Zum Arbeiterkulturverlag (AKV)

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Dietmar Kesten, Gelsenkirchen


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Der „Arbeiterkulturverlag“ (AKV) war ein kleiner linker Verlag, der zuerst 1974 mit drei Titeln (vgl. 1974) und 1975 mit einem Titel (vgl. 1975) seiner „Reihe Kulturkampf“ an die Öffentlichkeit trat. Ansässig war er erst in Essen und Köln, später dann in Düsseldorf und Köln. Ab 1976 erschienen in der „Edition Kultur und Klasse“ Neudrucke und Übersetzungen von Schriften aus der kommunistischen Arbeiterbewegung (vgl. 1976, 1978). Betrieben wurde der Verlag vor allem (wenn nicht gar ausschließlich) von Reinhard Merker und dem viel zu früh verstorbenen Frank Rainer Scheck (* Mai 1948, † April 2013).

Bekannt wurde der AKV eher durch seine Mitarbeit an den „Aufsätzen zur Diskussion“ (AzD), dem zentralen Publikationsorgan der sog. „Neuen Hauptseite Theorie“ (NHT). In den AzD veröffentlichte er in den Jahren 1980 bis 1982 eine Reihe von Beiträgen. Im Zuge der Auseinandersetzungen um den weiteren Weg der ML-Bewegung schloss sich der AKV ab Ende 1982/Anfang 1983 der sog. „Oppositionsbewegung“ in der NHT an. Der AKV gründete die „Arbeitsgruppe Westdeutsche Linke“ (AWL), die bis ca. Anfang 1987 bestand (vgl. Dietmar Kesten: Politische Bewegung in Gelsenkirchen 1967-1985, Teil 3: Neue Hauptseite Theorie (NHT), Marx-Engels (Bildungs-)Gesellschaft (MEG), Arbeitsgruppe Westdeutsche Linke (AWL) und Arbeiterkulturverlag (AKV)) maßgeblich mit.

Mir nicht bekannt ist, wo sich der Verlag in seiner Frühzeit ideologisch-politisch positioniert hat. Vermutlich waren die den Verlag tragenden Personen Produkte der ML-Bewegung, „Einzelkämpfer“, die sich schon früh mit Fragen der marxistischen Theorie beschäftigten. Ab ca. 1977 nahmen sie an diversen Konferenzen der neuen Strömung einer Hauptseite Theorie (so am 16./17. Juni 1979 in Bochum und am 16./17. Januar 1982 in Frankfurt/M.) teil. Der AKV ging später in der AWL auf. Ab Anfang 1987 sind keinerlei Aktivitäten des AKV mehr festzustellen. Vermutlich löste er sich auf.

Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

1974:
Im „Arbeiterkulturverlag“ (AKV) mit Sitz in Essen-Holsterhausen erscheint als erster Titel der „Reihe Kulturkampf“ von den Autoren Reinhard Merker und Frank Rainer Scheck: „Emanzipation und Revolution: Kritik an Duhm“. Die Broschüre hat 54 Seiten.
=Merker/Scheck: Emanzipation und Revolution: Kritik an Duhm, Essen 1974

Titelseite von Merker/Scheck: Emanzipation und Revolution: Kritik an Duhm (1974)


1974:
Im „Arbeiterkulturverlag“ (AKV) mit Sitz in Essen-Holsterhausen erscheint als zweiter Titel der „Reihe Kulturkampf“ von Frank Rainer Scheck: „Stanislaw Lem, ein moderner Revisionist. Auseinandersetzungen“. Die Broschüre hat 59 Seiten.
=Scheck: Stanislaw Lem, ein moderner Revisionist, Essen 1974

1974:
Im „Arbeiterkulturverlag“ (AKV) mit Sitz in Essen-Holsterhausen erscheint als dritter Titel der „Reihe Kulturkampf“: „Intelligenz und Sozialismus. Kampfperspektiven.“. Die Broschüre hat 54 Seiten und stellt eine Art Selbstpositionierung der Verlagsbetreiber dar.
=AKV: Intelligenz und Sozialismus, Essen 1974

Mai 1975:
Der „AKV” (Düsseldorf, Köln) weist auf die Zeitschrift: „Gegen die Strömung“ hin, die von ehemaligen Mitgliedern der OG der KPD/ML Frankfurt/M. herausgegeben wird. Danach hebt sich die Zeitung „deutlich vom grassierenden Sektierertum und Linksliberalismus innerhalb der Zirkelbewegung“ ab. Man sei bemüht, ein „revolutionäres Programm“ zu erarbeiten, das die „entscheidende Grundlage einer Klassenpartei des Proletariats“ sei.

