Helmut Lethen - Beiträge zur Biographie 1970 bis 1973

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin, 30.4.2020

Es können hier nur wenige Dokumente und Hinweise zu Helmut Lethen, einem der Kader der KPD am Germanistischen Institut der FU Berlin und später wichtigem Kulturfunktionär der Gruppe, vorgestellt werden. Wir bitten um Ergänzungen.

Auszug aus der Datenbank "Materialien zur Analyse von Opposition" (MAO)

30.11.1970:
An der FU Berlin gibt die Rotzeg vermutlich in dieser Woche ihre Fachbereichszeitung 'Erkämpft das Sozialistische Studium!' (vgl. 23.11.1970, 14.12.1970) heraus mit der Einladung zur "Vortragsreihe über Grundfragen der Literaturwissenschaft", deren 1. Vortrag zum Thema "Literaturwissenschaft, Trivialliteratur und Manipulationstheorie" von Helmut Lethen am 3.12.1970 stattfinden soll.
Quelle: Erkämpft das Sozialistische Studium! Literaturwissenschaft, Trivialliteratur und Manipulationstheorie, O. O. (Berlin) O. J. (1970)

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20.04.1971:
An der FU Berlin riefen im Fachbereich Germanistik Rotzeg, MLHG und ADSG (SAK) zur VV auf, auf der eine Resolution verabschiedet wird, die mehr Dozenten für das Sozialistische Studium und die Einstellung von Helmut Lethen fordert.
Q: Rotzeg, MLHG, ADSG (SAK): Vollversammlung Di. 20.4., O. O. (Berlin) o. J. (1971); N. N.: Resolution der VV vom 20. April 1971, O. O. (Berlin) o. J. (1971)

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07.06.1971:
An der FU Berlin gibt die Rotzeg vermutlich in dieser Woche ihre Fachbereichszeitung 'Erkämpft das Sozialistische Studium!' (vgl. 24.5.1971, 14.6.1971) heraus mit der Einladung zur Veranstaltung mit Helmut Lethen zum Thema "Zur Funktion der Literatur im Deutschunterricht" am 11.6.1971.
Q: Erkämpft das Sozialistische Studium! Zur Funktion der Literatur im Deutschunterricht, O. O. (Berlin) o. J. (1971)

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03.04.1972:
An der FU Berlin gibt die Zelle Germanistik des KSV vermutlich in dieser Woche ihre 'Kommunistische Studentenpresse' (KSP) heraus mit dem "Programm der Agitationskollektive des Kommunistischen Studentenverbandes - Zelle Germanistik SS 1972" mit den Abschnitten:
- "Der KSV empfiehlt folgende Seminare";
- - "Die Literatur des Kampfes gegen den Faschismus (Domdey, Lethen)";
- - "Brecht 1929-1933: Vom Lehrstück zum sozialistischen Realismus (Lethen, Rothe)".
Q: Kommunistische Studentenpresse - Germanistik FU Programm der Agitationskollektive des Kommunistischen Studentenverbandes - Zelle Germanistik SS 1972, Berlin o. J. (1972), S. 8ff

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Februar 1973:
Am Gymnasium Klaus-Harms-Schule Kappeln erscheint die 'Zeitung' Nr. 1 mit dem Artikel "Der nächste Artikel" zum Berufsverbot gegen Peter Schneider und Helmut Lethen in Berlin.
Quelle: Zeitung Nr. 1, Gangerschild Feb. 1973, S. 5ff

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30.04.1973:
Vermutlich in dieser Woche wird der folgende Text verfaßt und verbreitet:"
ERKLÄRUNG DER INITIATIVE FORTSCHRITTLICHER PUBLIZISTEN, KÜNSTLER UND WISSENSCHAFTLER

Wir verurteilen aufs Schärfste die Pressekampagne, die in der BRD und Westberlin unter dem Vorwand der Zerschlagung einer 'Terrororganisation' zur Liquidierung der KPD und anderer fortschrittlicher und kommunistischer Organisationen eingeleitet wurde.

Nicht die Tatsache, daß der Massenmörder Thieu am 10.4. in Bonn empfangen wurde, wird angeprangert, vielmehr die Besetzung des Rathauses, mit der Kommunisten und fortschrittliche Menschen gegen den Besuch protestierten, als 'Terrorakt' einer 'Politrockerbande' kriminalisiert.

