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Meine bisherigen Ausführungen zu „K-Gruppen, DKP und der (Arbeiter-) Sport“ (siehe Teil I) sollen hier um eine Reihe weiterer Erkenntnisse ergänzt werden. Dabei wird so vorgegangen, dass einzelnen Themenbereiche, zu denen neue Daten vorliegen, speziell behandelt werden. Allgemein gilt hier zunächst auch das, was den Erläuterungen aus dem I. Teil zu entnehmen ist. An die Stelle des „bürgerlichen Sports“ setzten die sogenannten K-Gruppen den „proletarischen Sport“ und die Arbeitersportbewegung (ohne Arbeiter), speziell im Hinblick auf die Abgrenzung zum kapitalistischen (Höchst-)Leistungssport.
Als Alternative zum „korrumpierten, bürgerlichen Sportbetrieb“ sollte auch jene Sportbewegung treten, die der „Völkerverständigung“ dient, speziell jener, die sich mit der VR China, der VR Albanien und der „Dritten Welt“ im Allgemeinen solidarisierte. Hier sind die Massen der eigentliche Motor. Der Idee der „körperlichen Stählung“ und die „Wehrhaftmachung“ gegen die inneren- und äußeren Feinde, getreu der Devise Maos: „Fördert Körperkult und Sport, härtet das Volk körperlich ab“, kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. So wie chinesischen sportbegeisterten Bergsteiger den „Chomolungma“ (Mount Everest) über die Nordroute 1975 bestiegen und damit dem großen Vorsitzenden Mao huldigten, der diesen Erfolg erst „möglich machte“ („China im Bild“), so sollten deren Taten auch ein Ansporn für das chinesische Volk sein, im Klassenkampf gegen alle Abweichungen von der poltischen Linie nicht nachzulassen und sich zu stählen.
Die „körperliche Stählung“ sollte auch dazu beitragen, im Falle eines Angriffs, den Imperialisten- und Sozialimperialisten „harte Schläge“ zu versetzen. So wie bei den Olympischen Spielen 1972 in München. Die „Durchbrechung der Bannmeile“ durch die KPD/ML, war von ihr zudem als effektive Störung der „Olympische Friedhofsruhe“ bezeichnet worden. Dass dieser Akt sogar im Sinne der „Völkerfreundschaft“ interpretiert werden sollte, lässt nur den Schluss zu, dass die gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei, die als „sportliche Schule des Klassenkampfes“ galt, ein erster Schritt zur „Wehrhaftmachung der Volksmassen“ sei.
Dass die K-Gruppen bereitwillig den KPD-Terminus der „Stählung“ und der „Ertüchtigung zum Klassenkampf“ übernehmen sollten, ist ein Hinweis auf ihre Blauäugigkeit. Die „Mannschaftssportarten“ des KJVD der KPD wie etwa (Arm-)drücken, Drängen, Schießen, Karate, Zielwerfen (auf Politiker), die auf ihren „Werner-Seelenbinder“ Sportsfesten praktiziert wurden, zeugen zudem von einer kruden Mischung aus unreflektierten Vorbildfunktionen und ausgesprochenen hedonistischen Zügen. So dürfte auch das Sportfest der KPD/ML 1980 bzw. ihr „Stoppt-Strauß Fußballturnier“ mehr mit einem Realitätsverlust zu tun gehabt haben. Auch hier ging es darum, sich in richtiger Strategie und Taktik zu üben, in Position zu bringen um dem „Klassenfeind“ „empfindliche Schläge“ zu versetzen.
Der Entwicklung der „proletarischen Wehrhaftigkeit“ lag die Vorstellung zu Grunde, dass man nur dann gegen den aufkommenden Faschismus bzw. „faschistischer Tendenzen“ kämpfen könne, wenn man sich „körperlich ertüchtigt“. Auch die „Volkssportwehrübungen“ (Tae-Kwon-Do) der KPD/ML-ZK wären hier zu nennen, die auf die „körperliche und militärische Stärkung“ der Volksgenossen hinausläuft.
Die „Werner-Seelenbinder“ Sportfeste des KJVD, der KPD und der Liga gegen den Imperialismus, sollten ein erster Schritt sein, um die „Kampfgemeinschaft für die Rote Sporteinheit“ zu stählen; denn auch im Sport „gehöre der Arbeiterklasse und dem Sozialismus die Zukunft“ wie die „Kommunistische Volkszeitung“ des KBW meinte.
Damit steht im Zusammenhang, dass der Plackerei in den Betrieben, die Reorganisierung der individuellen Arbeitskraft folgen müsse. Hier falle dem Sport eine wichtige Rolle zu: Er würde auch die „Einheit der Arbeiterklasse“ herstellen können. Daher muss in den Betrieben für den „Betriebssport“, so wie er in der Volksrepublik China betrieben würde, geworben werden.
Der „Sport müsse für die Massen erkämpft“ werden. Erst „Freundschaft, dann Wettbewerb“, könnte in diesem Sinne sogar als geflügeltes Wort bezeichnet werden. Hier seien „Rote Sporteinheit“ oder der „Rot Sport“ zu verwirklichen. Die Gründung von Arbeiter-Sport-Vereinen und Solidaritätsgruppen, korrespondiert zudem mit dem Kollektivgedanken und dem Abschwören der „kapitalistischen Konkurrenz“ im Sport.
Die Schwerpunkte der ASV-Gruppen, der „Roten Sporteinheiten“ und Sympathisanten, lagen vor allem auf der Praxis (Fußball- und Volleyballturniere, eigene Sportfeste, Freizeitsport usw.). Daneben gehörte die ideologische Ausrichtung (Kampf gegen die „Supermächte“, speziell des „Sozialimperialismus“) zu den Grundpfeilern ihrer Agitation- und Propaganda.
Das besondere Anliegen der K-Gruppen galt dem Kampf:
Neuland dürfte in der Sportfrage indes der späte „Arbeiterkampf“ betreten haben, der auch anders zu bewerten ist, da mit der Mao-Bewegung nichts oder nur wenig zu tun hatte. Dort erschienen eine Reihe von Artikeln, die auf den ersten Blick zwar als abweichend von den bisherigen Simplifizierung verstanden werden könnten, bei näherem Hinsehen fällt jedoch auf, dass die dortigen Interpretationen, etwa des Profifußballs- einiger Fußballtrainer, oder Profifußballer gewisse Eigentümlichkeiten aufweisen, die in der Nach-Mao-Ära in eine wundersame Sportphilosophie einmünden, die bar jeder Realität zu sein scheint.
Die mehr als zweifelhaften Darstellungen von „rechtem und linkem“ Fußball, Fußballer, die aus „proletarischem Milieu“ kommend, nie ihre Herkunft verleugnet hätten (etwa: Paul Gascoigne), die Unterscheidungen zwischen „bürgerlichem und proletarischem Fußball“, „linken“ Trainern (etwa: Menotti) und Spielern (etwa: Netzer), dem sogar der „fußballerische Geist der Utopie“ anhing, oder „mit Ippig und Duve existieren linke Bezugspersonen“ („Arbeiterkampf“ Nr. 312), die Lobhudelei über den Fußballverein „FC St. Pauli“ mit der geschwätzigen Floskeln, dass „es Spaß mache zu St. Pauli zu gehen“, der sogar im „bundesdeutschen Profifußball tatsächlich eine Ausnahme“ darstellen würde, oder allgemeiner, dass „vor allem Fußball als Massensport Nr. 1, die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ sein, ist mehr als fremd, zeigt aber auch, dass einige dieser abstrakten Urteile mitunter nostalgische Verklärungen aus den Ideen der alten Arbeitersportbewegung entlehnt sind, und nun modernisiert als fetzige euphemistische Kernsätze, die letztendlich ohne greifbare Ergebnisse bleiben müssen, zum Vortragen gelangen.
Um sich den neuen vorliegen Sportdaten zu nähern, sollen folgende Themenschwerpunkte gewählt werden:
Hinzuweisen wäre noch darauf, dass Daten zu einer Reihe von (Profi-)Sportarten zur Vervollständigung einer möglichen Gesamtschau über „K-Gruppen und Sport“ noch fehlen, etwa: Leichtathletik, Tennis, Motorsport (Formel I), Basketball, Radsport, Reiten, Golf, Turnen, Schwimmen, Skisport, Eisschnelllauf, Handball, usw. Inwieweit sie sich dazu geäußert haben, ist noch unklar. Die Liste zu den verschiedenen Sportarten, die etwa „Wikipedia“ bereitstellt (https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Sportarten), verdeutlicht zudem, welche Bereiche noch zu untersuchen wären.
Auch die Analyse weiterer Materialien zum „Arbeitersport“ fehlt hier noch: Gedacht ist etwa an: „Rebell“ des KB, der RJ/ML, „Rote Fahne“ der KPD, „Kampf der Arbeiterjugend“ des KJVD der KPD/ML-ZB, Rote Fahne“ des KABD/MLPD, örtliches Propagandamaterial, aber auch an Spontizeitschriften wie etwa „Wir wollen alles“ usw.
Eine erhebliche Schwierigkeit in diesem Aufsatz bestand darin, dass die einzelnen Sportbereiche nicht immer zu den hier behandelten Themen zuzuordnen waren. Wenn etwa der „Rote Morgen“ gleich in einem Artikel zur Fußballweltmeisterschaft 1974 Stellung bezog, einige Zeilen weiter den „Rotsport“ propagierte und wiederum sich in einem weiteren Absatz zur „Militarisierung des Sports“ oder zum „Sport in der VR China“ äußerste, dann konnte die Themenzuordnung nicht durchgehalten werden. Ähnliches gilt übriges für die „Kämpfenden Jugend“ und der „Kommunistischen Volkszeitung“. Dem Verfasser ist das nachzusehen. Letztlich sei darauf hingewiesen, dass der „Arbeitersport“ der DKP hier nur in Verbindung mit der „Revisionistenschelte“ der K-Gruppen auftaucht. Eine eigene Datei „DKP und Arbeitersport“ gibt es hier nicht mehr. Daher müsste auch der 2. Teil eher „K-Gruppen und Arbeitersport“ lauten.
Rezensionen von K-Gruppen über Bücher (etwa seit 1970), die den „Sport in der Klassengesellschaft“ behandeln, waren eher selten. Obwohl es zu diesem Zeitpunkt eine Reihe von Veröffentlichungen gab, etwa: Gerhard Vinnai: „Fußballsport als Ideologie“ (1970); Ders.: „Sportliche Verhaltensmuster und kapitalistische Rationalität“ (1972); Andrzej Wohl: „Die gesellschaftlich-historischen Grundlagen des bürgerlichen Sports“ (1973); Sven Güldenpfennig: „Grenzen bürgerlicher Sportpädagogik“ (verm. 1972/73); Jac-Olaf Böhme von Limpert: „Sport im Spätkapitalismus“ (1971), vor allem aber: Helmut Wagner: „Sport und Arbeitersport“ (zuerst 1931, dann 1973), ist nur eine einzige Besprechung aus den 1970ger Jahren bekannt. Der „Schulkampf“ der KSG widmete sich dem „Sport in der Klassengesellschaft“, von Gerhard Vinnai. Vermutlich war das von ihm 1970 erschienene Buch gemeint.
Auf www.academia-verlag.de/cgi/suchac.cgi kann man sich übrigens intensiver mit einem kleinen Teil der Literatur vertraut machen, die seither erschienen ist, über den „Arbeitersport“, etwa auf www.sportantiquariat.de (vgl. Januar 1974).
Im Verlag zum Studium der Arbeiterbewegung, der vermutlich der KPD nahe steht, soll im Juni 1975 die Schrift von G. Wonneberger: „Deutsche Arbeitersportler gegen Faschismus und Militarismus“ erscheinen (vgl. 11. Juni 1975).
Über ein „linkes“ Zeitschriftenprojekt, das „Millerntor Roar“, welches für den „linken St. Pauli Fußballfan“ unregelmäßig herausgegeben wird, weiß der „Arbeiterkampf“ zu berichten, was hier nicht näher kommentiert werden soll (vgl. 13. November 1989).
Der „Arbeiterkampf“ rezensierte auch zwei Bücher, die über Borussia Dortmund erschienen sind, die die „Geschichte des Clubs“ schildern (vgl. 11. Januar 1995).
Januar 1974:
Vermutlich diesen Monat erscheint die Nr. 15 des „Schulkampfs“, der jetzt herausgegeben wird von der Kommunistischen Schülergruppe (KSG) Heidelberg/Mannheim/Wiesloch/Karlsruhe/Bruchsal und deren Aufbaugruppen im Kreis Bergstraße, in Schwetzingen/Hockenheim und Ludwigshafen. Die Buchbesprechung widmet sich dem „Sport in der Klassengesellschaft“ von Gerhard Vinnai, anhand Chinas wird dargestellt der „Sport im Sozialismus“.
Quelle: Schulkampf Nr. 15, Heidelberg o.J. (1974), S.11.
11.06.1975:
In der „Kämpfenden Jugend“ Nr. 11/1975 vom 11. 6., erscheint eine Anzeige des „Verlags zum Studium der Arbeiterjugendbewegung.“
Dort soll von G. Wonneberger die Schrift erscheinen: „Deutsche Arbeitersportler gegen Faschismus und Militarismus.“ Die Schrift soll in: „Dokumente und Analysen aus der Geschichte der revolutionären Jugendbewegung 2“ erscheinen.
Q: Kämpfende Jugend Nr. 11/1975, S. 8.
13.11.1989:
Im „Arbeiterkampf, Zeitung des Kommunistischen Bundes“ Nr. 312 vom 13.11., erscheint der Artikel: „Lichtblicke.“ Ausgeführt wird:
„Seitdem der F.C. St. Pauli erneut die erste Bundesliga beehrt, dürften die Einschaltquoten der Sportschau in den linken Haushalten wieder gestiegen sein. Und plötzlich ist es nicht mehr so verpönt, am Stammtisch in der Alternativkneipe und am Rande einer linken Versammlung über die Balltreterei zu philosophieren. Das St. Pauli-Phänomen bedarf einer Erklärung, was - aufgrund seiner Vielschichtigkeit - nicht ganz einfach ist. Was die Fußballinteressierten allgemein anbelangt, so hat ein Idiot und Udo Lattek-Jünger namens Christoph Daum kürzlich konstatiert, am „Millerntor“ würde halt noch „Fußball pur“ geboten. Wo er recht hat, da hat er recht. Nur: Warum bemüht sich besagter Herr eigentlich nicht darum, „Hamburger Verhältnissen“ auch in Köln einzuführen?
„Fußball pur“, das bedeutet: Fußball in unverfälschter, unkorrumpierter Form; so wie er einst war, und so, wie wir ihn wiederhaben wollen. Fußball als „hautnahes Erlebnis“, ohne getrennte Welten: Hier die Fans, weit davon entfernt die hochdotierten Stars, noch weiter entfernt die Vorstandsetage und ihre politischen und finanziellen Hintermänner. Und: Fußball ohne Ausschreitungen, wo Fans noch neben Fans stehen können, gleich, welcher Elf die Sympathien gehören. Kein Zweifel: Auf St. Pauli geht es anders zu als in München, beim Ortsrivalen von der Rothenbaumchaussee im noblen Kölner Geißbockheim. Zur Übertreibung und Verklärung besteht trotzdem kein Anlass. Es dürften nicht zuletzt handfeste ökonomische Erwägungen sein, aus denen der St. Pauli-Vorstand - zuweilen gar mit Getöse - die volksnahe und proletarische Klaviatur spielt. Was bleibt dem Verein auch anderes übrig? Auf der Ebene des F.C. Bayern und des HSV wird der FC St. Pauli niemals Politik betreiben können, selbst wenn der Vorstand dies wollte. So wird das Kontrastprogramm zu den Großen der Liga zur Überlebensfrage, auch und gerade unter finanziellen Gesichtspunkten. Aber wenn Hans Apel so könnte wie Uli Hoeneß, würde er auch dann nicht wollen?
Was nun die Linken unter den hiesigen Fußballenthusiasten anbelangt, so dürfte die St. Pauli-Begeisterung vor allem darin begründet liegen, dass der Verein im bundesdeutschen Profifußball tatsächlich eine Ausnahme ist, so bescheiden sie auch ausfällt. Außerhalb der Hansestadt sind die St. Pauli-Sympathien weniger originären Charakters denn taktisch motiviert. In der zusehends seelenloseren Bundesliga unterstützen wir den „Kleinsten“, den „Underdog“, obgleich dieser - jedenfalls solange Finanzkraft über Erfolg und Misserfolg bestimmt - wohl niemals die Krone erringen wird, jedoch in kultureller Hinsicht tatsächlich eine gewisse Herausforderung für die Bayern und Bayers darstellt. In einer Zeit, wo der Einfluss des Zuschauers auf das Geschehen stetig abnimmt, dass der externen Sponsoren hingegen ebenso stetig steigt, wo über die Umwandlung von Stadien in Tenniscourts mit Einkaufszentren nachgedacht wird, wo Spieler verkauft werden und aus Vereinen Aktiengesellschaften werden sollen, wo einem Ex-Profi und Manager als Antwort auf den Zuschauerschwund nur einfällt, das Doping zu legalisieren, um die Leistungen hochzutreiben, wedelt der FC St. Pauli einsam und allein mit dem Banner der alten, guten Werte. Werte aus jener Zeit, als der Fußball noch keine Angestelltenkultur war und vom Kapitalismus noch nicht vollends zerstört. Was es mit dem Wedeln real auf sich hat, steht - wie gesagt - noch auf einem anderen Blatt. Aber irgendwie ist das St. Pauli-Phänomen ein natürlicher Reflex auf eine Entwicklung, die selbst dem „Kicker“ in seinem Sonderheft zum Jubiläum der Bundesliga die Tränen in die Augen trieb. Um noch den alten, guten Fußball zu erleben, muss Mensch sich gewöhnlich schon in die untersten Gefilde des Ligawesens begeben, um den Preis des Verzichts auf spielerische Klasse.
Warum kannte vor einigen Jahren jeder Ewald Lienen? Weil es eben nur einen davon gab, so wie es nur einen FC St. Pauli gibt. Die Möglichkeiten positiver Identifizierung sind rar. Die Balltreter selbst geben sich zumeist eher rechts oder an Politik desinteressiert, was nicht zuletzt ihrem heutigen sozialen und gesellschaftlichen Status geschuldet ist. Nicht im Vergleich zu anderen Unterhaltungskünstlern im Kapitalismus, wohl aber zu anderen Arbeitern und Facharbeitern (an denen sie früher mal gemessen wurden) verdienen sie zu viel. Die Vorstände verhalten sich wie die Bosse kapitalistischer Unternehmen, sind nur darauf erpicht, den Fans das Geld aus der Tasche zu ziehen. Und das öffentliche Bild der Fans wird von rechtsradikalen „Hooligans“ dominiert, die zwar nur eine Minderheit im Publikum darstellen, denen jedoch kaum jemand ebenso lautstark entgegentritt.
Der FC St. Pauli ist diesbezüglich tatsächlich etwas anders; jedenfalls genug anders, um das bescheiden gewordene linke Herz wieder etwas höher hüpfen zu lassen. Die Spielergehälter lassen sich mit denen des FC Bayerns, aber auch vieler anderer Erstligavereine nicht vergleichen; mit Ippig und Duve existieren linke Bezugspersonen und arrogante Gockel wurden im braun-weißen Trikot noch nicht gesichtet; und die Distanzen zwischen Vorstand, Spielern, Fans und lokalem Umfeld sind deutlich geringer als anderswo.
Aber St. Pauli ist nicht gleich St. Pauli. Selbstverständlich - und das ist gut - gibt es auch am „Millerntor“ Reibereien zwischen Vorstand und Teilen der Fans, die u. a. in der Herausgabe eines unabhängigen „Fanzines“ ihren Ausdruck finden. Während in England und Schottland, wo sich das Verhältnis der Linken zur Fußballkultur anders, nämlich weniger distanziert gestaltet, bereits seit Jahren zig sogenannter „Fanzines“ erscheinen, Untergrundblätter, von den Fans auf den Stehrängen verfasst, sieht es in der BRD diesbezüglich Zappenduster aus. Viele der englischen und schottischen „Fanzines“ sind ausgesprochen kritisch, witzig und geistreich geschrieben und von ihrer Tendenz her fortschrittlich.
Sie versuchen ein authentisches Bild von den Fans zu vermitteln, das in den langweiligen Kickerillustrierten nicht vorkommt, opponieren gegen die Verbands- und Vereinsfunktionäre, äußern Ablehnendes bis Gehässiges über die Premierministerin und deren „Law and order“- und Sozialpolitik, aber sparen auch nicht mit Selbstironie. Zwei von ihnen, „Off the Ball“ und „When Saturday comes“ wurden im AK bereits ausdrücklich erwähnt.
Mittlerweile existiert auch in der BRD ein erstes linkes Fußball-„Fanzine“. Erscheinungsort: Natürlich „Millerntor“, eine logische Folge des geschilderten Phänomens. Der Titel des Blatts: „Millerntor Roar“. Seine Erscheinungsweise: „Unregelmäßig, je nach Lust, Laune und Alkoholkonsum ..., wie gehabt.“ Die Herausgeber: Der „korrekte Teil der St. Pauli- Fans“, was bereits auf die Existenz von Widersprüchen in der Gemeinde schließen lässt. Dem Vernehmen nach soll es gar noch ein zweites geben. Wo? In Mönchen- Gladbach natürlich. Dort, wo einst Ewald Lienen, Horst Wohlers (Ex-St. Pauli), Klinkhammer u. a. dem Ball nachjagten und Resolutionen gegen die Berufsverbote und die Atomrüstung unterschrieben, wo bis Mitte der 70er herzerfrischender, zuweilen gar waghalsiger, aber auch erfolgreicher Offensivfußball gespielt wurde (während in Bonn bereits Helmut Schmidt das Ruder übernommen hatte) und stets - dem Parteibuch des Präsidenten zum Trotze - mehr fortschrittliche Menschen kickten als anderswo. Da uns das Gladbacher „Fanzine“ jedoch bislang nicht vorliegt, kann hier nur vom „Millerntor Roar“ die Rede sein.
Ganz der Störtebecker-Tradition verpflichtet (siehe die Totenkopffahnen im Stadion), haben die Herausgeber den Geldsäcken der Liga den Kampf angesagt, die den Fußball und seine ehemalige Kultur mehr und mehr zerstören. Aber im Gegensatz zu Hans Apel meinen sie es mit dem Klassenkampf durchaus ernst. Der Hauptfeind heißt - wen wundert’s - FC Bayern München.
In einer festen Rubrik mit dem Titel „Die meistgehassten Personen der Liga“ werden Figuren wie Manfred Ommer (Spielerbesitzer) und Uli Hoeneß porträtiert. Der meiste Platz wird allerdings einem anderen Thema gewidmet: dem Rassismus und Rechtsradikalismus auf den Rängen. Die Schreiber des „Roars“ registrieren sehr genau, wie viele Reichskriegsfahnen in welchem Stadion aushängen. Und wenn es angesagt ist, dann macht der „Roar“ auch vor „Nestbeschmutzung“ nicht halt. Als der farbige Ballvirtuose Souleyman Sane, der in den Diensten des 1. F.C. Nürnberg steht, bei seinem Auftritt am „Millerntor“ von Fans mit „Urwaldgeräuschen“ (oder was diese dafür hielten) bedacht wurde, war dies dem „Roar“ gleich zwei Artikel wert. Derweil sind die „Roar“-Macher im Übrigen damit beschäftigt, einen Aufruf gegen Rassismus zu initiieren, den die Unterschriften der St. Pauli-Spieler zieren sollen.
Desweiteren käbbelt sich der „Roar“ mit der eigenen Vereinsführung. Die Entstehungsgeschichte des „Roars“, als eigenständiges Fan-Organ, geht auf einen Disput mit Manager Volkert zurück, seither wohl der meistgehasste Mann in der Führungsetage. Im April dieses Jahres hatte der Berliner Oberligist Türkiyemspor den FC St. Pauli zu einem Freundschaftsspiel eingeladen. Das Spiel sollte als Höhepunkt eines Stadionfests in Berlin- Kreuzberg stattfinden, das dazu beitragen sollte, Menschen unterschiedlicher Nationalität näher zueinander zubringen und Vorurteile abzubauen. Gleichzeitig sollte auch für einen menschennahen und toleranten Fußballsport geworben werden, in dem Ausländerfeindlichkeit und Rassismus keinen Platz haben.
So hieß es in der Einladung: „Wir haben ein großes Interesse daran, Euch für ein solches Spiel gewinnen zu können, da wir glauben, dass in St. Pauli ähnliche Probleme existieren wie bei uns in Kreuzberg, und dass der Verein FC St. Pauli wie wir für ein friedliches Zusammenleben der Völker eintritt.“ Doch Volkert antwortete: „In Ihrem Schreiben hat es den Anschein, dass diese Veranstaltung als Politikum ausgetragen wird. Aus diesem Grund werden wir von einem Termin für ein Spiel Abstand nehmen.“
Die späteren „Roar“-Macher waren empört, und in der „Nullnummer“ war zu lesen: „Die Begründung für die Absage ist nicht nur verdammt peinlich, sondern zeigt auch ein falsches Verständnis davon, wie und wo sich unser Verein öffentlich engagieren sollte. Gerade im Profi-Fußball ist es wichtig, den Gedanken der Völkerverständigung hochzuhalten. Der FC St. Pauli nimmt für sich das Recht in Anspruch, in der alltäglichen Vereinsarbeit keine Vorurteile gegen Ausländer zu haben. 40 Prozent der Jugendlichen Vereinsmitglieder sind schließlich Ausländer und es stimmt, dass sich die Frage nach Herkunft, Hautfarbe oder Religion bei St. Pauli nicht stellt. Für uns als Fans, die nur zum Teil in die Vereinsarbeit eingebunden sind, ist es eine ganz entscheidende Sache, dass auch mit der Profi- Abteilung ein Zeichen für Völkerverständigung gesetzt wird. Wir machen ständig die Erfahrung, dass die Bundesliga auf den Rängen zum Kotzen deutschnational ausgerichtet ist. Wenn wir daran etwas ändern wollen, kann so eine Veranstaltung, wie jetzt in Kreuzberg geplant, den Leuten zeigen, dass man nicht Türkenhasser und Republikaner-Fan sein muss, um ein echter Fußballfan zu sein. Antifaschismus, Völkerfreundschaft und Solidarität sind für uns die Basis jeden sportlichen Wettstreits.“
Außerdem beklagt der „Roar“ die Abstinenz des Vorstands in Sachen Frauenfußball (im übrigen oftmals ansehnlicher als das Männergekickere, weil hier nicht jeder schöne Spielzug durch rüde Fouls unterbrochen wird), fordert die Einführung von ermäßigten Dauerkarten für Arbeitslose und die Entfernung von Verkaufsständen aus dem Stadionbereich, die rechtsradikale Embleme vertreiben. Was die letzten beiden Forderungen anbelangt, so zeitigten Gespräche mit dem Vorstand mittlerweile Erfolg. St. Pauli ist eben doch anders ... Das - nicht zuletzt aus der Not entwickelte s.o. - „alternative Konzept“ hat zur Konsequenz, dass die St. Pauli-Führung gegenüber dem Druck der Fans anfälliger ist als andere Vorstände. Ginge das Image verloren, wäre es wohl auch mit dem Verein vorbei.
Bislang sind vier Ausgaben vom „Roar“ erschienen, allesamt Lesens- und empfehlenswert, geradezu Fundgruben für den linken Fußballfan. Die Höhe der vertriebenen Auflage beläuft sich mittlerweile auf ca. 3.000 pro Heft. Den Produzenten des Blatts sei von hier aus viel Glück gewünscht, ist der „Roar“ doch eine geradezu revolutionäre Bereicherung. Desweiteren wünsche ich ihnen einen langen Atem, auf dass ihnen auch dann nicht die Tatkraft ausgehe, wenn die Jungs auf dem Rasen unter Konditionsmängeln leiden und das Abstiegsgespenst immer konkretere Konturen annimmt. Der Kampf für eine Rekonstruktion des Fußballs von links steht und fällt nicht mit dem Verbleib in der ersten Liga …“
Q: Arbeiterkampf-Zeitung des Kommunistischen Bundes, Nr. 312, 13.11.1989, S. 44.
11.01.1995:
Im „Arbeiterkampf-Zeitung für linke Debatte und Praxis“ vom 11.1., erscheint ein Artikel über den Fußballverein Borussia Dortmund. Ausgeführt wird u. a.:
„Pünktlich zur Herbstmeisterschaft der Dortmunder Borussia und zur Überbrückung der Winterpause erschien im Göttinger Verlag „Die Werkstatt“ ein Buch der Autoren Dietrich Schulze-Marmeling und Werner Steffen über die besagte Borussia. Auf über 400 Seiten wird die Geschichte des Clubs geschildert. Angereichert mit Episoden, Einsprengseln über das Verhältnis von „Kirche und Fußball“, über „Bier und Fußball“ sowie die örtliche „Sozialdemokratie und den BVB“ nebst umfangreichen Spielerporträts, werden die Hochs und Tiefs von rund 85 Jahren Vereinsgeschichte vorgestellt.
Geschrieben ist das Buch von zwei Menschen, die seit Mitte der sechziger Jahre Anhänger der Borussia sind. Aus dieser Parteinahme wird auch kein Hehl gemacht, ganz im Gegenteil.
Zwar wird auch mit Kritik an den verschiedensten Entscheidungen der Clubführung nicht gespart, aber es überwiegt eine BVB-freundliche Betrachtung der Dinge. So entsteht ein Bild von der Borussia, das sich insgesamt wohltuend von dem der übrigen Clubs des Profifußballes abhebt. Dies mag Mensch gerne so sehen, aber aus meiner Sicht ist es etwas verwunderlich, wenn es zur Erzeugung eines solchen Bildes nötig erscheint, in steter Regelmäßigkeit auf den Rivalen Schalke 04 einzuhacken. Sicherlich, bei einer parteiischen Sicht- und Schreibweise wird auch der jahrzehntelange Mitkonkurrent in Sachen Vorherrschaft im Revierfußball seine Breitseite abbekommen, aber warum dies so penetrant und teilweise auch platt geschehen muss, bleibt mir verborgen. Die herrschenden Medien dieser Gesellschaft scheinen sich ja darin einig zu sein, dass die Blau-Weißen aus Schalke der Karnevalsverein des BRD-Profifußballs sind, warum also noch weiter auf diesem Stereotyp herumreiten?
Zugegeben, mir sind die Dortmunder Borussen durchaus sympathisch, aber ich bin kein Fan von ihnen. Dies mag vielleicht der Grund sein, warum ich die Lektüre des Buches teilweise ermüdend fand. So lassen die Autoren auf den ersten rund 200 Seiten die 85 Jahre Vereinsgeschichte Revue passieren, unterbrochen durch einige „Einwürfe“ zu verschiedenen Aspekten des gesellschaftlichen Umfeldes. Daran schließen sich noch zwei jeweils rund 60 Seiten starke Kapitel an zu Themen wie: Der BVB und die „schöne neue Fußballwelt“, eine Auseinandersetzung mit dem Problem, dass Profifußball integraler Bestandteil der kapitalistischen Wirtschaft ist. In einem dritten Teil geht es um „Feinde“, Fans und Stadien.
Abgerundet wird das Werk dann von einem 50seitigen Statistik- und Portraitteil, alles in allem recht informativ. Doch so richtig kam die Freude beim Lesen nicht auf. Denn verglichen mit einem anderen Buch von Dietrich Schulze-Marmeling über den Fußball in der Region Hamm fehlt im vorliegendem die dort recht gut gelungene Verbindung von Vereins-Fußballgeschichte mit der sozialhistorischen/gesellschaftlichen Entwicklung. Es mag sein, dass die Autoren bewusst diese Trennung vollzogen haben, um eventuell besser, detaillierter auf die Geschichte des Vereins und des Fußballs selber eingehen zu können. Dies ist gelungen, doch hat für meinen Geschmack die literarische Genießbarkeit des Werkes gelitten …“
Q: Arbeiterkampf-Zeitung für linke Debatte und Praxis Nr. 374, 11.1.1995, S. 29.
In der Agitation gegen den „Sport in der Klassengesellschaft“, war stets der Terminus, den „Sport für die Massen erkämpfen“, ein zentrales Kettenglied der Propaganda der K-Gruppen. Das galt für alle Bereiche in denen Sport betrieben wurde. So war die KPD/ML-ZK auch schnell dazu bereit, aus einem simplen Fußballspiel, das mit einer hohen Niederlage endete, eine „Massenverbindung“ zu stricken und daraus sogar zu folgern, dass nun der „proletarische Sport“ angepackt werden müsse (vgl. 6. November 1972).
Der KBW erklärte in seiner „KVZ“ Nr. 2/1974, dass die Alternative zum „bürgerlichen Sport“ der „Sport für die Massen“ sei, er nun „erkämpft werden müsse“. Dass der „Arbeiterklasse auch im Sport und dem Sozialimus die Zukunft“ gehöre, war nur eine von vielen idealisierten Vorstellungen zum Sportbetrieb, die der KBW zu kritisieren meinte (vgl. 23. Januar 1974).
Der KBW versuchte, wie die KPD/ML-ZK, auf der Sportebene Kontakte zu verschiedenen „bürgerlichen Sportvereinen“ zu knüpfen, die außerhalb seiner Organisationsstrukturen lagen. Ideologisch vorbereitet wurden diese Kontakte in der „KVZ“, die etwa unter dem Schlagwort: „Erst Freundschaft, dann Wettbewerb“ standen und die, wie etwa in Hildesheim dazu führten, dass die KBW-Ortsgruppe ein Fußballspiel gegen die „Betriebsmannschaft der Kartonfabrik Siegerwellpappe“ austragen wollte, das aber von der Unternehmensleitung untersagt worden war. Dennoch wurde gespielt. Auch der „Freizeitfußball durch die Frankfurter „Soma-Mannschaft des KBW erscheint hier als Produkt des universellen Mao-Gedankens „dem Volke dienen“, den „Kampf gegen den Kapitalismus auch auf die Sportplätze zu tragen“ (vgl. April 1974; 4. September 1974).
Über den „Sport in der Klassengesellschaft/Kapitalismus“ berichtete der „Rote Morgen“ in seiner Ausgabe 19/1974 und prangerte dort den „Leistungssport“ an, der nichts anderes sei als eine „politische Waffe zur Aufrechterhaltung der „Herrschaft der Kapitalisten“ (vgl. 11. Mai 1974).
Diese Auffassung vertrat auch die „Kämpfende Jugend“ im März 1976, wobei sie sich mit den „Millionengeschäften“ und der „imperialistischen Machtpolitik“, die zwangsläufig darauf folgen würde, beschäftigte (vgl. März 1976).
06.11.1972:
Der „Rote Morgen“ Nr. 22/1972 vom 6.11, berichtet über ein Fußballspiel über ihre Rote Stadtteilgruppe Kreuzberg gegen eine Kneipenmannschaft aus der Oranienstraße. Und meint im Artikel: „Sportfreundschaft“: „Die 90 Minuten liefen ziemlich einseitig, wir haben vorher noch nie zusammen gespielt, geschweige trainiert. So fiel das Ergebnis auch dementsprechend aus: 17:0 für die Kneipenjungs. Aber gekämpft haben wir, das wurde auch vom Gegner bestätigt: ‚Mensch, prima, ihr liegt soweit hinten und kämpft immer noch. Das macht Spaß!“
Und: „Wenn andere 10:0 zurückliegen, fangen sie an zu maulen und schreien sich an. Das war bei euch ganz anders.“ Viele von uns konnten in den der folgenden Woche vor Muskelkater kaum aufrecht gehen, so durchtrainiert waren wir. Wir müssen nun aus dieser Schlappe lernen und dazu übergehen, in regelmäßigen Abständen zum Training und zur körperlichen Ertüchtigung uns treffen. Wenn wir dann zum nächsten Spiel antreten, werden wir mit Sicherheit nicht mehr so hoch verlieren; denn auch bei uns haben sich zeitweise ganz brauchbare Ansätze gezeigt.
Aber letzten Endes gings nicht ums verlieren oder gewinnen, sondern um den Sport und die Freundschaft. Und die haben wir gehabt: Nach dem Spiel haben wir noch lange in der Kneipe gesessen und mit den neuen Freunden diskutiert.
Dieses Beispiel ist ein gutes Beispiel, wie wir Kommunisten uns noch enger mit den Massen verbinden können und vor allem, wie wir den proletarischen Sport anpacken. Unser Ziel ist natürlich, wieder große, starke Arbeitersportverbände zu schaffen. Aber ein solches Fußballspiel ist ein guter Anfang.“
Q: Roter Morgen Nr. 22/1972, S. 11.
23.01.1974:
In der „Kommunistischen Volkszeitung“ (KVZ) Nr. 2/1974 des KBW, erscheint der Artikel: „Den Sport für die Massen erkämpfen. Auch im Sport gehört der Arbeiterklasse und dem Sozialismus die Zukunft.“ Es heißt hier u. a.: „Als im April 1971 die Mannschaft von Schalke 04 das Angebot von Arminia Bielefeld erhielt, für 40.000 DM den Sieg in einem Bundesligaspiel zu verkaufen, verabschiedete sich Schalke-Präsident Siebert von den Handelnden: „Das macht man lieber allein.“ Trotz anstrengender Vertuschungsmanöver sah sich der Deutsche Fußballbund (DFB) gezwungen, über etliche Spieler, Trainer und Vorsitzende sperren zu verhängen, weil die Empörung der Sportbegeisterten zu hohen Wellen schlug. Jetzt allerdings glaubte man, es sei genügend Gras über die Sache gewachsen und hob viele Sperren auf.
Weil die bisher gesperrten Schalker Spieler gegen den VFB Stuttgart nichts bereits Anfang Januar zum Einsatz kommen durften, erboste sich eben der gleiche Mitwisser der Betrügereien. Siebert: „Das ist menschliches Schindluder, das mit den Jungs getrieben wurde.“ Die DFB-Bosse haben sich jedoch verrechnet. Die Korruption im Deutschen Fußball ist unvergessen. Die Empörung über die Korruption, die Summen beim Spielerhandel, hält an. Die Verflechtung mit den Konzernen drängt sich auf. Die Hintermänner und Finanziers des vor zwei Jahren aufgedeckten Bundesligaskandals waren nicht etwa irgendwelche zwielichtigen, heruntergekommenen Verbrecher, nein, es waren ganz „normale“, „ordentliche“, „ehrbare“ Kapitalisten, Besitzer von Automaten- und Buchhandlungen, Fabrikanten und Bauunternehmer. Ja einer der Oberbetrüger, der Vorstandsvorsitzende von Rot-Weiß Oberhausen, war sogar Präsident im Außenhandelsverband Nordrhein-Westfalen und stellvertretendes Mitglied im Beirat der Landeszentralbank. Er kauft nicht nur Spieler und Spiele, sondern auch noch Zeugen. Und die CDU gab für diesen Herrn, selbst CDU-Mitglied, noch Ehrenerklärungen ab.
Der bürgerliche Sportbetrieb stellt die Leistung in Zentrum. Sieg oder Niederlage entscheiden darüber, wer im Geschäft bleibt. Der kapitalistischen Logik, nach der alles, auch die Menschen käuflich ist, entspricht es deshalb völlig, einen schwunghaften Handel zu horrenden Preisen mit Sportlern zu betreiben. Sowohl in der Richtung, dass man sie kauft, damit sie im eigenen Verein spielen, als auch in der Richtung, dass sie für den Gegner in der eigenen Mannschaft spielen.
Auf seiner letzten Jahresversammlung Ende 1973 beschloss der Deutsche Fußballbund (DFB), seinen Vereinen, Profi- wie Amateurclubs, offen die Werbung für bestimmte kapitalistische Unternehmen zu gestatten. Resultat dieses Beschluss ist zum einen, das künftig die Hamburger Sportfreunde bei Spielen des HSV darauf getrimmt werden, sich an dem Schnaps „Campari“ zu berausche. Die Mannschaft von Eintracht Braunschweig läuft mit dem Hirsch von Jägermeister auf der Brust über das Feld und Werder Bremen griff statt der alten Vereinsfarben schon vor einiger Zeit zu einem neuen Trikot, das dem Symbol von Haake-Beck-Brauerei. Wie ein Ei dem anderen gleicht. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich auf den Fußballfeldern nur noch lebende Litfasssäulen zur Schau stellen.
Mit dem DFB-Beschluss wird die weitere Kapitalisierung des Sports vorangetrieben. Allerdings gibt es Praktiken der Schleichwerbung, kräftig finanziert durch dahinterstehende kapitalistische „Sportfreunde“ schon lange: So zum Beispiel die Clubs „Olympia Wilhelmshaven“ oder „Wella Darmstadt“. Anstatt dass der Sport dazu dient, dass Menschen in freundschaftlichem Wettstreit ihre Kräfte entwickeln und messen, wird gerade der Fußball immer mehr zu einem Show-Geschäft, das die Kapitalisten betreiben, um ihre Profite zu erhöhen. Über das richtige Interesse der Volksmassen am Sport setzen sie sich dabei völlig hinweg. Die offene Verflechtung von Sport und Kapital wird nur noch zu größerer Korruption im Sport führen. Welcher Kapitalist wird schon ruhig dabei zusehen, wenn die Mannschaft, die Werbung für ihn treibt, die den Namen seines Produkts über das Fernsehen Millionen von Menschen aufdrängt, ohne dass er dafür im Fernsehen Werbung zahlen muss, welcher Kapitalist wird schon ruhig zusehen, wenn diese Mannschaft absteigt?
