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Frankreich
Cercle d'Ulm, Louis Althusser, UJC/ML

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin, 9.11.2007

Es mag unangemessen erscheinen, in einer solch knappen Darstellung veritable Philosophen wie Louis Althusser und die offenbar ihre Maßgaben Praktizierenden wie den Cercle d'Ulm (vgl. Jan. 1964) abzuhandeln, aber Zeit ist Geld, dessen Quellen beständig knapp. So kommt hier derzeit nur die KPD/ML zu Wort. Keine andere Strömung der bundesdeutschen Linken scheint sich nach unserer freilich wie immer überaus unvollständigen Dokumentenschau explizit um diese Philosophie gekümmert zu haben.

So berichtet die KPD/ML allein über die Gerinnung der Althusserschen Gedanken zur Gestalt der Union des Jeunesses Comunistes/ML (UJC/ML), die sich von Althusser ab und zur 'Arbeiterklasse' hinzuwenden scheint (vgl. 1967), dann aber offenbar nicht bei dessen amtlicher – zumindest in Albanien und China offiziell lizenzierten - Partei mitmachen möchte (vgl. 31.12.1967). Die UJC/M verweigert sich anschließend in dieser sprunghaften Darstellung zwar doch nicht dem Dutschke-Attentatsprotest, kritisiert aber vermutlich gar den Daniel Cohn-Bendit (vgl. 11.4.1968). Laut KPD/ML hatte die UJC/ML da etwas falsch verstanden (vgl. Mai 1968), antwortet offenbar mit Spaltung (vgl. Juni 1968) bzw. Bildung der allzeit bekanntesten Gruppe des französischen Maoismus bis Linksradikalismus, der Gauche Proletarienne (GP). Von dieser grenzen sich dann im Ruhrgebiet an der regionalen Universität wiederum die akademischen Jünger der KPD/ML eifrig ab (vgl. Juni 1970). Sogar aus Belgien wird die UJC/ML nun der Verbindungen zu kleinbürgerlichen Formationen bezichtigt (vgl. 29.6.1970), während sich die KPD/ML-ZK zum Schluss dieser wie immer überaus lückenhaften Darstellung durchaus konziliant gibt (vgl. Aug. 1970).



Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

Januar 1964:
Laut Schlomann/Friedlingstein entsteht Anfang 1964 in Frankreich der Cercle d' Ulm unter dem führenden Einfluß des marxistischen Theoretikers und Philosophen Althusser.
=Schlomann/Friedlingstein:Die Maoisten,Frankfurt 1970,S.174

November 1966:
Die KPD/ML-ZK berichtet von der UJC/ML Frankreich (vgl. 1967):"
Die 'Union der kommunistischen Jugend/ML' (französische Abkürzung: UJC/ML) gründete sich in der Eliteuniversität für Philosophie, Psychologie und Soziologie von Paris, der Ecole Normale Superieure, Rue d'Ulm. ... Im November 1966 trennten sie sich von der UEC und bildeten eine eigene sich als marxistisch-leninistisch bezeichnende Organisation. Eine entscheidende Rolle bei dieser Entwicklung spielte der Philosoph Louis Althusser, der trotz seiner KP-Zugehörigkeit Chruschtschows Kampf gegen den Personenkult kritisierte und Stalin und Mao Tse-tung verteidigte. Althusser versuchte, einen akademischen Kampf gegen den Revisionismus unter dem Motto 'Das Kapital lesen' zu führen. ... Dieser Studentenkreis gab die 'Cahiers marxistes-leninistes' (Marxistisch-leninistische Hefte) heraus. ... Die erste Phase der UJC/ML war also rein akademisch. Die UJC/ML bestand nur aus Studenten groß- und kleinbürgerlicher Herkunft."
=Roter Morgen Nr.7,Hamburg Aug. 1970

1967:
Die KPD/ML-ZK berichtet von der UJC/ML Frankreich (vgl. Nov. 1966, 31.12.1967):"
Die erste Drehung war die Abwendung von Althusser und vom Akademismus. Sie geschah im Laufe des Jahres 1967. Nachdem sie das Kapital gelesen hatten, zogen die Studenten der UJC/ML dagegen den richtigen Schluß, daß man auch handeln muß- und zwar, daß man sich mit der Arbeiterklasse verbünden muß."
=Roter Morgen Nr.7,Hamburg Aug. 1970