Wir verurteilen, daß in Berichterstattung und Kommentaren der Presse die Bereitschaft der politischen Auseinandersetzung mit den Kommunisten aufgekündigt worden und stattdessen ein Klima des Schußwaffeneinsatzes gegen den politischen Gegner geschaffen worden ist.

Wir verurteilen, daß mit Demonstrationsverboten (z.B. dem Verbot der 1. Mai-Demonstration der KPD in Dortmund) das elementare Recht auf freie Meinungsäußerung für Kommunisten außer Kraft gesetzt wurde.

Darin sehen wir ein alarmierendes Indiz des Rückfalls in die Praktiken der Kommunistenverfolgung während der Adenauer-Ära.

… Dr. Helmut Lethen, Ass.-Prof …"

Veröffentlicht wird dieser Text u.a. durch die KPD (vgl. 9.5.1973) und durch das Komitee Hände weg von der KPD (vgl. 23.6.1973).
Q: Komitee Hände weg von der KPD: Bulletin Nr. 1, Köln O. J. (1973), S. 12; Rote Fahne Nr. 19, Dortmund 9.5.1973, S. 7

20.05.1973:
"Kulturkongreß der KPD" in Dortmund, der zunächst für den 19./20.5.1973 angekündigt worden war. Der Kongreß steht unter dem Motto: "Die Kunst gehört dem Volk. Nieder mit der revisionistischen Kulturpropaganda!".

Vorbereitet und veranstaltet wurde der Kongreß von der Abteilung für Agitation und Propaganda des ZK der KPD in Zusammenarbeit mit "Kulturschaffenden aus der BRD und Westberlin, (die) dieses erste Forum fortschrittlich gesinnter und revolutionärer Kunst- und Kulturschaffender" vorbereiteten. U.a. nimmt teil Helmut Lethen (Dozent und Mitherausgeber der Reihe Proletarisch-revolutionäre Romane, die im Berliner Oberbaum-Verlag erscheint).

Laut KSV (vgl. 23.5.1973) wird auf dem Kongreß der Initiativausschuß für das Solidaritätskomitee 'Hände weg von der KPD!' (vgl. 25.5.1973) gegründet. Der KSV (vgl. 23.5.1973) berichtet auch:"
DIE KUNST GEHÖRT DEM VOLK, NIEDER MIT DER REVISIONISTISCHEN KULTURPROPAGANDA

Der Kulturkongreß der KPD in Dortmund wurde abgehalten als Antwort auf die 'Kulturtage' der Stadt Dortmund, mit denen die Sowjetrevisionisten versuchen, offensiv ihre verfaulte und massenfeindliche Kultur der Bevölkerung Dortmunds als 'sozialistisch' unterzujubeln, eine Antwort für alle diejenigen fortschrittlichen Künstler und Kulturschaffenden, aber auch für die interessierten Arbeiter, Werktätigen und Intellektuellen, die den Verfall der revisionistischen Kultur erkannt haben und nach de revolutionären Alternative fragen.
Der Kulturkongreß stand in Zeichen der Vorfälle am Samstag, im Zeichen der faschistischen Maßnahmen der SPD-Regierung gegen die KPD. Vielen Genossen und fortschrittlichen Menschen war es nicht möglich, diesen Kongreß zu besuchen: sie saßen im Knast. Dennoch erschienen 400 Menschen und nahmen teil an der Diskussion über eine revolutionäre Alternative an der Kulturfront! Sehr oft wurde die Diskussion unterbrochen durch Ansagen und Berichte über die inhaftieren Genossen, es wurden 700 DM gesammelt um diesen Genossen die Heimfahrt zu ermöglichen, es wurde ein Komitee 'Hände weg von der KPD' gegründet, dessen Plattform auf dem Kongreß einstimmig verabschiedet wurde. Der Kulturkongreß war vorbereitet worden von unserer Partei in Zusammenarbeit mit fortschrittlichen Künstlern und Kulturschaffenden, u. a. Dr. Helmut Lethen (Wiss. Assistent, FU Westberlin) …
Referate wurden gehalten zu den Bereichen Literatur, Filmwesen, bildende Kunst, Musik und Theater …
In drei Referaten zur Literatur: 1. Jewtuschenko, Hofpoet des Sozialimperialismus (Renate Horlemann), 2. Science Fiction in der SU (Hartmut Lück) und 3. Arbeiterliteratur in der BRD seit 1968 (Friedrich Rothe) zeigten die Genossen hervorragende Beispiele für die Verkommenheit der Sowjetischen Literatur, aber auch vor allem in dem dritten Referat Ansätze für eine proletarische Literatur (Akkord ist Mord). …

