Klassenkampf - Zeitung des Bundes Kommunistischer Arbeiter, Jg. 2, Nr. 10, 30. Juni 1971

30.06.1971:
Der BKA Freiburg gibt die Nr. 10 seines 'Klassenkampf' (vgl. 11.5.1971, 28.7.1971) mit 12 Seiten heraus.
Im ersten Leitartikel, "Chemiearbeiter im Kampf gegen das Lohndiktat!", der sich an früheren Artikeln bei Rhodia (vgl. 21.6.1971, 24.6.1971) orientiert, heißt es u.a.: "
Tatsächlich tun die IG Chemie-Führer in der jetzigen Tarifrunde alles, um eine einheitliche und damit machtvolle Kampffront … zu verhindern: …
- Sie zersplittern die Forderungen in viele komplizierte Teilforderungen und tragen so zur Spaltung der Belegschaften bei (in Baden-Württemberg lautet die Forderung z.B. auf 35 Pfennig und 5%, bei den Angestellten 12, 5%). …
In den Schlichtungsverhandlungen sind die Gewerkschaftsführer schon auf 9% heruntergegangen! Und es sieht ganz so aus, als würden sie die nächste Gelegenheit dazu benützen, überall so wie in Rheinland-Pfalz abzuschließen."
Über die Polizeieinsätze gegen Streikende wundert sich der BKA nicht, ist sie doch Büttel der Bourgeoisie und ihres Staates: "
Was bei uns 'gesetzmäßig' ist und was nicht, das wird in erster Linie vom Interesse der herrschenden Klasse bestimmt! Es ist also kein Wunder, wenn jetzt, wo Chemiearbeiter zur Durchsetzung ihrer dringendsten wirtschaftlichen Forderungen in den Streik treten, die Unternehmer bloß zu winken brauchen, und schon treten Polizei und Justiz gegen die Arbeiter in Aktion. Wer hier, wie der IG Chemie-Führer Fabian, an den 'Rechtsstaat' und an das 'Parlament' appelliert, versucht die Arbeiterklasse über den Klassencharakter des bestehenden Staates hinwegzutäuschen, der will verhindern, daß die Arbeiterklasse nicht nur um höhere Löhne, sondern auch gegen den Terror der Polizei, gegen die Klassenjustiz, gegen die Herrschaft der Kapitalistenklasse und gegen den kapitalistischen Staat kämpft."

Im zweiten Leitartikel "50 Jahre KP China" heißt es u.a. zur Gründung der KP China: "
Keineswegs wollen wir den Jahrestag der Gründung dazu benutzen, nichtssagende Lobeshymnen anzustimmen. Wir können von unseren ausländischen Genossen sehr viel lernen, aber es sollte nicht die bequeme Auffassung einreißen, daß die westdeutschen Kommunisten selbst nicht mehr zu denken brauchten, 'weil wir ja schon die Mao-Tse-Tung-Ideen haben', oder 'weil die albanischen Genossen schon wissen, was richtig ist'. Wir sind mit Mao-Tse-Tung einer Meinung, wenn er sagt: Worauf auch der Kommunist stößt, er muß stets fragen: Warum? Er muß es allseitig und selbständig durchdenken; er muß überlegen, ob es der Realität entspricht und wirklich wohlbegründet ist; man darf in keinem Fall blind mitlaufen und sklavischen Gehorsam fördern.'

WORIN SEHEN WIR DIE GROSSE BEDEUTUNG DER CHINESISCHEN REVOLUTION?

Die chinesischen Kommunisten … gehen von der RICHTIGEN LINIE aus, daß AUCH NACH ERGREIFEN DER POLITISCHEN MACHT DURCH DAS PROLETARIAT DER KLASSENKAMPF NOCH LANGE NICHT ABGESCHLOSSEN IST. …

In der Sowjetunion setzt sich dagegen eine andere Linie durch. Schon Stalin sah nicht, daß während der ganzen geschichtlichen Periode des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus Klassen und Klassenkampf fortbestehen und daß - solange diese Übergangsperiode noch nicht abgeschlossen ist - die Möglichkeit einer Rückkehr zum Kapitalismus besteht.

