Klassenkampf - Zeitung des Bundes Kommunistischer Arbeiter, Jg. 2, Nr. 9, 11. Mai 1971

11.05.1971:
Der BKA Freiburg gibt die 12-seitige Nr. 9 seines 'Klassenkampfes' (vgl. 22.4.1971, 30.6.1971) heraus, die sich vor allem mit dem 1.Mai befaßt. Außer Berichten über die Demonstrationen in Hamburg und Berlin wird die Haltung der Freiburger KPD/ML's zum Gewerkschaftlichen Maikomitee geschildert. Sowohl dieses Komitee als auch der BKA haben bereits je eine Broschüre mit ihren Beiträgen von Veranstaltung (vgl. 30.4.1971) und Kundgebung erstellt.

Die KPD/ML-ZB wirft dem BKA wegen der Maiberichterstattung das Verbreiten von "Lügen und Halbwahrheiten" über andere revolutionäre Organisationen, d.h. z.B. die KPD/ML-ZB vor.

Der zweite Leitartikel neben der Maiberichterstattung ist "Freigabe des Wechselkurses gleich Verschärfung der Krise", wo es u.a. heißt: "
Für die deutsche Export-Industrie (über ein Viertel der gesamten Jahresproduktion der BRD wird ausgeführt!) bedeutet eine Aufwertung eine unmittelbare Bedrohung, da ihre Erzeugnisse für den Ausländer nun teurer sind und es sich fragt, ob die Amerikaner, Engländer und alle anderen nun noch die teueren Made in Germany Produkte kaufen. Die Exportindustrie muß dann versuchen, ihre Produkte im Inland abzusetzen, woraus eine verschärfte Konkurrenz für die Inlandprodukte erwächst.Da die Aufwertung die Einfuhr verbilligt, werden verstärkt ausländische Erzeugnisse nach Westdeutschland strömen, und die Konkurrenz um den Absatz der inländischen Waren in der BRD noch weiter verschärfen. Besonders hart wird dies die Landwirtschaft treffen.

Wie werden die westdeutschen Kapitalisten in einer solchen Situation, die zudem auch noch in die immer spürbarer werdende eigene Krise fällt,
reagieren? Sie werden, um in dieser doppelt verschärften Konkurrenz zu überleben, einen Teil von uns Arbeitern und Arbeiterinnen hinauswerfen und aus den Kollegen, die in der Produktion verbleiben, das Letzte herauszupressen versuchen. Ihr treuer Gehilfe, der Staat, wird notwendige Lohnerhöhungen mit Konzertierter Aktion, mit Lohnleitlinien und Stillhalteabkommen mit den Gewerkschaften zu verhindern suchen, damit die Unternehmer bei steigender Produktivität 'kostensparender' produzieren können. Einen ersten Erfolg erzielten die Kapitalisten beim Tarifabschluß mit der IG Bau Steine Erden (BSE, d.Vf.) über 7, 9%, genau nach Schillers Lohnleitlinien. Ein weiteres Beispiel ist das unverschämte 5% Angebot der Chemie-Industrie in den jetzt laufenden Tarifverhandlungen (CTR mit der CPK, d.Vf.). Die Antwort der Gewerkschaften muß dagegen heißen: sich nicht auf das Spiel der 'wirtschaftspolitischen Vernunft' einzulassen, sondern entschieden und ausschließlich die Interessen der Arbeiterklasse zu vertreten! Heißt das nun, daß wir unsere Interessen wahren, wenn wir die Aufwertung zu verhindern suchen, weil die Aufwertung einen verschärften Arbeitsdruck, Lohnstops und Arbeitslosigkeit bedeutet? - Nein! Denn was bedeutet Nichtaufwertung für uns?

Für die enormen Aufwendungen, die Amerika (USA, d.Vf.) für die Sicherung der wirtschaftlichen Interessen seines aggressiven Imperialismus bis hin zum Vietnamkrieg, leistete, wurden riesige Kreditsummen aufgenommen, die eine hohe Inflationsrate bei gleichzeitiger Stagnation der amerikanischen Wirtschaft hervorriefen: eine bisher nicht gekannte Teuerungswelle überflutete Amerika. Immer mehr Amerikaner kaufen daher die billigeren Waren aus der BRD. Da sie vor der Bezahlung der deutschen Waren ihre Dollar in DM am Devisenmarkt umtauschen müssen, strömen immer mehr Dollar an den Devisenmarkt, immer mehr DM werden nachgefragt. Das dadurch entstehende Ungleichgewicht von Dollar-Angebot und DM-Nachfrage wird noch weiter verstärkt, indem jeder Amerikaner versucht, die 'schlechten' Dollars loszuwerden und in 'harte' DM einzutauschen. Um den Preis des Dollars (gleich Wechselkurs) fix zu halten, muß die deutsche Notenbank ständig die überschüssigen Dollars aufkaufen - mit zusätzlich geschaffenen DM. So strömen unablässig mehr und mehr DM in die deutsche Wirtschaft, d.h.: die amerikanische Inflation wird in die BRD importiert. Wir erleben Preissteigerung auf Preissteigerung, wenn die DM nicht aufgewertet wird. OB AUFWERTUNG, OB NICHTAUFWERTUNG, FÜR DIE ARBEITERKLASSE IST BEIDES KEINE LÖSUNG. Für uns ist diese Währungskrise ein erneuter Beweis dafür, daß wir uns immer wieder gegen die Auswirkungen der kapitalistischen Krise (Entlassungen, Preissteigerungen) zur Wehr setzen müssen.

