Klassenkampf - Zeitung des Bundes Kommunistischer Arbeiter, Jg. 2, Nr. 13, 22. Sept. 1971

22.09.1971:
Der Bund Kommunistischer Arbeiter (BKA) Freiburg gibt seinen 'Klassenkampf' Nr. 13 (vgl. 26.8.1971, 13.10.1971) mit 10 Seiten DIN A 4 unter Verantwortung von Leo Horlacher heraus. Berichtet wird im zweiten Leitartikel über den verschärften Terror in Nordirland (vgl. Aug. 1971, 27.9.1971).
Eingegangen wird auch auf die Geiselnahme in München (vgl. 5.8.1971) und die nachfolgende Kampagne für den Polizeistaat.
Hingewiesen wird auf die neue 'Kommunistische Jugendzeitung' des KJB (vgl. Sept. 1971).
Aus Freiburg wird berichtet vom Metallbetrieb Cumulus (vgl. 9.9.1971).

Der erste Leitartikel befaßt sich mit der MTR: "
METALLTARIFRUNDE
GEGEN DIE ANGRIFFE DER KAPITALISTEN UND IHRES STAATES

Die Forderungen der IG Metall-Führung zur Metalltarifrunde 71 liegen vor. Sie bewegen sich je nach Bezirk zwischen 9 und 11%. Für Südbaden werden 11% mehr Lohn und eine Erhöhung der tariflichen Leistungszulage von 13 auf 16% gefordert. Die Gehälter der Angestellten sollen ebenfalls um 11% erhöht werden. Von Seiten der Metallkapitalisten liegt bis jetzt noch kein Angebot vor (vgl. 15.9.1971, d.Vf.). … Damit ist jedenfalls klar: die Kapitalisten sind fest entschlossen, nicht einmal Lohnerhöhungen, die die Preissteigerungen ausgleichen, kampflos zuzulassen. Das zeigen nicht nur solche Sprüche sondern ebenso der Kampfpakt, den die Metallindustriellen schon vor einigen Monaten abgeschlossen haben und die Erklärungen, daß man alle Konkurrenz untereinander ausschaltet, solange es gegen die Arbeiter geht.

WAS HEISSEN 11%?

Bei vielen Kollegen würde eine 11%ige Erhöhung der Löhne nicht einmal ihre tatsächlichen (Effektiv-) Verdienste absichern. Das zeigt folgende Rechnung, die wir am Beispiel eines Facharbeiters in Lohngruppe VII, verheiratet, zwei Kinder, durchführten:
Bisher bekam er BRUTTO einen tariflichen Grundlohn von 4, 85 DM und dazu eine tarifliche Leistungszulage, die im Betriebsdurchschnitt 13% beträgt, macht zusammen 5, 48 DM. Nach einer Erhöhung um 11% wäre der Grundlohn 5, 38 DM und dazu eine auf 16% erhöhte Leistungszulage macht 6, 24 DM. Bisher war der Monatsbruttolohn also ca. 955 DM, nach der Erhöhung wäre er 1085 DM, also eine Lohnerhöhung von 130 DM.

Das hört sich eigentlich recht gut an. Was bleibt aber denn tatsächlich davon übrig, wenn man die Steuerabzüge, Krankenversicherung usw. abzieht? (In Klammern jeweils die Zahlen nach der Erhöhung.) Lohnsteuer: 54 DM (80 DM). Kirchensteuer 5, 40 DM (8 DM). Krankenversicherung ca. 95 DM (110 DM). Arbeitslosenversicherung 6, 20 DM (7 DM). Abzüge insgesamt 160, 60 DM (205 DM). Als Nettomonatslöhne erhalten wir also: 795 DM vor der Erhöhung, 880 DM danach. Die Erhöhung hat sich also schon auf 85 DM verringert. Wenn man dann noch die Preissteigerungen berücksichtigt (zwischen 5 - 6%), dann bleiben von den 880 DM noch 830 - 840 DM übrig, beträgt die Lohnerhöhung also nur noch zwischen 35 - 45 DM.

Da viele Kollegen außertarifliche Zulagen bekommen, die meist nach einer Lohnerhöhung gekürzt werden, da sie der Unternehmer 'freiwillig' zahlt, kann es durchaus passieren, daß man nach der Lohnerhöhung am Ende gar nicht mehr hat.

