Die Antikriegstagsprozesse 1972 - 1980

Der Prozess gegen Bernd Reiser

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Dietmar Kesten, Gelsenkirchen, September 2011

1975

Wann Bernd Reiser, Mitglied der Zentralen Leitung der RHD, wegen seiner Teilnahme am „Roten Antikriegstag 1972“ der Prozess gemacht wurde, bleibt unklar. Das Buch „Zahn Jahre KPD/ML“ (Dortmund 1979) sagt dazu nichts aus. Allerdings wird über die Gründung der RHD berichtet (vgl. 26. Januar 1975).

Im März 1975 wird bekannt, dass Reiser zu „12 Monaten Gefängnis“ (vermutlich ohne Bewährung, d. Vf.) verurteilt wurde. Zu vermuten ist daher, dass die Anklagerhebung gegen ihn erst 1974 erfolgte (vgl. 22. März 1975).

Reiser erklärt im „Roten Morgen“, dass er „zu einem Jahr Gefängnis verurteilt wurde, weil ich am Roten Antikriegstag 1972 gegen den imperialistischen Krieg demonstrierte“ (vgl. 29. März 1975).

Radio Tirana berichtet in einer Sendungen über die Gründung der RHD und nennt auch Bernd Reiser mit Namen (vgl. 2. April 1975).

Der „Rote Morgen“ berichtet darüber, dass Reiser eine „Ladung zum Strafantritt“ erhalten habe (vgl. 24. Mai 1975).

In Dortmund findet eine Veranstaltung der „Roten Hilfe“ zu den „Antikriegstagsprozessen 1972“ statt. Auf der Veranstaltung spricht auch Bernd Reiser, der, so der „Rote Morgen“, am 20. Mai seine „Gefängnisstrafe antreten“ solle (vgl. 31. Mai 1975).

Laut einer Notiz der „KPD/ML - KPD Online 1968 - 2008“ wurde Reiser Ende Juli 1975 verhaftet und nach „Stadelheim gebracht“ (vgl. 30. Juli 1975; 31. Juli 1975).

Reiser erklärt in einer Broschüre der Roten Hilfe, dass er am 31.8. verhaftet wurde (vgl. 31. August 1975).

Auf einer Veranstaltung der Roten Garde in Bielefeld wird u. a. eine „Solidaritätsresolution an … Peter, Bernd (Bernd Reiser, d. Vf.), Hubert und Georg verabschiedet“ (vgl. 20. September 1975).

Die „Rote Garde“ Zeitung ruft dazu auf, den „eingekerkerten Genossen“ zu schreiben: Hubert Lehmann, Bernd Reiser, Peter Bayer und Hans-Georg Schmidt (vgl. Oktober 1975).

1976

Der „Rote Morgen“ ruft seine Leser dazu auf, den Genossen in Haft „Briefmarken und/oder frankierte Postarten“ für ihren Schriftverkehr zuzusenden (vgl. 31. Januar 1976).

Bernd Reiser wird nach Verbüßung seiner Haftstrafe im März 1976 aus der Haft entlassen (vgl. 2. März 1976).

Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

26.01.1975:
Laut „Zehn Jahre KPD/ML“ (Dortmund 1979) wird „am 26.1. in Dortmund die „Rote Hilfe Deutschlands“ für Westdeutschland und Westberlin gegründet. Die Partei begrüßt die erfolgreiche Gründung, die an die ruhmreiche Tradition der 1924 gegründeten RHD anknüpft, als einen wichtigen Sieg im Kampf gegen die politische Unterdrückung. Nach einer Demonstration durch Hamburg-Harburg, an der 600 Menschen teilnehmen, findet dort am 22.3. die Gründungsveranstaltung der Roten Hilfe Deutschlands statt. Auf der Veranstaltung sprechen neben dem Genossen Ernst Aust, der Stellung nimmt zum Charakter der RHD als einer breiten Massenorganisation mit dem Ziel der Schaffung einer breiten Front der Solidarität mit politisch verfolgten Kollegen und Genossen, die Genossen Bernd Reiser, Mitglied der Zentralen Leitung der RHD, und Michael Banos, ehemaliger Presseverantwortlicher.

Im Antikriegstagsprozess in München werden drei weitere Genossen zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Am 2.3. treten die 600 Arbeiter und Angestellten des zum Mannesmannkonzern gehörenden Werkes DEMAG in den Streik und besetzen den Betrieb. Schon seit dem 9.1. kämpfen sie mit Warnstreiks und Demonstrationen für die Erhaltung ihrer Arbeitsplätze. Ober 20.000 Arbeiter und Angestellte von Audi/NSU in Neckarsulm und Werktätige aus der Umgebung von Heilbronn protestieren am 3.3. gegen die geplante Schließung des Betriebes. Aus Solidarität schließen ab 14 Uhr die Kaufleute der Stadt ihre Läden.
Quelle: ZK der KPD/ML (Hg.): Zehn Jahre KPD/ML, Dortmund 1979, S. 171f.