Es ist bezeichnend, dass dergleichen nicht nur in den westlichen kapitalistischen Staaten geschieht. Ebenso wie in Westdeutschland, handelt es sich bei den Spitzenfußballern der DDR und der UdSSR faktisch um Berufssportler. Ebenso wie hier erhalten diese Herren Gehälter, die das 8 bis 10 lache eines normalen Arbeiters betragen. So erhalt ein Spitzenspieler von Dynamo Dresden 5 000 Mark Festgehalt ohne Prämien. Die Mannschaft von Odessa erhalt nach Meldungen der „Prawda“ 2 bis 3 000 Rubel im Monat! Ebenso wie hier wird ein schwunghafter Handel mit Spielern betrieben: Städte, Institutionen, Fabriken und Kolchosen in der Sowjetunion versuchen sich gegenseitig durch hohe Gelder Spieler abzuwerben.
Schließlich sind ebenso wie hier in der ungarischen und sowjetischen Presse Fälle der Bestechung im Kampf um die Meisterschaft bekannt geworden. Solche Praktiken sind nicht etwa Ausdruck einer Annäherung des sozialistischen und des kapitalistischen Systems, wie uns bürgerliche Sportjournalisten weismachen wollen. Sie sind vielmehr ein Beweis dafür, dass die Restauration des Kapitalismus in der Sowjetunion erfolgt und auch seine Auswirkungen auf den Sport zeigt.
Die auf der Grundlage der kapitalistischen Überproduktion entstehende Rekordsucht im Sport, die Zurücksetzung der Freundschaft und der körperlichen Ertüchtigung der Massen gegenüber den Leistungen überzüchteter Supermänner (und -Frauen), wurde in der chinesischen Kulturrevolution entschieden bekämpf … Der chinesische Sport lässt sich 1. davon leiten, den Massen auch durch sportliche Betätigung die allseitige Entwicklung zu ermöglichen, und 2. beim Wettkampf Freundschaft an erste Stelle, Wettbewerb an die zweite Stelle zu setzen …“
Q: Kommunistische Volkszeitung Nr. 2/1974, S. 16.
April 1974:
In der April-Ausgabe der „Kommunistischen Volkszeitung“ des KBW Nr. 4/1974, erscheint der Artikel: „Erst Freundschaft, dann Wettbewerb. Nicht Freund am Sport ist Ziel der Vereine, sondern das Ausstechen der Konkurrenten.“
Ausgeführt wird: „Wir haben uns gefreut, dass in der KVZ 2/74 endlich einmal etwas über den Sport geschrieben worden ist. Allerdings ist dabei überwiegend von den Skandalen der Bundesliga die Rede und nicht von dem ganzen kapitalistischen Sportbetrieb, der Millionen von Menschen einbezieht.
Im Deutschen Spottbund sind heute 12 Millionen Mitglieder organisiert (ca. 20 % der Gesamtbevölkerung). In einigen Jahren sollen es 18 Millionen sein, und insgesamt werden dann vermutlich 78 Millionen Menschen in der Bundesrepublik in irgendeiner Form Sport treiben. Dieses Millionenheer von Sportlern ist in Vereinen organisiert, in denen ganz Überwiegend zwar nicht ebensolche Dinge geschehen wie in der Bundesliga, in denen aber die gleichen Prinzipien herrschen, aus denen heraus der Profisport solche offenen Formen der Korruption und des Betruges annehmen konnte.
Wie steht es in den 40 000 Amateurvereinen heute aus? Es sieht so aus, dass nicht die Freude am Sport und die Freundschaft der Sportler Sinn und Zweck dieser Vereine sind, sondern in erster Linie der Sieg über die Mitkonkurrenten. Es sieht so aus, dass „Tore zählen“ und nicht etwa die Schönheit des Spiels und das Verhalten innerhalb und zwischen den Mannschaften. Es sieht so aus, dass die Spaltungs- und Schindermethoden der Bundesligaclubs sich abgeschwächt fortsetzen bis in den letzten C-Klasse Verein hinab.
In welchem Fußballverein gibt es nicht einen „Stamm“ von 15 Spielern für die erste Mannschaft und werden so die Ersatzleute nicht notwendig darauf getrimmt, sich über die Fehler ihrer Mannschaftskameraden zu freuen, weil dann ihre Chancen steigen, selbst zum Einsatz zu kommen? In welchem Fußballverein werden nicht mindestens bei wichtigen Spielen die Mannschaften vorher „scharf gemacht“, dem Gegner „auf die Knochen“ zu gehen! In welchem Fußballverein dreht sich nicht alles um die erste Mannschaft und nimmt die Fürsorge um die anderen Mannschaften mit dem Grad ihrer Leistung ab!
Gerade in diesem letzten Fall haben wir in unserem Verein besondere Erfahrungen gemacht. Wir spielen in einer Soma-Mannschaft in Frankfurt Fußball. Soma heißt Sondermannschaft, da spielen meist die „Freizeitfußballer“, die Leute also, die gerne Fußball spielen, ohne sich im Training unsinnig schinden lassen zu wollen oder einfach die Leute, die für die erste Mannschaft oder Reserve nicht gut genug sind. Wir bekommen jetzt im Winter nur einmal in der Woche eine viel zu kleine Halle zum Training für zwei Mannschaften. Im Sommer oder an den Wochenenden beim Spiel ist es nicht anders: Der Rasenplatz ist für uns ist für uns gesperrt, wir müssen auf den Aschenplatz, wo man sich bei jedem Sturz die Haut aufreißt. Der Verein ist sehr dahinter her, dass wir immer pünktlich unseren Beitrag bezahlen.
Wollen wir aber einmal einen Satz Trikots oder ein paar Trainingsbälle, dann heißt es: „Wir haben kein Geld, seid froh, dass ihr überhaupt auf einen Platz dürft! Nicht anders ist die Situation bei den Jugendmannschaften. Tatsächlich hat der Verein aber Geld, nur wird das in die leistungsstärkste Mannschaft gesteckt (Bezirksklasse).
Spieler werden für etliche Tausender gekauft, Spesen und Eisen gezahlt. Es ist unser Geld, mit dem das geschieht (und das der ansässigen Geschäftsleute), aber wir können nun mal nicht so gut Fußball spielen. Das, was bei uns geschieht, geschieht in der einen oder anderen Form in jedem Sportverein. Statt allseitiger sportlicher Ausbildung ist die unbedingte Erreichung von Bestleistungen das Ziel. Das geschieht nicht nur durch einseitiges Training, das in erster Linie nicht der Gesundheit, sondern der jeweiligen Sportart dient, sondern vor allem geschieht das durch die Anstachelung des individuellen Leistungsstrebens. Ziel des Sportlers bei uns muss stets das „besser als andere“ sein. Besser eben nicht nur als die Gegner im Wettkampf, sondern besser als die eigene Mannschaft.
Nicht nur in den Fußball- sondern in allen Sportvereinen bei uns ist die Konkurrenz und nicht die Solidarität die Grundlage des Sportbetriebs. Denn die Prinzipien, die im bürgerlichen Sport herrschen, sind die gleichen wie in der ganzen kapitalistischen Gesellschaft. Beim Höchstleistungssport springt das sofort ins Auge. Wie der Kapitalist im ständigen Konkurrenzkampf mit allen Mitteln wie Rationalisierung und Steuerbetrug versucht, seine Konkurrenten aus dem Feld zu schlagen, so werden die Sportler dazu getrieben, mit immer ausgefeilteren einseitigen Trainingsmethoden und Betrügereien wie Doping usw. ihrer Gegner zu besiegen. Für den ganzen Sport sieht es insgesamt so aus, dass für eine kleine Schicht von Höchstleistungssportlern alles Erdenkliche getan wird (und immer noch „zu wenig“, wie von allen Seiten geschrien wird): Sie haben in ihren Leistungszentren die besten Trainingsbedingungen, sie haben ihr finanzielles Auskommen, sie können die schönsten Reisen machen. Für die groben Millionen der Sporttreibenden dagegen fehlt es an Freizeit, Sportplätzen und Turnhallen. Sie müssen überall nur draufzahlen, vom Sportgerät bis zur vollkommen unzureichenden Sportversicherung. Was so im Großen für den ganzen kapitalistischen Sport gilt, das gilt dann fein untergliedert in den einzelnen Vereinen erneut, wo auch immer nur Leistung zählt.
Gegen diese Situation in den Sportvereinen gibt es immer wieder Auflehnung, aber diese Auflehnung richtet sich noch nicht breit gegen die Konkurrenzgrundlage des herrschenden Sportbetriebs. Im Gegenteil - dieser bürgerliche Sportbetrieb ist eine gewaltige ideologische Macht über die Köpfe der Menschen, der aktiven Sportler wie der riesigen Masse der Zuschauer. Die Kapitalisten wissen das genau. Nicht umsonst zahlen sie große Summen zur Förderung des Höchstleistungssports und zur Propagierung des „Leistungsdenkens“ im Sport. Die Arbeiter im Betrieb erkennen immer mehr, dass sie nur durch ihre Solidarität und durch den Kampf gegen ihre Spaltung voran kommen können. Im Sport aber werden sie massenhaft und ganz selbstverständlich zur Konkurrenz angehalten. Weil die Kapitalisten wollen, dass die Arbeiter sich im Betriebs so verhalten. Wie es immer noch auf dem Sportplatz üblich ist, deswegen lassen sie sich ihre Sporthilfe einiges kosten.
Über alle Kanäle der Massenbeeinflussung, vor allem aber durch die Praxis in den Tausenden von Vereinen, wird die kapitalistische Sportgesinnung in den Menschen verankert, denen es ganz selbstverständlich erscheint, dass die Besiegung der Konkurrenten der einzige Maßstab ist, der im Sport zu gelten hat. Als hier in Frankfurt vor einiger Zeit die chinesische Tischtennismannschaft zu Gast war, passierte es, dass ein chinesischer Spieler einen - wie er meinte - ihm zu Unrecht zugesprochener Punkt an den deutschen Spieler zurückgab, indem er absichtlich den nächsten Ball verschlug. Damit war der deutsche Spieler nicht einverstanden und gab den Punkt seinerseits an den Chinesen zurück, indem er den nächsten Ball verschlug. Daraufhin begannen einige Zuschauer zu pfeifen.
Auch in unserem Soma kommt in vielen kleinen Dingen diese kapitalistische Sportgesinnung immer wieder zum Durchbruch, obwohl wir versuchen, das zu bekämpfen. Dass kann auch gar nicht anders sein; denn solange es den Kapitalismus gibt (und sogar noch, wenn die Arbeiter schon die Macht haben), beeinflusst er unser Denken und Handeln, und das kann sich nur in dem Maße ändern, wie wir unsere Klarheit über alle Zusammenhänge des Kapitalismus erhöhen. Entscheidend ist, dass man erkennt, dass der Sport keine neutrale Einrichtung über den Klassen ist und dass er hier dem Kapitalismus dient.
Entscheidend ist aber auch, dass man erkennt, dass das nicht notwendig so sein muss, dass der Sport dem Volke dienen kann, wenn man mit seinen kapitalistischen Formen aufräumt. Es wird Zeit, dass wir auch bei uns beginnen, im Sport die Freundschaft an die erste und den Wettbewerb an die zweite Stelle zu setzen. Es wird zeit, dass wir den Kampf gegen den Kapitalismus auch auf die Sportplätze tragen.“
Q: Kommunistische Volkszeitung Nr. 4/1974.
11.05.1974:
Im „Roten Morgen“ Nr. 19/1974 vom 11. Mai erscheint der Artikel: „Fußballweltmeisterschaft. Rummel und Profit für die Macht des Kapitals.“
Ausgeführt wird u. a.: „Spannende Spiele- das ist die hauptsächliche Erwartung, die die meisten Kollegen mit der vom 13 Juni-7. Juli stattfinden Fußballweltmeisterschaft verbinden. Millionenprofite, weiterer Ausbau und verstärkte Zentralisierung des Polizeiapparates, erneute Großeinsätze von Bundeswehr und Bundesgrenzschutz im Inneren, eine Demonstration der Stärke des westdeutschen Imperialismus gegen seine imperialistischen Konkurrenten, gegen die Völker der Welt und vor allem gegen die westdeutsche Arbeiterklasse und alle Werktätigen Westdeutschlands- das will die westdeutsche Monopolbourgeoisie durch dieses Spektakel erreichen.
Millionen von Steuergeldern (mindestens 250- wohl Millionen, d. Vf.) wurden für den Bau bzw. ausbau von riesigen Stadien verpulvert, die den weitaus größten Teil des Jahres leerstehen werden, in denen in der Regel alle 14 Tage für 90 Minuten die Stars des Profifußballs auftreten werden. Für den breiten Massensport stehen diese Stadien natürlich nicht zur Verfügung. Dabei wissen Schüler- und Betriebsfußballmannschaften häufig genug nicht, wo sie ihre Spiele austragen können. Dabei bieten die Sporteinrichtungen in den Schulen oft genug mehr Unfallrisiken als vernünftige Sportmöglichleiten.
Während der Massensport im Kapitalismus systematisch ruiniert wird, wird der Profisport - wie vor allem beim Fußball - vom Kapital mit zig Millionen gehegt und gepflegt. Denn der Profisport ist für die Kapitalisten ein Riesengeschäft. Zig Millionen haben sie beispielsweise am Stadienbau für die Fußballweltmeisterschaft verdient. Mit dem Profisport trieben die Kapitalisten vor allem die Ausweitung der Sportindustrie zu einem großen Industriezweig voran. Der Profisport - wie das bevor stehende WM-Spektakel - dient nicht nur dem Profit der Kapitalisten, sondern ist auch eine politische Waffe zur Aufrechterhaltung der Herrschaft der Kapitalisten über die Arbeiterklasse. Der Massensport basiert auf Vorstellungen von Kameradschaft, Fairness, Mannschaftsgeist usw. Der Profitsport dagegen trägt die unerbittliche Konkurrenz im Kampf um die Prämien, Feinddenken, Brutalität usw. in die Sportbewegung. Zum höchsten Ziel der „Sportlerlaufbahn“ propagiert er den Aufstieg einiger weniger Stars zu kleinen Kapitalisten.
Wie die Olympiade in München ist auch die Fußballweltmeisterschaft für die westdeutschen Imperialisten von großer politischer Bedeutung. Sie wollen vor der Welt ihre gewachsene Stärke demonstrieren. Vor allem wollen sie auch die Niederlage von München wettmachen, wo der offensive Kampf unter der Führung der Partei am Roten Antikriegstag den olympischen Friedensschleier zerriss und die westdeutschen Imperialisten mit den Schüssen von Fürstenfeldbruck endgültig die Maske der „Völkerfreundschaft“ fallen lassen musste. Sie wollen mit der Fußballweltmeisterschaft demonstrieren, dass sie sich im imperialistischen Konkurrenzkampf wieder eine starke Position errungen haben.
Vor allem benutzen die westdeutschen Imperialisten die Fußballweltmeisterschaft, um den Polizeiapparat, Bundesgrenzschutz und Bundeswehr weiter auszubauen, die Zentralisierung dieser Bürgerkriegstruppen voranzutreiben, um sie noch besser auf ihre wichtigste Aufgabe, der gewaltsamen Aufrechterhaltung der Kapitalistenherrschaft gegen den Ansturm der Arbeiterklasse auszurichten. So kündigt der Spiegel an: „Vier Wochen herrscht in de Bundesrepublik eine Art Ausnahmezustand“. Schon seit Monaten werden immer wieder Zwischenfälle bei Fußballspielen in der bürgerlichen Presse ausgewalzt. Und DFB-Funktionäre wie der WM-Organisator Neuberger, jammert programmgemäß: „Eben, weil die Polizei nicht vorsorglich 10 Minuten vor Spielende aufgezogen war.“
Der imperialistische Staat hat sich dem Schrei der Fußball-Bosse nach der „Polizei“ natürlich nicht verschlossen, zumal er mit dem NRW-Innenminister Weyer einen würdigen Vertreter im DFB-Vorstand hat. So soll die Polizei der einzelnen Bundesländer bei der Weltmeisterschaft erstmalig in der Geschichte der Bundesrepublik einem zentralen Kommando unterstellt werden.
Diese Bürgerkriegsvorkehrungen richten sich gegen die Völker der ganzen Welt. Während die offizielle Propaganda die „Völkerfreundschaft“ beschwört, werden zum Beispiel alle Chilenen, die vor der Faschistenjunta in die DBR (wohl „Deutsche Bundesrepublik“ anstatt „BRD“, d. Vf.) geflüchtete sind, als sogenannte Risikopersonen eingestuft. Was verschärfte Überwachung und Bespitzelung bedeutet. Die hier hochgejubelte „Völkerfreundschaft“ ist die Freundschaft der Imperialisten gegen die kämpfenden Völker.
Die bürgerliche Presse redet nur von „ausländischen Terroristen“, aber damit kann sie nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Maßnahmen der verschärften politischen Unterdrückung des weiteren Ausbaus und der weiteren Zentralisierung der Bürgerkriegstruppen des Kapitals sich - wie das ganze Imperialistenspektakel, zu dem hier der Fußballsport missbraucht wird, gegen die Arbeiterklasse, gegen alle Werktätigen richtet.“
Q: Roter Morgen Nr. 19/1974, S. 4.
04.09.1974:
Die Nr. 18/1974 der „Kommunistischen Volkszeitung“ des KBW erscheint mit dem Artikel: „Fußballspiel verboten. Kollegen wurde Spiele gegen KBW-Hildesheim untersagt.“ Danach wollte die „Belegschaft der Kartonfabrik Siegerwellpappe gegen die Ortsgruppe des KBW Hildesheim ein Fußballspiel austragen … Gegen Arbeitsschluss erfuhren wir, dass die Betriebsleitung das Spiel verboten hat.“
„So schnell aber haben wir nicht aufgegeben. Wir versuchten trotzdem, die Begegnung zustande zubringen. Wir gingen zu den anderen Kollegen, um uns mit ihnen zu beraten und kamen zu dem Entschluss trotzdem zu spielen …“
Q: Kommunistische Volkszeitung Nr. 18/1974.
März 1976:
In der Ausgabe Nr. 3/1976 der „Kämpfenden Jugend-Kommunistisches Jugendmagazin“ des KJVD der KPD“, erscheint der Artikel: „Sport im Kapitalismus. Millionengeschäfte und imperialistische Machtpolitik.“ Der Artikel beschäftigt sich mit den zu Ende gehenden olympischen Winterspielen in Innsbruck und führt u. a. aus:
„Als am 15. Februar die olympischen Winterspiele in Innsbruck zu Ende gingen, da glaubte niemand mehr recht an den „olympischen Gedanken“. Niemand hielt das mehr für einen sportlichen Wettkampf, bei dem die Jugend der Welt die Gelegenheit zu einem glückhaften und brüderlichen Zusammentreffen hat, wie es angeblich das Ideal der Großbourgeoisie und Gründers der Olympischen Spiele, Pierre de Coubertin, war.“ Olympische Spiele standen „seit ihrem Bestehen im Dienst imperialistischer Großmachtpolitik“.
„Sie wurden 1936 von den „Hitler-Faschisten benutzt, um sich den Völkern der Welt als friedfertig und harmlos darzustellen, um ihre aggressiven Pläne zu verheimlichen. Niemand erinnerte sich an die Olympischen Sommerspiele 1972 in München, wo der USA-Imperialismus auf dem Höhepunkt seiner verbrecherischen Aggression in Vietnam im Gewande des Friedensengels seine Athleten präsentierte. Und niemand nahm Anstoß daran, dass der sowjetische Sozialimperialismus die Jagd auf Olympia-Medaillen benutzt, um seine Aggressivität, seine wahnsinnige Aufrüstung hinter dem Rauchvorhang von „Völkerfreundschaft“ zu verbergen.
Trotzdem schlich sich überall Unbehagen ein. Zu offensichtlich war, das die Teilnehmer-Staaten zum totalen Krieg angetreten waren. Materialschlachten wurden ausgetragen, in denen nur die mithalten können, die bereit und fähig sind, für nationales Prestige Millionen zu investieren. Zu krass zeigte sich, dass aus den Sportlern medizinische Monstren, abnorme Leistungstiere gemacht wurden. Keine Perversion war zu geschmacklos, um noch eine hundertstel Sekunde rauszuschinden, Bluttransfusionen, Eiweißinjektionen, Sturzhelme, im Windkanal von Messerschmidt-Bölkow-Blohm, getestet, Ski-Beläge für 3.000 DM, die nur einmal benutzt werden können, Ski-Ausrüstung der BRD-Fahrer für 34.000 DM pro Kopf usw. Ein Klima, das dazu geführt hat, dass auch bei diesen olympischen Spielen aufgeputschte Schlachtenbummler die Sportler anderer Nationen auspfiffen und niederbrüllten. Es wurde offensichtlich: Bis zum Präsidenten des Olympischen Komitees hinauf, dessen offizieller Wagen eine fahrende Reklame von Marionetten, die an den Fäden der Tourismus- und Wintersport-Monopole, am politischen Machtstreben einiger weniger imperialistischen Staaten zappelten …
Auch „unsere Rosi“, das frische, natürliche Mädchen, das angeblich von dem ganzen Rummel unberührt ist … die angeblich Ski fährt, nur weil es Freude macht …, auch unsere Rosi ist ein wohlberechneter Faktor in diesem ganzen Kalkül: Das gesundem, von den ganzen Auswüchsen unberührte Mädchen, dient noch viele besser der Anheizung nationalistischer Überlegenheitsgefühle …“
Es sind auch „die Schreiberlinge der DKP-Postille UZ, denen es hier so honigsüß aus der Feder fließt. Die DKP-Revisionisten, als treue Diener ihrer Moskauer Herren, halten den „olympischen Gedanken“, der seit jeher zur Einschläferung und chauvinistischen Verhetzung der Völker diente, unbeirrt hoch: Denn die russischen Sozialimperialisten haben auch den Sport vollständig in ihre weltpolitisches Eroberungskonzept eingebaut: Nach außen Friedensfreund zu spielen, Friedensphrasen zu verbreiten, von Völkerfreundschaft zu faseln, und unter diesem Nebel fieberhafte Kriegsvorbereitungen zu treffen …
Die Sozialimperialisten haben den Wahnsinn auf die Spitze getrieben. Aber sie finden Nachahmer. Die reaktionäre Formierung des Sports in der BRD, der von Innenminister Maihofer Ende Januar vorgelegte Sportbericht der Bundesregierung zeigen: Die SPD-Regierung will die Schlappe nicht hinnehmen, dass die BRD auf internationalem Sportparkett - trotz Rosi Mittermaier - immer noch die zweite und dritte Geige spielt … Auf Deutsch: Die Regierung des BRD-Imperialismus will auch solche politischen Aushängeschilder und solche profitträchtigen Exportschlager wie USA und Sozialimperialismus haben. Wo es um Belebung des Wintersportgeschäfts mit Olympiasiegern, und um die Schaffung nationaler Helden geht, die als lebendiger Beweis für die Lebensfähigkeit des imperialistischen Systems herhalten sollen- da ist von „Unabhängigkeit des Sports“ nicht mehr die Rede.“
In einem Artikel zum Handballverein Grün-Weiß Dankersen, meinen die Verfasser: „Im profitträchtigen Fußball sind Vereine wie Mönchengladbach, Bayern München oder der HSV selbst kapitalistische Großunternehmen mit Bilanzsummen von mehreren Millionen und gewieften Managern an der Spitze. Ob Beitz bei Krupp oder Dr. Krohn beim HSV- da gibt es keinen Unterschied. Anders beim Handball. . Hier ist alles noch ein paar Nummern kleiner als beim Profifußball. Aber auch hier ist es … durchweg ein Kapitalist, der sich den jeweiligen Verein hält … Meistens tritt er als „Ehrenpräsident“ in Erscheinung. Bei Göppingen ist es ein Maschinenfabrikant, bei Landshut ein Sportartikel-Hersteller, bei Grün-Weiß Dankersen der Melitta-Kapitalist Benz, der das Wohl und Wehe des Vereins bestimmt … In Dankersen wird Handball, Handball und nochmals Handball gespielt. Von der 2. Bis zur 6. Oder 7. Mannschaft rangeln sich alle darum, einmal in die erste Mannschaft zu kommen- das ganze also ein Aussiebungsmechanismus auf dem Weg nach oben. Mit Breitensport - selbst im bürgerlichen Sinne- hat das nichts zu tun.
Ob das Unternehmen HSV oder der „kleine“ Verein Grün-Weiß Dankersen: Der Arbeiterjugend kann der kapitalistische Sportbetrieb nichts bieten als Konkurrenz und Starkult. Der Sport ist von zu großer Bedeutung für das Leben der Massen der Arbeiter und Werktätigen und besonders für die Jugend, als das sie ihn zum Betätigungsfeld für die Profitinteressen einiger Volksfeinde verkommen lassen können. Die wahrhaft sozialistischen Länder haben uns gezeigt, dass der revolutionäre Arbeitersport eng mit der proletarischen Wehrhaftigkeit im Kampf für nationale und soziale Befreiung verbunden ist, dass er eine wichtige Rolle spielt, die Einheit des Volkes im Kampf Klasse gegen Klasse herzustellen. Eine Arbeiterklasse, die körperlich zerrüttet und geschwächt ist, kann weder die Führung in der Verteidigung der nationalen Unabhängigkeit gegen die beiden imperialistischen Supermächte übernehmen, noch kann sie den Sturm auf den Gewalt- und Unterdrückungsapparat der Bourgeoisie im Kampf um den Sozialismus erfolgreich durchführen …
Zu den Tugenden, die die Arbeiterklasse erwerben muss, wenn sie ihre historische Mission, die Errichtung der Diktatur des Proletariats über die Ausbeuterklassen erfüllen will, gehört nicht zuletzt die körperliche Überlegenheit übe die niedergehende Bourgeoisie. Darum packt der KJVD die Aufgabe an, in den bestehenden Sportvereinen Rote Fraktionen aufzubauen … Denen, die nicht mehr die Stars anbeten und Rekorde und Medaillen zum wichtigsten machen wollen, sondern ihre eigene körperliche Ertüchtigung wichtig finden- ihnen bringen wir das Beispiel der Volksrepublik China näher, wo die breiten Massen Sport treiben nach der Weisung Mao Tsetung: „Fördert Körperkultur und Sport, härtet das Volk körperlich ab.“ Auf diese Weise legen wir den Grundstein für den Wiederaufbau einer selbständigen proletarischen Sportbewegung, anknüpfend an die Traditionen der deutschen Arbeitersportler, die im Kampf gegen Faschismus und imperialistische Reaktion eine bedeutende Rolle gespielt haben.“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 3/1976.
Dass dem „Sport im Sozialismus“ die Zukunft gehört und dass dieser den Volksmassen dient, als „Massensport“ dem kapitalistischen Sport überlegen ist und die Kapitalisten daran hindern kann, an allen Sportfronten ihre Angriffe gegen die Massen zu führen, wurde zum Allgemeingut der K-Gruppen. Der „Sport im Sozialismus“ war auch die Alternative schlechthin. Er sei bezeichnenderweise dem „kapitalistischen Sport“ diametral entgegengesetzt. Dass aber gerade auch der „Sport im Sozialismus“ sich mit allen Gepflogenheiten des kapitalistischen Systems deckte, wollte man partout nicht einsehen. Mehr noch: Die Idee des Sports „für die Massen“, war dann doch eher eine idealistische Idee, die fest in der Theorie des „Bewusstseinsspenders“ Arbeiterklasse verankert war. Die „neue Sportidee“ einfach aus ihren Lebensbedingungen und Kommunikationsformen (ökonomische Basis und „proletarisierter“ Überbau) herzuleiten, entbehrte jeder Grundlage.
Ihren Aussagen ist gemeinsam, dass sie sich mit ihrer Kritik an den verschiedenen Weltsportverbänden, kaum in die tiefere politische Auseinandersetzung begeben. Der FIFA-Spitzensport, der Ansammlung der großen Werbemarken, der für 2009 eine Gewinnmaxime von 147 Millionen € auswies, wird in den genannten Artikeln auch gar nicht auf den Ursprünge zurückgeführt. Der Verband, der sich 1904 konstituierte, war seit jeher ein Mittel der Unternehmer, Weltmeisterschaften zu vermarkten und sich die Rechte in den multinationalen Privatunternehmen, dem Sponsoring, zu sichern. Das Merkmal der FIFA: Die Kombination von Unterhaltung und Spitzensport mit einem weltweiten Global Player (etwa: Fernsehrechte), die sich mit Namen wie Blatter und Dassler in Verbindung setzen lassen, interessieren nur am Rande. Da es hier um die „legitimen Rechte“ der Volksrepublik China ging, die eingefordert werden müssten, entsprach die Aufnahme in die FIFA, die die K-Gruppen forderten, eher einem „revolutionären Akt“, der sich an Maos Prämisse festmachen ließe: „Egal wie weit der Weg ist, man muss den ersten Schritt tun.“ Schließlich hing alles an der Ideologie, den Allmachtsanspruch der kapitalistischen Sportverbände immer und zu jeder Zeit zurückzuweisen.
Zum „Sport in China“ erschienen eine Reihe von Artikeln, die sich mit den „ewigen Wahrheiten“ des sozialistischen Systems in Fragen des Sports beschäftigten. Schon früh berichtete die KPD/ML-ZK über den Besuch einer chinesischen Tischtennismannschaft in der BRD. Die Spiele seien von dem Geist „Erst Freundschaft, dann Wettkampf“ getragen gewesen, wobei die absurde Behauptung aufgestellt worden war, dass „im Laufe der Spiele … beide Mannschaften voneinander gelernt und neue Erfahrungen gesammelt,“ hätten, was „die Freundschaft gefördert und ihre Spieltechnik verbessert“ habe. Der Sport „müsse „den Gesundheitszustand aller Werktätigen verbessern helfen und die Freundschaft und Fairness in jeder sportlichen Begegnung fördern“, so der „Roter Morgen“.
Tischtennis sei ein Hinweis darauf, dass man nicht „Sport treibe um berühmt zu werden, sondern für die Interessen der Revolution“. Das seien die Gründe dafür, dass die „chinesischen Tischtennisspieler ihre eigene Spieltechnik entwickeln, mit der sie absolute Spitzenklasse sind“. Gleichzeitig wird das IOC kritisiert, dass der Aufnahme der VR China in die Weltsportorganisation bisher ablehnend gegenüberstand (vgl. 31. Januar 1972; 27. Januar 1973).
Der Sport in China sei „Massensport“ (auch das Tischtennis) und stehe im Dienst der „Arbeiter und Bauern“, dient der „Gesundheit und der körperlichen Ertüchtigung“, gleichzeitig will aber China auch das „Weltspitzenniveau“ erreichen, meinte der „Rote Morgen“ in seiner Ausgabe 3/1973. Deshalb muss es in das IOC aufgenommen werden. Vermutlich waren dennoch dem Redakteure die Widersprüche, die sich in diesem Artikel eingeschlichen hatten, gar nicht aufgefallen. Wie wolle man z. B. „Weltspitzenniveau“ erreichen, wenn der Sport nur „den Massen dienen soll“? (vgl. 27. Januar 1973).
31.01.1972:
Laut „Roter Morgen“ Nr. 3/1972 vom 31. Januar, weilt eine chinesische Tischtennismannschaft in der BRD und will in „drei deutschen Städten“ ein Länderspiel austragen. Ausgeführt wird dazu:
„In der Lübecker Hansehalle fand der Besuch der chinesischen Tischtennisdelegation seinen erfolgreichen Abschluss. Der Kontakt mit der chinesischen Mannschaft hat die Freundschaft unserer beiden Völker vertieft. Ein völlig neuer Stil und Geist beherrschte diese sportliche Veranstaltung. Immer wieder haben sich die chinesischen Spieler durch freundschaftliche Gesten, durch ihre Aufrichtigkeit und Korrektheit die Bewunderung und Begeisterung der Zuschauer erworben. Sie haben uns davon überzeugt, dass der Spielausgang zeitweilig, die gewonnene Freundschaft dauerhaft ist.“
Im Artikel: „Ernst Freundschaft, dann Wettkampf. Deutsch-chinesisches Tischtennis-Länderspiel“, heißt es weiter: „Schon vor Beginn überraschten die chinesischen Spieler die Zuschauer mit blitzschnellem Ballwechsel beim Training. Die deutschen Tischtennisspieler demonstrierten einen traditionellen europäischen Stil. Im Laufe der Spiele haben aber beide Mannschaften voneinander gelernt und neue Erfahrungen gesammelt, was die Freundschaft gefördert und ihre Spieltechnik verbessert hat. So spielten beide Mannschaften am letzten Tag in Lübeck ein ausgezeichnetes Tischtennis, was Weltklasseniveau hatte. Unter dem herzlichen Beifall der Zuschauer zeigten die Sportler beider Nationen hervorragende kämpferische Leistungen, sowohl blitzschnelle Ballwechsel und haargenaue Schmetterbälle, als auch ein ausgedehntes, nervenkitzelndes Zeitspiel.
Zusammenfassend gewannen wir den Eindruck, dass an jenem Abend unter der Begeisterung der Zuschauer für das hervorragende Können beider Mannschaften das Band der Freundschaft des chinesischen und des deutschen Volkes enger geknüpft wurde, und die freundliche Einladung der deutschen Tischtennisdelegation zu einem Gegenbesuch in die Volksrepublik China gibt uns die Überzeugung, dass dieses Freundschaftsband fester geknüpft wird. Leider wurde der freundschaftliche Charakter dieser Tischtennisbegegnung in vielen bürgerlichen Zeitungen in übler Weise verzerrt. Einmal wurde die revolutionäre Jugend, die immer mehr erstarkt und ihre Freundschaft mit dem revolutionären chinesischen Volk in dieser Veranstaltung durch Spruchbänder und rote Fahnen beweisen wollte, als Störenfried hingestellt und lächerlich gemacht … So entlarven sich die bürgerlichen Sportberichterstatter! Sie kommentieren den persönlichen Ruhm des Einzelnen, der im rücksichtlosen Konkurrenzkampf seinen Gegner niederringt. Deswegen verstehen sie überhaupt nicht, dass es um etwas ganz anderes geht, merken sie nicht, dass sie den Imperialisten dabei helfen, die ständig wachsende Freundschaft und Einheit der Völker zu zerstören. Dir verdienen mit ihren schmutzigen Berichten genauso am Sport wie die Kapitalisten.
Dem Deutschen Sport geht es ja um nichts anderes, als mit Leistungen Geld zu machen. Deswegen gibt es hier in Deutschland Betrug und Schiebung im Sport (z. B. die Skandale in der Bundesliga). Wir brauchen keinen Sport, den Reichen dient, sondern einen Sport, der dem Volke dient. Dafür wird die KPD/ML kämpfen und von der werktätigen Bevölkerung Unterstützung erhalten.
Wie muss ein Sport aussehen, der dem Volke dient?
- Er muss für alle da sein und von allen betrieben werden, und zwar nicht vor dem Fernsehschirm, sondern auf Sportanlagen. Die reichen im Kapitalismus nicht aus. Meisten lassen auch die lange Arbeitszeit und die erschöpfende Arbeit keine sportliche Betätigung zu.
- Er muss der Gesundheit dienen und den Sportler nicht wahnwitzig von Rekord zu Rekord hetzen.
- Er muss den Gesundheitszustand aller Werktätigen verbessern helfen und die Freundschaft und Fairness in jeder sportlichen Begegnung fördern.
Wir Kommunisten können zwar den schlechten Sport im Kapitalismus aufzeigen und anprangern, können jede sportliche Begegnung … begrüßen und unterstützen, aber damit allein schaffen wir noch keinen Sport der Werktätigen. Dazu müssen erst die gesellschaftlichen Voraussetzungen geschaffen werden, nämlich das Volk muss die Herrschaft über seine Ausbeuter errichten.“
Q: Roter Morgen Nr. 3/1972, S. 1 und 3.
27.01.1973:
Im „Roten Morgen“ Nr. 3/1973 vom 27. Januar, erscheint der Artikel: „Sport in China.“
U. a. heißt es dort: „China will zum Weltsport zurück“, das meldete in der letzten Zeit die bürgerliche Presse in Westdeutschland. Im Grunde ist es umgekehrt: China wurde bis jetzt vom Weltsport ausgeschlossen. Die Weltsportorganisation, das IOC, wollte nämlich nicht anerkennen, dass es nur ein China gibt, nämlich die Volksrepublik China und Formosa nur eine Provinz Chinas ist. Diesen Standpunkt muss das IOC aufgeben, nachdem die Volksrepublik China in die UNO aufgenommen ist und die Vertreter der Tschiang-Kai-Scheck-Clique ausgeschlossen wurden. China hat sich immer um Sportbegegnungen mit anderen Ländern bemüht, weil es der Ansicht ist, dass der Sport die Freundschaft mit anderen Völkern fördert.
Was aber den Sport in China auszeichnet, das sind nicht die Rekordleistungen auf internationalem Niveau, das ist der Massensport. Anders als bei uns im Kapitalismus ist Sport nicht eine bezahlte Ablenkungs- und Unterhaltungsschau, jagen die Sportler nicht nach Gewinn und persönlichem Ruhm. Sport in China dient der Entspannung, Gesundheit und körperlichen Ertüchtigung der Massen. Früher konnte in China davon gar keine Rede sein, weil die Ausbeuter das Volk bis zur Erschöpfung schuften ließen. So ist es heute bei uns. Darum hat auch die Trimm-Dich-Bewegung keinen großen Zulauf. Die meisten, die in der Schule gern am Sport mitmachen, sind heute als Werktätige viel zu kaputt von dem Malochen, als dass sie noch Lust hätten, am Feierabend freiwillig zu schwitzen.
Das ist im sozialistischen China anders. Die stetige Verbesserung der Lebensbedingungen und die Steigerung der Produktion haben dem Massensport gute Möglichkeiten gegeben. Ein gutes Beispiel für die breite Entfaltung liefert die Volkskommune Beiling an der Südostküste. Alle acht Produktionsbrigaden haben Tischtennis -, Leichtathletik- und Basketballmannschaften für Frauen und Männer. Über 8.000 Bauern -90% der arbeitsfähigen Kommunemitglieder - treiben regelmäßig Sport. Am 1. Mai, im letzten Jahr, hielt diese Kommune ihr 8. Sporttreffen ab, 2.800 Mitglieder nahmen daran aktiv teil. So etwas wäre bei uns ganz und gar unvorstellbar.
Die Entwicklung des Sports hat den Gesundheitszustand des Volkes bedeutend verbessert. Die Zeiten, wo unzählige Werktätige durch Armut und schlechten Gesundheitszustand geplagt wurden, sind in China endgültig vorbei. Manche Arbeiter und Bauern, die körperlich schwach waren, sind nach medizinischer Behandlung und körperlichem Training wiederhergestellt und auf ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt.
Der Massensport ist auch die Grundlage für die schnelle Verbesserung der Leistungen: In der einflussreichen Volkskommune Daojiao haben unter 10 Bauern sieben Schwimmen gelernt. Mehr als 50 dieser Schwimmer gehören jetzt der Provinz- oder Nationalmannschaft an, manche haben den Landesrekord gebrochen. Das gute Schwimmniveau zog mehr und mehr begeisterte Anhänger an, die wiederum neue Mitglieder werben. Die Sportler diskutieren kollektiv neue Techniken, die Schwächen und Vorzüge jedes Einzelnen und lernen voneinander. Sie treiben nicht Sport um berühmt zu werden, sondern für die Interessen der Revolution.
Das sind die Gründe, warum die chinesischen Tischtennisspieler ihre eigene Spieltechnik entwickeln, mit der sie absolute Spitzenklasse sind. Darum konnte auch der Hochspringer Ni-Dschi-Tjin mit einer seinen Körperbedingungen angepassten Sprungtechnik 2,29 M. (hoch) springen und damit den Weltrekord der Männer brechen. China wird bald auch in anderen Sportarten das Weltspitzenniveau erreichen und überbieten. Aber das nicht das oberste Ziel chinesischer Sportler bei internationalen Wettkämpfen. Sie handeln nach dem Prinzip: „Freundschaft an erster Stelle, Wettbewerb an zweiter Stelle.“
Die Fairness der chinesischen Spieler und die Freimütigkeit mit der sie ihren Gegenspielern ihre eigene Technik zeigten, haben alle in Erstaunen versetzt, die den Wettkampf mit der deutschen Nationalmannschaft im Januar 72 verfolgten. Die bürgerlichen Schreiberlinge wollten uns einreden, dass hinter der kameradschaftlichen Haltung der chinesischen Spieler eine berechnende „Diplomatie des Lächelns“ steckt. Diese Auftragsschreiber haben Angst, dass sich die Freundschaft zum chinesischen Volk verstärkt, und damit auch die Anziehungskraft des chinesischen Beispiels, der sozialistischen Gesellschafsordnung. Aber der Vormarsch des Sozialismus ist nicht aufzuhalten. Die Sportbegegnungen mit China werden weiter dazu beitragen, die Freundschaft zu China zu festigen und den Sozialismus zum anspornenden Beispiel für die deutsche Arbeiterklasse zu machen.“
Q: Roter Morgen Nr. 3/1973, S. 8.
Der „Freundschaft mit dem deutschen Volk“, so der „Roter Morgen“, würde selbst ein Eishockey-Freundschaftsspiel der chinesischen Mannschaft dienen. (vgl. 10. März 1973).
Freundschaft vor Wettbewerb“, vertrat auch der „Rote Morgen“, der in seiner Ausgabe 28/1974, neben einem Gespräch mit einem albanischen Fußballtrainer auch die Rede der albanischen Delegation vor dem FIFA-Kongress veröffentliche (vgl. 13. Juli 1974).
