Teppich kehren wollen, dann stellen sie sich schützend vor diese Verrätereien. Dann verhindern sie damit unseren geschlossenen Kampf gegen die Kapitalisten und ihre Handlanger, SPD -und Gewerkschaftsführung. Und das kann doch wohl nicht im Interesse der Kumpel sein.“

Im letzten Artikel wird über einen Bergarbeiterstreik in Frankreich berichtet:

„DIE ARBEITERKLASSE KÄMPFT UND WIRD SIEGEN!

KUMPEL IN FRANKREICH KÄMPFEN GEGEN ZECHENSTERBEN.

In einem Streik, der alle Bergbaugebiete Frankreichs umfasste, haben die französischen Kumpel in den letzten Wochen ihre Einheit und Solidarität beweisen. Der Streik begann an der lothringischen Zeche Faulquemont. Der Grund: Die Kumpel hatten erfahren, dass ihre Zeche 1973 dichtgemacht werden sollte!

Dagegen forderten sie: Weg mit dem Stillegungsbeschluss, sichere Arbeitsplätze! Die Kampfbereitschaft der Kumpel war so gross, dass die Gewerkschaft CGT und die sozialdemokratische Gewerkschaft CFDT den Generalstreik für alle Zechen im ganzen Land ausrufen mussten.

Für eine Woche lang hielten die Kumpel das Verwaltungsgebäude der staatlichen Kohlengruben besetzt. In einem groß angelegten Täuschungsmanöver haben nun Regierung und Gewerkschaftsführung den Streik der französischen Bergarbeiter abgewürgt.

Folgendes 'Kompromissangebot' machte die französische Regierung den streikenden Kumpels: Nicht 1973, 'erst' 1975 sollten die unrentablen Zechen geschlossen werden!

Daraufhin bliesen die Gewerkschaftsführer den Streik ab. Besonders übel haben die Führer der unter dem Einfluss der revisionistischen 'K'PF (KPF, d.Vf.) (Kommunistische Partei Frankreichs) stehenden Gewerkschaft den Kumpels mitgespielt. Mit scheinradikalen Parolen hatte sie sich an die Spitze des Streiks gesetzt und noch am Donnerstag alle Kollegen aufgefordert, weiterzustreiken. Am nächsten Tag ging sie auf den faulen Vorschlag der Pompidou-Regierung ein. Die Kumpel von Faulquemont, die den Streik auch begonnen haben, streikten als einzige weiter.

Sie wollten mehr als einen Aufschub der Stillegung, sie wollten sichere Arbeitsplätze für die Zukunft! Aber durch den Verrat der sozialdemokratischen und revisionistischen Gewerkschaftsführer ist die geschlossene Kampffront der Kumpel zerschlagen, die Kumpel von Faulquemont sind isoliert.

GEGEN DIE VERRÄTEREIEN DER RECHTEN GEWERKSCHAFTSFÜHRER DIE GESCHLOSSENE KAMPFFRONT DER ARBEITERKLASSE!“ (72)

Die Weichen für die Bergbautarifrunde waren gestellt. Die kommenden Tarife im Bergbau sollten vom ZB in einer eigenen Urabstimmung zur Disposition gestellt werden. Vor allem auf den Zechen im Ruhrgebiet ging die KPD/ML-ZB sogar mit eigenen Wahlurnen auf die Kumpel zu und forderte sie dazu auf, eine kommende Gedingeordnung abzulehnen. Denn auch im Bergbau war die Steuerlast erdrückend. Preise und Staatshaushalt mussten daher vom ZB ebenso in die Kritik am Gesamtkapitalismus aufgenommen werden. Vermutlich um den 20./21./22.2. erschien im KND ein Artikel zum Wohnungsbauprogramm. Dort wurde formuliert:

„SPD-REGIERUNG HALBIERT WOHNUNGSBAUPROGRAMM FÜR BESONDERS BEDÜRFTIGE.

Die SPD-Regierung hatte ihr 'Sonderbauprogramm' an die große Reformglocke gehängt: 50 000 Wohnungen für alte Menschen, junge Ehepaare, Schwerbeschädigte und kinderreiche Familien wollte sie finanzieren. Um den Eindruck zu erwecken, sie werde ernsthaft darangehen, die kriminellen Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt zu beseitigen, wollte sie dieses Programm groß verkaufen. Jetzt hat sie angekündigt, das 'Sonderbauprogramm' werde um die Hälfte gekürzt. Die freiwerdenden Gelder solle den Städtebauministern der Länder zur Verfügung gestellt werden, damit die wenigstens mit ihrem Bauprogramm nicht hinter die versprochenen Ziele zurückstecken müssen. Angesichts der Finanzlage der Länder ist jedoch sicher, dass die Mittel, die ursprünglich für das 'Sonderbauprogramm' der SPD-Regierung bestimmt waren, von den Ländern nur dazu benutzt werden, um das Loch im Wohnungsressort ein wenig zu stopfen.

Die Länder haben bereits die ersten schwerwiegenden Streichungen bei ihren Bauprogrammen vorgenommen. Besonders betroffen sind die FINANZSCHWACHEN LÄNDER: sie hatten von der SPD-Regierung gefordert, dass diese die Finanzhilfe von 100 auf 300 Mio. DM erhöht.

Die Bureg hat das abgelehnt mit der Begründung: 'Im Haushalt gibt es AUCH keine Reserven mehr.' So wird schon jetzt sichtbar, dass weder die Reformen, die die SPD-Regierung bezahlen wollte, noch die Reformen der Länder und der Gemeinden verwirklicht werden. Im Gegenteil. Überall wird gestrichen, während gleichzeitig Preise (Nahverkehr) und Gebühren erhöht werden ... Die SPD-Regierung greift die Lage der Arbeiterklasse und anderer werktätiger Schichten auf allen Ebenen an.“ (73)

Und:

„BUNDESFINANZMINISTERIUM ZUM STEUERFLUCHTGESETZ

Während der ersten ernsten Krisenanzeichen kündigte die SPD-Regierung an, sie werde die Reform des Steuerwesens beschleunigt in Angriff nehmen, insbesondere um die STEUERFLUCHT zu stoppen (...) um in der Arbeiterklasse den Eindruck zu erwecken, die SPD-Regierung wolle die Steuerprivilegien der Kapitalisten einengen und um von ihrer immer frecheren Lohnraubpolitik abzulenken.

Das Monopolkapital, dass dieses Manöver mit Misstrauen beobachtete in der Furcht, die SPD-Regierung könne aus Angst vor der Arbeiterklasse tatsächlich ihre Steuer-Narrenfreiheit einschränken, reagierte vorsorglich mit massiven Drohungen. Der SPD-Regierung wurde vorgeworfen, sie wolle mit dem Steuerfluchtgesetz 'die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Firmen im Ausland beeinträchtigen' und sie sei im Begriff, 'einen Verstoß gegen die Freizügigkeit von Personen und Kapital' zu verüben.

Das SPD-Finanzministerium beeilte sich, die Dinge klar zu stellen: Der Sprecher des Ministeriums, Debatin: nichts dergleichen solle geschehen, ohne dass die 'Wirtschaft' vorher ihr Einverständnis gegeben habe: 'Es muss ganz klar gesagt werden, dass sich das Kabinett bisher nur auf allgemeine Leitsätze festgelegt hat, auf unbestimmte Zielvorstellungen also.

SIE LASSEN ES SELBSTVERSTÄNDLICH OFFEN, AUF WELCHEM WEGE ... DIE ANGESPROCHENEN ZIELE ERREICHT WERDEN'.

Aber offen lassen sie es eben nicht. In Verabredungen mit den 'Spitzenverbänden der Wirtschaft' wird die Steuerreform erarbeitet werden, wie es die Kapitalisten verlangen.

Das die SPD-Regierung die Bedingungen der Kapitalisten schon jetzt ganz akzeptiert hat, macht Debatin ganz klar. So sagt er, Begriffe wie 'Steuerflucht' oder 'Steueroasen' seien keine wertfreien Begriffe. Diese stammten lediglich aus der 'Öffentlichkeit'. Die Steuerflucht-Machenschaften der Kapitalisten hält die SPD-Regierung für völlig legitim. Debatin drückt das so aus: 'Das neue Gesetz tastet IN KEINER WEISE die Freizügigkeit an. IM GEGENTEIL, da wir absolute Anhänger der Freizügigkeit sind, ... ist es gerade die Konsequenz des Gesetzes, dass die Freizügigkeit steuerlich nicht eingeschränkt wird'. Schließlich dürfe man auch die Interessen der kleinen kapitalistischen Länder nicht vergessen, die von den der Steuer entzogenen Profiten ihren Vorteil haben: 'Mit diesem Kapital will ein kleines Land ... für das internationale Kapital aktiv werden'.

Profitieren werden von der Steuer'reform' der SPD-Regierung also das westdeutsche Monopolkapital und die Steueroasen-Länder. Nur der eine oder andere kleine Schieber wird es in Zukunft schwieriger haben, seine Beute in die Schweiz zu schmuggeln.

DER ARBEITERKLASSE JEDOCH WIRD EINE IMMER GRÖSSER WERDENDE STEUERLAST AUFGEBÜRDET WERDEN.“ (74)

Dass das „Benzin teurer“ wurde, war zwar eine Floskel, doch im System des ZB kapitalistisch und profitorientiert. Das machte ein Artikel des „KND“ am 17.2. deutlich:

„BENZIN WIRD TEURER

Nachdem die ölproduzierenden Länder gegenüber den Ölmonopolen ihre Forderungen durchgesetzt haben, versuchen die Monopolkonzerne, diese Schmälerung ihrer Profite wieder von sich abzuwälzen. Als erste große Mineralölgesellschaft hat die deutsche Shell eine Benzinpreiserhöhung um 2% ab Montag, den 15. 2. beschlossen.

Inzwischen hat auch die Gelsenberg AG eine Erhöhung der Benzinpreise und des Heizöls angekündigt.“

Später berichtet die KPD/ML-ZB:

„BENZINPREISERHÖHUNG.

Nach der deutschen Shell (...) und der Texaco haben nun auch Aral und ihre Tochtergesellschaft Gasolin sowie BP die Preise heraufgesetzt. Aral um 1,6 Pfg. pro Liter Super und Normalbenzin, Gasolin desgleichen, BP Normalbenzin um 2, Super um 1 Pfg. Dieser Preissteigerung wird in naher Zukunft eine weitere, wahrscheinlich um 2 Pfg. folgen.

SCHILLER 'rügt' die Benzinmonopole: 'Es gibt keine Zwangsläufigkeit, nach der Rohstoffkostenerhöhungen in voller Breite, möglicherweise noch mit Aufschlägen, auf den Endverbraucher abzuwälzen sind.

Der Bundeswirtschaftsminister erwartet (!), dass wenigstens Teile der Kostenerhöhung durch kostensparende Maßnahmen der Mineralölgesellschaften aufgehoben werden.' Aber natürlich wird die SPD-Regierung nichts gegen die Monopole unternehmen.

Um wie viel die Kosten der Mineralölgesellschaften wirklich gestiegen sind, hat der ADAC errechnet: um genau 0,1 Pfg. pro Liter. Die Unternehmer werden aber auch die Preise für leichtes Heizöl heraufsetzen: bis zu 6 DM für 100 Liter. Die Preise für schweres Heizöl hingegen bleiben unverändert. Die Kapitalisten der Schwerindustrie haben sich durch langfristige Lieferverträge von einem plötzlichen Anstieg des von ihnen benötigten schweren Heizöls geschützt.“ (75)

Um Steuereinnahmen, die, wie das ZB meinte, „infolge der Krise ständig zurückgehen“ und um Stärkung des „aggressiven Nato-Bündnisses,  ging es auch um einen weiteren Artikel des „KND“. Zum 22.2. war zu lesen:

„Auch wenn die Steuereinnahmen infolge der Krise ständig zurückgehen, auch wenn an den Reformen, die sowieso schon mickerig genug sind, noch weiter gekürzt wird, wenn es darum geht, die Kampffront des aggressiven NATO-Bündnisses zu stärken, haben die BRD-Imperialisten offensichtlich immer Geld.

NATO-LASTENAUSGLEICH

100 Millionen DM jährlich wird die Bundesregierung ab 1. April zusätzlich zu großen Militär- und Zivilaufträgen für die britische Industrie, zu denen sie sich bereits verpflichtet hat, an Großbritannien zahlen. Das sieht das neue Devisenausgleichsabkommen f für die britische Rheinarmee vor. Zum ersten Mal seit zehn Jahren hat sich die Bundesregierung wieder zu Devisenausgleichszahlungen verpflichtet. Dieses Abkommen über die Finanzierung der 54 000 Mann starken britischen Truppen gilt für fünf Jahre. Zum Dank für diese Freundlichkeiten der deutschen Imperialisten hat Großbritannien sich bereit erklärt, sich nun auch mit 32,5 Millionen Pfd. an den Kosten für die Verbesserung der NATO-Infrastruktur (Verbesserung des Funknetzes und des militärischen Fernmeldewesens, (...) zu beteiligen.

Praktisch sieht die Sache jedoch so aus, dass BRD-Gelder, die im Rahmen des Devisenausgleichsabkommens an Großbritannien gehen, von dort direkt in die Kassen der NATO fließen. So beweist die BRD wieder einmal, dass sie die europäische Hauptstütze des aggressiven NATO-Bündnisses ist. Auch wie ernst es ihr mit der friedlichen Ostpolitik ist, kann man an diesem Beispiel sehr schön sehen.

Auch wenn die Steuereinnahmen infolge der Krise ständig zurückgehen, auch wenn an den Reformen, die sowieso schon mickerig genug sind, noch weiter gekürzt wird, wenn es darum geht, die Kampffront des aggressiven NATO-Bündnisses zu stärken, haben die BRD-Imperialisten offensichtlich immer Geld genug.“ (76)

Dass die Sozialleistungen gekürzt, Umschichtungen im BRD-Haushalt ablaufen, um damit „die Krise auf die Arbeiterklasse und die werktätige Bevölkerung abzuwälzen“, machte ein weiterer Artikel deutlich. Am 25.2. gab es einen Artikel im „KND“ zur „mittelfristigen Finanzplanung“.

„MITTELFRISTIGE FINANZPLANUNG.

Am Donnerstag den 25.2. beschäftigte sich das Bundeskabinett mit der Finanzplanung bis 1975. Zur Debatte stand die Frage, wie die durch die Krise bedrohten Profite der Monopolkapitalisten mit den Steuergeldern gesichert werden können.

Wie in der Krise 1966/1967 wird das auch diesmal durch 'Umschichtungen', Kürzungen und Streichungen im Haushalt geschehen. Umschichtungen laufen aber wie in der vergangenen Krise auf das Wegfallen und Kürzen von Sozialleistungen und Sozialreformen hinaus, mit denen die Krise auf die Arbeiterklasse und die werktätige Bevölkerung abgewälzt wird (...). In einem vom Bundeskanzleramt und den Ministerien für Wirtschaft und Finanzen erarbeiteten Vorschlag ist die Kürzung der Haushaltsausgaben für die nächsten vier Jahre um 33 Mrd. DM vorgesehen.

Dieser Finanzplanungsausschuss hat zudem angekündigt, dass bis spätestens 1973 Steuererhöhungen 'unumgänglich' sind. Folgende Veränderungen planen die Finanzspezialisten der SPD-Regierung im Einzelnen:

Die Verdoppelung des 'ARBEITNEHMERFREIBETRAGES', seit anderthalb Jahren mehrfach als große Reform angekündigt und verschoben (...) ist endgültig für die nächsten  vier Jahre zu den Akten gelegt. Daran will die SPD-Regierung 2,5 Mrd. DM einsparen. Für die KRIEGSOPFERVERSORGUNG sollen 400 Mio. DM weniger ausgegeben werden.

Die KRANKENHAUSFINANZIERUNG soll um bis zu 5 Mrd. DM zusammengestrichen werden.

Für das AUSBILDUNGSFÖRDERUNGSGESETZ  sind nun 2 Mrd. DM weniger eingeplant.

Der 'FLÜCHTLINGSWOHNUNGSBAU' soll mit 3 Mrd. DM weniger auskommen.

Das geplante KINDERGELD FÜR AUSLÄNDISCHE ARBEITER wird ganz aus dem Haushaltsplan gestrichen.

Die HEIZÖLSTEUER wird nicht wie versprochen gesenkt: die SPD-Regierung wird daran in den nächsten vier Jahren 3 Mrd. DM einnehmen.

Die DEFIZITE DER BUNDESBAHN sollen nicht vom Staat getragen werden. 4,4 Mrd. DM sollen hier eingespart werden. Die Folge wird eine weitere Erhöhung der Tarife sein und das Geld für größere Sicherheitsvorkehrungen zur Unfallverhütung wird fehlen.

Der Landwirtschaft wird keine Gas-/Ölverbilligung gewährt. Die SPD-Regierung kürzt bei den Mitteln für die Verbesserung der Agrarstruktur.

Die vorgesehene Streichung der Zuschüsse für den Bergbau wird die Lage der Bergarbeiter durch weitere Stillegungen, Rationalisierungen und verschärfte Arbeitshetze usw. verschlechtern.

Dem riesigen KRIEGSHAUSHALT werden jedoch nur 3 Mrd. DM von etwa 130 Mrd. DM entzogen werden.

Das Monopolkapital wird durch die 'Haushaltsmisere' nicht belastet werden. Im Gegenteil: Die Investitionssteuer wurde bereits herabgesetzt und die degressive Abschreibung ist bereits am 1.2. wieder in Kraft getreten.

SCHILLER fasste am 25.2. auf der Sitzung des Kabinetts zusammen:

'WIR KÖNNEN DER WIRTSCHAFT VIELES ZUMUTEN, ABER NACH DIESEN LOHNRUNDEN, NACH LOHNFORTZAHLUNG UND KRANKENVERSICHERUNGSREFORM KÖNNEN WIR IHR JETZT NICHT NOCH VERMÖGENSBILDUNG, BILDUNGSURLAUB, FLEXIBLE ALTERSGRENZE IN DER RENTENVERSICHERUNG UND HÖHERE STEUERN AUFLADEN - DAS GEHT EINFACH NICHT'.

Das Reformprogramm, dessen Durchführung Brandt garantiert, besteht also aus einer UNGEHEUERLICHEN Verschärfung des LOHNRAUBS durch die Steuerpolitik der SPD-Regierung ...

KRIEGSETAT: KEINE KÜRZUNG

Mit der von den bürgerlichen Zeitungen in Schlagzeilen ausposaunten Kürzung des Wehretats um läppische 3 Mrd. für die nächsten vier Jahre (Gesamtkriegshaushalt der nächsten 4 Jahre weit über 120 Mrd. DM!), hatte die SPD-Regierung ein plumpes Ablenkungsmanöver in Szene zu setzen versucht. Sie wollte vortäuschen, ALLE Haushalte würden zurückschrauben müssen.

DIE GELDER FÜR DIE KRIEGSVORBEREITUNG WERDEN JEDOCH NICHT UM EINEN PFENNIG BESCHNITTEN.

Kriegsminister SCHMIDT hat, wie die Süddeutsche Zeitung (SZ) schreibt, die 'erwogene Kürzung mit Erfolg abgewehrt'. Schmidt hatte auf der Haushaltssitzung der Bundesregierung am 25.2. seinen Kumpanen ins Gedächtnis gerufen, dass sie ihre eigenen imperialistischen Ziele und Aufgaben nicht vergessen dürften und drohte mit Rücktritt:

'WENN IHR DIESE KÜRZUNG BESCHLIESST, MUSS ICH EINIGE DIVISIONEN AUFLÖSEN.

DANN SACKT DIE UNTERSTÜTZUNG DER OSTPOLITIK DURCH UNSERE WESTLICHEN VERBÜNDETEN ZUSAMMEN'.

Und:

'ICH BIN IN DER NATO MIT LÄNGERFRISTIGEN VERPFLICHTUNGEN IM WORT'.“ (77)

Dieses “Reformprogramm” bestehe nach dem ZB als „Ungeheure Verschärfung des LOHNRAUBS durch die Steuerpolitik der SPD-Regierung“. Dass gleichzeitig beim „Kriegsetat keine Kürzungen stattfinden“, würde im Rahmen der „neuen Ostpolitik“ der Sozialdemokratie nur in die „Kriegsvorbereitungen“ führen. Im Bericht „Zur Lage der Nation“, sei diese unter dem Mantel von „Gewaltverzicht und Freizügigkeit“ deutlich genannt. Bereits schon zum 28. 1. meinte der „KND“:

„BERICHT ZUR LAGE DER NATION: SPD BEKRÄFTIGT AGGRESSIVE OSTPOLITIK

Am 28.1. diskutierten die bürgerlichen Parteien im Bundestag über die Ostpolitik der Regierung nach dem Bericht zur Lage der Nation: Eine Parlamentsdebatte, in der die großen Parteien der Bourgeoisie noch einmal die Zusammengehörigkeit von 'friedlicher' Eroberung der Ostgebiete und militärischer Aufrüstung betont haben. Barzel als Sprecher der CDU/CSU stellte die 'Forderungen' der CDU/CSU auf, darunter:

'Konkrete Bausteine für den Weg zu einer europäischen Friedensordnung sind vor allem Gewaltverzicht, Freizügigkeit für Informationen, Meinungen und Menschen, Jugendaustausch, kulturelle, wirtschaftliche und wissenschaftliche Zusammenarbeit ... Denn unser Ziel bleibt, so wie es das Grundgesetz bestimmt, die Einheit Deutschlands in Freiheit zu vollenden. Das deutsche Reich Bismarcks seine Teile den widerstrebenden europäischen Koalitionen entzogen. Der einheitliche Staat war nicht einfach Selbstzweck; er war ein Weg, friedlich in einem Hause zu wohnen und im Frieden mit den europäischen Nachbarn zu leben. Und dies ist das souveräne Recht eines jeden Volkes, selbst zu bestimmen, ob und wie es in seinem Hause zu leben wünscht.' Als Antwort betonten die SPD-Führer ihrerseits den aggressiven, revanchistischen Charakter der SPD-Politik:

Brandt - 'Wir haben den Zusammenhang einer befriedigenden Berlin-Regelung und der Ratifizierung der Verträge immer wieder betont. Und niemand wird uns dabei allerdings davon abhalten können, jeweils das politische und diplomatische Verfahren zu wählen, von dem wir überzeugt sind, dass es am zweckmäßigsten ist.'

Schmidt erklärte zur Ergänzung, dass Ost- und Sicherheitspolitik in einem festen Verhältnis zueinander stehen, 'Entspannungspolitik ist die Fortsetzung der Sicherheitspolitik mit anderen Mitteln'. Die SPD-Regierung muss die Ratifizierung der Verträge erreichen: Otto Wolff von Amerongen, der Leiter der Delegation des westdeutschen Monopolkapitals in der vergangenen Woche in Moskau nach der Reise betont:

'Längerfristige Geschäfte benötigen einen Vertrag als Basis'. Dazu braucht die SPD-Regierung die Unterstützung der CDU/CSU: So betonte Brandt im Anschluss an die Debatte zur Lage der Nation, dass es doch in vielen Punkten Gemeinsamkeiten zwischen dem Standpunkt der Regierung und der CDU gebe; schon vorher hatte der SPD-Pressedienst versucht, CDU-Schröder zur Unterstützung der SPD-Regierung zu gewinnen:

Am 28.1. erklärte der Pressedienst, Schröder habe sich auf dem CDU-Parteitag als 'ernstzunehmender Gesprächspartner nach innen und außen' bestätigt - so wie ihn die SPD-Regierung auch schon nach seiner Moskaureise gelobt hatte.“ (78)

Gegen die Ostpolitik und gegen das Erstarken des Faschismus, auch einer kleinbürgerlichen „faschistischen Massenbewegung“, war auch die Broschüre des KLJVD der KPD/ML gerichtet. „Sozialdemokratie und Sozialfaschismus: Eine Schulungsbroschüre des KJVD“, die im Februar erschien. Die Verfasser schrieben einleitend:

„Diese Broschüre gab das KJ-Inform heraus, um Unklarheiten und Missverständnisse, die über die Linie der KPD/ML und des KJVD zur Sozialdemokratie bestehen, aus dem Weg zu räumen. Die wichtigsten Punkte der Sozialfaschismus-Theorie sind hier kurz und leicht verständlich zusammengefasst.

Die Broschüre gibt Antwort auf eine Reihe von Fragen: Welche Rolle spielt die SPD für die Monopolbourgeoisie? Welche 'Tricks' wenden die SPD-Führer an? Wieso kann man sagen: Die SPD-Führung wird zu einer sozialfaschistischen Clique? Wie betrügen die SPD-Führer die Arbeiterklasse? Hierzu bringt die Broschüre eine Menge Beispiele und Informationen. Die Broschüre ist in enger Anlehnung an den Bolschewik Nr. 6 (vgl. Jan. 1971, d. Vf.), das theoretische Organ der KPD/ML, geschrieben.“ (79)

Die Gefahr einer „kleinbürgerlichen faschistischen Massenbewegung“, aus der sich neue Organisationen der Faschisten bilden könnten, sah das ZB im Monopolkapital, das „auch die Bauern“ ruiniert. Der Bauernprotest, sei daher auch eine „zunehmende Verschärfung der Krise, der zunehmenden Angriffe des Monopolkapitals auch auf die Lage der nichtproletarischen werktätigen Schichten“.

Die KPD/ML-ZB berichtet am 27.2. über eine Bauerndemonstration in Bonn:

„Am 27.2. fand in Bonn die größte Bauerndemonstration seit 1945 statt. Die Verschärfung der Kämpfe der nichtproletarischen werktätigen Schichten ist ein deutliches Zeichen für die zunehmende Verschärfung der Krise, der zunehmenden Angriffe des Monopolkapitals auch auf die Lage der nichtproletarischen werktätigen Schichten. Gleichzeitig zeigt der zunehmende Einfluss der reaktionären und faschistischen Organisationen und Parteien auf die Aktionen der Bauern die Gefahr der Bildung einer kleinbürgerlichen faschistischen Massenbewegung aus den vom Monopolkapital ruinierten Bauern.“

Die Ortsgruppe Bonn des KJVD der KPD/ML-ZB berichtet:

„Am 27.2.1971 haben in Bonn ca. 60 000 Bauern aus der ganzen BRD demonstriert und auf dem Rathausplatz eine zentrale Kundgebung abgehalten. Demonstration und Kundgebung waren vom DEUTSCHEN BAUERNVERBAND (DBV, d. Vf.), DER KLAR CDU- ORIENTIERT IST, ORGANISIERT.

