"Sozialistischer Nachrichtendienst" (München)
Materialien zur Analyse von Opposition
Von Dietmar Kesten, Gelsenkirchen, 17.5.2024
Die "Projektgruppe Sozialistischer Nachrichtendienst" (München) gibt vermutlich ab 1974 ihren "Sozialistischen Nachrichtendienst" heraus. Form und Inhalt entsprechen in etwa dem "Informations-Dienst zur Verbreitung unterbliebener Nachrichten".
Die Nummer 1 behandelt gleich wesentliche Differenzen zwischen dem Frankfurter ID und der Münchener Projektgruppe (vgl. S. 10ff.). Bevor sich eine gemeinsame Arbeitsbasis mit dem ID ergeben könne, müssten wenigstens folgende Fragen geklärt werden: Stellung zur Spontibewegung, Notwendigkeit des Aufbaus einer kommunistischen Partei, Stellung zu den bestehenden Partei- oder Parteiaufbauorganisationen, Stellung zu revisionistischen oder reformistischen Organisationen.
Hier können nur 4 Ausgaben aus 1974 vorgestellt werden. Wir bitten um Ergänzungen.
Liste der als Scans vorhandenen Zeitungen
- Sozialistischer Nachrichtendienst, Sondernummer 2, München, o. J. (Juli 1974)
- Sozialistischer Nachrichtendienst, Nr. 1, München, 21. Oktober 1974
- Sozialistischer Nachrichtendienst, Sondernummer 2/1 (zum Tod von Holger Meins), München, 9. November 1974
- Sozialistischer Nachrichtendienst, Nr. 3, München, 18. November 1974
- Sozialistischer Nachrichtendienst, Nr. 4, München, 2. Dezember 1974
Auszug aus der Datenbank "Materialien zur Analyse von Opposition" (MAO)
Juli 1974:
Vermutlich im Juli erscheint der "Sozialistische Nachrichtendienst" (SND) als Sondernummer mit der Schlagzeile: "RAF-Anwälte beweisen: Bundeskriminalamt hält entlastendes Beweismaterial zurück. Herausgeber ist die "Projektgruppe Sozialistischer Nachrichtendienst" (München).
Zum SND heißt es "In eigener Sache":
"DER SOZIALISTISCHE NACHRICHTENDIENST IST DAS ERGEBNIS EINER ACHMONATIGEN VORBEREITUNGSARBEIT. ER WIRD HERAUSGEGEBEN VON DER PROJEKTGRUPPE SOZIALISTISCHER NACHRICHTENDIENST.
ER SOLL WÖCHENTLICH MIT EINEM UMFANG VON MINDESTENS 10 SEITEN ERSCHEINEN.
DAS KONZEPT UMFASST FOLGENDE PUNKTE:
1) DIE VERMITTLUNG UND VERBREITUNG VON ERFAHRUNGEN, AKTIONSVERLÄUFEN UND MATERIALIEN AUS ALLEN BEREICHEN SOZIALISTISCHER ARBEIT.
2) DIE ERWEITERUNG SOZIALISTISCHER ÖFFENTLICHKEITSARBEIT UND DIE FÖRDERUNG DER KOMMUNIKATION UND KOORDINATION SOZIALISTISCHER GRUPPEN.
3) AUF- UND AUSBAU EINES UMFASSENDEN ARCHIVS, DAS ALLEN ARBEITENDEM GRUPPEN JEDERZEIT GRUNDLAGEN- UND HINTERGRUNDMATERIAL AUS MÖGLICHST ALLEN BEREICHEN SOZIALISTISCHER THEORIE UND PRAXIS ZUR VERFÜGUNG STELLEN KANN.
(…)
DER SND KANN HIERBEI NICHT PLURALISTISCHES BLATT SOZIALISTISCHER ODER SICH SOZIALISTISCH NENNENDER GRUPPEN. SEIN, EBENSOWENIG ABER IST ES DIE AUFGABE EINES ND, IN EINE GRUNDLEGENDE AUSEINANDERSETZUNG ÜBER DIE UNTERSCHIEDLICHEN THEORETISCHEN LINIEN INNERHALB DER LINKEN IN DER BRD EINTRETEN.
DIE SICH IN DIESEM ZUSAMMENHANG ERGEBENDEN PROBLEME KÖNNEN NICHT VON DER PROJEKTGRUPPE VORGEKLÄRT WERDEN, SONDERN MÜSSEN SICH AUS DER ARBEIT DER AM UND IM ND ARBEITENDEN GRUPPEN KLÄREN LASSEN.
WIR RUFEN DESHALB ALLE GRUPPEN UND PERSONEN AUF, SICH AN DER DISKUSSION UND DER ARBEIT ZU BETEILIGEN. WIR HABEN DIE BISHERIGEN ERGEBNISSE UNSERER THEORETISCHEN UND PRAKTISCHEN ARBEIT IN EINEM ARBEITSPAPIER ZUSAMMENGEFASST (…)". (S. 5)
Aufgerufen wird zur Mitarbeit am SND. Die "Sondernummer" wird kostenlos abgegeben.
Quelle: Sozialistischer Nachrichtendienst, Sondernummer 2, München, o. J. (Juli 1974).