KAPITALISMUS ODER SOZIALISMUS?

So sagte Stalin 1936, es gebe nun in der Sowjetunion 'keine antagonistischen Klassen mehr'." Dargestellt werden auch in einem eigenen Artikel die "Erfolge beim Aufbau des Sozialismus in der VR China". Hingewiesen wird auf die China-Ausstellung (vgl. 28.6.1971).

Im Artikel "Das Kapital zerstört unsere Umwelt" heißt es: "
Manche Kollegen sagen: 'Die Technik hat schon gute Fortschritte gemacht. Aber ich habe immer den Eindruck, daß der Mensch gegen die Natur arbeitet.' 'Der technische Fortschritt ist ja ganz gut, im allgemeinen gut, wenn er der Arbeiterschaft zugute käme. Aber das tut er nicht. Vielmehr muß der Arbeiter jeweils die Lasten tragen.' 'Die Technik ist nicht zum Vorteil für den Arbeiter, sondern zum Profit für das Kapital. Das Kapital verdient durch die Technik. Was aus den Arbeitern wird, ist denen doch egal.' Wie recht diese Kollegen haben, das möchten wir am Beispiel der Umweltzerstörung, oder, wie die bürgerliche Presse verniedlichend sagt 'Umweltverschmutzung', nachweisen. In den letzten Wochen häuften sich die Katastrophenmeldungen in den Zeitungen … . Die Vergiftung macht nirgendwo halt, wenngleich sie in Ballungszentren … wesentlich höher ist als in einer Stadt wie Freiburg. Aber auch hier, so stand es vor kurzem in der 'Badischen Zeitung', hat die Vergiftung der Luft nach Messungen der Reinluftstation auf dem Schauinsland in letzter Zeit sehr stark zugenommen, was jeder selber feststellen kann, wenn er sich in der Innenstadt aufhält. Auch wir beziehen unser Trinkwasser aus zunehmend vergifteten Flüssen und Seen und damit auch aus vergiftetem Grundwasser.

DIE UMWELTVERGIFTUNG IST FÜR UNS ALLE ZU EINER WIRKLICHEN GEFAHR GEWORDEN.

Dies wollen die Kapitalisten nicht wahr haben. Sie wollen uns vormachen, wir bewegten uns in reinster Luft, der Dreck, den sie verursachen, sei nicht im geringsten schädlich. So sagte vor wenigen Tagen ein Dr. Zahn von den Farbwerken Hoechst vor dem Bundestags-Innenausschuß, daß Untersuchungen an Pflanzen keinerlei 'besorgniserregende Fälle' gezeigt hätten, woraus er schloß, daß Maßnahmen gegen die Luftverunreinigung nicht notwendig seien. In die gleiche Kerbe schlug Staatssekretär Hartkopf vom Bundesinnenministerium, als er angesichts von Meldungen und Diskussionen über die 'Umweltverschmutzung' von 'Massenhysterie' und 'dumpfer Angst' sprach, die man den Bürgern nehmen müsse. Doch die Fakten zeigen, daß das Thema Umweltvergiftung nichts mit 'dumpfer Angst' zu tun hat, sondern mit der klaren Erkenntnis, daß der TECHNISCHE FORTSCHRITT IN DER KAPITALISTISCHEN GESELLSCHAFT MIT EINER SYSTEMATISCHEN ZERSTÖRUNG UNSERER UMWELT VERBUNDEN IST."

