Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg
Teil 3: Das Sommersemester 1972

Materialien zur Studentenbewegung und Hochschulpolitik

Von Jürgen Schröder, Berlin, 1.2.2011

Im Sommersemester 1972 vollziehen sich innerhalb der linken Studentenbewegung an der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg weitere Spaltungsprozesse. Nicht hier sondern vornehmlich separat wird die Fraktionierung der im letzten Semester noch geeint erscheinenden Marxistischen Gruppe Erlangen-Nürnberg geschildert (vgl. Aug. 1972). Daneben aber tritt nun die dem Tübinger KAB/ML verbundene Gruppe Roter Pfeil Erlangen auf (vgl. Apr. 1972, Mai 1972) und auch die Freunde des KSV der KPD versuchen sich an der Organisierung von Massenaktionen zum 1.Mai, was wiederum zum heftigen Streit mit den Anhängern des KAB/ML führt (vgl. 13.4.1972, 19.4.1972, 27.4.1972, 1.5.1972).

Während auch die Vietnamsolidarität weiter betrieben wird (vgl. 15.5.1972, 17.6.1972), beginnt an der FAU der Protest gegen das bayrische Hochschulgesetz (BGH - vgl. Mai 1972, Juni 1972), der auch im Wintersemester 1972/73 fortgeführt werden wird.

Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

April 1972:
Es erfolgt die Konstituierung der Roter Pfeil Gruppe Erlangen des KAB/ML mit dem Organ 'Roter Pfeil' - Für das revolutionäre Bündnis von Arbeiterklasse und fortschrittlicher studierender Jugend.

Einem Bericht dieses 'Roten Pfeil' zufolge heißt es dazu:"
Diese örtliche Studentengruppe geht hervor aus der Kommunistischen Jugend/Marxisten-Leninisten (KJ/ML) Erlangen. Die KJ/ML umfaßte kommunistische Lehrlings- und Schülergruppen, sowie Stützpunkte in Betrieben und Schulen." Wichtigste Aufgabe für die KJ/ML: "Aufbau der revolutionären Kommunistischen Partei und ihrer Massenorganisationen".

Die Gruppe schließt sich später den KSG/ML des KAB/ML bzw. KABD an.
Quelle: Roter Pfeil,Erlangen Apr. 1972,S.4

13.04.1972:
Innerhalb der LgdI der KPD erscheint der Rundbrief des Zentralvorstandes Nr.9, der auf die Gründung des Landesverbandes Bayern vorbereitet (vgl. 15.4.1972) und zur Maikampagne bekanntgibt, daß in Bayern in München eine eigene Maidemonstration vom Zentralverband der Roten Zellen (ZVROZ) München, den Roten Zellen an der Uni Erlangen und fortschrittlichen Studenten und Schülern aus Nürnberg geplant sei.
Q: LgdI-ZV:Rundbrief Nr.9,o.O. 13.4.1972

19.04.1972:
Die KPD berichtet heute:"
KOMMUNISTISCHER STUDENTENVERBAND (KSV) - KOMMUNISTISCHE STUDENTEN IM KAMPF FÜR DEN 1.MAI

Die mit dem KSV sympathisierenden Organisationen an der Uni München und der Uni Erlangen/Nürnberg, der Zentralverband der Roten Zellen (ZVROZ,d.Vf.) München und die Roten Zellen an der Erlanger Uni, werden sich in die Demonstrationen der Liga gegen den Imperialismus (LgdI,d.Vf.) in München und Nürnberg einreihen, um am 1.Mai gemeinsam mit allen antiimperialistischen Menschen den Kampf der unterdrückten Völker gegen den Imperialismus und für den Sieg der Völker Indochinas zu demonstrieren.