IG METALL-FÜHRUNG VERHINDERT 15%-FORDERUNG

Von den Kollegen in den Betrieben, die schon im September 1969 und auch in der letzten Metalltarifrunde gezeigt hatten, daß sie ihre Interessen in Streiks durchsetzen wollen, wurden schon im Juni und Juli Forderungen nach mindestens 15% mehr Lohn aufgestellt. In einer Versammlung von ca. 70 Vertrauensleuten und Betriebsräten aus Freiburg und Umgebung am 24.8. wurde ebenfalls eine Lohnerhöhung von 15% gefordert. Die Kolleginnen und Kollegen waren sich einig, daß die Lohnforderungen der Gewerkschaften ausgehen müssen von dem, was wir Arbeiter und Angestellte brauchen und daß uns das Gejammer der Unternehmer und ihrer Presse über ihre schlechte Wirtschaftslage nicht beeindrucken darf. Die IG Metall-Spitze verhinderte, daß diese 15%-Forderung der Kollegen aus den kampfstärksten Betrieben, wie Hoesch in Dortmund, Ford in Köln, Klöckner in Bremen zur einheitlichen Forderung aller Metallarbeiter wurde.

Begründet wurde das so: Es sei noch zu früh, Forderungen aufzustellen, da die wirtschaftliche Lage noch nicht klar sei. Dabei war aber schon damals klar, daß die wirtschaftliche Lage der Metallarbeiter eine Lohnerhöhung von mindestens 15% erfordert. Aber das meint die IG Metall-Führung auch gar nicht, wenn sie von wirtschaftlicher Lage redet. Sie geht nicht von UNSERER Lage aus, die sich durch die ständige Inflation und durch die beginnende Krise verschlechtert.

Sondern sie geht aus von der Lage der KAPITALISTEN. Wenn es auch reine Zweckpropaganda ist, wenn die Unternehmer behaupten sie hätten riesige Verluste, so erreichten ihre Profite in diesem Jahr nicht mehr die Zuwachsraten wie in den beiden letzten Jahren. Damals konnten die Kapitalisten im Durchschnitt ihre Gewinne um 30 - 40% pro Jahr steigern.

EXPORTOFFENSIVE DER KAPITALISTEN AUF DEM RÜCKEN DER ARBEITERKLASSE

Die Kapitalisten hatten 1967 eine einmalige Chance. Wegen der vorangegangenen Krise waren die Preise heruntergesetzt. Hunderte von Millionen DM an Waren stapelten sich in den Lagerhallen. Währenddessen stiegen die Warenpreise in den anderen kapitalistischen Ländern. In einem wahren Blitzkrieg eroberten westdeutsche Kapitalisten nun mit ihren Waren Kunden auf dem Weltmarkt. In nur drei Jahren eroberten sie einen größeren Happen vom Weltmarkt als in den sieben Jahren davor. Gewaltige Gewinne begannen sich auf den Konten der großen Monopole zu sammeln, die jetzt voller Optimismus daran gingen, die Fabriken und die Produktion zu erweitern und zu modernisieren. Doch inzwischen zeigt sich, daß die Kapitalisten produziert und produziert hatten ohne Rücksicht auf den Bedarf, ohne Plan, hypnotisiert von den riesigen Gewinnen. Auf dem Weltmarkt hat sich die Konkurrenz verschärft. Das deutlichste Zeichen hierfür ist die Krise des US-Dollars. Der westdeutsche Imperialismus versucht nun diese Krise zu überwinden durch eine neue Exportoffensive. Diesmal soll allerdings nicht so sehr der Export von Waren gesteigert werden sondern der Export von Kapital, d.h. die Investition von Gewinnen, die hier gemacht werden, in Ländern, in denen die Profitaussichten größer sind. Diese Kapitalexportoffensive erfordert für die Kapitalisten 'Ruhe an der Heimatfront'. Die westdeutsche Arbeiterklasse soll die Kosten dafür übernehmen, daß die westdeutschen Kapitalisten in Ländern mit niedrigstem Lohnniveau die dortige Arbeiterklasse in verstärktem Maße ausbeuten und unterdrücken können. Wir sollen nicht nur bezahlen durch direkte Lohnkürzungen, durch vermehrte Kurzarbeit und Entlassungen. Die Inflation, die die Kapitalisten kaum trifft, da ihre Maschinen und Fabriken nicht an Wert verlieren und sie Preiserhöhungen für Rohstoffe abwälzen können, stellt für uns eine ständige schleichende Lohnsenkung dar. Dazu kommen noch die steigenden Steuerlasten, die ebenfalls den Kapitalisten zugute kommen.

BUNDESHAUSHALT:

Die SPD-Regierung hat den Haushalt für 1972 verabschiedet. Das Ergebnis: Die Ausgaben steigen gegenüber 1971 um 8, 4%. Die Arbeiter und Angestellten werden zur Kasse gebeten. Was Schiller maßvoll nennt, sieht im einzelnen so aus:
- Höhere Preise für Benzin und Diesel ab 1. Januar 1972. Die SPD-Regierung beschloß 4 Pfennig je Liter. Die Mineralölgesellschaften kündigen schon jetzt Preiserhöhungen um 6 Pfennig an.
- Höhere Preis für Branntwein. Die Regierung erhöhte die Branntweinsteuer um 25%.
- Höhere Preise für Tabak. Statt bisher 9, 9 Pfg. wird eine Zigarette mindestens 11 Pfg. kosten. Das Ergebnis dieser Steuererhöhungen sind 2, 2 Milliarden mehr Staatseinnahmen.