FIFA, FINA und FIS machen zudem aus ihren politischen Aversionen gegen die Volksrepublik China keinen Hehl. Sie weigern sich, die „rechtmäßige Vertretung der VR China in ihrem Verband aufzunehmen“ und die „Chiang Kai-shek Clique auszuschließen“, so der „Rote Morgen“ 38/1974 (vgl. 21. September 1974).
Dass das Eishockeyweltmeisterteam der UDSSR 1975 natürlich in Grund und Boden argumentiert wird, dürfte mit der Propaganda gegen den „Sozialimperialismus“ des „Roten Morgen“ auf der Hand liegen (vgl. 3. Mai 1975).
Die „Gesellschaft für Deutsch Chinesische Freundschaft“, die dem KBW nahestand, oder besser eine von vielen Freundschaftsgesellschaften, sammelte während der Fußballweltmeisterschaft Unterschriften für die Aufnahme Chinas in die „FIFA“. Die GDCF vertrat dabei die Auffassung, dass sich China so besser „international“ messen könne, um gleichzeitig „im sportlichen Vergleich Erfahrungen auszutauschen und so einen Beitrag zur Völkerfreundschaft zu leisten. Agitiert wird, so die „KVZ“ des KBW auch gegen die einseitigen Bemühungen des IOC, Chiang Kai-shek zu unterstützen. Gefordert wird der Ausschluss aus den internationalen Sportverbänden.
Über den Zusammenhang des IOC mit dem „russischen Sozialimperialismus“ berichtet die „Kämpfende Jugend“ (vgl. 12. Juni 1974; September 1976).
Die Triebfeder für die „sozialistischen Sportler“, sei der „Geist der Freundschaft“ und die „Kollektivität im Sport“, meinte die „Kämpfende Jugend“ des KJVD in ihrer Ausgabe 3/1976. Der „sozialistische Massensport“, der die „breite Entfaltung“ erst möglich mache, würde „neue Kräfte und Fähigkeiten freisetzen“. Worin diese bestanden wird freilich nicht erklärt. Auch nicht, durch welche Trainingsmethoden das „Sportniveau“ gehoben werden kann oder sollte. Warum der „Medaillenkult“ schließlich Ausdruck eines „rückständigen Bewusstseins“ sei, dürfte sich jeglicher Kenntnis entziehen (vgl. März 1976).
Mit der FIFA beschäftigt sich auch der „Arbeiterkampf“ in seiner Ausgabe Nr. 415 (vgl. 5. Juni 1998).
10.03.1973:
Im „Roten Morgen“ Nr. 9/1973 vom 10. März, erscheint der Artikel: „Chinesische Eishockeyspieler in Dortmund.“
Ausgeführt wird: „Dortmund hatte für acht Tage Besuch aus der Volksrepublik China. Die chinesische Eishockeymannschaft bereitete sich dort auf die Weltmeisterschaften in Holland vor. Aus diesem Anlass fand in der Westfalenhalle ein Freundschaftsspiel zwischen der chinesischen Mannschaft und einer Auswahl von ERC Westfalen und Bad Nauheim statt. 1.500 Menschen waren gekommen, um sich das Spiel anzusehen. War die Stimmung gegenüber den chinesischen Gästen zunächst abwartend, konnte man bald offene Sympathie spüren. Das lag vor allem daran, dass es ein wirkliches Freundschaftsspiel war. Hier waren nicht die härteren Bandagen entscheidend, sondern das spielerische Können.
Was das Können angeht, erweisen sich die chinesischen Eishockeyspieler, entgegen den miesmacherischen Prophezeiungen, als ein ernst zu nehmender Gegner. Das Spiel in Dortmund konnten die chinesischen Gäste 3:1 gewinnen. Langanhaltender Beifall der Zuschauer beglückwünschte sie zu ihrem Sieg. Unter den Zuschauern waren natürlich auch die Rotgardisten aus Dortmund. Sie begrüßten die chinesischen Freunde mit einem Transparent. Es war für diese jungen Genossen eine besondere Freude, dass sie nach dem Spiel Gelegenheit hatten, mit einem der chinesischen Funktionäre zu sprechen. Er freute sich sehr über die Sympathie der deutschen Zuschauer und über den Willkommensgruß der Rotgardisten. Der Besuch der chinesischen Mannschaft in Dortmund wird sicher helfen, die Freundschaft zwischen dem chinesischen und dem deutschen Voll zu vertiefen.“
Q: Roter Morgen Nr. 9/1973, S. 8.
12.06.1974:
In der „Kommunistischen Volkszeitung“ des KBW, Nr. 12/1974, erscheint der Artikel: „China in die FIFA“.
Ausgeführt wird: „Die Gesellschaft für Deutsch-Chinesische Freundschaft (GDCF) sammelt vor und während der Fußballweltmeisterschaft Unterschriften von allen großen Sportveranstaltungen für die sofortige Aufnahme der Volksrepublik China in die internationalen Sportverbände … Dass die VR China nicht Mitglied in diesen Verbänden ist und an internationalen Sportveranstaltungen nicht teilnehmen kann, liegt nicht daran, dass das Niveau des Sports in der VR China zu niedrig wäre. Das trifft keineswegs zu, man denke nur an Turnen, Tischtennis und Leichtathletik. Das lieg auch nicht daran, dass die Chinesen kein Interesse an der Möglichkeit hätten, im sportlichen Vergleich Erfahrungen auszutauschen und so einen Beitrag zur Völkerfreundschaft zu leisten …“
Im Folgenden wird aus einem Flugblatt der GDCF zitiert, wo es u. a. heißt: „Gleichzeitig unterstützen wir die gerechte Forderung der Regierung der Volksrepublik China nach Anerkennung als alleinige Vertretung des chinesischen Volkes und begrüßen die Bemühungen des Allchinesischen Sportverbandes und die Aufnahme seiner Unterorganisationen in die internationalen Sportverbände unter der Bedingung, dass die Chiang Kai-shek Vertretung ausgeschlossen wird. Weiterhin fordern wir die internationalen Sportverbände und das IOC auf, schnellstmöglich die Bedingungen für die Aufnahme der entsprechenden Verbände und Organisationen der Volksrepublik China zu schaffen …“
Q: Kommunistische Volkszeitung Nr. 12/1974, S. 1ff.
13.07.1974:
Im „Roten Morgen“ Nr. 28/1974 vom 13. Juli, erscheint der Artikel: „Rede der albanischen Delegation vor dem FIFA-Kongress.“
U. a. heißt es: „Vor der Vollversammlung des Kongresses unserer Föderation wurde die äußerst wichtige Frage der Wiederherstellung der legitimen Rechte der Fußballföderation der Volksrepublik China in den Reihen dieser Föderation zur Erörterung unterbreitet. Man kann es als anachronistisch bezeichnen, dass jetzt, zu einer Zeit, in der die legitimen Rechte der Volksrepublik China im überwiegenden Großteil der internationalen Organisationen wiederhergestellt worden sind, in den Reihen dieser Föderation noch immer die Elemente einer verräterischen Clique verbleiben, die sich total an den US-Imperialismus verkauft hat, ein für alle Mal vom chinesischen Volk hinweggefegt worden ist und sich jetzt in der chinesischen Insel Taiwan, unter der Waffenverteidigung der Vereinigten Staaten von Amerika verkrochen hat. Die Delegation der Volksrepublik Albanien protestiert mit Nachdruck gegen die Anwesenheit der sogenannten Vertreter der Fußball-Föderation in diesem Saal; denn Taiwan ist ein untrennbarer Bestandteil des Territoriums Chinas. Die Delegation der Volksrepublik Albanien fordert entschieden, dass die Vertreter der Fußball-Föderation der Volksrepublik Chinas, des großen, 700 Millionen starken chinesischen Volkes, ihre gebührende Stelle in unserer Föderation einnehmen …
Wenn unsere Föderation so handelt, wie es dem Recht und der bestehenden Realität entspricht, würde sie damit einen Akt unternehmen, aus dem diese Föderation selbst Vorteile ziehen würde; denn bis jetzt kann sie nicht in den Genuss des Beitrags der Fußball-Föderation der Volksrepublik China bei der korrekten Lösung der vor ihr stehenden Fragen kommen.
Dank seiner beharrlichen Arbeit hat das große chinesische Volk großartige erfolge auf allen Gebieten errungen. Die Körperkultur und der Sport in der Volksrepublik China nehmen eine wichtige Stelle im Leben des chinesischen Volkes ein, dem alle Bedingungen geschaffen wurden, sein Niveau weiter zu heben und zu entwickeln. Wir alle sind informiert über die großen Resultate von Weltrang, die die begabten chinesischen Sportler erreicht haben. Eine starke Entwicklung erfährt in der Volksrepublik China gegenwärtig auch der beliebte Fußballsport.
Die albanische Delegation möchte abschließend auch die Notwendigkeit und die dringende Aufgabe unserer Föderation betonen, ein für alle Mal dieser unnormalen Lage, die in unserer Organisation geschaffen worden ist, ein Ende zu setzen. Die albanische Delegation fordert die unverzügliche Entfernung der Vertreter der Chiang Kai-shek Clique, deren stelle die Vertreter der Fußballföderation der Volksrepublik China, die legitimen Vertreter des großen chinesischen Volkes einnehmen müssen.“
Q: Roter Morgen Nr. 28/1974, S. 2.
21.09.1974:
Im „Roten Morgen“ Nr. 38/1974 vom 21. September, heißt es im Artikel: „Internationaler Schwimmsportverband attackiert Völkerfreundschaft mit China.“ Danach hat „anlässlich der VII. Asienspiele, die in diesem Monat ausgetragen wurden, die Internationale Amateurschwimmsportunion (FINA) versucht, die Schwimmer der Volksrepublik China von den Wettkämpfen auszuschließen. Erst nach entschiedenem Protest der VR China hat die FINA in letzter Minute den ihr angeschlossenen nationalen Organisationen erlaubt, gemeinsam mit der VR China die Wettkämpfe auszutragen.“ Trotzdem würde sich immer noch die FINA weigern, „die rechtmäßige Vertretung der VR China in ihrem Verband aufzunehmen und die Chiang Kai-shek Clique auszuschließen. Ebenso sabotieren der Weltfußballverband (FIFA), der internationale Skisportverband (FIS), die Internationale reiterliche Vereinigung (FEI) und die internationale Amateurathletikunion die Aufnahme der VR China.“
Q: Roter Morgen Nr. 38/1974, S. 2.
03.05.1975:
Im „Roten Morgen“ Nr. 18/1975 vom 3. Mai, erscheint der Artikel: „Was für ein Weltmeister der Fairness.“ Danach feiert das „Neue Deutschland triumphierend den neuen Eishockey-Weltmeister. Kurzum: Eine großartige Mannschaft, die zu siegen versteht, aber auch verlieren kann … Beides ist ein reiner Hohn auf die Tatsachen. Denn der neue und alte Weltmeister ist die Eishockeymannschaft der Sowjetunion. Sie ist bekannt und berüchtigt dafür, dass sie keine Tricks, keine Tricks scheut, um Titel und Siege an sich zu reißen. Noch vor wenigen Wochen hatte die sowjetische Eishockeymannschaft in Prag gezeigt, wie sehr sie „verlieren“ kann. In einer Eishockey-Mannschaft, an der die Tschechoslowakei, die Sowjetunion, Finnland und Schweden beteiligt waren, schlug die tschechoslowakische Mannschaft die Sowjetunion 6:1; 4:2; 9:3. In dem dritten und letzten Spiel hatte die tschechoslowakische Mannschaft zehn Minuten vor Schlusspfiff eine klare Führung. Doch die sowjetischen Spieler –wutentbrannt darüber, dass sie den Spielstand nicht verändern konnten- nahmen Zuflucht zu Raufereien.
Die Halbrechtsspieler der sowjetischen Mannschaft … schlugen mutwillig den tschechoslowakischen Stürmer … aufs Eis nieder und hauten ihm dann mit den Fäusten auf den Kopf. Der tschechoslowakische Spieler, der aufs Eis gestürzt war, musste hilflos den gewaltsamen Angriff über sich ergehen lassen und blieb lange Zeit unfähig, sich zu bewegen, auf dem Eis liegen. Er musste schließlich gestützt von seinen Mannschaftskameraden Vorgehen der sowjetischen Mannschaft rief unter den tschechoslowakischen Zuschauern starken Protest und lautes Gebuhe hervor. So also kann der „großartige Weltmeister“ verlieren … Was für ein Weltmeister der Fairness. Nicht freundschaftlicher Wettkampf, sondern das Ringen einer Supermacht um ihr Prestige auf allen Gebieten- das ist der Antrieb des sowjetischen Sports.“
Q: Roter Morgen Nr. 18/1975, S. 10.
März 1976:
In der Ausgabe Nr. 3/1976 der „Kämpfenden Jugend-Kommunistisches Jugendmagazin“ des KJVD der KPD“ erscheint der Artikel: „Sport im Sozialismus. Freundschaft an erster, Wettkampf an zweiter Stelle“. Es wird die Auffassung vertreten: „Auch das sozialistische China hatte vor wenigen Monaten ein herausragendes sportliches Ereignis: Die Dritten Nationalen Spiele, die vom 12. Bis zum 28. September 1975 zur Feier des 26. Gründungstags der Volksrepublik China stattfanden. Eröffnet wurden sie im 80.000 Menschen fassenden Pekinger Arbeiterstadion. Eigentlicher Austragungsort aber war - die gesamte Volksrepublik China. In allen Betrieben, Volkskommunen, Einheiten der Volksbefreiungsarmee, in allen Städten, Dörfern und Regionen, fanden in diesen 2 Wochen Wettkämpfe statt. Die Leistungsschau in der Hauptstadt war nur der Gipfel einer großen Massenbewegung. Und diese Bewegung ist selbst nicht beschränkt auf das Datum eines großen nationalen Sportfestes. Dieses Sportfest ist nur der Ausdruck der Befreiung der Kultur von
den Fesseln der alten Gesellschaft, von den Fesseln der imperialistischen, feudalistischen, kapitalistischen Unterdrückung …“
Berichtet wird auch davon, dass 1973 „3.000 Einwohner der Stadt Peking am Massenlauf rund um die Stadt teilnahmen“.
Die grundlegende Linie des Sports in China sei: „Körperkultur und Sport sind ein Bestandteil des Überbaus und werden von der ökonomischen Basis bestimmt. Sie müssen der sozialistischen ökonomischen Basis, den Arbeiter, Bauern und Soldaten so wie der Diktatur des Proletariats dienen … Das zweite ist die Verwirklichung der Linie: Erst Freundschaft an erster, Wettkampf an die zweite Stelle … So betonen die sozialistischen Sportler immer wieder, dass nicht der Sieg das entscheidende ist, dass der Medaillenkult Merkmal eines rückständigen Bewusstseins ist … Die Kritik der bürgerlichen Linie im Sport, der Geist der Freundschaft und der Kollektivität im Sport setzt neue Kräfte und Fähigkeiten frei. Die Konkurrenz war im gesamten Kapitalismus für eine bestimmte Zeit ein Mittel, die Produktivkräfte zu entfalten. Heute ist dieses Prinzip Ursache dafür, dass Anarchie und Fäulnis herrscht, dass nur im Sozialismus die Produktivkräfte entscheidend weiter entwickelt werden können. Genauso im Sport: Der Austausch der Erfahrungen, gegenseitige Hilfe und Unterstützung sind eine „Produktivkraft“ im Sport, die den Mätzchen Haushoch überlegen ist, die wir in ihrer erbärmlichsten Form bei den olympischen Winterspielen sehen konnten.
Der sozialistische Massensport brauch keine Hasstiraden auf den sportlichen Gegner, keine Bluttransfusionen und Sonderdiäten … Auf der Grundlage der breiten Entfaltung des Massensport wurde das Sportniveau in China ständig gehoben.“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 3/1976.
September 1976:
Die „Kämpfende Jugend“ Nr. 9/1976 berichtet: „Nach Montreal: Solidarität der Völker wächst - schlechte Aussichten für Breschnews Nazi-Olympiade.“
Dort heißt es u. a.: „Am 2. August gingen die 21. Olympischen Sommerspiele zu Ende. Über die Anzeigetafel im Stadion von Montreal flimmerte der Schriftzug: „Lebewohl Montreal - Bis auf bald in Moskau.“- der Auftakt für eine gigantische Propagandakampagne, die die Sozialimperialisten im Kreml einmal mehr als Friedens- und Völkerfreunde darstellen soll. Einmal mehr sollen die Völker der Welt vergessen, dass von Moskau, dem Ort der 22. Olympischen Spiele, die Gefahr eines Weltkrieges, dass von dort aus Aggression, Einmischung, Unterdrückung und Vorherrschaftsstreben in der ganzen Welt ausgehen. Die Kriegstreiber im Kreml ließen verlauten: Bescheiden, freundlich, liebenswert sollen die Moskauer Spiele werden, keine ehrgeizige Konkurrenz. Ausgerechnet die sagen das, die ebenso wie ihre Lakaien aus der DDR abstoßende Sportmonster in die Arena von Montreal schickten, mit Chemikalien und Apparaturen aufgepäppelt, mit Tricks und Betrug arbeitend, um so den Hauptanteil der Medaillen zum „Ruhme des Sozialismus“ abzuschöpfen.
Aber während der Spiele von Montreal taten sich Dinge, die zeigten: Eine „Nazi-Olympiade“ wie die von 1936, mit der Hitler die Welt über seine Kriegspläne täuschen wollte, wird 1980 nicht mehr so reibungslos über die Bühne gehen. Die Einheit und Solidarität der Staaten und Völker der Dritten Welt, besonders der afrikanischen Staaten, machte Schluss mit der imperialistischen Phrase vom „unpolitischen Sport“. Wie in der Weltpolitik, auf der Tribüne der UNO treten sie auch im Sport und Kultur dem alles zersetzenden Einfluss des Imperialismus entgegen.
- 29 afrikanische und arabische Staaten sagten ihre Teilnahme ab, nachdem sich das IOC geweigert hatte, Neuseeland für seine Sport-Kontakte mit dem südafrikanischen Rassisten-Regime mit Ausschluss von den Olympischen Spielen zu bestrafen. Die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) erklärte zu diesem Entschluss:
„Das freie und sich weiter befreiende Afrika ist nicht gewillt, den eitlen Ruhm einiger Medaillen oder den flüchtigen Nimbus einiger sportlicher Spitzenleistungen dagegen einzutauschen, seinen Anspruch auf Würde, Freiheit und Gerechtigkeit durchzusetzen, der eben von den rassistischen Machthabern des Apartheidsystems im südlichen Afrika und anderen mit Füßen getreten wird.“
- Die Regierung Kanadas, eines Landes der Zweiten Welt, stellte sich gegen die USA-Imperialisten auf die Seite des Fortschritts und verweigerten den Sportlern der chinesischen Provinz Taiwan die Einreise, die – gegen die Volksrepublik China gerichtet - unter dem anmaßenden Namen Republik China auftreten sollten.
- Während der Spiele war der Weltschwimmverband FINA unter dem Druck der Einheit der Dritten Welt gezwungen, die Rassisten-Regimes von Rhodesien und Südafrika auszuschließen, die damit sportlich auf internationaler Ebene fast völlig isoliert sind.
- Schließlich war nicht zu verkennen, dass der Abscheu der Völker gegen die abstoßenden Produkte der „Frankensteins des Sports“, wächst die von den Sozialimperialisten, gezüchtet und in die Arena geschickt werden.
Allein das gesamte Auftreten der fortschrittlichen Staaten und Völker im IOC und die Durchsetzung der Forderung aller fortschrittlichen Nationen nach Aufnahme der Volksrepublik China ins IOC wird es möglich machen, dass die olympischen Spiele nicht weiter eine Sache von denen bleiben, die fähig und willens sind, Millionenbeträge in einen olympischen Sieg zu investieren. Allein ihr gemeinsames Auftreten kann es möglich machen, die „sozialimperialistischen Staatsamateure“, die gedopten und von unmenschlichen Trainingsmethoden zu reinen Rekordmaschinen degradierten Sportkrüppel aus den Stadien zu verbannen. So werden die Länder der Dritten Welt im Bündnis mit den sozialistischen Ländern das Gerede der Supermächte Lügen strafen, dass die Olympiasieger aus der Doping-Spritze nun einmal eine unabwendbare Entwicklung seien. Das ist eine Lüge derer, die ein Interesse haben, den Sport für ihre imperialistischen Großmachtinteressen einzuspannen. Eine Lüge derer, die jammer, die Politik erobere den Sport, weil ihre eigene imperialistische Politik entlarvt und durchschaut ist.
Auch bis 1980 werden die Völker nicht vergessen haben, dass es die russischen Sozialimperialisten waren, die 1976 im IOC gegen den Anschluss Taiwans, gegen die Aufnahme der VR China stimmten. Breschnew will 1980 eine „Friedensolympiade“ a la Hitler. Aber seit 1936 sind die Völker erstarkt, der Imperialismus geschwächt. Das zeigt sich auch im Sport.“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 9/1976, S. 26.
05.06.1998:
Im „Arbeiterkampf-Zeitung für linke Debatte und Praxis“ vom 5.6., erscheint der Artikel:
„Fußball ist Gott. In Lateinamerika lauern überall Tore.“
Ausgeführt wird: „Dort wird Fußball gespielt, dort ist jeder Sieg der eigenen Mannschaft ein wahres Fest, dort gibt es noch flammende Radioreportagen, und die Frage, für welches Team man den Sonntag im Stadion verbringt, ist beim Kennenlernen mindestens genauso wichtig wie die Frage nach dem Namen. Pünktlich zur Weltmeisterschaft in Frankreich versuchen zwei Bücher dem Mythos Fußball in Lateinamerika nachzuspüren. Der uruguayanische Fan Eduardo Galeano erzählt in: „Der Ball ist rund und Tore lauern überall“ kleine wichtige und unwichtige Anekdoten zum Thema. Am Anfang stehen Gedanken über die verschiedenen Rollen, die im allwöchentlich inszenierten Fußballtheater verteilt werden. Vom Ball über den Schiedsrichter, vom Fan zum Stadion, vom Star zum technischen Direktor - alle wichtigen Positionen werden angemessen gewürdigt. Es folgen Geschichtchen über die Geschichte - warum sind viele Begriffe des lateinamerikanischen Fußballspanisch dem Englischen entlehnt?
Doch der Autor wendet sich auch politischen Themen zu, denn seit es große Sportveranstaltungen gibt, werden sie auch von Diktatoren oder anderen missliebigen Mächtigen für ihre Zwecke missbraucht. Die enge Verknüpfung von „Fußball und Vaterland“ wird an folgender Geschichte verdeutlicht: In Kiew, in der Ukraine, erinnert ein Denkmal an die Spieler von Dynamo Kiew im Jahre 1942. Unter deutscher Besatzung hatten sie die Dummheit begangen, in ihrem Stadion eine Mannschaft Hitler-Deutschlands zu besiegen. Man hatte sie gewarnt: „Wenn ihr gewinnt, kostet es euch den Kopf`. Bereit zu verlieren, kamen sie auf den Platz, zitternd vor Angst und Hunger, doch konnten sie die Lust an der Würde nicht bezähmen. Noch mit ihren Trikots auf dem Leibe wurden die elf am Rande eines Abhangs erschossen, als das Spiel zu Ende war.“
Natürlich vergisst Galeano auch die lateinamerikanischen Fußballgötter Di Stefano, Pelé, Maradona nicht. Und man kann noch in weiteren Erinnerungen schwelgen: Jede Weltmeisterschaft und ihre Besonderheiten werden erwähnt, besonders schöne Tore beschrieben, und auch hier zeigt Galeano immer wieder die Verknüpfung von Politik und Fußball auf: „Während der Qualifikationsspiele (zur WM 1974) hatten sich die Sowjetrussen geweigert, im Nationalstadion von Chile zu spielen, das kurz zuvor Konzentrationslager und Hinrichtungsstätte gewesen war. Da hatte die chilenische Mannschaft das kläglichste Spiel in der Geschichte des Fußballs bestritten: Sie hatte gegen niemanden gespielt und in ein leeres Tor Bälle geschossen, die vom Publikum begeistert gefeiert wurden. Später bei der WM gewann Chile kein einziges Spiel.“
Galeano erweist sich mit seinem Buch als wirklicher Fußballfan. Ganz anders ist das Werk von Chris Taylor „Samba, Coca und das runde Leder“, das länderspezifische Fußballstudien betreibt und sich hauptsächlich den Nationalmannschaften der jeweiligen Länder widmet. Ein Kapitel über Uruguay macht den Anfang. Nach einem kurzen Blick auf ein aktuelles Duell Argentinien - Uruguay anlässlich der WM-Qualifikation 1997, konzentriert der Autor seine Gedanken auf die ruhmreicheren Jahre des kleinsten Landes im Cono Sur. Die goldenen Zeiten sind vorbei - Uruguay blieb diesmal nur der drittletzte Platz in der südamerikanischen WM-Qualifikationsgruppe …
Das Kapitel über Argentinien beschäftigt sich natürlich mit Maradona. Die „Hand Gottes“ wird dort ebenso gewürdigt wie Maradonas Drogenkonsum und seine Comeback-Versuche. Auch ein Vergleich zwischen den ehemaligen Nationaltrainern Bilardo („harter Soldat“) und Menotti („linker Intellektueller und Philosophenprinz des Fußballs“) darf nicht fehlen. Der nächste (und längste) Abschnitt des Buches ist Brasilien gewidmet. Zunächst stehen nicht wie erwartet die ruhmreichen Siege der Fußballzauberer im Mittelpunkt, sondern die rassistische Diskriminierung schwarzer Spieler im brasilianischen Fußball. Danach singt der Autor eine Hymne auf das Maracanâ-Stadion, das 1950 für die WM gebaut wurde und zu den größten der Welt zählt.
Bei der Beschreibung des bolivianischen Fußballs dreht sich eigentlich alles nur um eines: Am 12. Dezember 1995 hat die FIFA entschieden, dass internationale Spiele ab einer Höhe von 3.000 Metern über NN verboten werden. In Bolivien war man starr vor Entsetzen (schließlich befinden sich unter anderem die Stadien von La Paz in derart luftiger Höhe) und zeigte es als Ungerechtigkeit an, denn bolivianische Mannschaften müssten auch in der tropischen Hitze und Feuchtigkeit brasilianischer Städte spielen. In Kolumbien gibt es andere Probleme - die meisten Fußballmannschaften werden von Drogenbossen finanziert, Fußballspieler sympathisieren offen mit den Verurteilten oder Gesuchten, und missliebige Schiedsrichter werden erschossen oder zumindest bedroht.
Nach so vielen Geschichten über fußballfanatische lateinamerikanische Länder muss zumindest ein Gegenbeispiel genannt werden: Nicaragua, ein Land, in dem Fußball einfach keine Bedeutung hat. Der Sieg der Nationalmannschaft gegen die argentinischen Kicker von Estudiantes de la Plata ging 1966 als die einzige Heldentat in die Fußballgeschichte ein.
Das wichtige Thema Vermarktung und Fußball diskutiert Chris Taylor am Beispiel Mexiko. Ob Nike, Corona, Coca-Cola, Radio 58 oder Televisa - alle versuchen, ein möglichst großes Stück vom Fußball-Werbekuchen abzubekommen. Das Buch schließt mit einem Kapitel über die Qualifikation lateinamerikanischer Länder zur WM 1998. Nach Lektüre der Länderstudien ist man um einiges schlauer, was die Geschichte des lateinamerikanischen Fußballs, Intrigen eingeschlossen, anbelangt. Was aber fehlt, ist die Vermittlung der Fußballkultur, der Faszination, die das Gekicke dort ausübt. Vielleicht kann man das aber auch nur am eigenen Leibe erfahren, wenn man ins Stadion geht und sich nach kurzer Zeit vor Begeisterung kaum noch halten kann, auch wenn die eigene Mannschaft schlecht spielt...“
Q: Arbeiterkampf-Zeitung für linke Debatte und Praxis Nr. 415, 5.6.1998.
Dass der „Sport im Sozialismus“ seine eigenen Duftmarken hinterlassen würde, ist von den K-Gruppen mehr oder weniger bekannt gemacht worden. Auch, dass der Slogan galt „Freundschaft an die erste, Wettkampf an die zweite Stelle“. In diesem Sinne werden „kapitalistische sportliche Ereignisse“ den „sozialistischen“ gegenüber gestellt. Die „Dritten Nationalen Spiele“ in China von 1975, werden von der „Kämpfenden Jugend“ als „großen Massenbewegung“ gefeiert, die zeigen würde, dass dieses „Sportfest nur der Ausdruck der Befreiung der Kultur von den Fesseln der alten Gesellschaft, von den Fesseln der imperialistischen, feudalistischen, kapitalistischen Unterdrückung“ ist. Er sei überall vom „Geist der Freundschaft und der Kollektivität im Sport“ getragen. Auch hier ging es darum, einen „revolutionären Standpunkt“ einzunehmen und den „Massensport“ als Alternative zu propagieren (vgl. März 1976).
März 1976:
Die „Kämpfende Jugend“ Nr. 3/1976 berichtet von den „Dritten (nationalen) chinesischen Spielen“. Danach fanden sie vom 12. Bis zum 28. September 1975 „zur Feier des 26. Gründungstags der Volksrepublik China“ statt.
„Eröffnet wurden sie im 80.000 Menschen fassenden Pekinger Arbeiterstadion. Eigentlicher Austragungsort aber war - die gesamte Volksrepublik China. In allen Betrieben, Volkskommunen, Einheiten der Volksbefreiungsarmee, in allen Städten, Dörfern und Regionen fanden in diesen 2 Wochen Wettkämpfe statt. Die Leistungsschau in der Hauptstadt war nur der Gipfel einer großen Massenbewegung. Und diese Bewegung ist selbst nicht beschränkt auf das Datum eines großen nationalen Sportfestes. Dieses Sportfest ist nur der Ausdruck der Befreiung der Kultur von den Fesseln der alten Gesellschaft, von den Fesseln der imperialistischen, feudalistischen, kapitalistischen Unterdrückung. Der Aufbau des Sozialismus unter der Diktatur des Proletariats hat auch den Sport zum Eigentum des Volkes gemacht.“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 3/1976, S. 12.
Die Verurteilung der FINA (Eissprint) durch die „Kämpfende Jugend“, die sich wie viele andere Sportorganisationen auch, dem Boykott Chiang Kai-shek verschließen würde, ist auch ein zentrales Thema in der „Peking Rundschau“, deren Artikel in der „Kämpfenden Jugend“ Erwähnung findet (vgl. April 1976).
Schließlich dient der „Sport im Sozialismus“, in China und Albanien wie die „Kämpfende Jugend“ meint, der „Wehrhaftigkeit im Klassenkampf … gegen den Krieg“. So müsse man den Sport auch begreifen, auch in ihm das „Hauptkettenglied“ zu ergreifen, selbst mit dem „Einsatz des eigenen Körpers“ (vgl. Mai 1976).
April 1976:
Die Eissprintweltmeisterschaften in (West-)Berlin soll nach der „Kämpfenden Jugend“ Nr. 4/1976 der ASV Solidarität dazu benutzt haben, zur „Mobilisierung zum Werner-Seelenbinder-Sportfest in Köln“. Mit einem Transparent: „Es lebe die Freundschaft des deutschen und chinesischen Volkes, wurden die Sportler der Volksrepublik China von uns begrüßt …“
In einem Nachdruck eines Artikels aus der „Peking Rundschau“ wird festgehalten: „Verurteilung des Willkürakts der Fina.“ Ein Verantwortlicher des Schwimmverbandes der Volksrepublik China gab am 11. März eine Erklärung ab, in der der Willkürakt einiger Führer des Internationalen Amateur-Schwimmverbandes (FINA) scharf verurteilt wurde. Er erklärte: ‚Vor kurzem beschloss eine Handvoll Führer des FINA eigenmächtig, jene Sportler-aus Ländern, die im August des vergangenen Jahres an den Internationalen Schwimm- und Wassersprung-Freundschaftswettkämpfen auf Einladung in Peking teilgenommen haben, dafür mit 2 Jahren Suspendierung der Mitgliedschaft zu „bestrafen“. Dieser Beschluss, getroffen aus reiner Willkür, ist eine grobe Einmischung in das Recht der verschiedenen Länder, die an den Wettkämpfen auf Einladung teilgenommen haben, selbst ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln. Ebenso ist dies ein feindseliger Akt gegen das chinesische Volk und die chinesischen Sportler.
Der Schwimmverband der Volksrepublik China verurteilt diesen Willkürakt in aller Schärfe. Diese Führer des FINA, so sagte er, legten es mit dieser Aktion darauf an. den Sportverkehr und die Entwicklung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Völkern verschiedener Länder und dem chinesischen Volk zu sabotieren, ganz im Sinne ihres Festhaltens an dem absurden Standpunkt von „zwei China“... Solche Aktionen aber stemmen sich dem Strom der Geschichte entgegen. Sie entsprechen nicht dem Willen der Völker; wir und alle für Gerechtigkeit eintretenden Menschen der Sportkreise der Welt kämpfen entschieden dagegen.“
„Es ist ein unumkehrbarer Trend, dass die Völker der Welt, insbesondere die Völker der Dritten Welt, ihre Angelegenheiten unabhängig und selbständig regeln, dass sie ihre Kontakte und ihre Zusammenarbeit stärken. Wir möchten jene Leute an der Spitze des FINA darauf hinweisen, dass die Zeiten für immer vorbei sind, da sie die Sportkreise der Länder der Dritten Welt zwingen konnten, sich ihrem Willen zu beugen.“
Und weiter: „Ihre Strafe kann niemanden einschüchtern. Bedrohung und Einschüchterung können nur den Zusammenschluss der Völker und der Sportler der verschiedenen Länder gegen ihren tyrannischen Willkürakt fördern. Die Völker der Länder der Dritten. Welt lassen sich nicht tyrannisieren. Wenn die Handvoll Leute an der Spitze des FINA weiterhin gegen die historische Strömung angehen, werden sie die für sie schlimmen Konsequenzen tragen müssen.“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 4/1976 S. 4f.; 9 und 35.
Mai 1976:
Die „Kämpfende Jugend“ Nr. 5/1976, führt zum „Sport in China“ aus: Dort werden die Jungendlichen in der „Volksrepublik China und Albanien dazu erzogen …, den Sport als Mittel ihrer eigenen Stählung für die Aufgaben im sozialistischen Aufbau, im Klassenkampf und in Wehrhaftigkeit gegen den Krieg zu begreifen … Und proletarische Wehrhaftigkeit im Sozialismus- das heißt in erster Linie, auch im Sport den Klassenkampf als Hauptkettenglied zu ergreifen und allzeit bereit zu sein, den Klassenkampf politisch, ideologisch und auch mit dem Einsatz des eigenen Körpers zu bekämpfen. In dieser Gesellschaft, wenn die Arbeiterklasse die Macht hat, ist der Sport befreit, weil die Gesellschaft insgesamt von der Ausbeuterklasse befreit ist. Im Sozialismus werden Sport, Freizeit und Vergnügen für das werktätige Volk zum ersten Mal nicht zum „Ausgleich“, der sie über ihre miserable materielle Situation von Ausbeutung und Unterdrückung hinwegtäuschen soll. Nein, Im Sozialismus, wird all dies zum Teil des umfassenden Prinzips, das alle Bereiche der Gesellschaft umfasst:
Dem Volke dienen! ...
Q: Kämpfende Jugend Nr. 5/1976, S. 9ff.
Turniere der Sportler der VR China waren stets im Sinne der „Völkerfreundschaft“ und der „Internationalen Solidarität“ interpretiert worden. Beides wurde auch als Unterstützung für den „Kampf der Völker“ verstanden. In diesem Sinne folgte auch ein Volleyballturnier einer chinesischen Mannschaft dem Prinzip: „Freundschaft an die erste, Wettkampf an die zweite Stelle“ (vgl. 9. März 1977).
09.03.1977:
Laut „Kämpfende Jugend“ Nr. 5/1977, trifft eine chinesische Volleyballmannschaft aus China in Deutschland ein. Der Leiter der Delegation soll gesagt haben: „Wir sind nach Deutschland gekommen, um von der deutschen Arbeiterklasse zu lernen.“
„Eine Delegation des Werner Seelenbinder-Sportfestkomitees, an der auch Genossen der KPD und des KJVD teilnahmen, begrüßten die chinesischen Sportler. Wolfgang Waitz vom Vorstand des Sportfestkomitees berichtete über die Ziele des Werner-Seelenbinder-Sportfestes, die Unterstützung des Kampfes der Völker im südlichen Afrika, internationale Solidarität und Völkerfreundschaft. Er betonte, dass die Volksrepublik China auch für die deutschen Sportler ein Vorbild ist, dass die deutschen Sportler nach dem Prinzip „Freundschaft an die erste, Wettkampf an die zweite Stelle“ folgen. Das Sportfestkomitee überreichte den chinesischen Volleyballern Aufruf und Programm des Sportfestes und die Lebensgeschichte des kommunistischen Arbeitersportlers Werner Seelenbinder. Die chinesischen Sportler wünschten den deutschen Sportlern viel Erfolg. Sie überreichten dem Sportfestkomitee chinesische Volleyballabzeichen, die später bei der Siegerehrung im Volleyballturnier den Sportlern überreicht wurden. Aufnahme der Volksrepublik China in alle internationalen Sportverbände.“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 5/1977, S. 12.
Selbst die Kulturrevolution hätte dazu beigetragen, so die „Kämpfende Jugend“, dass sich die „Motivation zum Leistungssport verändert“ habe. Es sei nun nicht mehr wichtig, „Rekorde aufzustellen, um einen Rekord aufgestellt zu haben“, sondern um zu arbeiten, um nach der Arbeit Leistungen vorweisen zu können, die auf „Rekordniveau“ sein. Wie das nach körperlicher Plackerei möglich sein kann, verrät die „KJ“ natürlich nicht (vgl. Juli 1977).
Juli 1977:
In der Juli Ausgabe der „Kämpfenden Jugend“ wird u. a. ein Interview mit Rolf von der Laage, Funk- und Zeitungsjournalist und Mitarbeiter des Vorstands des ASV-Köln (Athletik-Sportverein, d. Vf.) veröffentlicht. Zum Sport nach der Kulturrevolution meint der Vf. des Buches „Sport in China“:
„Durch die Kulturrevolution hat sich die Motivation zum Leistungssport verändert. Es ist nicht mehr wichtig, Rekorde aufzustellen, um einen Rekord aufgestellt zu haben, sondern es ist wichtig zu zeigen, dass es möglich ist, dass man sich durch harte Trainingsstunden neben der vollen Arbeit Leistungen im Sport abringen kann, die halt eben auf Rekordniveau sind. Dieser Rekord zeigt dann den Massen einmal: Treibt selbst Sport, es ist möglich- und zeigt den Massen andererseits: Ihr könnt auch ein entsprechend hohes Niveau erreichen, und das eben nicht nur im Sport. Wenn man zielstrebig eine Richtung folgt, wo das Vollbringen einer Leistung am Ende steht, dann muss das auf allen Lebensbereichen möglich sein.“
Ein Jugend-Pionierlager auf der Elbinsel Krautsand, das vom 9.-30.7. stattfinden soll, soll unter dem Leitgedanken stehen: „1. Wir unterstützen die Völker Afrikas in ihrem Befreiungskampf … 2. Wir unterstützen den Kampf gegen die mörderischen Atomkraftwerke …3. Sport: Erst Freundschaft, dann Wettkampf. Auf dem Programm steht Frühsport, Mannschaftsspiele und Kraftsport.
Q: Kämpfende Jugend Nr. 7/1977. S. 22.
Dementsprechend sei auch ein internationales Fußballturnier in Peking mit 28 Spielen ein Beispiel dafür, dass der „ideologischen Erziehung der Massen“ im Sport weit mehr eingeräumt würde, als der Leistungsorientierte Sport. Dass diesen Turnier allerdings nur B-Mannschaften ohne internationale Reputation teilnahmen, wird gerne verschwiegen (vgl. September 1977).
September 1977:
In der Ausgabe 9/1977 der „Kämpfenden Jugend“ erscheint ein Artikel über ein Fußballturnier in Peking, das vom 17.-30. Juli stattfand. Ausgeführt wird u. a.:
„Ein internationales Fußballturnier fand mit folgenden Teilnehmern statt: Die Daedongkang-Mannschaft aus der Demokratischen Volksrepublik Korea, die Mannschaft Äthiopiens, die B-Mannschaft Guineas, die Mannschaft Hongkongs, die Mannschaft Irans, die Auswahlmannschaft Japans, die Mannschaft der Autonomen Universität Mexiko, die Mannschaft Marokkos, die Mannschaft Zaires, die chinesische A-Mannschaft, B-Mannschaft und Jugendmannschaft.
Das Fußballturnier dauerte zwei Wochen und insgesamt fanden 28 Spiele statt. Die Ausscheidungsspiele wurden in Gruppen in Peking und Schanghai und das Finale in Peking ausgetragen. Die chinesische Jugendmannschaft wurde Sieger, die Mannschaft Hongkongs Zweiter, die Daedongkang-Mannschaft der DVR Korea Dritter, die A-Mannschaft Chinas Vierter, die Mannschaft Zaires Fünfter, die Mannschaft Irans Sechster, die Mannschaft Marokkos Siebter und die B-Mannschaft Chinas Achter.
