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Sudetendeutschland

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin, 12.2.2008

Der Titel dieses Themas ist nicht von ungefähr so provokant gewählt wie sein Inhalt. Es geht um Völkereinheit und Völkervermischung, ein Sudetendeutschland gab es völkerrechtlich nie, die sudetendeutsche Einwanderungsgemeinschaft dagegen schon. Nun weiß ein jeder Windelmatz um die Tschechei als Wiege der europäischen Kultur, mit Prag als erster mitteleuropäischer Universität und wenige Jahrhunderte später seiner Invasion 1968 als Anlass der Auseinandersetzungen zwischen aalgleich Abmetzelnden bzw. dieses Bejubelnden und zumindest zunächst angeblich Antiautoritären bis tschechisch, nationalistisch oder demokratietheoretisch anders Empfindenden.

Den eher abartig über geopolitisch bis jüdisch-orientalisch-mongolische Schienen orientierten deutschen Nationalsozialisten aber bietet auch die Bevölkerungsstruktur des seit langem von Volksgruppen aus den germanischen Stammgebieten besiedelten Sudetenlands schon in den 1930er und 1940er Jahren Anlass zur Sorge. Es kommt zu hier leider bisher nicht detailliert dokumentierbaren ethnischen Säuberungen in extremer Intensität sowie begleitenden umfassenden Diskriminierungen aufgrund von ethnisch/rassisch/nationalistischer Identifizierung, unbeschadet jedweder individuellen Identifikation, in deren Folge dann auch die generell unschuldigen und von allem nichts von irgendwelchen alltäglichen, frühmorgendlichen über den Vormittag hin sich erstreckenden, teils bis in den späten Abend hinein reichenden Vernichtungsmaßnahmen oder nicht einmal von deren präzisen Planungen gehört haben wollenden volksdeutschen und bis dahin durchaus unschuldig erscheinenden BesiedlerInnen des Sudetenlandes einbezogen werden, von deren Vereinigungen es oberhalb der Ebene der oft weit ausufernden Familien freilich äußerst fraglich erscheint, ob sie ohne die Bonner Förderung für eigentlich integrationsfähige bzw. äußerst fragile und aussterbenswürdige Volksgruppen heute noch irgendeiner Erwähnung wert wären, hätten sie nicht dem bundesdeutschen Neonazismus lange Jahre genug als Finanz- und Rekrutierungsherd gedient, wie es die radikalen Quellen unken.

Ihr durch das Münchner Abkommen von 1938 erlittenes Unrecht, aufgrund zuvor vermutlich von ihnen eher mehrheitlich bejubelter Verfolgungsmaßnahmen, bleibt trotz der 1968er APO auch ein, vermutlich antiquitiertes, aber lange noch nicht abgeglichenes, Anliegen der sozialliberalen Koalition der frühen 1970er Jahre (vgl. 26.6.1972).

Wenige Jahre später wird dieser Konflikt, zumindest im hessischen Frankfurt, schlicht dem Problembereich der 'Supermächte' und der durch sie provozierten Verwerfungen der verschiedenen Volksgemeinschaften zugeordnet (vgl. 8.5.1975). Ihr dank Hitler und seiner Aggression für die deutsche Ansiedlung vorübergehend verlorenes Siedlungsland, welches hier nicht als Sudetenland bezeichnet werden soll, sondern vielmehr dem damaligen Völkerrecht gemäß als CSSR, wird zwei Jahrzehnte später zu einem der wichtigsten Vulkane jener Erschütterung der Esoterik, welche – jenseits aller NS-deutschen Eroberungsstrategien der Welt - als die Revolte von 1968 bekannt werden wird. Die Sudetendeutschen dagegen scheinen in der Hierarchie der ehemaligen deutschen Volksgruppen und ihrer öffentlichen Subventionierung aller Zeiten bis heute immer noch deutlich überrepräsentiert gegenüber eventuell weit wichtigeren Bewohnern der heiligen deutschen Erde, wie beispielsweise den Neandertalern. Es kommt halt immer auf den Standpunkt oder die Qualität des Kompasses an.



Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

29.09.1938:
Es beginnt die zweitägige Münchener Konferenz, auf der Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien die sofortige Abtretung des Sudetengebietes von der Tschechoslowakei an Deutschland beschließen.

Die KPD/ML-ZK (vgl. 23.5.1972) berichtet:"
Bis heute wird die Ungültigkeit des Münchner Abkommens nicht von Anfang an anerkannt. (Im Münchner Abkommen von 1938 wurde u.a. dem deutschen Imperialismus ein Großteil der Tschechoslowakei in den Rachen geworfen.)"

Der Kommunistische Bund Bremen (KBB - vgl. 3.4.1972) berichtet vom deutschen Imperialismus:"
1938 erzwang er Zugeständnisse in der Sudetenfrage mit der Zusage, daß damit seine Gebietsansprüche befriedigt seien, um ein Jahr später in die Tschechoslowakei einzufallen".

Berichtet wird auch durch die KPD (vgl. 1.2.1977), u.a. über die Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen 'BRD' und CSSR (vgl. 26.6.1972).
=Rote Fahne Nr.50,Dortmund 5.7.1972,S.7;
Rote Fahne Pressedienst Nr.2,Köln 1.2.1977;
Roter Morgen Nr.10,Hamburg 23.5.1972,S.2;
Wahrheit Nr.3,Bremen Apr. 1972,S.15


14.11.1970:
Die Nr.50 des 'KND' der KPD/ML-ZB (vgl. 11.11.1970, 18.11.1970) erscheint. Aus Bayern wird berichtet über "Widersprüche in der CSU", zu denen es heißt:"
Die Führung der CSU vertritt eindeutig die faschistischen Ziele des reaktionärsten Teils des Finanzkapitals.

Die enge Verbindung zwischen Strauß und der Monopolbourgeoisie erweist sich immer wieder; so berichtete der Düsseldorfer 'Expreß', daß zur Geburtstagsfeier bei Strauß sowohl Flick wie auch Daimler-Generaldirektor Zahn und Flick-Gesellschafter Wolfgang Pohle gratulierten; außerdem Monopolherr von Siemens, BdI-Vizepräsident Rodenstock, BMW-Verkaufschef Hahnemann, der Präsident der Versicherungswirtschaft, Meyer und viele weitere Bosse." Derlei Kontakte habe es auch schon zuvor gegeben (vgl. Nov. 1969). Weiter wird ausgeführt:"
Die CSU als Partei ist jedoch durchaus noch keine einheitliche faschistische Partei. Widersprüche innerhalb der Partei zeigen sich besonders zwischen den CSU-Sozialausschüssen, die auch von einzelnen Junge Union-Landesgruppen vertreten werden und der offenen faschistischen Vorbereitung der Parteiführung. Solche Widersprüche zeigen sich auch in dem unterschiedlichen Verhalten einzelner CSU-Funktionäre gegenüber den Vertriebenenverbänden und der NPD: Auf einem politischen Forum der Landsmannschaft Schlesien in Bayern sind der CSU-Landtagsabgeordnete Erwin Stein und der NPD-Landesvorsitzende Pöhlmann gemeinsam aufgetreten und haben übereinstimmend, unter dem Beifall der 'Vertriebenen', den Moskauer Vertrag als gefährlich für die Entwicklung Deutschlands bezeichnet und zum Widerstand aufgefordert.