In Gesprächen mit mehreren Bauern wurde klar, dass sehr viel mehr Bauern hätten nach Bonn kommen können, aber der Bauernverband hatte die Zahl der Teilnehmer pro Dorf und Region sowie  die Zahl der Busse genau festgelegt. 1000 Polizisten, gut bewaffnet, standen in Bereitschaft. Von ihren Dörfern waren die Bauern mit sehr unklaren und sehr unterschiedlichen Erwartungen aufgebrochen. In den Bussen sorgten die Funktionäre des Bauernverbandes für die Vereinheitlichung mit folgender Parole: Wir erscheinen auf dem Rathausplatz, hören die Rede von Heeremann, und dann ruhig nach Hause!

Dies entsprach den Erwartungen der wut- und hasserfüllte Bauernmassen keineswegs: Alle, mit denen ich sprach, wären gern zu einem bestimmten Demonstrationsziel gezogen, Ministersitze usw.; DRESCHFLEGEL WURDEN IN MASSEN MITGEFÜHRT UND SCHWARZE FAHNE bestimmten neben den unzähligen, großen, kleinen und kleinsten Transparenten das Bild; laufend wurden Raketen und Knallkörper abgeschossen; auf mehreren Transparenten wurden Forderungen genannt, die über die offizielle Forderung des Bauernverbandes (nach 10% Erhöhung der Agrarpreise) hinausgingen: '10% ist zuwenig' und '20%!'.

In ihrer Gesamtheit war es eine KLAR ANTIKOMMUNISTISCHE VERANSTALTUNG. Die Rede Heeremanns begann, unter großem Beifall, mit einer 'klaren Absage an die radikalen Kräfte von links und rechts'. In der Konkretisierung ging Heeremann jedoch nur auf die Kommunisten ein, die zum einen das große nationale Unglück verursacht hätten, und die zum andern 'unsere Brüder und Schwestern in der DDR in die LPGs gepresst  haben'.

Nichts dagegen sagte CDU-Heeremann gegen das riesige Transparent in seiner Nähe: 'Brandt und Scheel (SPD bzw. FDP, d. Vf.) müssen raus, helfen kann uns nur der Strauß (FJS - CSU, d. Vf.)'. Auch auf den Transparenten wurde nur gegen links geschossen: 'Die Preise machen uns Kummer - doch die Pläne der Jusos sind noch schlimmer'.

Die antikommunistische Hetze war mit einer stark nationalistischen Argumentation verbunden: 'der 'deutsche Bauer', der 'deutsche Bauernstand'. VON DEN DEMONSTRIERENDEN BAUERN SELBST WURDEN ALLEN BÜRGERLICHEN PARTEIEN ABSAGEN ERTEILT, es wurden auf den Transparenten kaum Unterschiede zwischen CDU und SPD gemacht: 'Kiesinger, Scheel, Brandt - Totengräber am deutschen Bauernstand'.

Einzig die FDP hat in Ansätzen noch Sympathie bei den Bauern: Ein 20jähriger Landwirt erzählte mir, dass er zuerst in der DKP gewesen sei, dann aber aus Enttäuschung über die DKP ausgetreten und in die FDP eingetreten sei (mit der würde man aber auch nicht weiter kommen). Der größte Hass der Bauernmassen richtet sich GEGEN DIE EWG, die ihnen vor allem durch Sicco Mansholt verkörpert ist. Bei jeder Nennung seines Namens gab es minutenlangen Protest. Auf den Transparenten hieß es:

Es ist klar, dass die laute Begeisterung und Zustimmung bei der Rede Heeremanns nicht bedeutet, dass die Forderungen und die Politik des Bauernverbandes der wirkliche politische Ausdruck der sich laufend weiterverschärfenden Situation der Bauern ist. Auf den Transparenten herrschte bei weitem die ausweglose Resignation vor:

Zeichen einer apolitischen Radikalisierung waren die schwarzen Fahnen, die teilweise mit Pflügen und Schwertern bestickt waren, die Bilder und Parolen des Sterbens und Aufhängens, die mitgeführten Särge, die ausgegrabenen Pflastersteine, die weitergegeben werden sollten usw. Ein junger Bauer sagte: wenn die Bauern heute mehr an Zahl wären, dann wären schon wie in der französischen Revolution Köpfe gerollt!

Nur in einigen Parolen zeigte sich in Ansätzen die Forderung nach dem Kampf gegen das Monopolkapital und der Einheit von Arbeitern und Bauern, ohne dass sie in politischen Forderungen formuliert wurde:

Die D'K'P (DKP, d.Vf.) hat auf der Bonner Demonstration über 26 000 Exemplare ihrer 'Landrevue' und ihres Bauernprogramms verteilt. Gerade in ihren Forderungen zur Verbesserung der Lage der Bauern erweist sich die D'K'P als durch und durch sozialdemokratische Partei und feste Stütze der rechten SPD-Führer.“ (80)

  

19. Die Bergbautarifrunde im Frühjahr 1971

Neben vielen anderen Kampagnen des Zentralbüros, hatte die Bergbautarifrunde im Frühjahr 1971 eine besondere Bedeutung. Erstmals entwickelte das ZB eine konkrete Planung, um vor den Zechen im Ruhrgebiet ideologischen Einfluss zu nehmen, Im „Arbeitsplan für April und Mai 1971“ und im „Vorbereitungsschreiben zur Bergbautarifrunde der IGBE“ hieß es dazu:

„Unser politisches Ziel in der Bergbautarifrunde ist, der Sozialdemokratie empfindliche Schläge zu versetzen und in möglicherweise ausbrechenden Kämpfen ideologisch einen entscheidenden Einfluss zu erringen. Unser organisatorisches Ziel ist es, die fortgeschrittensten Kollegen für die Partei bzw. den Jugendverband zu gewinnen, die bisherigen BGs zu stärken und gezielt neue BGs aufzubauen. Falls offene Kämpfe ausbrechen oder eine erhebliche Verschärfung (wie z. B. 1966) kommt, werden wir nach einem genauen Plan durch zentrale oder lokale Flugblätter durch gezielte Kontaktarbeit die Grundlagen für BG's an einzelnen weiteren Zechen legen. Der politische Kampf muss in Verfolgung der allgemeinen Parteilinie auf das SPD-Lohndiktat gerichtet werden. Darum: Kampf dem SPD-Lohndiktat - Im gemeinsamen Kampf sind wir stark. Unseren politischen Hauptstoß richten wir dabei gegen die Betrugspolitik der rechten Gewerkschaftsführer und das Komplott. Wir müssen diesen Kampf mit dem Kampf gegen die Abwälzung der Krisenfolgen verbinden.“ (1)

Bereits sehr früh, vermutlich Anfang März 1971, berichtete der KJVD davon, dass „Tarifverhandlungen im Bergbau“ anstehen.

„TARIFVERHANDLUNGEN IM BERGBAU STEHEN AN

NUR ORGANISIERT KÖNNEN WIR ERFOLGREICH KÄMPFEN.

Thyssen Boss Soll, Vorstandsmitglied der Ruhrkohle AG, fordert die Stillegung von sechs Zechen und einen Lohnstop für die Kumpel. Die Bergbau AG Oberhausen, die ebenfalls der Ruhrkohle AG angehört, plant die 'Rationalisierung' der Übertagebetriebe: 1 000 Kollegen sollen entlassen werden. Die bedingt arbeitsfähigen Kumpel sollen teilweise entlassen oder 'umgeschult' werden. Bisher wurden die, die unter Tage nicht mehr weiterarbeiten konnten, weil sie bei der harten Arbeit ihre Gesundheit ruiniert hatten, in die Übertagebetriebe übernommen.

BERICHT DER JUGENDBETRIEBSGRUPPE PROSPER

'Auch auf der Zentralwerkstatt der Zeche Prosper in Bottrop, die zur Ruhrkohle AG gehört, bekommen die Jungarbeiter und Lehrlinge die beginnende Krise zu spüren. Die Bosse der Bergbau AG Oberhausen wollen die Übertagebetriebe 'rationalisieren'. Auf der Zentralwerkstatt wird davon gesprochen, dass die ZW aufgelöst oder zur Bergbau AG Gelsenkirchen geschlagen werden soll. Die Lehrwerkstatt soll bleiben. Gleichzeitig wird geplant, einige ältere Kollegen, die bisher z. T. noch nie etwas mit unserer Ausbildung zu tun hatten, zu 'nebenberuflichen Ausbildern' zu machen. Das kann doch nur eins heißen: die kleineren Reparaturen, die bisher von den Arbeitern in der Zentralwerkstatt erledigt wurden, sollen jetzt von den Lehrlingen in der Lehrwerkstatt gemacht werden. Die 'nebenberuflichen Ausbilder' sollen die Lehrlinge bei der Produktion beaufsichtigen.

Die Ruhrbosse wollen in der beginnenden Krise ihre Profite sichern und die Lehrlinge noch mehr als bisher als billige Arbeitskräfte einsetzen.

Obwohl diese Anzeichen deutlich sind und seit einiger Zeit das Krisenprogramm der Bergbau AG Oberhausen bekannt ist, war weder auf der Belegschaftsversammlung noch auf der Jugendversammlung etwas davon zu hören.' Nur der 'Hobel', die Betriebszeitung der KPD/ML und des KJVD für Prosper, hat die Angriffe der Kapitalisten auf die Lage der Arbeiter, Jungarbeiter und Lehrlinge beim Namen genannt. Auf der Jugendseite schreiben die Genossen: 'Viel häufiger als in den letzten Jahren sind jetzt die Versuche, Schlosserlehrlinge zu Bergjungarbeitern zu machen. Und unter Tage merken wir immer mehr die Krise. Je mehr die Kollegen 'eingespart' werden, desto mehr werden wir zur produktiven Arbeit eingesetzt und müssen sie allein machen, z. B. wochenlang mauern, Rinnen abbauen usw. Gerade jetzt in der beginnenden Krise werden immer mehr Lehrlinge in die Produktion eingespannt, die Lehrlingslöhne aber nicht erhöht, sondern bei einigen sogar verringert. Diejenigen von uns, die im ersten Lehrjahr sind, mussten schon diese Erfahrung machen. Ihre Löhne sind um 200 DM und mehr niedriger als die Lehrlingslöhne vor der Gründung der RAG. DAS IST ALSO DIE POLITIK DER RAG-BOSSE: Soviel wie möglich aus den Lehrlingen herausholen, die Lehrlingslöhne aber so niedrig wie möglich halten'.

Kein Wunder, dass die Ruhrkohle-Herren mit allen Mitteln versuchen, diese billigen Arbeitskräfte zu behalten. Die Lehrlinge des vierten Lehrjahres der Elektriker sollten ihre theoretische Facharbeiterprüfung wiederholen, weil angeblich nicht alles in Ordnung war.

15 von ihnen hatten diese Prüfung mit 1, sechs mit 2 bestanden. Doch die Lehrlinge ließen sich nicht einschüchtern. Sie verweigerten geschlossen, die theoretische Prüfung noch einmal zu machen. Da konnten die Bosse nichts machen. Die theoretische Prüfung wurde nicht wiederholt. Aber die Ruhrkohle-Herren haben auch schon einen Plan in der Tasche, wie sie noch 'billiger' an ihren Profit kommen können. Auch im Ruhrbergbau wird die Einführung des Stufenplans vorbereitet. Ein Zeichen dafür ist, dass immer mehr Schlosserlehrlinge in den Pütt geschickt werden. Ein anderes Zeichen ist eine neue Erfindung der Ruhrkohlekapitalisten: seit einiger Zeit werden in der Lehrwerkstatt die Zensuren öffentlich ausgehängt und die Noten durch Farbunterschiede gekennzeichnet.

Von dieser Tafel bis zur Einführung von Zwischenprüfungen, nach denen den Lehrlingen dann erklärt wird, dass sie für eine weitere Ausbildung nicht mehr taugen, ist es nicht weit. Die Kapitalisten können dann die weiteren Ausbildungskosten für sie sparen und sie als billige Arbeitskräfte unter Tage nach Strich und Faden ausbeuten.

Dieser Plan, der mit der Zustimmung der SPD-Führer und der Vertreter der Gewerkschaften im Bundestags ausdrücklich im Berufsausbildungsgesetz (BbiG, d. Vf.) verankert wurde, hat aber für die Kapitalisten noch einen weiteren Vorteil. Nichts kann ihnen so gefährlich werden, wie ein einiger Kampf der Jungarbeiter und Lehrlinge gegen die Angriffe der Kapitalisten. Darum setzen sie alles daran, die Lehrlinge untereinander zu spalten.

Schon heute beträgt der Unterschied zwischen den Löhnen der Berglehrlinge und denen der Elektriker- und Schlosserlehrlinge rund 200 DM, die Lehrlinge der verschiedenen Lehrjahre bekommen unterschiedlich viel Geld, mit dem öffentlichen Aushängen der Noten und später mit dem Stufenplan soll die Konkurrenz unter den Lehrlingen noch verschärft werden.

Gegen die verschärfte Arbeitshetze auch unter den Lehrlingen, gegen die Folgen der Krise aber können sich die Lehrlinge und Jungarbeiter nur wehren, wenn sie einig sind und ihren Kampf mit dem der älteren Kollegen verbinden.

Darum schreibt der 'Hobel': 'Wir müssen uns gegen die Krisenangriffe der Kapitalisten ORGANISIERT zur Wehr setzen. Wir müssen in der Tarifrunde geschlossen für die Absicherung unserer Lage kämpfen.

Organisieren wir uns deshalb im KJVD. Nur gemeinsam mit den älteren Kollegen können wir unsere Forderungen durchsetzen. Deswegen müssen unsere Löhne auch fest mit denen der älteren Kollegen verbunden werden, deswegen brauchen wir den Prozenttarif.' Nach dem Grundsatz gleicher Lohn für gleiche Arbeit muss es darum heißen:

100% des Effektivlohns für die Arbeit in der Produktion!
60% des Tariflohnes für die Zeit, in der wir über Tage ausgebildet werden.
80% des Tariflohns für die Zeit, in der wir unter Tage ausgebildet werden.
Wegfall der Altersabschläge für Jungarbeiter.
Das sind die Forderungen, für die es sich lohnt, zu kämpfen.“ (2)

Die Stilllegung von Zechen im Ruhrgebiet war seit der Krise 1966/67 ein zentrales Thema. Die seit Ende der fünfziger Jahre offenbar werdenden Strukturkrisen trafen den bürgerlichen Staat ohne jede Vorwarnung. Und die sozialdemokratische Regierungsbeteiligung im Rahmen der ‚Großen Koalition’ lähmte zusätzlich. Die häufigsten Konfliktsituationen war der Angriff der Kapitalisten auf übertarifliche Löhne und Sozialleistungen. Die Gewerkschaftsführung vermied zusätzlich jede Konfrontation mit der SPD und wich ihr aus. Und sie erzeugte erhebliche Irritationen bis hin zu Verbreitung sozialpartnerschaftlicher Illusionen über den Kapitalismus. Die Belegschaften versuchten, sich gegen Stillegungen, Entlassungen, Kurzarbeit und Akkordkürzungen zur Wehr zu setzen.

Von besonderer Bedeutung, dies allerdings im lokalen Rahmen, waren Protestdemonstrationen und betriebliche Aktionen der Bergarbeiter an der Ruhr im Mai und Oktober 1967. Aktionen gegen fortlaufende Stillegungen von Kohlegruben gab es auf der Hoag in Oberhausen, auf der Schachtanlage Hansa und Pluto in Dortmund (Huckarde). Die damaligen Losungen gipfelten in den Parolen: „Kühn und Schiller - Zechenkiller“.

Im September 1969 hatten Streikaktionen in der Stahl- und Metallindustrie auch auf den Kohlebergbau übergegriffen.

Am 6.9.1969 legte ein Teil der Arbeiter des Steinkohlereviers an der Saar die Arbeit nieder. Im Sommer 1969 waren insgesamt 6 Gruben in den Streik mit einbezogen: Reden, Camphausen, Luisenthal, Göttelborn, Warndt und Ensdorf. Am 9.9.1969 legten die Ruhrbergarbeiter die Arbeit nieder. Auf fünf Dortmunder Zechen der Ruhrkohle AG (Fürst Hardenberg, Minister Stein, Germania, Zollern I und Hansa) kam es zu Protest- und Streikaktionen. Zu diesem Zeitpunkt liefen bereits die Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und der IG Bergbau. Als Ergebnis konnte allenfalls Unzufriedenheit mit den erzielten Tarifabsprachen festgehalten werden (im wesentlichen 3,50 DM mehr pro Schicht).

Die Probleme waren indes nicht ausgestanden. Als am 30. Juni 1971 der Aufsichtsrat der Ruhrkohle AG tagte, war klar, dass weitere Rationalisierungsmaßnahmen (Zechenstilllegungen) nur noch eine Frage der Zeit waren. Bis 1980 sollten rund 20 Zechen an Rhein und Ruhr stillgelegt werden. Das waren zunächst Katharina in Essen, Emscher-Lippe in Datteln und Hannover Hannibal in Bochum Zuvor wurde schon Graf Bismarck in Gelsenkirchen (September 1966) endgültig abgeteuft.

Das ZB stellte in der „Roten Fahne“ damals fest, dass es hierbei um einen „Stillegungskomplott von Zechenherren, SPD-Regierung und Gewerkschaftsführern“ ginge. (3) Dieses Komplott, so das ZB, war auch einmal mehr an der neuen Lohn- und Gedingeordnung im Bergbau abzulesen.

Am 1.3.1971 meinte die DKP-Betriebsgruppe des Verbundwerkes Gneisenau in Dortmund in ihrer Betriebszeitung „Signal“, die erstmalig erschien.

„LIEBE KOLLEGEN!

Diese Betriebszeitung ist ehrlich, sie hat nicht - wie die Unternehmerpresse - in ihrem Titel 'überparteilich' oder 'unabhängig' stehen.

Wir sagen offen: Diese Betriebszeitung ist parteilich. Sie ergreift Partei für die Arbeiter und ihre Interessen, gegen die Kohlenbosse und ihre Profitsucht. Wir denken, das ist notwendig.

Wir sind auch nicht unabhängig. Im Gegenteil, wir sind abhängig von Eurer Mitarbeit, von Eurer Kritik, von Euren Vorschlägen.

Unsere Bitte: Arbeitet mit, sagt uns, wo es Missstände und ungerechte Behandlung im Betrieb gibt, wo etwas faul ist.

Wir werden kein Blatt vor den Mund nehmen. Und sagt uns Eure Meinung zu unserer Zeitung, kritisiert. Nur so kann sie immer besser werden. Sprecht mit den Euch bekannten Kommunisten auf der Zeche oder schreibt an den Verantwortlichen dieser Zeitung ... Wir hoffen auf gute Zusammenarbeit.

KAMPFWÜTIGE UNTERNEHMER.

Der Lohntarif wird zum 31. Mai gekündigt. Jetzt ist es an der Zeit, Forderungen anzumelden. Die Unternehmer möchten es heiß. Nach Aussage des Präsidenten der Arbeitgeberverbände soll es den Herren 'auf einen Streik nicht ankommen'.

Der Ruhrkohle-Chef Kuhnke posaunte, dass den Bergarbeitern 'jede Lohnführerrolle hinsichtlich der laufenden Lohnsteigerungsraten' abzusprechen sei. Wir kennen das Gezeter vor jeder fälligen Lohnerhöhung. Wir bekamen nie etwas geschenkt. Das Geschwätz von der 'Harmonie' verstummt jetzt wieder. In der Tat gab und gibt es die Harmonie von Kapital und Arbeit nicht. Der hohe Organisationsgrad der Bergarbeiter in der Gewerkschaft ist ja nicht von Pappe, wenn er richtig genutzt wird, werden die Herren zahlen. Ohne Arbeiter können sie keine Kohlen und keinen Gewinn einstreichen, aber auf beides sind sie angewiesen.

DIE RUHRKOHLE AG MACHTE IHREN GEWINN.

Angeblich hatte sie im Jahre 1969 einen Verlust von 200 Mio. DM zu verzeichnen. Tatsache ist, dass den Konzernen im Jahre 1969 schon 200 Mio. DM an Altschulden gezahlt wurden. Dazu kamen weitere 185 Mio. für die Verzinsung und Rückzahlung der sogenannten 'Einbringungsforderung' von bekanntlich 2,1 Mrd. DM. Außerdem wurden 120 Mio. DM an weiteren Zinszahlungen aufgebracht. Zusammen sind das 505 Mio. DM. Selbst wenn man die angeblichen Verluste in Abzug bringt, verbleiben immer noch 305 Mio. DM und das auf ein Aktienkapital von nur 535 Mio. DM. Natürlich kosten Bankkredite Zinsen, doch ALLE DIESE BETRÄGE KOMMEN NIRGENDWO ANDERS HER ALS AUS DER PRODUKTION, AUS DEN ERTRÄGEN DER KOHLEFÖRDERUNG.

Und das trotz des Geschäftes, das die Stahlkonzerne mit dem Koks und der Kohle machten, weil sie weit unter Preis zahlten. Fragt man sich, wie das möglich ist, muss man wissen, dass die Stahlkonzerne die Ruhrkohle AG zu über 60% besitzen und den Preis diktieren. Das möchten sie bei den Löhnen auch können. Gerade deshalb ist die Lohnrunde besser denn je vorzubereiten.

ZIELPROJEKTION DES DGB - Orientierung für die Bergarbeiter.

1970 forderte der DGB eine Erhöhung der Löhne und Gehälter um 14, 3% Brutto. Im Schnitt wurden in der Industrie 12% von den Arbeitern durchgesetzt. Im Bergbau gab es ganze 7,75%.

Davon gingen durch Preiswucher und Steuererhöhungen 6, 4% wieder verlustig. Real blieben ganze 1,35% für den Bergmann. Für 1971 fordert der DGB: 10,5% Brutto. Zugleich wird betont, dass alle jene Zweige einen Nachholbedarf anzumelden haben, die unter 10% abschlossen.

Für den Bergmann bleibt die Überlegung, zu den 10, 5% den Verlust der 6, 4% zu setzen. Allein aus dieser Überlegung ist eine Forderung unter 15% völlig abwegig, wenn man nur die Kaufkraft des letzten Jahres erhalten will und nicht mehr.

TALFAHRT DER LÖHNE IM BERGBAU STOPPEN!

In der offiziellen Statistik des Landes NRW werden 32 Industriegruppen aufgeführt. Dabei liegen die Bergarbeiter an 20. Stelle!

Ohne die Prämien hinzurechnen, lägen sie sogar auf Platz 26! Das ist das Bild der prophezeiten 'goldenen siebziger Jahre' für den Bergmann ...

'VERLUST' BEI GNEISENAU? KLAGELIED MIT FALSCHEN TÖNEN

So wie in der großen Ruhrkohle AG wird es auch in der kleineren Einheit gemacht. Auch im Verbundwerk Gneisenau spricht man jetzt von Verlusten im letzten Jahr.

Um 40 Millionen DM soll es sich dabei handeln. Aber auch hier sollte man sich diese angeblichen Verluste genauer betrachten. Die Altgesellschaften haben vor ihrem Eintritt in die Ruhrkohle AG nur noch sehr wenig für die Neubeschaffung von Material und für Vorrichtung getan - sie haben das Geld einfach eingespart. - dafür musste jetzt viel Kapital eingesetzt werden, und prompt sprechen die Bosse von 'Verlusten'.

Aber auch die Bauarbeiten im Verwaltungsgebäude Gneisenau sowie viele Privatarbeiten durch den Betrieb bei gehobenen Angestellten lassen nicht gerade auf einen Verlust schließen.

Solange der deutsche Bergbau besteht, hört man das Klagelied der Kohlenbosse über den 'unrentablen Bergbau' und über 'erlittene Verluste'. Und eine Strophe wird immer angehängt: Größere Anstrengungen seien nötig und es müsse gespart werden.

Wer soll sich mehr anstrengen, wer soll sparen? Gemeint war damit immer: Leistungssteigerung bei den Belegschaften und Lohndruck. Von den profitorientierten Unternehmern ist da nichts anderes zu erwarten. Sie wollen auf Kosten der Lohnsumme ihre Gewinne weiter erhöhen.

Wir Kumpel sollten den Unternehmern mal ein anderes Lied singen: Leistungssteigerung bei den Bossen, sparen bei den Gewinnen. Lohnerhöhungen auf Kosten der Gewinnen ohne Preissteigerungen - das sollte unsere Parole sein.

SO WIRD DIE SCHICHTZEIT VERLÄNGERT

Bisher fuhren die Belegschaftsmitglieder, die auf der Zeche Scharnhorst geführt werden und ihren Arbeitsplatz auf dem Schacht Kurl III haben, bei Schichtbeginn mit Schwarzbussen zum Schacht und kehrten mit Schichtende zur Zeche zurück.

Jetzt wird auf dem Schacht Kurl III eine neue Waschkaue in Betrieb genommen. Das hätte Vorteile wird gesagt. Fragt sich nur: Vorteile für wen? Jetzt sollen die Kumpel bei Schichtbeginn auf Kurl III sein und anfahren. Das bedeutet eine Verlängerung der bisherigen Produktionszeit um ein Fünftel bis ein Sechstel und damit selbstverständlich eine Erhöhung der Förderleistung pro Schicht. Alles aber auf Kosten des Kumpel. Er muss nämlich die Belastung des längeren Anfahrtsweges auf sich nehmen, obwohl er ursprünglich auf der Zeche Scharnhorst angelegt wurde. Der Betriebsrat sollte sich möglichst schnell der Sache annehmen, damit nicht nur die Aktionäre, sondern auch die Kumpel von der Rationalisierung durch die neue Waschkaue Vorteile haben.“ (4)

Die „Talfahrt der Löhne im Bergbau stoppen“ wollte eigentlich auch die IGBE. Sie berichtete am 1.3.1971 in ihrem Organ „Einheit“:

„Unabhängig von den Tarifverhandlungen mit dem Bergbauunternehmen hat IGBE-Vorsitzender Adolf Schmidt auf einer Belegschaftsversammlung der Zeche Waltrop (Kreis Recklinghausen) in diesen Tagen angekündigt, dass die IGBE eine angemessene Erhöhung der vom Bund gezahlten Bergmannsprämie fordert. Entsprechende Kontakt- und Informationsgespräche hat der IGBE-Vorstand bereits mit einer Reihe von Politikern in Bund und Ländern geführt.“ (5)

Vor der Möglichkeit, vorzeitig beim Lohn „verraten zu werden“, warnte das ZB am 2.3.1971 im „KND“. Formuliert wurde dort:

„Die KPD/ML-ZB kündigte am 24. 2. 1971 an:

TARIFVERHANDLUNGEN DER IGBE.

