Die im Februar 1973 eingesetzte "Kontrollkommission" beruhte auf keinerlei Legitimation. Sie war von wenigen Landesverbänden der Noch-KPD/ML (Rote Fahne) bzw. des Zentralbüro der KPD/ML auf einer nationalen Funktionärskonferenz (NFK) dazu bestimmt worden, zusammenfassende Kritiken an der Organisation zu veröffentlichen und ein "Diskussionsorgan" zu erstellen. Der Name "Kontrollkommission" ist daher sehr irreführend gewesen. Die PPL (Provisorische Politische Leitung) war zu diesem Zeitpunkt zum Teil bereits damit beschäftigt, ihren Übertritt zur KPD/ML-ZK zu organisieren. Ihre Beschlüsse, ein solches Organ "in Auftrag zu geben" (Diskussionsorgan, S. 3), waren daher halbherzig und von den damaligen Zerfallserscheinungen getragen. Dennoch hatte sich die "KK" dazu bereit erklärt, wenigstens einen Teil der Stellungnahmen aus den Landesverbänden zu veröffentlichen. Meiner Kenntnis nach gab es noch einen weiteren Teil des "Diskussionsorgans", das uns noch nicht vorliegt. Die "KK" war nicht von langer Lebensdauer. Mit der Auflösung der KPD/ML-ZB am 31.3.1973 (letzte "Rote Fahne") war ihr kurzes Leben auch schon wieder ausgehaucht.
Ein Teil der Stellungnahmen fand keine Aufnahme in das "Diskussionsorgan", u. a. wurden die "Plattformen" aus West-Berlin separat nachgedruckt. Ebenso fehlten Stellungnahmen der OG Rüsselsheim oder Resolutionen der LDK NRW vom 25.2.
März 1973:
Es erscheint, von der 'Kontrollkommission' herausgegeben, das "Diskussionsorgan: KPD/ML (Rote Fahne), März 1973".
Im "Vorwort der Kontrollkommission zum Diskussionsorgan" wird u. a. ausgeführt: "Genossen, der nationale Funktionärskonferenz der KPD/ML (RF) hatte der PPL den Auftrag gegeben, die Stellungnahmen aus der Organisation in einem Diskussionsorgan zu veröffentlichen. Wie viele andere Beschlüsse konnte die PPL auch diesen nicht einhalten. Deshalb hat es die 'KK' übernommen (in Rücksprache mit der PPL) das DO herauszugeben.
Die 'KK' selbst konnte bisher, entgegen dem NFK-Beschluss nicht vollständig zusammentreten. Die Verantwortung dafür trägt unserer Meinung nach die PPL und die LV's, die ihre KK-Vertreter bisher nicht benannten. Deshalb konnten bislang nur die KK-Vertreter von WB, BW und NRW Arbeit aufnehmen.
Welche Stellungnahmen haben wir dazu ausgewählt? In Übereinstimmung mit der PPL wurde der EX-Vertreter aus BW beauftragt, Dokumente auszuwählen, die folgende Kriterien erfüllen:
- einerseits eine klare Position wiedergeben
- zum anderen möglichst Beiträge der LV's (aus LDK's etc.) oder der LK's, die aber repräsentativ für eine bestimmte Linie anzusehen sind.
Dazu wurden den 'KK-Vertretern am 26.2. von der PPL eine Reihe von Stellungnahmen übergeben.
Um was geht es in diesen Stellungnahmen?
In der Mehrzahl der Beiträge kommen Positionen zum Ausdruck, die auf das PPL-Rundschreiben vom 26.2. eingehen. In unterschiedlicher Weise nehmen sie Stellung zur Frage des Charakters unserer Organisation. Dabei wird deutlich, dass diese Stellungnahmen sich nicht aus der bisherigen Diskussion über die Fehler in unserer Organisation entwickeln. Vielmehr hat sich ganz offenbar die Diskussion in der Organisation auf ein höheres Niveau gehoben, indem jetzt nicht mehr die Frage nach der 'ZB-Linie'. sondern die Frage nach dem Parteiaufbau, untersucht anhand der Geschichte der KPD/ML, im Vordergrund steht.
Welche Linien oder Strömungen treten dabei auf?
Die Positionen lassen sich grob eingeschätzt in zwei Richtungen unterteilen, denen ein unterschiedliches Verständnis der Partei zugrunde liegt:
- diejenigen, die der Auffassung sind, dass es gegenwärtig keine Partei gibt. Hier gibt es verschiedene Begründungen und verschiedene Strömungen: einmal, die die Gründung 1968 für falsch oder verfrüht oder nur für einen propagandistische Akt halten oder aber der Auffassung sind, dass diese Gründung keine Bedeutung (mehr) habe. Gemeinsam ist ihnen die Auffassung, dass wir uns im Stadium des Zirkelwesens befinden.