In den letzten Jahren haben sich Chinas Beziehungen zu verschiedenen internationalen Sportorganisationen mit Hilfe der Völker und befreundeter Sportkreise verschiedener Länder weiterentwickelt. In den internationalen Sportverbänden ist der Ruf nach Ausschluss der Tschiang-Clique aus den internationalen Sportverbänden und Wiederherstellung der legitimen Rechte der chinesischen Sportorganisationen immer lauter geworden. Das chinesische Volk und die chinesischen Sportler haben die Freundschaft mit den Völkern der verschiedenen Länder und Gebiete stets hochgeschätzt. Mit der Entwicklung des Sports in China haben chinesische Fußballmannschaften in den letzten Jahren mehr als 50 Länder besucht, und fast ebenso viele ausländische Fußballmannschaften haben China Freundschaftsbesuche abgestattet. Diese Besuche haben die gegenseitige Freundschaft und das gegenseitige Verständnis gefordert …
Während des Turniers sah man Sportler aus verschiedenen Teilen der Welt bei gemeinsamem Training auf verschiedenen Sportplätzen. Freunde, ob alte oder neue, haben einen gemeinsamen Wunsch, durch das Turnier das gegenseitige Verständnis zu erweitern und die Freundschaft zu verstärken..."
Q: Kämpfende Jugend Nr. 9/1977, S. 21.
Das „Leuchtfeuer des Sozialismus“ in Europa, hatte für die K-Gruppen stets eine besondere Bedeutung. Nicht nur in der Hinsicht, dass mit Wallfahrten dorthin der Lichtgestalt, dem „großen Enver Hoxha“ gehuldigt worden war, sondern vor allem auch in der Übernahme sämtlicher Doktrinen, die nach Mao-Lesart eine „schöpferische Weiterentwicklung“ des Marxismus-Leninismus auf Europa angewendet, waren. „Sport in Albanien“ war wie der „Sport in China“ „Volkssport“ in einem „sozialistischen Land“, wo nur die Arbeit zählt und Sport „aus Freude, für die Massen und für die Gesundheit“ betrieben wird.
Zur Olympiade 1972 in München, berichtete der „Rote Morgen“ über den albanischen Sport, wo die „Kameradschaft an erster Stelle steht und nicht Leistung“. Der dortige Sport sei „kein Elitesport, sondern einen Massensport“ (vgl. 28. August 1972).
Ein Gespräch mit albanischen Fußballtrainern ist schon eher aufschlussreicher. Im Sport wird, wie in China, von „der Massenlinie“ ausgegangen. Eigentlich kann sie auch für alles verantwortlich gemacht werden. Ob in der Produktion, im Kulturwesen, oder im Sport: Wer die „Massenlinie“ verlässt, handelt „konterrevolutionär“. Unterschiedliche Bewertungen zum „Sport in China“ scheint es nicht zu geben. Angeblich sei es das „Kollektiv“, das bestimmt. Fehler, selbst die des Trainers der jeweiligen Mannschaften, werden gemeinsam behoben. Erst die „breite Diskussion“ mache es möglich, dass eine Mannschaft, vermutlich „nach den Wünschen des Volkes“, aufgestellt wird. Ob das Kollektiv bzw. das Volk auch die albanische Fußballmannschaft aufgestellt hatte, die immerhin 1968 der deutschen Fußballnationalmannschaft ein 0:0 abringen konnte? (vgl. 13. Juli 1974).
Auch der Jugendverband der „Partei der Arbeit Albaniens“ und die „Jungen Pioniere“, würden der Marschroute folgen: „ … ideologische Festigkeit, schulische Leistung, kulturelle und sportliche Ausbildung..“ (vgl. 14. September 1974).
Albanien bemühe sich auch, das Treiben des IOC zu verurteilen. Die „verbrecherische Chiang Kai-shek Clique“ müsse aus ihm ausgeschlossen werden, damit „die VR China ihren legitimen Platz“ einnimmt (vgl. 7. Juni 1975).
28.08.1972:
Der „Rote Morgen“ Nr. 17/1972 vom 28. August mit der zentralen Überschrift: „Aufruf des Zentralkomitees zur Olympiade 1972“ erscheint. Berichtet wird dort auch über den Sport in den sozialistischen Ländern China und Albanien:
„Nein, wir brauchen einen Sport wie in den sozialistischen Ländern China und Albanien. Dort steht Kameradschaft an erster Stelle und nicht Leistung. Dort gibt es keinen Elitesport, sondern einen Massensport. Genossen der KPD/ML und der Roten Garde, die Albanien besuchten, schreiben uns, dass ei jeder Fabrik, jeder Staatsfarm und jeder landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft ein Sportplatz angelegt ist. Bei uns gestatten die Kapitalisten vielleicht mal 10 Minuten Gymnastik, aber nur, damit der Arbeiter das mörderische Bandtempo noch mithalten kann. In Albanien wird Sport aus Freude, für die Massen, für die Gesundheit getrieben. Dort stählt sich auch das ganze Volk, um im Falle eines imperialistischen Angriffs auch körperlich fit zu sein …“
Q: Roter Morgen Nr. 17/1972.
13.07.1974:
Im „Roten Morgen“ Nr. 28/1974 vom 13. Juli, erscheint der Artikel: „Gespräch mit albanischen Fußballtrainer.“ Ausgeführt wird: „Vor kurzem fand in Frankfurt eine Tagung der FIFA statt. Es ging darum, endlich die legitimen Rechte der VR China auch in der FIFA durchzusetzen. Anlässlich dieses Besuches ergab sich für einige Gelsenkirchener Genossen der KPD/ML die Möglichkeit, unter anderem mit dem Trainer der albanischen Fußballnationalmannschaft über den Sport im Sozialismus zu sprechen.“
Zusammenfassend war die Antwort auf die Fragen: „Der Sport dient der körperlichen Ertüchtigung und der Volksgesundheit, dient somit der Verteidigung des Vaterlandes, dem weiteren Aufbau des Sozialismus. Gemäß der Weisung Enver Hoxhas wird im Sport von der Massenlinie ausgegangen. Die Sportliche Betätigung ist nicht Sache eines Einzelnen oder auch einer einzelnen Gruppe, sondern Anliegen des gesamten albanischen Volkes. Der Sport- und Turnbewegung der Massen gilt die besondere Aufmerksamkeit der Organe der Partei, des Staates und der Gewerkschaften. Jeder Betrieb, jede Schule hat angegliederte Sportstätten, die vom Staat eingerichtet werden. Vor der Arbeit treffen sich die Werktätigen zu Leibesübungen. Es werden betriebliche Wettkämpfe ausgetragen.
In Albanien gibt es keinen finanziellen Anreiz, sich an Wettkämpfen zu beteiligen. Es ist die Freude am Sport und die Anerkennung durch die Kameraden, die die albanischen Sportler bei ihren Leistungen anspornen. Da macht auch die Fußballnationalmannschaft keinen Unterschied. Ihre Spieler gehen aus den Reihen der Werktätigen hervor. Sie arbeiten meist 5 Stunden am Tag im Betrieb und haben drei Stunden Training bekommen, aber 8 Stunden bezahlt. Außerdem bekommen sie vor Wettkämpfen das Essen frei, weil sie da eine besonders proteinreiche Kost benötigen. Die tägliche Arbeit im Betrieb dient der Verbindung mit den Massen. Niemand könnte in Albanien in der Nationalmannschaft Spieler sein, der als „Star“ hochmütig auf die Werktätigen herabblickt. Undenkbar ist in Albanien, was bei uns zum Alltag gehört, dass die Ergebnisse von Spielen schon feststehen, bevor das Spiel überhaupt angefangen hat, weil es vorher durch Bestechungssummen ausgehandelt worden ist.
In Albanien bestimmt das Kollektiv. Hat jemand etwas falsch gemacht, wird er kritisiert- auch wenn es der Trainer ist – und ihm wird geholfen, seinen Fehler einzusehen und zu berichtigen. Die Spielführung, die Mannschaftsaufstellung – alles wird vom Kollektiv diskutiert. Auf der Grundlage einer breiten Diskussion erst wird ein Plan festgelegt, der dann auch von allen durchgeführt werden muss. So ist es nicht nur im Sport, sondern auch in der Produktion. Auch hier kann jeder seine Meinung zu den Plänen beitragen.“
Q: Roter Morgen Nr. 28/1974, S. 1f. und 4.
14.09.1974:
Im „Roten Morgen“ Nr. 37/1974 vom 14 September, wird im Artikel „Delegation der Roten Garde auf Freundschaftsbesuch in Albanien“, auch über den Jugendverband Albaniens und seinen „Jungen Pionieren“ berichtet.
Als Empfehlung für Schule und Betrieb würde gelten: „ … ideologische Festigkeit, schulische Leistung, kulturelle und sportliche Ausbildung.“ Zu den Tätigkeiten der Pioniere würde gehören: „Gespräche mit Arbeitern, mit Eltern und Verwandten, die sich im Befreiungskampf oder beim sozialistischen Aufbau auszeichneten, Diskussionen, kulturelle Betätigungen, Körperkultur und Sport.“
Q: Roter Morgen Nr. 37/1974, S. 8.
07.06.1975:
Im „Roten Morgen“ Nr. 23/1975 vom 7. Juni, erscheint der Artikel: „IOC vertagt Entscheidung. Die VR China muss aufgenommen werden.“
Dort heißt es: „Dass die verbrecherische Chiang Kai-shek Clique aus dem IOC ausgestoßen und die VR China ihren legitimen Platz einnehmen muss- das wird eine immer dringendere Forderung der Völker der Welt. Nach Albanien, der VR Korea, Pakistan, Japan, Kuwait und dem Kongo, haben in den letzten Wochen auch Algerien, der Iran, Rumänien, Tansania und Senegal entsprechende Anträge an das Internationale Olympische Komitee gerichtet. Auf einem Treffen Mitte Mai in Rom unterstützten der Irak, Marokko, Äthiopien, Somalia, Sambia und Jugoslawien ebenfalls diese Forderung.
Mit unverschämten Lügen wie „Sport und Politik haben nichts miteinander zu tun“, hatte das IOC jahrelang das reaktionäre Regime Taiwans unterstützt und der VR China ihren rechtmäßigen Sitz in diesem internationalen Gremium vorenthalten. Eine besonders üble Rolle spielte dabei der frühere Vorsitzende der IOC, Avery Brundage, der die Regeln der IOC missachte, sich unverfroren in die Angelegenheiten der VR China einmischte und das chinesische Volk beleidigte. Noch immer hat diese reaktionäre Clique Anhänger unter den Führern der IOC: so weigerten sie sich jetzt der berechtigten Forderung vieler Länder nach Ausschluss Taiwans und Aufnahme der VR China in das IOC stattzugeben, sondern versuchten, diese Entscheidung zu verschleppen und zu sabotieren mit Reden wie: „Man muss erst einmal an Ort und Stelle in der VR Chinas und Taiwan die Lage überprüfen.“
Dahinter steckt nichts anderes als die reaktionäre Theorie „ein Taiwan, ein China“ und von den „zwei Chinas“, die ein Angriff ist auf das chinesische Volk. Doch welche Intrigen diese Herren auch schmieden mögen- die Vertreibung der Chiang Kai-shek Bande und die Aufnahme der VR China ins IOC werden durch den gerechten Kampf der Völker erreicht werden. Dies ist ein unumstößliches Recht des ganzen chinesischen Volkes und die Hoffnung der Welt und aller Freunde des Sportes.“
Q: Roter Morgen Nr. 23/1975, S. 2.
Die deutsche „Arbeitersportbewegung“, die sich zum Ende des 19. Jahrhunderts organisiert haben dürfte, schloss sich zunächst in der Deutschen Turnerschaft (DT) zusammen und gründete alsbald in Gera ihren eigenen Dachverband, den „Arbeiter-Turner-Bund“ (ATB, 1893). Mit der zunehmenden Verbreitung des Fußballsports, der die bürgerlichen Kreise dominierte, sollte sich auch die Arbeiterbewegung stärker um die Aufstellung der eigenen Sportabteilungen bemühen, die zugleich auch als Abgrenzung verstanden worden war. Zunächst geschah dies durch die Umbenennung des ATB im Juni 1919 in „Arbeiter-Turn- und Sportbund“ (ATSB). Andre Sportarten wie: Turnen, Leichtathletik, Kraftsport oder Radsport, vereinten sich unter diesem Dachverband. Fußball nahm eine dominierende Stellung ein, was später in den ATSB-Fußball-Bundesmeisterschaft (1920-1933) zum Ausdruck kommen sollte.
Nachdem ein sog. „ATSB-Bundestag“ im Juni 1928 KPD-Mitglieder aus dem Verband ausgeschlossen hatte, gründeten diese im Mai 1929 die „Interessengemeinschaft zur Wiederherstellung der Einheit im Arbeitersport“ (IG). Im Dezember 1930 wurde daraus die „Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit“ (KG), der „Rotsport“, der sich besonders stark auf den Berliner Raum auszudehnen begann. Auch etwa in Sachsen und dem Ruhrgebiet (so gehen etwa die heute noch bestehenden „Fichte“-Sportvereine auf die „Arbeitersportbewegung“ der Weimarer-Zeit zurück. Der Berliner „ASV-Fichte“ (Zeitung: „Kampfgenoß“) war einer der größten „Arbeitersportvereine“ der Welt.
Mit dem Reichstagsbrand endete auch die organisierte „Arbeitersportbewegung“. Alle Verbände wurden von den Nationalsozialisten aufgelöst. Viele Mitglieder wurden verfolgt und ermordet (Ernst Grube, Werner Seelenbinder, Walter Petruschke.
Nach Beendigung des Krieges wurden einige „Arbeitersportvereine“ neu gegründet, etwa der „Bahrenfelder SV 19“, „Teutonia 10 Altona“, „Ottensen 93“ und andere. Aber er erreichte nicht mehr den Zulauf wie etwa in den 1920ger Jahren. Der ATSB trug eigene Meisterschaften aus, etwa im Radsport, Turnen und Fußball. „Internationale Arbeiterolympiaden“ fanden 1925 in Frankfurt/M. und 1931 in Wien statt. Eine Gegenveranstaltung zu den nationalsozialistischen olympischen Sommerspielen in Berlin (1.-16. August 1936), wurde kurz nach der Eröffnung abgesagt. Als Grund wurde der Beginn des „Spanischen Bürgerkriegs“ angegeben. 1937 fand dann in Antwerpen die nachzuholende Olympiade statt. Neben den „Sommerspielen“ fanden auch „Winter-Olympiaden“ statt, etwa 1925 in Schreiberhau, 1931 in Mürzzuschlag und Semmering in Österreich.
Die Neugründungen der ASV-Sportbewegung durch die Mao-Bewegung und im Gefolge verschiedene Zusammenschlüsse auf dieser Ebene, sollten in erster Linie der „körperlichen Ertüchtigung“ dienen, wie es etwa auch aus den Statuten des ATSB zu entnehmen ist. Daneben sollten sie auch eine elementare Bedeutung im „Kampf gegen Militarismus und Krieg“ haben. Die „geistige und körperliche Erneuerung“, die in den ASV-Sportbewegungen fest verankert gewesen sein dürfte, wurde in den 1970ger Jahren durch die „ideologische Umerziehung“ auf sportlichem Gebiet ersetzt. Teilweise erhoben die ASV-Vereine auch den Anspruch, eine „politische (Massen-)Organisation“ zu sein, wie es der „Roten Fahne“ der KPD zu entnehmen ist. (vgl. 16. Dezember 1973; 15. Januar 1974).
Aus dem April 1974, zum 1. Parteitagsaufgebot der KPD, wird die Gründung einer breiten ASV-Sportbewegung bekannt gegeben (vgl. 13. März 1974).
Neben Gruppen in Düsseldorf, Köln, Münster oder Siegen, wird auch die Gründung eines ASV (Spartakus) aus Hannover bekannt (vgl. 26. Juni 1974).
Arbeitersportvereine sollen auch in Gelsenkirchen und Dortmund gegründet werden (vgl. 23. Oktober 1974).
Der KBW berichtet über ein Fußballturnier „für den Aufbau Südvietnams“, an dem auch der ASV „Vorwärts Bundesbahn“ teilgenommen haben soll (vgl. 15. Mai 1975).
Über das 1. Arbeitersportfest des ASV-Westberlin, liegt aus der „Kämpfenden Jugend“ ein längerer Bericht vor. Es soll unter dem Motto „Alles für den Sieg des kämpfenden Volkes in Vietnam“ gestanden haben. Das „1. Allgemeine Deutsche Sportfest“ (1825), das in Verbindung mit der „Wehrhaftmachung“ für die roten Arbeitersportvereine in Verbindung gebracht wird, sei ein Ansporn, den „Kampf gegen die beiden imperialistischen Supermächte Sowjetunion und USA“ weiter zu führen. Auch 1825 ging es um „politische Ziele“. Sie seien heute nur anders zu gewichten. Deshalb: Vereinigt euch in der „Einheitsfront“ für ein „unabhängiges, vereinigtes, sozialistisches Deutschland“ (vgl. 25. Juni 1975).
Die ASV-Sportbewegung, zumindest die (West-)Berliner, hatte, nach eigenen Angaben, mit Verfolgungen und Unterdrückungen durch die Staatsgewalt zu kämpfen. So sei ein Fußballspiel der „Freundschaftsgruppe Charlottenburger ASV“ überfallen worden (vgl. 9. Mai 1976; 15. Mai 1976; 30. Mai 1976).
Auch der (West-)Berliner Senat schien, aus welchen Gründen auch immer, der ASV-Bewegung mit gemischten Gefühlen gegenüber gestanden zu haben. So sei ein „Sportverbot“ über ihn verhängt worden. Ob es mit einem „Volkslauf zusammenhing und der Gedenktafel für Werner Seelenbinder, die wieder sichtbar gemacht worden war, zusammenhängt, könnte nur vermutet werden (vgl. Juli 1976).
Ein weiteres „Sportverbot“ sei im Januar 1977 durchbrochen worden. Der ASV-(West-)Berlin führte einen „Volkslauf zur Unterstützung der afrikanischen Völker“ durch, den die Polizei genehmigen musste (vgl. Januar 1977; 23. Januar 1977).
Im Februar 1977 wurden Mitglieder des ASV (West-)Berlin von den Vorwürfen „Widerstandes gegen die Staatsgewalt“, „Hausfriedensbruch“ und „Körperverletzung“ frei gesprochen. Hintergrund soll ein Freundschaftsspiel zwischen der „Freundschaftsgruppe Wedding“ und dem ASV gewesen sei. Das Spiel sei „von der Polizei überfallen worden“. Nähere Informationen liegen dazu nicht vor (vgl. 27. Februar 1977).
Über ein weiteres Sportfest des ASV (West-)Berlin berichtet die „Kämpfende Jugend“. So sollen sich dort „150 Sportler“ getroffen haben. Auch dieses Sportfest stand unter dem Motto: „Erst Freundschaft - Dann Wettkampf“. Es diente auch der Verbindung mit den „Völkern der Dritten Welt“ (vgl. 20. Mai 1977).
Den endgültigen Ausschluss des ASV aus dem „Betriebssportvereins Berlin, dem der VFF angeschlossen ist“, habe dieser Vorstand nun bestätigt. Die Begründung: Die ASV-Satzung würde u. a. die „Trennung der Sportler in verschiedene Klassen“ befürworten (vgl. Dezember 1977).
16.12.1973:
In Dortmund wird, laut und mit KPD der Arbeitersportverein (ASV) Roter Sturm gegründet. Der ASV erhob sogar den Anspruch eine „poltische Organisation“ zu sein.
Q: Rote Fahne Nr. 51/52, Dortmund 19.12.1973.
15.01.1974:
Der Kommunistische Jugendverband (KJV) der KPD gibt die Nr. 1 seiner „Kämpfenden Jugend-Zentralorgan des Kommunistischen Jugendverbandes –KJV - Jugendorganisation der Kommunistischen Partei Deutschlands“ heraus. Aus Dortmund wird die Gründung des Arbeitersportvereins (ASV) „Roter Sturm“ bekanntgegeben.
Q: Kämpfende Jugend Nr.1, Dortmund 15.1.1974,S.4f.
13.03.1974:
Der Kommunistische Jugendverband (KJV) der KPD gibt die Nr. 5 seiner „Kämpfenden Jugend“ mit dem Leitartikel: „Dem I. Parteitag der KPD entgegen!“ heraus. Als Aufgebote werden dabei u. a. benannt für Berlin der Aufbau eines ersten Arbeitersportvereins (ASV). In Rhein-Ruhr bzw. NRW und Hessen sollen ASVs in Dortmund, Düsseldorf, Kamen, Köln, Münster, Siegen und Wetzlar gegründet werden.
Q: Kämpfende Jugend Nr. 5, Dortmund 13. 3.1974, S. 4.
26.06.1974:
Der Kommunistische Jugendverband (KJV) der KPD gibt die Nr. 12 seiner „Kämpfenden Jugend“ heraus. Berichtet wird auch von der Fußballweltmeisterschaft, wozu es auch ein Interview mit Chilenen sowie Protest in Bochum gegen die Meldeauflagen für chilenische Flüchtlinge gibt. Aus Hannover wird berichtet über die Gründung des Arbeitersportvereins (ASV) Spartakus.
Q: Kämpfende Jugend Nr. 12, Dortmund 26.6.1974, S. 1 und 4f.
23.10.1974:
Der Kommunistische Jugendverband (KJV) der KPD gibt die Nr. 19 seiner „Kämpfenden Jugend“ heraus. Aus NRW wird berichtet vom Treffen der Arbeitersportvereine (ASV) aus Dortmund und Gelsenkirchen.
Q: Kämpfende Jugend Nr. 19, Dortmund 23.10.1974, S.7.
15.05.1975:
In der Nr. 19 der „Kommunistischen Volkszeitung“ des KBW wird davon berichtet, dass dem KBW-nahestehende Sportstudenten des Fachschaftsrates an der Universität Freiburg ein „Solidaritätsfußballturnier für den Aufbau Südvietnams“ organisierten. 60 Mannschaften sollen daran teilgenommen haben. „1.200 DM“ seien gesammelt worden. Das Geld sei der „Revolutionären Regierung“ in Paris übergeben worden. An dem Turnier soll auch der ASV „Vorwärts Bundesbahn“ teilgenommen haben. Der Pokal setzte sich aus „einem Teil eines über Vietnam abgeschossenen US-Bombers“ zusammen.
Q: Kommunistische Volkszeitung Nr.19, Mannheim 15.5.1975.
25.06.1975:
In der „Kämpfenden Jugend“ Nr. 12/1975 vom 25. 6, erscheint der Artikel: „1. Sportfest des ASV Solidarität Westberlin.“ Ausgeführt wird u. a.: „Am Wochenende des 21./22. Juni fand in Berlin Charlottenburg das 1. Sportfest des Arbeitersportvereins statt. Dieses Sportfest, das vom KJVD und von der Liga gegen den Imperialismus unterstützt wurde, führten wir zugunsten der Vietnam-Hilfe „Alles für den Sieg“ durch …
Am Sonntag fand dann ein Fußball- und Volleyball-Turnier statt. Am Fußballturnier nahmen 7 Mannschaften teil, neben der Mannschaft des KJVD auch Mannschaffen des Arbeitersportsvereins und der Arbeitslosenkomitees. Dabei zeigten sich bei vielen Genossen noch Konditionsschwächen. Es wurde solidarischer Sport getrieben und kein Konkurrenzkampf Mann gegen Mann. Es wurden an die 100 Mark für die Indochina-Hilfe gesammelt. Das Sportfest schuf die Grundlage, in Charlottenburg eine Freundschaftsgruppe des Arbeitersportvereins Solidarität zu gründen.“
Es erscheint auch der Artikel: „Vor 150 Jahren: 1. Allgemeines deutsches Turnfest. Turnen nachts im Wald.“ „Am 16. Juni 1825 fand das 1. Allgemeine Deutsche Turnfest statt. Welche Bedeutung hat dieses Ereignis für uns heute? Anfang des 19. Jahrhunderts stand das Turnen in Deutschland unter schärfster Verfolgung der staatlichen Behörden. Friedrich Ludwig Jahn (Turnvater Jahn), der Begründer des deutschen Turnens, stellte die von ihm entwickelten Turnübungen in den Dienst des Kampfes um ein unabhängiges und einiges Deutschland. Wehrhaftmachung der Volksmassen, dafür war sein Ziel (Satzbau falsch. Vermutlich: „Wehrhaftmachung der Volksmassen, das war sein Ziel, d. Vf.). Dabei galt es zunächst, die Fremdherrschaft Napoleons abzuschütteln.
Aktiv kämpfte Jahn darum in Kriegen gegen Napoleon mit (1813-1815). Napoleons Krieg gegen das alte Deutsche Reich hatte die feudalen Strukturen in ihren Grundfesten erschüttert, das war seine fortschrittliche Rolle für Deutschland. Aber sein Ziel war schließlich nicht die bürgerliche Revolution in Deutschland, sondern die Aufrichtung der Weltherrschaft, in Konkurrenz und Kollaboration mit dem russischen Zaren. Die Aufgabe der patriotischen Kräfte Deutschlands in den antinapoleonischen Kriegen bestand aber nicht nur darin, Napoleon aus dem Lande zu jagen, sondern gegen die feudalen Landesfürsten für ein einiges bürgerliches Deutschland zu kämpfen. Dieser Teil der Aufgabe misslang. Am Ende der Kriege, 1815, stand nicht die nationale Einheit und Freiheit, sondern die Landesfürsten hatten sich noch einmal ihre Throne und Thrönchen gerettet. Umso schärfer wurden jetzt alle patriotischen, antifeudalen Kräfte in Deutschland unterdrückt. Jahn wurde, nachdem er 1811 in Berlin in der Hasenheide den ersten deutschen Turnplatz eröffnet hatte, 1819 verhaftet, die Turnplätze (u. a. in Breslau und Liegnitz) geschlossen.
Die Turnsperre, wie das genannt wurde, führte mit dem Verbot des Turnens einen Schlag gegen alle antifeudalen Kräfte. Aber Jahns Schüler machten illegal weiter. Selbst nachts auf Waldlichtungen wurde geturnt. Nach 6 Jahren Untersuchungshaft, 1825, wurde Jahn zunächst zu 20 Jahren Festungshaft verurteilt, in der Revision aber freigesprochen. Das 1. Allgemeine Turnfest stand im Zeichen seiner Freilassung. So ist das Entscheidende was wir heute von Jahn lernen können, nicht die Bauchwelle oder der Felgenaufschwung, wie uns reaktionäre Sportlehrer in den Schulen weismachen wollen, sondern die Rolle des Sports für den Klassenkampf. Die geistige und körperliche Kräftigung der deutschen Jugend zur Befreiung und Einigung des Vaterlandes, das war das Hauptziel von Jahns Kampf. Aber die ganze antifeudale Revolution war eine halbe Sache. Das Bürgertum war zu feige, die reaktionäre Feudalaristokratie wirklich zum Teufel zu jagen, sodass die endlich vollzogene staatliche Anerkennung von Jahns Turnen 1842 nicht in einem Deutschland der Einheit und Freiheit stattfand.
Auch die Revolution von 1848 war keine bürgerlich-demokratische Revolution: Die Nationalversammlung von 1848 leitete das Bündnis der deutschen Bourgeoisie mit der alten Feudalherrschaft ein, und auch Jahn hatte seinen Frieden mit den reaktionären Kräften geschlossen – er zog mit in die Nationalversammlung ein. So kommt es, dass heute die reaktionären Führer des Deutschen Sportbundes Jahn umstandslos für ihre Zwecke in Anspruch nehmen können. Trotzdem ist Jahns Werk heute für uns brandaktuell.
Denn wir lernen daraus, dass Sport für uns wichtig ist und nicht nur um unserer Gesundheit willen, dass Sport politisch ist nicht nur, weil die Bourgeoisie auch im deutschen Sport (in der BRD wie auch heute in der DDR) ihre Herrschaft errichtet hat, sondern mehr noch: Stählung und Wehrhaftmachung für den Kampf gegen die beiden imperialistischen Supermächte Sowjetunion und USA, Kräfte sammeln im Kampf für unser politisches Ziel, das unabhängige, vereinigte, sozialistische Deutschland! Die Einheitsfront gegen die beiden Supermächte muss deshalb auch heute zur Grundlage der roten Arbeitersportvereine werden.“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 12/1975, S. 8.
09.05.1976:
Laut „Kämpfender Jugend“ Nr. 7/1976, wird am 9. Mai ein Spiel der „Freundschaftsgruppe Charlottenburg des ASV von Polizei überfallen“. „Nachdem schon vorher ihr Fußballspiel behindert worden war, wurde ihnen beim Verlassen des Parks von mehreren Mannschaftswagen der Weg abgeschnitten und 3 Sportler wurden festgenommen, mehrere geprügelt“.
Q: Kämpfende Jugend Nr. 7/1976, S. 34.
15.05.1976:
Laut „Kämpfender Jugend“ Nr. 7/1976 werden ca. Mitte Mai von der Polizei „Weddinger Arbeitersportler (des ASV, d. Vf.) überfallen“. „Bei einem Freundschaftsspiel mit dem FC Grenzstraße beschlagnahmte die Polizei ein Transparent der Freundschaftsgruppe. Als die Genossen zum Revier zogen, wurden sie brutal misshandelt. Viele mussten ambulant behandelt werden, vier weitere wurden festgenommen.“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 7/1976, S. 34.
30.05.1976:
Laut „Kämpfender Jugend“ Nr. 7/1976, wird der „für den 30. Mai geplante Volkslauf (des ASV, d. Vf.) verboten“. „Der SPD-Senat versucht mit allen Mitteln, die Arbeitersportbewegung zu unterdrücken. Aber trotzdem fand, wie geplant, der große Volkslauf statt.“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 7/1976, S. 34.
Juli 1976:
In der „Kämpfenden Jugend“ Nr. 7/1976, lautet ein Artikel „Sportverbot durchbrochen“. Danach habe der (West-)Berliner Senat gegen den „Arbeitersportverein Solidarität Westberlin … praktisch Sportverbot verhängt“.
Die Begründung des Verbots: „Der Volkslauf (siehe Datum: 30. Mai) sei eine „unzulässige Gefährdung“ der Grünanlagen und Wegflächen … Es wurde voll zum Volkslauf mobilisiert. Schon eine halbe Stunde vor Beginn standen zwei Mannschaften der Polizei mitten im Park herum … Dazu kamen noch eine Reihe interessierte Spaziergänger. Nach einer etwa 20minütigen Massengymnastik hielt ein Genosse vom ASV-Vorstand eine Rede, worin er betonte, dass die Arbeitersportler sich ihre Rechte auf den Sport immer werden erkämpfen müssen … Nachdem der eigentliche Volkslauf mit einer weiteren Massengymnastik abgeschlossen war, rief der Genosse des ASV-Vorstands zu einer Kundgebung am ehemaligen Werner-Seelenbinder-Stadion auf … Ein Genosse versprach für die ganze Freundschaftsgruppe Neukölln des ASV Solidarität einen harten Kampf darum zu führen, dass Zaun und Hecke fallen und der Gedenkstein (gemeint war der, der am Stadion eingelassen worden war, d. Vf.) für jeden sichtbar und zugänglich wird. An diesem Tag hatte die herrschende Klasse an zwei Punkten eine Schlappe erlitten. Das Sportverbot war durchbrochen worden und der Werner-Seelenbinder-Gedenkstein wieder bekannt geworden.“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 7/1976, S. 34
Januar 1977:
Laut „Kämpfende Jugend“ Nr. 3/1977, führte der „Arbeitersportverein Solidarität (ASV) (West-)Berlin im Januar einen Volkslauf zur Unterstützung der afrikanischen Völker durch. Die Polizei musste den Volkslauf diesmal genehmigen, versuchte aber, die Agitation und Propaganda mit Transparenten, Megaphon, ASV-Fahne zu verbieten. Die Sportler durchbrachen dieses Verbot und führten den Volkslauf mit 150 Kollegen und Genossen erfolgreich durch.“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 3/1977, S.4.
23.01.1977:
Laut „Kämpfende Jungend“ Nr. 3/1977, fand am 23. Januar in (West-)Berlin ein Volkslauf des ASV Westberlin statt.
„115 Sportler nahmen daran teil. Er stand ganz im Zeichen der Unterstützung des Befreiungskampfes der Völker im südlichen Afrika: 255 Mark konnten unter Sportlern und den 150 Zuschauern gesammelt werden, die dem Konto für das Klinomobil an die ZANU überwiesen wurden. Mit Lautsprecherwagen und Transparenten wurde das Sportverbot durchbrochen, das die Neubauer-Polizei für den Volkspark Hasenheide erlassen hatte und so die Tradition der Verfolgungen des ASV weiter fortsetzte. Der Volkslauf war politisch und sportlich ein guter Schritt der Vorbereitung des Sportfestes Ostern in Frankfurt.“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 3/1977, S. 4.
17.02.1977:
Laut „Kämpfende Jugend“ Nr. 4/1977, wurden Mitglieder des „Arbeitersportvereins Solidarität“ aus (West-)Berlin vom Vorwurf des „Widerstandes gegen die Staatsgewalt“, „Hausfriedensbruch“ und „Körperverletzung“ frei gesprochen.
Der Vorfall soll sich am 16.5.1976 während eines Freundschaftsspiels zwischen „Freundschaftsgruppe Wedding und dem ASV“ ereignet haben. Dort soll das Spiel von der Polizei überfallen worden sein. Die Sprecher des „Arbeitersportvereins seien festgenommen und vor Gericht gestellt“ worden. Doch deren Schuld konnte nicht bewiesen werden.
Q: Kämpfende Jugend Nr. 4/1977, S. 24.
20.03.1977:
Laut „Kämpfende Jugend“ Nr. 4/1977, soll an diesem Tag in (West-)Berlin ein Sportfest des ASV-(West-)Berlin stattfinden. Dazu wird in der „Kämpfenden Jugend“ Nr. 4/1977, vermutlich aus dem April, berichtet:
„Sportfest des ASV Solidarität in Westberlin! Der ASV Solidarität in Westberlin führte am 20. März ein Sportfest durch, zu dem er in seiner Einladung schreibt: ,,Viele Sportler wenden sich von diesem bankrotten Hochleistungssport ab und suchen nach Alternativen. Wir sagen ihnen: sie können eine besondere Ermutigung erfahren durch den Wiederaufbau des Arbeitersports in unserem Land und durch das großartige Beispiel der Länder der Dritten Welt. Diese schließen sich auch im Sport immer mehr zusammen und machen sich unabhängiger von Unterdrückung und den Einmischungsversuchen besonders der beiden Supermächte. Im vergangenen Jahr nahmen trotz Verbot durch den Internationalen Schwimmverband über 30 Länder der Dritten Welt an einem Schwimmsportfest in der VR China teil.
In Lagos, Nigeria, trafen sich Tischtennissportler aus Lateinamerika, Afrika und Asien. Wie stark ihre Einheit inzwischen geworden ist, zeigt der mutige Boykott der afrikanischen Staaten in Montreal. Gleichzeitig arbeiten die Länder der Dritten Welt eine neue internationale Sportordnung aus mit dem Ziel, die Vorherrschaft vor allem der Supermächte im Sport endlich zu beseitigen. Noch meinen viele aktive Sportler bei uns, dass unter
dem Prinzip: Erst Freundschaft - Dann Wettkampf! keine Leistung möglich ist. In der VR China tauschen die Sportler vor allen Wettkämpfen ihre Erfahrungen aus. Dabei bemühen sie sich, den Gegner nicht mit Geheim tricks zu schlagen, sondern im sportlichen Kampf ihr Bestes zu geben.
Die Amateurfußballmannschaft der BRD konnte sich davon überzeugen: so lehnte die chinesische Mannschaft einen ihr zugesprochenen Elfmeter ab, weil sie ihn für eine falsche Entscheidung hielt. Sie wollte, dass im Spielergebnis das tatsächliche Können der Mannschaften zum Ausdruck kommen sollte. Gerade die VR China bemüht sich so, das Prinzip: Erst Freundschaft - Dann Wettkampf! besonders bei internationalen Wettkämpfen zu propagieren, um den Zusammenhalt der Völker zu stärken. Wir Arbeitersportler im ASV-Solidarität stehen fest an der Seite der Dritten Welt, wir begrüßen die eindeutig politische Zielsetzung ihres Sports. An dem Sportfest des ASV Solidarität nahmen über 150 Sportler teil. Neben Sportlern des ASV beteiligten sich auch Fußballmannschaften des FC Grenzstraße, der FC Pilsator (Werktätige aus einer Sternwarte), der „Fabrik für Kultur, Sport und Handwerk“ und des Jugendzentrums Nauener Platz, sowie Volleyballmannschaften der „Fabrik für Kultur, Sport und Handwerk“ und Sportler aus dem „Familien- und Freizeitprogramm des Senats“.
Q: Kämpfende Jugend Nr. 3/1977; Kämpfende Jugend Nr. 4/1977, S. 28.
Dezember 1977:
Laut „Kämpfende Jugend“ Nr. 12/1977, hat „der Vorstand des Betriebssportvereins Berlin, dem der VFF angeschlossen ist“, beschlossen, den „Arbeitersportverein Solidarität auszuschließen“.
Dazu heißt es: „In den letzten Wochen hatten diese Herren versucht, dem SV Solidarität unsportliches Verhalten anzuhängen. Aber es fand sich keiner, der das behauptete. Die Fußballmannschaft des Arbeitersportvereins war als gute und solidarische Mannschaft bekannt und anerkannt. Sie ist eine der besten Mannschaften in ihrer Gruppe. Es blieb daher den Herren Funktionären nichts anderes übrig, sie mussten eine offene politische Ablehnung des ASV formulieren.
Der Ausschluss wird mit § 2 der ASV-Satzung begründet, nach der es sich der ASV zur Aufgabe gesetzt hat, für die ausreichende sportliche Ausbildung der Arbeiterjugend und gegen den massenfeindlichen Leistungssport zu kämpfen. Das führt zur Trennung der Sportler „in verschiedene Klassen“ und widerspreche der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Deutlicher kann es die reaktionäre BSVB-Führung nicht formulieren: Für die Interessen der Arbeiterklasse einzutreten, verstößt gegen das Grundgesetz. In der Tat! Und es ist ein Teil der reaktionären Entwicklung in der BRD und Westberlin, dass auch die Sportler jetzt auf die reaktionäre Ausbeuterordnung verpflichtet werden sollen.
Viele Spieler aus den verschiedenen Mannschaften haben schon eine Protestresolution unterschrieben. Am Bußtag unterschrieb die gesamte Mannschaft nach einem Punktspiel die Resolution. Eine andere Mannschaft schickte die ihnen zugesandte Unterschriftenliste mit 8 Unterschriften an den Verein. Bei Agitprop-Einsätzen vor der Sprechstunde des VFF-Vorstands waren viele Sportler äußerst empört und versprachen in ihrer Mannschaft darüber zu diskutieren und die Resolution zu unterstützen.“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 12/1977, S. 28.
Die „Werner-Seelebinder“ Sportfeste gehörten sicherlich zu den Highlights der Mao-Sportbewegung. In enger Verbindung von Sport mit Agitation, einem (umfangreichen) Kulturprogramm, mit kleineren Kindersportfesten und allabendlicher Diskussion, sollte Werner Seelenbinder gehuldigt werden. Vom KJVD sind zwei solcher Sportfeste bekannt geworden: Das 1. „Werner- Seelenbinder“ Sportfest fand vom 16. bis 19. April 1976 in Köln statt, das 2. „Werner-Seelenbinder“ Sportfest ebenfalls zu Ostern, vom 16.-19. April 1977 in Frankfurt-Hoechst statt. Ein drittes Sportfest sollte 1978 stattfinden. Werbung dafür wurde etwa ab dem Frühsommer/Herbst 1977 in verschiedenen Ausgaben der „Kämpfenden Jugend“ gemacht. Dazu liegen jedoch noch keine Daten vor.
Die Sportfeste in Köln und Frankfurt/M. waren jeweils mit einer Demonstration eröffnet wurde, die im Zeichen der „Völkerfreundschaft“ und der Verbundenheit mit der „Dritten Welt“ standen. Im Mittelpunkt der Sportfeste stand der Leitgedanke: „Freundschaft an die erste, Wettbewerb an die zweite Stelle“. Auf den Sportfesten waren neben ausländischen Delegationen, auch etwa der eigene „Ho-Chi-Minh“ Chor, das „Rote Signal“ und der Agitprop-Trupp „Georgi Dimitroff“ anwesend. Daneben ging es auch immer wieder um die „Massenmobilisierung“. Gerade an junge Arbeiter gingen die „Aufrufe“, „massenweise zum Werner-Seelenbinder“ Sportfest zu kommen. So wurde zum „1. Werner-Seelenbinder“ Sportfest in Köln aktiv durch Flugblätter, die vor Betrieben verteilt worden waren, für die Teilnahme der Jugendlichen geworden. Die Liga und die KPD unterstützten breit diese Propaganda, etwa in der „Roten Fahne“ und „Dem Volke dienen“.
Diese Sportfeste hatten als „Kampfgemeinschaft“ und „Fairness“ gegenüber den Unterlegenen, eine zentrale Bedeutung. Hier sollten sich die neuen „Arbeitersportler“ herauskristallisieren, denen es nicht an der „Kruppschen Härte“, an Willen, Verteidigungsbereitschaft, Ausdauer und Disziplin fehlen sollte. Dementsprechend waren sie auch eine „Schule des Klassenkampfes“, wobei körperliche und moralische Tugenden gefördert werden sollten, die sich aus der „ideologischen Festigung“ der Genossen zu ergeben hätten. Dass die Sportfeste oftmals mit dem Aufruf: „Für nationale Unabhängigkeit und Einheit“, gegen das Vormachtstreben der beiden Supermächte, USA und Sozialimperialismus in Europa“ und „Für die Errichtung des Sozialismus in ganz Deutschland“ endeten, dürfte in gewisser Weise sogar einer nationalen Gesinnung entsprochen haben, die durch die MLD auf die Spitze getrieben wurde.