Am 2./3. März werden sich die IGBE-Führer zum dritten Mal mit den Kapitalisten treffen und wahrscheinlich die neuen Lohn- und Gehaltstarife abschließen. Die alten Tarife sind zum 30. April kündbar. Dieser üble Verrat der rechten Gewerkschaftsführer ist von langer Hand vorbereitet:

Sie haben sich bereits seit Anfang des Jahres 'unter Ausschluss der Öffentlichkeit' mit den Kapitalisten getroffen, und mit ihnen über die neuen Lohntarife verhandelt. Dabei haben sie bis jetzt noch keine konkreten Prozentzahlen genannt, sondern lediglich erklärt, man werde auf gesamtwirtschaftliche Belange Rücksicht nehmen. Laut Handelsblatt steuert die IGBSE eine Lohnerhöhung an, 'die sich innerhalb der Orientierungsdaten der Bundesregierung, d.h. zwischen 7 und 8% bewegt. Die Zeitung der Kapitalisten lobt denn auch die rechten Gewerkschaftsführer: Die IG Bau Steine Erden verfügt nicht über die Ignoranz wie beispielsweise die Gewerkschaft ÖTV, die die Orientierungsdaten der Bundesregierung einfach für ungültig erklärte.“ (6)

Einen direkten „Lohnraub“ vermutete das ZB ebenfalls in der Konzertierten Aktion. Die am 4.3.1971 stattfindende Sitzung kritisierte der „KND“ mit den Worten:

„KONZERTIERTE AKTION

Der Steuerraub wird durch zunehmenden DIREKTEN LOHNRAUB und STEUERUNABHÄNGIGE PREISERHÖHUNGEN ergänzt. Das wurde auf der Sitzung der sozialfaschistischen Arbeitsgemeinschaft, genannt: 'Konzertierte Aktion', am 4. März noch einmal klar ausgesprochen.

Schiller forderte seine Kollegen, die Kapitalisten und die Gewerkschaftsführer, auf, die 'FORTDAUERNDE VERLETZUNG DER ORIENTIERUNGSDATEN der Bundesregierung' umgehend zu stoppen.

Die von Schiller vorausgesagte Preiserhöhung von 'nur' 3% für den privaten Verbrauch kann, wenn überhaupt, nur dann noch eingehalten werden, wenn Kapitalisten und Gewerkschaftsbonzen in der zweiten Hälfte dieses Jahres JEDE LOHNERHÖHUNG VERHINDERN.“ (7)

Den „Lohn und Preiswucher“ vor der anstehenden Bergbautarifrunde kritisierte die DKP-Betriebsgruppe Hansa in Dortmund in ihren „Informationen“ am 1.3. mit den Worten:

„BESTRAFT WIRD, WER SEINEN LÄNGST FÄLLIGEN LOHN FRÜHER ABHOLT.

Zwischen den Lohnzahlungsterminen Dezember und Januar lagen 35 Kalendertage. Die vier Wochen festliegende Lohnsumme bringt dem Unternehmer, nicht den Arbeitern, Zinsen. Erlaubt sich nun der Arbeiter, der seinen Lohn dringend benötigt, ihn EINEN TAG FRÜHER als angewiesen von der Bank zu holen, muss er Überzugszinsen' zahlen! Pro Tag 2 DM und mehr, je nach Höhe. Das auf alle umgelegt, die den Lohn früher brauchen, bringt nochmals was ein.

Den Lohn gibt es nach mehr als 30 Kalendertagen; denn bekanntlich lebt man ja nicht nur an Arbeitstagen. DIE FORDERUNGEN DER UNTERNEHMER werden hingegen im voraus gezahlt, so DIE MIETE im voraus für den laufenden Monat, DEN STROM im voraus für ein Quartal oder zumindest für die Hälfte des Zeitraumes. Wenn es um die Einholung der Forderungen geht, kann man - wenn es um die Lohntermine geht, kann man nicht. Es ist an der Zeit, die Zahlungstermine zu verkürzen, schon weil die Teuerung immer mehr von dem auffrisst, was wir verdienen.

PREISWUCHER '71.

Alle Bereiche erhöhen die Preise. So auch wieder die KFZ-Versicherungen, obschon sie erst vor wenigen Wochen erhöht wurden. Die Versicherungskonzerne diktieren und die Regierung stimmt zu. Was soll es schon, wenn Herr Schiller 'kritisiert'; damit hat er noch nichts gegen die Konzerne getan.“ (8)

In diesem Zusammenhang hatten anstehende Steuererhöhungen für das ZB eine zu gewichtende Bedeutung. „Steuererhöhungen und Lohndiktat“ waren daher in der anstehenden Bergbautarifrunde gleichzusetzen mit einer Plünderungspolitik, der die Arbeiter und Angestellten ausgesetzt waren.

Am 4.3. meinte das ZB über den „KND“:

„REFORMEN' DER SPD-REGIERUNG: STEUERERHÖHUNGEN, LOHNDIKTAT UND MILITARISMUS.

BRANDT: STEUERERHÖHUNGEN.

Am 25.2. hatten die Finanzexperten der SPD-Regierung erklärt, die Lage des Staatshaushaltes erfordere Einsparungen im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung von insgesamt 33 Mrd. DM ... Im zweiten deutschen Fernsehen am 4. 3. und im Rundfunk am 5. 3. nahm BRANDT Stellung zu den Fragen, welche Folgen das für Steuern und 'Reformprogramm' haben wird: 'DIE IN DER REGIERUNGSERKLRUNG ANGEKÜNDIGTEN REFORMEN KÖNNEN DURCHGEFÜHRT WERDEN UND SIND FINANZIELL ABGESICHERT.'

Doch er schränkte gleich ein: 'Wir kommen mit dem Haushalt 1972 gut hin. WENN wir mit einer zusätzlichen maßvollen KREDITAUFNAHME rechnen können.'

Nur einen Tag später entlarvte er sein Reformversprechen als glatte Lüge: 'WIR KÖNNEN NUR DAS ANFASSEN, WAS GESAMTWIRTSCHAFTLICH ZU VERTRETEN UND FINANZIELL ZU VERKRAFTEN IST.' Wie die Reformen 'gesamtwirtschaftlich vertretbar' und 'finanziell zu verkraften' sind, darüber gaben BRANDT, SCHILLER und MÖLLER klare Auskunft:

1. 'DURCH MASSVOLLE KREDITAUFNAHMEN' (Brandt), also durch weitere Staatsverschuldung. 'Maßvoll' sind die Kreditaufnahmen mit Rücksicht auf die Monopolkapitalisten und deren Kreditwünsche: für eine spätere Phase der Krise brauchen diese Geld zu billigen Zinsen, um den Kapitalexport in die durch die Moskauer und Warschauer Verträge (mit der SU bzw. Polen, d. Vf.) geöffneten Kapitalmärkte in den Ostblockländern unternehmen zu können.

2. DURCH STEUERERHÖHUNGEN, die nach Brandts Aussage 'nicht auszuschließen' sind. Sie sollen 1972 erfolgen ... Im Haushaltsplan gibt die Regierung an, dass 21,8 Mrd DM für die Bundeswehr (für 1971) bereitstehen. Sie verschweigt aber die

Insgesamt gibt die SPD-Regierung in Wahrheit 27, 2 Mrd. DM für ihre imperialistischen Eroberungspläne und Bürgerkriegsvorbereitungen aus: also etwa 27% des Haushalts 1971.“ (9)

Unterdessen meinte die „Einheit“ zu den Löhnen und Gehältern in der Steine- und Erden-Industrie am 5.3.1971:

„STEINE-UND-ERDEN-INDUSTRIE - HÖHERE EINKOMMEN.

Höhere Löhne und Gehälter gibt es in der Steine-und-Erden-Industrie in Rheinlandpfalz. Die IG Bergbau und Energie hat am 5. März 1971 mit dem Unternehmerverband Steine und Erden, Neuwied, neue Lohn- und Gehaltstarifverträge und eine Tarifvereinbarung über vermögenswirksame Leistungen abgeschlossen. Vereinbart wurden Stundenlohnerhöhungen zwischen 48 und 50 Pfennig pro Stunde. Die Gehälter wurden vorweg angehoben. Auf die neu ermittelten Gehaltssätze gab es dann eine Erhöhung von 8 Prozent. Die neuen Tarifverträge gelten ab 1. April. An vermögenswirksamen Leistungen werden ab 1.September 1971 für jeden Arbeitnehmer 26 DM gezahlt. Diese Tarifvereinbarung kann erstmals zum 31. März 1976 gekündigt werden.“ (10)

IGBE-Führer SCHMIDT, so der „KND“, meinte zu den Tarifverhandlungen am 8.3.: „Vorsitzender Schmidt zu den Forderungen: 'Wir brauchen für unsere Mitglieder 1971 mehr als alle anderen Wirtschaftszweige.“ Der KJVD der KPD/ML-ZB (vgl. Mai 1971) berichtet: „Wir brauchen mehr als alle anderen', hatte der IGBE-Führer Schmidt noch im März gesagt.“ (11)

Es war nicht nur die neue Lohn- und Gedingeordnung, die für Furore sorgten. Der „RAG Gesprächskreise“, der zu dieser Zeit eingerichtet worden war, hatte sich zur Aufgabe gesetzt, in den anstehenden Tarifverhandlungen, eine, wie das ZB schrieb, „Radikalisierung de Arbeiter zu verhindern“. Der „KND“ führte dazu am 8. 3. aus:

„RAG-GESPRÄCHSKREISE.

In der letzten Woche haben sich der Aufsichtsrat und der Vorstand der RAG im Streit um die leitenden Angestellten (...) geeinigt. Noch vor der für Samstag angesetzten Sondersitzung des Aufsichtsrats (die von den Gesamtbetriebsräten gefordert worden war) trafen sich der Aufsichtsratsvorsitzende Kemper, sein Stellvertreter, der IGBE-Chef Schmidt, der Vorstandsvorsitzende Kuhnke und der 21. 'neutrale' Mann im Aufsichtsrat, der Vorstandsvorsitzende der Westdeutschen Landesbank Ludwig Poullain. Die im Anschluss an dieses Treffen veröffentlichte Erklärung besagt, dass die Vertretung der Belegschaftsmitglieder im Rahmen des BVG nur durch den Betriebsrat erfolgen darf. In Punkt 3 der Erklärung heißt es jedoch wörtlich: 'Allen Beschäftigten ist in geeigneter Weise die Möglichkeit zu schaffen, am Prozess der Meinungsbildung teilzunehmen.'

Der Finanzkapitalist Poullain erklärte dazu, diese Formulierung spreche keinesfalls gegen die Einrichtung von Gesprächskreisen oder anderen 'Beratungsorganen'. Er sagt sogar deutlich, worauf es bei der schnell erzielten Einigung ankam: 'Meines Erachtens kam es darauf an, keine Sieger und Besiegten auf dem Feld zurückzulassen, sondern Vorstand, Betriebsrat und Gewerkschaft wieder in ein Glied zu stellen, um die gegenwärtig vorrangigen schwierigen Aufgaben der Gesellschaft zu meistern.' Warum diese Einheit von Vorstand, Betriebsrat und Gewerkschaft im Moment so wichtig ist, ist klar: die zunehmenden Auswirkungen der Krise im Bergbau (...) treiben die Radikalisierung der Bergarbeiter voran; sie werden besonders in den anstehenden Tarifverhandlungen für ihre berechtigten Forderungen kämpfen.

Die erzielte Einigung wird auch die vorhandenen Widersprüche zwischen Gewerkschaftsführern und den Betriebsräten nicht verkleinern, da auch IGBE-Schmidt gleich nach dem Treffen betonte, dass damit keineswegs den Gesprächskreisen endgültig ein Riegel vorgeschoben sei. Er sagte: 'Der Kompromiss, den wir bei der Ruhrkohle ausgehandelt haben, verbietet dem Vorstand keineswegs, mit Teilen der Belegschaft zu reden. Wir wären ja töricht, wenn wir zusätzliche Informationen und eine stärkere Beteiligung der Arbeitnehmer am Entscheidungsprozess ablehnten'.

Unsere Einschätzung muss insofern korrigiert werden, als es sich nicht in erster Linie um einen Konkurrenzkampf zwischen Gewerkschaftsführern und Kapitalisten handelt, sondern zwischen Gewerkschaftsführern und ihren bisherigen sozialen Trägern, den Arbeiteraristokraten im Betriebsrat, die durch die eigenständigen Gesprächskreise ihren Einflussbereich eingeschränkt sehen.

Die Gewerkschaftsführer aber sind an dieser Einrichtung interessiert, um damit die leitenden Angestellten zu ködern. Deshalb hatte Schmidt ja auch selbst die Gesprächskreise vorgeschlagen (...); diesen Vorschlag musste er dann zurückziehen, weil die Betriebsräte dagegen protestierten.“ (12)

Über die konkreten Krisenauswirkungen im Bergbau meinte der „KND“ am 8.3.1971:

„Jetzt wurden bei der BERGBAU AG OBERHAUSEN (die 1/7 der RAG ausmacht) umfangreiche kapitalistische Rationalisierungsmaßnahmen angekündigt. Die Auswirkungen der Krise machen sich hier eher bemerkbar als in den anderen Teilen der RAG, weil die Bergbau AG Oberhausen wirtschaftlich vollkommen abhängig ist von der Stahlindustrie (Thyssen (ATH - IGM-Bereich, d. Vf.). Das Krisenprogramm, das sich offiziell 'Programm zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Bergbau AG Oberhausen' nennt, wurde auf einer Belegschaftsversammlung der Zeche Prosper III/IV zum großen Teil durch geschicktes Fragen in Erfahrung gebracht.

Das Programm enthält folgende Maßnahmen:

1) Streichung der Samstagsschichten

2) Senkung der Sachkosten: d.h. vor allem kein neues Werkzeuge mehr).

3) Entlassungen von 1 000 Kollegen, davon 250 Angestellte; diese relativ hohe Zahl der Angestellten ist ein übler Trick der RAG-Bosse: sie wollen damit die Spaltung vorantreiben und die Arbeitshetze verschärfen; die Angestellten, vor allem die unter Tage, sind hauptsächlich dazu da, die Arbeiter anzutreiben, d. h. ihre Leistung wird danach bemessen, wie gut sie als Antreiber funktionieren.

Dadurch, dass so viele Angestellte auf die Straße gesetzt werden, sehen sie unmittelbar ihren Arbeitsplatz bedroht und werden so die Kollegen noch mehr antreiben. Zusätzlich zu diesen Entlassungen sollen die Übertagebetriebe durchrationalisiert werden. Von Prosper III sollen hier von 580 Kollegen 80 rausgeworfen werden.

4) 0,8 Rentner (das sind Kollegen, die eine verminderte Arbeitsunfähigkeitsrente erhalten, weil sie z.B. einen Schatten auf der Lunge haben) sollen nicht mehr wie bisher automatisch von Untertage nach Übertage übernommen werden.

5) Die 'Fehlschichten' sollen gesenkt werden. Was das bedeutet, zeigt ein Brief der Bergbau AG Herne/Recklinghausen an die Kollegen der Zeche Blumenthal: darin werden alle die Kumpel, die im letzten Jahr öfter krankgefeiert haben, aufgefordert, sich zwecks Verlegung beim Personalbüro zu melden. Der Stempel, die Zeitung der KPD/ML Betriebsgruppe bei Blumenthal sagt ganz klar, was das für die Kumpel bedeutet: 'Verlegung an einen 'geeigneten' Arbeitsplatz! Das bedeutet für uns: weniger Lohn, obwohl wir durch die Krankheit bestimmt nicht weniger Ausgaben haben, weniger Lohn, obwohl durch unverschämte Preissteigerungen unser Geld sowieso immer weniger wird.

Aber das ist noch nicht alles: Dieser 'geeignete Arbeitsplatz' ist für uns nur die letzte Station vor der Entlassung.' Der Betriebsrat von Prosper hat bisher zu diesen üblen Angriffen kein Wort verloren. Mit welcher Demagogie aber die rechten Gewerkschaftsführer versuchen, die Arbeiterklasse ruhig zu halten, zeigt ein Artikel in der Einheit Nr.2 unter der großen Überschrift: 'Das Geschäft mit der Angst'. Darin heißt es: 'Unverantwortlich und skandalös. Das ist das diabolische Gerede von der angeblichen Wirtschaftskrise, in die wir ebenso angeblich in diesem Jahr hineinschlittern sollen. Eine unhaltbare und falsche Behauptung. Nichts stimmt daran ... Die deutsche Wirtschaft ist in ihrem Kern gesund.“ (13)

„Kampf dem Lohndiktat“, eine der zentralen Parolen der KPD/ML-ZB, galt überall. In der Metallindustrie/ Stahlindustrie, in der Chemieindustrie, in der Bergbauindustrie und anderswo. In der „Roten Fahne“ Nr. 5/1971 vom 15.3. führte das ZB aus: „Kampf dem Lohndiktat der SPD-Regierung! Chemie-Tarifrunde 71: Streiks sollen zerschlagen werden." heißt es zur CTR der CPK u.a.:

"Die SPD- Regierung greift im Krisenjahr 1971 immer heftiger die Lage der Arbeiterklasse an. Für die Tarifrunden hat Schiller das Lohndiktat von 7% aufgestellt. Jetzt ist er sogar dazu übergegangen, den Kampf der Arbeiterklasse direkt zu unterbinden. Rechtzeitig vor der im März beginnenden Chemie-Tarifrunde hat das Bundeskartellamt alle Maßnahmen der Chemiekapitalisten gebilligt, Streiks gegen das Lohndiktat zerschlagen zu können.

Direkt weisungsberechtigter Minister des Bundeskartellamtes ist niemand anders als Lohndiktator Schiller. ... Gegen diese Machenschaften von SPD-Regierung, Gewerkschaftsführung und Kapitalistenklasse, gegen die Zerschlagung von Streiks hilft nur eins: Die geschlossene Front der Arbeiterklasse! der solidarische Kampf aller Chemiekollegen! Unsere Forderungen: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit! Garantierter Mindestlohn von 6 DM! 7-Stundentag bei vollem Lohnausgleich! Schluss mit der Schlichtung und den Spitzengesprächen! Weg mit der Lohnraubsteuer! Schluss mit der Aufrüstungspolitik der SPD-Regierung! Keine Steuererhöhungen!“

Weitere Artikel waren:

In „Chemie-Tarifrunde 1971: Kampf dem Lohndiktat der SPD- Regierung“ werden für die CTR folgende Forderungen aufgestellt:

Gleichzeitig wird zum Streik zur Durchsetzung der Forderungen in der anstehenden Chemie-Tarifrunde aufgerufen: „Gegen die Machenschaften von SPD- Regierung, Gewerkschaftsführung und Kapitalistenklasse, gegen die Zerschlagung von Streiks hilft nur eins: Die geschlossene Front der Arbeiterklasse! Der solidarische Kampf aller Chemiekollegen!“ (14) Die „Lohnleitlinien“ und die kommenden Tarifverhandlungen waren am 22.3. auch Thema im „KND“. Dort hieß es:

„SCHILLER UND BRENNER ZU LOHNLEITLINIEN.

Während die Kapitalisten bei ihren Angriffen auf die Arbeiterklasse immer offensiver werden und Thyssen-Boss Sohl vor kurzem sogar schon Lohnstop forderte, intensivieren die SPD-Regierung und die rechten Gewerkschaftsführer ihre demagogischen Manöver und bereiten gleichzeitig neue Angriffe vor. So erklärte Wirtschaftsminister Schiller in der letzten Woche in einem Interview mit der Neuen Ruhr Zeitung: Ich kenne keine Lohnleitlinien! Brenner verkündete Anfang März in einem Interview, die Gewerkschaft lehne Lohnleitlinien entschieden ab und werden die Tarifautonomie 'gegen jedermann und mit allen Mitteln verteidigen.' Jetzt schreibt er in der letzten Nummer der 'Metall' 'Es gibt jedoch gar keinen Anlass, so zu tun, als ob die lohnpolitischen Auseinandersetzungen von Seiten der Gewerkschaften auf die Spitze getrieben würden. Im Gegenteil:

INFOLGE DES NACHLASSENDEN WACHSTUMS WERDEN DIE STEIGERUNGSRATEN DER LÖHNE UND GEHÄLTER IN DIESEM JAHR SOWIESO GERINGER AUSFALLEN'!

Das aber bedeutet nichts anderes als die Verwirklichung des Lohndiktats durch die Hintertür, nämlich mit dem Argument: es sind ja die wirtschaftlichen Verhältnisse! Und in einem Kommentar zu den Tarifverhandlungen in den anderen Branchen, kommt der Verrat der Bonzen noch klarer zum Ausdruck. Dort heißt es wörtlich: 'Es ist geradezu peinlich, wie sehr sich gewisse Kreise bemühen, die Kollegen der Industriegewerkschaft Bau-Steine-Erden (BSE, d. Vf.) als die braven Musterknaben hinzustellen, während andere die bösen Buben sind.

Dabei wird unterschlagen, dass für die 1,3 Mio. gewerblichen Arbeitnehmer des Bauhauptgewerbes 1. Mai nicht nur die tariflichen Stundenlöhne um 7,9% erhöht werden, sondern dass sie gleichzeitig in den Genuss verbesserter vermögenswirksamer Leistungen kommen. Zählt man die Kostenbelastung (!), die sich aus diesem bereits im Dezember abgeschlossenen Tarifvertrag für die Unternehmer ergibt, hinzu, dann ergibt sich eine Einkommensverbesserung von etwa 9,5%!' Vom Lohndiktat der SPD-Regierung schreiben die rechten Gewerkschaftsführer kein Wort.

In einem abschließenden Kommentar heißt es lediglich: 'Dass die Unternehmer jetzt stärksten Druck auf den Bundeswirtschaftsminister ausüben, damit er die Gewerkschaften 'zügelt', ist besonders pikant, wenn man weiß, wie rücksichtslos sie ihre 'Marktchance' zu Preiserhöhungen ausnutzen, wann immer sie sich ihnen bietet.“ (15)

Anfang April 1971 erschien die Nr. 4/1971 des Funktionärsorgans „Der Parteiarbeiter“ der KPD/ML-ZB. Die Ausgabe hatte zum Inhalt:

In dem Vorbereitungsschreiben zur Bergbautarifrunde (BETR) der IGBE hieß es:

„Unser politisches Ziel in der Bergbautarifrunde ist, der Sozialdemokratie empfindliche Schläge zu versetzen und in möglicherweise ausbrechenden Kämpfen ideologisch einen entscheidenden Einfluss zu erringen. Unser organisatorisches Ziel ist es, die fortgeschrittensten Kollegen für die Partei bzw. den Jugendverband zu gewinnen, die bisherigen BGs zu stärken und gezielt neue BGs aufzubauen. Falls offene Kämpfe ausbrechen oder eine erhebliche Verschärfung (wie z.B. 1966) kommt, werden wir nach einem genauen Plan durch zentrale oder lokale Flugblätter durch gezielte Kontaktarbeit die Grundlagen für BG's an einzelnen weiteren Zechen legen. Der politische Kampf muss in Verfolgung der allgemeinen Parteilinie auf das SPD-Lohndiktat gerichtet werden.

Darum: Kampf dem SPD-Lohndiktat - Im gemeinsamen Kampf sind wir stark.

Unseren politischen Hauptstoß richten wir dabei gegen die Betrugspolitik der rechten Gewerkschaftsführer und das Komplott. Wir müssen diesen Kampf mit dem Kampf gegen die Abwälzung der Krisenfolgen verbinden. Losungen sind u.a.:

Im „Arbeitsplan für April und Mai 1971“ wird u.a. ausgeführt:

„Die Aufgaben der Partei in den nächsten zwei Monaten werden durch die Vorbereitung des 1. Mai und die Festigung der Partei bestimmt. Die Vorbereitung und Durchführung des 1. Mai ist dabei die wichtigste Aufgabe der nächsten Zeit.

Nun sind diese Aufgaben geprägt durch die objektive politische Lage, und die Vorbereitung des 1. Mai bedeutet vor allem ein verstärktes Eingreifen in die Kämpfe der Arbeiterklasse. ... Aus der inneren Situation des westdeutschen Imperialismus ergibt sich für die nächsten Monate: Der Kampf gegen das Lohndiktat der SPD-Regierung der Arbeit der Partei.“

Als weitere Kampfaufgaben werden angegeben:

Weiter hieß es: „All diese Aufgaben sind vor allem Bestandteil der 1. Mai Vorbereitung. Die Vorbereitung des 1. Mai muss darauf ausgerichtet sein, die Partei zu stärken. Das ist die wichtigste Aufgabe neben den Kampfaufgaben zum 1. Mai. So muss der Heranführung unserer Sympathisanten an die Partei besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Im Verlaufe der Vorbereitung ist das auch sehr gut möglich. Die Sympathisanten können bei der Vorbereitung und Durchführung eingesetzt werden. Man muss Versammlungen mit ihnen über den 1. Mai durchführen usw. Aber auch unabhängig vom 1. Mai ergeben sich für die Partei und ihre Zentrale in den nächsten Monaten wichtige Aufgaben. Für die Zentrale ergeben sich folgende Aufgaben: Es muss ein Jahresplan erstellt werden.

Zu diesem Zweck hat das ZB drei Planungskonferenzen vorbereitet, wovon die erste auf der die Prinzipien des Parteiaufbaus und die Entwicklung der KPD/ML und die bisherige Entwicklung der programmatischen Arbeit der Partei behandelt wurden, bereits durchgeführt ist. Die beiden anderen Konferenzen werden die bisherige Arbeit der Partei und eine Analyse der politischen Situation sowie die neue Planung zum Thema haben. Die letzte Konferenz findet am 13. Mai statt.“

Festgelegt wurden in dem Arbeitsplan u. a. Erscheinungstermine der „Roten Fahne“, der „Parteiaufbaubroschüre“, des „Parteiarbeiters“ und einer „1. Mai Broschüre“. Der Artikel „Die Entwicklung der KPD/ML zur Arbeiterpartei und unsere Org.-Arbeit" umschrieb die derzeitige Entwicklung der KPD/ML-ZB folgendermaßen:

„Heute stehen wir organisatorisch am Beginn der Entwicklung unserer Partei zur bolschewistischen Arbeiterpartei; wir besitzen dafür sowohl die notwendige politische Einheitlichkeit, als auch die organisatorische Geschlossenheit, als auch, quantitativ gesehen, das Grundgerüst eines nationalen Kaderstamms, der im Zuge der Bundeskontrolle noch zielstrebiger und bewusster auf die wichtigsten Zentren des Proletariats ausgerichtet wurde.