Es folgen eine Reihe von Beispielen für Umweltzerstörung und dann wird fortgefahren: "
Was ist die Ursache dafür, daß die Kapitalisten all das nicht wahrhaben wollen? Einzig und allein die Tatsache, daß diese wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse ihren Interessen nach möglichst kostensparender Produktion und damit möglichst hohem Profit genau entgegengesetzt sind. Die Kapitalisten wollen weiterhin alles ungestört vergiften und dennoch mit ihren 'Umweltschutzleistungen' prahlen können. Hauptsache der Profit stimmt. Das vorrangige Interesse jedes einzelnen Kapitalisten an möglichst kostensparender Produktion führt dazu, daß die Kapitalisten selbst völlig unzureichende Vorhaben des Staates - der die Aufrechterhaltung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung insgesamt zu sichern hat - verhindern wollen. Nur so ist die Tatsache zu erklären, daß die Mineralölindustrie sich gegen ein jetzt eben verabschiedetes Gesetz wehrte, nach dem die Bleizusätze im Benzin ab 1972 von gegenwärtig 0, 44 Gramm pro Liter auf 0, 40 Gramm (!) und erst ab 1976 (!) auf 0, 15 Gramm pro Liter beschränkt werden sollen. Effekt dieser lächerlichen 'Neuregelung': weil es bis 1976 mehrere Millionen Autos mehr gibt, wird sich insgesamt der Anteil von Blei in der Luft weiter erhöhen.

Dies, obwohl es heute schon technisch möglich wäre, Benzin ohne jeden Bleizusatz herzustellen, … . Allein die Tatsache des ungezügelten Profitinteresses der Kapitalisten führt zu derart ungeheuerlichen Lügen wie der von 'Sachverständigen' der Mineralölindustrie im Bundestag vorgetragenen, daß 'Bleiverbindungen im Benzin keine schädigenden Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hätten, wobei die 'Sachverständigen' im nächsten Satz damit herausrücken, was der eigentliche Grund für sie ist, wirksame Beschränkungen der Bleizusätze im Benzin abzulehnen: 'schwerwiegende Handelshemmnisse', so sagen sie, wären die Folgen einer derartigen Regelung. 'Schwerwiegende Handelshemmnisse', also weniger Profit! Das allein ist die Ursache dafür, daß die 'Sachverständigen' der Kapitalisten noch keine 'schwerwiegenden Auswirkungen' feststellen konnten. Selbstverständlich werden sich diese Erkenntnisse ändern, wenn der Umweltschutz zum großen Geschäft für die Kapitalisten geworden ist, ein Geschäft, daß natürlich die arbeitende Bevölkerung dann bezahlen muß (vgl. 18.5.1971, d.Vf.). … Bei den Kapitalisten hört sich das so an: 'Umweltschutz wird längerfristig ein Geschäft mit Milliardenumsätzen, mit Aufträgen privater Unternehmer und der öffentlichen Hand' (aus einem Schweizer Informationsbrief für die gehobenen Schichten). Wenn der Staat die Milliarden gibt, welche die werktätige Bevölkerung zu erarbeiten hat, dann wird Umweltschutz möglich.

ZERSTÖRUNG DER UMWELT, TEILWEISE WIEDERHERSTELLUNG DER UMWELT, ALLES IST ABHÄNGIG VON DEN INTERESSEN DER KAPITALISTEN. …

Die Verteidiger des kapitalistischen Systems, die mit ihrem Geschwätz von den notwendigen Korrekturen so tun, als ob mit ein paar Gesetzen der Umweltzerstörung so nach und nach beizukommen wäre, wecken gefährliche Illusionen. Ihr ganzes Geschwätz über die notwendigen Maßnahmen zum Umweltschutz soll davon ablenken, daß die UMWELTZERSTÖRUNG EINE SACHE IST, DIE ZUM KAPITALISMUS GEHÖRT UND NUR GLEICHZEITIG MIT IHM BEKÄMPFT WERDEN KANN.

Vor allem aber weckt dieses Geschwätz Illusionen über den Charakter des kapitalistischen Staates. der Staat im Kapitalismus kann nicht die gesamte Produktion im Interesse der werktätigen Bevölkerung VORAUSPLANEND organisieren, wie es Aufgabe des sozialistischen Staates ist. Die Aufgabe des kapitalistischen Staatsapparates ist vielmehr, die bestehende Gesellschaftsordnung, und damit die Herrschaft der Kapitalisten zu sichern. Und weil der kapitalistische Staat nicht vorausplanend im Interesse der werktätigen Bevölkerung die Produktion organisieren kann, ist er immer wieder gezwungen, erst im Nachhinein einzugreifen, 'wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist', um das allerschlimmste zu verhüten. Und das Allerschlimmste wäre für die Kapitalisten die Vernichtung der menschlichen Arbeitskraft durch die Umweltzerstörung, damit das Ende ihrer Profitwirtschaft."