Auch bei einer Veranstaltung der sudetendeutschen Landsmannschaft sollten Bundestagsabgeordnete der CSU, SPD und FDP gemeinsam mit der NPD auftreten: Hier lehnten alle Vertreter der bürgerlichen Parteien ab, mit der NPD zu sprechen, und der CSU-Abgeordnete Althammer erklärte - die Vorkommnisse in Würzburg und Westberlin verlangten, daß klare Trennungsstriche gezogen würden. Die CSU-Landesregierung in Bayern unterstützt dagegen offen den aggressiven Kurs der Vertriebenenverbände: Vor kurzem hat CSU-Landeschef Goppel an den Fürsten von Liechtenstein den Bayerischen Verdienstorden verliehen mit der Begründung: 'Das offenherzige Bekenntnis des Fürsten... zur sudetendeutschen Volksgruppe, sein tatkräftiges und unermüdliches Eintreten für ihr volks- und heimatpolitisches Anliegen erfüllt auch die Bayerische Staatsregierung, welche die Deutschen aus Böhmen und Mähren-Schlesien als den vierten Stamm Bayerns in ihre Obhut genommen hat, mit Stolz und dankbarer Anerkennung.' Der Sprecher der Sudetendeutschen und Verbindungsmann zwischen Witikobund, NLA und CSU, Walter Becher, wußte das entsprechend zu würdigen und erklärte: 'Während anderswo die Gefahr besteht, daß man die zwischen dem Ulbricht-Regime und Polen und Prag beschlossene Anerkennung der Vertreibung übernimmt, ... verfügen wir in Bayern über Freunde, die zum Recht stehen.' (!!)"
=Kommunistischer Nachrichtendienst Nr.50,Bochum 14.11.1970

28.11.1970:
Auf der an diesem Wochenende stattfindenden Bundesversammlung der Sudetendeutschen ruft der Vorsitzende der schlesischen Landsmannschaft Hupka und laut KPD/ML-ZB, Gewährsmann der SPD bei den Vertriebenen, zum Kampf gegen den Warschauer Vertrag mit Polen (vgl. 18.11.1970) auf:"
'Manifeste nützen nichts, wir müssen handeln', und 'notfalls werden wir uns auch die Hände schmutzig machen'. Und er versicherte der sudetendeutschen Landsmannschaft, die Schlesier würden sich als ihre 'Weggefährten und Mitstreiter' bewähren. Sprecher der sudetendeutschen Landsmannschaft ist der CSU-Abgeordnete, Witikomann und Verbindungsmann zur NLA, Walter Becher: So arbeiten SPD und CSU eng zusammen bei der Vorbereitung des Faschismus."
=Kommunistischer Nachrichtendienst Nr.55,Bochum 2.12.1970,S.8f

07.12.1970:
Die KPD/ML-ZB berichtet vermutlich aus dieser Woche:"
SUDETENDEUTSCHE JUGEND

Die SPD-Regierung finanziert Freizeiten und Ferienlager in der CSSR, Ungarn, Polen und Rumänien. Mit diesen Geldern hilft sie der faschistischen sudetendeutschen Jugend und ihren Anführern, endlich den langersehnten Marsch gegen Osten anzutreten.

Die Bundesgeschäftsstelle der Su Ju sucht in einem Rundschreiben, das an die Teilnehmer des II. Kongresses Junger Sudetendeutscher verteilt worden ist, 'Betreuer', die Ferienlager in den genannten Ländern leiten wollen. Diese Gruppenleiter sollen in einem einwöchigen Kursus auf ihre 'Aufgabe' vorbereitet werden. Das Witiko-Bund-Mitglied Ossi Böse, lange Zeit Bundesführer der DJO, wird diese Schulung selbst vornehmen. Die SPD-Regierung verschafft nicht nur den Imperialisten neue Märkte im Osten, eröffnet nicht nur unter dem Deckmantel der Entspannungspolitik den Kampf gegen die Reste des Sozialismus in den Ländern des Ostblocks; sie verhilft den Faschisten auch zu Geldern, mit denen sie ihre nazistischen Kader in den 'geraubten Ostgebieten' einsetzen können."
=Kommunistischer Nachrichtendienst Nr.58,Bochum 12.12.1970,S.3

Januar 1971:
Der KJVD der KPD/ML-ZB (vgl. Feb. 1971) berichtet vermutlich aus dem Januar:"
BONNER JUSTIZ SCHÜTZT FASCHISTEN

Das 7.Bonner Verwaltungsgericht hat in einer einstweiligen Verfügung den Jusos (der SPD,d.Vf.) verboten, die 'Deutsche Jugend des Ostens' weiter 'Mordhetzer' zu nennen und zu behaupten, sie habe sich der 'Aktion Widerstand' (AW,d.Vf.) angeschlossen.