Was vor uns liegt, das ist jetzt die Gewinnung der fortschrittlichsten Arbeiter für unsere Partei, ihre Organisierung in unseren Grundorganisationen, ihre Heranziehung zur praktischen Arbeit, ihre allseitige politische, ideologische und organisatorische Schulung, ihre rasche Befähigung zur Leitungsarbeit in Betriebsgruppen, Ortsgruppen und Landesverbänden, sowie in der Zentrale der Partei - kurz die systematische Verbesserung der sozialen Zusammensetzung der Partei und ihre Verankerung im Industriebereich. Auf diesem Gebiet stehen wir erst am Anfang; hier sind zahlreiche Schwierigkeiten zu überwinden, die aus dem Zustand der bisherigen Kräfte der Partei einerseits und aus den objektiven Bedingungen der westdeutschen Entwicklung der kommunistischen und Arbeiterbewegung andererseits resultieren.

Das ist, kurz zusammengefasst, die organisatorische Lage unserer Partei, und es ist nur folgerichtig, dass sich die führenden Kader aller Ebenen mit der Frage der systematischen Gewinnung von Proletariern für unsere Organisation jetzt immer mehr beschäftigen. Aufgrund der Entwicklung unserer Partei ist es im übrigen auch nicht verwunderlich, dass diese Frage nicht im Handumdrehen gelöst werden kann, sondern dass es hier eine Reihe von Misserfolgen und Rückschlägen gibt, aus denen die Partei lernen muss.“ Zwei generelle Fehlerquellen nennt das ZB hierbei. Zum einen: linke kleinbürgerliche Vorstellungen über die Gewinnung der fortschrittlichen Arbeiter (Theorie und Schulung), zum anderen eine rechte Gefahrenquelle (Nachtrab und das Aufgehen in gewerkschaftlichen Kämpfen).

Im Rahmen der Analyse der gegenwärtigen Bewegung, die das ZB als „Beginn einer Flut der revolutionären Bewegung“ bezeichnet, gehe es jetzt um die „Gewinnung der Vorhut des Proletariats für den Kommunismus“. „Unsere Aufgabe dagegen ist es, an den Kämpfen des Proletariats teilzunehmen und jederzeit politische Klarheit in ihrer Bewegung hineinzutragen. Die Isolierung der sozialdemokratischen Unterdrücker von den Massen und die Gewinnung der fortschrittlichsten Vertreter des Proletariats sind zwei Seiten derselben Sache, sie verlangen die Ausweitung und Vertiefung der Massenagitation, nicht ihre Einschränkung.

Wir müssen es lernen, unsere politische Agitation immer mehr an den täglichen Erfahrungen der Arbeiterklasse festzumachen, die Notwendigkeit der Revolution durch die Aufstellung von revolutionären Teilforderungen jedem Proletarier immer klarer zu machen, den Spalt zwischen den sozialdemokratischen Führern und den Massen in jeder Tagesfrage zu vergrößern. Das ist der Rahmen der Gewinnung von proletarischen Kadern im Verlauf der Bewegung des Klassenkampfes zur Erweiterung unserer Partei. Daraus geht auch klar der Maßstab für die Auswahl und die Stoßrichtung unserer Werbearbeit im Proletariat hervor. Die Entwicklung von Kampfprogrammen für jeden unserer Betriebe, von politischen Kampagnen für die Tagesinteressen der Massen, das sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Kontaktarbeit, für den Inhalt und das Ziel von Hausbesuchen, Sympathisantenversammlungen usw.“ (16)

Wie im „Parteiarbeiter“ ausgeführt, sollte die Bergbautarifrunde zwei Ziele haben:

1. Das politische Ziel, „Der Sozialdemokratie empfindliche Schläge zu versetzen, und „in möglicherweise ausbrechenden Kämpfen ideologisch einen entscheidenden Einfluss zu gewinnen“.

2. Das organisatorische Ziel, „ die fortgeschrittensten Kollegen für die Partei bzw. den Jugendverband zu gewinnen, die bisherigen BGs zu stärken und gezielt neue BGs aufzubauen“.

Die Anfang April erscheinenden „Rundschreiben zur Bergbautarifrunde und zum 1. Mai, zur „revisionistischen Verstaatlichungstheorie am Beispiel der Ruhrkohle AG“, sollten die Mitglieder schulen und die Funktionäre auf diese Tarifrunde besonders ausrichten:

Dazu hieß es im „Parteiarbeiter“: „Diese Papiere müssen wegen der darin behandelten Fragen, die über den Anlass des 1. Mai und der Tarifrunde hinaus von Wichtigkeit sind, besonders geschult werden.“ (17)

In der Zwischenzeit schloss die IGBE in 17 Tarifgebieten „neue Tarifverträge“ ab. Anfang April führte der „KND“ dazu aus:

„KEINE PAUSE.

In den Monaten März und April wurden von der IG Bergbau und Energie in 17 Tarifgebieten neue Tarifverträge abgeschlossen. Die neuen Vereinbarungen gelten für rund 235 000 Beschäftigte im Bergbau. Vereinbart wurden Einkommenserhöhungen zwischen 7,3 und 10,2 Prozent. Daneben gelang es der IG Bergbau und Energie, im Steinkohlenbergbau das Weihnachtsgeld um 100 DM auf 500 DM zu erhöhen. Die Nachtschichtzulage wurde in einigen Tarifbereichen verdoppelt. In anderen Bergbaubereichen wurde die Nachtarbeitszulage um 10 Pfennig pro Stunde angehoben.

Mehr Urlaubsgeld gab es beispielsweise im Baryt- und Flussspatbergbau. Pro Urlaubstag wurde das Urlaubsgeld zwischen 2 und 3 DM pro Urlaubstag aufgestockt. Vermögenswirksame Leistungen wurden in einigen Tarifbereichen erstmals vereinbart. In anderen Bergbaubereichen wurden die bestehenden vermögenswirksamen Leistungen erhöht. Das ist eine breite Palette gewerkschaftlicher Tarifpolitik, die zeigt, dass die IG Bergbau und Energie in der Tarifarbeit keine Pausen kennt.“ (18)

Zum 1.4.1971 wurde bei der Ruhrkohle AG in NRW ein „Entwurf zu einer neuen Lohnordnung für den rheinisch-westfälischen Steinkohlebergbau verfasst“. Der „KND“ schrieb dazu:

„NEUE LOHNGRUPPENORDNUNG IM BERGBAU.

Mit der beginnenden Krise und dem Anwachsen der Klassenkämpfe nehmen die Verrätereien der rechten Gewerkschaftsführer immer mehr zu. Da das langsamere Ansteigen der Produktivitätsrate die Profite der Kapitalisten immer mehr gefährdet, verschärfen diese die kapitalistische Rationalisierung. Dabei helfen ihnen die rechten Gewerkschaftsführer aktiv durch das Aufstellen leistungstreibender Tarifverträge. Ein Beispiel dafür ist der von den IGM-Führern für die Metallindustrie ausgekungelte Tarifvertrag zur Leistungsbewertung für Tariflöhner. Dieser Tarifvertrag war am 7. 9.1970 abgeschlossen worden und wird erst jetzt bekannt!“ (19)

Diese „Machenschaften der IGBE-Führer“, wie der „KND“ schrieb, „wurden von der KPD/ML rechtzeitig enthüllt“. Am 7. und 8.4. verteilten KPD/ML-Betriebsgruppen an einer Reihe von Zechen Extrablätter, in denen der ENTWURF EINER NEUEN LOHNORDNUNG FÜR DEN RHEINISCH-WESTFÄLISCHEN STEINKOHLEBERGBAU vom 1.4.1971 herausgegeben vom Hauptvorstand der IGBE, abgedruckt wurde.

„Seit zehn Jahren verhandeln Zechenherren und IGBE-Führer über eine neue Lohnordnung. Mehrmals hatten sie sich in dieser Zeit ziemlich geeinigt, aber dann aus Angst vor den Bergarbeitern zurückgezogen. So hatten sie z.B. 1969 eine neue Lohnordnung ausgehandelt; als sie jedoch sahen, dass sich die Lage nach den Septemberstreiks nicht so schnell beruhigte, wie sie gehofft hatten, legten sie die Lohnordnung wieder in's Archiv.

Warum soll jetzt eine neue Lohnordnung eingeführt werden? In den Krisenjahren seit 1957 haben Zechenherren und IGBE-Führer die Leistungen im Ruhrbergbau energisch hochgetrieben: von 1958-1968 ist die MS-Leistung (geförderte Kohle pro Mann und Schicht) von 1,6 t auf 3,7 t mehr als verdoppelt worden. In den letzten zwei Jahren ist sie 'nur' bis 3,9t gesteigert worden.

Dies ist hauptsächlich begründet durch die Kürzung aller technischen Investitionen in den letzten Jahren und die starke Überalterung der Bergarbeiter. Die neue Lohnordnung soll jetzt das Mittel sein, mit dem die Produktivität auf Kosten der Bergarbeiter weiter hoch getrieben wird. In der Lohnordnung werden die Lohngruppen eingeteilt. Bisher gab es im Bergbau ein ziemlich solidarisches Lohngruppensystem: die Akkordarbeiter (Gedingeabeiter) waren fast alle in einer einzigen Lohngruppe, für die Zeitlöhner (Schichtlöhner) gab es sieben Lohngruppen - in diesen waren die Handwerker und die Teilrentner eingeteilt. Dabei waren die Lohngruppen so bemessen, dass die alten Kumpel mit ihrer jeweiligen Teilrente (es gibt drei Arten) auf den Facharbeitertariflohn kamen.

Die Forderung nach einer wirklichen Verbesserung der Lohnordnung ist von den Kumpels schon seit einiger Zeit aufgestellt worden, da im Moment einige schwere Mängel bestehen: einmal wird durch die jetzige Lohnordnung der Effektivlohn nicht abgesichert - der Hauertariflohn beträgt 44,18 pro Schicht, der Hauerdurchschnittslohn liegt auf den meisten Zechen zwischen 55 -60 DM; weiter werden im Moment die Handwerker wesentlich schlechter bezahlt als die Hauer und sind auf willkürliche Prämienfestlegungen angewiesen. Die IGBE-Führer wollen mit ihrer neuen Lohnordnung jedoch ganz andere 'Verbesserungen' erreichen.

Sie wollen die Bergarbeiter durch die Bestechung einiger Kollegen spalten, die älteren Kumpel wieder stärker in die Produktionsarbeit einspannen und die fälligen Lohnforderungen drücken.

Dazu verwenden sie folgende Tricks: die Hauer (Facharbeiter) werden in drei Lohngruppen eingeteilt (9 - 11), in der obersten Gruppe sind dabei nicht die, die am härtesten arbeiten, sondern die Aufsichtshauer. Lohngruppen 6 - 8 sind für Teilrentner gedacht, die nach 25 Untertagejahren aus dem Gedinge (Akkord) genommen werden. In diesen Lohngruppen befinden sich jedoch viele Arbeiten, die bisher im Akkord gemacht wurden! Dies hat einen doppelten Zweck: die Hauer, die diese Arbeiten bisher machten, sollen durch den niedrigeren Lohn gezwungen werden, die produktiveren und anstrengenderen Arbeiten der Lohngruppen 9/10 zu machen; die Schichtlöhner sollen jetzt stärker in die direkt produktive Arbeit eingespannt werden.

Ähnliches gilt auch für die zweite Gruppe von Teilrentnern, die 0,8-Rentner, die vom Arzt wegen ihrer Gesundheit aus dem Gedinge genommen worden sind. Auch in ihrer Lohngruppe (5) befinden sich noch Arbeiten, die bisher im Akkord gemacht wurden.

Noch spalterischer wird mit den Handwerkern unter und über Tage verfahren. Da nicht mehr nach Ausbildung, sondern nach der Arbeitsbewertung bezahlt wird, können ausgelernte Handwerker in vier verschiedene Lohngruppen eingeteilt werden.

Damit haben jetzt die Steiger (Meister) die Möglichkeit, jeden Tag bei der Arbeitseinteilung auch die Lohngruppen der Handwerker neu einzuteilen. Diesen scharfen Krisenangriff wollen die IGBE-Führer als durchschnittliche Lohnerhöhung von 3% verkaufen und so auch noch die Lohnerhöhung (in der BETR, d. Vf.) drücken.

In einer internen Diskussion rechnete der Leiter der Tarifabteilung beim Hauptvorstand, Wieder, eine Gesamterhöhung von 10, 3% aus, von denen aber nur 6% echte Lohnerhöhung sind!“ (20)

Der „KND“ berichtete über die laufenden Tarifverhandlungen der IGBE:

„In der Bergbautarifrunde bereiten die Bonzen bereits jetzt ihren Verrat vor ... In der letzten 'Einheit' stellen sie ihre erste Forderung auf, um die Kollegen schon mal zu beruhigen. Die Forderung heißt: Verdoppelung der Bergmannsprämie!

Diese Forderung hat für die Kollegen große Nachteile:

1) werden dadurch die Lohnunterschiede zwischen Übertage- und Untertagearbeitern noch größer (nur Untertagearbeiter erhalten die Bergmannsprämie)

2) wird die Bergmannsprämie nur für verfahrene Schichten bezahlt, d.h. bei Krankheit und Urlaub sehen die Kollegen von dieser 'Lohnerhöhung' keinen Pfennig

3) heißt diese Forderung, dass die Kollegen ihre Lohnerhöhung selbst bezahlen müssen, denn die Bergmannsprämie wird aus Steuergeldern finanziert. Bei dem festen Verwachsen der Gewerkschaftsführer mit den Kapitalisten wollen die Bonzen natürlich die Kasse der RAG nicht zu sehr belasten, es ist ja schließlich auch ihre eigene!

Der Vorsitzende der Gesamtbetriebsräte, Mross, hat auch schon offen erklärt, man werde bei den Lohnforderungen die Finanzkrise der Einheitsgesellschaft wohl berücksichtigen müssen.“ (21)

Als zum 4.4.1971 der Aufruf der KPD/ML-ZB zum 1. Mai erschien, war das auch eine eindeutige Kampfansage an die laufenden Tarifverhandlungen im Bergbau. Der 1. Mai Aufruf wurde u. a. vor allen Zechenbetrieben in NRW verteilt. Im 1. Maiaufruf hieß es:

„KAMPF DEM LOHNDIKTAT, KAMPF DEM LOHNRAUB!
GEGEN DIE VERRÄTEREIEN DER SPD-REGIERUNG DIE GESCHLOSSENE FRONT DER ARBEITERKLASSE!

AUFRUF DES ZENTRALBÜROS DER KPD/ML ZUM 1. MAI 1971

Arbeiter!

Der 1. Mai ist der politische Kampftag der Arbeiterklasse. Am 1. Mai demonstriert die Arbeiterklasse für ihre Ziele und gegen diejenigen, die diese Ziele längst verraten haben: gegen die rechten Führer der Sozialdemokratie und die rechten Führer der Gewerkschaften.

Die deutsche Arbeiterklasse demonstriert an diesem Tag aber auch ihre Solidarität mit den Proletariern aller Länder und den unterdrückten Völkern, die in einem tapferen Kampf gegen die US-Räuber stehen. In diesem Jahr muss der Kampf der westdeutschen Arbeiterklasse unter der Losung stehen:

KAMPF DEM LOHNDIKTAT, KAMPF DEM LOHNRAUB!
GEGEN DIE VERRÄTEREIEN DER SPD-REGIERUNG DIE GESCHLOSSENE FRONT DER ARBEITERKLASSE!

Die neue Wirtschaftskrise in fast allen kapitalistischen Ländern verschlechtert die Lage der Arbeiterklasse zusehends. Die SPD-Regierung ist im Bunde mit den rechten Gewerkschaftsführern und im Auftrag des Großkapitals dazu übergegangen, die Notstandsgesetze Stück für Stück in die Tat umzusetzen.

Gegen die Kämpfe der Arbeiterklasse zur Sicherung ihrer wirtschaftlichen Lage, die von den Krisenangriffen der Kapitalisten bedroht ist, versucht die SPD-Regierung das Lohndiktat von 7% durchzusetzen. Das ist ein eindeutiger Schlag gegen die gewerkschaftlichen Rechte der Arbeiterklasse. Hier zeigt die SPD-Regierung ein weiteres Mal ihre Rolle als Handlanger des Kapitals. Sie verbindet diese Maßnahmen mit einer ganzen Reihe von anderen reaktionären Taten, die nur dem Zweck dienen, die Arbeiterklasse niederzuhalten und ihren politischen und wirtschaftlichen Kampf zu unterdrücken.

Solche Maßnahmen sind: das neue Betriebsverfassungsgesetz, das Abhörgesetz, die Anwendung des KPD-Verbots, die militärische Ausrüstung der Polizei, der Ausbau des Bundesgrenzschutzes zur Bürgerkriegsarmee und die verstärkte Förderung faschistischer Banden durch die SPD-Regierung.

Was sollen alle diese Maßnahmen anderes bedeuten, als die aktive Vorbereitung einer faschistischen Machtergreifung? Die SPD-Regierung spielt, ob sie will oder nicht, die Rolle eines aktiven Wegbereiters des Faschismus:

DIE SPD-REGIERUNG IST DER WEGBEREITER DES FASCHISMUS!
SCHLUSS MIT DER BEZAHLUNG FASCHISTISCHER BANDEN DURCH DIE SPD-REGIERUNG!
AUFLÖSUNG DES BUNDESGRENZSCHUTZES!

Dieser Weg der SPD-Regierung ist nur möglich, wenn die Arbeiterklasse nicht den revolutionären Ausweg aus der Krise erkennt; wenn sie nicht den gewaltigen Betrug erkennt, den die SPD-Regierung im Auftrag des Monopolkapitals begeht. Nur durch den Verrat der SPD-Führer konnte 1952 das reaktionäre BVG verabschiedet werden. Nur durch den Verrat der SPD-Führer konnte die Kriegspolitik der Monopolherren weitergehen und die Bundeswehr geschaffen werden. Nur durch den Verrat der SPD-Führer bei der Verabschiedung der Notstandsgesetze kann nun die Bundeswehr ganz 'legal' gegen die Arbeiterklasse eingesetzt werden. Nur durch den Verrat der SPD-Führer wird den Faschisten durch die Notstandsgesetze der Weg bereitet. Das sind die Taten der SPD-Führer und ihrer Helfer. Taten im Dienst des Monopolkapitals, Taten zur Unterdrückung und Ausplünderung der Arbeiterklasse und aller Werktätigen.

Aber auch auf dem Gebiet der Großmachtpolitik übertrifft die SPD-Regierung die reaktionäre Außenpolitik der Adenauer-CDU. Nur sie ist in der Lage, die Völker Osteuropas über ihre wahren Absichten zu täuschen. Sie beruft sich in verlogener Weise auf den heldenhaften Kampf vieler sozialdemokratischer Arbeiter gegen die faschistische Blutherrschaft. So erschleicht sich die SPD- Regierung im Bündnis mit den neuen Zaren im Kreml (SU, d. Vf.), die den Sozialismus verraten haben, das Vertrauen der Völker Osteuropas. Im Tross der SPD-Regierung ziehen aber immer ihre wahren Auftraggeber mit, die Krupp und Thyssen, die Profitschneider des Hitlerkriegs. In ihrem maßlosen Drang, andere Völker auszupressen, führen die Großkapitalisten einen erbitterten Kampf um die Märkte, um die Neuaufteilung der Welt. Die SPD-Regierung ist ein treuer Handlanger bei dieser räuberischen Politik. Wo ist der Ausweg der Arbeiterklasse und der unterdrückten Völker aus dieser Lage?

Für die Arbeiterklasse und die unterdrückten Völker ist das der revolutionäre Kampf unter Führung ihrer kommunistischen Partei um die politische Macht. Die unterdrückten Völker Asiens, Lateinamerikas und Afrikas haben den bewaffneten Kampf für ihre nationale Unabhängigkeit aufgenommen und versetzen dem US-Imperialismus harte Schläge.

Die Siege der indochinesischen Völker sind ein großartiges Beispiel für die Fäulnis des Imperialismus und die Kraft, die den unterdrückten Völkern innewohnt, wenn sie einig und entschlossen kämpfen.

Im Gegensatz zu den sowjetischen Führern, die den Weg des Kapitalismus gehen, unterstützt das chinesische Volk, das mit großem Erfolg den Sozialismus aufbaut, rückhaltlos die kämpfenden Völker. Auch die westdeutsche Arbeiterklasse muss den Kampf der Völker um ihre nationale Unabhängigkeit unterstützen.

Auch in Europa schwillt die Flut der revolutionären Kämpfe an. In Polen kämpft die Arbeiterklasse gegen die neuen bürgerlichen Diktatoren vom Schlage Gomulkas und Giereks für die Wiederherstellung der Diktatur des Proletariats. Das ist gleichzeitig ein Angriff der polnischen Arbeiter auf die Großmachtpolitik der sowjetischen und der westdeutschen Führer. An der Spitze des Kampfes der polnischen Arbeiter steht die marxistisch-leninistische KPP.

Auch die englische (britische, d. Vf.) Arbeiterklasse hat den Kampf für den Sozialismus aufgenommen. Die englische Kapitalistenklasse versucht mit Hilfe der sozialdemokratischen Führer und der reaktionären bürgerlichen Regierung Staatsgewerkschaften nach faschistischem Muster einzuführen. Drei Millionen Arbeiter haben dagegen gestreikt. Und der Kampf geht weiter. Auch die westdeutsche Arbeiterklasse muss den Kampf für den Sozialismus aufnehmen. Auch sie muss den Arbeiter- und Bauernstaat errichten, um die Kapitalistenklasse, ihren Ausbeuter und Unterdrücker niederzuwerfen. Dazu braucht die Arbeiterklasse eine starke kommunistische Partei.

GEGEN DEN KAPITALISMUS - FÜR DEN ARBEITER- UND BAUERNSTAAT!
STÄRKT DIE KPD/ML!
ES LEBE DER ROTE 1.MAI!“

Verbreitet wurde dieser Aufruf u.a. in NRW bei Minister Stein Dortmund (IGBE-Bereich - vgl. 12.4.1971). (22)

Die neue Lohn- und Gedingeordnung im Bergbau führte die KPD/ML-ZB auch zwangsläufig in die ideologische Auseinanderssetzung mit der DKP, die gerade im Bergbau im Ruhrgebiet über relativ starke Betriebsgruppen verfügte, im Betriebsrat aktiv war, oftmals sogar den BR-Vorsitzenden stellte, und im Vertrauenskörper und der Vertrauenskörperleitung ein gewisser Machtfaktor war. Beide Organisationen schenkten sich in ihren Angriffen aufeinander nichts. Der „KND“ berichtete am 21.4. über eine Versammlung der DKP zur Bergbautarifrunde am 4.4. in Herne.

„Am 4.4. veranstaltete die D'K'P in Herne eine Bergarbeiterversammlung, zu der allerdings außer sechs D'K'Pisten (von denen nur drei im Bergbau waren) und Genossen des Parteistützpunkts Herne der KPD/ML kein Kollege kam.

Auf dieser Versammlung sprach Robert Konze, BEZIRKSVORSTAND DER D'K'P und zuständig für den Bereich TARIFPOLITIK. Er forderte 15% auf die neue Lohnordnung , vermied aber gleichzeitig jeden Angriff auf die rechten Gewerkschaftsführer. Zu den Forderungen der IGBE erklärte er, dass sie auf 49, 32 für die Lohngruppe 9 herauslaufen würden. Tatsächlich beträgt der Lohn in der Lohngruppe 9 jetzt nach der neuen Lohnordnung 45,89 plus 7,3% - das sind 49,24 DM, also annähernd die Zahl, die der D'K'P Boss angegeben hat.

Die D'K'P-Führer waren also über den Verrat der IGBE-Bonzen informiert, aber haben nicht das geringste unternommen, um die Kollegen zum Kampf aufzurufen.“ (23)

Die KPD/ML-ZB, die im Ruhrgebiet nach eigenen Angaben Betriebsgruppen auf den Zechen Prosper I und II (Bottrop), Westerholt (Polsum), Holland (Wattenscheid) und Blumenthal (Recklinghausen) und Minister Stein (Dortmund) hatte, verteilte am 7./8. 4. vor diesen Zechen ein erstes zentrales Flugblatt „der RAG-Betriebsgruppen der KPD/ML“ unter der Schlagzeile „Neue Lohnordnung: IGBE schweigt – KPD/ML informiert“. In diesem führte sie auch den „Kampf gegen die DKP“ weiter. Formuliert wurde:

„Unter den IGBE-Führern hat dieses Ereignis große Unruhe hervorgerufen: einige Betriebsräte riefen sofort beim Hauptvorstand an, was sie jetzt machen sollten ... Die DKP-Führer tun nichts, um die reaktionären IGBE-Führer und ihren Anschlag zu enthüllen. Obwohl der Bezirksvorstand schon vor dem 4.4. die neue Lohnordnung hatte, hat er nichts getan, um sie sofort zu veröffentlichen. In einer Diskussion erklärte R. Konze, Mitglied des DKP-Bezirksvorstands, er nehme an, dass die neue Lohnordnung auf 'Verständnis bei den Kumpels stoße'. Er empfahl seinen Genossen jedoch die baldige Veröffentlichung, weil die DKP gegen Geheimverhandlungen sei.

Die Parole soll sein: 15% auf die neuen Lohngruppen! So waren die DKP-Führer bereit, die Verrätereien der IGBE-Führer zu decken. Seit die KPD/ML die neue Lohnordnung herausgebracht hat, haben sie sich jedoch überhaupt noch nicht schriftlich zur Lohnordnung geäußert.

So konnte die KPD/ML durch die Veröffentlichung der neuen Lohnordnung den Kampf gegen das Komplott von Zechenherren, SPD-Regierung und IGBE-Führern und die Handlangerdienste der Revisionisten für die Tarifrunde (BETR, d. Vf.) breit eröffnen und die Widersprüche erheblich verschärfen.