31.12.1967:
In Frankreich wird, laut KPD/ML-ZK, die KP Frankreich/ML gegründet, deren Zentralorgan 'l'Humanite nouvelle' heißt (vgl. Mai 1968). Die Union des Jeunesses Comunistes/ML (vgl. 1967, 11.4.1968) habe sich nicht angeschlossen, weil die KPF/ML nicht im Proletariat verankert sei. Die UJC/ML will die KPF-nahe Gewerkschaft CGT wieder zu einer Kampforganisation machen.
=Roter Morgen Nr.7,Hamburg Aug. 1970

11.04.1968:
Die KPD/ML-ZK berichtet von der UJC/ML Frankreich (vgl. 31.12.1967, Mai 1968):"
Am Tage nach dem Dutschke-Attentat trafen sich in einer Pariser Wohnung ... zum erstenmal Vertreter aller revolutionären Studentenorganisationen, um eine erste große gemeinsame Demonstration (vor der deutschen Botschaft) zu organisieren. Wortführer waren hauptsächlich Daniel Cohn-Bendit und Alain Krivine von der trotzkistisch unterwanderten JCR (Revolutionäre kommunistische Jugend). ... Die Vertreter der UJC/ML kritisierten zu Recht den Begriff antiautoritär, den Cohn-Bendit benutzte, als unmarxistisch. Sie konnten aber im übrigen keinerlei Alternative anbieten. Abstrakt betonten sie nur immer wieder, daß die Demonstration äußerst diszipliniert verlaufen müsse. Nur unter größten Mühen war sie überhaupt zur Teilnahme zu bewegen."
=Roter Morgen Nr.7,Hamburg Aug. 1970

Mai 1968:
In Frankreich werden, laut KPD/ML-ZK, die Maiunruhen von der KPF/ML unterstützt, während über die Union des Jeunesses Communistes/ML (UJC/ML) (vgl. 11.4.1968, Juni 1968) gesagt wird, sie habe die Möglichkeit des Bündnisses zwischen Studenten und Arbeiterklasse nicht verstanden:"
Ein Musterbeispiel für ein solches objektives Bündnis stellte bald darauf der Kampf der Pariser Studenten im Mai 1968 dar, der vom Generalstreik der Arbeiter beantwortet wurde, obwohl sich die Pariser Studenten und die Arbeiter von Nantes niemals persönlich und individuell begegnet waren. Trotzdem bestand objektiv ein Bündnis zwischen ihnen. Die UJC/ML hat das nie verstanden, weshalb sie auch auf den Barrikaden im Mai durch Abwesenheit glänzte. Das bürgerliche Verständnis vom Bündnis mit der Arbeiterklasse muß also narodnikihaft sein. Die UJC/ML zog die Folgerung und ging 1967/68 zum großen Teil in die Fabriken. ... Während dieser zweiten, narodnikihaften Phase gab die UJC/ML die Zeitung 'Dem Volke dienen' heraus. ... Die UJC/ML sagte: 'Wir müssen zu den Arbeitern gehen.' Sie fragte dann: 'Wo sind die Arbeiter?' und gab sich selbst die Antwort: 'In der Gewerkschaft CGT' Daraus folgerten sie nun, man dürfe die Gewerkschaft nicht offen attackieren, man müsse die CGT wieder zu einer Kampforganisation machen. ...

Hier zeigte sich nun der Rechtsopportunismus der UJC/ML in äußerst fataler Weise. Sie lehnte die Aktionen der Studenten. ... in Bausch und Bogen als kleinbürgerlich ab. Sie selbst beteiligte sich nicht an den Barrikadenkämpfen."
=Roter Morgen Nr.7,Hamburg Aug. 1970