21.10.1974:
Der "Sozialistische Nachrichtendienst" (SND) Nr. 1 erscheint. Herausgeber ist die "Projektgruppe Sozialistischer Nachrichtendienst" in München. Es sei die letzte von bisher drei Ausgaben des SND, die kostenlos versandt wurden. In Zukunft werde der SND jeden zweiten Montag erscheinen, das seien sechs Nummern bis zum Jahresende. Ab 11. Januar 1975 stelle man auf wöchentliches Erscheinen um. (Vgl. S. 13)
Inhalt u. a.:
- Wahlaufruf des SND zur Landtagswahl in Bayern /Wählt KPD
- Berlin/München: IG Metall Bonzen denunzieren ausgeschlossene Kollegen
- München: DKP für Wahlverbot der KPD
- Frankfurt/München: 800.000 Obdachlose in der BRD
- München: Chilenische Untergrundzeitung 'El Rebelde' in deutscher Übersetzung
- Zaragoza/München: Hungerstreik in spanischen Gefängnissen
- Göttingen/München: Neue Zeitung der Gesellschaft Deutsch-Chinesische Freundschaft
- Bonn: Terrorurteil gegen Uli Kranzusch rechtskräftig
- München: Berufung gegen Baron-Urteil verworfen. Heinz Kercher weiter in Haft
- Stuttgart München: Haftbefehl gegen Jörg Lang
- Eindhoven/München: Holländische Rote Hilfe gibt RAF-Broschüre heraus
- Frankfurt/München: Wie der 'Frankfurter Informationsdienst' (ID) mit Nachrichten umgeht/Die beiden Briefe
Q: Sozialistischer Nachrichtendienst, Nr. 1, München, 21. Oktober 1974.
09.11.1974:
Der "Sozialistische Nachrichtendienst" (SND), Sondernummer 2/1, erscheint mit der Schlagzeile: "Der Genosse Holger Meins ist ermordet worden!" Herausgeber ist die "Projektgruppe Sozialistischer Nachrichtendienst" (München).
Die Rechtsanwälte Haag und Becker erklären u. a., dass "die Vernichtungshaft durch langsames verhungern lassen auf seinen Tod abzielt". Der SND erklärt: "Der Tod von Holger Meins ist kaltblütiger, geplanter, beabsichtigter Mord an einem Genossen, der durch die Methode der Isolationsfolter nicht seiner politischen, seiner revolutionären Identität beraubt werden konnte, der den Kampf weitergeführt hat bis zu seinem Tod."
Q: Sozialistischer Nachrichtendienst, Sondernummer 2/1 (zum Tod von Holger Meins), München, 9. November 1974.
18.11.1974:
Der "Sozialistische Nachrichtendienst" Nr. 3 erscheint. Herausgeber ist die Projektgruppe Sozialistischer Nachrichtendienst (München).
Inhalt u. a.:
- Stuttgart/Wittlich/München: Die Hintergründe des Mordes an Holger Meins
- Hannover: Ronald Augustin lehnt Empfang der holländischen Untersuchungskommission ab. Justizministerium verschleiert die Haftbedingungen
- München: Keine Lex Baader-Meinhof
- Köln: Gesinnungsurteil im Kölner Antifaschistenprozess
- München: Solidarität a la Arbeiterbund
- Hamburg: Prozess gegen Verantwortliche des Roten Morgen
- Betzdorf: Prozess gegen die 'Wahrheit' Siegen/Olpe beendet
- Lüneburg: Eröffnung des Hauptverfahrens gegen Klaus Öllerer abgelehnt
- Hamburg: BRD-Justiz schont NAZI-Massenmörder
- Teheran/München: Iran-Woche. Propagandaschau für das faschistische Schah-Regime
- Salisbury: Versöhnlicher Killer
- Rom: Generalstreik in Italien
Q: Sozialistischer Nachrichtendienst, Nr. 3, München, 18. November 1974.
02.12.1974:
Der "Sozialistische Nachrichtendienst" (SND) Nr. 4 erscheint. Herausgeber ist die "Projektgruppe Sozialistischer Nachrichtendienst" in München.
Inhalt u. a.:
- München: Polizeiüberfälle im ganzen Bundesland
- München: Ermittlungen gegen Sozialistischen Nachrichtendienst
- Mainz: Pressekonferenz der RAF-Verteidiger/Strafanzeigen/Jünschke und Grundmann in der Klinik
- Dortmund: Diffamierungen, Lügen, Verteidigerbehinderung im Zusammenhang mit dem politischen Gefangenen Lothar Gend
- Ehrengerichtsverfahren gegen Rechtsanwältin Erika Fischer/Standesrecht/Ein Mittel politischer Disziplinierung
- Stuttgart: Hausfrau trauert um Holger Meins/Verfassungsschutz lässt sie jagen
- Berlin: Wer trauert um Drenkmann?
- München: Stellungnahme der Ortsgruppe München der Roten Hilfe zum Austritt von 11 Genossen
- Duisburg: Rote Fahnen bei Trauerzug/Kriminell
- Nordhorn/Osnabrück: Urteile gegen Nordhorn-Range Besetzer
- Köln: Prozess gegen Ford Streikführer/Schlechte Zeugenpräparierung lässt Prozess platzen
- Kiel: Mordfall Denis Neset: Ermittlungsverfahren gegen Opfer des faschistischen Überfalls eingestellt/Täter auf freiem Fuß
- Berlin/München: Kriminelle gemeinsam gegen KPD/ML
- Bern: Nestle-Konzern: Profit über Leichen
- Madrid/München: Der revolutionäre Generalstreik in Spanien
Q: Sozialistischer Nachrichtendienst, Nr. 4, München, 2. Dezember 1974.
Letzte Änderung: 17.05.2024