03.02.1975:
Laut „RPK - Pressedienst der Kommunistischen Partei Deutschlands“ beginnt in München die Berufungsverhandlung im „Antikriegstagsprozess“ gegen die Genossen Peter Baier, Hubert Lehmann, Klaus Stahl und Bernd Reiser. Sie waren 1972 „dem Aufruf der KPD/ML zum ‚Roten Antikriegstag‘ gefolgt". „In 1. Instanz hatte die Klassenjustiz die Genossen zu je 1 Jahr Gefängnis verurteilt.“
Quelle: RPK - Pressedienst der Kommunistischen Partei Deutschlands, Nr. 11, 3.2.1975.

22.03.1975:
Laut „Roter Morgen“, Nr. 12/1975, soll an diesem Tag eine Veranstaltung der RHD in Wilhelmsburg stattfinden. Bernd Reiser, Mitglied der Zentralen Leitung der RHD (zu 12 Monaten Gefängnis im RAKT - Prozess verurteilt, d. Vf.) soll sprechen.
Q: Roter Morgen Nr. 12/1975, Dortmund, S. 10.

22.03.1975:
Laut „Roter Morgen“, Nr. 13/1975, spricht auf der Gründungsveranstaltung der RHD am 22.3. In Hamburg neben Ernst Aust u. a. Bernd Reiser.
Q: Roter Morgen Nr. 13/1975, Dortmund, S. 5.

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29.03.1975:
Laut „Roter Morgen“, Nr. 13/1975, erklärt Bernd Reiser, Mitglied der Zentralen Leitung der RHD, dass er selbst „zu einem Jahr Gefängnis verurteilt wurde, weil ich am Roten Antikriegstag 1972 gegen den imperialistischen Krieg demonstrierte“.

Zu Sascha Haschemi meint er: „Um einen deutschen Kommunisten loszuwerden, nutzt die Bourgeoisie die Tatsache, dass Saschas Vater Perser ist, aus, um Sascha an das persische Henkerregime auszuliefern. Sascha ist deshalb, als er vor einem Jahr in einem Antikriegstagsprozess in München zu 1 ½ Jahren Gefängnis verurteilt wurde, untergetaucht. Inzwischen steht Sascha zwar sogar nach dem bürgerlichen Gesetz ein deutscher Pass zu, aber nach wie vor kann nur die Solidarität unter den Werktätigen erkämpfen, dass Sascha in Deutschland bleibt. Die Rote Hilfe hat deshalb seit einem Jahr in München und auch an vielen anderen Orten Unterschriften für die sofortige Einbürgerung des Genossen Sascha gesammelt.

In den Häusern, da, wo die Rote Helfer arbeiten, auf Veranstaltungen, bei Informationsständen usw. Zusammen mit der KPD/ML und der Roten Garde sind inzwischen über 20. 000 Unterschriften gesammelt worden. Und ständig erreichen die Zentrale der RHD neue Resolutionen, die auf Rote - Hilfe Stammtischen und auf Veranstaltungen gesammelt werden mit Grüßen an Genossen Sascha.“
Q: Roter Morgen Nr. 13/1975, Dortmund, S. 8.

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02.04.1975:
Laut „Roter Morgen“, Nr. 15/1975, berichtet Radio Tirana in einer seiner laufenden Sendungen auch über die Gründung der RHD in Hamburg und nennt auch Bernd Reiser mit Namen.
Q: Roter Morgen Nr. 15/1975, Dortmund, S. 2.

24.05.1975:
Laut „Roter Morgen“, Nr. 21/1975, „erhielt inzwischen auch Genosse Bernd Reiser, Mitglied der Zentralen Leitung der Roten Hilfe Deutschlands, die Ladung zum Strafantritt zu einem Jahr Gefängnis, zu dem er wegen seiner Teilnahme am Roten Antikriegstag 1972 verurteilt worden war. Genosse Bernd soll in die Justizvollzugsanstalt Ebrach eingeliefert werden“.
Q: Roter Morgen Nr. 21/1975, Dortmund, S. 6.