Erklärt wird auch, dass sich die Plattform der „Initiative Partei der Arbeit (vormals Kommunistische Initiative), Köln“ durchweg vom „politische Niveau der bisherigen Plattformen und Programmatiken des Zirkelwesens“ abhebt. U. a. hätten sie sich auch „Verdienste in der Klärung der nationalen Frage … in der Rätefrage, in der Faschismusfrage und in der Frage einer neuen Kommunistischen Internationale erworben“.

Womöglich gehört die Flugschrift mit zu den ersten Stellungnahmen des AKV.
Quelle: AKV: Gegen die Strömung/Initiative Partei der Arbeit (Flugblatt), o. O., Mai 1975.

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Mai 1975:
Im „Arbeiterkulturverlag“ (AKV) mit Sitz in Essen-Holsterhausen erscheint als vierter Titel der „Reihe Kulturkampf“ von den Autoren Reinhard Merker und Frank Rainer Scheck: „Deutscher Faschismus, westdeutscher Neofaschismus? Ideologie und Politik der offenen Monopoldiktatur“. Die Broschüre hat 48 Seiten.
=Merker/Scheck: Deutscher Faschismus, westdeutscher Neofaschismus?, Essen 1975

Titelseite von Merker/Scheck: Deutscher Faschismus, westdeutscher Neofaschismus? (1975)

Inhaltsverzeichnis von Merker/Scheck: Deutscher Faschismus, westdeutscher Neofaschismus? (1975)


1976:
In der „Edition Kultur und Klasse“, Köln, (Arbeiterkulturverlag, AKV) erscheint die Schrift: „Agitproptruppen. Erfahrungsberichte und Schilderungen aus der Praxis der Arbeiterbühne vor 1933“, neu herausgegeben von Armin Kammrad und Frank Rainer Scheck.
=Online-Katalog der Deutschen Nationalbibliothek, Stand: 8.1.2009

Januar 1976:
In der „Edition Kultur und Klasse“, Köln, (Arbeiterkulturverlag, AKV) erscheint als deutsche Erstveröffentlichung die Schrift „Stalin spricht mit. H. G. Wells. Die. Unterredung vom Juli 1934 in Moskau“. Themen des Gesprächs sind u. a. Reform und Revolution, friedlicher Übergang zum Sozialismus, die Rolle der Intelligenz, die Krise des Kapitalismus. Die 48-seitige Broschüre enthält außerdem ein Nachwort über die weltanschauliche Position von H. G. Wells.
=Stalin spricht mit. H. G. Wells, Köln 1976.

Titelseite der Broschüre: Stalin spricht mit. H. G. Wells (1976)


1977:
Vermutlich Anfang 1977 erscheint der Werbezettel "Angebot des Arbeiterkulturverlags".
In der "Reihe Kulturkampf" werden angeboten:
- "Emanzipation und Revolution" (von Reinhard Merker und Frank Rainer Scheck), 3., erw. Aufl.
- "Intelligenz und Sozialismus. Kampfperspektiven"
-"Stanislaw Lem, ein moderner Revisionist" (von Frank Rainer Scheck)
- "Deutscher Faschismus - Westdeutscher Neofaschismus" (von Reinhard Merker und Frank Rainer Scheck)
In der "Edition Kultur und Klasse" werden angeboten:
- "Stalin spricht mit H. G. Wells"
- "Agitproptruppen"
Q: Arbeiterkulturverlag: Angebot des Arbeiterkulturverlags, Essen, o. J. (1977).