Zum „Gedenken an Werner Seelenbinder“ erscheint in der „Kämpfenden Jugend“ 21/1975 ein Artikel zu „Werner Seelenbinder“, dem für die Mao-Bewegung alles überragenden Arbeitersportler (vgl. 29. Oktober 1975).
Ein erster Aufruf zum „1. Werner-Seelenbinder“ Sportfest des KJVD, ist aus dem Februar 1976 bekannt. „Proletarischer Massensport“ sei die Alternative zum „bürgerlichen Sportbetrieb“ (vgl. Februar 1976).
Zu Ostern 1976 findet in Köln das erste „Werner-Seelenbinder“ Sportfest statt. Ein Aufruf dazu erscheint in der „Kämpfenden Jugend“: „Alle zum Werner-Seelenbinder Sportfest. Nein zur Militarisierung des Sports in der Sowjetunion und DDR im Dienste der Kriegsvorbereitung! Nein zum kapitalistischen Profisport! Sporteinheit der Arbeiterjugend gegen Krise und imperialistischen Krieg …“ (vgl. März 1976; April 1976).
Ein erstes Resümee des Sportfestes, wurde in der „Kämpfenden Jugend“ vom Mai 1976 gezogen. Hier seien u. a. „wichtiges Element der proletarischen Körper- und Ertüchtigung verwirklicht“ worden. Und: Es habe sich gezeigt, dass „proletarischer Sport nicht in erster Linie Glanzleistungen einiger weniger heißt, sondern körperliche Ertüchtigung für den Klassenkampf“. Die „reaktionäre Ausrichtung des Sport in der BRD“ sollte scharf attackiert werden und auch die „Militarisierung des Sports in der DDR und der Sowjetunion“ wurde als „sozialfaschistisch“ angeprangert. Diese Länder würden die „Arbeiterjugend“ durch ihren Drill auf „einen Angriffskrieg gegen Westeuropa vorbereiten“ (vgl. Mai 1976).
Im „Geiste Werner Seelenbinders“, fand auch ein „Pfingstsportfest“ 1976 des KJVD und der KPD in München statt (vgl. 5. Juni 1976).
Bereits im Januar 1977 begannen die Vorbereitungen des KJVD für das „2. Werner-Seelenbinder“ Sportfest in Frankfurt/M durch die Gründung eines „Werner-Seelenbinder-Sportfest-Komitee e.V.“. U. a. hieß es in einem Aufruf zur Gründung des Komitees: „Nutzen wir dieses Sportfest als Forum zur Diskussion über den bürgerlichen Leistungssport in Ost und West und für den Arbeitersport …“
Auch das zweite Sportfest soll erreichen, dass „breite Teile der Arbeiter und Volksmassen an Körperkultur und Sport“ teilnimmt. „Solidarität und Freundschaft“ sollen die „Völkerfreundschaft“ stärken. Das Sportfest dient dem „Frieden“, wendet sich „gegen den Krieg“ und will die „Arbeitersportbewegung wieder aufbauen“ (vgl. Januar 1977; 8. Januar 1977; Februar 1977).
Ein weiteres Sportfest des KJVD in Dortmund diene auch den Vorbereitungen des „2. Werner-Seelenbinder“ Sportfestes (vgl. 19. März 1977).
Die „Kämpfende Jugend“ Nr. 4/1977 ruft „ausländische, junge und alte, ehemalige und auch heute noch aktive Sportler und Arbeitersportler“ dazu auf, zum „2. Werner Seelenbinder“ Sportfest nach Frankfurt/M. zu kommen. Es müsse eine Bewegung „DER INTERNATIONALEN SOLIDARITÄT UND VÖLKERFREUNDSCHAFT - ERST FREUNDSCHAFT, DANN WETTKAMPF“ in Gang gesetzt werden (vgl. 20. März 1977).
Das Sportfest In Frankfurt/M. wurde „zu einem der „internationalen Solidarität und der Völkerfreundschaft“. Vertreter aus Zimbabwe und Azania bereicherten es. Mitglieder der „ZANU“ und der „PAC“ richteten freundschaftliche Grußworte auf der Abschlusskundgebung des Sportfestes an die Teilnehmer und betonten „das Prinzip der Freundschaft, der internationalen Solidarität und Völkerfreundschaft im Sport“ (vgl. 8. April 1977).
Die Foren auf dem Sportfest: „Erst Freundschaft - dann Wettkampf“, „Frauenemanzipation und Sport“, „Kampfsport“ und „Entstehungsgeschichte des Sport“, dienen der „Kollektivität“ und des „gemeinsame voneinander Lernens“, des „politischen Zusammenschlusses“ und der „Freundschaft der Sportler untereinander“. Auch ein „Kindersportfest“, dass das „2. Werner-Seelenbinder“ Sportfest abrundete, soll dem dienen (vgl. 9. April 1977).
Laut „Kämpfende Jugend“, soll im Mai 1977 bereits mit den Vorbereitungen zum „3. Werner-Seelenbinder“ Sportfest begonnen werden (vgl. Mai 1977).
29.10.1975:
In der „Kämpfenden Jugend“ Nr. 21/1975 vom 29.10., erscheint der Artikel: „Zum Gedenken an den Ringer Werner Seelenbinder: Arbeitersportler, Kommunist und Antifaschist.“
Ausgeführt wird u. a.: „Am 24. Oktober 1944 wurde Werner Seelenbinder von den Faschisten ermordet. Wenn wir uns jetzt, nach 31 Jahren, daran erinnern, dann deshalb, weil er als einer der erfolgreichsten deutschen Ringer im Halbschwergewicht ein herausragender Vertreter des Roten Arbeitersports gewesen ist. Durch sein standhaftes Eintreten für die Sache der Arbeiterklasse und des ganzen deutschen Volkes zur Zeit der Hitlerbarbarei, durch seinen mutigen Kampf in den vordersten Reihen der deutschen Antifaschisten setzt er uns ein Beispiel dafür, wie ein führender Kommunist und Arbeitersportler den Kampf gegen den Faschismus aufgenommen und die revolutionäre Volksfront gegen den Faschismus zusammen mit anderen Kommunisten geschmiedet hat.
Kurz nach den Jahren der Revolution in Deutschland fand er den Weg zur proletarischen Sportbewegung. Wegen seiner hervorragenden Ergebnisse im Ringen nahm er teil an der ersten deutschen Sportlerdelegation, die in die damals noch sozialistische Sowjetunion reiste. Nachdem die Reformisten die internationale Arbeitersportbewegung gespalten und alle ihren Mitgliederorganisationen verboten, hatten, Kontakt mit den sowjetischen Sportlern aufzunehmen, organisierten revolutionäre oppositionelle Arbeitersportler die „Kampfgemeinschaft für rote Sporteinheit“, 1928 eine Delegation von deutschen Sportlern, die trotz Verbot an der „Spartakiade“, dem internationalen Arbeitersportfest in Moskau, teilnimmt. Werner Seelenbinder ist unter ihnen.
Von den Erfolgen des sozialistischen Aufbaus begeistert, entschließt er sich 1928. Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands zu werden. Von nun an kämpft er organisiert für den Sozialismus und gegen die faschistischen Übergriffe, die unter Duldung der bürgerlichen Regierung und der SPD immer stärker werden. Als die Machtübernahme der Faschisten droht, wird Werner von der KPD vor schwere Aufgaben gestellt. Er soll sich in den bürgerlichen Sportbetrieb integrieren. Nur durch eine Spitzenposition im Nazisport hat er die Möglichkeit, als Kurier für die illegale Arbeit wichtige Dienste für den antifaschistischen Kampf zu leisten. Nach schweren inneren Kämpfen willigt er ein.
Er tritt aus einem alten Arbeitersportverein aus und in einen bürgerlichen Sportverein ein. Seine Fairness im Ringkampf machten ihn in kürzester Zeit zu einem der beliebtesten Sportler Berlins. Innerhalb des Sportvereins beginnt er, mit gleichgesinnten ehemaligen Arbeitersportlern die antifaschistische Einheitsfront aufzubauen. Sein Sieg in der Deutschen Mannschaft im Ringen 1933, schon unter Nazi-Herrschaft, wird zu einer antifaschistischen Manifestation. Als einziger im überfüllten Saal hebt er, der deutsche Meister, die Hand nicht zum Hitlergruß, singt er die Deutschland-Hymne nicht mit. Vollkommen überrascht davon, singen immer weniger die Hymne, senken sich immer mehr Arme, bis plötzlich tosender Beifall für Werner Seelenbinder losbricht. Die Nazis quittieren das. Eine Woche Gefängnis, Startverbot ohne Begründung. Jahrelanger Kampf auch der bürgerlichen Sportler für die Starterlaubnis führt dazu, dass Werner wieder ringen darf. Innerhalb kürzester Zeit hat er sich in die Elite der deutschen Ringer gekämpft.
Währenddessen nimmt er weiter teil an der illegalen Arbeit. Als Mitglied der Nazi-Sportdelegationen leistet er unschätzbare Kurierdienste für die antifaschistische Bewegung. Die Olympiade 1936 soll für die roten Arbeitersportler dazu verwendet werden, der internationalen Öffentlichkeit zu zeigen, dass es noch ein anderes, antifaschistisches Deutschland gibt. Seelenbinder trainiert verbissen, er soll unbedingt eine Medaille erringen. Wenn das klappt, besteht die Möglichkeit eines Radiointerviews, das er zur antifaschistischen Propaganda nutzen will. Doch einen Tag vor den Entscheidungskämpfen wird fast der ganze illegale Apparat der „Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit“ verhaftet. Deprimiert kämpft Werner unkonzentriert - und wird nur Vierter.
Aber kurz darauf ist er wieder voll dabei. Als Mitglied der 4. Illegalen Leitung der „Kampfgemeinschaft“ organisiert er den Kampf der Roten Arbeitersportler in Deutschland. Ihre Aufgaben waren damals äußerst wichtig. Gefährdete Genossen wurden von ihnen über die Grenzen geschafft, illegale Literatur auf gefahrenvollen Wegen nach Deutschland befördert.
Im gleichen Jahr wird er wieder deutscher Meister im Ringen. Auf seinen Besuch in Finnland, trifft er einen finnischen Ringer. Kommunist, wie er, der im Gefängnis gesessen hatte. Obwohl als Nazi-Repräsentant nach Finnland geschickt, sammelt er unter den Zuschauern Geld für seinen Genossen, mit dem Erfolg, dass bei einem nachfolgenden Ringkampf tausende von Arbeitern zuschauen kommen und Werner feiern, weil sie wissen: Auch unter schwierigsten Bedingungen arbeitet er als Kommunist.
Bei AEG, seiner Arbeitsstelle, baut er illegale Gruppen auf, organisiert Verbindungen zu polnischen Zwangsarbeitern und arbeitet ab 1938 bei der Widerstandsgruppe des Drehers Robert Uhrig. Die Gruppe fasste hunderte von Einzelgruppen mit fast 10.000 Personen zusammen. Am 4. Februar 1942 wird er mit hunderten anderen der Uhrig-Gruppe verhaftet. Trotz mörderischer Folter gelingt es den Faschisten nicht, aus Werner Seelenbinder, der einer der wichtigsten Organisatoren der Uhrig-Gruppe gewesen war, ein Geständnis herauszupressen. Nach mehreren Jahren Haft und KZ wird er am 24. Oktober 1944 ermordet.
Doch der Mord der Nazischergen ist vergeblich geblieben. Auf der Arbeit der Uhrig-Gruppe konnte die operative Leitung der KPD aufbauen. Bereits ein halbes Jahr nach den Verhaftungen arbeitet die illegale Organisation wieder. Werner Seelenbinder legt Zeugnis ab von der Bedeutung des Arbeitersports für den revolutionären Klassenkampf. Sein Leben zeigt: Mi dem Ziel des Sozialismus vor Augen ist es auch der faschistischen Reaktion nicht möglich, den Kampfwillen der Arbeiterklasse zu brechen. Auch die faschistische Reaktion von heute, die beiden Supermächte, werden nichts daran ändern. In diesem Sinne bleibt uns Werner Seelenbinder ein leuchtendes Vorbild.“
Q: Kämpfenden Jugend Nr. 21/1975, S. 8.
Februar 1976:
In der „Kämpfenden Jugend“ Nr. 2/1976 wird zum „Werner-Seelenbinder-Sportfest“ in Köln aufgerufen.
Ausgeführt wird: „Nicht Anhimmeln der Rekordjäger und Sport vom Fernsehsessel aus, sondern proletarischer Massensport- das ist unser Ziel. Heute stehen wir noch am Anfang, aber die ersten Schritte sind getan. Das Zentralkomitee des Kommunistischen Jugendverbandes Deutschlands ruft alle klassenbewussten Arbeitersportler, Sportmannschaften und alten Arbeitersportler auf: Kommt zum 1. Sportfest des KJVD nach Köln. Meldet euch an für das Werner-Seelenbinder-Sportlager. Gewinnt Mannschaften und Sportler für die Teilnahme an den Wettbewerben.
Erst Freundschaft, dann Wettkampf! In enger Verbindung von Sport, Stählung für den Klassenkampf, politischer Diskussion und kulturellen Veranstaltungen, soll das Sportlager des KJVD eine Kampfansage an die Aktivitäten der Revisionisten sein, die über Ostern wieder mit ihren „Jugendlagern“ in den sozialimperialistisch beherrschten Ländern die Jugendlichen für ihre revisionistische Ideologie einfangen wollen? Dieses Lager des KJVD beruft sich bewusst auf das Andenken an den berühmten Arbeitersportler Werner Seelenbinder (ehemaliger deutscher Meister im Ringen), der sein Leben im antifaschistischen Kampf hingegeben hat. Sein Schaffen, unser Vorbild. Meldet euch jetzt schon für die Teilnahme bei ZK des KJVD an. Wir rufen alle ehemaligen, aktiven Arbeitersportler auf: Unterstützt das Sportlager des KJVD!
Wann findet es statt? Ostern 1976 von Freitag, 16. April (Anreisetag) bis zum Montag, 19. April (Abreisetag) in Köln. Wie sieht das Programm aus? Freitag, 16.4.: Begrüßung aller Teilnehmer im Zeltlager des KJVD, Einweisung und Beisammensein am Lagerfeuer. Samstag, 17.4.: 1. Wettkampftag, Frühsport, Mannschaftswettkämpfe, Waldlauf, Einzelwettbewerbe. 19.00 Uhr Großveranstaltung des KJVD mit umfangreichem Kulturprogramm. Sonntag, 18.4.: 2. Wettkampftag, Frühsport, Mannschaftswettkämpfe, 18.00 Uhr Arbeitsgruppen zur Diskussion des proletarischen Sports zur Auswertung des Sportlagers. Anschließend Film über die Sportbewegung der 20er und 30er Jahre. Anschließend Tanz und Zusammensein. Montag, 19.4.: Frühsport, Gemeinsamer Abschluss, Mittagessen, Abreise und Abbau des Zeltlagers.
Wer kann mitmachen? Jede Fußball-, Handball- und Volleyball-Mannschaft, egal ob im DSB, Kneipenmannschaften oder extra zusammengestellte Mannschaften. Jeder Jugendliche, der sich an Einzelwettbewerben der Leichtathletik beteiligen will. Jeder Arbeiterjugendliche, der nur so am Jugendlager teilnehmen will und sich für die Entwicklung des proletarischen Massensports interessiert. Jeder erwachsene Arbeiter oder Werktätige, der unser Sportlager unterstützen will …“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 2/1976.
März 1976:
Die Ausgabe Nr. 3/1976 der „Kämpfenden Jugend-Kommunistisches Jugendmagazin“ des KJVD der KPD erscheint mit dem Aufruf: „Alles zum Werner-Seelenbinder-Sportfest, Köln, Ostern 1976.“
Ausgeführt wird u. a: „Köln, Ostern, 1976. 16.-18. 4: Alle zum Werner-Seelenbinder Sportfest. Nein zur Militarisierung des Sports in der Sowjetunion und DDR im Dienste der Kriegsvorbereitung! Nein zum kapitalistischen Profisport! Sporteinheit der Arbeiterjugend gegen Krise und imperialistischen Krieg.
Zu Ostern, vom 16.-19. April führt der KJVD sein erstes Sportfest durch. Es wird von einem Komitee vorbereitet, in dem Genossen des KJVD zusammen mit aktiven Sportlern und Sport-Funktionären, die zum herrschenden Sportbetrieb mit seinem Konkurrenzdruck, Karrierismus und Spaltung eine Alternative suchen, und ehemalige Aktive der Roten Arbeitersportbewegung mit Rat und Tat ihren Beitrag zur Organisierung des Sportfestes leisten.
Die Rote Sportbewegung wurde nach 1945 in der BRD und nach Wiedererrichtung der kapitalistischen Ausbeutergesellschaft in der DDR, auch dort unterdrückt. Heute gibt es in der BRD und Westberlin wieder verschiedene Ansätze zur Wiedererrichtung der Tradition des revolutionären Arbeitersports: Sport im Dienste des Befreiungskampfs der Arbeiterklasse und des ganzen Volkes. Das Werner-Seelenbinder-Sportfest wird diese Kollegen aus jungen Arbeitersport-Initiativen und aus Sportvereinen erstmals zusammentreffen lassen zum gemeinsamen Erfahrungsaustausch. Im BRD und Westberlin wieder verschiedene Ansätze zur Wiedererrichtung der Tradition des revolutionären Arbeitersports: Sport im Dienste des Befreiungskampfs der Arbeiterklasse und des ganzen Volkes. Das Werner-Seelenbinder-Sportfest wird diese Kollegen aus jungen Arbeitersport-Initiativen und aus Sportvereinen erstmals zusammentreffen lassen zum gemeinsamen Erfahrungsaustausch. Im Geiste Werner Seelenbinders, des großen Vorbilds des deutschen Arbeitersports, werden Mannschaftswettbewerbe und Einzelwettbewerbe ausgetragen …
Der Arbeitersport soll dem Kampf für nationale Unabhängigkeit und Einheit gegen das Vormachtstreben der beiden Supermächte, USA und Sozialimperialismus in Europa, für die Errichtung des Sozialismus in ganz Deutschland dienen.
Eine Woche nach dem Seelenbinder-Sportfest des KJVD in Köln soll in Dortmund „eine Rakete“ steigen. Da gibt es „Powerplay auf 10 Bühnen“. „Ömmes und Oimel“ und „heiße Musik“ vom Don - die SDAJ, die Jugendorganisation lädt zum „Festival der Jugend“. Nichts ist zu teuer, nichts ist zu dümmlich genug, um die Arbeiterjugend, scheinbar „ganz unpolitisch“, vor den Karren der einen Supermacht zu spannen, in dessen Dienst die modernen Revisionisten Propaganda treiben: Des russischen Sozialimperialismus … Heraus zum Werner Seelenbinder Sportfest, Ostern 1976. Nein zur Militarisierung des Sports in der Sowjetunion und der DDR im Dienste der Kriegsvorbereitungen. Nein zum kapitalistischen Profisport. Sporteinheit der Arbeiterjugend gegen Krise und imperialistischen Krieg.“
Der Aufruf wird unterstützt von:
- Axel Mutullo (Fußballspieler, TSV Westerland, Landes-Liga)
- Detlef Franke (Westberliner Schüler Judo-Meister)
- Gerd Stamer (Judo-Vize-Europameister 1963 und ehemaliger DDR-Jugendmeister)
- Otto Klopke (Arbeitersportler der Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit)
- Arbeitersportverein Solidarität Westberlin.“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 3/1976, S. 8f. und 10ff.
April 1976:
In der Ausgabe Nr. 4/1976 der „Kämpfenden Jugend“, die vermutlich Anfang April erscheint, werden Zitate von Werner Seelenbinder veröffentlicht.
„Die Jugendlichen dürfen nicht auf der Straße liegen, sonst werden sie radikal- deshalb hinein mit ihnen in die bürgerlichen Sportvereine, um sie politisch zu indoktrinieren und von ihren Aufgaben im Klassenkampf abzulenken, das ist die Devise der kapitalistischen Sportfunktionäre … Die Einheit der Arbeiterklasse muss verhindert werden- gerade in der Krise- deshalb setzten wir den Arbeiterjugendlichen das Ideal der Konkurrenz und des Wettkampfs um jeden Preis vor, propagieren wir Supersportler als Idole, um Aufsteigertum und Spaltung zu züchten- das ist das Motto des kapitalistischen Sportbetriebs … Reden wir von Völkerfreundschaft und Frieden, beweisen wir die Überlegenheit unseres Systems- während wir gleichzeitig in Wirklichkeit zum Krieg rüsten und unser verfaultes imperialistisches System immer brüchige wird...“
Arbeiterjugendlichen das Ideal der Konkurrenz und des Wettkampfs um jeden Preis vor, propagieren wir Supersportler als Idole, um Aufsteigertum und Spaltung zu züchten- das ist das Motto des kapitalistischen Sportbetriebs …
Der KJVD meint: „Sporteinheit der Arbeiterklasse gegen Krise und Krieg. Das muss die Antwort sein. Proletarische Wehrhaftmachung für den Klassenkampf und gegen imperialistischen Krieg- das muss die Leitlinie des Arbeitersports sein. Wir sagen Nein zum Märchen vom „unpolitischen Sport“. Wir sagen, der Sport der Arbeiterjugend muss dazu dienen, sie wehrhaft gegen ihre Feinde zu machen, ihre Spaltung zu überwinden, Solidarität und Freundschaft zu schaffen, bürgerlichen Nationalismus und Völkerverhetzung eine Absage zu erteilen und an ihre Stelle die Freundschaft mit der Dritten Welt zu setzen … Es ist an uns, das Banner der proletarischen Sportbewegung wiederaufzunehmen. Im Geiste Werner Seelenbinders, des berühmten Arbeitersportlers und Antifaschisten, kämpfen heißt heute: Für proletarische Wehrhaftmachung.“
Eingeladen wird auch zum „Sportfest Ostern 76“ in Köln. Es soll bis zum 18.4. dauern. Am 16.4. soll die Eröffnungsveranstaltung stattfinden, am Samstag, 17.4. eine Demonstration. Ab 14.00 Uhr sollen die Wettkämpfe stattfinden, die am Sonntag, 18.4. fortgesetzt werden. Es schließt sich eine Diskussionsveranstaltung an, Schließlich soll das Sportfest mit einem Endspiel im Fußball um den Werner-Seelenbinder-Pokal nebst einer Abschlussveranstaltung zu Ende gehen.
Q: Kämpfende Jugend Nr. 4/1976 S. 4f.; 9 und 35.
Mai 1976:
Die „Kämpfende Jugend“ Nr. 5/1976, berichtet vom „Werner-Seelenbinder Sportfest“ in Kön.
Ausgeführt wird u. a.: „Aus der ganzen Bundesrepublik und aus Westberlin kamen sie angereist, um Sport zu machen. Sie wussten, dass sie nicht eines dieser, mit großem finanziellem Aufwand durchgeführten Sportereignisse der Bourgeoisie erwartete, auch kein Kapitalist hatte seine Gönnerlaune gezeigt. Was sie vorfanden, waren mittelmäßige bis schlechte Fußballplätze, keine Anlagen für Leichtathletik, nur die Halle war in Ordnung. Die Stadt Köln als Eigentümerin hätte auch das noch am liebsten nicht gegeben. Die zu diesem Sportfest kamen, waren angetreten, ihren Teil zum Wiederaufbau der Arbeitersportbewegung zu leisten. Einer Arbeitersportbewegung, die Freundschaft an erste und Wettbewerb an zweite Stelle setzt. Die gegen die Militarisierung des Sports in der Sowjetunion und der DDR, gegen Krise und Krieg kämpft.
Dem Aufruf des ZK des KJVD waren 26 Fußballmannschaften, 6 Handballmannschaften, 16 Volleyballmannschaften, 100 Leichtathleten, 30 Tischtennisspieler, Judo- Kämpfer, Ringer gefolgt, darüber hinaus beteiligten sich noch viele an dem großen Volkslauf. „So 400 bis 500 werden kommen“, dachte das Vorbereitungskomitee, als es die Planung machte. Doch was sich schon in den Tagen davor anbahnte, wurde am Freitag zur absoluten Klarheit. 800 warteten darauf, an den Start gehen zu dürfen. Und die meisten warteten natürlich auch darauf, einen Schlafplatz, Essen und alles andere Notwendige zu bekommen. Um es kurz zu machen, auch wenn der eine oder andere auch etwas länger warten musste oder auch nicht ganz so weich schlief, alles regelte sich und keiner ließ sich die gute Stimmung versaun. Auch das Wetter stand auf der Seite des Arbeitersports, keine Wolke ließ sich an den drei Tagen blicken, und das Thermometer kletterte auf über 20 Grad. Die zwei Tage des Sportfestes waren übervoll mit den verschiedensten Aktivitäten. Schon am Freitagabend fand die Begrüßung der Teilnehmer und die Aufteilung auf die Quartiere statt. Am Sonnabendmorgen versammelten sich über 800 zur Eröffnungsdemonstration durch die Kölner Südstadt. Der Umzug fand viel Sympathie bei der Bevölkerung …
Für sie war es ein ungewöhnlicher Anlass für eine Demonstration. Besondere Beachtung fand auch der Musikzug „Rotes Signal" der KPD aus Westberlin. Viel Staub wirbelte die Demonstration auf, als sie den Vorplatz der Bezirkssportanlage Süd erreichte. Nach dem kräftigen Eintopf begannen die Wettkämpfe. Überall sprang, rannte und spielte es. Die Halle, die drei Fußballplätze und die anderen Wettkampfplätze waren ohne Unterbrechung in Betrieb. Viele Kölner besuchten die Wettkämpfe, sie waren auf Grund der überall in Köln geklebten Plakate gekommen. Andere wurden auch von den roten Fahnen und Transparenten auf dem Sportplatz angezogen.
Am Samstagabend trafen sich die Teilnehmer zu einer Veranstaltung, auf der Vertreter von Vereinen, Einzelsportler und ein Mitglied des Vorbereitungskomitees sprachen. Nachdem auch den ganzen Sonntag Wettkämpfe stattgefunden hatten, traf man sich am Abend zur großen Festveranstaltung. Kulturbeiträge füllten den größten Teil der Veranstaltung. Höhepunkt des Abends war die große Siegerehrung, enttäuscht, wenn er nicht unter den Ausgezeichneten war. Freundschaft, Solidarität und die Begeisterung über dieses gelungene Arbeitersportfest sorgten für eine enorme Stimmung im Saal. Man war sich einig: Im nächsten Jahr ist man wieder dabei beim 2. Werner-Seelenbinder Sportfest.“
Und zu Werner Seelenbinder heißt es: „Der kommunistische Arbeitersportler Werner Seelenbinder kämpfte in der KPD Ernst Thälmanns für den Sozialismus. Als sechsfacher Deutscher Meister als Halbschwergewichts-Ringer übernahm er im illegalen Kampf gegen die Nazi-Faschisten wichtige Aufgaben im In- und Ausland. 1944 wurde er von den Nazi-Faschisten ermordet. Sein Kampf ist unser Vorbild.“
Der Artikel: „Freundschaft an erster, Wettkampf an zweiter Stelle“, führt u. a. aus: „Revolutionäre Sporteinheit - das heißt auch Freundschaft mit den Völkern der Dritten Welt. Viele umjubelter Teilnehmer war die Mannschaft der Föderation Iranischer Studenten aus Köln. Sie traten an im Fußball, im Volleyball und ergriffen am Sonntagnachmittag die Initiative zu einem kurzen Ringkampf-Turnier in der Halle.
Die Genossen des FIS erwarben sich in kurzer Zeit die Sympathie durch ihren kämpferischen Einsatz, ihren guten sportlichen Einsatz besonders im Volleyball, durch ihr solidarisches Einspringen überall wo Not am Mann war oder ein Mann gebraucht wurde. Sie trugen wesentlich zum Gelingen des Sportfestes bei. Auf der Abschlusskundgebung konnten sie unter dem Jubel der Anwesenden bei der Siegerehrung den Werner-Seelenbinder Wanderpokal im Volleyball entgegennehmen …, ein Ausdruck der internationalen Solidarität, des Zusammenschlusses der roten Sportler mit den Völkern der Dritten Welt.
Die meisten Teilnehmer am Werner-Seelenbinder-Sportfest waren Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahren. Aber es war ein besonderer Erfolg des Sportfestes, dass eine wirkliche Verbindung zwischen ganz Jungen, Jugendlichen und alten Sportlern hergestellt wurde, jeder vom anderen lernte. Aus der ganzen BRD und Westberlin waren Kinder mitgekommen, die an allen Disziplinen teilnahmen, z. T. auch gegen körperlich überlegene Mannschaften, wie z. B. im Fußball, antreten mussten und sich trotzdem erfolgreich durchsetzen. Die alten Arbeitersportler, zum Teil eigens nach Köln angereist, zum Teil durch die Demonstration auf Sportfest aufmerksam geworden, gaben ihre Erfahrungen an die jüngeren weiter. Auf der Diskussionsveranstaltung am Sonnabend, berichtete ein alter Genosse aus der „Kampfgemeinschaft für rote Sporteinheit“ vom Kampf der Arbeitersportler gegen die SPD-Polizei und die Nazi-Faschisten, und ein Genosse aus Köln illustrierte das mit einem Foto aus der Weimarer Zeit …“
Meinungsverschiedenheiten soll es „über die Frage gemischte Mannschaften“ gegeben haben. „Das Organisationskomitee wollte diese gemischten Mannschaften nicht zulassen; denn es argumentierte: Männer unterliegen im Kapitalismus ungleichen Bedingungen, darum kann man wirkliche Gleichheit nur dadurch herstellen, dass man ungleiche Bedingungen schafft, unter denen jeder seine Fähigkeiten dann voll entfalten kann. Denn nicht die formale Gleichheit, die tatsächlich gar nicht existiert, stellt den festen Zusammenschluss im Kampf her, sondern die Klarheit über das gemeinsame Kampfziel. Darum geht es auch im Sport. Männer und Frauen unter ungleichen Bedingungen starten zu lassen. Das Organisationskomitee konnte sich nicht durchsetzen. Es traten in beiden Disziplinen gemischte Mannschaften an und im Volleyball wurde ein besonderer Preis für den Sieger der gemischten Mannschaften ausgesetzt, den sich die Mannschaft aus Solingen holte.“
Ein Höhepunkt des Sportfestes, so die Ausgabe, sei ein „Volkslauf … über 2.000 Meter rund um den Kölner Vorgebirgspark“ gewesen. „Diese Veranstaltung war deshalb auch von besonderer Bedeutung, weil sie, wie auch die verschiedenen Male unter breiter Beteiligung durchgeführte Massengymnastik, ein wichtiges Element der proletarischen Körper- und Ertüchtigung verwirklichte: Proletarischer Sport heißt nicht in erster Linie Glanzleistungen einiger weniger, sondern körperliche Ertüchtigung für den Klassenkampf.“
Auf der Abschlussveranstaltung am, 18.4. sprach Bernd Ziesemer zur „reaktionären Ausrichtung des Sports in der BRD“. Scharf griff er „die Militarisierung des Sports in der DDR und der Sowjetunion“ an, „die zum Ziel hat, besonders die Arbeiterjugend dieser sozialfaschistisch beherrschten Länder auf einen Angriffskrieg gegen Westeuropa vorzubereiten …“
Unser Verband (gemeint ist der KJVD, d. Vf.) steht an der Seite unserer Partei in den nächsten Wochen und Monaten vor wichtigen Kampfaufgaben, besonders im Kampf dafür, die umfassende Offensive der DKP/SEW überall frontal fortzusetzen … Heute, wo wir unser Sportfest beenden, steht der proletarische Sport im Mittelpunkt. Aber für uns gibt es kein Nur-Sportlertum und die Diskussionen, die wir an den drei Tagen unseres Sportfestes überall beobachten konnten, machen uns zuversichtlich, dass diejenigen Kollegen und Freunde, die sich heute gemeinsam zu Sport, Kultur und politische Diskussion zusammengefunden haben, auch morgen an unserer Seite stehen werden …“
Die Endspiele im Fußball haben gewonnen: 1. Preis des „Werner-Seelenbinder-Pokals“: Arbeitersportverein Solidarität Westberlin-Wedding. 2. Preis: Die Rubel-Münze der sozialistischen Sowjetunion - Mannschaft der KPD und des KJVD Frankfurt.
Im Handball ging der „Werner Seelenbinder Pokal“ an die Mannschaft des KJVD und des KSB Bremen (1. Preis), der 2. Preis an: Die Rubel Münze der sozialistischen Sowjetunion- Mannschaft des KJVD Hamburg.
Q: Kämpfende Jugend Nr. 5/1976, S. 9ff.
05.06.1976:
Laut „Kämpfende Jugend“ Nr. 7/1976, beginnt an Pfingsten in München ein Sportfest, das von der KPD und seinem KJVD organisiert worden war.
„In den zwei Tagen fanden Mannschaftswettkämpfe in Fußball und Volleyball statt sowie Massengymnastik, ein großer Volkslauf und am Samstagabend ein Rot-Sport-Fest statt. Am Samstag (vermutlich 6. 6., d. Vf.) begannen wir nach der Begrüßung mit der Massengymnastik, wo durch Laufen und Gymnastik harte Anforderungen an die Kondition der Freunde und Genossen gestellt wurden. Am Abend auf dem Fest fasste Genosse Michael Zschaeck vom Regionalkomitee Bayern des KJVD noch einmal unsere Aufgaben zusammen und stellte 2 Punkt heraus: Die Schmiedung der proletarischen Einheitsfront im Sport und die Wehrhaftmachung der Arbeiterklasse. Heute müssen wir den Schwerpunkt auf den Kampfsport legen. Die ständige Aufrüstung des Staatsapparates, die Verschärfung der politischen Unterdrückung und die wachsende Kriegsgefahr erfordern, dass wir uns selbst und die gesamte Arbeiterjugend auch körperlich stählen, um den Kampf aufnehmen zu können.
Der Höhepunkt des Festes war das „Drücken“, das die Armmuskeln jedes Genossen auf die Probe stellte. Tauziehen und Sportlerpolka legten weitere Grundlagen für einen Muskelkater. Am nächsten Morgen fand der Volkslauf statt, wo alle Teilnehmer wegen der unterschiedlichen Konditionen in 3 Leistungsgruppen unterteilt waren. Ziel war es, möglichst geschlossen mit seiner Gruppe durchs Ziel zu kommen, die Schwächeren anzuspornen und die, die aufgeben wollten, zu ermutigen … Anschließend bei den Ausscheidungsspielen im Fußball, siegte die Mannschaft des KJVD München über den KSV München.
Vorwärts im Geiste Werner Seelenbinders! Sporteinheit der Arbeiterjugend gegen Ausbeutung, Krise und Krieg! Für ein unabhängiges, vereintes und sozialistisches Deutschland!“
Q: Kämpfe Jugend Nr. 7/1976, S. 34.
Januar 1977:
„Die Kämpfende Jugend“ Nr. 1/1977 berichtet von den Vorbereitungen zu, „2. Werner Seelenbinder Sportfest“. Dort heißt es u. a. : „Ostern 1977 findet in Frankfurt zum zweiten Mal das Werner-Seelenbinder-Sportfest statt. Es macht das Vorbild des großen deutschen Arbeitersportlers und antifaschistischen Kämpfers Werner Seelenbinder, mehrfacher deutscher Meister im Schwergewichtsringen, wieder lebendig. Er wurde 1944 von den Hitler-Faschisten in der Haft ermordet. „Sein Kampf - unser Vorbild!“.Dass das Sportfest in diesem Jahr und auch in Zukunft vorbereiten wird, fordert alle interessierten Sportler zur Teilnahme an den Vorbereitungen und zur Mitgliedschaft im Komitee auf …“
Der Gründungskern des Komitees schlägt vor: „Wir, das Werner-Seelenbinder-Sportfest-Komitee e.V., sind aktive und ehemalige Leistungssportler und Arbeitersportler. Wir rufen alle Sportler und Sportinteressierten in der BRD und Westberlin auf: Nehmt teil am Werner-Seelenbinder-Sportfest Ostern 1977 in Frankfurt! Nutzen wir dieses Sportfest als Forum zur Diskussion über den bürgerlichen Leistungssport in Ost und West und für den Arbeitersport!... Vorwärts zum Werner-Seelenbinder Sportfest Ostern 1977! Während der Arbeitersport in der Geschichte immer dafür eingetreten ist möglichst breite Teile der Arbeiter und Volksmassen an Körperkultur und Sport teilnehmen zu lassen; durch Solidarität und Freundschaft aller Sportler die internationale Solidarität und Völkerfreundschaft zu stärken; für den Frieden und gegen den Krieg
einzutreten; den Zusammenschluss im Sport dafür zu nutzen, die politischen und wirtschaftlichen Interessen der Arbeiter und Volksmassen zu erkämpfen und nicht zuletzt der körperlichen Zerrüttung durch die kapitalistische Fabrikarbeit entgegenzutreten, endete der kapitalistische Sport immer in Militarismus und wurde von den Herrschenden für ihre Politik und ihre Kriegspläne genutzt …
Etwas über ein halbes Jahr ist es nun her, dass wir die Olympischen Spiele im Fernsehen oder in den Zeitungen verfolgen konnten … Allen voran die beiden Supermächte Sowjetunion und USA wollten den Völkern der Welt beweisen, wie stark und mächtig sie sind, wollten durch ihren Sport den Völkern ihre Vormachtstellung in der Welt demonstrieren. Dafür züchten sie in unmenschlicher Weise Sportler heran, die nur noch durch Sauerstoff und Bluttransfusionen, durch Aufputschmittel neuester Art Sport treiben und Rekorde erzielen können. Doch den Schleier des friedlichen Wettstreits im Sport, den Schleier der Freundschaft der Völker, den sich Sowjetunion und USA umhängen, um ihre Hegemoniebestrebungen in der Welt zu verdecken, zerrissen die afrikanischen Völker. Der Standpunkt der 29 afrikanischen und arabischen Staaten, nicht an der Olympiade teilzunehmen, wenn Rassistenregimes oder Staaten, die mit ihnen Sportkontakte pflegen, zugelassen werden und damit dem Rassismus Tür und Tor geöffnet wird, war Ausdruck der wahren internationalen Solidarität und Völkerfreundschaft …
Ihren zutiefst reaktionären Charakter konnte die Sowjetunion nicht verschleiern. Ein russischer Sportler, der nicht mehr in die UdSSR zurückfahren wollte, veranlasste diese Supermacht zu Drohungen, die Olympischen Spiele zu verlassen. Für die Moskauer „Friedensolympiade“ 1980 kündigte die Sowjetunion schon in Montreal an, das s sie nur ausgewählte Journalisten einreisen lassen werde, die „positiv" berichten. Nur der Protest der Mehrheit der teilnehmenden Staaten veranlasste sie, dies förmlich wieder zurückzunehmen, um den Schein des „Friedenscharakters" zu wahren. Sind dies Vorzeichen einer neuen Hitler-Olympiade, die den Völkern Scheuklappen aufsetzen soll, um ähnlich wie 1936 über den faschistischen Charakter und die Kriegsabsichten Hitlerdeutschlands hinwegzutäuschen?
Wir sind der Ansicht, dass das Eintreten für Frieden und Völkerfreundschaft nicht nur eine allgemeine Frage ist, sondern dass die Frage, wer die Friedensfeinde, wer die Kriegstreiber sind, immer eine konkrete Antwort verlangt. Wenn wir Sportler für den Frieden und Völkerfreundschaft eintreten, dann dürfen wir unsere Augen nicht davor verschließen, dass heute die beiden Supermächte Sowjetunion und USA sich waffenstarrend in der Welt und besonders in Europa gegenüberstehen, ihre Rivalität um die Weltherrschaft erhöht ständig die Kriegsgefahr. Die heutige Sowjetunion gleicht Hitlerdeutschland … Gegen den Willen der Supermächte fordert die Dritte Welt die Aufnahme der Volksrepublik China in alle internationalen Sportverbände, was ihr immer noch verwehrt wird. Von dieser Solidarität der Völker und Länder der Dritten Welt können wir lernen, sie müssen wir unterstützen … Das Werner-Seelenbinder-Sportfestkomitee setzt sich dafür ein:
- Für die internationale Sporteinheit gegen die Supermächte
- Für die Aufnahme der Volksrepublik China in die internationalen Sportverbände
- Für den Abbruch aller Sportbeziehungen und Isolierung der rassistischen südafrikanischen Staaten …
Wir, das Werner-Seelenbinder-Sportfestkomitee sind gegen den bürgerlichen Profisport in der BRD … Insbesondere wenden wir uns gegen den völlig militarisierten Sport in der DDR und den Staatsamateurismus … Wir sind der Auffassung, dass alle demokratischen Sportler eintreten müssen für ein unabhängiges, vereintes, demokratisches und friedliebendes Deutschland, wie es die Deutschen Sportverbände nach dem 2. Weltkrieg getan haben. Wir sind der Auffassung, dass so der Sport einen großen Beitrag zum Kampf gegen die Kriegsgefahr von Seiten der beiden Supermächte leisten wird.
Das Interesse des deutschen Volkes liegt in der Entfaltung der Körperkultur zur allseitigen Erziehung des Menschen und vollständigen Beherrschung seines Körpers. Unser Sport, der Arbeitersport, ist geleitet von dem Prinzip: Erst Freundschaft, dann Wettkampf. Dieses Prinzip ermöglicht uns, in solidarischem Zusammenhalt ohne Konkurrenz und Spaltung Höchstleistungen zu erbringen. Gegen die Zerrüttung unserer Gesundheit durch die kapitalistische Fabrikarbeit setzen wir den Arbeitersport, um unseren Körper zu stählen, um für unsere politischen und wirtschaftlichen Rechte als Arbeitersportler zu kämpfen, um die soziale Demontage und den Raubbau an unserem Körper zu bekämpfen.