So das Gericht. Und was sind die Tatsachen?

Die 'Deutsche Jugend des Ostens' ist der Dachverband von 21 Landsmannschaftsgruppen. In der Festschrift der Pommerschen Landsmannschaft '20 Jahre Pommersche Landsmannschaft' konnte man lesen, wie diese Organisationen sich selbst verstehen: 'als politischer Kampfverband'.

Über die Richtung dieses politischen Kampfes kann es keinen Zweifel geben.

Dietrich Murswick, Mitglied des Bundesvorstandes der DJO und Referent für politische Bildung, war früher NPD-Mitglied. Und er hat auch im 'Pfeil', der Zeitung der Organisation, im Sommer 1969 (vgl. Juni 1969,d.Vf.) alle Leser aufgerufen, NPD zu wählen.

Und so kommt auch Dietrich Murswick in Bedrängnis, als er gefragt wird, ob in der DJO auch NPD-Mitglieder seien. 'Sie stellen mir Fragen!' meinte er. Und dann: 'Die Mitwirkung der NPD an der 'Aktion Widerstand' (AW,d.Vf.) macht eine Mitgliedschaft in der DJO fast unmöglich.' Fast? Wenn er hätte nein sagen können, hätte er das wohl getan. Also heißt fast nichts anderes als - ja.

Die Antwort gibt der Präsident der Sudentendeutschen Landsmannschaft auf dem zweiten Kongreß der Sudetendeutschen Jugend (vgl. **.**.19**,d.Vf.):
'Die NPD ist die einzige Partei, die unsere Interessen als Sudetendeutsche vertritt.'

Da liegt es nahe, daß die Mitglieder dieser Landsmannschaften sich auch in dieser Partei organisieren.

Und daß die Teilnahme der NPD an der 'Aktion Widerstand' die DJO-Mitglieder von einem Eintritt in die NPD abhalten soll, erscheint auch mehr als merkwürdig. Denn auf der Gründungsversammlung (vgl. 31.10.1970,d.Vf) war auch eine Anzahl von 'Jungen deutschen Jugendlichen' vertreten. Und das ist auch bis heute noch von niemandem abgestritten worden. Die DJO hat bisher nur Wert darauf gelegt, daß sie sich da 'nicht hervorgetan' habe.

Lassen wir dahingestellt sein, ob sie auf dieser Gründungsversammlung den Mund gehalten haben. Was sie sonst auf ihren eigenen Kongressen sagen, unterscheidet sich keinen Deut von dem, was die Redner in Würzburg gesagt haben.

In Würzburg ertönten die Rufe nach dem 'Recht auf Lebensraum', von der 'Zurückeroberung der deutschen Ostgebiete'.

Und die DJO?

KRIEGSHETZE UND VÖLKERVERSTÄNDIGUNG

Becker, CSU-Abgeordneter in Bayern, sagt auf dem zweiten Kongreß der Sudetendeutschen Jugend (vgl. **.**.19**,d.Vf.): Ihr jungen Deutschen und Sudetendeutschen seid im Besitztitel des Rechts auf Deutschland und auf die Heimat der Väter, ganz unabhängig davon, ob ihr in dieser Heimat geboren seid oder nicht.' ..."
=Der Kampf der Arbeiterjugend Nr.2,Bochum Feb. 1971,S.3