In "PARAGRAPH 218 Die Abschaffung des Abtreibungsparagraphen genügt nicht!" heißt es: "
Der Paragraph 218, der Schwangerschaftsunterbrechungen unter Strafe bis zu 5 Jahren stellt (wenn nicht das Leben der Mutter gefährdet ist), ist ein Stück Klassenjustiz! Er unterdrückt Arbeiterinnen, untere Angestellte und Beamtinnen mehr als wohlhabende Frauen. Es fängt schon damit an, daß man die Pille nicht allgemein auf Krankenschein bekommt. Eine Frau aus der arbeitenden Bevölkerung, die abtreiben muß, weil sie es nicht schafft mit noch einem Kind - gesundheitlich und finanziell - weil es kaum Krippen und zu wenig Kindergärten gibt, weil sie mit der doppelten Belastung von Arbeit und Familie kaum fertig wird oder weil sie kein Kind haben will, hat keine Möglichkeit für ein paar Tage nach London oder in die Schweiz zu fahren, sich für einige tausend Mark Atteste und Gutachten zu besorgen, den Eingriff fachmännisch von einem Arzt vornehmen zu lassen und sich anschließend zu erholen. Arbeiterinnen gehören zu denen, die jedes Jahr sterben, krank oder steril bleiben, weil sie Pfuschern in die Hände geraten. Diesen Klassencharakter des Strafrechts geben auch die liberalen Fürsprecher für eine Reform des totalen Abtreibungsverbotes zu. In STERN und SPIEGEL fordern sie das 'Recht der Frau über ihren eigenen Körper zu verfügen', die 'freie Entscheidung für Wunschkinder' - aber sie unterschlagen dabei einiges.

Auch die Abschaffung des Paragraphen 218 bringt für die Frauen der Arbeiterklasse nicht die Möglichkeit, frei zu entscheiden, ob sie Kinder haben wollen oder nicht. Die freie Entscheidung wäre nur möglich, wenn für die Frauen, die Kinder wollen, auch die entsprechenden Einrichtungen vorhanden wären, damit Versorgung, Erziehung und Ausbildung der Kinder gesichert wäre, wenn die 'Entfaltung des Lebens' überhaupt möglich wäre. Das setzt aber eine Gesellschaftsordnung voraus, in der die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse entsprechend den Bedürfnissen der arbeitenden Bevölkerung gestaltet werden, also eine sozialistische Gesellschaft. In der kapitalistischen Gesellschaft erleichtert die Aufhebung des Abtreibungsparagraphen höchstens den notgedrungenen Verzicht auf Kinder. Und das 'Recht der Arbeiterin über ihren eigenen Körper zu verfügen' kann die Abschaffung des Paragraphen 218 auch nicht bringen. Auch wenn sie nicht mehr zum Kinderkriegen gezwungen wird, muß sie weiterhin ihre Arbeitskraft verkaufen und ihre Gesundheit in der Fabrik unter schlechtesten Arbeitsbedingungen ruinieren.

Die Abschaffung des Abtreibungsparagraphen reicht also nicht. Die Aufhebung des Abtreibungsverbotes ist eine wichtige und notwendige Forderung an den Staat. Arbeiterinnen und Arbeiter müssen sich wehren gegen Gesetze, die unsere Lage noch zusätzlich verschlechtern. Aber eine wirkliche Verbesserung unserer Arbeits- und Lebensbedingungen kann nur der Kampf gegen die kapitalistischen Produktionsverhältnisse bringen. Erst wenn der gesellschaftliche Reichtum, den wir produzieren, in unserem Interesse verwendet wird, kann sich das Leben der arbeitenden Bevölkerung entfalten."
Q: Klassenkampf Nr. 10, Freiburg 30.6.1971

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