HÖHERE STEUERN HÖHERE PREISE

Die SPD-Regierung spricht von notwendiger Finanzierung von Gemeinschaftsaufgaben. Tatsache ist: Mit den Mehrbelastungen auf Kosten der Werktätigen werden die Mehrausgaben des Rüstungshaushalts finanziert. Den 2, 2 Milliarden Mehreinnahmen durch Steuererhöhungen stehen 2, 4 Milliarden Mehrausgaben für die Rüstung gegenüber, die vor allem den großen Rüstungskonzernen zu gute kommen.

In dieser Situation ist die 11%-Forderung, wobei die IG Metall-Führung im Stillen schon damit rechnet, daß in den Verhandlungen eh nur 7% rauskommen, eine Zumutung. Ein 7%-Abschluß läge genau auf den Lohnleitlinien, die von Minister Schiller Anfang des Jahres in der Konzertierten Aktion verkündet wurden.

KONZERTIERTE AKTION HEISST WENIGER LOHN

Die Konzertierte Aktion entstand 1967 als nach der Krise die Kapitalisten die Löhne unten halten mußten, um ihre Exportoffensive zu ermöglichen. Zu diesem Zweck schaffte SPD-Schiller eine Arbeitsgemeinschaft, in der Unternehmer und Gewerkschaftsführer unter dem Vorsitz der SPD-Regierung beschlossen im Interesse des 'Wachstums der Gesamtwirtschaft', sprich der Profite der Unternehmer, die Löhne in den Jahren 1968 und 1969 nur minimal zu erhöhen. Mit Erfolg. Während die Unternehmerprofite (netto) 1968 um 22% in die Höhe schnellten, nahmen die Nettolöhne um maximal 5, 2% zu. Die Konzertierte Aktion ist ein Instrument der Kapitalisten und ihres Staatsapparates, mit dem unter tatkräftiger Mithilfe der Gewerkschaftsführung die Lasten der verschärften Konkurrenz auf dem Weltmarkt und der Krise den Arbeitern aufgebürdet werden sollen!

INFLATION: WIR MÜSSEN STÄNDIG FÜR HÖHERE LÖHNE KÄMPFEN

'Was sollen wir für höhere Löhne streiken, die Preise fressen doch alles wieder weg', sagten viele Kollegen in den letzten Tagen. In der kapitalistischen Gesellschaft ist es tatsächlich so, daß die Löhne durch die Inflation ständig runtergedrückt werden. Aber ein verzicht auf Lohnkampf ließe unsere Löhne unter das bisherige Niveau herabsinken. Denn daß die Löhne Ursache steigender Preise sind ist eine unverschämte Lüge der Kapitalisten und ihrer Handlanger in den Zeitungen und im Fernsehen. Die Haltlosigkeit des Märchens von der Lohn-Preisspirale wird von den Tatsachen belegt. So dürfte es z.B. in den USA keine Inflation geben. Denn seit 1967 sind die Reallöhne der Arbeiter nicht mehr gestiegen. Dennoch betrug in den USA die Geldentwertung allein schon in diesem Jahr nahezu 7%. Die Lohnforderungen können also nicht die Inflation hervorrufen. Vielmehr ist unter den Bedingungen des Monopolkapitalismus die Inflation zu einer weiteren Erscheinungsform der Krise des Kapitalismus geworden. Der Lohnkampf gleicht deshalb auch dem Versuch einen Krug zu füllen, der ein Loch hat. Dieser Kampf ist aber dennoch nötig, damit die Arbeiterklasse ihr Lebensniveau erhalten kann. Aber wirkliche Stabilität, Sicherheit der Arbeitsplätze und Sicherheit der Löhne kann es nicht geben, solange die kapitalistische Profitwirtschaft existiert. Gegen die Angriffe der Unternehmer und ihrer Regierung sowie all ihrer Handlanger auf unsere Löhne und unser Lebensniveau hilft nur eins: Wir müssen um die Sicherung unserer Löhne kämpfen. Wir müssen in Streiks zeigen, daß wir nicht bereit sind, auf unsere berechtigten Forderungen zu verzichten, um die Gewinne der Kapitalisten zu sichern, um ihre internationale Konkurrenzfähigkeit und damit ihre Macht über die Arbeiterklasse und unterdrückten Völker zu stärken. Wir müssen unsere Interessen verteidigen.

WEHREN WIR UNS GEGEN DIE ANGRIFFE DER KAPITALISTEN UND IHRES STAATES!
RAUS AUS DER KONZERTIERETN AKTION!
WEG MIT DEN LOHNLEITLINIEN!
KAMPF DEM LOHNDIKTAT!"
Q: Klassenkampf Nr. 13, Freiburg 22.9.1971

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