GEGEN REFORMISMUS UND REVISIONISMUS - FÜR DIE REVOLUTIONÄRE EINHEIT DER ARBEITERKLASSE - KPD!
FÜR DAS FESTE BÜNDNIS DER ARBEITERKLASSE MIT ALLEN UNTERDRÜCKTEN SCHICHTEN DES VOLKES IM KAMPF FÜR DIE SOZIALISTISCHE REVOLUTION!
VORWÄRTS BEIM NATIONALEN AUFBAU DES KSV!
VORWÄRTS ZUM 1.MAI!"
Q: Rote Fahne Nr.41,Dortmund 19.4.1972,S.5

27.04.1972:
Zu einer Maiveranstaltung in der Uni Nürnberg rief u.a. der Landesverband Bayern der LgdI der KPD mit einem Flugblatt "1.Mai Internationaler Kampftag der Arbeiterklasse" auf. Die KPD berichtet, daß an den Maiveranstaltungen in Nürnberg und Hof 200 Personen teilgenommen haben.

Die LgdI berichtet aus Erlangen/Nürnberg (vgl. Apr. 1972, 1.5.1972):"
Am 27.April wurde … in Nürnberg die Großveranstaltung zum 1.Mai durchgeführt, an der ca. 100 antiimperialistische Freunde aus Erlangen und Nürnberg teilnahmen. In den Referaten und Berichten der Mai-Aktivs wurde die Bedeutung des 1. Mai als Kampftag der Arbeiterklasse, als Tag der internationalen Solidarität der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten mit dem nationalen Befreiungskampf der unterdrückten Völker, besonders mit dem Volk von Vietnam, betont."

Die KPD (vgl. 3.5.1972) berichtet:"
In Hof und Nürnberg sind Maiveranstaltungen abgehalten worden, an denen zweihundert Arbeiter, Schüler und Studenten teilnahmen."
Q: Internationale Solidarität Nr.4,Berlin Mai 1972,S.3; LgdI-LV Bayern:1.Mai Internationaler Kampftag der Arbeiterklasse,o.O. o.J. (1972);Rote Fahne Nr.42,Dortmund 3.5.1972,S.3

Mai 1972:
Die Nr.5 des 'Rebell' der RJ/ML des KAB/ML (vgl. Apr. 1972, Juni 1972) berichtet u.a., daß sich vor einigen Wochen die Gruppe Kommunistische Jugend (ML) Erlangen (KJ/ML), die aus Lehrlingen, Jungarbeitern und Schülern bestehe, der RJ/ML angeschlossen habe. Auf einer Konferenz von Lehrlings- und Jugendgruppen der Umgebung sei neben der RJ/ML auch die KPD/ML-ZK aufgetreten. Die Erlanger arbeiten außer an der Uni auch noch mit einer Zeitung an Berufsschulen und verfügen über zwei Betriebsgruppen, die Betriebszeitungen herausbringen wollen.
Q: Rebell Nr.5,Tübingen Mai 1972

Mai 1972:
In Erlangen gibt die Kommunistische Schulgruppe am Fridericianum - Humanistisches Gymnasium (HG) bzw. die Marxistisch-leninistische Schülergruppe (MLSG) des KAB/ML ihre Schulzeitung 'UK' (vgl. März 1972, Juli 1972) heraus mit einem Leitartikel zum BHG-Teach-In der Gruppe Roter Pfeil der KSG/ML des KAB/ML an der FAU Erlangen wobei auch von der Demonstration berichtet wird. Zu BHG und HRG werde sich die 'ca ira' in ihrer nächsten Ausgabe nach den Pfingstferien äußern.
Q: UK,Erlangen Mai 1972,S.1ff

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01.05.1972:
In Nürnberg führt der DGB, laut KB, eine Veranstaltung durch.

Die KPD/ML-ZK dagegen bildet, nach eigenen Angaben, eine Aktionseinheit mit spanischen und türkischen Gruppen, die eine Demonstration durch Gostenhof durchführt, welche von 150 auf 400 Personen anwächst.