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31.05.1975:
Im „Roten Morgen“, Nr. 22/1975, heißt es in „Kurz berichtet“ unter Dortmund:

„Am 24. Mai fand in Dortmund eine Veranstaltung der Roten Hilfe Deutschlands zu den Prozessen statt, die die bürgerliche Klassenjustiz gegen die Genossen führt, die am Roten Antikriegstag 1972 in München teilnahmen. Zu der Veranstaltung waren 150 Mitglieder, Freunde und Sympathisanten der Roten Hilfe Deutschlands gekommen.

Auf der Veranstaltung sprach der Genosse Bernd Reiser, der vor kurzem wegen seiner Teilnahme am Roten Antikriegstag zusammen mit zwei anderen Genossen zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden war. Am 20. Mai sollte Genosse Bernd bereits die Gefängnisstrafe antreten, doch er wird nicht freiwillig die Strafe, die die Bourgeoisie gegen ihn wegen seiner kommunistischen Gesinnung verhängte, antreten. Für die Unterstützung der Genossen, die von der bürgerlichen Klassenjustiz wegen des Roten Antikriegstages vor Gericht gezerrt werden, wurden auf der Veranstaltung der Roten Hilfe Deutschlands, 400 DM gesammelt.“
Q: Roter Morgen Nr. 22/1975, Dortmund, S. 2.

30.07.1975:
Laut „KPD/ML - KPD Online 1968 - 2008“, wird Bernd Reiser „Ende Juli (gemeint war 1975, d. Vf.) verhaftet und „in das Gefängnis nach Stadelheim gebracht“.
Q: KPD/ML - KPD Online 1968 - 2008.

31.07.1975:
Laut „Roter Morgen“, Nr. 32/1975, ist „Bernd Reiser im Gefängnis.“ Dazu führt die Zeitung aus:

„Am 31.7. wurde Genosse Bernd Reiser, Mitglied der Zentralen Leitung der Roten Hilfe Deutschlands, in seinem Betrieb, der Küche der Münchener Universitätsklinik von der Polizei verhaftet und ins Gefängnis nach Stadelheim gebracht. 1 Jahr soll er nun wegen seiner Teilnahme an der Roten Antikriegstags-Demonstration hinter Gitter gesperrt werden. Ebenso wie die anderen Gefangenen des RAKT, die Genossen Hubert Lehmann, Peter Bayer und Schorsch Schmidt, war Genosse Bernd zum Haftantritt nicht freiwillig gefolgt, sondern hatte der Polizei erklärt: ‘… Wenn wir was von mir wollt, dann müsst ihr mich schon holen…‘

Über 2 Monate brauchte die Bourgeoisie nun, um die Strafe zu vollstrecken. Wie auch bei den anderen Genossen nutzten die KPD/ML und die Rote Hilfe Deutschlands diese Zeit besonders, um die Solidarität mit den Genossen zu organisieren und überall zu verbreiten, dass hier junge Kommunisten eingesperrt werden, allein deshalb, weil sie treu zur Sache der Arbeiterklasse stehen ‘… er wurde verurteilt aufgrund seiner Emotionen für die Freiheit des Volkes und gegen die Unterdrückung in unserem ‘angeblich freien Rechtsstaat…‘, schrieben die Kollegen von Bernd in der Protesterklärung.

‘… Wir halten Dich auf keinen Fall für einen Verbrecher - ob Du nun deshalb vorne dabei warst oder nicht - Lass Dich nicht entmutigen. Bleib so wie Du bist …‘, schrieben die Freunde von Peter Bayer ihm ins Gefängnis.

Im Laufe der letzten Wochen haben verschiedene Ortsgruppen der RHD auch besonders erfolgreiche Haussammlungen für die Gefangenen gemacht. All das beweist: Die Bourgeoisie befindet sich in einem großen Irrtum, wenn sie glaubt, die Genossen einschüchtern zu können. Nicht umsonst hat auch der Gründungskongress der Roten Hilfe Deutschlands den Genossen Bernd gerade wegen seines mutigen Kampfes gegen die Klassenjustiz zum Mitglied der Zentralen Leitung der RHD gewählt, obwohl klar war, dass er bald ins Gefängnis muss. Heute sind wir sicher, dass auch die Gefängnismauern ihn nicht daran hindern werden, seine Pflichten als Kommunist, als Roter Helfer, als Mitglied der Zentralen Leitung der RHD gewissenhaft zu erfüllen.

In wenigen Wochen steht erneut der Antikriegstag, der Kampftag gegen den imperialistischen Krieg bevor. Erneut versucht die Bourgeoisie ihn durch Schikanen und Verbot zu unterdrücken. Sollte sie es wagen, ihn zu verbieten, so können wir ihr schon heute sagen, dann wird sie Tausend Kämpfer vor sich haben, die mit dem Mut der Standhaftigkeit, die unsere Genossen in Haft uns ein Beispiel gegeben haben, dem Terror der Bourgeoisie entgegentreten werden.