16.01.1971:
Laut KPD/ML-ZB soll heute in Bayern in München der Gründungsausschuß der Deutschen Volksunion (DVU) zusammentreten. Später berichtet die KPD/ML-ZB:"
Zu den Mitgliedern des Gründungsausschusses der Deutschen Volksunion gehören neben Nationalzeitungs-Frey u.a. der faschistische Schriftsteller Pleyer, der ehemalige bayerische NPD-Abgeordnete Walter Brandner, der Vorsitzende der Aktionsgemeinschaft Oder-Neiße (AKON), Erwin Arlt, das CSU-MITGLIED Emmerich Giel (ein Angestellter Freys), ein Vertreter der BAYERNPARTEI, Kurt Poschardt, der donau-schwäbische Vertriebenenfunktionär Pfisterer, der Vorsitzende eines CDU-Ortsverbandes in Baden-Württemberg, der Oberkirchenrat Mertens aus Schleswig-Holstein. Brandner hatte schon 68 eine 'Vereinigung zur Förderung nationaler Politik' gegründet. Der 'Deutsche Anzeiger' (und AKON-Kurier), der das Organ der neuen Partei werden soll, gehört Freys Ehefrau. Damit kontrollieren die Freys schon eine ganze Reihe faschistischer Zeitungen (in Konkurrenz zur NPD) - neben der 'Nationalzeitung' (Auflage 100 000), den 'Deutschen Bauern', die Zeitungen 'Der Sudetendeutsche', 'Schlesische Rundschau', 'Notweg der 131er'."
=Kommunistischer Nachrichtendienst Nr.4, 5 und 6,Bochum 16.1.1971, 20.1.1971 bzw. 23.1.1971,S.6, S.5 bzw. S.6

01.02.1971:
Die KPD/ML-ZB berichtet vermutlich über diese Woche Bekanntgewordenes:"
ALTNAZI CHEF DES SPD-PRESSEDIENSTES

Die SPD machte im vergangenen Jahr Erhard Eckert zum Chefredakteur des SPD-Pressedienstes und des Parlamentarisch-Politischen Pressedienstes.

Eckert trat 1928 in die sudetendeutsche NSDAP (DNAP) ein. Er schrieb für verschiedene Nazizeitungen und propagierte in Jugendbüchern 'den Kampf der germanischen Herrenrasse gegen die Untermenschen'. Eckert schrieb: 'Überall grinsen einen (sic?,d.Vf.) diese schaurigen (gemeint sind: jüdischen) Gesichter entgegen, unrasierter, schmutziger als die anderen... der Auswurf der Menschheit.'

Oder: 'Die betrunkenen Neger kämpften den Kampf ihres Lebens. Um jedes Haus mußte mit diesen Unmenschen gerungen werden... Es war sinnlos, beste deutsche Menschen für den bestialischen Kampf mit den Niggern zu opfern'.

Eckert machte schnell Karriere: 1943 wurde er von Hitler Goebbels Propagandaministerium zugewiesen.

Als Chefredakteur des SPD Pressedienstes gibt Eckert die ideologischen und politischen Richtlinien für alle erscheinenden SPD-Zeitungen heraus."
=Kommunistischer Nachrichtendienst Nr.11,Bochum 10.2.1971,S.2

05.07.1971:
Die KPD/ML-ZB berichtet vermutlich aus dieser Woche:"
SPD-FÜHRER ZUR SUDETENDEUTSCHEN LANDSMANNSCHAFT

Auch zu dem Sudetendeutschen Tag in Nürnberg 1971 hatten die SPD-Führer keine offiziellen Vertreter gesandt. In der 'Sozialdemokratischen Pressekorrespondenz' (SPK,d.Vf.) in Bayern dementierten sie Kommentare, die das Nichterscheinen von SPD-Vertretern als Absage an die Politik der Sudetendeutschen Landsmannschaft gewertet hatten. Staatssekretär Bahr hatte der Sudetendeutschen Landsmannschaft jedoch ein Telegramm geschickt, in dem er erklärte, daß aus Zeitgründen die Entsendung eines Regierungsmitglieds nicht mehr möglich war. Bahr sagt ausdrücklich, daß damit nicht die Tagung mißachtet würde, vielmehr würdige die Bundesregierung die 'Bemühungen der Sudentendeutschen Landsmannschaft um den Ausgleich mit anderen Völkern'.