Unser Sport dient der internationalen Solidarität und Völkerfreundschaft. Wir stehen in einer Reihe mit den Völkern der Dritten Welt, die den Sport als wichtiges Mittel zur Herstellung der Einheit und Freundschaft und damit ihren Kampf von Unabhängigkeit verstehen.“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 1/1977, S.4f.
08.01.1977:
Laut „Kämpfende Jugend“ Nr. 2/1977 wird in Köln das „Werner-Seelenbinder-Sportfest Komitee“ gegründet.
Ausgeführt wird dazu: „Am 8./9. Januar 1977 fand in Köln die Gründung des Werner Seelenbinder-Sportfestkomitees statt. Das Sportfestkomitee setzt sich zum Ziel, alljährlich in der BRD und Westberlin Sportfeste durchzuführen und bereitet jetzt tatkräftig das Sportfest Ostern 1977 in Frankfurt vor. Die Gründungsveranstaltung beriet über die Aufgaben des Werner Seelenbinder-Sportfestes Ostern 1977 in Frankfurt. Ein Aufruf des Sportfestkomitees wurde verabschiedet, ein Vorstand gewählt und eine Vereinssatzung verabschiedet.
Die Anwesenden aktiven und ehemaligen Leistungs- und Arbeitersportler diskutierten lebhaft über die Aufgaben und Ziele des Werner-Seelenbinder-Sportfestkomitees. Es wurde beschlossen, dass das diesjährige Sportfest besonders im Zeichen des Zusammenschlusses, der Solidarität und der Freundschaft der Völker stehen soll. Das Komitee wird das Andenken an den großen Arbeitersportler Werner Seelenbinder ehren, der seine sportlichen Fähigkeiten in den Dienst des Kampfes gegen den Hitlerfaschismus und gegen die Entfesselung des 2. Weltkrieges stellte, indem es sich zur Aufgabe setzt, die internationale Sporteinheit gegen die Kriegsgefahr, die vom Ringen der beiden Supermächte Sowjetunion und USA um die Vorherrschaft in der Welt hervorgerufen wird, zu stärken. Zum Programm des Sportfestes Ostern 1977 in Frankfurt gehören: Volkslauf, Tourniere in den Sparten Fußball, Handball, Volleyball, Leichtathletik-Wettkämpfe, Kampfsportarten (u. a. Judo).
Der Vorstand und die Mitglieder des ASV Solidarität in Westberlin bereiten in diesen Wochen aktiv das Werner- Seelenbinder-Sportfest vor. Im Februar wird der ASV u. a. eine zentrale Kundgebung durchführen, auf der neue Menschen für die Ziele der Arbeitersportbewegung gewonnen werden sollen. Im März wird der ASV zur Hebung des sportlichen Niveaus ein Arbeitersportfest mit Ausscheidungswettkämpfen für Ostern in Frankfurt veranstalten … Weiterhin wird ein Sportprogramm für Kinder gemacht. Weiterhin wurden in den Vorstand gewählt: Wolfgang Waitz aus Berlin, Mitglied des ASV Solidarität, Fernmeldemonteur; Irene Gomolka aus Dortmund, Schülerin, Hans-Jörg aus Münster, Sportstudent; Bernhard Beste aus Köln, Mitglied des Zentralkomitees des KJVD. Die Versammlung beauftragte den Vorstand, in Frankfurt die Sportanlage Hoechst (4 Fußballplätze, Sporthalle, Leichtathletik-Bahn und Park) für die Durchführung der sportlichen Wettkämpfe zu beantragen, die unter der Leitlinie stehen sollen: Erst Freundschaft - Dann Wettkampf! Höhepunkt des Sportfestes sollen auch die Eröffnungsveranstaltungen, eine Demonstration durch den Frankfurter Arbeiterstadtteil Hoechst und das abschließende Kulturfest sein.
Der KJVD fordert alle Sportler, Vereins- sowie Freizeitmannschaften, aber auch alle in- und ausländischen fortschrittlichen, antiimperialistischen und antifaschistischen Organisationen auf: Meldet euch an und nehmt aktiv teil am Werner Seelenbinder-Sportfest Ostern 1977 in Frankfurt. Beteiligt euch alle an den Vorbereitungswettkämpfen, Sportfesten und anderen sportlichen Aktivitäten, die der KJVD im Februar und März in Vorbereitung auf das Werner-Seelenbinder-Sportfest in vielen Städten in der BRD und Westberlin durchführt.
Werdet Mitglied im Werner-Seelenbinder-Sportfestkomitee!
Heraus zum Werner Seelenbinder-Sportfest!“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 2/1977, S. 4.
Februar 1977:
Die Nr. 2/1977 der „Kämpfenden Jugend-Kommunistisches Jugendmagazin des KJVD“ erscheint im Februar mit der Schlagzeile: „Vorwärts zum 2. Werner-Seelenbinder Sportfest. Für den Wiederaufbau der Arbeitersportbewegung.“
Ausgeführt wird u. a.: „Am 8./9. Januar 1977 fand in Köln die Gründung des Werner-Seelenbinder Sportfestkomitees statt. Das Sportfestkomitee setzt sich zum Ziel, alljährlich in der BRD und Westberlin Sportfeste durchzuführen und bereitet jetzt tatkräftig das Sportfest Ostern 1977 in Frankfurt vor. Die Gründungsveranstaltung beriet über die Aufgaben des Werner Seelenbinder-Sportfestes Ostern 1977 in Frankfurt. Ein Aufruf des Sportfestkomitees wurde verabschiedet, ein Vorstand gewählt und eine Vereinssitzung verabschiedet.
Alle Anwesenden aktiven und ehemaligen Leistungs- und Arbeitersportler diskutierten lebhaft über die Aufgaben und Ziele des Werner-Seeelenbinder-Sportfestkomitees. Es wurde beschlossen, dass das diesjährige Sportfest besonders im Zeichen des Zusammenschlusses, der Solidarität und der Freundschaft der Völker sehen soll. Das Komitee wird das Andenken an den großen Arbeitersportler Werner Seelenbinder ehren, der seine sportlichen Fähigkeiten in den Dienst des Kampfes gegen den Hitlerfaschismus und gegen die Entfesselung des 2. Weltkrieges stellte, indem er sich zur Aufgabe setzte, die internationale Sporteinheit gegen die Kriegsgefahr, die vom Ringen der beiden Supermächte Sowjetunion und USA um die Vorherrschaft in der Welt hervorgerufen wird, zu stärken.
Zum Programm des Sportfestes Ostern 1977 in Frankfurt gehören: Volkslauf, Tourniere in den Sparten Fußball, Handball, Volleyball, Leichtathletik-Wettkämpfe, Kampfsportarten (u. a. Judo) … Die Versammlung beauftragte den Vorstand, in Frankfurt die Sportanlage Hoechst (4 Fußballplätze, Sporthalle, Leichtathletik-Bahn und Park) für die Durchführung der Kriegsgefahr, die vom Ringen der beiden Supermächte Sowjetunion und USA um die Vorherrschaft in der Welt hervorgerufen wird, zu stärken.
Zum Programm des Sportfestes Ostern 1977 in Frankfurt gehören: Volkslauf, Tourniere in den Sparten Fußball, Handball, Volleyball, Leichtathletik-Wettkämpfe, Kampfsportarten (u. a. Judo) … Die Versammlung beauftragte den Vorstand, in Frankfurt die Sportanlage Hoechst (4 Fußballplätze, Sporthalle, Leichtathletik-Bahn und Park) für die Durchführung der sportlichen Wettkämpfe zu beantragen, die unter der Leitlinie stehen soll: Erst Freundschaft –Dann Wettbewerb.
Höhepunkt des Sportfestes sollen auch die Eröffnungsveranstaltungen, eine Demonstration durch den Frankfurter Arbeiterstadtteil Hoechst und das abschließende Kulturfest sein. Der KJVD fordert alle Sportler, Vereins- sowie Freizeitmannschaften, aber auch alle in- und ausländischen, fortschrittlichen, antiimperialistischen und antifaschistischen Organisationen auf: Meldet euch an und nehmt aktiv teil am Werner Seelenbinder-Sportfest Ostern 1977 in Frankfurt. Beteiligt euch alle an den Vorbereitungswettkämpfen, Sportfesten und anderen sportlichen Aktivitäten, die der KJVD im Februar und März in Vorbereitung auf das Werner-Seelenbinder-Sportfest in vielen Städten in der BRD und Westberlin durchführt. Werdet Mitglied im Werner-Seelenbinder-Sportfestkomitee! Heraus zum Werner Seelenbinder Sportfest!“
Die Ausgabe enthält auch den Hinweis, dass der ASV Solidarität Westberlin in diesen Wochen damit beginnt, das Werner-Seelenbinder Sportfest vorzubereiten.
„Im Februar wird der ASV u. a. eine zentrale Kundgebung durchführen, auf der neue Menschen für die Ziele der Arbeitersportbewegung gewonnen werden sollen. Im März wird der ASV zur Hebung des sportlichen Niveaus ein Arbeitersportfest mit Ausscheidungswettkämpfen für Ostern in Frankfurt veranstalten.“
Das „Werner-Seelenbinder-Sportfest-Komitee setzt sich ein: Für die internationale Sporteinheit gegen die Supermächte! Für die Aufnahme der Volksrepublik China in die internationalen Sportverbände! Für den Abbruch aller Sportbeziehungen und Isolierung der rassistischen südafrikanischen Staaten! Es lebe die internationale Solidarität und Völkerfreundschaft! Wir, das Werner - Seelenbinder - Sportfest-Komitee sind gegen den bürgerlichen Profisport in der BRD. Insbesondere wenden wir uns gegen den völlig militarisierten Sport in der DDR und deren „Staatsamateurismus“.
Wir sind der Auffassung, dass alle demokratischen Sportler eintreten müssen für ein unabhängiges, vereintes, demokratisches und friedliebendes Deutschland, wie es die Deutschen Sportverbände nach dem 2. Weltkrieg getan haben. Wir sind der Auffassung, dass so der Sport einen großen Beitrag zum Kampf gegen die Kriegsgefahr von Seiten der beiden Supermächte leisten wird. Das Interesse des deutschen Volkes liegt in der Entfaltung der Körperkultur zur allseitigen Erziehung des Menschen und vollständigen Beherrschung seines Körpers. Unser Sport, der Arbeitersport, ist geleitet von dem Prinzip: Erst Freundschaft, dann Wettkampf. Dieses Prinzip ermöglicht uns, in solidarischem Zusammenhalt ohne Konkurrenz und Spaltung Höchstleistungen zu erbringen.
Gegen die Zerrüttung unserer Gesundheit durch die kapitalistische Fabrikarbeit setzen wir den Arbeitersport, um unseren Körper zu stählen, um für unsere politischen und wirtschaftlichen Rechte als Arbeitersportler zu kämpfen, um die soziale Demontage und den Raubbau an unserem Körper zu bekämpfen. Unser Sport dient der internationalen Solidarität und Völkerfreundschaft. Wir stehen in einer Reihe mit den Völkern der Dritten Welt, die den Sport als ein wichtiges Mittel zur Herstellung ihrer Einheit und Freundschaft und damit ihren Kampf von Unabhängigkeit verstehen.“
In einem Brief des ASV-Vorstandes an das KJVD-ZK wird die Marschroute festgehalten: „1. Kampf der politischen Unterdrückung …2. Kampf gegen das Hegemoniebestreben beider Supermächte, insbesondere der UdSSR.“
Und: „Wann findet es statt? Ostern 1977 vom Freitag, 16. April (Anreisetag) bis zum Montag, 19. April (Abreisetag).
Wie sieht das Programm aus? Freitag, 16.4.: Begrüßung aller Teilnehmer im Zeltlager des KJVD, Einweisung und Beisammensein am Lagerfeuer; Samstag, 17.4.: 1. Wettkampftag, Frühsport, Mannschaftswettkämpfe, Waldlauf, Einzelwettbewerbe. 19.00 Uhr Großveranstaltung des KJVD mit umfangreichem Kulturprogramm. Sonntag, 18.4.: 2. Wettkampftag, Frühsport, Mannschaftswettkämpfe, 18.00 Uhr Arbeitsgruppen zur Diskussion des proletarischen Sports und zur Auswertung des Sportlagers. Anschließend Film über die Sportbewegung der 20er und 30er Jahre. Anschließend Tanz und Zusammensein.
Montag, 19.4.: Frühsport, Gemeinsamer Abschluss, Mittagessen, Abreise und Abbau des Zeltlagers.
Wer kann mitmachen? Jede Fußball-, Handball- und Volleyball-Mannschaft, egal ob im DSB, Kneipenmannschaften oder extra zusammengestellte Mannschaften. Jeder Jugendliche, der sich an den Einzelwettbewerben der Leichtathletik beteiligen will. Jeder Arbeiterjugendliche, der nur so am Jugendlager teilnehmen will und sich für die Entwicklung des proletarischen Massensports interessiert. Jeder erwachsene Arbeiter oder Werktage, der unser Sportlager unterstützen will! Was ist mit Unterbringung und Ähnlichem? Nach dem Vorbild der Ferienlager wird ein Zeltlager organisiert, wo für Mahlzeiten gesorgt wird. Wer ein Zelt mitbringen kann, soll das unbedingt tun. Preis: ca. 50 bis 80 DM.
Anmeldung: Jede Mannschaft und jeder Jugendliche, der teilnehmen möchte, sollte sich möglichst schnell anmelden und nähere Informationen anfordern.
Adresse: ZK des KJVD, 5 Köln 30, Widdersdofer Str. 190.“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 2/1977, S. 4ff.
Februar 1977:
Die „Kämpfende Jugend“ Nr. 2/1977, erscheint mit der Schlagzeile: „Vorwärts zum 2. Werner-Seelenbinder Sportfest. Für den Aufbau der Arbeitersportbewegung.“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 2/1977, S. 1.
19.03.1977:
Laut „Kämpfende Jugend“ Nr. 3/1977, soll Vom 19.-20.3, in Dortmund ein KJVD-Sportfest stattfinden.
Dazu heißt es: „Im Anschluss an das KJVD-Sportfest am 20.3. in Dortmund führt das ZK des KJVD ein Treffen alter Genossen und Freunde des Arbeitersports durch. Herzlich eingeladen sind vor allem diejenigen Freunde und Genossen, die in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen sich dem Arbeitersport anschlössen und wie der Genosse Werner Seelenbinder gemeinsam mit der KPD gegen den Hitlerfaschismus kämpften. Das Treffen soll mit dazu beitragen, die Erfahrungen des Arbeitersports zusammenzufassen, damit die besten Traditionen der Sportbewegung auch heute in Deutschland wieder lebendig werden. Weiterhin soll darüber beraten werden, wie sich die alten Genossen auch in diesem Jahr an dem WERNER SEELENBINDER-SPORTFEST in Frankfurt beteiligen können, denn ihre tatkräftige Unterstützung ist eine wichtige Hilfe für ein erfolgreiches Gelingen.“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 3/1977, S. 4.
20.03.1977:
Und zum kommenden Sportfest in Frankfurt Hoechst, meint die „Kämpfende Jugend“ Nr. 4/1977:
„Wenn sich in den Ostertagen in Frankfurt Hoechst deutsche und ausländische, junge und alte, ehemalige und auch heute noch aktive Sportler und Arbeitersportler versammeln, dann ist der Ruf der Abschlussveranstaltung des Sportfestes 1976 in Köln Wirklichkeit geworden: VORWÄRTS ZUM 2. WERNER SEELENBINDER-SPORTFEST!
AUSTRAGUNGSORT: Frankfurt/Hoechst Sportanlage Bikuz
In den letzten Wochen und Tagen hat es zahlreiche sportliche Aktivitäten zur Vorbereitung auf das SPORTFEST DER INTERNATIONALEN SOLIDARITÄT UND VÖLKERFREUNDSCHAFT - ERST FREUNDSCHAFT, DANN WETTKAMPF! gegeben. Es ist eine Bewegung in Gang gesetzt worden über die Ziele und Aufgaben der internationalen Sportbewegung und der Arbeitersportbewegung zu diskutieren und in Wettkämpfen des proletarischen Massensports zu praktizieren. So haben in zahlreichen Städten wie Düsseldorf, Hannover Dortmund, Münster, Bremen, Hamburg, Mainz und Mannheim Sportaktivitäten des KJVD stattgefunden. Der ASV Solidarität aus Westberlin hat erfolgreich sein Vorbereitungssportfest abgeschlossen. In zahlreichen Sportvereinen, Jugendzentren, in Betrieben und Schulen ist über das Sportfest diskutiert worden und zahlreiche ausländische Freunde des Arbeitersportes haben sich für das Werner Seelenbinder-Sportfest interessiert. Die Plakate des Werner Seelenbinder-Sportfest-Komitees e.V. und auch die Plakate des KJVD, die Flugblätter und Kundgebungen haben vielen Menschen gezeigt, dass es in Deutschland wieder Sportler gibt, die an der Tradition des Arbeitersports anknüpfen, um auch heute wieder eine Arbeitersportbewegung aufzubauen, die sich für den Zusammenschluss der Sportler der Welt für ihre gemeinsame Sache einsetzt.“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 3/1977; Kämpfende Jugend Nr. 4/1977, S. 28.
08.04.1977:
Laut „Kämpfende Jugend“ Nr. 3/1977, soll am 8. April das „WERNER SEELENBINDER-SPORTFESTES FRANKFURT/M. OSTERN 1977“ stattfinden. Es soll bis zum 10. April dauern. Vorgesehen ist:
Freitag, 8. April:
Eintreffen der Busse, Ankunft der Sportler (die Teilnehmer aus den verschiedenen Regionen werden gebeten, ihre Abfahrtszeiten entsprechend einzurichten!) Eröffnungsveranstaltung, Begrüßung der Teilnehmer Eröffnungsrede des Sportfest-Komitees. Filmvorführung.
Samstag, 9. April:
Einteilung und Einweisung der Mannschaften, Einquartierung, Begrüßung der Sportler auf dem Sportgelände Demonstration durch Frankfurt-Hoechst Wettkämpfe: Fußball, Handball, Volleyball, Leichtathletik, Tischtennis, Ringen, Judo/Karate, Mittagessen auf dem Sportplatz.
Sportforum
Sport und Klassenkämpfe in Frankfurt, Diskussion über das Prinzip „Erst Freundschaft - dann Wettkampf!“ Männer- und Frauensport, Emanzipation der Frau im Sport, Die Bedeutung des Kampfsports für die Arbeitersportbewegung
Sonntag, 10. April:
Volkslauf (Startgebühr 2,- DM für die materielle Unterstützung des Kampfes des Volkes von Zimbabwe und seine Organisation, die ZANU) Fortsetzung der Wettkämpfe, Schwimmwettkämpfe, Endspiele, Abschlussveranstaltung mit Siegerehrung und Kultur-Programm.
Q: Kämpfende Jugend Nr. 3/1977, S. 4.
08.04.1977:
Laut „Kämpfende Jugend“ Nr. 5/1977, hat in Frankfurt Hoechst das „2. Werner-Seelenbinder Sportfest“ stattgefunden. Dazu schreibt die Ausgabe:
„900 Sportler beim 2. Werner-Seelenbinder-Sportfest. Die kältesten Ostertage seit 15 Jahren hatten die Zeitungen angekündigt. Aber die etwa 900 Teilnehmer des 2. Werner-Seelenbinder-Sportfestes - mehr als im vergangenen Jahr - waren fest entschlossen, dem eisigen Wind zu trotzen, der zeitweise durch die Sportanlagen des Hoechster Stadtparks pfiff, und auch die Übernachtungen eines Großteils der Teilnehmer im eigens eingerichteten Zeltlager am Main in Offenbach nicht gerade zu einem Ferienvergnügen machte.
20 Fußballmannschaften spielten am ersten und zweiten Wettkampftag um den Werner-Seelenbinder-Pokal. Leichtathletik-Riegen traten im Vierkampf an (100-Meter-Lauf, Weitsprung, Kugelstoßen bzw. Schlagballweitwurf, 2000- bzw. 1000-Meter-Lauf). Im Hoechster „Bildungs- und Kulturzentrum“ kämpften Tischtennis-, Volleyball- und Handballer ab Samstagmittag. Neu hinzugekommen waren in diesem Jahr die Schwimmwettkämpfe. Auch in diesem Jahr wieder die üblichen Versuche der Behinderung, Unterdrückung und Sabotage durch den Staatsapparat. Die Sportanlagen wurden nach langem Hinhalten nur mit vielerlei Auflagen vergeben, unter anderem sollten „politische Kundgebungen“ verboten werden. Die Route der Sportfest-Demonstration wurde willkürlich verändert. Die bereits zugesagte Schwimmhalle wurde wieder entzogen, die Schwimmwettbewerbe auf zwei Bahnen beschränkt usw. Dies alles konnte nicht verhindern, dass das Sportfest den geplanten Verlauf nahm. Gerade auch in den sportlichen Aktivitäten taten sich die ausländischen Freunde und Genossen besonders hervor …“
Das Sportfest wurde zu einem der „internationalen Solidarität und der Völkerfreundschaft“.
„Afrikanischen Freunde aus Zimbabwe und Azania. Mitglieder der Delegationen der Befreiungsbewegungen ZANU und PAC bildeten zusammen mit deutschen Sportsfreunden eine Fußballmannschaft. Andere beteiligten sich an den Tischtennis-Ausscheidungen. Von besonderer Bedeutung für das Gelingen des Sportfestes waren auch ihre Hinweise dafür, wie das Prinzip der Freundschaft, der internationalen Solidarität und Völkerfreundschaft im Sport noch besser verwirklicht werden kann durch den gegenseitigen Kontakt und Erfahrungsaustausch vor, während und nach den Wettkämpfen Im Zentrum der Volleyballausscheidungen standen die Genossen des Iranischen Studentenvereins Mainz, Mitglied der CIS. Sie stellten die Siegermannschaften im Volleyball-Turnier der Männer und in der gemischten Mannschaft.
Auf der Abschlussveranstaltung richteten sie das Wort an die Teilnehmer und erklärten, welche große Bedeutung die internationale Solidarität und damit auch das Sportfest im Zusammenschluss der Völker gegen Imperialismus und Faschismus hat. Während der Siegerehrung trugen sie ein Lied aus dem Kampf des iranischen Volkes vor. Weiterhin nahmen Freunde aus Uganda, den Niederlanden, der Türkei, aus Palästina und aus Schweden an den Wettkämpfen teil und belegten zum Teil vordere Plätze bei den Schwimmwettkämpfen und im Tischtennis. Außerdem trugen sie zum Gelingen der Vorführungen der Kampfsportarten bei. Auch die begeisterte Durchführung des Volkslaufes mit seinen … Teilnehmern zeigte, dass das Sportfest tatsächlich vom Geist der internationalen, antiimperialistischen Solidarität getragen war. In den verschiedenen Durchgängen (1OO m für Kinder, 1000 und 200 m für Frauen, 1000, 3000 und 5000 m für Männer) wurden die Fahnen der PAC und ZANU vom jeweiligen Spitzenläufer vorangetragen, immer wieder wurden die Läufer mit dem Ruf „Azania, Namibia, Zimbabwe- Sieg im Volkskrieg“ angefeuert. Mehr als 1100 Mark konnten den afrikanischen Befreiungsbewegungen aus den Startgeldern des Volkslaufes - 2 Mark pro Läufer übergeben werden.
Der ZANU-Vertreter führte u. a. aus: „Gemäß der Rassenideologie gibt es keinen Sportbereich, in dem die verschiedenen Gruppen nicht ihre eigenen rein rassistischen Mannschaften haben … Wir haben sogar vier „National-Mannschaften“ … Südafrika ist heute eine Festung des Imperialismus. Viele Länder in Afrika und in der Dritten Welt haben Resolutionen verfasst, dass Südafrika die Teilnahme an internationalen Sportveranstaltungen verweigert wird; andernfalls werden die jeweiligen Spiele boykottiert. Der Imperialismus aber bevorzugt, dass ein Staat Südafrika an den Spielen teilnimmt, weil bei ihnen Wirtschaftsreserven vor Menschenrechten kommen und die Staaten, die dieses unmenschliche politische System bekämpfen, nicht daran teilnehmen. Die Völker der Dritten Welt werden ihre ganze Kraft einsetzen und der Notwendigkeit des Kampfes für ihre ökonomische und politische Unabhängigkeit und Selbstbestimmung an allen Fronten, zum Beispiel im bewaffneten Kampf, in der Diplomatie und im internationalen Sport Ausdruck verleihen … wir, die ZANU halten diesen Widerstand für richtig … Der Kampf des Volkes von Zimbabwe ist ein untrennbarer Bestandteil des Kampfes der Völker der Dritten Welt gegen Kolonialismus, Imperialismus und Hegemoniebestrebungen der beiden Supermächte USA und Sowjetunion- für nationale Unabhängigkeit und Selbstbestimmung …“
Die Rote Sportfront wieder aufgebaut.
„Ein gutes Beispiel für die Verwirklichung des Leitmottos des Sportfestes gab auch die Fußball-Mannschaft des Jugendzentrums Putte/Westberlin. Sie ist im Kampf gegen die Zerstörung des Jugendzentrums durch den Westberliner Senat im Jahre 1974 entstanden. In ihr sind deutsche und türkische Kollegen zu einem fest zusammengeschlossenen Kollektiv vereint, das auf dem Sportfest durch seinen kämpferischen Einsatz beeindruckte. Gerade für das Fußball-Turnier konnte das Werner-Seelenbinder-Sportfest-Komitee eine Anzahl neuer Mannschaften gegenüber dem Vorjahr gewinnen. Neben der Putte-Mannschaft Westberlin kamen Mannschaften des Jugendzentrums Stuttgart-Hallschlag und aus dem Jugendzentrum Freiburg, die später auch die Sieger-Elf stellte. Im Handball blieb der Werner-Seelenbinder-Pokal in der Hand des Vorjahressiegers, einer Mannschaft von KJVD/KPD/KSV Bremen. Für die Hebung des sportlichen Niveaus, aber auch für den Erfahrungsaustausch über die Wiederbelebung des Arbeitersportes war die Teilnahme des Arbeitersportvereins Solidarität Westberlin ein großer Gewinn für den Verlauf des Sportfestes. Er trat mit einer Leichtathletik-, einer Volleyball-, einer Handball- und einer Fußballmannschaft an und beteiligte sich an weiteren Disziplinen.
Er hat sich schon heute zu einem festen Stützpunkt des revolutionären Arbeitersports entwickelt, dessen Arbeit als Richtschnur im Kampf für einen Sport gegen die Zerrüttung der Arbeitskraft, für den Erhalt und die Stählung der Gesundheit und die Wehrhaftmachtung für den Klassenkampf dient. Die Fortschritte, die er seit dem vorigen Jahr gemacht hat, zeigten den Teilnehmern, dass ernsthaftes, ausdauerndes und regelmäßiges Training notwendig ist, wenn die Arbeitersportler ernsthaft die Aufgabe anpacken wollen, die sich ihnen heute stellt: In den bürgerlichen Sportvereinen den Kampf um die Millionen Sportler zu führen, die im Deutschen Sportbund organisiert sind.
Die sportliche Leistung verbessern.
„Die können nur dann wirklich und dauerhaft den Fängen der reaktionären DSB-Führung entrissen werden und den Arbeitersport als wirkliche Alternative zum bürgerlichen Sportbetrieb erkennen, wenn die Arbeitersportler darum kämpfen, Leistungen zu entwickeln, die sich nicht nur mit dem bürgerlichen Sport messen können, sondern sie in der Verwirklichung des Prinzips „Freundschaft an erster, Wettkampf an zweiter Stelle“ auch übertreffen. Auch dies bedeutet, dem Ruf zu folgen, der auch in diesem Jahr immer wieder in den Sportanlagen ertönte: „Vorwärts im Geiste Werner Seelenbinders! Sein Kampf unser Vorbild!“ …
Er hat sich schon heute zu einem festen Stützpunkt des revolutionären Arbeitersports entwickelt, dessen Arbeit als Richtschnur im Kampf für einen Sport gegen die Zerrüttung der Arbeitskraft, für den Erhalt und die Stählung der Gesundheit und die Wehrhaftmachtung für den Klassenkampf dient. Die Fortschritte, die er seit dem vorigen Jahr gemacht hat, zeigten den Teilnehmern, dass ernsthaftes, ausdauerndes und regelmäßiges Training notwendig ist, wenn die Arbeitersportler ernsthaft die Aufgabe anpacken wollen, die sich ihnen heute stellt: In den bürgerlichen Sportvereinen den Kampf um die Millionen Sportler zu führen, die im Deutschen Sportbund organisiert sind … Dies war eine der wesentlichen Lehren des diesjährigen Sportfestes …“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 5/1977, S. 10; 6/1977, S. 16.
09.04.1977:
Laut „Kämpfende Jugend“ Nr. 5/1977, fanden am 9. April während des „2. Werner-Seelenbinder Sportfestes“ auch einige Diskussionsforen statt.
U. a. heißt es in der Ausgabe dazu: „Über 450 Sportler und Sportinteressierte beteiligten sich lebhaft an den 4 Diskussionsforen, die am Ostersamstag- Abend durchgeführt wurden. Die Themen waren: „Erst Freundschaft - dann Wettkampf!“ „Frauenemanzipation und Sport“, „Kampfsport“ und „Die Entstehung des Sports“, wo, anhand eines Diavortrages über die Geschichte des Sports der Klassencharakter des Sports in allen Gesellschaften diskutiert wurde …
„Im Forum „ERST FREUNDSCHAFT- DANN WETTKAMPF“, zeigten sich besonders diejenigen Sportler, die bisher noch nicht nach diesem Prinzip Sport getrieben hatten, begeistert darüber, dass in den sportlichen Aktivitäten die Solidarität, Kollektivität, das gemeinsame voneinander lernen, der sportliche und politische Zusammenschluss, die Freundschaft der Sportler untereinander, an der ersten Stelle stand, Zwar gäbe es auf dem Sportfest selbst auch noch Mängel darin, dieses Prinzip richtig zu verwirklichen. Aber der sportliche Wettkampf wurde auf eine andere Grundlage gestellt als im bürgerlichen Sportbetrieb, wo oft genug gnadenloses Foulspiel, gnadenloser Konkurrenzkampf, Spaltung und der Sieg um jeden Preis an erster Stelle stehen …
Im Forum „FRAUENEMANZIPATION UND SPORT“ wurde besonders darüber diskutiert, wie sich Frauen auch im Sport zusammenschließen können, gemeinsam mit den Männern, um der besonderen Unterdrückung der Frau, wie sie in der bürgerlichen Gesellschaft besteht, entgegenzutreten. Besonders wurde die Frage diskutiert: Wie kann man „die Gleichberechtigung erkämpfen“? Es wurde herausgearbeitet, dass sich besonders die Frauen selbst zusammenschließen müssen, und dabei besonders auch von den Männern unterstützt werden müssen. Sie sollten eigene Mannschaften bilden, die den ungleichen Bedingungen zwischen Männern und Frauen besser Rechnung trägen können als „gemischte“ Mannschaften. Auch die Frauen müssen ihre sportlichen Fähigkeiten in den Dienst der Befreiung der Frau stellen und durch ihr Beispiel und durch ihren Einsatz auch das sportliche Niveau des Frauensports heben. Als vorbildlich wurde auch hier die VR China bezeichnet, wo der Frauensport bereits ein sehr hohes Niveau hat …
IM FORUM „KAMPFSPORT“ wurde: insbesondere darüber diskutiert, wie z. B. Kung Fu, Teak- Kwon- Do und auch Karate nicht länger dafür ausgenutzt werden, den Individualismus, die unverletzlichen Supermänner und Schläger zu propagieren …
Es wurde festgehalten, dass der Kampfsport dann eine nützliche Rolle Spielt, wenn er nicht darauf aus ist, darauf aus ist, den Gegner zu ruinieren, sondern wenn auch die Kampfsportler ihre sportlichen Fähigkeiten in den Dienst des gemeinsamen Kampfes der Kollegen stellen …“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 5/1977, S. 14 und 34.
Mai 1977:
In der Nr. 5/1977 der „Kämpfenden Jugend“ sollen nun bereits die Vorbereitungen für das „3. Werner-Seelenbinder Sportfest“ stattfinden.
Dazu heißt es u. a.: „Dabei kommt es besonders darauf an, dass Sportler, die am Sportfest teilgenommen haben, ihre Erfahrungen und die Diskussionen vom Sportfest in ihre Vereine tragen. Wichtig ist es auch, dass uns die Sportler von ihren Erfahrungen berichten, dass sie ihre Meinung zu sportlichen Ereignissen an uns geben … Zur Vorbereitung des 3. Werner- Seelen-Binder-Sportfestes werden wir Anfang Juli eine Mitgliederversammlung durchführen ihren, auf der wir den Leitgedanken und den Ort des nächsten Sportfestes festlegen und auch noch einmal die Erfahrungen des Sportfestes in Frankfurt einschätzen und die Lehren für 1978 ziehen. Das Sportfestkomitee arbeitet auch nach dem Sportfest weiter …“
Weiter heißt es: „Der Einladung des- Werner Seelenbinder-Sportfestkomitees war eine ganze Reihe von Musikgruppen gefolgt. Die Veranstaltungen bestanden zu einem großen Teil aus Beiträgen dieser Gruppen. Auch zwischen den Wettkämpfen gab es musikalisch verkürzte Pausen. An erster Stelle ist hier der Musikzug der KPD aus Westberlin „Rotes Signal“ zu nennen, der das Sportfest auf all seinen Wegen begleitete. Zwei Musikgruppen des KJVD, eine aus Westberlin und „Georgi Dimitroff“ aus Braunschweig, hatten sich mit einem besonderen Programm auf das Sportfest vorbereitet. Die Westberliner Genossen trugen Lieder der demokratischen und revolutionären Bewegung in Deutschland vom Bauernkrieg bis zur bürgerlichen Revolution 1848 vor. Dies sind wirklich Volkslieder; sie stehen in krassem Gegensatz zu dem, was uns die Bourgeoisie als Volkslieder vorsetzt, in Wirklichkeit aber von irgendwelchen Komponisten zur Benebelung des Volkes produziert wurde.
Besonderen Applaus bekam auch die Gruppe „1. Mai Ho Chi Minh“ aus München, die mit ihren Liedern der internationalen Arbeiterbewegung schon bei vielen Anwesenden bekannt war. Zwischen den Wettkämpfen traten unter anderem Freunde aus Hildesheim mit Liedern gegen die Atomkraftwerke auf.-Für die Abschlussveranstaltung hatte die Gruppe „Georgi Dimitroff“ aus Braunschweig eine Sammlung von Liedern der internationalen antifaschistischen und revolutionären Bewegung vorbereitet, Schlaglichter auf den Kampf der Volksmassen von der frühen Arbeiterbewegung, wie zum Beispiel das Lied „Casey Jones“ aus den USA über den Kampf gegen den Faschismus in Italien, Deutschland und Spanien, bis hin zu Liedern der antiimperialistischen Bewegung in Indochina und Afrika.
Magnus Reitschuster von der Vereinigung Sozialistischer Kulturschaffender aus München, der schon beim letzten Sportfest mit seinen Liedern in bayrischer Mundart die Zuschauer begeisterte, war auch diesmal wieder dabei. Sehr schade war es, dass eine Band der VSK aus Stuttgart, die extra anreiste, um mit Tanzmusik für einen lockeren Ausklang des Sportfestes zu sorgen, nicht mehr zum Auftritt kam, weil schon viele mit den Bussen abfahren mussten. Die vielfältigen kulturellen Beiträge, wozu auch ein Film über die Arbeiterspartakiade 1925 und ein Dia-Serie über die Geschichte des Sports gehörte, waren eine gute Ergänzung des sportlichen Programms und der politischen Beiträge. Sie trugen nicht unwesentlich zum Gelingen des Sportfestes bei.“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 5/1977, S. 13.
Zur „Roten Sportfront“ bzw. „Rote Sporteinheit“ soll auf die Arbeit von Torsten Kupfer: „Arbeitersportler gegen den Faschismus. Die Kampfgemeinschaft für rote Sporteinheit in Leipzig 1933 bis 1935 mit einem Exkurs zur Entwicklung der Auffassungen der Kommunistischen Partei Deutschlands und der Kampfgemeinschaft für rote Sporteinheit über die Herstellung der antifaschistischen Sporteinheitsfront 1933 bis 1935“ verwiesen werden.
„Die Rote Sportfront“ diente einst den „Einheitsfrontbestrebungen“ der KPD. Deshalb war die Losung: „Hinein in die bürgerlichen Sportvereine“ in etwa auch gleichbedeutend mit dem Kampf der KPD „gegen die Reaktion, gegen Faschismus und Krieg“. Aufgabe der „Roten Sportfronten“ war es, an „der Gewinnung aller Sporttreibenden Werktätigen“ aktiv zu partizipieren und sie in die gemeinsame „Rote Sport Front“ überzuführen, die sogar, bis zur Zerschlagung der Bewegung 1933, als „Massenorganisation“ verstanden worden war; denn es galt auch, den „sozialdemokratischen Gruppen und Organisationen“, den Boden zu entziehen.
Die „Rote Sport Front“ wieder aufgebaut, knüpft an die KPD-Sportpolitik in gewisser Weise wieder an, obwohl nicht klar wird, welche Unterschiede es etwa zwischen den „Fichte“-Sportvereinen, dem „ASV“ und wie hier, der „Roten Sport Front“, gibt. Aus dem März ist eine „Direktive des ZK des KJVD“ bekannt, die dazu aufruft, die „Rote Sport Front“ wieder aufzubauen, „damit die Stählung für den proletarischen Klassenkampf“, der „Stärkung der proletarischen Wehrhaftigkeit im Kampf für nationale Unabhängigkeit und für den Sozialismus“ erreicht wird (vgl. März 1976).
März 1976:
Im Artikel: „Die Rote Sportfront wieder aufgebaut. Direktive des ZK des KJVD“ wird mit Karl Marx daran erinnert, dass die Rolle des Sports „für die Arbeiterklasse darin zusammengefasst werden kann: „Mittel der Genesung gegen die physische Zerrüttung der Volksmassen im Kapitalismus, damit die Stählung für den proletarischen Klassenkampf, Stärkung der proletarischen Wehrhaftigkeit im Kampf für nationale Unabhängigkeit und Sozialismus.“
Abschließend erklärt die Direktive: „In der BRD wie in der DDR steht der organisierte Sport im Dienst der bürgerlichen Klassenherrschaft. Insbesondere steht er in der sozialimperialistisch beherrschten Sowjetunion, der DDR und den anderen vom Sozialimperialismus abhängigen Staaten im Dienste der Kriegsvorbereitungen der Breschnew-Bande. Die von Ernst Thälmann bestimmten Aufgaben des revolutionären Arbeitersports bestehen aber nach wie vor, heute mehr denn je. Denn heute komm es darauf an, auf dem Weg zur proletarischen Revolution in Deutschland den Kampf gegen die beiden imperialistischen Supermächte, insbesondere gegen den sowjetischen Sozialimperialismus zu führen. Der Wiederaufbau der revolutionären Arbeitersportbewegung ist ein wichtiger Beitrag dazu, dass die Arbeiterklasse die Fähigkeiten ausbilden kann, die sie braucht, um ihre historischen Ziele, das unabhängige, vereinte, sozialistische Deutschland, erkämpfen zu können.“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 3/1976, S. 8f. und 10ff.
Die „Militarisierung des Sports- und der Sportbewegung“ durch den Staat, war in der Agitation der K-Gruppen, stets ein willkommener Anlass, das „Großmachtstreben des westdeutschen Imperialismus“, „Notstand, Aufrüstung und Revanchepolitik“, „Faschisierung und Notstandsvorbereitungen“, die betrieben würden, einer scharfer Polemik zu unterziehen.
Zunächst war es die KPD/ML-ZK, die in ihrem „Aufruf zur Olympiade 1972“ (in München), die Verbindung zur „Hitlerolympiade“ 1936 zog: Aus dem „Fest des Friedens und der Völkerverständigung“ sei nichts anderes „als der Vorbote des sich zum Raubkrieg und Völkermord rüstenden deutschen Revanchismus“ geworden. Dieses „Friedensfest“ würde in München durch „Polizeiknüppeln und Militärs dirigiert“. 1972 zeige wie 1936, dass „Deutschland wieder bis an den Zähnen bewaffnet ist“ (vgl. 28. August 1972).
Die „Fratze der Notstands- und Kriegsolympiade“, sei in München durch „Tausende deutsche Klassenkämpfer“ zu einer „Klassenkampfolympiade“ gemacht worden. Die „Militarisierung der Olympiade“, stehe im Zusammenhang mit den „aggressiven Machenschaften des westdeutschen Revanchismus“, dem eine eindeutige Abfuhr erteilt worden war (vgl. 25. September 1972).
Die „Kämpfende Jugend“ des KJVD, beschäftigte sich im Juli 1975 mit der „Sporthochschule der Bundeswehr“ in Warendorf. Der Artikel stand unter dem Motto: „Bonner Plan: Höchstleistung durch Militarisierung des Sport“. Mit Hilfe der Bundeswehr soll das „angeschlagene Schiff“ (der BRD-Profisport, d. Vf.) „wieder flott gemacht werden“. Und natürlich darf auch der agitatorische Schlussspurt nicht fehlen; denn „Imperialismus ist Stagnation und Fäulnis, das zeigt auch der Sport. Für die beiden Supermächte Sowjetunion und USA, aber auch für andere kapitalistische Staaten heißt Sportpolitik: Weltrekordler heranzüchten, Massensport vernachlässigen, den Sport einsetzen als Mittel der Spaltung und Niederhaltung der Volksmassen“ (vgl. 9. Juli 1975).