Mit den „Verrätereien der IGBE-Führer“ beschäftige sich die Nr. 7/1971 der „Roten Fahne“ der KPD/ML-ZB am 12.4. Der damalige Leitartikel lautete: „Ruhrkohle-AG der große Betrug an den Kumpels.“ Ausgeführt wurde:

„Die Halden im Bergbau wachsen wieder an. Die Herren der Ruhrkohle-AG (RAG) gehen verstärkt daran 'Bummelanten' umzusetzen und zu entlassen. Vor einigen Wochen forderte Thyssen-Chef Sohl eine Lohnpause von den Bergarbeitern und die Stillegung von sechs weiteren Zechen. Am 1. April stellte sich Kühns Wirtschaftsminister von NRW, Riemer (FDP, d. Vf.), hinter ihn: er verlangte, dass das 'Anpassungsprogramm', also die Stillegungspläne für weitere Zechen, die der Kohlebeauftragte von Schiller ausgearbeitet hat, aber noch geheim hält, nicht erst Ende des Jahres vorgelegt und durchgeführt werden, sondern dass sie schon im Sommer auf den Tisch kommen. Wie 1966/67 sollen die Kumpel die Folgen der Kohlenkrise ausbaden. Gegenüber 1966/67 erreichte die Kohlenkrise ihren damaligen Höhepunkt. Hatten die Zechenherren bisher behauptet, durch Zusammenlegung von Zechen zu einer Großzeche und damit Umlegung von Kumpeln würden Stillegungen verhindert, so wurden 66/67 zunehmend auch Großzechen wie Graf Bismarck in Gelsenkirchen und Constantin in Bochum dichtgemacht ... Es wird höchste Zeit für eine 'neue' Politik: Die Bergarbeiter weiten ihre Kämpfe gegen die kapitalistische Rationalisierung aus ... In dieser Situation des Klassenkampfes als die Arbeiterklasse in ihrer Erbitterung über das kapitalistische System nicht mehr nur die Zechenherren, sondern auch den Kampf gegen die kapitalistische Staatsmacht und die Parteien das Kapitals aufnahm, musste die Kapitalistenklasse verstärkt auf die sozialdemokratischen Führer zurückgreifen ... Die Zechenbosse sind bereit zur Einheitsgesellschaft, um die Kumpel politisch zu beruhigen und um ihre Energieversorgung noch kostengünstiger zu sichern ... Schiller veranlasst die Kapitalisten zu einem Trick, mit dem sie sich die Zustimmung der IGBE-Führer erkaufen: die Zechenherren bieten den Führern der IGBE 'paritätische Mitbestimmung auf allen Ebenen' an ... Heute bricht das ganze Lügengebilde das die sozialdemokratischen Parteiführer um die goldene Zukunft des Bergbaus und des Bergmanns gesponnen haben, immer deutlicher zusammen ... Wie eng die Interessen der Gewerkschaftsführer schon mit denen der Zechenherren im Kampf gegen die Bergarbeiter verwachsen sind, zeigte sich auch 1970 bei den Tarifverhandlungen:

Am 9. Mai 1970, kurz vor der Urabstimmung über Streik, tagte in Klausur der Kohleverband Ruhr. Einziger Gast: Adolf Schmidt von der IGBE. Und einen Tag später stand das Ergebnis von 7, 5 Prozent. Deshalb: Gegen das Komplott von Zechenherren, SPD-Regierung und IGBE-Bonzen - Die geschlossene Kampffront der Ruhrkumpel! Gegen Zechensterben und Arbeitshetze - Die Solidarität der Ruhrkumpel.“ (25)

Die „Rutsche“, die Betriebszeitung der Betriebsgruppe der KPD/ML-ZB und des KJVD Minister Stein in Dortmund erschien vermutlich am 12.4.1971 mit dem Leitartikel:

„Heraus zum Roten 1. Mai.

DGB-FÜHRER HOLEN ARBEITERVERRÄTER ARENDT!

Kumpel!

Am 1. Mai 1971 wird in Dortmund auf der DGB-Maifeier im Westfalenpark Bundesminister Arendt als Hauptredner sprechen. Das zeigt uns deutlich, wie sehr die DGB-Führer den Kampftag aller Arbeiter, den 1. Mai, verraten haben.

Gerade wir Kumpel kennen Arendt als er noch IGBE-Vorsitzender war und unseren Kampf ständig verraten hat, z. B. im Herbst 1969, wo er einen Streik abwürgte, obwohl 90% von uns für Streik stimmten. Auch bei der Bildung der RAG war Arendt ein Aufsichtsratsposten wichtiger, als die Sicherheit unserer Arbeitsplätze. Schon damals machte Arendt klar, dass er auf der Seite der Zechenherren steht und nicht auf unserer Seite. Für eine solch 'saubere' Politik wurde Arendt ja dann auch von der SPD-Regierung mit einem gutbezahlten Ministerposten belohnt. Diesen Arbeiterverräter holen die DGB-Führer zu ihrer 1. Mai-Feier. Mit schönen Worten wird Arendt unter dem Motto - Mitbestimmung, der Mensch steht im Mittelpunkt - uns Arbeiter vom Charakter des 1. Mai abzulenken versuchen. Dabei spüren gerade die Kumpel, dass Mitbestimmung unsere Lage nicht verbessert, sondern nur den Gewerkschaftsführern Direktorensessel verschafft.

MAI 1971 - KAMPFTAG GEGEN BEGINNENDE KRISE UNTER FÜHRUNG DER KPD/ML.

Uns Arbeiter interessieren am 1. Mai ganz andere Dinge als das Geschwafel von Arendt und Co. Wir müssen in den Kampf treten gegen die beginnende Krise, gegen bevorstehende Entlassungen, Kurzarbeit, Arbeitshetze. Gegen SPD-Lohnraub, den 10%igen Konjunkturzuschlag, die Preiserhöhungen bei Bahn, Bus, Post usw. Gegen das Komplott von Zechenherren, SPD-Regierung und IGBE- Führern bei den bevorstehenden Tarifverhandlungen. Aber der erste Mai war auch schon immer ein Kampftag gegen Krieg, gegen Faschismus, an ihm bekundete die Arbeiterklasse ihre Solidarität mit den kämpfenden Arbeitern anderer Länder. Gerade hier in Dortmund gingen die Arbeiter am 1. Mai vor dem Kriege unter der Führung der KPD in diesem Sinne in Massen auf die Straßen.

Diese Tradition setzen die KPD/ML und der KJVD fort und veranstalten hier in Dortmund eine eigene 1.-Mai-Demonstration (Ort und Zeitpunkt werden noch bekannt gegeben). Das Zentralbüro der KPD/ML ruft in folgendem Schreiben alle Kollegen auf, an dieser Demonstration teilzunehmen und damit Leuten wie SPD-Arendt eine Abfuhr zu erteilen.“

„BÜNDNISANGEBOT ZUM 1.MAI

Das Ortkomitee und die Betriebsgruppe Minister Stein der KPD/ML haben dem Ortskartell der IGBE bzw. der DKP- und SPD-Betriebsgruppe Minister Stein zum 1. Mai das Bündnis angeboten. Damit macht die KPD/ML deutlich, dass ihr an der Einheit aller Arbeiter gelegen ist trotz verschiedener Differenzen in einigen Fragen. Die Bündnisangebote haben den Aufruf des Zentralbüros der KPD/ML zur Grundlage und wurden am Anfang dieser Woche an die entsprechenden Adressen gesandt. Kollegen, fordert den Kreisverband der IGBE auf, über dieses Angebot mit uns zu sprechen. Sozialdemokratischen Kollegen, Genossen von der DKP, diskutiert das Bündnisangebot in eurer Betriebsgruppe und nehmt Gespräche mit uns auf.

ES LEBE DIE EINHEIT DER ARBEITERKLASSE!

ES LEBE DER ROTE 1. MAI!“

Zur kommenden Bergbautarifrunde (BETR) hieß es:

„IGBE-TARIFVERHANDLUNGEN
VERTRAUEN WIR AUF UNSERE EIGENE KRAFT
DIE LOHNFORDERUNGEN MÜSSEN JETZT AUF DEN TISCH!

Kumpel!

Die Betriebsgruppe Minister Stein der KPD/ML informierte euch in der Rutsche Nr.1 über die in Geheimverhandlungen zwischen den RAG-Bossen und den IGBE-Führern ausgehandelte neue Lohnordnung.

Mit dieser neuen Lohnordnung, die uns gegeneinander ausspielen und die Arbeitshetze verschärfen soll, haben die IGBE-Führer deutlich gemacht, worum es ihnen bei den diesjährigen Tarifverhandlungen geht: HINTER DEM RÜCKEN DER KUMPEL IM KOMPLOTT MIT ZECHENHERREN UND SPD-REGIERUNG DIE LOHNERHÖHUNG SO NIEDRIG WIE MÖGLICH ZU HALTEN.

DIE BEGINNENDE KRISE HAT AUCH DIE RAG ERFASST

Es ist kein Geheimnis mehr, dass die beginnende Krise auf die RAG übergegriffen hat. Die Halden wachsen wieder an, die Zechenherren gehen verstärkt daran, 'Bummelanten' umzusetzen und zu entlassen. So werden z. B. auf der Zeche Blumenthal in Recklinghausen weiße Briefe verschickt, in denen für viele Kollegen, die als Folge der Arbeitshetze öfters krankfeiern mussten, Umbesetzungen mit nachfolgender Lohnkürzung und Entlassungen angekündigt wurden. Die Bergbau AG Oberhausen hat folgendes Programm entwickelt, mit dem die Krise auf Kosten der Bergarbeiter 'gelöst' werden soll: 1. die Belegschaft wird reduziert; 1 000 Mann werden entlassen, 2. die Kumpels, die bisher in jahrelanger Arbeit ihre Gesundheit auf dem Pütt ruiniert haben, und bisher dann in die Tagearbeit übernommen wurden, sollen teilweise entlassen oder 'umgeschult' werden.

Doch mit diesem Beispiel nicht genug, vor einigen Wochen forderte Thyssen-Chef Sohl eine Lohnpause von den Bergarbeitern und die Stillegung von 6 weiteren Zechen. Am 1. April stellte sich Kühns Wirtschaftsminister von NRW, Riemer (FDP, d. Vf.), hinter Sohl: er verlangt, dass dieses 'Anpassungsprogramm', also die Stillegungspläne, die der Kohlebeauftragte von Schiller ausgearbeitet hat, aber noch geheim hält, nicht Ende des Jahres vorgelegt und durchgeführt werden, sondern dass sie schon im Sommer dieses Jahres auf den Tisch kommen.

Wie 1966/67 sollen also die Kumpel die Folgen der Kohlenkrise ausbaden und für die Profite der Zechenherren bluten. Das zeichnet sich schon bei den beginnenden Tarifverhandlungen ab:

IGBE-FÜHRER VERRATEN KUMPEL

Die IGBE-Führer, die durch die Mitbestimmung fest mit der RAG verheiratet sind und ihren sicheren Direktorensessel haben (IGBE-Vorsitzender Schmidt z. B. ist stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der RAG), helfen dabei gehörig mit. Darüber täuschen auch 'radikale' Forderungen wie z. B. die 13%-Forderung vom Bezirksleiter der IGBE-Ruhr-Nord Homan nicht hinweg. Wie 'radikal' die Forderung von Homan ist, wird deutlich, wenn man sich ansieht, wie diese 13% zustande kommen sollen: 3% soll die Verdoppelung der Bergmannsprämie wert sein, die neue Lohnordnung ca. 3%; bliebe noch eine Lohnerhöhung von 6%.

Dass die neue Lohnordnung für uns keine Verbesserung bringt, haben wir schon in der Rutsche Nr. 1 gezeigt. Die Verdoppelung der Bergmannsprämie ist ein ähnlicher Betrug. Denn diese Prämie zahlen nicht die Zechenherren, sondern die SPD-Regierung 'stiftet' sie aus den Steuern der Kumpel und anderen Arbeiter. Das bedeutet nichts anderes, als dass in der Krise die Arbeiter ihre Lohnerhöhung selbst bezahlen. Außerdem hat die Prämie noch andere Tücken. Bei Krankheit und Urlaub gibt es keinen Pfennig dieses 'Lohns', er wird nur für tatsächlich verfahrene Schichten gezahlt. Die Lohnunterschiede von Unter- und Über-Tage-Arbeitern werden noch vergrößert, da die Prämie nur die Unter-Tage- Arbeiter erhalten. Hier wird klar:

IGBE-FÜHRER WOLLEN SCHILLERS LOHNDIKTAT DURCHSETZEN.

Mit diesen Forderungen wollen die IGBE-Führer die Kumpel hinters Licht führen. Sie wollen sich um eine kräftige Lohnerhöhung drücken und Schillers Lohnleitlinien von 7 - 8% auf halbem Weg durchsetzen. Diesen famosen SPD-Schiller muss man fragen, wie er sich eine Lohnerhöhung von 7 - 8% vorstellt! Die Tariferhöhungen des letzten Jahres sind durch die Preiserhöhungen längst aufgefressen: Die Straßenbahngebühren sind um 33% gestiegen, die Lebensmittelpreise um etwa 4%, die Mieten steigen noch mehr und der 10% Konjunkturzuschlag wird uns immer noch abgeknüpft. Die Lohnleitlinien von Schiller heißen also nichts anderes, als dass wir Arbeiter den Gürtel enger schnallen sollen, um den Herren Kapitalisten die Profite zu sichern.

GEGEN LOHNDIKTAT - LOHNFORDERUNGEN DER RUHRKUMPEL!

Deshalb, Kumpel, gilt es nun schnellstens eigene Forderungen aufzustellen. Wir müssen klar zeigen, dass wir nicht bereit sind, den Karren der Zechenherren aus dem Dreck zu ziehen, indem wir Lohnverzicht üben oder unsere Löhne selbst bezahlen. Und wir dürfen uns nicht auf die IGBE-Führer verlassen, sonst stehen wir wieder vor vollendeten Tatsachen. Deshalb:

UNSERE FORDERUNGEN FÜR DIE DIESJÄHRIGE TARIFRUNDE SIND:

Diese Forderungen müssen jetzt auf den Tisch. Beredet sie in den Revieren, fordert eure Betriebsräte auf, sie weiterzugeben. Seid entschlossen, für sie in den Kampf zu treten.

Die KPD/ML wird diesen Kampf unterstützen, weil sie für die Interessen der Arbeiterklasse eintritt, weil sie für die Tagesinteressen der Kollegen kämpft und für das Ende von Ausbeutung und Krisen, für einen Arbeiter- und Bauernstaat. Doch die KPD/ML und ihr Jugendverband, der KJVD, sind eine junge Organisation.

Deshalb stärkt die KPD/ML und den KJVD!

ORGANISIERT EUCH IN DER MINISTER STEIN DER KPD/ML!“ (26)

Der “KND” berichtete auch davon, dass erstmalig vor „mehreren Zechen im Ruhrgebiet von den KPD/ML-ZB am Betriebsgruppen Kurzkundgebungen am 12. 4. durchgeführt“ wurden. Das KPD/ML-Landessekretariat NRW berichtete darüber, „Diese erste Woche war ein Erfolg für die Partei. Wir waren in der Lage, den Kollegen die Linie der Partei zur Bergbautarifrunde und zum 1. Mai darzulegen. Durchgeführt wurden die Kundgebungen u. a. bei Prosper Bottrop 12.4.1971) und Westerholt Polsum vgl. 12.4.1971. (27)

Von der Kundgebung vor der Zeche Prosper am 12.4. in Bottrop berichtete auch ausführlich der „Kampf der Arbeiterjugend“

„KURZKUNDGEBUNG VOR DER ZECHE PROSPER

Vor dem Haupttor stellten wir unseren VW-Bus auf, der mit einem großen Rote-Fahne-Plakat behängt war. Neben den Bus, gut sichtbar für die herauskommenden Kollegen stellten wir Transparente auf mit den Parolen: Gegen Zechensterben - die Solidarität der Ruhrkumpel! Gegen das Komplott von Zechenherren, SPD- Regierung und IGBE-Führern - die geschlossene Kampffront der Ruhrkumpel! Es lebe der Rote 1. Mai!

Organisiert Euch in den Betriebsgruppen der KPD/ML! Durch den Lautsprecher spielten wir zu Anfang Arbeiterlieder, die weit ins Werk hineinhallten. Vor dem Tor und an den Straßenecken, wo die Kollegen vorbeikamen, standen Genossen mit Roten Fahnen und KDAJ's, die sie den Kollegen anboten.

Einige Genossen riefen laut die Parolen zur Roten Fahne aus: Kollegen, kauft die Rote Fahne, das Zentralorgan der KPD/ML! Die Rote Fahne berichtet heute über den Schwindel der RAG, sie deckt den Verrat der IGBE- und SPD-Führer an den Kumpels auf! Weiter lest ihr in der Roten Fahne über den Roten 1. Mai! Kollegen demonstriert mit der KPD/ML am 1. Mai! Die Genossen sprachen die heraus- und hereingehenden Kollegen auch einzeln an. So kamen sie oft in längere Gespräche mit den Kollegen und warben sie für unsere 1. Mai-Demonstration in Dortmund und natürlich auch für die Mitarbeit in der Betriebsgruppe. Wenn sehr viele Kollegen zusammen herauskamen, hielten wir kurze Reden zur Situation im Betrieb, zum 1. Mai und Ansagen zur Roten Fahne. Am Lehrlingstor haben wir anschließend noch eine kurze Kundgebung gemacht. Die Lehrlingsforderungen hatten wir auch auf ein Plakat geklebt und dies dort aufgestellt. Die Lehrlinge waren auch an unserer 1. Mai-Demonstration interessiert. Es wurden zwischen 70 und 80 Rote Fahnen und 25 KDAJ's verkauft und mehrere Adressen gesammelt.“

Der „KND“ berichtete: „Als die KPD/ML und der KJVD vor der Zentralwerkstatt Prosper eine Kurzkundgebung durchführten, erschien der IGBE-Bezirksleiter und Hauptvorstandsmitglied Willi Vogler, um den Gegner aus nächster Nähe zu sehen. Er ließ sich jedoch nicht in große Diskussionen verwickeln und verschwand nach kurzem Besuch, ohne mit den vorbeikommenden Prosperlehrlingen ein Wort gewechselt zu haben.

Dieser Besuch war also nicht ein Zeichen der Stärke und Massenverankerung der IGBE-Führer.“

Der KJVD ließ verlauten: „Am Dienstag nach Ostern führte der KJVD vor der ZW eine Kurzdemonstration durch - er warb für die Lohnforderungen und für die Teilnahme an der 1. Mai-Demonstration in Dortmund.

Als die Kurzkundgebung kaum begonnen hatte, kam plötzlich der IGBE-Bezirksleiter Vogler (CDU), der auch Mitglied des Hauptvorstandes ist, vorbei. Die meisten Lehrlinge bei uns haben ihn noch nie gesehen, weil er es auch im 'Jahr des jungen Arbeitnehmers' noch nicht für nötig gehalten hatte, die größte Lehrwerkstatt seines Bezirks zu besuchen. Jetzt hatten ihn die Aktivität des KJVD und die Ankündigung der Kurzkundgebung aus seinem Büro herausgeholt.

Er versuchte jedoch erst gar nicht, mit den Lehrlingen zu sprechen, sondern verzog sich schnell in sein Auto auf der anderer Straßenseite und beobachtete von diesem sicheren Platz aus die Kurzkundgebung.“ (28)

Von einer Kurzkundgebung vor der Zeche Westerholt in Westerholt am 12.4. berichtete die KPD/ML-ZB:

„An dieser Zeche hatten wir bisher nur die Rote Fahne verkauft und ein Extrablatt verteilt zur neuen Lohnordnung, was bei den Kollegen eingeschlagen hat. Wir haben hier eine Kurzkundgebung gemacht, um durch die Tarifrunde und den 1. Mai neue Kollegen zu gewinnen, da wir hier eine Betriebsgruppe aufbauen wollen. Die äußeren Bedingungen waren hier sehr gut, wir hatten viel Platz und konnten unsere Transparente und Stellwände gut sichtbar aufstellen.

Die Kollegen blieben hier auch gleich lange stehen, sahen sich unsere Parolen und Forderungen an, hörten sich auch unsere Reden bis zu Ende an und diskutierten darüber, die Reaktion war sehr gut.

Nach ca. einer Stunden kamen jedoch die Bullen und verboten uns, den Lautsprecher anzustellen, da wir keine extra Genehmigung hätten; das hat unsere Kundgebung sehr beeinträchtigt.

Wir haben uns jedoch geholfen, indem einige Genossen, die laut schreien konnten, die Parolen und Forderungen sowie die Rote Fahne Werbung laut ausgerufen haben. Auf das Extrablatt, auf das wir die Kollegen ansprachen, reagierten sie sehr gut; viele empörten sich, dass sie nicht zuvor von der Gewerkschaft informiert worden waren. Wir haben hier 98 Rote Fahne verkauft und viele Adressen gesammelt. Die Kundgebung war ein Erfolg und wird uns den Aufbau einer Betriebsgruppe erleichtern, d. h. bestimmt garantieren. (29)

Zum 14.4. wurde über die nach Auffassung des Zentralbüros „beginnende Krise bei der RAG“ berichtet:

„MIT DER KPD/ML GEGEN DAS KOMPLOTT VON ZECHENHERREN, SPD-REGIERUNG UND IGBE- FÜHRERN.

Seit Januar ist die beginnende Krise auch bei der RAG spürbar geworden und zwar zuerst bei den Hausbrandzechen und den von der Stahlindustrie abhängigen Kokskohlezechen (BAG Oberhausen und Dortmund). Die Halden sind jetzt bereits auf über 4 Mio. t angewachsen und wachsen jeden Monat um weitere 25-30% an; gleichzeitig hat die Arbeitshetze stark zugenommen. Seit dem letzten Sommer sind die Bosse auf den einzelnen Zechen darangegangen, 'Bummelanten' und diejenigen, die häufiger krank feiern mussten, zu entlassen oder damit zu drohen. Für die BAG Oberhausen, die wegen ihrer Abhängigkeit von Thyssen (ATH, d. Vf.) und Rheinstahl das größte Defizit hat, ist schon ein richtiges Krisenprogramm ausgearbeitet worden mit 1 000 Entlassungen, Überstundenkürzungen, Druck auf die älteren Kumpel und Streichung des Wohnungsbauprogramms (...). Die Stahlkonzerne, die schon vor einigen Wochen verschärfte Rationalisierungsmaßnahmen gefordert hatten (Thyssen-Boss Sohl verlangte Anfang März in einem Interview: keine Staatsbeteiligung am Grundkapital, aber Staatssubventionen und verschärftes Rationalisieren - gleich Zechensterben), haben sich jetzt mit ihren aggressiven Plänen durchgesetzt.

Auf der RAG-Aufsichtsratssitzung am 14.4. wurde die STILLEGUNG VON MINDESTENS 15 ZECHEN BIS 1980 bekannt gegeben. Schwerpunkt der Stillegungspläne ist das mittlere Ruhrgebiet, besonders der Raum Essen, Gelsenkirchen/Herne und die Gruppe Dortmund. Die Kollegen der betroffenen Zechen sollen auf 'Nachbarzechen' verlegt werden. Das bedeutet für die Kumpels die Verlängerung der Arbeitszeit, denn bei Stillegungen im gesamten mittleren Ruhrgebiet werden sie Anfahrtszeiten von bis zu zwei Stunden in Kauf nehmen müssen.

Aufsichtsratsvorsitzender Kemper meinte dazu: 'Für die Arbeitnehmer ist es ja gleichgültig, in welchem Betrieb man arbeitet, wenn man sich nur in der Umgebung wohl fühlt!' Die Altgesellschaften der RAG haben auf der gleichen Sitzung verkündet, dass sie auf 700 Mio. ihrer Einbringungsforderungen (die jetzt noch 1,7 Mrd. betragen) verzichten wollen.

Drei Tage später erklärten sie plötzlich, dass der Verzicht nur 'bedingt' sei, d.h. sie werden die Forderungen wieder erheben, wenn die RAG zahlen kann. Das Ganze ist also nichts anderes als ein bilanztechnischer Trick, der die Ruhrkohle davor bewahrt, Verlustanzeige aufgeben zu müssen (laut Aktiengesetz müssten sie das jetzt!). Damit haben sich die Stahlkonzerne, die ja 60% der RAG-Aktien besitzen, den weiteren billigen Bezug von Kohle gesichert. Um aber auch zusätzlich aus der RAG wieder Profit herausschlagen zu können, fordern sie scharfe Rationalisierungsmaßnahmen. Neben dem sogenannten 'Anpassungsplan zur Konzentration der Förderung auf die leistungsstarken Anlagen' verlangen sie noch die 'Wahrnehmung aller anderen Möglichkeiten zur Steigerung der Produktivität'. Das aber heißt nichts anderes als Zechensterben und Verschärfung der Arbeitshetze.

Dieser scharfe Krisenangriff ist EIN KOMPLOTT VON RAG-BOSSEN, RECHTEN GEWERKSCHAFTSFÜHRERN UND SPD-REGIERUNG. Die IGBE-Bonzen, die 34 Posten im Aufsichtsrat haben, haben die angedrohten 'Rationalisierungsmaßnahmen' im Aufsichtsrat mitbeschlossen. Sie haben sich bisher mit keinem Wort zu den Plänen geäußert. SPD-Schiller hat den RAG-Bossen sogar offen seine Unterstützung für ihre Krisenangriffe zugesagt. Er erklärte, jetzt werde es darauf ankommen, dass vom Vorstand der Ruhrkohle ein Anpassungs- und Rationalisierungsprogramm vorgelegt werde und dass auf der Basis eines solchen Programms dann von allen Beteiligten die Entscheidungen getroffen würden, um eine 'Gesundung' des Steinkohlebergbaus an der Ruhr zu erreichen (d.h. nichts anderes als den Kapitalisten 'gesunde' Profite zu sichern), das Bundeswirtschaftsministerium werde bei den Rationalisierungsinvestitionen im Rahmen des Möglichen helfen (WR 15. 4.).

Die Unterstützung der Krisenangriffe durch die IGBE- und SPD-Führer wird die politische Krise im Bergbau verschärfen. Sie hatten sich 1969 als Gründer der RAG feiern lassen und als diejenigen, die die Krise im Ruhrgebiet 'gelöst' hatten. So konnten sie zwar damals die Kumpel täuschen, legten aber auch den Grundstein dafür, dass sie bei der vollen Entfaltung der Rationalisierung und Arbeitshetze bei der RAG und bei einer neuer Krise nicht mehr direkt den wichtigsten Einfluss auf die Arbeitermassen nehmen können.“ (30)

Unterdessen stellte die IGBE die neue Lohnordnung vor. In der „Einheit“ vom 15.4. hieß es dazu:

„LOHNORDNUNG.

