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Im April 1990 erscheint in Zürich in deutscher Sprache das "Selbstinterview politischer Gefangener". Der Text aus dem Februar 1987, dessen Urheber vier Inhaftierte "militante kämpfende Kommunisten" der "Brigate Rosse" sind, antwortet auf 18 selbstgestellte Fragen zu Problemen des Klassenkampfes vor allem in Italien. Die dort vertretenen Positionen hatten die Italiener zurzeit der Herausgabe des Textes in der Schweiz allerdings teilweise schon wieder revidiert.
April 1990:
In Zürich erscheint die Nr. 12 der Zeitschrift "Subversion" unter dem Titel: "Italien: Selbstinterview politischer Gefangener". Der Text stammt von vier Inhaftierten "militanten kämpfenden Kommunisten" der "Brigate Rosse" aus dem Februar 1987.
Das Interview gibt antworten auf die folgenden 18 Fragen:
"1. Nach den wiederholten Niederlagen des bewaffneten Kampfes in den vergangenen Jahren, die sich zunächst in politischen Rissen und militärischen Einbrüchen, dann in einer gewissen "Marginalisierung" in Bezug auf den Klassenzusammenstoß ausdrückten, begann in der Bewegung eine Debatte über die Gründe der Niederlage. Man hat sich auch gefragt, ob es "objektive" Gründe waren, d.h., ob sie von den allgemeinen Bedingungen des Zusammenstoßes bedingt und deshalb unvermeidlich waren oder ob es um 'subjektive' ging, die folglich v.a. den Grenzen und Fehlern der kämpfenden kommunistischen Kräfte zuzuschreiben wären. (…)
2. Was versteht ihr unter 'revolutionärer Hypothese?' (…)
3. Welches sind nun die Elemente und Einschätzungen, die Euch eine auf den bewaffneten Kampf abgestützte Hypothese als möglich erscheinen lassen? (…)
4. Sind die hauptsächlichen Hindernisse eines Wiedervorschlages der kämpfenden kommunistischen Initiative nicht organisatorischer oder militärischer Natur, angesichts der Schwäche der revolutionären Kräfte und dem erhöhten Erfahrungsgrad der Apparate der Konterrevolution? (…)
5. Denkt ihr, eine Bilanz genüge, um die Probleme zu lösten, die sich dem bewaffneten Kampf für den Kommunismus nach den Niederlagen von 1982 gestellt haben? Und, welchen unmittelbaren Zielen müsste sie dienen? (…)
6. Glaubt ihr, dass die Notwendigkeit einer historischen Reflektion und einer politischen Bestandsaufnahme nur von einigen Gefangenen empfunden wird? Wie auch immer, wer könnte dies durchführen? Und wen darin miteinbeziehen? (…)
7. Auf welche Art kann diese Bestandsaufnahme geführt werden? Mit welchen Kriterien? (…)
8. Aber es gibt auch andere Methoden und Kriterien eine Bestandsaufnahme zu führen. Hängt die Wahl von den unterschiedlichen Interessen ab, von ideologischen 'Unzulänglichkeiten' oder von was sonst? (…)
9. Kommen wir zur Sache: Welches sind eurer Meinung nach die Ergebnisse, die es erlauben, die Bestandsaufnahme der Brigate Rosse als positiv zu bezeichnen und darauf auf konkretere Art für diese Länder in dieser historischen Phase eine geeignete revolutionäre Theorie zu begründen? (…)
10. In welchem Sinne ist der 'Angriff auf das Herz des Staates' eine 'Entdeckung' der Brigate Rosse? Und wieso glaubt ihr, man könne dieses dermaßen verallgemeinern, dass sie zu einem Element revolutionärer Strategie wird? (…)
11. Das höchste Moment des 'Angriffs auf das Herz des Staates' war jedoch fraglos die Entführung Moros. Meint ihr, dass im Verhältnis zu Sossi der Angriff lediglich auf politisch-militärischer Ebene höher war oder beginnt sich etwas in der Konzeption der Kampfparole zu verändern? (…)
12. Wollt ihr damit sagen, dass der politisch-militärische Angriff nicht nur 'Desartikulierung' erzeugen darf? (…)
13. An diesem Punkt drängt sich spontan eine Frage auf. Ihr sagt, dass die 'Frühlingskampagne', die entschieden dazu beigetragen hat, die 'nationale Solidarität' zu zerstören, ein großer politischer Erfolg des bewaffneten Kampfes war, der das proletarische Feld gestärkt habe. Wenn das stimmt, wie ging es vor sich, dass es der Bourgeoisie gelang, die allgemeinen Kräfteverhältnisse umzukehren und den bewaffneten Kampf an den Rand der Existenzmöglichkeiten zurückzudrängen? (…)
14. Ihr habt die Rolle, die die BR 'als Partei' eingenommen haben, stark betont. Was ist nun aber die Bedeutung einer Partei auf politisch-militärischer Ebene? Anders ausgedrückt: In welchem Sinne ist der 'Sprung zur Partei' von dem bei verschiedenen Gelegenheiten gesprochen wurde, nicht realisiert worden? (…)
15. Ist also das Problem 'vom Sprung zur Partei', nebst der Strategie eine Taktik zu entwickeln, oder ist es eine Frage des veränderten Verhältnisses Avantgarde-Massen? (…)
16. Von verschiedenen Seiten wird aber eingeworfen, dass es für eine klandestine, bewaffnet kämpfenden Organisation nicht möglich sei, den Kampf der Massen in einer nicht-revolutionären Situation anzuführen. (…)
17. Denkt ihr nicht, ihr müsst das Konzept 'Arbeiterinnen-Autonomie' besser klären, sowie auch das der politischen Führung? (…)
18. Ihr redet von 'autonomia operaia', bedeutet dies eine Überwindung der traditionellen Rolle der ArbeiterInnenklasse in der marxistischen Analyse? (…)"
Die Schweizer Herausgeber des "Selbstinterviews", die den Text für die konkrete Situation in der Schweiz, die Probleme des Klassenkampfes dort, fruchtbar machen wollen, weisen darauf hin, dass die ursprünglichen italienischen Verfasser des Textes inzwischen Positionen vertreten, die die Schweizer entschieden bekämpfen: "Sie haben auf die Amnestie-Position gewechselt, eine Position, die in letzter Konsequenz nur als Abschwörungsposition zu bezeichnen ist. Eine Position auch, die in krassestem Widerspruch zu der vertretenen politischen Linie des hier von uns übersetzten und veröffentlichten Textes steht. (…)
Dass die Herausgeber des 'Selbstinterviews' heute eine Position vertreten, die sie mit ähnlichen Worten kritisiert haben, wie sie heute selber von den revolutionären Kommunisten und Kommunistinnen angegriffen werden, ändert letztlich nichts an der Richtigkeit der von ihnen in besseren Zeiten aufgeworfenen Fragen." (Vorwort, S. 5f.)
Quelle: Subversion, Nr. 12, Zürich, April 1990 (Italien: Selbstinterview Politischer Gefangener).
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