AUS DEM REFERAT DER KPD

WORIN BESTEHT NUN DER UNTERSCHIED ZWISCHEN DER SCHWARZEN REVISIONISTISCHEN LINIE UND DER REVOLUTIONÄREN?

Wenn wir auf die revolutionäre proletarische Kunst aus der Epoche der Weimarer Republik zurückschauen, so können wir erstens feststellen, daß die proletarischen Romane, Kampflieder und Filme sich großer Beliebtheit bei den breiten Massen erfreuten. Zweitens zeigt diese revolutionäre Kunst uns, daß sie aus den Kämpfen der Massen entstand, sie widerspiegelte und vorwärtszutreiben half. Wie die revolutionäre Literatur - und das gilt im gleichen Maße für die anderen Künste - aus den Massenkämpfen heraus entstand, hat der revolutionäre Schriftsteller Otto Gotsche beschrieben. Er sagte: 'Wie alle schrieb ich in den wenigen Stunden, die mir zwischen meiner täglichen Berufsarbeit, den hunderten Versammlungen, Propaganda- und Agitationseinsätzen und Demonstrationen blieben. Vieles zerriß ich wieder. Ich schrieb es sozusagen in Tuchfühlung mit dem Gegner, dem ich Schläge versetzen wollte und der auf mich einschlug. Ich schrieb es, Groll im Herzen. Oft, wenn ich mich an meinen Tisch setzte, gerade von einer Demonstration oder von einer Exmittierung, die wir verhindern wollten, zurückkommend von der Polizei gejagt, kochten in mir noch Wut und Empörung.'

Die proletarische Kunst der zwanziger Jahre war volkstümlich, weil sie aus der eigenen Verbindung mit den Massen heraus entstand und in diese den Standpunkt der Arbeiterklasse hineintrug. Sie war den Massen verständlich, weil sie deren eigene Sache vertrat und sich nicht als persönlicher Schöpferakt isolierter Künstler gebärdete, weil sie nicht über die Köpfe der Massen hinwegzielte.
Die Grundlage dafür, daß diese Kunst proletarisch-revolutionär und volkstümlich in einem war, war in der revolutionären Bündnispolitik der KPD den breiten Massen gegenüber gegeben, die sie zu Bündnispartnern des Proletariats machte, und um das Proletariat als der führenden revolutionären Kraft zusammenschloß. Nur von dieser Perspektive her war es möglich, die Stoßrichtung dieser revolutionären, volkstümlichen Kunst gegen die verräterische, konterrevolutionäre sozialdemokratische Führung zu richten und gleichzeitig viele sozialdemokratische Arbeiter für die Sache der Kommunisten zu gewinnen.

Freunde und Genossen!
An welchem Punkt stehen wir Kommunisten mit der Kulturarbeit? In den Massenorganisationen der Partei, im KJV und im KSV, weiter in der LIGA GEGEN DEN IMPERIALISMUS, in den Vietnam-Ausschüssen des NVK gibt es mutige Initiativen mit Agitproptheatern und Singergruppen. Viele fortschrittliche Künstler haben sich in den letzten Wochen demonstrativ mit unserer Partei solidarisiert. In Rundfunk- und Fernsehanstalten gibt es vereinzelte Journalisten, die in den letzten Wochen den Mut hatten, sich dem Polizeijournalismus zu widersetzen, in Theatern versuchen fortschrittliche Theaterleute Stücke aufzuführen, welche an den revolutionären Kampf des Volkes erinnern.