Für die rund 168 000 Arbeiter im Ruhrbergbau wird voraussichtlich zum 1. Juni 1971 eine neue Lohnordnung eingeführt. Das kündigte IGBE-Tarifexperte Helmut Gelhorn in einem Gespräch mit der 'Einheit' an. Die Verhandlungen zwischen UVR und IGBE über die neue Lohnordnung laufen seit langer Zeit.

Helmut Gelhorn: 'Es war ein hartes Ringen.' UM DIE NEUE LOHNORDNUNG WURDE LANGE GERUNGEN 'EINHEIT' SPRACH MIT HELMUT GELHORN

Nachdem die Gehaltsordnungen für die kaufmännischen und technischen Angestellten geändert worden sind, wird für die rund 168 000 Arbeiter im Ruhrbergbau eine neue Lohnordnung erarbeitet. Denn das bisherige Entlohnungswesen ist nicht mehr zeitgerecht.

Darüber sind sich die Verhandlungspartner, UVR und IGBE, seit langem einig. Doch über Einzelheiten wird seit Monaten hart gerungen. Nun sind die Verhandlungen in ein akutes Stadium getreten. Die 'Einheit' sprach darüber mit Helmut Gelhorn, Tarifexperte und zuständiges geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Bergbau und Energie.

'Einheit': Warum brauchen wir eine neue Lohnordnung im Steinkohlenbergbau?

Gelhorn: Nun, da sind drei Gründe zu nennen:

1. Durch den technischen Fortschritt haben sich die Arbeitsplätze wie auch die Tätigkeit der Bergleute stark verändert. Darauf muss man Rücksicht nehmen; denn wir wollen ja schließlich, dass die Tätigkeiten richtig bezahlt werden.

2. Die Relation zwischen Tariflöhnen und den Effektivverdiensten hat sich verschoben. Unser Ziel ist es, den Effektivverdienst stärker abzusichern.

3. Wir streben eine möglichst gerechte Entlohnung an. Wir hoffen, dass die neue Lohnordnung richtiger, verständlicher und praktikabler sein wird.

ÜBERPRÜFUNG

'Einheit': Diese Ziele erfordern also eine ausführliche Untersuchung der Arbeit im Bergbau!

Gelhorn: Ja sicher. Wir haben in Zusammenarbeit mit unseren Funktionären in den Betrieben und Bezirken und dem UVR sorgfältig geprüft und festgestellt, welche Tätigkeit gibt es im Bergbau, welche sind weggefallen und welche sind neu hinzugekommen. Wie schwierig das ist, macht die enorme technische Entwicklung vom Kohlemachen von Hand zur Vollmechanisierung mit dem Rahmenfahrer deutlich. Und die Entwicklung vom Einstauben zum Einpulvern und Einpasten ist auch ein Beispiel dafür.

ÄNDERUNG

'Einheit': Warum wird denn eine neue Lohnordnung gerade jetzt diskutiert?

Gelhorn: Die noch gültige Lohnordnung stammt aus dem Jahre 1949. Sie wurde allerdings mehrmals – zuletzt 1966 ergänzt. Spätestens aber seit 1969 sind wir uns mit dem UVR einig, dass die Änderung der Lohnordnung eines der vordringlichsten Probleme ist. Nachdem die Vorbereitungen und Vorverhandlungen sehr viel Zeit erforderten, sind wir jetzt im akuten Stadium.

'Einheit': Was bedeutet akut? Gibt es noch verschiedene Meinungen zwischen den Verhandlungspartnern?

Gelhorn: UVR und IGBE haben bis auf wenige Punkte Übereinstimmungen erzielt. Wir rechnen damit, dass die neue Lohnordnung zum 1. Juni 1971 eingeführt werden kann.

'Einheit': Was wird diese neue Lohnordnung bringen?

Gelhorn: Die neue Lohnordnung bedeutet grundsätzlich keine Lohnerhöhung. Es geht vielmehr darum, die bisherigen außertariflichen Zulagen zu einem erheblichen Teil im Tariflohn einzufangen.

'Einheit': Das heißt, kein Plus im Geldbeutel. Bleibt aber der Besitzstand gewahrt?

Gelhorn: Die neue Lohnordnung sieht Einstufung auf Grund von Tätigkeitsmerkmalen vor. Dabei ist sichergestellt, dass kein Arbeiter weniger Geld verdient.

UMSTUFUNG

'Einheit': Was verändert die neue Lohnordnung denn gegenüber dem bisherigen System?

Gelhorn: Wir wollen, wie gesagt, eine weitgehende Angleichung der Tariflöhne an die Effektivlöhne erreichen. Um den Hauer, den bergmännischen Fachmann, für die Zukunft stärker tariflich abzusichern, werden wir drei Gedingerichtsätze einführen. Für die Handwerker wird es künftig drei (unter Tage) bzw. zwei (über Tage) Lohngruppen geben. Damit wird auch die unterschiedliche Entlohnung dieser Arbeiter weitgehend tariflich abgesichert. Darüber hinaus gibt es eine Fülle weiterer Umstufungen im Schichtlohnbereich.

ANPASSUNG

'Einheit': Welchen Einfluss oder welche Auswirkungen haben diese Veränderungen auf die bevorstehende Lohn- und Gehaltsbewegung?

Gelhorn: Das sind zwei völlig verschiedene Dinge. Durch die neue Lohnordnung wird die Spanne zwischen Tariflohn und tatsächlich gezahltem Lohn kleiner. Diese neuen Löhne werden dann Ausgangspunkt für unsere Tarifbewegung 1971 sein.

'Einheit': Bedeutet die neue Lohnordnung eine Lösung für alle Zeiten?

Gelhorn: Wenn die neue Lohnordnung ab 1. Juni eingeführt wird, dann haben alle Beteiligten dafür harte und sorgfältige Arbeit geleistet. Trotzdem kann sie keine Dauerlösung sein. Wir müssen auch künftig alle Veränderungen sorgfältig beobachten.

Aber ich glaube, dass künftige Anpassungen leichter möglich sein werden.“ (31)

Am gleichen Tag machte das ZB gegen die neue Lohnordnung im Bergbau mobil. Vor mehreren Zechen im Ruhrgebiet begannen nach Angaben des „KND“ „Kurzkundgebungen, die von den KPD/ML-Betriebsgruppen durchgeführt“ wurden. „Diese Kundgebungen dienen der Vorbereitung des 1. Mai 1971, richten sich aber auch "gegen die Krisenangriffe ... von RAG-Bossen, rechten Gewerkschaftsführern und SPD-Regierung“. (32)

Am 19.4. erschien vermutlich auf der Zeche Prosper, herausgegeben von der KPD/ML-ZB und dem KJVD, eine Ausgabe des „Hobels“. Die Ausgabe berichtete über die neue Lohnordnung im Bergbau.

„NEUE LOHNORDNUNG IM BERGBAU BEREITET STUFENPLAN VOR

Gleichzeitig mit Schillers Lohndiktat haben die IGBE-Führer auch der Einführung einer neuen Lohnordnung zugestimmt. Die neue Lohnordnung ist am ersten Juni in Kraft getreten. Die Genossen aus der KPD/ML und dem KJVD haben als erste aufgedeckt, was diese Lohnordnung für die Kollegen bedeutet.

Schon im April schrieb die Jugendbetriebsgruppe des KJVD bei Prosper in Bottrop in ihrer Zeitung 'DER HOBEL': 'Durch die neue Lohnordnung maßen sich die RAG-Bosse und die IGBE-Führer an, die Qualifikation der Handwerker anzuzweifeln.

Unter Tage sollen gelernte Handwerker in die Lohngruppen 7 - 10 eingeteilt werden, über Tage sogar in die Lohngruppen 6 - 10. Daraus ist zu ersehen, dass nicht mehr nach dem Gesellenbrief gefragt wird, sondern der Handwerker nach den jeweiligen Erfordernissen eingesetzt werden soll.

Wenn die neue Lohnordnung gilt, gewährleistet der Facharbeiterbrief nicht mehr einen einheitlichen Lohn. Durch die neue Lohnordnung wollen RAG-Bosse und IGBE-Führer uns zu 'universell einsetzbaren' Arbeitern machen, die sie nach Belieben hin und her schicken können.

Die neue Lohnordnung ist eine weitere Vorstufe für einen echten Stufenplan. Der Stufenplan hat die gleiche Tendenz, viele von uns nur zu Hilfskräften zu machen. Er sorgt dafür, dass wir 'allseitig verwendbar' werden und nur eine Minderheit eine wirkliche Fachausbildung erhält. Genauso sieht es bei der neuen Lohnordnung aus: nur die wenigsten Handwerker würden in die Lohngruppen 9 und 10, die meisten jedoch in die Lohngruppen 6 - 8 eingestuft werden. Gleichzeitig soll damit die Konkurrenz zwischen uns verstärkt werden.

Auch bei uns gibt es solche Tendenzen in der Ausbildung: da ist zum Beispiel die Leistungstreiberei in der Lehrwerkstatt durch öffentliches Aushängen der Leistungsnoten. Vom Aushängen der Noten ist es nur noch ein kleiner Schritt, die Lehrlinge nach ihren Noten für die verschiedenen Ausbildungsberufe einzuteilen und einige aus der Lehre zu entlassen. Mit dem neuen Ausbildungsplan ist seit diesem Jahr ein weiteres Merkmal für Stufenpläne eingeführt worden: Das 'umfassende Wissen', die 'großen Kenntnisse auf ALLEN Gebieten', die gerade ausreichen, um alle anfallenden Hilfsarbeiten machen zu können. Dies 'umfassende Wissen' wird durch die neue Lohnordnung sehr schlecht bezahlt.

Darum:

Lehrlinge und Jungarbeiter, ältere Kollegen: die neue Lohnordnung ist ein Angriff gegen jeden von uns, beratet gemeinsam an eurem Arbeitsplatz, fragt Betriebsräte und Jugendvertreter, warum einige die neue Lohnordnung verschwiegen haben, fordert:

EINE GEMEINSAME BELEGSCHAFTSVERSAMMLUNG FÜR ALLE!

Mit den Themen: Die neue Lohnordnung, die Zukunft der Zentralwerkstatt ab 1.10.1971.

Nehmen wir geschlossen den Kampf gegen das Komplott von RAG-Bossen, SPD-Regierung und IGBE-Führern auf. Organisieren wir uns gemeinsam im KJVD!“ (33)

Über General Blumenthal in Recklinghausen berichtete der „KND“ am 19.4.:

„Die unverschämten Angriffe der Zechenherren auf die Arbeiterjugend und die Lehrlinge werden immer dreister (..). Auf der Anlage BLUMENTHAL IN RECKLINGHAUSEN werden die Lehrlinge in verstärktem Maß in der Produktion eingesetzt. Das führte für die Abschlusslehrjahre der Handwerker dazu, dass der Werksunterricht, der immer während der Arbeitszeit durchgeführt wurde, damit man sich noch mal auf die Prüfung vorbereiten konnte, auf den Nachmittag verlegt wurde. So können die Lehrlinge den ganzen Tag über in den Berg geschickt werden, wo sie in der Produktion malochen müssen, während sie in ihrer Freizeit den 'gnädiglich angebotenen' Unterricht besuchen müssen, denn alle wollen ja die Prüfung bestehen. So versuchen die Zechenherren, ihre Kosten auf dem Rücken der Arbeiter noch weiter zu senken.“ (34)

Am 20.4. endete die Bergbautarifrunde im Ruhrbergbau mit einem bundesweiten Abschluss von 7,3%. Die KPD/ML-ZB berichtet darüber:

„7% TARIFVERRAT IM BERGBAU- KAMPF DEM LOHNDIKTAT!

Am Dienstag, den 20.4. haben die IGBE-Führer einen neuen Tarifvertrag abgeschlossen. Sie einigten sich mit den Zechenherren auf folgendes Ergebnis: Erhöhung der Tariflöhne und -Gehälter AUF DER GRUNDLAGE DER NEUEN LOHNORDNUNG um 7,3%; Erhöhung des WEIHNACHTSGELDS um 100 MARK von 400 auf 500 Mark; Verdoppelung der NACHTSCHICHTZULAGE VON 2 AUF 4 DM. Der Tarifvertrag hat eine Laufzeit von 12 Monaten. Er gilt für die ganze BRD, also auch für die Kumpels im Saargebiet, die ohnehin viel weniger verdienen als ihre Kollegen im Ruhrgebiet.

Die LEHRLINGE erhalten ebenfalls nur 7,3% mehr. Das sind für einen Handwerkerlehrling etwa 15-20 DM mehr im Monat! Dieses Ergebnis ist in wochenlangen GEWHEIMVERHANDLUNGEN ausgehandelt worden.

Am Dienstag wurde es durch den Hauptvorstand der IGBE bekannt gegeben. An diesem Tag sollten die Forderungen für die Tarifrunde aufgestellt werden. Deshalb war es für die Gewerkschaftsbonzen die letzte Abschlussmöglichkeit: einmal hatten die Kumpels auf den Anlagen noch keine klaren einheitlichen Lohnforderungen gestellt und zum anderen wären die IGBE-Führer von einmal aufgestellten hohen Lohnforderungen nur schlecht wieder heruntergekommen; die Kampfbereitschaft der Kollegen hätte das verhindert. Gewerkschaftsführer und SPD-Regierung „äußerten sich zufrieden über das Ergebnis: IGBE-Vorsitzender Schmidt bezeichnete es als 'SEHR GUT' und erklärte: 'ICH MÖCHTE NICHT IN DER HAUT DER UNTERNEHMER STECKEN, DIE DAFÜR DAS GELD ZU BESORGEN HABEN.' Und IGBE-Pressesprecher Niggemeier: 'Angesichts der Lage ist dieses Ergebnis für uns ein VOLLER ERFOLG.' SPD-Regierungschef von NRW, Kühn, lobte die IGBE-Führer für ihr 'HOHES MASS AN EINSICHT'.

Für den Fall, dass den Bonzen aber doch nicht so einfach gelingt, die Bergarbeiter über's Ohr zu hauen, versuchen sie das magere Ergebnis noch etwas aufzubessern durch Verhandlungen mit der Bundesregierung über eine Verdoppelung der Bergmannsprämie, die Berücksichtigung der Prämie bei der Rente und einen Stop der sogenannten 'Abschmelzung der Steigerungssätze in der Knappschaftsversicherung' (diese 'Abschmelzung' wurde in der Krise 1966/1967 beschlossen und besagt, dass die Bergarbeiter bei jeder Steigerung der Renten nur einen bestimmten Prozentsatz davon erhalten). Dieser neue Tarifvertrag ist ein vollendeter sozialfaschistischer Angriff von SPD-Regierung und IGBE-Führern.

Mit ihren Geheimverhandlungen ist es ihnen gelungen, den Kampf der Kumpel für ihre berechtigten Forderungen, der wegen des Verwachsens von SPD-Regierung, IGBE-Führern und Zechenherren sofort zum politischen Kampf geworden wäre, zu verhindern. Die üble, hinterhältige Taktik, die Schmidt in einem Interview im Fernsehen als 'völlig neuen Weg' bezeichnete (sie ist allerdings in der Geschichte des Bergbaus noch nie da gewesen), mussten die rechten Bonzen in diesem Jahr einschlagen, weil die Kollegen in diesem Jahr durch die Krisenangriffe der RAG-Bosse viel kampfbereiter waren als im letzten Jahr. Da es im Bergbau auch keine Schlichtung gibt hätten es die Bonzen allein mit Hinauszögerungstaktik wie im letzten Jahr nicht geschafft, Streiks zu verhindern. So aber ist es ihnen gelungen, das Lohndiktat durchzusetzen.

Während der Geheimverhandlungen in den letzten Wochen standen RAG-Bosse und IGBE-Führer in dauernder Verbindung mit der SPD-Regierung. Schiller hat den Zechenherren und seinen Handlangern für die Durchsetzung des Lohndiktats ja auch weitere Millionen versprochen.“

In einem weiteren Bericht der KPD/ML-ZB heiß es:

„KPD/ML ENTHÜLLT DEN VERRAT DER BONZEN

Die revolutionäre Partei der Arbeiterklasse, die KPD/ML, hat den Verrat der IGBE-Führer und der SPD-Regierung von Anfang an aufgedeckt. Schon als Schmidt Anfang März sagte: 'Wir brauchen mehr als alle anderen' hat sie in der Roten Fahne und in allen Betriebszeitungen im Bergbau die Kollegen darauf hingewiesen, dass das nur platte demagogische Manöver sind, die den verrat schon vorbereiten sollen. Als die IGBE-Führer dann die Forderung nach der Erhöhung der Bergmannsprämie stellten, schrieb die 'Rote Fahne' : 'Mit dieser Forderung wollen sich die IGBE-Führer nur um eine kräftige Lohnerhöhung drücken und Schillers Lohndiktat auf halbem Wege durchdrücken.' Als die Bonzen vor drei Wochen die neue Lohnordnung beschlossen, informierten die KPD/ML-Betriebsgruppen die Kollegen sofort darüber und wiesen auf die Verschärfung der Arbeitshetze und die Spaltung, die mit der neuen Ordnung bezweckt wird, hin.

Am Abend des 20. 4. war die KPD/ML die erste und einzige Partei, die an den wichtigsten Zechen die Kumpel über den Tarifverrat informierte.“

Und der KJVD der KPD/ML-ZB berichtete:

„TARIFVERRAT IM BERGBAU - SCHILLERS LOHNDIKTAT DURCHGESETZT

Das ist das Ergebnis der Tarifverhandlungen im Bergbau. 7,3% für alle. Auch für die Jungarbeiter. Auch für die Lehrlinge. Schon für die älteren Kollegen sind 7, 3% mehr ein Hohn. Für die Jungarbeiter und Lehrlinge sind 7, 3% mehr auf ihre mageren Löhne und ihre 'Ausbildungsbeihilfen' keine Lohnerhöhung, sondern eine Unverschämtheit! Noch einen Tag vorher hatten die Kollegen noch nicht einmal erfahren, welche Forderungen die IG Bergbau-Führer aufstellen wollten - am nächsten Tag standen sie vor vollendeten Tatsachen.

In wochenlangen Geheimverhandlungen hatten die IG Bergbau-Führer sich mit den Zechenherren geeinigt: - auf die Durchsetzung von Schillers Lohndiktat. Denn um 7% - und nicht mehr soll nach Schillers Wille der Lohn der Arbeiter in diesem Jahr steigen.

Noch einige Tage vorher hatten die Gewerkschaftsführer große Worte gemacht! 'Wir brauchen mehr als alle anderen', hatte der IGBE-Führer Schmidt noch im März gesagt. Die KPD/ML und der KJVD hatten die Kollegen schon damals vor dem Verrat der Gewerkschaftsführer gewarnt.

Denn während die Kollegen noch darauf warten, endlich Forderungen von den Gewerkschaftsführern zu hören, hatten die schon mit den Zechenherren einen Plan vorbereitet, der für die Bergarbeiter Lohnraub und verstärkte Arbeitshetze bedeutet: die neue Lohnordnung.

Die Gewerkschaftsführer wollten diese Lohnordnung vor den Kollegen verheimlichen. Sie fürchteten die Empörung der Kumpel. Aber dabei machten ihnen die Genossen aus der KPD/ML und dem KJVD einen Strich durch die Rechnung: Sie veröffentlichten als einzige Organisation die neue Lohnordnung und informierten die Kollegen so über den geplanten Verrat der Gewerkschaftsführer. Angesichts der Empörung der Kollegen konnten die IGBE-Führer sich keine langgezogenen Tarifverhandlungen leisten. Sie mussten auf Nummer sicher gehen.

Ihr heimtückisches Überrumpelungsmanöver war die einzige Möglichkeit für sie, Kampfmaßnahmen zu verhindern. Das aber musste geschehen, wenn die IGBE-Führer ihre Pöstchen nicht in Gefahr bringen wollten.

Warum? ... Wie die Gewerkschaftsbonzen auf die Flugblätter und Betriebszeitungen der KPD/ML reagierten, zeigen die nebenstehenden Berichte. Die Kollegen ließen sich von ihren Drohungen nicht einschüchtern. Sie wussten, dass die Zeitungen der KPD/ML die einzigen waren, die sie nicht belogen. So konnten die Genossen in dieser Zeit so viele 'Rote Fahnen' verkaufen wie noch nie: mehrere 100 Stück. So kamen die Kollegen auch zu den Versammlungen, die die KPD/ML veranstaltete und diskutierten mit den kommunistischen Kollegen über das, was jetzt weiter zu tun sei.

Für viele von denen, die kamen, war eins klar: so konnte es nicht weitergehen. Gegen den Verrat der Gewerkschaftsbonzen und die Angriffe der SPD-Herren musste der Kampf aufgenommen werden.

'KAMPF DEM LOHNDIKTAT!
KAMPF DEM LOHNRAUB!
GEGEN DIE VERRÄTEREIEN DER SPD-REGIERUNG DIE GESCHLOSSENE FRONT DER ARBEITERKLASSE!'

Das waren die Parolen, unter denen die KPD/ML zu dieser Zeit die Kollegen nach Dortmund zum 1. Mai rief. Viele Kollegen, die von den Genossen aufgefordert wurden, unter diesen Parolen mit den Kommunisten zu marschieren, fanden das richtig.

Sie hatten am eigenen Leib erlebt, wie notwendig dieser Kampf war. Und sie hatten auch gesehen, dass keine andere Organisation bereit war, sie in diesem Kampf zu unterstützen als die KPD/ML und der KJVD!“

Der KJVD berichtet auch von der SPD-Regierung: „Schon bei den Tarifverhandlungen im Bergbau war sie fast noch entschlossener als die Kapitalisten, das Lohndiktat durchzudrücken. Ein Mitglied der Verhandlungskommission sagte nach dem Tarifverrat: 'Wir haben bald mehr mit Herrn Schiller verhandeln müssen als mit den Arbeitgebern.“ (35)

Der „KND“ der KPD/ML-ZB berichtete am 21.4. über die Verteilung eines Extrablattes der RAG-Betriebsgruppen bei Minister Stein in Dortmund und Hardenberg. Der Bericht von Minister Stein lautete:

„Wir verteilten morgens und mittags vor Minister Stein und Hardenberg. Morgens verteilten auch IGBE-Leute ihr Einheit-Telegramm. Die Kollegen nahmen unser Flugblatt zustimmend auf und schimpften teilweise offen gegen die hinterhältige Taktik der IGBE-Führer. Am Mittag berichteten mehrere Kollegen, dass die Stimmung im Betrieb mies sei, dass der Verrat heftig diskutiert wurde, dass jedoch aus Gründen der fehlenden Organisation ein Streik unwahrscheinlich sei.

Zu erwähnen ist, dass es morgens zu keinerlei Auseinandersetzungen zwischen IGBE-Betriebsräten und uns kam, sondern, dass im Gegenteil dort, wo einfache Gewerkschaftsmitglieder die 'Einheit' verteilten, diese sogar die Kollegen ermunterten, das Extrablatt der 'Rutsche' (so heißt die KPD/ML-Betriebszeitung bei Minister Stein) zu nehmen (was sich aber erübrigte, da die Kollegen sowieso interessiert waren) und teilweise sogar mitverteilten.“ (36)

Am gleichen Tag wurde von allen KPD/ML-ZB Betriebsgruppen im Bergbau ein „Extrablatt der RAG Betriebsgruppen der KPD/ML“ zum Abschluss in der BETR verteilt. Unter der Überschrift „KAMPF DEM LOHNDIKTAT“ hieß es:

„Kumpels!

Nach wochenlangen Geheimgesprächen haben IGBE-Führer und Zechenherren einen neuen Tarifverrat beschlossen. Sie einigten sich auf:

Damit haben sie Schillers Lohndiktat anerkannt. Zustimmung zu der neuen Lohnordnung, die nichts anderes ist als Spaltung und Lohnraub - das bedeutet offenen Verrat an den Interessen aller Kumpel! 7,3% mehr Lohn, das ist alles, was von den großen Versprechungen der Gewerkschaftsführer übrig geblieben ist. 'Wir brauchen mehr als alle anderen', hatte Adolf Schmidt im März verkündet - jetzt sollen wir nicht einmal soviel bekommen wie die anderen.

100 DM mehr Weihnachtsgeld - gefordert war der 13. Monatslohn! Die 100 DM werden durch die höheren Steuern bald wieder geschluckt. Auch für die Lehrlinge gibt es nur 7,3% mehr. Das sind für einen Handwerkerlehrling 15 - 20 DM mehr im Monat - das ist eine Unverschämtheit, aber keine Lohnerhöhung! Gestern noch waren die IGBE-Führer nicht bereit, eine Forderung zu nennen. Gestern noch war von Verhandlungen keine Rede. Heute liegen schon die Ergebnisse fest.

Was soll diese plötzliche Eile? Im Krisenjahr 1971 fürchten die SPD-Minister und die IGBE-Führer um ihr Pöstchen. Die Zechenherren und Stahlbarone drohen der SPD-Regierung, sie soll ihren Sessel räumen, wenn es ihr nicht gelingt, unsere Löhne zu drücken. Schon machen sich Schiller, Schmidt und Arendt an die Arbeit, um Aufsichtsrat und Ministersessel zu halten. Letzte Woche haben sie einen umfassenden Angriff beschlossen: 15 Zechen sollen in den nächsten Jahren dichtgemacht werden.

Eine neue Lohnordnung wurde ausgehandelt, die uns noch mehr spalten und noch mehr Leistung aus uns herauspressen soll. Jetzt ist das Lohndiktat beschlossen mit 7,3% Lohnerhöhung. Während der Geheimverhandlungen in den letzten Wochen standen RAG-Bosse und IGBE-Führer in dauernder Verbindung mit der SPD-Regierung. Schiller will den Zechenherren und ihren Handlangern weitere Millionen zuschanzen, wenn nur sein 7% Lohndiktat durchgesetzt wird.