Juni 1968:
Von der französischen UJC/ML (vgl. Mai 1968) berichtet die KPD/ML-ZK:"
Nach dem Ende des Streiks und den Wahlen geriet die UJC/ML in eine schwere innere Krise. ... Es kam zu einer Kampf-Kritik-Umgestaltungs-Bewegung, die den ganzen Sommer 1968 über dauerte und mit der Spaltung der Organisation endete. Auf der einen Seite bildete sich eine Gruppe heraus, die aus der richtigen Linie der KPF/ML während der revolutionären Phase die Konsequenzen zog und sich ihr anschloß. Die Mehrheit dagegen schwenkte erneut um 180 Grad um und ging vom rechten zum linken Opportunismus über. ... Die Rest-UJC/ML, die sich nun 'Proletarische Linke' (Gauche Proletarienne) nannte, predigte nun den individuellen Terror. ... In der Organisationsfrage vertritt die 'Proletarische Linke' die Ansicht, die revolutionäre Partei des Proletariats bilde sich in den Massenkämpfen heraus. ...

Fassen wir zusammen:
Die UJC/ML hat folgende Etappen durchlaufen:
1. eine intellektuell-akademische,
2. eine narodnikihaft-rechtsopportunistische,
3. eine links-opportunistische".
=Roter Morgen Nr.7,Hamburg Aug. 1970

Juni 1970:
Frühestens im Juni gibt in Frankreich KPF/ML ihre 'L' Humanite Nouvelle' Nr.8 heraus, in der u.a., laut KSB/ML der KPD/ML-ZK an der Ruhruniversität Bochum (RUB) in NRW, auch folgender Artikel erscheint:"
ZUR GAUCHE PROLETARIENNE - REVOLTE ODER REVOLUTION?
...
Aber vergeblich sucht man in der CdP (Cause de Peuple,d.Vf.) nach Artikeln über unser strategisches Ziel, über die proletarische Revolution und die Errichtung des Sozialismus in Frankreich. Selten findet man darin Artikel über China und Albanien. Wie soll man dieses Schweigen über die Diktatur des Proletariats erklären? Gilt auch für die GP, daß 'die Bewegung alles bedeutet, das Endziel nichts'? Was bedeutet dieses 'Vergessen'? Solches Vergessen hat in der Politik immer eine Bedeutung.

'Jegliche Aktivität einer revolutionären Partei ist die Durchführung ihrer Politik. Führt sie keine richtige Politik durch, dann betreibt sie eben eine falsche; FÜHRT SIE EINE BESTIMMTE POLITIK NICHT BEWUSST DURCH, DANN TUT SIE DAS BLINDLINGS.' (Mao)

Dieses Vergessen bedeutet, daß die GP in Wahrheit die Diktatur des Proletariats ablehnt:
- was in der Praxis zu einer Manipulation der Massen führt, denen man das strategische Ziel nicht erklärt;
- was das Zurückprallen vor dieser scharfen Form des Klassenkampfes bedeutet (aus kleinbürgerlicher Angst), der von der Arbeiterklasse, der einzigen bis zum Ende revolutionären Klasse, geführt werden muß;
- was aus Demagogie geschieht, um nicht die möglichen Bündnispartner abzuschrecken, die mithelfen sollen, 'Volksfrankreich aufzubauen';
- was nichts als die Fortsetzung der Thesen der ehemaligen UJC/ML gegenüber der politischen Partei des Proletariats bedeutet, die ja gerade das Instrument dieser Diktatur darstellt;
- was nur die Anmaßung einer besonderen Fraktion revolutionärer Intellektueller darstellt, die revolutionäre Bewegung anzuführen."
=Rote Zelle Nr.1,Bochum Nov. 1970,S.12ff

29.06.1970:
Das ZK der PCMLB veröffentlicht, laut KSB/ML Freiburg der KPPD/ML-ZK (vgl. Aug. 1970) spätestens ab dieser Woche in den Nummern 116 bis 118 ihrer 'Clarte' den folgenden Text:"
Vorschlag zur Einheit aller Revolutionäre, besonders zur Einheit der Marxisten-Leninisten
...
Die Gruppe UUU (Universitäten-Fabriken-Union,d.Vf.) ist eine im wesentlichen kleinbürgerliche Gruppe. Bis auf einige Ausnahmen sind ihre Mitglieder Studenten oder Intellektuelle, die ihr Studium vor kurzem abgeschlossen haben. Die meisten der Aktivisten (denn die Gruppe hat nur sehr wenige Anhänger) sind Mitglieder der Partei gewesen: einige vor der Teilung von Grippa, viele während einiger Monate nach der Konferenz von La Louviere (vgl. 19.11.1967,d.Vf.). ...