KAMPF DEN KRISENFOLGEN!
WEHREN WIR UNS GEGEN ENTLASSUNGEN, KURZARBEIT UND LOHNKÜRZUNGEN!
WEHREN WIR UNS GEGEN VERSCHÄRFTE AKKORDHETZE!

Die Arbeiterklasse kann sich niemals auf das Spielchen der Kapitalisten einlassen, ob Aufwertung oder nicht, ob Devisenbewirtschaftung oder nicht. Welche Maßnahme getroffen wird, hängt vom Kräfteverhältnis der verschiedenen nationalen Monopolkapitale ab, deren Entscheide immer vom Profitinteresse, und niemals vom Interesse der Arbeiterklasse diktiert sind. Für die Arbeiterklasse kann es nur den entschiedenen Klassenkampf gegen die kapitalistischen Ausbeuter geben mit dem Ziel des endgültigen Sturzes der Herrschaft des Kapitals, mit dem Ziel des Sozialismus."

Am 1.Mai knüpft ein weiterer Artikel an: "
GLEICHER LOHN FÜR MÄNNER UND FRAUEN
So lautete eine unserer Parolen zum 1.Mai.

Seit 1955 gilt gesetzlich: gleicher tariflicher Lohn für Frauen und Männer.

TROTZDEM bleibt der Effektivverdienst der Kolleginnen unter dem ihrer Kollegen in der gleichen Lohngruppe, sie bekommen weniger Prämien und Leistungszulagen und oft wird ihnen einfach weniger Lohn gezahlt, weil sich niemand um die Verstöße der Unternehmer kümmert.

TROTZDEM ist der Bruttostundenverdienst der Kolleginnen im Durchschnitt um ein Drittel niedriger als der Stundenlohn der Kollegen, weil 90% der Arbeiterinnen angelernt und ungelernt sind, nur 9 von 100 Arbeiterinnen sind Facharbeiter. So sind die meisten Kolleginnen in den untersten Lohn- und Leistungsgruppen und verdienen in der gleichen Arbeitszeit viel weniger!

WARUM IST FRAUENARBEIT SCHLECHTER BEZAHLT ALS MÄNNERARBEIT?

Die Unternehmer sagen: Weil Frauen schlechter ausgebildet sind, weil sie kein technisches Verständnis haben, weil sie häufiger krank sind (oder bei einem kranken Kind zuhause bleiben müssen), weil sie Kinder kriegen und die Arbeit unterbrechen.
Das heißt:

FRAUEN WERDEN SCHLECHTER BEZAHLT, WEIL MAN SIE VON KINDHEIT AN BENACHTEILIGT UND UNTERDRÜCKT!

Es fängt an in der Schule, wo die Mädchen Handarbeits- und Kochunterricht haben, wo es heißt, Mädchen brauchen von Mathematik nichts zu verstehen. Nach der Grundschule wird gesagt: Mädchen brauchen keine Ausbildung, die heiraten ja doch. Zur höheren Schule gehen sowieso kaum Arbeiterkinder. Die meisten Jungen aus Arbeiterfamilien machen eine Lehre, aber bei den Mädchen hält man nicht einmal das für nötig. Wenn sie eine Lehre machen, dann in den 'Frauenberufen', die wieder am schlechtesten bezahlt sind. Dabei ist es eine Illusion zu glauben, daß sich durch Heirat etwas an ihrer Lage ändern würde, daß sie es dann nicht mehr nötig haben würden zu arbeiten. Die meisten Töchter von Arbeitern heiraten wieder Arbeiter und müssen einige Jahre oder Jahrzehnte mitarbeiten. Ihnen bleibt dann nichts anderes übrig, als ungelernte Arbeit unter schlechtesten Arbeitsbedingungen zu niedrigsten Löhnen zu tun oder als 'kleine' Angestellte als Verkäuferin oder im Büro -genauso schikaniert und schlecht bezahlt - zu arbeiten. An diesen Arbeitsplätzen hat man keine Aufstiegsmöglichkeiten, diese Arbeitsplätze sind als erste von Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit betroffen - wie wir jetzt gerade wieder sehen -, der Akkord zwingt zu schärfster Konkurrenz, die angeblich 'leichte' Arbeit ist langweilig und anstrengend, weil sie immer nur einzelne Muskeln und die Nerven belastet. Neben der Arbeit müssen Haushalt und Kinder versorgt werden, Arbeiterinnen können sich keine Hausangestellten leisten. Zu der doppelten Arbeit kommt noch das schlechte Gewissen, die Kinder zu vernachlässigen. Der Arbeitstag der Kolleginnen beginnt durchschnittlich eine Stunde vor dem ihrer Männer und endet zwei Stunden später, Freizeit gibt es so gut wie gar nicht. Das Ergebnis: mit 30 werden viele bei der Arbeitssuche schon als 'zu alt' abgewiesen. Die Frühinvalidität ist hoch und höher als bei den Kollegen. Und die Rente, die eine Kollegin bekommt ist zu niedrig, weil ihr Lohn zu niedrig war.