Laut Arsti (vgl. 8.5.1972) ging die Demonstration der KPD/ML am Kornmarkt los. Der Marsch des Maiausschusses Nürnberger Gewerkschafter dagegen sei mit 1 000 Personen vom Hauptmarkt zur Messehalle gezogen, wo dann 5 000 beim DGB teilnahmen. Nachdem sowohl DGB-KV als auch IGM-Verwaltungsstelle nichts unternommen hätten zur Maivorbereitung, habe die DKP 100 Unterschriften von Einzelpersonen, aber nicht von Organisationen, unter einen Aufruf gesammelt. Die Arbeiterstimme aber habe eine Initiative zum Zusammenschluss von Organisationen gestartet. Schliesslich hätte sich ein gemeinsamer Maiausschuss aus den beiden Ansätzen gebildet, der ein allgemeines Mai-Flugblatt in Auflage von 20 000 Stück, u.a. im IGM-Bereich bei Triumph (vgl. 27.4.1972) und ein Lehrlingsflugblatt (6 000 Stück) verteilte. Beteiligt gewesen seien auch die Sozialistische Hochschulgruppe (SHG), Sozialistische Schüler und HBV-Mitglieder.

Später (vgl. 3.12.1973) berichtet die Arsti von der Marxistischen Gruppe (MG) Erlangen/Nürnberg (vgl. Okt. 1971, Aug. 1972), dass diese sich nicht am 1.Mai 1972 beteiligt habe. In den Auseinandersetzungen darüber habe sich eine Arbeiterrunde gebildet.

Die KPD (vgl. 3.5.1972) berichtet über ihre um 10 Uhr 30 auf dem Petersplatz beginnen sollende Demonstration:"
NÜRNBERG, ERLANGEN, HOF

Aus den drei Städten hatten sich am 1.Mai über 100 Freunde und Sympathisanten der Liga und der KPD zu einer Demonstration zusammengefunden. Ihr Zug führte ausschließlich durch Wohnviertel der Stadt; er mied die Geschäftsviertel und endete auf dem Melanchthon-Platz, wo eine Kundgebung abgehalten wurde."

Am 19.4. wurde noch eine eigene Demonstration in Hof zu unbekannter Uhrzeit und nicht festgelegtem Ort angekündigt und über die geplante Teilnahme der Roten Zellen Erlangen des KSV an der Nürnberger Demonstration berichtet.

Am 17.5.1972 berichtet die KPD:"
Die Demonstrationen in Nürnberg und München, die KSV und LIGA gegen den Imperialismus organisierten, und an denen 150 bzw. 220 Mitglieder und Sympathisanten dieser Organisationen teilnahmen, zeigen, daß sie auch dort, wo die Partei selbst nicht arbeitet und sie selbst erst die ersten organisatorischen Schritte im Zuge ihres nationalen Aufbaus unternimmt, erfolgreich eine selbständige Massenarbeit durchzuführen im Stande sind."

Die LgdI Bayern mobilisierte für die Demonstration in Nürnberg ab Peterskirche. Laut Arsti beteiligen sich 120 an dieser Demonstration der Roten Zellen.

Für die LgdI der KPD berichtet das Antiimperialistische Komitee (AIK) Erlangen aus Erlangen/Nürnberg (vgl. 27.4.1972):"
Der Höhepunkt der Mai-Aktivitäten, unsere Demonstration in Nürnberg am 1. Mai, wurde schließlich zu einem großen Erfolg des jungen Erlanger Komitees. Während die Demonstration mit etwa 170 Teilnehmern durch Nürnberger Arbeiterviertel zog, wurde in kurzer Zeit der gesamte Vorrat an Flugblättern verteilt. Wie schon auf den Meetings in den Wochen zuvor, wurden viele Gespräche mit den Passanten geführt, die sich sehr für die Arbeit der LIGA interessierten.