Daß den SPD-Führern nicht daran gelegen ist, ihre Sympathien für die Revanchistenverbände öffentlich darzulegen, zeigt folgendes Zitat von Almar Reitzner (Mitglied des Sudentendeutschen-Bundesvorstands und der SPD): 'Es gibt politische Vorgänge und Absprachen, die man nicht an die große Glocke zu hängen pflegt.' Auf dem Sudetendeutschen Tag selbst bescheinigten die führenden Funktionäre der Sudetendeutschen Landsmannschaft der Bundesregierung ihre Loyalität und ihre Zufriedenheit mit den Vorgesprächen mit der CSSR: 'Wir Sudetendeutschen müssen der Bundesregierung dabei durch unsere Aktivität den Rücken stärken und den Gang der Verhandlungen wachsam verfolgen!' (Werbeblatt der SL)."
=Kommunistischer Nachrichtendienst Nr.54,Bochum 17.7.1971,S.3

09.07.1971:
Die KPD/ML-ZB berichtet von den SL:"
SCHLESIER-TREFFEN IN MÜNCHEN - SPD-HUPKA PROPAGIERT EROBERUNGSPOLITIK

Unter dem Motto 'Heimat in Freiheit' trafen sich 150 000 Angehörige der schlesischen Landsmannschaften vom 9.-11.7. in München. ...
SPD-VOGEL LEHNT TEILNAHME AM SCHLESIERTREFFEN IN MÜNCHEN AB

Zum Schlesiertreffen in München war der Münchner OB Vogel eingeladen worden, der jedoch ablehnte mit der demagogischen Begründung, daß er 1970 ein Sudetendeutsches Treffen habe verlassen müssen, weil die Bundesregierung in diffamierender Weise angegriffen wurde, und er müsse befürchten, daß es sich auf dem Schlesiertag wiederholen würde."
=Kommunistischer Nachrichtendienst Nr.54,Bochum 17.7.1971,S.1f

03.04.1972:
Der Kommunistische Bund Bremen (KBB - vgl. 3.4.1972) berichtet vermutlich in dieser Woche von der Ostpolitik, wozu dokumentiert werden der Vertrag von Moskau mit der SU (vgl. 12.8.1970), das Kommunique vom Besuch Nixons in Peking (vgl. 24.2.1972) und ein Artikel Brezinskis (vgl. Jan. 1968):"
DIE OSTVERTRÄGE: EINE NEUE FRIEDENSPOLITIK?
...
1934 (vgl. 1934,d.Vf.) schloß der deutsche Imperialismus unter Hitler einen Gewaltverzichtsvertrag mit Polen, den er fünf Jahre später durch gewaltsamen Einmarsch brach; 1938 (vgl. 29.9.1938,d.Vf.) erzwang er Zugeständnisse in der Sudetenfrage mit der Zusage, daß damit seine Gebietsansprüche befriedigt seien, um ein Jahr später in die Tschechoslowakei einzufallen; 1939 (vgl. 23.8.1939,d.Vf.) schloß er einen Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion, den er zwei Jahre später brach."
=Wahrheit Nr.3,Bremen Apr. 1972,S.12ff

26.06.1972:
Die KPD (vgl. 5.7.1972) berichtet vermutlich aus dieser Woche:"
SCHACHER MIT DEM MÜNCHNER ABKOMMEN

Die jüngst stattgefundenen Sondierungsgespräche zwischen der BRD und der CSSR zur Normalisierung der Beziehungen sind vorerst gescheitert. Die beiden Seiten konnten sich nicht in der völkerrechtlichen Einschätzung des Münchener Abkommens einigen, durch das 1938 (vgl. 29.9.1938,d.Vf.) die Annexion der sudetendeutschen Gebiete der Tschechoslowakei durch die Hitlerfaschisten mit Zustimmung der britischen, italienischen und französischen Imperialisten sanktioniert wurde, unter Ausschluß der Vertreter der Tschechoslowakei. Die CSSR-Delegation stellt sich auf den richtigen Standpunkt, daß dieses Abkommen als offensichtliches Unrecht nie Gültigkeit hatte, während die Vertretung der Bundesregierung mit dem formalen Argument, einmal abgeschlossen sei dieser Vertrag auch geltendes Völkerrecht, die Nichtigkeitserklärung dieses Abkommens zum Verhandlungsgegenstand machen wollte.

Heißt das, die SPD-Regierung hält weiterhin an den Aggressionszielen der Kalten Kriegspolitik der Adenauerregierung gegenüber der CSSR fest? Heißt das, die CSSR-Führung nimmt eine antiimperialistische Haltung gegenüber dem BRD-Imperialismus ein?