- diejenigen, die die Gründung 1968 für gerechtfertigt halten und deshalb von der Existenz der Partei ausgehen. (…)
Genossen, wir werden in folgenden deshalb die Stellungnahmen veröffentlichen, die sich mit diesen Fragen beschäftigen. (…)
Genossen, es ist klar, dass die Herausgabe dieses DO schwere Mängel aufweist, da wir nicht in der Lage sind, die verschiedenen Positionen soweit zusammenzufassen, daß die beiden Linien klar herausgearbeitet werden können. (…) Wir sind dagegen der Auffassung, dass die Stellungnahmen so schnell wie möglich veröffentlicht werden müssen.
Warum? Aufgrund der Kenntnis aller vorliegenden Stellungnahmen, und aufgrund der Berichte der LV's auf der Polit-Leiter-Konferenz am 18.2., sowie der Teilnahme an der LDK's (LFK's in WB, BW und NRW) wird deutlich, wie zerrissen die Diskussion sich in den verschiedenen LV's entwickelt. Dieser Zustand spiegelt den Zerfall unserer Organisation in Landeszirkel wieder. Unserer Meinung nach trägt daran die PPL die Hauptverantwortung, da sie zu keinem Zeitpunkt in der Lage war, auch nur als funktionierender Org.-Ausschuss zu arbeiten, geschweige als politische Leitung, die die Diskussion in der Organisation vereinheitlichen können.
Einen Beschluss, die Organisation aufzulösen, könnte aber nur als bewußter Schritt auf einer NDK gefaßt werden. Deshalb müssen allen schleichenden Liquidationstendenzen entgegengetreten werden. Deshalb muß die Diskussion in der gesamten Organisation vereinheitlicht werden, damit die beiden Linien auf einer NDK klar und für jedermann erkennbar herausgearbeitet sind. Nur so kann eine wirkliche Entscheidung getroffen werden.
Insofern spiegeln die Mängel der Herausgabe diese DO den Zustand unserer Organisation wieder." (S. 1f.)
Inhalt des "Diskussionsorgans":
"I. Vorwort der KK
II. NRW
1. PLsek Ausführungen zur nationalen Politleiterkonferenz der KPD/ML(RF) vom ca. 20.2.
2. Plsek: Erklärung des Landessekretariats (prov.)
3. OG Dortmund: Den Kampf gegen den rechten Opportunismus mit dem Kampf gegen das Liquidatorentum verbinden (1. Teil)
4. Kreisverband Recklinghausen der KPD/ML vom 11.2. Offener Brief
5. Stellungnahme zur letzten Erklärung des PLsek der ZB-Organisation (Jack, OG Essen, die nach dem Übertritt der Mehrheit der alten OG zur KPD/ML (RM) neu gebildet wurde (ca. 18.2.)
III. WK
1. Teil der UG Kiel (ca. 10.2.): Die nächsten Schritte auf dem Weg zur einheitlichenML KP Deutschlands
2. Teil der UG Kiel: Stellungnahme zur Parteikrise und zur Einheit der ML
3. Stellungnahme des LAK WK zum RS der PPL vom 26.1.
IV. HSN
1. Resolution der BG Cassella an die LDK
2. Resolution der BG Höchst an die LDK vom 26.1.
3. Resolution der Stadtteilgruppe Ffm, Fechenheim an die LDK
4. Artikel der StG Ffm. Fechenheim: Das NRF benutzt Die Programmdiskussion um die Durchsetzung des Programms, nämlich den revolutionären Kampf des Proletariats zu sabotieren
V. BW
1. Stellungnahme des LAK zum RS der sog. PPL
2. Stellungnahme des LAK zu den weiterem Aufgaben der Organisation
Die folgenden Teile sind jeweils gesondert numeriert
VI. WB 1. Entwurf einer Plattform des LV WB (laut Beschluss der LDK). Teil 1.zu den Fragen der Gründung und Spaltung
2. Entwurf einer Plattform des LV WB (laut LDK-Beschluss). Teil 2 zu den politisch-programmatischen Grundlagen
3. Plattform II (laut. LDK-Beschluss stellt die Position einer Minderheitsmeinug dar."
Quelle: Kontrollkommission (Hrsg.): Diskussionsorgan: KPD/ML (Rote Fahne), März 1973.
Letzte Änderung: 14.12.2019