Die Demonstration wurde auf einer Schlußkundgebung, wo auch ein Genosse der KPD sprach, mit der Internationale abgeschlossen. Direkt nach der Kundgebung meldete sich eine Anzahl von Sympathisanten, darunter mehrere Werktätige, die bei der weiteren Arbeit des Komitees für den Aufbau der LIGA mithelfen wollen. Allein durch die Arbeit des Aktivs konnten 40 neue Freunde an unsere Arbeit herangeführt werden, in mehreren nordbayrischen Städten wurden erste Voraussetzungen für den Aufbau antiimperialistischer Komitees geschaffen und als konkrete Folge der Arbeit in Nürnberg kann bald das zweite antiimperialistische Komitee mit mehr als 20 Mitgliedern mit seiner Arbeit beginnen."
Q: Arbeiterstimme Nr.2 und 5,Nürnberg 8.5.1972 bzw. 3.12.1973; Internationale Solidarität Nr.4,Berlin Mai 1972,S.3f;Rote Fahne Nr.41, 42 und 43,Dortmund 19.4.1972, 3.5.1972 bzw. 17.5.1972,S.1,S.3 und 5 bzw. S.3;LgdI-LV Bayern:1.Mai Internationaler Kampftag der Arbeiterklasse,o.O. o.J. (1972);Roter Morgen Nr.11,Hamburg 5.6.1972;Arbeiterkampf Nr.19,Hamburg Juni 1972,S.9

15.05.1972:
Der AStA der FAU Erlangen-Nürnberg gibt seine 'Faust-Informationen aktuell' (vgl. 19.1.1972, 4.10.1972) unter der Schlagzeile "Vietnam siegt" mit dem Aufruf zur morgigen Solidaritätsdemonstration heraus.
Q: Faust-Informationen aktuell,Erlangen 15.5.1972

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Juni 1972:
Es erscheint das 'Rote Signal' der MLSG des KAB/ML Nr.5 (vgl. Mai 1972, Juli 1972). Berichtet wird u.a. aus aus Bayern vom Protest gegen das Bayrische Hochschulgesetz (BHG – vgl. 18.5.1972), zu dem auch die KSG/ML Veranstaltungen in Erlangen und Würzburg durchführte und Flugblätter herausgab.
Q: Rotes Signal Nr.5,Erlangen Juni 1972,S.7f

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17.06.1972:
Das Nationale Vietnam Komitee (NVK) wird gegründet (vgl. 5.6.1972) und kann sich auf dieser ersten Delegiertenkonferenz (vgl. 7.10.1972) auf 102 bereits existierende Vietnamausschüsse (VA) stützen, u.a. Erlangen Uni.
Q: NVK:Bulletin Nr.1 und 5,Bonn 1972; NVK:Resolution der Gründungsversammlung,Bonn 1972

05.07.1972:
Die Gruppe Arbeiterstimme gibt ihre 'Arbeiterstimme' (ARSTI - vgl. 8.5.1972, 3.10.1972) Nr.3 heraus.

Berichtet wird auch aus Erlangen, u.a. von den Hochschulen über die Marxistische Gruppe (MG) Erlangen, die Gruppe Solidarität und die Sozialistische Hochschulgruppe (SHG - 25.4.1972), die sich mit dem Aufbau einer Basisgruppe an der PH befaßt.
Q: Arbeiterstimme Nr.3,Nürnberg 5.7.1972

August 1972:
Die Gruppe Arbeiterstimme (vgl. 3.12.1973) berichtet über die Marxistische Gruppe (MG) Erlangen/Nürnberg (vgl. 1.5.1972, Okt. 1972), dass sich die Theoriefraktion (TF) abgespalten habe. Fast alle Arbeiter und Lehrlinge hätten entweder mit der Bundeswehr (Buwe), dem Zivildienst (ZDL) oder dem Zweiten Bildungsweg (ZBW) angefangen, wodurch sich die Rest-MG jenseits der TF faktisch aufgelöst habe.
Q: Arbeiterstimme Nr.5,Nürnberg 3.12.1973

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