Was die Sache nicht besser gemacht hat, war die Haltung, die einige Genossen gegenüber diesen aktiven Studenten an den Tag legten. Eine patriarchalische einiger, die ungeduldige sektiererische Erregtheit, die gegenüber anarchischem Benehmen zum Ausdruck kam; die opportunistischen oder unbeweglichen Standpunkte anderer dürften diese Spaltung beschleunigt haben. Es ist sehr gut möglich, was auch immer der Fehler jedes Einzelnen von uns war, daß diese Spaltung auf jeden Fall stattgefunden hätte. Die Aktivisten hatten keinen Parteigeist und wollten die Partei auslöschen. Sie brachten sogar eine bestürzende Formulierung vor, die sie niemals erklären konnten: 'Der Parteidisziplin ist die marxistisch-leninistische Disziplin entgegenzusetzen.' In der Tat führten sie keinen Beschluß, der von der Mehrheit angenommen war, durch, wenn er ihnen nicht gefiel. Sie hatten eine zweite Führung eingerichtet; sie hielten Spaltungsversammlungen ab; sie begaben sich regelmäßig nach Paris zum Sitz der kommunistischen Jugend (UJC/ML), um allgemeine Versammlungen abzuhalten, bei denen man über die Stellung diskutierte, die man in Bezug auf die Partei einnehmen müßte. Erinnern wir uns, daß die UJC/ML in Frankreich ebenfalls der Partei entgegengerichtet war und daß sie im Verlauf der Ereignisse vom Mai 1968 zerbrochen ist, weil ihre falsche Linie sie vollkommen von den Massen getrennt hatte.

Als das Zentralkomitee festgestellt hat, daß die Aktivisten sich nie als Parteimitglieder betrachtet hatten und daß man die Konsequenzen daraus ziehen müsse, machte ein Aktivist dieser Gruppe die Voraussage, daß die Partei zerschlagen würde.

Im Mai 1970 ist die Partei nicht zerschlagen worden."
=KSB/ML Freiburg:Zur Einheit aller Revolutionäre, besonders der Marxisten-Leninisten,Freiburg o.J. (1970)

August 1970:
Die KPD/ML-ZK gibt die Nr.7 ihres 'Roten Morgens' (vgl. Juni 1970, Sept. 1970) heraus. Ausführlich eingegangen wird auch auf Frankreich, wo die Herausbildung von KPF/ML, Gauche Proletarienne (GP) und der Union des Jeunesses Communistes/ML (UJC/ML) dargestellt wird (vgl. Nov. 1966, 1967, 31.12.1967, Juni 1968). Die KPF/ML trete für die Gründung von Basisgruppen als Keimzellen einer roten Gewerkschaft ein, während GP die sozialistische Revolution als umfassende Kulturrevolution verstehe. GP begreife sich als 'neue Resistance' (Widerstandsbewegung gegen die Nazibesatzung,d.Vf.) und organisiere Überfälle auf Unis, Rathäuser und zusammen mit algerischen Arbeitern auch auf Wohnbaracken. GP sei der Ansicht, daß sich die Partei in den Massenkämpfen herausbilde.

Über die Weigerung der UJC/ML sich am Pariser Mai 1968 (vgl. 12.4.1968, Mai 1968) zu beteiligen heißt es u.a.:"
Ähnliche Schwankungen hat es bei intellektuellen Genossen in der KPD/ML auch gegeben. Einige hielten es z.B. für falsch, sich an den Demonstrationen gegen die US-imperialistische Aggression in Kambodscha zu beteiligen. ... In einigen Parteigruppen gab es auch Schwankungen in der Frage der Solidarität mit dem Heidelberger SDS (vgl. 24.6.1970,d.Vf.). ... Die KPD/ML ist imstande, solche Fehler und Schwankungen zu beseitigen. Nur die Partei des Proletariats kann das Bündnis zwischen Arbeiterbewegung und Studentenbewegung auf die Dauer herstellen und festigen. Das Mittel ist der Aufbau von Massenorganisationen der Partei in allen Klassen und Schichten des Volkes."
=Roter Morgen Nr.7,Hamburg Aug. 1970


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