Die ZL der RHD ruft alle Kollegen, Freunde und Genossen auf, jetzt bei den Vorbereitungen des Antikriegstags stets auch an die Genossen in Haft zu denken und Solidaritätsaktionen durchzuführen und insbesondere auch den Kampf für die Einbürgerung des Genossen Sascha zu verstärken.

FREIHEIT FÜR ALLE KÄMPFER DES ROTEN ANTIKRIEGSTAGES!
FREIHEIT FÜR DIE POLITISCHEN GEFANGENEN!
VORWÄRTS MIT DEM AUFBAU DER ROTEN HILFE DEUTSCHLANDS.“
Q: Roter Morgen Nr. 32/1975, Dortmund, S. 6.

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31.08.1975:
Bernd Reiser, Mitglied der ZL der RHD, spricht in der Broschüre der „Roten Hilfe“, die von der ZL in Dortmund im September 1975 herausgegeben wurde, dass er am „31.8. … von zwei Beamten der Fahndung abgeholt wurde“ und nach „Stadelheim“ gebrach hat wurde.
Q: ZL der RHD: Rote Hilfe. Der Kampf geht weiter. Briefe von politischen Gefangenen, Dortmund, September 1975, S. 12.

13.09.1975:
Im „Roten Morgen“, Nr. 37/1975, heißt es in „Kurz berichtet“ unter Ebrach: „In der „Grußadresse der RHD wird ausgeführt:

„Genosse Bernd Reiser ist in das Gefängnis Ebrach verlegt worden. Er hat außerdem bisher alle politischen Sachen, wie z. B. das Liederbuch der Roten Garde, Flugblätter usw., die ihm geschickt worden sind, nicht ausgehändigt bekommen. Achtung: Wegen seiner Verlegung muss die Anschrift auf der Solidaritätspostkarte geändert werden, zu deren Kauf wir auch an dieser Stelle noch einmal aufrufen.“
Q: Roter Morgen Nr. 37/1975, Dortmund, S. 2.

20.09.1975:
Im „Roten Morgen“, Nr. 38/1975, heißt es in „Kurz berichtet“ unter Bielefeld:

„Auf einer Veranstaltung der Roten Garde in Bielefeld wurde eine Solidaritätsresolution an die Genossen Peter, Bernd, Hubert und Georg verabschiedet, die wegen ihrer Teilnahme am Roten Antikriegstag 1972 im Gefängnis sitzen. Es wurden 66,50 DM gesammelt.“
Q: Roter Morgen Nr. 38/1975, Dortmund, S. 2.

Oktober 1975:
In „Die Rote Garde“, Zeitung der Roten Garde, Jungendorganisation der KPD/ML, Nr. 7/1975, wird dazu aufgerufen, den eingekerkerten Genossen des „Roten Antikriegstages 1972“, die in Haft sitzen, zu schreiben:

Die Adressen der 4 gefangenen Genossen des RAKT 72 lauten:
-Hubert Lehmann, Aichach, Jugendvollzugsanstalt
-Bernd Reiser, 8602 Ebrach, Justizvollzugsanstalt
-Peter Bayer, Darmstadt, Justizvollzugsanstalt
-Hans-Georg Schmidt, 6110 Dieburg, Altstadt 25.
Q: Die Rote Garde Nr. 7/1975, Dortmund, S. 5.

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31.01.1976:
Im „Roten Morgen“, Nr. 5/1976, heißt in der Rubrik „Kampf der bürgerlichen Klassenjustiz“ unter Ebrach:

„Genosse Bernd Reiser schreibt uns:
‘… Mich erreichen in letzter Zeit Päckchen aus dem Ausland. Es ist schade darum, ich darf nichts bekommen - Begünstigung. Bittet doch die Genossen, sie mögen nichts mehr schicken. Es vergammelt nur alles…‘

Wir gegen diese Bitte an unsere Leser weiter und erinnern gleichzeitig daran, dass eine gute Möglichkeit, die Genossen in Haft finanziell zu unterstützen ist, ihnen Briefmarken oder auch frankierte Postkarten zu schicken.“
Q: Roter Morgen Nr. 5/1976, Dortmund, S. 7.

02.03.1976:
Laut „Roter Morgen“, Nr. 10/1976, wird Bernd Reiser aus der Haft entlassen.
Q: Roter Morgen Nr. 10/1976, Dortmund, S. 7.

Letzte Änderungen: 2.2.2014

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