WAS IST DAS KOMPLOTT GEGEN ALLE RUHRKUMPEL

Zechenherren, SPD-Regierung und IGBE-Führer haben uns vor zwei Jahren vorgemacht, mit einer 'Einheitsgesellschaft' gibt es sichere Arbeitsplätze und hohe Löhne. Die SPD- und IGBE-Führer missbrauchen das Vertrauen, das viele damals noch in Parolen hatten. Für ihren Verrat wurden sie mit 34 Aufsichtsratsposten und 55 Direktorensesseln belohnt. Für uns bringt die von ihnen geschaffene 'Einheitsgesellschaft' nur neue Stillegungen und Lohnraub durch die neue Lohnordnung. Darum ist unsere Parole:

KAMPF DEM LOHNDIKTAT

KAMPF DEM LOHNRAUB

GEGEN DIE VERRÄTEREIEN DER SPD-REGIERUNG DIE GESCHLOSSENE FRONT DER RUHRKUMPEL

Die IGBE-Bonzen sind uns hinterhältig in den Rücken gefallen. Sie haben offen die Interessen der Kumpel verraten. Jetzt müssen wir selbst den Kampf aufnehmen.

IM GEMEINSAMEN KAMPF SIND WIR STARK!

Ohne uns Kumpel holen die Zechenherren keinen Krümel Kohle aus der Erde. Wenn wir zusammenhalten, können wir siegen.

VERTRAUEN IN DIE EIGENE KRAFT!

Unsere Forderung muss sein:

DIESE LOHNORDNUNG MUSS VOM TISCH!

15% LOHNERHÖHUNG FÜR ALLE!

Die IGBE-Führer und einige Handlanger in den Betriebsräten werden alles daransetzen, den Schandvertrag zu verteidigen und das Lohndiktat durchzudrücken.

Sie werden von der 'schwierigen wirtschaftlichen Lage der RAG' reden, sie werden mit Entlassungen und Stillegungen drohen. Lasst euch nicht einschüchtern! Lasst euch nicht betrügen! Lasst euch nicht spalten!

GEGEN DAS KOMPLOTT VON ZECHENHERREN, SPD-REGIERUNG UND IGBE-FÜHRERN - DIE GESCHLOSSENE KAMPFFRONT DER RUHRKUMPEL!

Die KPD/ML wird Euren Kampf unterstützen. Nehmt Kontakt zu uns auf! In wenigen Tagen ist der 1. Mai, der Kampftag der Arbeiterklasse. Die KPD/ML ruft alle Arbeiter zum Kampf gegen die Verrätereien der SPD-Regierung und ihrer Handlanger auf. Jetzt müssen wir erst recht den Kampf gegen das RAG-KOMPLOTT führen.

Reihen wir uns alle ein in die 1. Mai-Demonstration der KPD/ML in Dortmund.

HERAUS ZUM ROTEN 1. MAI!“ (37)

Der KJVD berichtete vom 21. 4. von der Zeche Prosper (Bottrop):

„Nur eine Woche später schlossen die IGBE-Führer ihren verräterischen 7,3%-Tarifvertrag ab. Wie bei der Lohnordnung waren KPD/ML und KJVD wieder die ersten, die am nächsten Morgen die Kollegen informierten. Wir erklären, dass auch für Lehrlinge nach dem Willen der IGBE-Führer nur die 7, 3% gelten sollen. Das sind für die meisten gerade 20 DM mehr im Monat! Als die Betriebsräte eine Stunde später im Betrieb ankamen, um ihre Flugblätter zu verteilen, wurden sie von einigen einfach ausgelacht.“ (38)

Die KPD/ML-ZB berichtete von der Verteilung des Extrablattes ihrer RAG-Betriebsgruppen aus Westerholt, Zeche Polsum am 21.4.:

„Um 5 Uhr 25 wollte ich vor der Zeche Polsum das Extrablatt 'Kampf dem Lohndiktat' verteilen. Ich fuhr auf den Parkplatz vor der Zeche und ging mit einem Packen Extrablätter vors Tor.

Dort standen schon vier Betriebsräte und verteilten das Einheitstelegramm. Als ich vor dem Tor ankam, wurde ich von ihnen auf der Stelle weggejagt, mit der Begründung, dass ich auf Zechengelände stünde. Ich verzog mich etwa 15 m vors Zechentor und verteilte unser Extrablatt auf dem Parkplatz. Ich gab jedem Kollegen drei Extrablätter mit der Bemerkung: 'Ich werde von den IGBE-Bonzen vom Tor weggejagt. Verteil zwei Blätter an deine Kollegen.' Fast alle Kumpel erklärten sich dazu bereit und schimpften auf die Bonzen.

Die Kumpels, die mit den Bussen kamen, hielten direkt vorm Tor. Ich sprang jedes mal sofort wenn die Busse hielten hinzu und verteilte das Extrablatt. Solange die Kumpels dabei waren, hielten die Bonzen den Mund, sobald sie aber verschwunden waren, drohte sie mir mit der Polizei. Als eine Flaute im Zustrom der Kumpel eintrat, kam der Betriebsrat auf mich zu und verjagte mich auch vom Parkplatz.

In der Zwischenzeit hatte ich ca. 40 Kumpels davon unterrichtet, dass mich die Bonzen vom Zechentor weggejagt hatten. Ungefähr zehn Kumpels, die sich schon umgezogen hatten, kamen aus der Zeche heraus und holten 20 Blätter für ihre Kollegen. Alle hatten schon von dem Zwischenfall mit dem Betriebsrat gehört. Gegen 6 Uhr kamen die ersten Nachtschichtler aus der Grube und gingen zu den Bussen. Einige kamen 500 m weit zu mir, um mehrere Extrablätter für ihre Kollegen im Bus zu holen. Drei Kumpels nahmen je 30 Stück mit und verteilten sie vor dem Tor, vor den Augen der Betriebsräte. Die Busse, die den Parkplatz verließen, waren voll von Kollegen, die, wenn sie mich sahen, demonstrativ das Extrablatt hochhielten.

Wenn in einem Bus nicht alle das Extrablatt hatten, hielt der Bus an und ich konnte einige Blätter im Bus verteilen. Ein Busfahrer sagte mir, dass die IGBE-Bonzen gedroht hatten, mich windelweich zu schlagen, wenn sie mich allein vorm Tor erwischen würden. Auch alle Privatwagen hielten mit heruntergedrehter Scheibe an oder zeigten, dass sie schon das Extrablatt hatten. Ich behielt kein Flugblatt über.“ (39)

Über den „Verrat der DKP-Führer“ während der Bergbautarifrunde berichtete das ZB:

„Am 20.4. wurde der Lohndiktatsabschluss der IGBE-Führer bekannt gegeben. Die KPD/ML hat noch am selben Abend die Kumpel in den wichtigsten Zechen von dem Tarifverrat informiert und am nächsten Tag ein zentrales Flugblatt mit der Parole 'Kampf dem Lohndiktat' vor den Zechen verteilt. (...)

Wie haben sich die D'K'P-Führer zu diesem Verrat der Gewerkschaftsführer verhalten? Über die Erklärung einzelner örtlicher D'K'P-Bonzen, der Abschluss sei 'eine gute Sache' berichteten wir bereits ... In einer Erklärung des Bezirksvorstands der D'K'P Ruhr-Westfalen (DKP-Pressedienst, 22.4.), also einer Erklärung, die nur an die Redaktionen der bürgerlichen Zeitungen, nicht an die Kumpel ging, heißt es 'Geheimverhandlungen mit unzumutbarem Ergebnis ... Die DKP ist der Meinung, dass das in Geheimverhandlungen zustande gekommene Tarifangebot als unzumutbar abzulehnen ist. Hätte der Hauptvorstand den Willen und die Kampfbereitschaft der Bergarbeiter für höhere Löhne in die Waagschale geworfen, wäre ein anderes, ein besseres Ergebnis herausgekommen. Es geht um die Interessen der Bergarbeiter, denn selbst die neue Lohnordnung bedeutet, wie der Hauptvorstand selbst erklärt hat, grundsätzlich keine Lohnerhöhung.

Jetzt müssen sich die Mitglieder und Funktionäre zu Wort melden und sollten die Einberufung einer Ruhr-Funktionär-Konferenz fordern, die über die Methode und das Angebot zu entscheiden hat ... Insgesamt können wir also sagen, dass die D'K'P-Führer bei dem Verrat der IGBE-Führer nicht das Geringste unternommen haben, um die Kumpel zum Kampf gegen das Lohndiktat aufzurufen. Nirgends wurden Flugblätter der D'K'P vor den Zechen verteilt, nirgends haben die D'K'P-Führer die rechten IGBE-Führer offen angegriffen.

In der 'UZ' wird der Tarifverrat auf der ersten Seite nur in einem kleinen Nebensatz erwähnt, auf der zweiten Seite in zwei Kommentaren behandelt. Auch hier werden nicht etwa die Kumpel zum Kampf aufgefordert, sondern der Hauptvorstand ermahnt, die Kampfbereitschaft der Bergarbeiter in die Waagschale zu werfen (vgl. Presseerklärung) und die Funktionäre zur Einberufung einer 'Ruhr-Funktionärskonferenz' aufgefordert: die D'K'P-Führer fallen also den kampfbereiten Kumpeln in den Rücken, indem sie die Auseinandersetzung aus den Betrieben heraushalten wollen, statt zum Kampf in den Betrieben zu einer Konferenz der Funktionäre aufrufen. Außerdem benutzen die D'K'P-Führer die Gelegenheit wieder, um ihre sozialdemokratischen Verstaatlichungspläne zu propagieren. Die D'K'P-Führer breiten hier wieder die Theorie aus, dass die kapitalistische Misswirtschaft in der BRD durch Überführung in Gemeineigentum' abgeschafft werden könne. In dem Kommentar von Heinz Czymek in der UZ vom 1. 5. heißt es: 'Schauen wir uns das makabre Spiel bei der Ruhrkohle an: Da stolpern die Kohlebarone seit 12 Jahren von Krise zu Krise und zeigen sich total unfähig, wirtschaftliche und soziale Probleme zu bewältigen. Trotzdem dürfen diese Bankrotteure weitermachen. ... Die Krise der Profitwirtschaft im Bergbau zeigt, wie notwendig es ist, die Macht der Großunternehmer durch Mitbestimmung der Arbeitenden einzuschränken und die Schlüsselindustrien in Gemeineigentum zu überführen.

Damit versuchen die D'K'P-Führer den Klassencharakter des kapitalistischen Staates zu vernebeln. Zwar erklärt Czymek selbst im selben Artikel, dass die Brandt-Regierung 'die Unternehmerwünsche vollauf erfüllte', gleichzeitig behauptet er aber mit der Verstaatlichungsforderung nichts anderes als dass im staatsmonopolistischen Kapitalismus die Verstaatlichung eine Einschränkung der Macht der Monopole mit sich bringen würde; das heißt für die Revisionisten - Schwächung des Monopolkapitals durch Ausdehnung des staatsmonopolistischen Sektors, Aufhebung des Krisengesetzes durch die Verstaatlichung (gegen die 'Bankrotteure'!) und Leugnung der Notwendigkeit der Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparats.

Tatsächlich steht aber unter den Bedingungen des staatsmonopolistischen Kapitalismus in der BRD der Staatsapparat fest unter der Kontrolle des Monopolkapitals; eine Verstaatlichung kann unter diesen Bedingungen das Monopolkapital nicht schwächen, sondern nur stärken: Deshalb kann der Kampf der Arbeiterklasse und ihrer Partei im hochentwickelten staatsmonopolistischen Kapitalismus auch nicht der Kampf um 'demokratische Erneuerung' sein, sondern muss auf die Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparats, auf die Diktatur des Proletariats ausgerichtet sein.“ (40)

Die KPD/ML-ZB berichtete am 22.4. über den Tarifabschluss der IGBE:

„Die rechten Gewerkschaftsbonzen nach ihrem üblen Verrat (...) jetzt, den Widerstand der Kumpel gegen die neue Lohnordnung und gegen die Durchsetzung des Lohndiktats in den Geheimtarifverhandlungen zu zersplittern und zu schwächen.

In einem Artikel, der am letzten Donnerstag (22.4.) in der Buerschen Zeitung erschien, behaupten sie frech, alle Bergarbeiter seien äußerst zufrieden mit den 7, 3%! Unter der Überschrift: 'BERGLEUTE BEGRÜSSEN ERGEBNIS DER 'BLITZ'-TARIFVERHANDLUNGEN' heißt es dort wörtlich:

'Die Bezirksleitung Ruhr-Nordwest der IG Bergbau und Energie ließ gestern in den Betrieben ihres Bereiches über 20 000 Flugblätter verteilen, die über das Ergebnis der geheim geführten Tarifverhandlungen für den Bergbau informierten. An dem Abschluss haben BEZIRKSLEITER HEINZ KOPROWSKI sowie der VORSITZENDE DES GESAMTBETRIEBSRATS der Bergbau AG Herne/Recklinghausen KARL-HEINZ MROSS (Westerholt/Bergmannsglück (in Herten, d. Vf.) MASSGEBLICH MITGEWIRKT. Noch während der Nacht besuchte Koprowski die heimischen Zechen, um mit den Bergleuten von Nacht- und Morgenschicht über das Verhandlungsergebnis zu sprechen.

Dabei gewann er diese Eindrücke: Die Belegschaft des Verbundbergwerks Bergmannsglück/Polsum/Westerholt ist besonders erfreut darüber, dass die Nachtschichtzulage von 2 DM auf 4 DM erhöht worden ist. AUCH DIE TATSACHE, DASS ausgehend von der neuen Lohnordnung (die die bisherigen übertariflichen Vereinbarungen regelt) ab 1. Juni 7, 3% LOHNERHLÖHUNG ZU GEWÄHREN SIND, WURDE BEGRÜSST.

Mehr als 80% der Betriebsangehörigen erhalten mehr Geld. Die Belegschaft der Zeche Hugo (in Gelsenkirchen, d. Vf.) äußerte Genugtuung darüber, dass die Lohnerhöhung um 7, 3% in Verbindung mit der neuen Lohnordnung eine effektive Einkommenssteigerung um mehr als 10% bedeutet. Bemerkenswert nennt Koprowski eine Stellungnahme der örtlichen kommunistischen Partei (DKP), in der der Tarifabschluss als 'EINE GUTE SACHE' bezeichnet wird. DIE DKP DISTANZIERE SICH DABEI SCHARF VON DER KPD/ML (Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten), die Kritik an dem Lohnabkommen geübt hatte.

Die Nordstern-Bergleute (in Gelsenkirchen, d. Vf.) beurteilten besonders die Erhöhung des Weihnachtsgeldes positiv. Gleiche Zustimmung fand der Tarifabschluss bei den Beschäftigten der Kokereien Scholven, Hassel, Hugo und Bismarck (alle Gelsenkirchen, d. Vf.). Koprowski: 'DIE BERGLEUTE SIND ALLGEMEIN MIT DEM ABKOMMEN ZUFRIEDEN UND ÄUSSERTEN ANERKENNUNG FÜR DEN HAUPTVORSTAND DER IGBE'. Nicht zuletzt angesichts der schleppenden Tarifverhandlungen in der chemischen Industrie (CTR der CPK, d. Vf.) und in der Berufssparte Banken (HBV-Bereich, d. Vf.). SEI DER SCHNELLE ABSCHLUSS DES NEUEN TARIFVERTRAGS IM BERGBAU BEACHTLICH.' Dass diese Behauptungen von hinten bis vorne erlogen sind, zeigen die Berichte vom Verteilen des KPD/ML-Extrablattes am 21.4.1971.“ (41)

Die DKP Gelsenkirchen nahm die Kritik der KPD/ML-ZB auch zum Anlass, über ihre Kontakte zur bürgerlichen Presse in gewisser Weise Einfluss auf die Öffentlichkeit zu nehmen. In einer Ausgabe der „Buerschen Zeitung“ in Gelsenkirchen, die vermutlich am 22./23.4. erschien, kritisierte sie die Stellungnahme der KPD/ML-ZB zum Tarifabschluss. (42)

Über eine Filmveranstaltung der Betriebsgruppe der KPD/ML-ZB General Blumenthal, die auf einer Veranstaltung am 24.4. in Recklinghausen den Film zeigte „Wir waren vorbereitet, morgen früh um 6 Uhr in den Streik zu treten“, berichtete der „KND“:

„BERICHT ÜBER DIE FILMVERANSTALTUNG DER KPD/ML-BETRIEBSGRUPPE BLUMENTHAL IN RECKLINGHAUSEN.

Die Filmveranstaltung am 24. 4. war die erste öffentliche Veranstaltung der BG Zeche Blumenthal für die Kollegen. Sie war in der Betriebszeitung 'Der Stempel' angekündigt worden.

Gezeigt wurde der Film über den Verrat der IGBE-Führer bei den Tarifverhandlungen 1966. Sie hatten damals mit großen Worten die Kollegen mobilisiert und es bis zur Urabstimmung kommen lassen, in der sich die Kollegen mit übergroßer Mehrheit für den Streik ausgesprochen hatten, und dann, kurz vor Beginn des Streiks mit den Zechenherren einen 4%-Verrat ausgehandelt! Zur Veranstaltung kamen 15-20 ältere Kollegen, 10-15 jüngere Kollegen und Mitglieder und Sympathisanten des KJVD und der Partei. Schon während des Film kamen die ersten Reaktionen von den Kollegen: Als Arendt (damaliger IGBE-Führer) und andere Verräter mit großen Worten die Einheit und den Kampfwillen beschworen, lachten die Kollegen und nannten Arendt einen Schauspieler.

Begeisterte Zustimmung gab es, als im Film gezeigt wurde, wie nach dem Verrat die Delegierten aus den Betrieben auf einer großen Versammlung Arendt und seinen Kumpanen vorwarfen, hinter dem Rücken der Kumpel diesen Kompromiss eingegangen zu haben, als sie erbittert feststellten, dass ihre Gewerkschaftsführer sie verraten hatten.

Nach dem Film, der sehr anschaulich die Verrätereien der Gewerkschaftsführer zeigte, wurde von einem Vertreter der KPD/ML ein kurzes Referat gehalten. Er erklärte, dass es sich die Gewerkschaftsbonzen heute nicht mehr leisten könnten, die Kumpel bis zum Streik zu mobilisieren und sie dann wieder zurückzupfeifen, weil die Kollegen heute kampfstärker sind und viele Illusionen in die Führer verloren haben.

Das zeigte sich ja deutlich beim 7,3%-Verrat, den sie hinter dem Rücken der Kumpel in Geheimverhandlungen mit den Zechenherren und der SPD-Regierung ausgehandelt haben; sie haben überhaupt keine Forderungen mehr aufgestellt weil sie schlecht wieder von ihnen heruntergekommen wären.

Die KPD/ML war die einzige Partei, die direkt nach dem Tarifverrat in ihren Betriebszeitungen darüber berichtete; sie hatte die Kollegen auch vor einigen Wochen als erste über die neue Lohnordnung informiert.

Der erste Teil der Diskussion drehte sich dann um die Frage: Was sollen wir bei den Führern noch mit den Gewerkschaften? Sollen wir die Mitgliedsbücher hinwerfen? Ein Kumpel fragte: 'Wo sind die Herren von der IGBE? Die haben doch auch von dieser Veranstaltung gewusst und hier hätten sie doch Farbe bekennen können.

Doch sie sind nicht gekommen, wenigstens nicht in den Raum - denn Kumpel, wenn ihr genau geguckt habt, dann habt ihr gesehen, dass draußen überall an den Ecken die Wagen der Bonzen standen und drinnen saßen die Funktionäre, die wollten genau sehen, wer von den Kumpel zur Veranstaltung der KPD/ML geht!' Dies rief allgemeine Empörung hervor, doch alle Kollegen zogen die richtige Schlussfolgerung: 'Ohne Gewerkschaft sind wir nichts! Nur in und mit der Gewerkschaft können wir unsere Forderungen vertreten. Rausgehen, das ist der schwerste Fehler!' 'Deshalb müssen wir die Gewerkschaftsführer dahin bringen, dass sie unsere Interessen vertreten', meinte ein Kollege. Darauf erklärte ihm der Vertreter der KPD/ML: 'Wir werden die heutigen Gewerkschaftsführer nie dahin bringen, dass sie unsere Interessen vertreten. Lenin hat schon erklärt, dass die Kapitalistenklasse sich in der Epoche des Imperialismus mit einem Teil ihrer Extraprofite einige Arbeiter kauft, um die gesamte Arbeiterklasse zu spalten und zu verwirren. Deshalb müssen wir den politischen Kampf gegen die rechten Gewerkschaftsführer aufnehmen. Und da können wir uns nicht allein auf Anträge zur Satzungsänderung usw. verlassen, da müssen wir als Grundvoraussetzung dieses Kampfes starke Betriebsgruppen aufbauen, die die Kollegen in den Betrieben aufklären und mobilisieren und so die Gewerkschaften erobern.' Die Kollegen unterstützten dies und einer erklärte: 'Wie kann man erwarten, dass die Gewerkschaftsführer unsere Interessen vertreten, wenn sie doch selbst bei den Arbeitgebern mit drin sitzen und damit selbst praktisch auch schon unsere Arbeitgeber sind!

Der zweite Teil der Diskussion drehte sich um den 1. Mai und was die Arbeiterklasse und ihre Partei am 1. Mai für Aufgaben hat. Ein Vertreter der KPD/ML erläuterte kurz unsere politische Linie zum 1. Mai. Hier gab es eine heftige Diskussion. Ein DKP-Mitglied, der abgesehen von den ideologischen Differenzen zunächst den Reden der KPD/ML zugestimmt hatte, meinte nun: 'Man kann es als Trennung von den Gewerkschaften und als Spaltung auffassen, wenn ihr eine eigene Demonstration (in Dortmund, d. Vf.) macht. Man sollte auf den Veranstaltungen des DGB die klassenbewussten Kollegen ansprechen und sie agitieren.' Ein anderer Kollege von der christlichen Gewerkschaft (des CGB, d. Vf.) schlug sogar vor, man solle doch ins Fernsehen gehen und dort die Forderungen, die wir haben, vorbringen, da hätte man doch eine viel größere Öffentlichkeit und keiner könnte sagen, die demonstrieren unter roten Fahnen. Doch diese Äußerungen stießen auf den entschlossenen Widerstand der anderen Kollegen: 'Ins Fernsehen kommst du doch gar nicht rein! Das ist doch das Fernsehen der herrschenden Klasse, da können wir nie den Mund aufmachen. Und wir schämen uns auch nicht unter der Fahne der Kommunisten auf die Straße zu gehen. Im Gegenteil, wir sind froh, dass es wieder Kommunisten gibt. Auf der DGB-Veranstaltung von heute sind sowieso keine klassenbewussten Kollegen mehr. Da können wir auch unsere Forderungen nicht vertreten; wenn da ein Kommunist was sagen will, dann kriegt er doch von den Gewerkschaftsbonzen die Arme umgedreht und den Saft vom Mikrophon abgedreht. Nein, wir brauchen eine eigene Demonstration und Kundgebung, wo wir unsere Forderungen vortragen können! Wir müssen selbst auf die Straße gehen und wenn wir auch nur ein paar Mann sind, wir werden mehr, das ist klar! 1927 und 1928 in der Wirtschaftskrise hat die KPD auch eigene Veranstaltungen gemacht und die KPD war keine Spalterpartei; sie hat die Interessen der Arbeiterklasse vertreten und das ist es, was wir heute auch tun müssen.' Ein Sprecher der KPD/ML unterstützte diese Erklärungen und sagte: 'Wenn wir die Arbeiter zu einer eigenen Demonstration auffordern, so sind wir nicht antigewerkschaftlich, sondern nur Anti-Gewerkschafts- und SPD-Führer! Und wir machen doch nicht eine interne Veranstaltung der Kommunisten, sondern wir laden eben alle Kollegen ein, sich bei uns zu beteiligen, Hauptsache sie unterstützen unseren Kampf unter unseren Hauptlosungen!' (Großer Beifall bei den Kollegen)

Im dritten Teil der Diskussion ging es um die Frage: Was können wir denn jetzt im Betrieb machen? Ein Kollege wies darauf hin, dass die Verbindung zwischen den Kumpeln in den Revieren jetzt sehr schwierig geworden ist; früher fuhr man immer zu Hunderten gleichzeitig zur Schicht an, heute wird den ganzen Tag über eingefahren und dann fast immer allein oder noch mit ein oder zwei Mann, man kann ja mit niemandem mehr reden, über das, was passiert. Die Kapitalisten haben sich das schon sehr gut ausgedacht. Ein alter Kommunist meinte: 'Ihr müsst vor allem in den Belegschaftsversammlungen auftreten und den Kollegen sagen, was los ist. In dieser Öffentlichkeit müsst ihr vom Leder ziehen, damit die Kollegen sehen, ihr seid da.' Ein Vertreter der KPD/ML wies darauf hin, dass man auf jeden Fall vorsichtig vorgehen müsse, da Kollegen, die zu offen aufgetreten sind, schon oft genug aus dem Betrieb geflogen sind. Deshalb sei im Moment vor allem der Aufbau und die Vergrößerung der KPD/ML-Betriebsgruppe wichtig. Der Kommunist erkannte dies an und meinte dann richtig: 'Dann muss man eben auf den Betriebsversammlungen hauptsächlich Fragen stellen, wozu der Betriebsrat Stellung nehmen soll und mehr erst einmal nicht.' Der Hinweis wurde von allen zustimmend aufgenommen. Der Vertreter der KPD/ML betonte noch einmal, dass es in den nächsten Wochen vor allem darauf ankommt, gegen die Durchsetzung der Lohnordnung alle Informationen an die Betriebszeitungen der KPD/ML weiterzugeben, damit diese sie für alle Kumpel, auch auf den anderen Schachtanlagen verbreiten könne, weil nur so die Grundlage für einen Kampf gegeben ist.“ (43)

Eine weitere Veranstaltung zum Thema Lohnordnung fand in Bottrop am 25.4. statt. Veranstalter war die Betriebsgruppe Prosper der KPD/ML-ZB. Die KPD/ML-ZB berichtete darüber: „Laut einer Extraausgabe des 'Hobel' - Zeitung der Betriebsgruppe Prosper der KPD/ML-ZB in Bottrop findet eine Veranstaltung der KPD/ML-ZB Betriebsgruppe Prosper in Bottrop statt. U. a. soll der Film 'Wir waren vorbereitet, morgen früh um 6 Uhr in den Streik zu treten' gezeigt werden. (44)

Der „KND“ formulierte am 25.4.: „DIE KUMPEL DER ZECHE 'EWALD' HABEN am letzten Sonntag auf der Belegschaftsversammlung ÜBER LOHNORDNUNG UND LOHNTARIF ABGESTIMMT UND DIE KLARE MEHRHEIT LEHNTE BEIDES AB!“ (45)

Die „Rote Fahne Nr. 8/1971 der KPD/ML-ZB erschien vermutlich am 26.4. mit dem Leitartikel: „Bergbau-Tarifrunde '71: Nur 7,3% mehr. Schillers Lohndiktat in Geheimverhandlungen anerkannt. Mit der KPD/ML gegen das Komplott von Monopolherren, SPD-Regierung und Gewerkschaftsführern.“ Ausgeführt wurde:

„Nach wochenlangen Geheimgesprächen haben die IGBE-Führer und die Zechenherren einen neuen Tarifverrat beschlossen, sie einigten sich auf: Durchsetzung der neuen Lohnordnung: 7, 3% Lohnerhöhung, 2 DM mehr Nachtschichtzulage, 100 DM mehr Weihnachtsgeld ... Damit haben die IGBE-Führer Schillers Lohndiktat von 7% anerkannt. Während der Geheimverhandlungen in den letzten Wochen standen Ruhrkohle-AG-Bosse und IGBE-Führer in dauernder Verbindung mit der SPD-Regierung. Schiller wird den Zechenherren und ihren Handlangern weitere Millionen zuschanzen, wenn nur sein 7, 3-Prozent-Lohndiktat durchgesetzt wird ... Zechenherren, SPD-Regierung und IGBE-Führer missbrauchen das Vertrauen, dass viele Kumpels in sie haben. Die Bonzen wurden für ihren Verrat mit 34 Aufsichtsratsposten und 55 Direktorensesseln belohnt. Für die Kumpels bringt die von ihnen geschaffene 'Einheitsgesellschaft' nur neue Stillegungen und Lohnraub durch die neue Lohnordnung ... Die Heimlichtuerei der IGBE-Führer mit dem neuen Tarifvertrag und der neuen Lohnordnung hat seinen Grund.