Die schlechtere Bezahlung der Kolleginnen, ihre zusätzliche Ausbeutung als 'billige Arbeitskräfte' ist also nur ein Punkt ihrer allgemeinen Benachteiligung in der kapitalistischen Gesellschaft. Im Kapitalismus wird es niemals eine vollständige Angleichung der Löhne von Frauen und Männern geben, weil die Ursachen der Lohnungleichheit nur mit der Abschaffung der allseitigen Unterdrückung der Frauen beseitigt werden können. Aber die gemeinsame Parole 'gleicher Lohn für Männer und Frauen' bedeutet:
GEMEINSAM FRONT MACHEN GEGEN DIE SPALTUNGSVERSUCHE der Unternehmer, um GEMEINSAM DEN KAMPF zu ORGANISIEREN FÜR DIE VERBESSERUNG DER LÖHNE UND ARBEITSBEDINGUNGEN und FÜR DIE GEMEINSAME EMANZIPATION VON ARBEITERINNEN UND ARBEITERN IN EINER SOZIALISTISCHEN GESELLSCHAFT."

Abgedruckt wird auch der Comicstrip "Der Kapitalismus schlägt Männer und Frauen …" aus Berlin (vgl. ***1969?).

Die Betriebsgruppe Intermetall (vgl. 10.5.1971, 15.6.1971) äußert sich in "ITT Die Hallen für 3 Wochen dicht", wo es heißt: "
DIE FORDERUNGEN DER BETRIEBSGRUPPE INTERMETALL SIND:
Sofortige Einberufung einer Betriebsversammlung, auf der die Geschäftsleitung gezwungen wird, klar Stellung zu nehmen zur betrieblichen Situation!

Sofortige Einberufung einer Vertrauensleutesitzung, um über mögliche Kampfmaßnahmen zu diskutieren! Einberufung einer IG Metall-Mitgliederversammlung im Betrieb, auf der die Kolleginnen und Kollegen über ihre Forderungen diskutieren können."

Berichtet wird auch von AEG Kassel, dem Vorstandsvorsitzenden der Niederrheinischen Hütte, Dr. Kürten, und der chemischen Industrie (vgl. März 1971). In "IG Bau baut ab" heißt es zur IG BSE: "
Der Chef der IG Bau Steine Erden, Rudolf Sperner, nahm den Mund zu voll: 'Wir dürfen nicht unter andere Geschäftszweige zurückfallen', mahnte er sich selbst vor dem Abschluß der Tarifrunde für die Bauarbeiter. Umsonst. Mit 7, 9% setzte seine Gewerkschaft gerade durch, daß es den Bauarbeitern im nächsten Jahr nicht schlechter geht als bisher, denn die steigenden Preise werden die mageren 7, 9% leicht wegfressen. Verbessert hat sich nichts an der Lage der Kollegen vom Bau. Im Klartext heißt das: Schiller ist froh, daß die Bauunternehmer, die sowieso durch ihre ständige Profitgier die Mieten in die Höhe treiben, nur um wenig mehr Lohn bezahlen müssen und deshalb weiterhin noch mehr in ihre Taschen stecken können. Und: Stabilität heißt für den Wirtschaftsminister, daß es der Arbeiterklasse auf keinen Fall besser gehen kann. Stabilität heißt bei ihm: Stabile Profite.

Deshalb spendete auch der SPD-Wirtschaftsminister Schiller der Gewerkschaft, die immerhin den schlechtesten Abschluß aller Tarifrunden 'erreicht hatte', reichlich Lob: 'Das Ergebnis entspricht sowohl den berechtigten Interessen der Arbeitnehmer wie dem gemeinsamen Bemühen aller um den Fortschritt in der Stabilität und um Sicherung der Arbeitsplätze'."
Q: Klassenkampf Nr. 9, Freiburg 11.5.1971; KPD/ML-ZB-OAK Freiburg, KJVD-SAK Freiburg: Offener Brief. An die Mitglieder und Sympathisanten des Bundes Kommunistischer Arbeiter und der Universitäts- Basisgruppen, Freiburg 15.2.1972

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