So diene auch die DKP- SDAJ-Sportpolitik der „ideologischen Beeinflussung, der nationalistischen Propaganda, der Militarisierung und der imperialistischen Aggression“. Sport ist auch in den Ländern des Ostblocks, speziell der „Sowjetunion und DDR“ zu „einer Quelle riesiger Profite geworden“, wo mit Doping und anderen unerlaubten Mitteln der „bürgerliche Sportbetrieb“ auf die Spitze getrieben wird. Dass die Floskel vom „faschistischen Sportbetriebs in der DDR“, dem „der Kampf angesagt werden“ müsse und die „Arbeitersportbewegung“, die „gegen die modernen Revisionisten von DKP/ SDAJ“ wieder aufgebaut werden müsse, möglicherweise nationalsozialistischen Gedankengängen entsprach, könnte sich etwa aus dem besonderen Verhältnis der K-Gruppen zum „vereinten, einheitlichen deutschen Staat“, zum „vereinigten sozialistischen Deutschland“, zum „Bau der Mauer“ (vgl. die dazu die Agitation der KPD/ML) usw. ergeben. Die „Züchtung von Volksgenossen“, die dort betrieben würde, lag mitunter gar nicht mal so weit vom Vokabular der Nationalsozialisten entfernt (vgl. Februar 1977).
Der „Arbeiterkampf“ widmete sich in einem seiner Artikel mit dem „Fußball unter dem Hakenkreuz“. Neue Erkenntnisse über die Verquickung, etwa des Vereins Schalke 04 unter Fritz Szepan und Ernst Kuzorra mit dem nationalsozialistischen System, fehlen hier, konnten aber auch zum damaligen Zeitpunkt nicht erwartet werden (vgl. 16. März 2000).
28.08.1972:
Der „Rote Morgen“ Nr. 17/1972 vom 28. August mit der zentralen Überschrift: „Aufruf des Zentralkomitees zur Olympiade 1972“ erscheint.
Ausgeführt wird u. a.: „Das ZK der KPD/ML ruft Euch auf, sammelt Euch in den Tagen des 2. und 3. September massenhaft an den Orten der Kriegsolympiade München und Kiel. Das große olympische Spektakel soll seine Neuauflage erhalten. Vor der ganzen Welt zeigt sich der alte deutsche Imperialismus heute im Gewand der BRD wieder in seinem alten Großmachtstreben. Damals, drei Jahre nach der Hitlerolympiade, am 1. September 1939, entfesselten die deutschen Imperialisten den Zweiten Weltkrieg. Damals wie heute wurde die Olympiade als das Fest des Friedens und der Völkerverständigung gefeiert, damals wie heute aber ist die Olympiade in Deutschland nichts anderes als der Verbote des sich zum Raubkrieg und Völkermord rüstenden deutschen Revanchismus.
Deshalb: Schließt Euch zusammen zu machtvollen Kampfdemonstrationen gegen imperialistische Unterjochung und Völkermord, gegen die Massenmilitarisierung, Faschisierung und die Notstandsvorbereitungen der Kapitalistenklasse und ihrer SPD/FDP-Regierung, gegen die Aufrüstungspolitik, die revanchistischen Kriegspläne und das Großmachtstreben des westdeutschen Imperialismus. Zeigt den Völkern der Welt, die ihre Blicke nach München und Kiel richten: Die werktätigen Volksmassen, die werktätige Jugend, die fortschrittlichen Studenten und Schüler Westdeutschlands und Westberlins sagen NEIN zu dem verlogenen Olympiarummel in München und Kiel, hinter dem sich die raubgierige Mörderfratze der imperialistischen Volksschlächter, hinter dem sich besonders die abscheuliche Visage der imperialistischen westdeutschen Kriegstreiber und Revanchisten verbirgt. Klassenbrüdern in aller Welt: Das deutsche Volk reiht sich ein in die Kampffront der Völker der Welt gegen den US-Imperialismus, gegen den bestialischen Aggressionskrieg der Nixon Bande in Vietnam.
Ruft es an jenem Tag hinaus in die ganze Welt: Auch wir, das deutsche Volk, stehen auf der Seite der unterdrückten Völker, auch wir kämpfen entschlossen gegen den US-Imperialismus, den sowjetischen Sozialimperialismus und ihre Komplizen. Schließt Euch zusammen gegen die revanchistischen Kriegspläne der Krupp, Thyssen, Mannesmann und Abs. Die deutschen Werktätigen werden die Gewehre nicht gegen ihre Klassenbrüder in der DDR und in anderen Ländern richten. Diesmal werden wir die Gewehre umdrehen.
Hoch die internationale Solidarität!
Es lebe der Sieg im Volkskrieg!
Gegen Rassismus und nationalistische Hetze!
Ausländische, schwarze, weiße und braune Arbeiter: Eine Arbeiterklasse!
Während von allen Tribünen und Kanzeln das hohe Lied vom olympischen Frieden gesungen wird, probt die westdeutsche Bourgeoisie in München und Kiel den Notstand. Aus Angst vor der Stimme des Volkes hat sie ein Gesetz zur Wahrung des olympischen Friedens geschaffen, ein Gesetz für den Frieden der Bourgeoisie. Mit riesigen Polizei- und Militäreinheiten versuchen sie ihr olympisches Schauspiel abzuziehen. Aber alle diese faschistischen Terrormaßnahmen von Vorbeugehaft bis zum Polizeiknüppel werden ihnen diesen Frieden nicht sichern! Die Arbeiterklasse wird dieser Gewalt ihre revolutionäre Gewalt entgegensetzen.
Im München heißt es: Auge um Auge, Zahn um Zahn! Daran können auch die Arbeiterverräter der revisionistischen DKP, daran können auch die DGB-Bonzen nichts ändern, die nichts unversucht lassen, um der Arbeiterklasse einzureden, der olympische Zirkus der Imperialisten würde zur Völkerverständigung beitragen, wäre ein Friedensfest. Ein Friedensfest, für das den Werktätigen Milliarden aus der Tasche gestohlen werden? Ein Friedensfest, das von Polizeiknüppeln und Militärs dirigiert wird? Nein! Kein Friede den Kapitalisten, so heißt unsere Parole.
Arbeiter, werktätige Bauern, werktätige Jugend, Angestellte, Hausfrauen, Schüler und Studenten Westdeutschlands und Westberlins, wir rufen Euch auf: Demonstrieren wir, unbeirrt vom Demonstrationsverbot und Bannmeile unter den Losungen:
Nieder mit der Kriegsolympiade 1972!
Nieder mit dem US-Imperialismus und dem sowjetischen Sozialimperialismus!
Nieder mit den Bonner Revanchisten!
Kampf für den Arbeiterstaat bis zum Sieg!
Es lebe die Diktatur des Proletariats!
Kampf der Massenmilitarisierung!
Krieg dem imperialistischen Krieg!
Für ein vereinigtes und unabhängiges sozialistisches Deutschland!
Beteiligt Euch an den Demonstrationen in München am 2. September um 14 Uhr: Treffpunkte: München Haidhausen, Pariser Platz und München-Au, Edlinger Platz. Schlusskundgebung: 16.30 Uhr am Marienplatz.
Demonstration in München am 3. September um 11 Uhr. Treffpunkt: Hauptbahnhof. Schlusskundgebung: 14.00 Uhr am Olympia-Zentrum.
Demonstration in Kiel am 2. September um 10.. Uhr. Treffpunkt und Schlusskundgebung am Vinetaplatz.“
Zeigt den Völkern der Welt, die nach München und Kiel schauen: Das deutsche Volk will kein neues 1936 und erst recht kein neues 1939. Das deutsche Volk ist gegen jeden Völkerhass, gegen jede nationalistische Überheblichkeit, gegen den mörderischen Wahnsinn des Rassismus.
In einer Rubrik unter „Profitrekorde“ zu den olympischen Spielen, heißte es: „Statt der geplanten 10 Millionen DM für die 2,2 km lange künstliche Ruderstrecke in München-Feldmoching kostete das Projekt 69 Millionen. 24 Millionen verschlang die Schießanlage in München-Hofbrück, die Reitanlage in München-Riem mehr als das Zehnfache des gedachten Betrages. Einige internationale Sportverbände änderten extra ihre Regeln, um zu aufwendigen Bauten zu kommen. Aber in den folgenden Jahren kletterten die Hochrechnungen rapide hoch. Inzwischen soll allein das Olympiadach an die 200 Millionen DM kosten. Noch wie war der technische Aufwand für die Berichterstattung größer als bei dieser Olympiade. Es werden spezielle Journalisten-Flugverbindungen zwischen Kiel und München hergestellt. In München und Kiel wurden aufwendige Fernsehzentren errichtet, die die Kosten pro Fernsehminute in die Höhe treiben, mehr als 30.000 DM pro Sendeminute.
Die Konstruktion des Olympiadachs musste extra geändert werden, weil die Fernsehleute ein schattenfreies Bild haben wollten. Die Architekten konnten wiederum einen Auftrag von 10 Millionen DM in die Tasche stecken.
Es erscheint auch der Artikel: „Es lebe die revolutionäre Arbeitersportbewegung.“ Ausgeführt wird u. a.: „Um 16.45 pfiff der Schiedsrichter das Spiel ab. Wattenscheid 09 hatte im Regionalspiel gegen Siegen 0:2 verloren. Um 17.15 stand das Stofflager und die Fabrik des Textilfabrikanten und Vereinsvorsitzenden von Wattenscheid 09 in Flammen. Kapitalist und Vereinsvorstand Steilmann ist sich sicher, dass das Brandstiftung durch einen enttäuschten Vereinsfanatiker war.
Vereinsfanatiker? Die Arbeiterklasse liebt den Sport. Aber nicht einen Sport, bei dem die Kapitalisten das Heft in der Hand haben. Was ist denn das noch für ein Sport bei uns? Erst zahlt man die teuren Eintrittskarten und dann muss man sich bei jedem Fehlpass fragen: Was hat der wohl dafür bekommen?
Und man kann ja zufrieden sein, wenn man sonnabends wenigstens die Vereinsfahne schwingen kann. Wer kann denn nach 5 Tagen Arbeitshetze und Knochenarbeit noch selbst auf dem Rasen wetzen? Und wo soll er denn, wo es kaum Sportanlagen gibt! Wer trotzdem aktiv wird, der wird zu einer Hochleistungsmaschine getrimmt, dass er allen Spaß verliert. Wenn es zum sportlichen Wettkampf kommt, hat einen die Antreiberei und Konkurrenzideologie schon soweit geschafft, dass man am liebsten das Messer mit auf den Rasen nimmt. Nein, unser Sport hier ist durch den Kapitalismus versaut. Was wir brauchen ist ein eigener Arbeitersport.
Keinen Arbeitersport wie in der DDR. Dort gibt es genauso hochgezüchtete Leistungsmaschinen wie unser Gewichtsheber Rudolf Mang, der bis zur Olympiade noch 50 Pfund zunehmen muss und eine Medaille gewinnen muss – wenn nicht, bekommt er seine Sporthilfe gesperrt. Dort gibt es auch eine Elite, die Prämien bis zu 20.000 Mark von SED-Funktionären nach einem Sieg in die Hand gedrückt bekommen. Mit privilegierten Studienplätzen, Befreiung von Fabrikarbeit und Militär werden drüben auch Sportidole herangezüchtet, die einem den Spaß am Sport verlieren lassen …
Auch für die Kapitalisten ist der Sport eine Vorbereitung für den Militärdienst, aber eben für ihr Militär, für ihre Raubkriege. Darum hat auch die deutsche Arbeiterbewegung schon von Anfang an ihre eigenen Sportverbände aufgebaut. 1922 nahmen am Ersten Deutschen Arbeiterturn- und Sportfest 100.000 aktive Arbeitersportler teil, darunter allein 15.000 ausländische Arbeitersportler. Die Arbeitersportler kämpften 1918 für die Revolution. 1921 in eigenen Brigaden gegen Kapp. Als 1921 das sowjetische Volk Hilfe brauchte, wurden in Berlin allein durch Sportveranstaltungen 20.000 Mark aufgebracht.
1925 fand in Frankfurt die Erste Arbeiterolympiade statt. In ihrem Programm hieß es: „Unsere Olympiade ist von einem Gedanken getragen, dem Gedanken der Völkerverständigung- und Versöhnung. Bei uns ringen nicht Nationen gegeneinander, sondern Sportgenossen aller Länder miteinander. Wir sind alle eines Geistes, eines Wollens und eines Blutes. Wir haben denselben Feind, den Kapitalismus, der den Nationalismus erzeugt und (sich) an seinen Brüdern nährt. Nicht Nationen werden bei uns siegbekränzt, nicht ihre Fahnen wehen uns voran, sondern Brüder und Schwestern der Not vereinen sich unter den Fahnen des Sozialismus.“
Und beim Einmarsch der Teilnehmer der Ersten Arbeiterolympiade wurde vornweg das Transparent getragen: Nieder mit dem imperialistischen Krieg!“
Q: Roter Morgen Nr. 17/1972, S. 1f.; 6 und 9.
25.09.1972:
Es erscheint der „Rote Morgen“ Nr. 19/1972 vom 25. September. Im Leitartikel: „Bourgeoisie fordert KPD/ML-Verbot“, heißt es zu Olympia: „Die Krise des BRD-Imperialismus spitzt sich zu. Gab es ein deutlicheres Zeichen dafür als das totale Scheitern seiner Olympiapläne. Geplant war wie 1936 mit Friedens- und Freundschaftsphrasen die Völker der Welt und das eigene Volk über die wahren Absichten des BRD-Imperialismus zu täuschen: Über Großmachts- und Revanchepolitik. Die Friedensmaske wurde den BRD-Imperialisten herabgefetzt. Die blutige Fratze des Imperialismus kam hervor. Es wird ihm immer weniger möglich sein, sie wieder zu verhüllen.
Im Artikel: „Die Fratze der Notstands- und Kriegsolympiade“, heißt es u. a.: „Heinemanns Appelle, Sport und Olympia dürfen nichts mit Politik zu tun haben, sind wie lächerliche Seifenblasen zerplatzt. Die „heiteren Spiele“ wurden zu einer Klassenkampfolympiade. Das Konzept der Imperialisten, mit der Olympiade vom Kampf der Völker um Freiheit abzulenken und die Völker über die kriegerische Fratze aller Imperialisten zu blenden, wurde zerschlagen. Während Sportler aus Afrika, USA, Nordirland usw. auf der Tribüne Olympias, vor den Augen der Welt, ihre Unterdrücker anklagten, demonstrierten auf den Straßen Münchens Tausende deutsche Klassenkämpfer gegen den gleichen Feind. Die besondere Aufgabe der deutschen Kommunisten und Demokraten am Antikriegstag 1972 war, die Völker der Welt auf die aggressiven Machenschaften des westdeutschen Revanchismus hinzuweisen, der nach außen die Unabhängigkeit der Völker bedroht und nach Innen das Schwert des Faschismus richtet. Diese Aufgabe wurde im Wesentlichen erfüllt.
Das klassenbewusste Proletariat demonstrierte kampfentschlossen seine Pflicht des proletarischen Internationalismus, indem 6.000 Demonstranten vor dem Feind im eigenen Land, dem westdeutschen Imperialismus, keinen Zentimeter zurückwichen. Über die Absperrung hinweg wurde den kämpfenden Völkern die Hand gereicht … Die Völker der Welt wissen sehr wohl zu unterscheiden zwischen den kriegerischen und blutigen BRD-Imperialisten und dem friedliebenden deutschen Volk. So wurde keine Woche nach der Demonstration zum Roten Antikriegstag in Paris ein Solidaritätskomitee für die Münchener Klassenkämpfer gegründet. Viele Arbeiter und Werktätige haben durch diese Olympiade erkannt, dass es Zeit wird, sich gegen den wiedererstarkten deutschen Imperialismus und Militarismus zu erheben. Die Arbeiterklasse hat durch diese Olympiade auch sehr wohl zu unterscheiden gelernt zwischen jenen Kommunisten, die das Trugbild vom friedliebenden Imperialismus proagieren und jenen, die nach der Parole handeln: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Die KPD/ML hat sich in ihrem Kampf als Vorhut der deutschen Arbeiterklasse erwiesen. Notstandstruppen raus aus München! Straße Frei! Für Rede- und Versammlungsfreiheit! Proletarische Gewalt gegen faschistischen Terror! Kämpft die Straße frei! Den Frieden sichert nur die proletarische Diktatur! Krieg dem imperialistischen Krieg!
Im Artikel zur Geiselnahme während der olympischen Spiele „Nieder mit dem Terrorismus der westdeutschen und israelischen Bourgeoisie“ führt der „Rote Morgen“ aus:
„In der BRD wurde während der Olympiade in München die grässliche Fratze des deutschen Faschismus wieder erkennbar. Der westdeutsche Imperialismus reichte dem israelischen Faschismus die Hand. 8 junge Araber wollten die Olympiade dazu benutzen, um 200 ihrer Landsleute aus israelischen Konzentrationslagern und Folterkammern zu befreien. Ob die Geiselnahme, ob die Bedrohung von israelischen Sportlern, die richtige Methode war, um der Sache des palästinensischen und arabischen Freiheitskampfes zu dienen, das darf nicht die erste Frage der klassenbewussten Arbeiter aus Deutschland sein.
Die Organisation „Schwarzer September“ vertritt anarchistische Auffassungen. Als Kommunisten verurteilen wir den Anarchismus als antimarxistische Strömung. Aber von dieser Ecke kommt nicht die große Gefahr. München war nicht nur ein zweites 1936: Der erneute Versuch des deutschen Imperialismus, die Völker der Welt und das eigene Volk über seine aggressive Großmachtpolitik und Revanchepläne hinwegzutäuschen. München war auch ein Meilenstein auf dem Weg zu einem zweiten 1933. Notstandsterror und faschistische Hetze sind die Antwort der Bourgeoisie darauf, dass ihre Friedensmaske währen des olympischen Spektakels vor den Augen der Welt heruntergerissen wurde.
Die westdeutschen Imperialisten zeigen unverhüllt ihre faschistische Gesinnung. Blut muss fließen, um der Welt klarzumachen: Wir können auch anders … Und gleichzeitig wurde eine faschistische Hetzpropaganda entfesselt, die direkt an die Propagandakampagne bei der Baader-Meinhof-Jagd anknüpfte. Heinemann ließ es sich nicht nehmen, als erster den Startschuss zur Pogrom-Hetze zu geben, als er den arabischen Staaten die Schuld am Massaker gab. Nicht die deutschen Killer haben das Blutbad auf dem Gewissen, nein, das waren die Araber. Aus allen bürgerlichen Schmierblättern wird aufgerufen zu Kundgebungen gegen den arabischen Terrorismus. Die Demonstration der KPD/ML zum Antikriegstag in München wurde niedergeknüppelt, antifaschistische Kundgebungen im KZ-Dachau wurden niedergeknüppelt, aber jetzt plötzlich rief die ganze Bourgeoisie heuchlerisch die ehrlichen Gefühle der Massen gegenüber den Millionen von jüdischen Opfern des Hitlerfaschismus wach. Stunde um Stunde, tagelang ertönten auf allen Radio-Kanälen israelische Trauerlieder … Nieder mit dem Terror der Bourgeoisie! Nieder mit der faschistischen Hetze!“ Es lebe der Freiheitskampf der arabischen Völker.“
Q: Roter Morgen Nr. 19/1972, S. 1f.; 5 und 8.
09.07.1975:
In der „Kämpfenden Jugend“ Nr. 13/14/1975 vom 9. 7., erscheint der Artikel: „Bonner Plan: Höchstleistung durch Militarisierung des Sport!“
Ausgeführt wird: „In Warendorf steht eine besondere Kaserne: Die Sportschule der Bundeswehr. Ende 1976 wird sie völlig fertiggebaut sein, 65 Millionen DM hat Minister Leber dafür zur Verfügung gestellt. Hammerwerfer Karl-Heinz Riehm, der zu Pfingsten den Weltrekord gleich sechsmal hintereinander übertraf, Peter Nockle, Michael Kusch und andere Spitzenschwimmer, immer mehr Spitzensportler der BRD, jetzt sogar Frauen wie Leichtathletin Ellen Wellmann, werden dort unter Bundeswehrführung zusammengefasst. Schon heute stehen bei der Sportlerförderung durch die Bundeswehr 509 Plätze zur Verfügung. Die Absicht der Schmidt-Regierung: Mit Hilfe der Bundeswehr soll das angeschlagene Schiff wieder flott gemacht werden. Denn in der internationalen Konkurrenz kommen die westdeutschen Spitzensportler immer weniger mit.
Imperialismus ist Stagnation und Fäulnis, das zeigt auch der Sport. Für die beiden Supermächte Sowjetunion und USA, aber auch für andere kapitalistische Staaten heißt Sportpolitik: Weltrekordler heranzüchten, Massensport vernachlässigen, den Sport einsetzen als Mittel der Spaltung und Niederhaltung der Volksmassen. Um das Heranzüchten von Weltrekordlern hat sich die Bonner Regierung in der ganzen Vergangenheit weit weniger gekümmert als andere kapitalistische Regierungen. Jetzt drücken die Folgen: Abgesehen von Ausnahmen wie Fußball, wird die Titel- und Medaillenausbeute der BRD-Sportler bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften immer geringer.
Innenminister Maihofer hat auf einer Sportdebatte des Bundestages Mitte November 74 die Losung ausgegeben, der Sport sei „eine der Hauptsachen nationaler Identifikation und Repräsentation“ und 2Gradmesser für die Leistungsfähigkeit des jeweiligen politischen Systems“. Gemeint war aber nicht der Sport insgesamt, etwa der Schulsport z. B. den die Schmidt-Regierung vernachlässigt und stattdessen lieber teure Fußballstadien für die Profis baut. Gemeint war der Spitzensport. Maihofer bekräftigte selbst:
„Die überwiegenden Aktivitäten meines Hauses auf dem Gebiet der Sportförderung beziehen sich, wie sie ja wissen, auf den Spitzensport.“
Gemäß dieser reaktionären Linie wird jetzt die Bundeswehr herangezogen. Nicht etwa, dass die sportliche Ausbildung der Masse der Soldaten durch die Bundeswehr damit verbessert würde. Das wäre ja sehr zu begrüßen. Aber für die Masse der Soldaten ist der Sport nichts als ein Mittel der Erniedrigung und Unterdrückung. Auf Hindernisbahnen und beim kommandierten Liegestütz und Entengang, werden sie nicht körperlich fit gemacht, sondern lahm und steif. Außerdem soll ihnen dort das Rückgrat gebrochen werden, wenn es nicht im täglichen Dienst schon gelungen ist.
Die Soldaten der Bundeswehrsportschule Warendorf dagegen haben mit dem Leben der einfachen Soldaten wenig gemeinsam. Privilegiert, wie sie sind, werden sie von der militärischen Ausbildung weitgehend freigestellt … Der kapitalistische Leistungssport wie ihn die Schmidt-Regierung jetzt noch verstärken will, ist eben nicht gedacht für die Masse des Volkes … Nur durch umfassende Privilegien, durch völlige Lostrennung von dem Leben der Volksmassen, kann die Bourgeoisie ihre Spitzensportler auf Leistung trimmen. Die Sowjetunion und die USA führen das beispielhaft vor, und die Sportpolitik der Schmidt-Regierung, den westdeutschen Spitzensport wieder aufzupäppeln, besteht darin, das nachzuäffen.“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 13/14/1975, S. 6.
Februar 1977:
In der „Kämpfenden Jugend“ Nr. 2/1977 wird zur DKP-SDAJ und Sportpolitik ausgeführt:
„Eigentlich doch kein Unterschied, könnte man glauben. Denn, auch, wenn man sich ihre Sportfeste ansieht, auf denen der „elan-Pokal" ausgespielt wird - auch sie haben scheinbar keinen anderen Charakter als der übliche bürgerliche Rummel. Auf der anderen Seite finden sich dann Stellungnahmen, die dem „unpolitischen Sport“ eine Absage erteilen. Hermann Gautier, stellvertretender DKP-Vorsitzender, erklärte auf einem Sporttreffen der Revisionisten 1971, es gehe der DKP darum, dass der Sport ‚, nicht für die Interessen des Großkapitals missbraucht wird“. Sie können nicht umhin, zuzugeben, dass auch der- Sport wie jede andere Erscheinung in der Klassengesellschaft Klassencharakter trägt, dass der bürgerliche Sport dem „Großkapital“ dient. Das war schon immer so, und erst recht im Imperialismus, wo sich die Monopolbourgeoisie durch ihren Staat alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens verstärkt unterwirft. Das zeigt sich daran, dass der Sport in allen imperialistischen Ländern zu einer Quelle riesiger Profite geworden ist, aber auch daran, dass er der ideologischen Beeinflussung, der nationalistischen Propaganda, der Militarisierung und der imperialistischen Aggression dient. Gerade die Lüge vom unpolitischen Sport soll das verbergen.
Als die sozialdemokratischen Führer 1946 verkündeten, eine Arbeitersportbewegung sei nunmehr überflüssig geworden, weil „in einem wirklich demokratischen Staat, kein Anlass zu einer klassenmäßigen Scheidung im Sport vorlieg“ - da war dies nichts anderes als die verhüllte Absichtserklärung, den Sport voll und ganz in den Dienst der Bourgeoisie zu stellen. Die Arbeiterklasse sollte zugleich daran gehindert werden, zu erkennen, welche wichtige Waffe ihre selbständige Organisierung im Sport ist - mit dem Ziel, den Sport ihren Klasseninteressen unterzuordnen, ihn als Waffe für ihren wirtschaftlichen und politischen Kampf zu nutzen, den bürgerlichen Sport zu bekämpfen. Nichts anderes machen die modernen Revisionisten, wenn sie, besonders an die Jugend gewandt, propagieren, „den Sport“ von den Interessen der Bourgeoisie und ihres Staates zu trennen.
Das ist nichts als eine Neuauflage der Theorie vom „klassenneutralen Sport“, die sie mit demselben Ziel ausgraben wie alle anderen Reaktionäre: Um die Massen an den bürgerlichen Sportbetrieb zu fesseln, die Notwendigkeit der selbständigen Organisierung im Sport vergessen zu machen, und sich der Bourgeoisie als diejenigen mit den wirkungsvollsten Konzepten zur Ausrichtung anzudienen. Sie verteidigen sowohl den bürgerlichen Spitzen- als auch den Breitensport. Oder dient der von Zuwendungen der Kapitalisten und ihrem Staat abhängige, die Konkurrenz und Spaltung vertiefende, der politischen Kontrolle reaktionärer Sportfunktionäre unterliegende „Breitensport“ in der BRD der Arbeiterklasse? Und was bedeutet es anderes als die Verteidigung des bürgerlichen Spitzen- und Leistungssports, wenn die DKP fordert, dass verstärkt zentrale und regionale Leistungszentren durch den Bund einzurichten sind, um möglichst allen Hochleistungssportlern ausreichende Trainingsbedingungen zu gewähren, wie es in den „Sportpolitischen Leitsätzen“ heißt? Wem soll das sonst dienen als dem bürgerlichen Sport betrieb in der BRD? Das liegt voll und ganz auf der Linie der „antimonopolistischen Demokratie“ der DKP/SDAJ: Mit der Lüge, der imperialistische Staat könne für die Arbeiterklasse und die Werktätigen „umfunktioniert“ werden - wenn nur die richtigen Leute am Drücker sind - versuchen sie selbst, an der Unterdrückung und Knebelung der Volksmassen teilzuhaben, mit dem Ziel, eine faschistische Diktatur a la Sowjetunion und DDR zu errichten …“
Zur Militarisierung des Sportbetriebs in der DDR heißt es: „Und über den Charakter des „Breitensports“ in der DDR gibt die halbmilitärische Zwangsorganisation „Gesellschaft für Sport und Technik“ Auskunft: Er dient der „Vermittlung militärpolitischer und militärtechnischer Kenntnisse und der unmittelbaren physischen Vorbereitung auf den Wehrdienst.“ Besser kann man die Militarisierung des Sportbetriebs in der DDR nicht charakterisieren! Der Breitensport dient den Kriegsvorbereitungen und dem Militarismus, damit die DDR-Truppen wie 1968 bei ihrem Überfall im Rahmen der Warschauer Pakt-Truppen auf die CSSR jederzeit schlagkräftig sind.
Das ist nichts anderes als bürgerlicher Sportbetrieb auf die Spitze getrieben. Dem bürgerlichen Sportbetrieb in der BRD und der Militarisierung des faschistischen Sportbetriebs in der DDR muss der Kampf angesagt werden, und die DKP/ SDAJ-Revisionisten als Verteidiger des kapitalistischen Sportbetriebs in Ost und West entlarvt und bekämpft werden. Der Kampf um eine demokratische Sportbewegung, um die Wiederaufrichtung der Arbeitersportbewegung muss gegen die modernen Revisionisten von DKP/ SDAJ geführt werden!
„Den Kampf um eine antimonopolistische Demokratie zu führen, heißt für uns Kommunisten auch, den Kampf um die Demokratisierung des Sports in der Bundesrepublik aufzunehmen“, so schreibt die „ZU“ und die SDAJ bläst ins gleiche Horn: „Sport ist ein Grundrecht der Jugend“. Doch was verbirgt sich hinter der „antimonopolistischen Demokratie“ anderes als der Plan, einen Staat zu errichten, wie er heute bereits in der Sowjetunion und der DDR existiert - eine sozialfaschistische Diktatur. Nicht die Verräter am Kommunismus, die Agenturen Breschnews, die DKP/ SDAJ, stehen heute in der Tradition der revolutionären Arbeiter- und Volkssportbewegung. Es ist an uns, das Banner der revolutionären Arbeitersportbewegung heute gegen die modernen Revisionisten wieder zu erheben …!“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 2/1977, S. 4ff.
16.03.2000:
Im „Arbeiterkampf-Zeitung für linke Debatte und Praxis“ vom 16.3, erscheint der Artikel: „Fußball unterm Hakenkreuz. 100 Jahre Fußball in Deutschland.“
Ausgeführt wird u. a.: „Schon Ende der zwanziger Jahre zählte der Deutsche Fußball-Bund annähernd eine Million Mitglieder, die in „bürgerlichen“ Clubs und Vereinen der Arbeiterbewegung aktiv waren. Deren „Gleichschaltung“ begann unmittelbar nach dem Machtantritt der Nazis. Was den Sport allgemein anbelangt, so diente er den Nazis als Mittel nationaler Selbstdarstellung und Überhöhung sowie zur totalen Durchmilitarisierung der Gesellschaft, wofür die militaristische Tradition des deutschen Sportbetriebs genügend Anknüpfungspunkte bot. Des Weiteren entwickelte der Nationalsozialismus die massenintegrative und disziplinierende Funktion des Sports weiter. Dies war zwar auch schon zu Weimarer Zeiten Gegenstand staatlicher Sportpolitik gewesen, jedoch auf Grund der Existenz der Arbeitersportbewegung an gewisse Grenzen gestoßen.
Was den Fußball betrifft, so bewirkte der Nationalsozialismus vor allem zweierlei: das Ende des „wilden“ Straßenfußballs und die Schaffung einer Monopolstellung für den DFB. Aus der Sicht des totalitären Staates erschienen Straßenmannschaften, die sich außerhalb jeder offiziellen Kontrolle bewegten und auch gesellschaftliche Außenseiter integrieren konnten, als eine Bedrohung für das staatliche Gefüge. Vereine besaßen im Gegensatz zu den „wilden“ Straßenmannschaften Satzungen und greifbare Vorstände, waren relativ problemlos gleichzuschalten und kontrollierbar. Allerdings sollte es den Nazis nicht gelingen, der wilden Balltreterei der Arbeiterjugend vollends den Garaus zu machen.
Während die Organisationsform des Vereins erheblich aufgewertet wurde, nahm die Zahl der Vereine und der in ihnen aktiven Fußballspieler in einer proletarischen Region wie dem Ruhrgebiet deutlich ab …Im Gegensatz zu den Sportorganisationen der Arbeiterbewegung, aber auch den konfessionellen Verbänden blieb der DFB weitgehend unbehelligt. Der bürgerliche Fußballverband wurde lediglich „gleichgeschaltet“ und war nun als „Fachamt Fußball“ noch eine Unterabteilung im „Reichsausschuss für Leibesübungen“ …
Der DFB verhielt sich gegenüber dem NS-Regime nicht anders als andere Teile des nationalkonservativen Lagers. Anpassung, nicht selten gar vorsorgliche willige Erfüllung möglicher zukünftiger Forderungen der Nazis sollten die eigene Haut retten und die totale Vereinnahmung und Unterwerfung bremsen. Allerdings waren ideologische Affinitäten zum Faschismus nicht nur bei den Turnern, sondern auch beim DFB bereits vor 1933 sichtbar geworden. Die deutsch-nationale Prägung des Verbands erleichterte das Arrangement mit den neuen Machthabern …
Gegenüber den Arbeitersportlern schwang die nationalsozialistische Sportpolitik nicht nur den Knüppel der Repression, sie machte ihnen auch Angebote zur Integration. Zwar wurden ehemalige Mitglieder der sozialdemokratischen und kommunistischen Arbeitersportbewegung in den neuen Sportvereinen nur akzeptiert, wenn sie sich zuvor einem entwürdigenden Abschwörungs- und Loyalitätsritus unterzogen …Die Nazis wollten sich die sportliche Potenz der Arbeitersportbewegung zu Nutze machen … Das Werben der Nazis galt vor allem den Fußballern. Das Vorgehen des Regimes gegenüber den Arbeitersportlern entsprach den propagandistischen und strategischen Inhalten des NS-Sports: Zum einen sollte der Sport dazu dienen, germanische/arische Leistungsfähigkeit und Überlegenheit zu demonstrieren und die Identifikation der Bevölkerung mit dem Regime zu erhöhen. Zum anderen und zugleich wurde er - was die Übertritte von Arbeitersportlern erleichterte - bewusst entpolitisiert, um als Medium der Ablenkung und Zerstreuung zu dienen.
In dieser Hinsicht konnte der Nationalsozialismus wohl einen seiner größten Erfolge verzeichnen. Das Phänomen, dass noch heute große Teile der NS-Generation bezüglich der Jahre nach 1933 vor allem über die großen Erfolge der Schmelings, Rosemeyers, Caracciolas, Szepans und Kuzorras zu berichten wissen, ohne dabei zugleich auch die politischen Verhältnisse jener Zeit kritisch zu reflektieren, bestätigt dies nur. Das berühmteste Beispiel für die Vereinnahmung von Spitzensportlern aus der Arbeiterschaft durch das Nazi-Regime ist sicherlich Schalke 04. Zwischen 1933 und 1944 gewannen die „Knappen“ sämtliche elf Gaumeisterschaften. Die unglaubliche Dominanz Schalkes in der Gauliga Westfalen wird auch daraus ersichtlich, dass vier dieser Meistertitel mit lediglich einem Minuspunkt (in 18 Spielen) errungen wurden. Des weiteren fallen nicht weniger als sechs der insgesamt sieben von Schalke gewonnenen Deutschen Meisterschaften in die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft (1934, 1935, 1937, 1939, 1940, 1942), darunter auch die erste sogenannte Großdeutsche Fußballmeisterschaft von 1939 (9:0 Sieg gegen Admiral Wien vor 100.000 Zuschauern in Berlin), die gemeinhin als größter Triumph der Königsblauen betrachtet wird.
In welchem Ausmaß die zeitliche Parallelität von Schalker Erfolgsära und Nazi-Herrschaft Zufall und inwieweit sie ein Produkt bewusster sportpolitischer Intervention war, ob die Schalker Triumphe mehr eine von den Nazis propagandistisch funktionalisierte Gelegenheit oder aber diese Gelegenheit gar von ihnen selbst herbeigeführt wurde, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit klären. Da sich der Schalker Aufstieg aber bereits einige Jahre vor der nationalsozialistischen Machtübernahme und in einem gänzlich anderen politischen Milieu abzuzeichnen begann, dürfte allemal falsch liegen, wer die Erfolgsära der „Knappen“ ausschließlich als nationalsozialistisches Retortenprodukt interpretiert. Auch die Tatsache, dass die Schalker nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Zusammenbruch des NS-Regimes ihre große Ära nicht mehr fortsetzen konnten, taugt kaum als Indiz für diese Interpretation, da dies mit allgemeineren sozial-geographischen Verschiebungen in der deutschen Fußballlandschaft zusammenhing.“
Und: „Mit Schalke 04 siegt die Volksgemeinschaft. Schalkes Charakter eines „bürgerlichen Arbeitervereins“ hat seine Integration und Instrumentalisierung durch die Nazis zweifellos erleichtert. Ansätze für ihre Vereinnahmungspolitik erblickten die Nazis aber auch im Schalker Spielstil, wenngleich dies ziemlich hergeholt war. Die Nazis benutzten Schalke, um ihr Bild vom deutschen Arbeiter - gekennzeichnet durch harten Einsatz in der Produktion und unbedingtes Pflichtbewusstsein gegenüber der „Volksgemeinschaft“ -, zu transportieren und ihre Ertüchtigungsideologie und deren Erfolgsträchtigkeit zu propagieren. Neben der propagandistischen Unterstützung kamen die Schalker aber auch zuweilen in den Genuss direkter Hilfeleistungen durch das NS-Regime, obwohl hierüber wenig überliefert ist. So wurde im vierten Kriegsjahr der vom VfL Osnabrück stammende Torwart Heinz Flotho von der Front zu den „Knappen“ beordert: Beim Endspiel 1942 gegen Vienna Wien hatten die Blau-Weißen einen Mann zwischen den Pfosten stehen, der auf höheren Befehl zu ihnen gestoßen war. Wahrscheinlich wollten die Nazis nichts unversucht lassen, eine Wiederholung des Endspiel-Debakels vom Vorjahr zu verhindern, als Rapid Wien die Schalker unplanmäßig geschlagen hatte. Denn jeder Sieg einer österreichischen Mannschaft drohte den antipreußischen Nationalismus der Österreicher zu nähren und damit den Zusammenhalt des Reiches zu bedrohen.
Inwieweit die Spieler selbst dem NS-Regime und seiner Ideologie huldigten, oder sich ihre Vereinnahmung durch die Politik lediglich mehr oder weniger widerwillig gefallen ließen, kann nicht zur völligen Zufriedenheit geklärt werden. Die Bilder von einer den rechten Arm zum Hitlergruß gestreckten Schalker Mannschaft im von den Nazis erbauten Berliner Olympiastadion reichen zur Beantwortung dieser Frage sicherlich nicht aus. Vermutlich verhielt es sich mit vielen Schalkern so wie mit der Arbeiterschaft allgemein …“
Q: Arbeiterkampf-Zeitung für linke Debatte und Praxis Nr. 436, 16.3.2000, S. 25.
Die olympischen Sommerspiele in München 1972, waren eines der zentralen Ereignisse vieler K-Gruppen im Jahr 1972 (vgl.: Dietmar Kesten: K-Gruppen, DKP und der (Arbeiter-) Sport, Teil I und Ders.: Zur Geschichte der KPD/ML-Zentralbüro). Im Vorfeld, etwa ab dem Frühjahr 1972, waren in den verschiedenen Monatsplänen der Agitprop- und der Orgabteilungen, Marschrouten und Richtlinien für das zentrale Großereignis am 2. September 1972 festgelegt worden. In Betriebszeitungen, in Flugblättern und auf Veranstaltungen, wurden örtlich durch die Betriebs- und Stadtteilgruppen, zentral durch die jeweiligen politischen Abteilungen, etwa in den Zentralorganen, für eine sog. „Gegenolympiade“ in München mobil gemacht. Dass die Arbeiterklasse und die Arbeiterjugend auf deren Knochen dieses „ganze (olympische) Theater“ (so die KPD/ML-ZK) ausgetragen würde, der erste Ansprechpartner für die Mobilisierung zu München 1972 war, diesem „Großereignis“ fern bleiben sollte, und nicht zur tragenden Kraft wurde, fand in den Parteien und Gruppen kaum Widerhall.
Es galt für die KPD/ML und deren Jugendorganisationen, oder auch für die KPD und ihrer Liga gegen den Imperialismus, den „olympischen Frieden“ ab absurdum zu führen, mit Aktionen und der gewaltsamen Durchbrechung der Bannmeile, der sog. „Kontaktsperre“ für Demonstrationen im Innenbereich der Münchener Innenstadt, den „neuen Notstandsplänen“ gewaltsame Schläge zu versetzen. Wie einst 1936, so sei auch heute der westdeutsche Imperialismus „bis an den Zähnen bewaffnet“ und würde München mit seinen „Notstandsvorbereitungen dazu benutzen, in „kriegstreiberischer Manier“, einen „imperialistischen Spuk“ zu veranstalten.
Zu Olympia- und Olympiaden, liegen eine Reihe neuer Daten vor, die München 1972 kommentieren. Selten hatte übrigens ein Ereignis wie diese Sommerspiele und die sich anschließende Geiselnahme von israelischen Sportlern durch ein palästinensisches Freischärlerkommando, für so viel nationales- und internationales Aufsehen gesorgt.
Aber bereits schon 1968, auf dem Höhepunkt der Jugend- und Studentenbewegung, galt für einen Teil der Linken Olympia wohl als „passee“ (vgl. November 1968).
Mit einer „Anti-Olympia-Kampagne“ beschäftigte sich „R - Zeitschrift der Schüler-Lehrlings-Gruppen & Clubs im BDP R - Zeitschrift der Schüler-Lehrlings-Gruppen & Clubs im BDP“ (vgl. April 19709.