Handelt es sich hier um die Auseinandersetzung zwischen Imperialismus und Sozialismus in Europa?

Sicherlich nicht! Die SPD-Regierung will die Annullierung des Münchner Abkommens zu einem Schacherobjekt machen, um möglichst große Konzessionen der CSSR-Führung gegenüber den politischen Zielen des BRD-Imperialismus in Europa herauszuschlagen.

Die CSSR-Führung kann die nationalen Gefühle und die noch immer in breiten Teilen des tschechoslowakischen Volkes vorhandene antifaschistische Gesinnung noch nicht soweit mit Füßen treten, daß es ein solches Zugeständnis macht, um mit den BRD-Monopolen ins Geschäft zu kommen. Die Erfahrung mit dem Verrat der sowjetischen Sozialimperialisten (SU,d.Vf.) und ihren Agenten in der SED-Führung (der DDR,d.Vf.) zeigt jedoch, daß das nur eine Frage der Zeit ist. Sollte sich die Frage des Münchener Abkommens als ein Hindernis im Prozeß der Absprachen der revisionistischen Führungscliquen der osteuropäischen Staaten mit der SPD-geführten BRD-Regierung herausstellen, so wird es nicht lange dauern bis die CSSR-Führung den berechtigten Anspruch des tschechoslowakischen Volkes nach Ungültigkeitserklärung des Münchener Abkommens aufgibt. Festgehalten werden muß: Die Tatsachen, daß es sich hier nicht mehr um eine Frage der globalen Auseinandersetzung zwischen Imperialismus und Sozialismus handelt, sondern um einen Schacher zwischen den Bourgeoisien zweier Länder, so ist auch klar: Für die deutsche und tschechische Arbeiterklasse ist die Frage der Annullierung des Münchener Abkommens keine wesentliche Frage des Klassenkampfes, wie sie es während der Zeit des Kalten Krieges war."
=Rote Fahne Nr.50,Dortmund 5.7.1972,S.7

08.05.1975:
Die Frankfurter Marxisten-Leninisten (FML - vgl. 20.4.1975) ziehen, unterstützt u.a. von den ML Aachen und den ML Bochum, folgende:"
LEHREN AUS DEM GROSSEN ANTIFASCHISTISCHEN KRIEG
...
KANN MAN DURCH VERHANDLUNGEN UND ENTSPANNUNGSPOLITIK DEN DROHENDEN KRIEG DER SUPERMÄCHTE ABWENDEN?

Nein, denn das hieße, die aggressive Natur des Imperialismus leugnen, das hieße sich zum Opfer der Supermächte machen.

Schon immer gab es in dieser Frage zwei grundlegend entgegengesetzte Linien in der Weltpolitik. Gegenüber den faschistischen Mächten verfolgten die herrschenden Kreise der USA, Englands und Frankreichs lange Zeit hindurch die Linie der sogenannten 'Befriedungspolitik'. Sie duldeten die Verbrechen der faschistischen Aggressoren und leisteten ihnen Vorschub. Sie duldeten die Aggression Japans gegen China und den Überfall Mussolinis auf Abbessinien (heute Äthiopien,d.Vf.). Sie leisteten der bewaffneten Intervention in Spanien Vorschub und begünstigten die Annexion Österreichs und die Okkupation des Sudetenlandes durch Hitler. Doch das brachte ihnen als Gegenleistung nicht den Frieden, sondern steigerte die Kriegslust der Faschisten.

Dagegen verfolgten die Völker die Linie des entschlossenen Widerstandes gegen die faschistische Aggression. Sie bekämpften entschieden die sogenannte Befriedungspolitik und nahmen die schwere Last des antifaschistischen Krieges auf ihre Schultern. Sie gewannen nicht nur den Krieg, sondern errangen auch den Frieden."
=Frankfurter Marxisten-Leninisten:Marxisten-Leninisten zum 1. und 8.Mai 1975,Bochum 1975,S.7ff

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