Maler und Grafiker, in Düsseldorf und Berlin und Hamburg stellen ihre Kunst in den Dienst der Agitation. Verleger drucken unter dem Risiko der Prozeßdrohungen aus der DDR(!) proletarisch-revolutionäre Romane. Wissenschaftler setzen sich auf der Universität für das Studium revolutionärer Kunst ein. Hand in Hand geht damit die gründliche Kritik der imperialistischen Kulturfront, die vernichtende Kritik der revisionistischen Kulturpropaganda."

Am 9.5.1973 kündigte die KPD an:"
DIE KULTUR GEHÖRT DEM VOLK!

Am 19. und 20. Mai wird unsere Partei einen Kultur-Kongreß in Dortmund veranstalten, bei dem sie die revisionistische Kulturpolitik der Neuen Bourgeoisien in der Sowjetunion (SU, d. Vf.) und der DDR gründlich kritisieren und den Verfall der revisionistischen Künste analysieren wird. Der Kongreß ist eine Antwort auf die 'Kulturtage' der Stadt Dortmund, wo die Sowjetrevisionisten, angeführt von Frau Furzewa, den einheimischen SPD-Kulturfunktionären in die Arme sinken werden. Dieses abscheuliche Schauspiel wird umrahmt von Darbietungen wie der des Bolschoitheaters.

Mit dem Kongreß wollen wir auch eine Reihe fortschrittlicher Künstler überzeugen, die bislang, oft wegen des Fehlens einer Alternative, im Bereich der Kultur sich vor den Karren des modernen Revisionismus spannen ließen.

Ein Vorbereitungskomitee, bestehend aus Genossen und mit der Partei befreundeten Wissenschaftlern und Künstlern, hat die Arbeit für den Kongreß aufgenommen. Es teilt uns die folgende Tagesordnung mit:

Im Bereich der Literatur wird die Kulturpolitik der DDR, besonders hinsichtlich der Arbeiterliteratur dargestellt werden, ein Beitrag wird sich mit der revisionistischen 'Arbeiterliteratur' in der BRD seit 1968 befassen."

Der Kongreß wird die Perspektive einer revolutionären Organisierung fortschrittlicher Künstler und Kulturschaffender weisen.

NIEDER MIT DER REVISIONISTISCHEN KULTURPROPAGANDA!"
Q: Rote Fahne Nr. 19, 21 und 22, Dortmund 9.5.1973, 23.5.1973 bzw. 29.5.1973, S. 3, S. 7 bzw. S. 8; Kämpfende Jugend Nr. 6, Dortmund Mai/Juni 1973, S. 8f;KPD-ZK-Abteilung für Agitation und Propaganda: Die Kunst gehört dem Volk. Nieder mit der revisionistischen Kulturpropaganda. Protokoll des Kulturkongresses der KPD in Dortmund am 20.Mai 1973, Dortmund 1973;KPD-OL Dortmund: Freiheit für die KPD - Wir werden Breschnew entlarven, Dortmund o. J. (Mai 1973);Dem Volke Dienen Nr. 13, Dortmund 23.5.1973, S. 5

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Juni 1973:
In Köln erscheint die Nr. 1 der 'Literaturpolitischen Korrespondenz' (vgl. Okt. 1973) mit dem Artikel "Helmut Lethen: Zwei Fragen an den Werkkreis" zum Werkkreis 'Literatur der Arbeitswelt'".
Q: Literaturpolitische Korrespondenz Nr. 1, Köln Juni 1973, S. 25f

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04.12.1973:
An der Universität Tübingen gibt der KSV der KPD das Flugblatt "Imperialistische Wissenschaft - Berufsverbote - Mittel der Bourgeoisie, ihre Herrschaft zu sichern" heraus, das aufruft zum Tribunal um 12 Uhr 30 und zum Vortrag des Germanisten Helmut Lethen (FU Berlin): "Parteilichkeit und Objektivität - Der Kampf gegen den Faschismus im Spiegel der Literatur am Ende der Weimarer Republik" um 19 Uhr 30.
Q: KSV: Imperialistische Wissenschaft - Berufsverbote - Mittel der Bourgeoisie, ihre Herrschaft zu sichern, O. O. (Tübingen) O. J. (1973)

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Letzte Änderung: 01.05.2020