Im Krisenjahr 1971 fürchten die SPD-Minister und die IGBE-Führer um ihre Pöstchen. Die Zechenherren und Stahlbarone drohten der SPD-Regierung, sie soll ihren Sessel räumen, wenn es ihr nicht gelingt, die Löhne zu drücken ... Die IGBE-Führer und einige Handlanger in den Betriebsräten werden alles dransetzen, den Schandvertrag zu verteidigen und das Lohndiktat Durchzudrücken ... Gegen das Komplott von Zechenherren, SPD-Regierung und IGBE-Führer - Die geschlossene Kampffront der Ruhrkumpel! In wenigen Tagen ist der 1. Mai, der Kampftag der Arbeiterklasse.

Die KPD/ML ruft alle Arbeiter zum Kampf gegen die Verrätereien der SPD-Regierung und ihrer Handlanger auf. Jetzt müssen wir erst recht den Kampf gegen Lohndiktat und RAG-Komplott führen. Reihen wir uns alle ein in die 1. Mai-Demonstration der KPD/ML in Dortmund. Kampf dem Lohnraub! Kampf dem Lohndiktat! Gegen die Verrätereien der SPD-Regierung die geschlossene Front der Arbeiterklasse.“

Weitere Artikel waren:

Im Artikel „Die KPD/ML stärken. Vorbereitungen auf den 1. Mai 1971“ hieß es:

„Welche Rolle die Kommunistische Partei am 1. Mai spielen kann, richtet sich nach ihrer eigenen Entwicklung, die sich, wie der Genosse Stalin festgestellt hat, in drei Etappen vollzieht, von denen wir hier nur die ersten beiden erläutern: In der ersten Etappe ist die Partei noch schwach, ihre strategischen und taktischen Möglichkeiten sind begrenzt, ihre organisatorische Hauptaufgabe besteht darin, die besten, aktivsten und der Sache des Proletariats ergebensten Kräfte der Arbeiterklasse für die Partei zu gewinnen.

Es ist die Etappe der Massenagitation. In der zweiten Etappe verwandelt sich die Partei in die wichtigste treibende Kraft, in ein Werkzeug der Arbeiter- und Bauernmassen, in ein Werkzeug zur Führung des Kampfes für den Sturz der Macht des Kapitals. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Partei steht nicht mehr die Partei selbst, sondern die Millionenmassen der Bevölkerung ... In der ersten (Periode) wird der 'Grundkern der Partei' geschaffen, in der zweiten entwickelt sich das nationale Gerippe für die zukünftige Arbeiterpartei: in der dritten wandelt sich die Partei zur Arbeiterpartei; die Mehrheit der Arbeiterführer stoßen zu ihr.“

Daraus zog die KPD/ML-ZB die Konsequenz:

„Diese Aufgabe kann die KPD/ML gegenwärtig nur teilweise erfüllen. Politisch ist die KPD/ML eindeutig in der Lage, die westdeutsche Arbeiterklasse zu führen. Mit ihrer Hauptparole zum 1. Mai 1971: 'Kampf dem Lohnraub - Kampf dem Lohndiktat! Gegen die Verrätereien der SPD-Regierung die geschlossene Front der Arbeiterklasse!' hat sie den Hauptfeind, die rechten SPD-Führer und ihre Helfershelfer in der Gewerkschaftsspitze beim Namen genannt. Durch ihr Zentralorgan, die ROTE FAHNE, die alle 14 Tage erscheint und größtenteils vor Betrieben verkauft wird, durch 45 Betriebszeitungen, macht die KPD/ML bereits große Teile der Arbeiterklasse mit ihrer Politik bekannt ... Diese politische Stärke erreichte die KPD/ML nicht sofort. Erst 1969 zum 50. Jahrestag der KPD gegründet, fand die Partei nur nach inneren Schwierigkeiten, Kämpfen und Abspaltungen den Weg zur Arbeiterklasse. Deshalb ist die KPD/ML organisatorisch schwach.

Nur kleine Gruppen von Arbeitern sind in ihr organisiert. Vor ihr steht die Aufgabe, die Mehrheit der fortgeschrittenen Arbeiter für sich zu gewinnen. Das bedeutet nichts anderes als: die KPD/ML befindet sich noch am Anfang der von Genossen Stalin beschriebenen dritten Periode der ersten Etappe, die eine kommunistische Partei in ihrer Entwicklung durchlaufen muss.

Damit hinkt die KPD/ML eindeutig ihrer organisatorischen Reife nach hinter dem Stand der Klassenkämpfe her. Sie kann noch nicht die Kämpfe selbständig anleiten und anführen.

Organisatorisch muss die KPD/ML am 1. Mai 1971 erreichen, dass die fortschrittlichsten Teile der Arbeiterklasse, die Führer der spontanen Kämpfe Vertrauen zur Politik der Partei gewinnen, zu ihr stoßen und ihre noch schwachen Reihen verstärken, damit die Entwicklung der Partei Anschluss an den Stand der Klassenkämpfe erhält. Deshalb heißt die organisatorische Hauptparole: Organisiert Euch in den Betriebsgruppen der KPD/ML! Die Partei hat deshalb entschieden, nicht an den Maifeiern 1971 des DGB teilzunehmen.

Das liegt nach dem Stand der Kräfte auf der Hand. Auf der Seite der Partei stehen die noch nicht sehr zahlreichen Mitglieder, der mitgliedermäßige stärkere Jugendverband der KPD/ML, der KJVD, Sympathisanten aus den Betrieben und Sympathisanten aus anderen Schichten des Volkes.

Auf der Seite des DGB stehen die SPD-Führer mit ihrem ganzen Parteiapparat, die Mitglieder, die gut bezahlte Posten im gewerkschaftlichen Apparat, als Aufsichtsräte oder Arbeitsdirektoren in Betrieben oder als Abgeordnete in den Parlamenten haben. Dazu kommen noch die Kollegen mit gut bezahlten Arbeitsplätzen, die die Entlassung nicht zu fürchten brauchen, die Meister, Vorarbeiter, Kolonnenführer. Und schließlich nicht zu vergessen, die Staatsmacht, die die Kundgebungen des DGB schützt ... Die KPD/ML dagegen wird in den wichtigsten westdeutschen Industriezentren im Ruhrgebiet eine eigene Demonstration mit anschließender Kundgebung durchführen und dabei als eigenständige politische Kraft auftreten. Diese Demonstration ist keine Kampf- sondern Agitationsdemonstration, mit der die Partei den richtigen Weg zum Kampf gegen den Kapitalismus und zur Diktatur des Proletariats weist. Nur so kann sie ihrer Aufgabe und ihren begrenzten organisatorischen Möglichkeiten entsprechen.

Darüber hinaus wird die Partei die Maikomitees unterstützen, die sich in Westberlin und in Hamburg im Kampf gegen die Absicht der DGB-Führer, den 1. Mai als Kampftag der Arbeiterklasse abzuschaffen, gebildet haben. Sie wird sich anderen Demonstrationen anschließen und dabei mit anderen Organisationen Bündnisse nach dem Prinzip 'Einheit der Aktion - Freiheit der Losungen' eingehen.“ (46)

Gleichzeitig berichtete die KPD/ML-ZB am 26.4. über einen Zeitungsartikel der IGBE Bezirk Ruhr-Nordwest und schrieb dazu:

„Kumpels, dieser Artikel ist ein Hohn für alle Bergarbeiter. Mross und Koprowski lassen sich hier loben für ihre 'maßgebliche Mitwirkung' am 7,3%-Tarifverrat. Sie wollen uns vormachen, alle Kumpel wären mit ihrem Geheimvertrag einverstanden. Damit wollen sie unseren Widerstand gegen Lohnordnung und Lohndiktat schwächen und zersplittern. Da muss man sich doch fragen: wenn die neue Lohnordnung wirklich so gut ist, warum wird sie nicht rechtzeitig im Betrieb bekannt gegeben, warum wird sie verschwiegen? Wenn der Lohntarif wirklich so gut ist, warum haben wir nie etwas von Verhandlungen und Forderungen der IGBE-Führer gehört, sondern sind gleich vor vollendete Tatsachen gestellt worden? wenn alle Kumpel so zufrieden mit dem Tarifvertrag sind, warum wollen dann einige Betriebsräte auf Polsum die Verteilung unseres Extrablattes verhindern?

Die Wahrheit ist doch: Die meisten Kumpel lehnen den Tarifverrat ab. Wir sind vorher nicht gefragt worden, denn die IGBE-Führer wussten, dass wir ihr Spiel nicht mitgemacht hätten. Statt dessen haben die IGBE-Führer wochenlang mit den Zechenherren und der SPD-Regierung verhandelt. Am Samstag erklärte der Bezirksleiter Homann in Recklinghausen sogar, DASS DER HAUPTVORSTAND WEGEN DER 7,3% MEHR MIT DER SPD-REGIERUNG ALS MIT DEN KAPITALISTEN VERHANDELT HABE. So haben die IGBE-Führer unsere Interessen verraten. Und darum ist die Losung der KPD/ML:

KAMPF DEM LOHNDIKTAT!

KAMPF DEM LOHNRAUB!

GEGEN DIE VERRÄTEREIEN DER SPD-REGIERUNG DIE GESCHLOSSENE FRONT DER ARBEITERKLASSE!“ (47)

Die KPD/ML-ZB berichtete über den Abschluss in der Bergbautarifrunde aus Recklinghausen am 28.4.:

„Die IGBE-Führer verstärken ihre demagogischen Manöver zur Täuschung und Verwirrung der Bergarbeiter und versuchen so den Widerstand der Kumpel gegen Lohnordnung und Lohndiktat zu schwächen. Gleichzeitig wollen sie die Bergarbeiter gegen die KPD/ML aufhetzen, die die Kollegen als einzige rechtzeitig auf den bevorstehenden Verrat hingewiesen und die neue Lohnordnung veröffentlicht hat, die als einzige den Kampf der Kumpel gegen den Tarifverrat unterstützt. So heißt es in einem Artikel in der Recklinghäuser Zeitung vom 28. 4. unter der Überschrift: 'BERGARBEITER NEHMEN VON DEN KOMMUNISTISCHEN AKTIONEN KEINE NOTIZ' und 'BELEGSCHAFTEN MIT DEM ERGEBNIS ZUFRIEDEN':

'Die Industriegewerkschaft Bergbau und Energie sieht sich in diesen Tagen einer heftigen Kritik ausgesetzt: Kommunistische Betriebsgruppen demonstrieren vor Zechentoren und verteilen Flugblätter an die Bergleute. Sie werfen dem Gewerkschaftsvorstand vor, 'hinter dem Rücken der Kumpel' einen Tarif 'ausgemauschelt' zu haben, der allein den 'Zechenherren und Stahlbaronen' nützt ... Wie reagieren die Bergleute auf solche Aktionen? Wir fragten den BETRIEBSRATSVORSITZENDEN DER SCHACHTANLAGE 'GENERAL BLUMENTHAL', Konrad Brandau (SPD-Mitglied und Mitglied des Aufsichtsrats der Bergbau AG Herne/Recklinghausen - Anmerkung der KND-Redaktion): 'DIE BELEGSCHAFT NIMMT VON DIESEN LEUTEN UND IHREM GEREDE KEINE NOTIZ.' Die Bergarbeiter, so sagte Brandau weiter, haben nämlich klar erkannt, dass sie ab 1. Juni etwa 11% mehr bekommen, wenn der Tarif in der vorliegenden Fassung verabschiedet wird. Die mit dem Unternehmerverband vereinbarte Lohnerhöhung von 7,3% wird nämlich auf die Sätze der neuen Lohnordnung gerechnet, die in den letzten Monaten ausgehandelt worden ist. Hinzu kommt eine Verdoppelung der Nachtschichtzulage von 2 auf 4 DM und eine Erhöhung des Weihnachtsgeldes von 400 auf 500 DM. Die Belegschaften sind, wie Brandau erkannt zu haben glaubt, mit diesem Ergebnis zufrieden.'

Dass die Bergarbeiter durch die neue Lohnordnung insgesamt eine Lohnerhöhung von 11% erhalten sollen, ist eine glatte Lüge. Wir haben schon ... beschrieben, wie die neue Lohnordnung dazu dienen soll, die Kollegen noch mehr anzutreiben und zu spalten. Dass die neue LOHNORDNUNG aber auch für einige Teile der Bergarbeiter direkte LOHNDRÜCKEREI bedeutet, zeigt der folgende Fall: Ein Schießmeister (das sind die Kumpel, die die Sprengungen unter Tage vornehmen) auf der Anlage Westerholt/Polsum (in Herten, d. Vf.) verdiente BISHER 63 MARK pro Schicht (Zechendurchschnitt plus 10% Zulage). Nach der neuen Lohnordnung wird er nach Lohngruppe 10 bezahlt (das sind 48, 40 DM) plus 7, 3% Lohnerhöhung (3,50 DM) plus 15% Zulage (7,78 DM), das sind nur 59,68 DM.“ (48)

Am 3. 5. 1971 berichtete die KPD/ML-ZB:

„SPD-FÜHRER, IGBE-FÜHRER UND BÜRGERLICHE PRESSE HETZEN AUF KPD/ML.

Die Betriebsgruppe Prosper der KPD/ML in BOTTROP verteilte nach dem 1. Mai ein Extrablatt ihrer Betriebszeitung 'DER HOBEL'. In diesem Blatt entlarvte sie das Komplott von SPD-, IGBE-Führer und der bürgerlichen Presse gegen die KPD/ML auf und nach der 1. Maifeier. Darin heißt es:

'1. MAI: KÜHN UND WAZ WOLLEN ARBEITER TÄUSCHEN!

Kumpels,

im Kampf gegen Lohndiktat und Lohnordnung war die KPD/ML die einzige, die fest auf der Seite der Kumpel stand. Sie veröffentlichte die Lohnordnung, sie informierte am gleichen Tag über das Lohndiktat, sie enthüllte die Beteiligung der SPD-Führer am Lohndiktat.

Jetzt wollen SPD- und IGBE-Führer die KPD/ML verleumden. In Recklinghausen und Buer erklärten sie, die Kumpel nähmen keine Notiz von den Flugblättern der KPD/ML, sondern seien zufrieden mit dem neuen Tarifvertrag! In Bottrop können die IGBE-Führer mit solchen billigen Lügenmanövern nicht ankommen.

Hier haben sie einen raffinierteren Umweg gewählt: 'KPD/ML will City-Hotel stürmen' und 'Keine Chance für Linksextremisten' tönte die WAZ über die 1. Mai-Schau von SPD-Kühn. Die Ruhrnachrichten (RN, d. Vf.) erfanden sogar eine neue Gruppe, die DKP/ML, die angeblich die Rednertribüne stürmen wollte.

So wollen sie allen Kumpels vormachen, dass wir eine kleine Gruppe seien, die zu abenteuerlichen Methoden greift. Nichts daran stimmt. Am Tag vor dem 1. Mai haben wir im letzten HOBEL-EXTRA ganz deutlich erklärt, dass wir nicht daran denken, mit großen Aktionen Kühns 1. Maischau aufzuwerten, sondern dass wir eine eigene 1. Mai-Demonstration in Dortmund durchführen.

Wir haben gerade einen Genossen in Bottrop gelassen zum Verkauf der ROTEN FAHNE. So sieht das aus mit dem Sturm der KPD/ML-Mitglieder auf das City-Hotel.

Was geschah denn am 1. Mai wirklich vorm City-Hotel? Einige Jugendliche, u.a. auch Falken (SJD der SPD, d. Vf.), hatten nach der Rede beschlossen, Kühn beim Wort zu nehmen. Er hatte getönt, dass er 'um jeden Jugendlichen ringe' - doch für linke Jugendliche gilt das nicht. Die Polizei wurde gegen sie eingesetzt und danach meldete sich der Einsatzleiter bei Kühn im Hotel, dass er die 'Apo' abgewiesen habe. Kühn war natürlich einverstanden! So ringt Kühn um die Jugend!

Ganz anders sieht es aus, wenn es um Jungnazis geht: als vor einigen Wochen eine solche Gruppe sein Haus mit Naziparolen beschmiert hatte, lud Kühn sie zum Kaffeetrinken und gemütlichen Plaudern ein! Das ist eine weitere Ermutigung der alten und jungen Nazis, sich noch mehr Frechheiten herauszunehmen. Auch hier bestätigt sich wieder, was im Mai-Aufruf der KPD/ML steht: DIE SPD-REGIERUNG SPIELT, OB SIE WILL ODER NICHT, DIE ROLLE EINES AKTIVEN WEGBEREITERS DES FASCHISMUS!

Mit ihren erfundenen Geschichten deckt die bürgerliche Presse nur die Verrätereien der SPD-Regierung. Am Vorabend des 1. Mai z.B. hatte Kühn die Frechheit, vor Gewerkschaftsfunktionären die Verlängerung der 10%- Lohnraubsteuer anzudrohen. Bei seiner Schau in Bottrop erwähnte er davon natürlich kein Wort. Und die WAZ? Sie verschwieg Kühns Reden zur Verlängerung der 10%-Steuer, aber dafür erfand sie Schauermärchen über die KPD/ML, die nicht stimmen. Kumpels, lasst Euch von den bürgerlichen Zeitungen nichts vormachen!

HOLT EINE WIRKLICHE ARBEITERZEITUNG INS HAUS, DIE ROTE FAHNE!“ (49)

Die KPD/ML-ZB konnte ihre hochgesteckten Ziele im Rahmen der Bergbautarifrunde nicht erreichen. Vor allem konnte sie die Bergarbeiter nicht dazu animieren, gegen die neue Lohnordnung zu stimmen. Unerwähnt sollte nicht bleiben, dass ZB und KJVD sogar mit eigenen Wahlurnen vor den Zechen standen, und die Bergarbeiter dazu aufforderten durch eine „Nein“-Stimme gegen die Lohnordnung zu stimmen. Unklar muss bleiben, was sie dadurch erreichen wollten. Zählbare Erfolge gab es nicht. Der „Hobel“ vom 10.5. sprach noch einmal in seiner Ausgabe die „neue Lohnordnung“ an.

„Es wird deutlich, dass die neue Lohnordnung immer mehr Nachteile für uns bringt:

SPALTUNG: Jetzt soll es 1. und 2. Maschinenhauer, 1. und 2. Elektrofacharbeiter und sogar drei Arten von Hauern geben. Alles soll so kompliziert gehalten werden, dass kaum noch jemand durchblickt.

MEHRARBEIT: Ältere frühere Gedingearbeiter, die in letzter Zeit Schichtlohnarbeiten durchgeführt haben, sollen jetzt bei der Direktion beantragen, dass sie wieder in den Streb kommen, sonst würden sie nämlich weniger verdienen. Das schönste dabei ist: Die Direktion hat vollkommen freie Hand und kann, wenn es ihr passt, diese Kumpel nach drei Monaten wieder aus dem Gedinge nehmen, ohne den Arzt zu fragen.

LOHNSTOP: Für viele von uns gilt nur noch die Besitzstandsregelung, bei der man keinen Pfennig mehr kriegt. Es geht sogar noch weiter, nach Paragraph 4 (3) des neuen Tarifvertrags wird der Lohn, der mehr als 20% über dem Tariflohn lag, als sogenannte 'AT-Zulage' Stück für Stück gestrichen. Genauso wie den Knappschaftsrentnern durch die CDU/SPD-Regierung die Renten 'abgeschmolzen' wurden, sollen einigen von uns die Löhne 'abgeschmolzen' werden. - Dieser Paragraph bedeutet für einige von uns Lohnstop für mehrere Jahre!

Die Prämien werden festgelegt: Wir dürfen nicht mehr als 20% dazu verdienen: Rechnen wir doch durch, was das heißt! Ein normaler Handwerker über Tage in der Lohngruppe 08 darf danach nicht mehr als 56 Mark verdienen. Das ist das höchste! Da jetzt Übertage Überschichten für die meisten nur noch mit schriftlicher Genehmigung des Betriebsführers verfahren werden dürfen, kann er dann, soviel er auch schafft, nicht mehr als 1 200 Mark brutto, also ca. 800 - 900 DM netto verdienen! Mehr darf er nicht bekommen. Kumpels, so sollen wir in der neuen Krise ausgeplündert werden. Wir Kommunisten sind dafür, dass die Überschichtenschinderei wegfällt, dass die Spanne zwischen Tariflohn und Effektivlohn beseitigt wird. Aber wir sind ganz klar dagegen, dass die Krise jetzt auf unsere Kosten gehen soll, dass wir in diesem Jahr vielleicht noch weniger Geld nach Hause bringen als im letzten Jahr, obwohl die Preise so wild wie heute seit 20 Jahren nicht mehr gestiegen sind.“ (50)

Am 27.5.1971 nahm noch einmal die „Rutsche“, Zeitung der Betriebsgruppe Minister Stein in Dortmund, Stellung zur neuen Lohnordnung im Bergbau.

„SPD-REGIERUNG PLANT LOHNSTOP!

KAMPF GEGEN DIE NEUE LOHNORDNUNG!

Mit dem 'Einheit-Extrablatt' vom 7. Mai haben die IGBE-Führer jetzt die neue Lohnordnung offiziell herausgebracht. Jeder hat es nun schwarz auf weiß, was diese Lohnordnung bedeutet: sie bedeutet Spaltung, Mehrarbeit und für viele Kumpel sogar Lohnstop! Darum erklärt die KPD/ML: DIESE LOHNORDNUNG MUSS VOM TISCH ! Als wir vor sechs Wochen die geheimgehaltene Lohnordnung der IGBE-Führer veröffentlichten, da wollten manche noch nicht glauben, dass die Gewerkschaftsführer einen solchen Verrat durchführen wollen.

Kumpels, vergleicht unser Rutsche-Extrablatt von damals mit dem der 'Einheit' und ihr werdet feststellen, dass die Löhne auf den Pfennig genau angegeben wurden, dass die Einstufung in die Lohngruppen fast genau übereinstimmt, auch wenn die äußere Aufmachung etwas anders aussieht.

Kumpels, heute kann jeder feststellen, was für Verrätereien die SPD-Regierung mit Hilfe der IGBE-Führer durchsetzen will. Nachdem Schmidt und Co Schillers Lohndiktat mit dem 7, 3% Abschluss (vgl. 20.4.1971,d. Vf.) anerkannten, sollen uns jetzt selbst die billigen 7,3% nicht sicher sein! Im 'Einheit Telegramm' zum Tarifabschluss haben die IGBE-Führer noch getönt: 'Neuer Tarifvertrag - mehr Geld für alle!' Im Extrablatt wollen sie uns vorrechnen, dass die neue Lohnordnung jedem Kumpel seinen alten Lohn sichert und die 7, 3% nicht draufkommen.

Inzwischen müssen sie zugeben, dass daran nichts wahr ist. So erklärte der IGBE-Bezirksleiter Koprowski, dass längst nicht alle Kumpel mehr Geld bekommen. Für jeden 5. soll es einen Lohnstop geben. Es wird immer deutlicher, dass die neue Lohnordnung für die meisten von uns Nachteile bringt ...

GEGEN LOHNDIKTAT UND LOHNSTOP!

DIESE LOHNORDNUNG MUSS VOM TISCH!

VERTRAUEN WIR AUF UNSERE EIGENE KRAFT!

IGBE ALS KAMPFORGANISATION FÜR ALLE BERGARBEITER

Die KPD/ML erklärt: die Umwandlung der IGBE in eine 'Mitbestimmungsorganisation' nutzt nur den Zechenherren, die sich auf diese Weise einige frühere 'Arbeitervertreter' gekauft haben, um die Gewerkschaft zu schwächen.

Aus diesem Grund lehnen wir auch die Politik der D'K'P-Führer (DKP, d. Vf.) ab, die uns einreden wollen, die Arbeiterklasse müsse heute für mehr Mitbestimmung kämpfen. Die KPD/ML erklärt: eine Gewerkschaft darf keine 'Mitbestimmungsorganisation' für Pöstchenjäger, sondern muss eine Kampforganisation sein für alle Arbeiter. Dafür haben unsere Großväter die Gewerkschaften im Kampf gegen die Kapitalisten und ihre Staatsmacht gegründet und dazu brauchen wir sie auch heute noch. Was Marx vor hundert Jahren über die Gewerkschaften geschrieben hat, ist noch heute richtig: 'Gewerkschaften tun gute Dienste als Sammelpunkt des Widerstands gegen die Gewalttaten des Kapitals. Sie verfehlen ihren Zweck zum Teil, sobald sie von ihrer Macht einen Unsachmäßigen Gebrauch machen. Sie verfehlen ihren Zweck gänzlich, sobald sie sich darauf beschränken, einen Kleinkrieg gegen die Wirkungen des bestehenden Systems zu führen, statt gleichzeitig zu versuchen, es zu ändern, statt ihre organisierten Kräfte zu gebrauchen als einen Hebel zur schließlich Befreiung der Arbeiterklasse, d. h. zur endgültigen Abschaffung des Lohnsystems.“ (51)

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