AKV_1977_Angebot_01


1977:
Ab 1977 nimmt der AKV an verschiedenen Konferenzen der sich entwickelnden neuen Theorie-Strömung teil.
=Eigener Bericht, Dietmar Kesten, 5. Januar 2009

Juni 1977:
Vermutlich im Juni schreibt der AKV einen Brief an J. Derst, Frankfurt, (GRW bzw. KAB (RW)), in dem u. a. das "Theorieverständnis" der Gelsenkirchener Genossen um H. Karuscheit und A. Schröder kritisiert und sich für die Aneignung "der philosophisch-theoretischen Grundlagen des ML" ausgesprochen wird. Zudem spricht sich der AKV für eine Konferenz aus, auf der die "Differenzen und Gegensätze" debattiert werden sollten.
Kopien des Briefes gehen an:
- GRW
- Gruppe ehemaliger KAB/RW-Mitglieder
- Liebknecht-Vereinigung
- Gruppe "Herausforderung"
- Gruppe "Rote Briefe"
- Autoren von "Parteimythos und Wirklichkeit"
- Autor von "Vorhut oder Nachtrab"
- Buchhandlung "Volk und Wissen"
Quelle: Arbeiterkulturverlag: Brief an J. Derst, Frankfurt(M.), (KAB (RW)), Düsseldorf, o. J. (Juni 1977).

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30.06.1977:
Die Redaktion des "Revolutionären Wegs" antwortet auf den Brief des AKV, in dem zur Kenntnis gebracht wird, dass man bereit sei, über verschiedene Veröffentlichungen des AKV zu diskutieren (u. a. über Stanislaw Lem). Zu Lem veröffentlichte der AKV: "Stanislaw Lem, ein moderner Revisionist".
Q: Redaktion des Revolutionären Wegs: An den Arbeiterkulturverlag, o. O., o. J. (30.06.1977).

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08.07.1977:
Der AKV schreibt einen Brief an die Redaktion des "Revolutionären Wegs". Resümiert wird u. a., dass man sich "gegen zwei grundlegende Fehler des marxistisch-leninistisch sich nennenden Zirkelwesens stellt, gegen seinen Schematismus und seinen Ahistorismus". Zu einer "Theorie der deutschen Revolution" wird die Auffassung vertreten, dass es heute gelte "die kommunistischen Prinzipien gegen die opportunistische/revisionistische Verfälschung zu sichern, den Opportunismus durch den wissenschaftlichen Sozialismus zu schlagen und den wissenschaftlichen Sozialismus so auf die westdeutschen Verhältnisse zu konkretisieren".
Q: Arbeiterkulturverlag: Brief an die Redaktion des Revolutionären Wegs (c/o J. Derst, Frankfurt), Köln, 8. Juli 1977.

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1978:
In der „Edition Kultur und Klasse“ im „Arbeiterkulturverlag“ (AKV), Düsseldorf, erscheint die Schrift von G. W. Plechanov: „Zu Hegels sechzigstem Todesstag“. Sie hat 55 Seiten.
=G. W. Plechanov: Zu Hegels sechzigstem Todesstag, Düsseldorf 1978

1980:
Der AKV erarbeitet sich ab ca. Anfang 1980 ein eigenständiges Profil und publiziert unter diesem Namen eine Reihe von Beiträgen in den „Aufsätzen zur Diskussion“, die von der „Neuen Hauptseite Theorie“ (NHT) herausgegeben werden.
=Eigener Bericht, Dietmar Kesten, 5. Januar 2009

1982:
In der „Neuen Hauptseite Theorie“ (NHT) beteiligt sich der „Arbeiterkulturverlag“ (AKV) an der Herausbildung einer „Oppositionsbewegung in der NHT“ und wird dort zum Wortführer. Der AKV gründet die „Arbeitsgruppe Westdeutsche Linke“ (AWL) maßgeblich mit.
=Eigener Bericht, Dietmar Kesten, 5. Januar 2009

1982:
Innerhalb der AWL bildet der „Arbeiterkulturverlag“ AKV eine eigenständige Gruppierung. Unter seiner Federführung erscheinen eine Reihe von (unveröffentlichten) Publikationen der AWL. Die Erarbeitung einer Analyse (Theorie) der Oppositionsbewegung in der BRD seit den frühen 1960er Jahren und der ML-Bewegung, aus der später das MAO-Projekt hervorgeht, wird fortan zum wesentlichen Betätigungsfeld der Gruppe.
=Eigener Bericht, Dietmar Kesten, 5. Januar 2009

Anfang 1987:
Nachdem der „Arbeiterkulturverlag“ AKV als Teil der „Arbeitsgruppe Westdeutsche Linke“ (AWL) seine Publikationstätigkeit eingestellt hatte, kann er als aufgelöst betrachtet werden.
=Eigener Bericht, Dietmar Kesten, 5. Januar 2009.

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Letzte Änderungen: 3.9.2016