Im Vorfeld der Olympiade berichtete das „Rote Signal“ der MLSG des KAB/ML von dem kommenden Ereignis. Auch in dieser, überwiegend flachen Agitationen, ging es um die „Steuergelder der Werktätigen“, mit denen „die ganze Pracht aufgebaut wurde“. (vgl. Juli 1972).
Die Sozialistische Betriebsgruppe Regensburg, berichtete in ihrer Nr. 8/1972 des „Roten Sachsenwerkers“ von Olympia und geht auf das große Polizeiaufgebot ein und meint „mehr Polizei als bei der Hitlerolympiade“(vgl. 27. Juli 1972).
Neben der massiven Propaganda des Zentralbüros, war es die KPD/ML-ZK, die in ihren Publikationen ab dem Juli 1972, die eigentliche Offensive zu München startete. Der „Notstandskurs und (die) verstärkte Militarisierung“ standen im „Roten Morgen“ Nr. 15/1972 im Mittelpunkt (vgl. 31. Juli 1972).
Auch die Arbeiter-Basis-Gruppen beginnen nun, die Olympiade ins Kreuzfeuer der Kritik zu nehmen (vgl. August 1972).
Mit dem „Bonner Notstandskurs“, der zur Olympiade 1972 zur Anwendung kommen soll, beschäftigt sich der „Rote Morgen“ in seiner Ausgabe 16/1972 und sprach davon, dass gegen die „Olympische Friedhofsruhe“ nun „Völkerfreundschaft „ und „internationale Solidarität“ gesetzt werden müsse, geißelte das „Demonstrationsverbot“ und den „Notstandsterror“ (vgl. 14. August 1972).
Über eine von vielen Veranstaltungen zur Olympiade, berichtete die KPD aus München. Aufgerufen wurde dazu in einem Flugblatt: „Imperialistische Armee oder Armee des Volkes?“ (vgl. 25. August 1972).
Die Eröffnung der „20. Olympischen Sommerspiele“ werden u. a. kommentiert durch den KABD, durch das SAK-Clausthal-Zellerfeld, durch die DKP und andere Gruppen (vgl. 26. August 1972).
Die „Kämpfende Jugend“ der KPD, stellt die Eröffnung der Olympischen Spiele als „Friedensschau“ heraus, die vom „Völkermord des USA-Imperialismus in Vietnam“ ablenken soll. Ein Aufruf zur Olympia-Demonstration wird u. a. von der KPD durch einen zentralen „Aufruf der KPD zur Vietnamdemonstration“, vom NVK (durch eine „Olympia-Illustrierte“), von der Liga gegen den Imperialismus, einem Afrika-Komitee, vom KJV und RAJ München unterstützt. Zudem wird auf die „Luzerner Sportinternationale“ verwiesen, in „deren Geist eine neue Sportbewegung stehen müsse“ (vgl. 26. August 1972; 30. August 1972).
Gleich eine Reihe von Gruppen beschäftigten sich mit den Terrorakten eines palästinensischen Kommandos, dem sog. „Massaker von Fürstenfeldbruck“ während der Olympischen Spiele.
Das „Rote Signal“ der MLSG verurteilt zwar die „Terrorakte“ des „Schwarzen September“, aber wie meistens in dieser Agitation, wird die eigentlichen Schuld dafür den „Reaktionären aller Länder zugeschrieben“, die das „imperialistische Israel verherrlichen“ (vgl. September 1972).
Von Olympia bzw. dem „Massaker“ berichten auch die Mannesmann-Betriebsgruppe der KPD/ML in Duisburg in der Betriebszeitung „Röhrenkieker“, das „Rote Signal“ der MLSG des KABD, der BDS im „Internationalen Freien Wort“, der „Schulkampf“ Nr. 4, der von der Oberschülerkommission der KHG (NRF) herausgegeben wird, der „Zündfunke“ der ABG (vgl. September 1972).
Auch die IGBE, die ML-Duisburg, die KG (NRF) Mannheim/Heidelberg, die DKP, der Deutsche Bundestag, in Berlin die KPD bei KWU, in Niedersachen in Clausthal durch das Sozialistische Aktionskollektiv (SAK), die ML Do, das Komitee Kampf dem Ausländergesetz und der politischen Unterdrückung und eine Reihe weiterer Gruppen berichten (vgl. 5. September 1972).
Die Gruppe Arbeitersache München meint mit einem Flugblatt, das eine „Presseerklärung des palästinensischen Schwarzen September“ erhält, die Öffentlichkeit aufklären zu müssen (vgl. 7. September 1972).
Der „Rote Morgen“ 18/1972 zieht Bilanz. Die Konsequenz der „Schlacht am Karlstor“ lautet für ihn: „Nur der Griff der Massen zum Gewehr schafft den Sozialismus her“ (vgl. 11. September 1972).
Erstmals berichtet auch Rote Oberschüler Front der Initiativgruppe zum Aufbau eines Kommunistischen Oberschülerbundes (IG/KOB) Braunschweig in ihrem Organ von Olympia und vermutlich auch zu den Ereignissen der Geiselnahme durch den palästinensischen „Schwarzen September“ (vgl. 18. September 1972).
KPD/ML-ZB und KPD/ML-ZK fielen bei ihrer Berichterstattung über die Münchener Ereignisse besonders durch ein Vokabular auf, das nicht als einfache Polemik gedeutet werden konnte, sondern einen antisemitischen und antiisraelischen Geist atmete, der teilweise ans die Rassenideologie der Nazis erinnerte (vgl. hier besonders: Das Flugblatt des Zentralbüros der KPD/ML: „Erklärung des Zentralbüros zu den Terroranschlägen“, nachzulesen in: Dietmar Kesten: Zur Geschichte der KPD/ML-Zentralbüro.
Ernst Aust wurde etwa wegen seiner Ausgabe, dass in München auch „israelische Geiseln von der Polizei erschossen“ wurden, zu einer Geldstrafe verurteilt. Und das eigentliche „Massaker“ war für die KPD/ML die Vorstufe eines kommenden Szenarios. So ist der „Aufruf an die demokratische westdeutsche Öffentlichkeit“, des „Schwarzen September“, der im „Roten Morgen“ veröffentlicht worden war, ein Hinweis auf die krude Ideologie der KPD/ML, die es fertig bringt in einen Atemzug den „individualistischen Terrorakt“ zu verurteilen, gleichsam aber die Verfolgung der Palästinenser mit den Judenverfolgungen im Dritten Reiche gleichzusetzen und den „gerechten Kampf des palästinensischen Volkes“ zu lobhudeln (vgl. 31. Dezember 1972).
Der KBW stellt in seiner „Kommunistischen Volkszeitung“ klar, dass der „Gesundheitspark“ in München bleiben muss und agitiert vehement gegen den „Bau der Sportanlangen für die Olympischen Spiele 1972“ (vgl. 2. Oktober 1974), während der „Arbeiterkampf“ über „Olympiapläne für Ost- und Westberlin“ räsoniert, sich aber auch darüber hinaus Gedanken über die Vergabe von den kommenden Olympischen Spielen macht (vgl. 5. Februar 1990; 18. April 2003).
November 1968:
Der AStA der Universität Hamburg gibt sein „Auditorium - Hamburger Studentenzeitung“ Nr. 56 heraus. Richard E. Otto stellt fest: „Olympia ist passee“. Und: „Der Mythos bleibt gewahrt. Die Toten der Vorolympiade haben bereits ihren Dienst erfüllt. Sie faulen für Ruhe und Ordnung in der Muttererde. Die Nation konnte Gloire und Beehrung zeigen, untertänigst der Welt einen Türken gebaut haben zu dürfen. B. Avery B., auch schon so ein Mythos, war wieder einmal am Ziel. Die halbtoten Endkämpfer, betrogen um ihr kleines bisschen Medaillenglück, werden wohl zu Hause still vor sich hinmurmeln: „Scheiße, dabei gewesen zu sein.“ Wie viele werden sich wohl gedacht haben, mit einem Erfolg im Stadion eine bessere soziale Chance zu sichern. Vorbei. Die Nation zudem, die sie so warm ans Herz presste, wird sie fallen lassen, die großen „Versager“. Diesen armen Menschen ist zu wünschen, dass ihnen beim Blick in den Medaillenspiegel nicht noch einmal die Muskeln schwellen …“
Q: Auditorium Nr. 56, Hamburg November 1968, S.15.
April 1970:
Vermutlich im April erscheint die Nr. 31 der „R - Zeitschrift der Schüler-Lehrlings-Gruppen & Clubs im BDP.“ Kleinanzeigen bieten u. a. Material zur „Anti-Olympia-Kampagne.“
Q: R - Zeitschrift der Schüler-Lehrlings-Gruppen & Clubs im BDP Nr.31,Berlin o. J. (1970) ,S.15.
Juli 1972:
Es erscheint das „Rote Signal“ der MLSG des KAB/ML Nr. 6/1972.
Im Artikel: „Olympia 1972-Schlichte, heitere Spiele“, heißt es: „Im August 1972 beginnt in München die Olympiade. Während die bürgerlichen Massenmedien von der Bildzeitung bis zum Fernsehen dieses „große sportliche Ereignis“ bejubeln, kann doch mancher ein leichtes Unbehagen am goldenen Kalb „Olympia“ nicht unterdrücken. Denn um die Schau mit der „Jugend der Welt“ in München aufzuziehen, griff der Bonner Staat und der Münchener Stadtrat tief in die Tasche der Werktätigen. Mit ihren Steuergeldern (und ihren Groschen über die Olympialotterie) wurde die ganze Pracht aufgebaut. Anfangs wollten die Organisatoren der Olympiade dies noch nicht so unverblümt zugeben. Sportfunktionär Daume verkündigte 1966: „Die olympischen Spiele haben bisher unter Gigantismus gelitten. Wir wollen ihm in München widerstehen.
Der Widerstand war nur ein Täuschungsmanöver. Schon sehr bald wurden Steuergelder gemäß der Direktive des CSU-Vorsitzenden Strauß: „Es ist besser für mehr Geld Einmaliges hinzustellen“, verschleudert. Die Olympischen Spiele werden mit mehr als 3 Milliarden DM die teuersten sein, die es je gab. Doch das Geld lohnt sich. 60 Millionen Bundesbürger sollen um „ihre“ Sportler bangen und über aufgeputschten nationalistischen Gefühlen sinkende Reallöhne, steigende Akkordhetze, Wohnungsnot, fehlende Kindergärten und Schulen, zunehmende Umweltverschmutzung usw. vergessen.
Notstandskurs und verstärkte Militarisierung sollen mit Olympialack verschönert werden. Dem Ausland wird ein Hochglanz poliertes „Musterdeutschland“ vorgesetzt. Kurz: Eine gigantische Propagandaschau des westdeutschen Imperialismus. Für die werbewirksame Verschönerung der Fassade muss natürlich das Gebäude selbst zurückstehen: Das Olympiadach für 180 Millionen DM soll den Ruhm der westdeutschen Architektur verbreiten- glücklicherweise sieht niemand die verlotterten Schulgebäude, deren Renovierung für 600.000 DM deswegen gestrichen werden musste …
Wer nun aber doch nicht einsieht, warum er auch noch dafür bezahlen soll, dass man ihn mit Olympiamusik das Hirn aus dem Kopf blasen will, der wird durch Bundeskanzler Brandt in seine Schranken gewiesen; denn „das macht auf das Ausland einen schlechten Eindruck“. Der „schlechte Eindruck“ auf das Ausland soll wenn nötig mit Gewalt verhindert werden: Das olympische Bannmeilengesetz verbietet störende Demonstrationen in der strahlenden Schönheit des Oberwiesenfeldes. Unwillkürlich fühlt man sich an die Olympiade in Mexiko 1968 erinnert, wo der „Olympische Friede“ mit von der Polizei ermordeten Demonstranten erkauft wurde. In München werden 15.000 Bundeswehr- und 1.000 Grenzschutzsoldaten den ungestörten Ablauf der Schau gewährleisten. Für jeden ehrlich denkenden Menschen gilt deshalb: Diesem Betrugstheater eine entschiedene Absage.“
Q: Rotes Signal Nr. 6, Erlangen Juli 1972,S.18f.
27.07.1972:
In Regensburg gibt die Betriebsgruppe AEG Sachsenwerk der SBG die Nr. 8 ihres „Roten Sachsenwerkers“ heraus. Berichtet wird auch von der Olympiade: „Drei Milliarden kostet die Olympiade. Noch sechs Millionen stellt München zusätzlich als Olympiaausgabe zur Verfügung. München ist pleite, heißt es. Wer wird geschröpft, durch immense Preissteigerungen, Mietwucher, Fahrpreiserhöhungen, Urlaubssperre bei der Post und im öffentlichen Dienst und ewige Überstundenschieberei? Wie immer wir Arbeiter und anderen Werktätigen … Mehr Polizei als bei der Hitlerolympiade 1936 und Truppen kommen zum Einsatz. Ihre Verwendung bei den olympischen Spielen gibt Gelegenheit, ihre Fähigkeiten im großen Rahmen zu erproben … Heute findet die Olympiade nicht in einem faschistischen Land statt. Aber die Gefahr einer offenen Gewaltherrschaft wird immer drohender. Das wird nicht zuletzt auch an der Olympiade sichtbar.“
Q: Roter Sachsenwerker Nr. 8, Regensburg Juli 1972, S. 7.
31.07.1972:
Der „Rote Morgen Nr. 15/1972 vom 31. Juli, berichtet im Artikel: „Demokratischer Kampf und revisionistische Losungen. Wie gegen den Militarismus kämpfen?“, auch davon, dass in der „Münchener Notstandsstadt olympische Friedhofsruhe“ herrscht. Den „Polizeiterror gegen die Münchener Genossen“ (gemeint sind die Angeklagten im sog. „Münchener Kommunistenprozess“, d. Vf.) und die Erschießung eines „Arbeiters, der bei Rot über eine Ampel fuhrt, nimmt die Zeitung für folgende Erklärung zum Anlass: „Die Olympia-Stadt München ist ein berüchtigter Ort. Die Polizei schießt hier besonders schnell. Die Klassenjustiz ist hier besonders braun und hat unzählige Terrorurteile auf dem Gewissen. Die Stadt des Olympischen Friedens ist eine der größten Waffenschmieden des BRD-Imperialismus.
Aber die Stadt München besitzt auch eine starke, kampfbewusste Arbeiterschaft. Und in München existiert eine starke revolutionäre Führung in der Ortsgruppe der KPD/ML. 700 Zellen ließ der Polizeipräsident vorsorglich für die Olympischen Spiele im Gefängnis freimachen. Die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung und die Erfahrungen der letzten Zeit haben aber gezeigt: Der Kommunismus lässt sich nicht hinter Gitter sperren.
Es lebe der proletarische Internationalismus. Nieder mit dem Demonstrationsverbot in München.“
Q: Roter Morgen Nr. 15/1972, S. 8.
August 1972:
In München gibt die Betriebsgruppe Zündapp der ABG ihren „Zündfunken“ Nr. 8 heraus. Angekündigt wird eine Sondernummer der „Kämpfenden Jugend“ zur Olympiade, auf die auch ein Artikel eingeht. „Werbung für die Vorbereitung zur Aggression! Anlässlich eines Festes, dessen Grundgedanke der Frieden und die Völkerverständigung sein soll. Die westdeutsche Regierung schwenkt jetzt die Friedenspalme so eifrig wie nie zuvor. Darin sieht sie ihre letzte Möglichkeit, sich bei den Völkern anzubiedern und sich bei uns Werktätigen „lieb Kind“ zu machen. Jeder Soldat, der zur Olympiade antreten muss, jeder politische Polizist, der hinterm Pop-Plakat hervor lugt, jede Maßnahme „zum Schutz der Spiele“, sind mehr als ein Hohn: Es sind direkte Bedrohungen der Völker der Welt und des deutschen Volkes. Heute findet die Olympiade zwar nicht wie 1936 in einem faschistischen Land statt. Aber die Gefahr einer offenen Gewaltherrschaft besteht nach wie vor. Sie besteht immer, solange es den Kapitalismus gibt. Mehr noch, sie wird immer größer.
Wir sind nach den furchtbaren Erfahrungen mit Faschismus und Krieg gewarnt. Nicht noch einmal soll eine Olympiade Auftakt für ein neues Völkermorden sein. Zur Olympiade gilt es der ganzen Welt zu zeigen, dass unser Beitrag für Frieden und Völkerfreundschaft darin besteht, dass wir den westdeutschen Imperialismus und die drohende Gefahr einer neuen Gewaltherrschaft bekämpfen und damit auch die Völker der Welt vor Unheil bewahren …“
Q: Zündfunke Nr. 8, München August 1972, S4ff.
14.08.1972:
Im „Roten Morgen“ Nr. 16/1972 vom 14. August, erscheint der Artikel: „Völkerfreundschaft gegen Olympische Friedhofsruhe.“
Ausgeführt wird u. a.: „Die Olympischen Spiele sollen zum Propaganda-Forum des Imperialismus werden. Die KPD/ML ruft alle Genossen und Freunde auf: Den Feinden der Völkerfreundschaft, den Feinden der Jugend, die Maske vom Gesicht gerissen.
Wir hatten sie schon einmal …
Schon einmal wurden die Olympischen Spiele nach Deutschland geholt. Die XI. Olympischen Spiele fanden 1936 unter der Schirmherrschaft Hitlers und Goebbels in Berlin und Kiel statt. Während damals die Sportler der Welt im Stadion um die Wette liefen, lief auch bereits bei Krauss-Maffei in München die Rüstungsproduktion (und die Profite) um die Wette. Während damals im Stadion die Hakenkreuz-Redner des deutschen Imperialismus von Völkerverständigung und Frieden schwatzten, starben KZ-Häftlinge im elektrischen Draht von Dachaus Lagern-20 km vor München. Aufrüstung und Faschismus sollten den neuen imperialistischen Krieg vorbereiten. Um die Völker der Welt über die wahnwitzigen Pläne der deutschen Monopolherren hinwegzutäuschen, brauchte Hitler 1936 die Spiele.
Unter welchen Zeichen heute?
Es ist kein Zufall, dass das Olympia-Komitee eine antifaschistische Veranstaltung in Dachau boykottiert und stattdessen eine Feierstunde für den Leiter der Olympischen Spiele 1936, den Nazi Carl Diem, veranstaltet. Es ist wieder einmal soweit. Wieder wird dem deutschen Imperialismus die Jacke zu eng. Wieder läuft bei Krauss-Maffei, Messerschmidt, MAN, Dornier, Mauser, Rheinstahl … Granate um Granate und Panzer um Panzer vom Band. Wieder rüsten die deutschen Finanz-Magnaten und Rüstungshaie für ihren Marsch zum Platz an der Sonne. Wieder sollen die Völker der Welt über die Revanche- und Großmachtpläne der westdeutschen Monopolherren hinweggetäuscht werden: Mit Protz und Prunk und den verlogenen Reden von Völkerverständigung und Entspannung.
Das halbe Kabinett der Bonner Notstandsplaner wird sich in München versammeln. Nicht den Völkern der Welt werden sie die Hand zur Freundschaft reichen, sondern den Blutgeiern und Volksausplünderern wie: Dem Schlächter der irischen Freiheitskämpfer und dem Unterdrücker der englischen Arbeiterklasse Heath, dem Sklavenhalter Freisal von Saudi-Arabien, dem Oberimperialisten und Kriegsgewinnler Henry Ford, dem 2. (und letzten), den Völkermörder aus Washington und vielen anderen.
Sie werden sich die Hände schütteln und einig sein: Die Spiele sollen dazu dienen, den Völkern Sand in die Augen zu streuen und von der Tatsache des weltweit lodernden Freiheitskampfes aller Völker ablenken. Auf den Festen und Empfängen der Imperialisten wird Champagner fließen, wie das Blut der Freiheitskämpfer auf den Schlachtfeldern Indochinas, Nordirlands, Afrikas und Lateinamerikas. Über all wir der Ober-Revanchist Willy Brandt mit Nobelpreis und Friedenswedel winken. Überall wird sich der westdeutsche Imperialismus mit dem Deckmantel von Friedens- und Entspannungspolitik umgeben, und den Völkern mit Prunk- und Protzbauten Respekt vor dem DM-Imperialismus einjagen wollen.
Der Revanchist Brandt ist ein wirklich guter Demagoge. Aber eines wird er nicht verhindern können: Dass das deutsche Volk, dass die Arbeiterklasse und ihre Partei, die KPD/ML, den Völkern der Welt selbst zeigt, welche friedlichen Verhältnisse heute in unserem Land wirklich herrschen. Wir werden demonstrieren, dass sich das Volk nicht von den Friedensheucheleien der SPD/FDP-Regierung und auch nicht von den DKP-Revisionisten irreführen lassen wird. Wir werden gegen den wahnwitzigen Weg des Militarismus und Revanchismus demonstrieren, den unser Land wieder geht.
Am 1. September jährt sich um 33. Mal der Jahrestag, an dem die deutschen Imperialisten mit Feuer und Schwert nach Polen einfielen und den 2. Weltkrieg begannen. In diesen 33 Jahren hat sich nichts am Wesen des deutschen Imperialismus geändert-unsere Herren sind die gleichen geblieben. Am 1. September 1972 werden die deutschen Kommunisten und alle fortschrittlichen und antiimperialistischen Menschen den Völkern wirklich die Hand reichen durch ihren Kampfruf:
Nieder mit dem westdeutschen
Imperialismus, Militarismus und Revanchismus!
Imperialistische Kriegsverbrecher raus aus München!
Es lebe die internationale Solidarität!
Olympische Spiele unter Polizei und Bundeswehrstiefel
20.000 Bundeswehrsoldaten, 12.000 Polizisten, darunter 1.200 ausgesuchte Elitebullen aus dem ganzen Bundesgebiet sollen für die olympische Friedhofsruhe sorgen. An jedem strategischen Punkt des Münchener Olympia-Geländes wird eine Hundertschaft Bundesgrenzschutz postiert. Das neue Gesetz, das den Bundesgrenzschutz offen zur Bürgerkriegsarmee erklärt, wird also bereits im großen Maßstab angewandt. Bereits einige Wochen vorher sollten die Bundeswehr- und NATO-Truppen in Würzburg den Straßenkampf und die Besetzung einer ganzen Großstadt üben. Aufgrund der großen Unruhe und des Widersands der Bevölkerung, sowie aufgrund der guten Arbeit der KPD/ML musste das Manöver abgeblasen werden. Über dem Olympia-Gelände kreist ständig ein Hubschrauber, der alle Menschenansammlungen, Demonstrationen und Aktionen sofort an die nächste Truppe von Genschers Knüppelgarde weitergibt.
Mit den Gesetzen zur Inneren Sicherheit wurde vor einigen Wochen auch das Gesetz zur Sicherung des olympischen Friedens verabschiedet. Die Bannmeile um das Olympia-Gelände genügt nicht. Ganz München wird unter Demonstrationsverbot gestellt, das weit über die Spiele hinaus gelten soll, bis zum 31. Dezember 1972. Dieses Demonstrationsverbot gilt genauso für andere Städte, in denen Wettkämpfe stattfinden, also auch für das Ruhrgebiet, wo Fußballspiele abgehalten werden.
Die neuen Notstandsgesetze finden also bereits ihre Anwendung. Blutig soll jeder Widerstand niederschlagen werden. Einen Beweis dafür gab die Münchener Polizei bereits am 4. Juli, als sie Genossen der KPD/ML nach einer Vietnam-Demonstration zusammenschlugen und verhafteten. Ein weiterer Beweis dafür ist die Tatsache, dass Polizeipräsident Schreiber vorsorglich über 700 Zellen in den Gefängnissen freimachen ließ.
Die revolutionäre Flamme lässt sich nicht ersticken.
Die arbeitenden Menschen in München wissen, für wen diese Spiele in Wirklichkeit inszeniert werden. 1,3 Milliarden geraubter Lohngroschen wurden Architekten,- Bau- und Grundstücksspekulanten und Wuchereren in den Rachen geworfen. Krankenhäuser und Kindergartenbauten wurden gestrichen, weil die Stadt München für Jahre verschuldet ist. Das Olympiadach allein schluckt Millionen nach Millionen.
Unter diesem Dach werden nur wenige von denjenigen sitzen, die es bezahlt und gebaut haben: Die Werktätige. Mit Eintrittskarten wird geschachert und geschoben – Hauptsache die Siemens- und BMW-Bosse können ihre Geschäftspartner einen Repräsentationsplatz verschaffen. Hunderttausende Arbeiter werden die Spiele nicht einmal am Fernsehschirm miterleben können. Sie wurden wie bei Hurth, Südbremse, Krauss-Maffei, Siemens- Zündapp, BMW auf Zwangsurlaub geschickt. Oder sie kommen erst gegen Nacht nach Hause, wie die vielen Kellnerinnen, Verkäuferinnen, Schaffner usw. wegen der verlängerten Ladenschlusszeiten bis 21 Uhr und der Sperrstunde um 2 Uhr.
Viele kommen wegen des Verkehrschaos erst 3 Stunden nach Feierabend nach Hause. Wer keine Überstunden schieben muss, muss sie freiwillig machen; denn vor der Olympiade wurden die Verkehrstarife um 30% teurer, nicht zu sprechen von den Mieten.
Nieder mit dem Demonstrationsverbot!
Nieder mit dem Notstandsterror!
Völkermörder raus aus München!
Kampf dem westdeutschen Revanchismus und Militarismus!
Es lebe der proletarische Internationalismus!
Vorwärts mit der KPD/ML!“
Q: Roter Morgen Nr. 16/1972, S. 1f.
25.08.1972:
In München besuchen, laut KPD, 300 ihre Veranstaltung zur Olympiade im Zunfthaus in der Thalkirchner Straße. Anwesend ist auch die KPD/ML-ZK. Aufgerufen wurde u. a. durch ein Flugblatt des VA Funkkaserne München „Imperialistische Armee oder Armee des Volkes?“, in dem auch auf die Bayernkaserne eingegangen wird. Der „Vietnam-Ausschuss Funkkaserne“ ruft auch dazu auf, am 26.8.in München „zu einer nationalen Demonstration des nationalen Vietnam-Komitees“ teilzunehmen.
Zu den Aufgaben der Bundeswehr bei der Olympiade heißt es: „Die Bundeswehr, das letztlich entscheidende Machtmittel um die Herrschaft des Kapitals gegen den Widerstand des Volkes aufrechtzuerhalten, wird plötzlich als friedliche Organisation und dienende Helferin vorgestellt …. Mehr als 24.000 Soldaten werden bei der Olympiade in München sein. So soll die Bevölkerung an den Anblick von Uniformen gewöhnt werden und mit Illusionen über eine friedliche Bundeswehr eingelullt werden …“
Q: Rote Fahne Nr. 58, Dortmund 30.8.1972; VA Funkkaserne München: Imperialistische Armee oder Armee des Volkes?, München o. J. (1972); VA Funkkaserne: Vietnam-Ausschuss Funkkaserne gegründet!, München o. J. (1972).
26.08.1972:
In München werden die 20.Olympischen Sommerspiele eröffnet. Vorbereitet oder kommentiert werden diese u. a. durch den KABD in:
- Niedersachsen in durch das Sozialistische Aktionskollektiv (SAK) Clausthal-Zellerfeld;
- NRW in Dortmund durch die DKP-Stadtteilgruppe Mengede und durch den Ortsverband der SDAJ.
Q: DKP-Stadtteilgruppe Mengede: Liebe Sportsfreunde!, Dortmund 7.1.1972,S.1; Rote Fahne Nr. 8,Tübingen August 1972,S.10; SDAJ Dortmund: Arbeitsplan des Ortsverbandes Dortmund der SDAJ, o.O. (Dortmund) o.J. (1972),S.3; Rote Aktion Nr. 10, Clausthal-Zellerfeld September 1972,S.11ff.
26.08.1972:
Die „Kämpfende Jugend“ Nr. 1/1972, das Zentralorgan des Kommunistischen Jugendverbandes der Kommunistischen Partei Deutschlands, berichtet in seiner Ausgabe über die Vietnamdemonstration zur Eröffnung der Olympischen Spiele in München. Mit dieser „Friedensschau“ soll über den „Völkermord des USA-Imperialismus in Vietnam“ hinweg gelenkt werden. Der Aufruf des NVK und der KPD werden vom KJV unterstützt.
„Der Demonstrationszug, der durch Münchener Arbeiterviertel in die Innenstadt führte, wurde von der Münchener Bevölkerung, aber gerade auch von vielen ausländischen Gästen, die zur Olympiade gekommen waren, mit Begeisterung begrüßt … Angesichts der kämpferischen Solidarität und der Entschlossenheit der Demonstranten, erwies sich die von der Bourgeoisie zum Schutze des olympischen Friedens ausgeheckten Gesetze, Sonderlasse und Demonstrationsauflagen als ein Fetzen Papier. Auch das zur Abschreckung aufgebotene Heerlager von Polizei, Bundeswehr und Grenzschutz, das die Sperrzonen sichern sollte, konnte den Siegeszug der Demonstranten nicht aufhalten.“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 1/1972.
26.08.1972:
Zur Eröffnung der Olympiade findet in München eine antiimperialistische Demonstration statt. Dazu riefen u. a. die KPD, die LgdI, das Afrika-Komitee, das NVK und auch der KJV der KPD auf einer vermutlich NRW-weiten Veranstaltung in Dortmund auf.
In der „Roten Presse Korrespondenz“ und in „Afrika kämpft“ werden ca. 5.000 Teilnehmer gemeldet. Bei KWU Berlin, wo Mitfahrgelegenheiten angeboten wurden, waren es über 8 000 Demonstranten. Laut „Rote Fahne“ der KPD beteiligen sich 5. 000 an der Demonstration, während die Kundgebung von bis zu 8. 000 Menschen verfolgt wird. Ca. 1.000 der Teilnehmer seien aus der ganzen BRD zusammengekommen, wobei u. a. die VAs Hamburg, Cuxhaven, Berlin Stuttgart und Ruhrgebiet erwähnt werden.
Zu der Vietnamdemonstration des NVK rufen, laut KPD, neben der LgdI, dem NVK und dem Afrikakomitee nur sie selbst und die RAJ München auf, die KPD/ML-ZK und die KG (NRF) Mannheim/Heidelberg hätten abgelehnt, die KPD/ML-ZB lediglich Verhandlungen geführt. Von den ABG sei sowieso ein Teil zur DKP übergetreten. Laut NVK mobilisierte die KPD/ML-ZB immerhin lokal. Der KB Bremen war, laut NVK, dagegen gewesen die SU als sozialimperialistisch zu bezeichnen, er wolle die Entlarvung der DKP innerhalb von Aktionseinheiten betreiben.
Aufgerufen wird u. a. vom NVK durch eine „Olympia-Illustrierte“, von der KPD durch einen zentralen „Aufruf der KPD zur Vietnamdemonstration“, durch ein Flugblatt der LgdI „Aufruf zur Solidaritätsdemonstration anlässlich der Eröffnung der Olympiade“, durch den VA Funkkaserne München und in Bochum.
Im Aufruf der Liga gegen den Imperialismus, heißt es u. a.: „In Anbetracht dieses gigantischen demagogischen Schauspiels und ausgehend von dem aufrechten Wunsch der Völker nach Freundschaft und Verständigung untereinander müssten gerade zur Eröffnung der Olympischen Spiele die Verbrechen des Imperialismus, insbesondere des USA-Imperialismus, aufgezeigt werden und der Friedensheuchelei das Thema gegenübergestellt werden, das für jeden Menschen, der die Freundschaft der Völker will, im Mittelpunkt stehen muss: Die internationale Solidarität!
Die Liga gegen den Imperialismus ruft alle antiimperialistischen Menschen und Organisationen auf, sich am 26. August an der Solidaritätsdemonstration des Nationalen Vietnamkomitees in München anlässlich der Eröffnung der olympischen Spiele zu beteiligen. Alles für den Sieg des kämpfenden vietnamesischen Volkes. Nieder mit dem US-Imperialismus, dem Hauptfeind der Menschheit! Gegen den Versuch der sowjetischen Sozialimperialisten, die Einheitsfront der Völker in Indochina zu spalten. Nieder mit dem BRD-Imperialismus. Kampf dem Abbau der demokratischen Rechte des Volkes. Hoch die internationale Solidarität!“
Q: Rote Fahne Nr. 55, 58 und 17, Dortmund 9.8.1972, 30.8.1972 bzw. 25.4.1973; AStA Ruhruni, VA RUB,SAG Bochum, SHB/SF, KSV, LgdI: Flugblatt, Bochum o.J. (1972); KPD: Aufruf der KPD zur Vietnamdemonstration, Dortmund o.J. (1972); LgdI: Aufruf zur Solidaritätsdemonstration anlässlich der Eröffnung der Olympiade, o. O. o.J. (1972) NVK: Olympiaillustrierte, Bonn o.J. (1972), S.8; NVK: Bulletin Nr.5, Bonn 1972; VA Funkkaserne München: Imperialistische Armee oder Armee des Volkes?, München o.J. (1972); Kommunistische Arbeiterpresse KWU Nr.15 und 16,Berlin Aug. 1972 bzw. 26.9.1972; Rote Presse Korrespondenz Nr.182, Berlin 1972; Afrika Kämpft Nr. 2, Berlin 1972,S.2; Kommunistische Arbeiterpresse Philips Nr.6, Aachen 5.8.1972,S.1 und 3f.
28.08.1972:
Der Kommunistische Jugendverband (KJV) der KPD gibt vermutlich in dieser Woche erstmals sein Zentralorgan „Kämpfende Jugend“ heraus. Aus München wird berichtet von der Vietnamdemonstration zur Olympiade am 26.8.1972 und über die ersten Vietnamausschüsse in der Funkkaserne und der Bayernkaserne.
Q: Kämpfende Jugend Nr. 1, Dortmund 1972, S. 7.
30.08.1972:
Die Nr. 58 der „Roten Fahne“ der KPD berichtet über die Olympiadedemonstration in München Ebenfalls mit der Olympiade bzw. dem Einsatz von Bundeswehrsoldaten beschäftigen sich auch die VAs Funkkaserne und Bayernkaserne München. Gleichzeitig wird auf die „Luzerner Sportinternationale“ verwiesen, in deren Geist eine neue Sportbewegung stehen müsse.
Q: Rote Fahne Nr. 58, Dortmund 30.8.1972.
September 1972:
In der August/September Ausgabe des „Roten Signal-Organ der marxistisch-leninistischen Schülergruppen - MLSG“ Nr. 7/8, heißt es zur Geiselnahme des palästinensischen Kommandos: „Der Terrorakt der Organisation „Schwarzer September“ hat den gerechten Kampf des palästinensischen Volkes großen Schaden zugefügt. Denn die Morde an unschuldigen Sportlern wurden von den Imperialisten und Reaktionären aller Länder zum Anlass genommen, gegen den Kampf des palästinensischen Volkes für die Rückkehr in seine Heimat zu hetzen und das imperialistische Israel zu verherrlichen. Bereitwillig wurde die Gelegenheit genutzt, den gerechten Volkskrieg der Palästinenser gegen die israelischen Imperialisten mit dem individuellen Terror einiger Anarchisten gegen Unschuldige in einen Topf zu werfen …
Heinemann und Brandt werden beschuldigt, „falsche Friedensapostel“ zu sein, die kein Wort des Protestes zu der Vertreibung des „palästinensischen Volkes durch die zionistischen Imperialisten“ geäußert hätten. Dafür würden sie „den brutalen Befreiungsversuch auf dem Militärflughafen Fürstenfeldbruck, bei dem alle neun Geiseln und fünf Terroristen ums Leben kamen“ unterstützen.
Der „Krisenstab der Bundesregierung“ habe „die einzige Rettungsmöglichkeit für die Geiseln - den Abflug nach Kairo - in den Wind geschlagen, wurde wortbrüchig und entfachte eine wüste Schießerei in Fürstenfeldbruck. Das gewaltsame Vorgehen der Polizei … war mit der israelischen Regierung abgesprochen. Die Zionisten waren von vorneherein entschlossen, die geforderten arabischen Gefangenen nicht freizulassen und opferten ganz bewusst ihre Sportler …
Für die deutschen Reaktionäre bot die Terroraktion in München die hochwillkommene Gelegenheit, ihren Gewaltapparat weiter auszubauen. Der Hauptstoß richtet sich im Moment gegen fortschrittliche Ausländer, kann aber jederzeit mit voller Wucht deutsche Demokraten und Kommunisten treffen.“
Die „Verschärfung des Ausländerrechts“ sind direkt die fortschrittlichen Palästinenser, Perser, Griechen, usw. gerichtet, die Terror wie in München für sinnlos und schädlich halten, aber für die Befreiung ihrer Länder durch den gemeinsamen Kampf ihrer Völker arbeiten …“
Q: Rotes Signal Nr. 7/8 1972, S. 18.
September 1972:
Die Ausgabe September des „Röhrenkieker - Mannesmann (MM) Betriebszeitung der Marxisten-Leninisten (ML) Duisburg“ erscheint. Zur Olympiade wird berichtet über das heutige Zimbabwe: „Ausschluss „Rhodesiens“ von den olympischen. Spielen: „Sieg der Politik über den Sport?“.
Q: Der Röhrenkieker, Duisburg September 1972, S.2f.
September 1972:
Im September erscheint das „Rote Signal“ der MLSG des KABD Nr. 7/8 für August und September. Zu den Vorfällen bei der Olympiade in München und Fürstenfeldbruck wird gefragt: „Wem nützt der Terror?“.
Q: Rotes Signal Nr. 7/8, Erlangen August/September 1972, S.18.
September 1972:
In Wien erscheint die Nr. 3 des 14. Jahrgangs des „Internationales Freies Wort - Organ des Bundes Demokratischer Sozialisten“ (BDS). Berichtet wird auch über die Olympiade.
Q: Internationales Freies Wort Nr. 3, Wien September 1972,S.1f.
September 1972:
In Heidelberg erscheint der „Schulkampf“ Nr. 4, der von der Oberschülerkommission der KHG (NRF) in Zusammenarbeit mit dem AUSS Heidelberg herausgegeben wird. Eingegangen wird auf das Attentat bei der Olympiade in München, gefragt wird: „Was kostete die Olympiade - und wer hat sie bezahlt?“.
Q: Schulkampf Nr. 4, Heidelberg September 1972, S.1 und 7f.
September 1972:
In München gibt die Betriebsgruppe Zündapp der ABG ihren „Zündfunken“ Nr. 9 heraus, der u. a. berichtet vom Protest gegen das Olympiade-Ladenschlussgesetz.
Q: Zündfunke Nr. 9, München September 1972, S.4.
05.09.1972:
Heute beginnt die Geiselnahme der israelischen Olympiadeteilnehmer durch den palästinensischen Schwarzen September.
Die IGBE berichtet: „MORD IN MÜNCHEN! Die Freude von Milliarden Menschen dieser Welt am olympischen Wettkampf wurde im Blut erstickt. Arabische Mörder zerfetzen mit ihren Kugeln das junge Leben von Israelis und Deutschen. Kaltblütig und ohne Sinn. Der olympische Friede wurde zerstört. Durch mordwütigen Fanatismus. Der niemandem nutzt. Aber allen Arabern schadet. Mord statt Sport. Das ist die schreckliche Perversion dieses Jahrhunderts. Das verbrecherische Treiben der arabischen Terroristen hat in München seinen makaberen Höhepunkt erreicht. Erpressungen, Meuchelmorde, Flugzeugentführungen und Geiselerschießungen als Mittel arabischer Politik. Und jetzt das Blutbad in München. Das kann die übrige Welt sich nicht länger bieten lassen. Schon haben die Olympia-Mörder aus ihren arabischen Schlupfwinkeln neue Aktionen angekündigt. Rache heißt ihre kriminelle Devise …
Wenn die nichtarabische Welt nicht wachsam wird, kommt die nächste Flugzeugentführung und Geiselnahme bestimmt. Und dann sind auch die drei Mordbuben aus München wieder frei. Das ist alles schon mal dagewesen. Die Bundesrepublik muss sich und ihre Gäste vor diesem arabischen Blutterror schützen. Mit allen Mitteln. Nur energische Abwehr kann Schlimmeres verhüten. Falsche Rücksichtsmaßnahme kann tödlich sein. Die arabischen Terroristen geben kein Pardon und kennen keine Rücksicht. Das haben sie zuletzt in München bewiesen.“
Berichtet wird auch durch das Nationale Komitee „Kampf den reaktionären Ausländergesetzen“ der KPD und die Aktionseinheit gegen das reaktionäre Ausländergesetz und die Verschärfung der politischen Unterdrückung.
In NRW berichten die Marxisten-Leninisten (ML) Dortmund über die „neue Terrorwelle“.
Berichtet wird auch im Deutschen Bundestag und in:
- Baden-Württemberg durch die KG (NRF) Mannheim/Heidelberg in einem Bericht über die DKP;
- Berlin im IGM-Bereich durch die KPD bei KWU;
- Niedersachen in Clausthal durch das Sozialistische Aktionskollektiv (SAK) und in Hannover durch die RJ/ML das KABD;
- NRW in Dortmund durch die Marxisten-Leninisten (ML) Dortmund;
- vom Dortmunder Komitee Kampf dem Ausländergesetz und der politischen Unterdrückung.
- im UB der Jusos der SPD.
Q: SPD-LV NRW-Bezirk Westliches Westfalen-UB Dortmund-Jusos: Juso Information Nr. 3, Dortmund 1974, S.6; Dortmunder Komitee Kampf dem Ausländergesetz und der politischen Unterdrückung: Weltweite Proteste gegen den US-Bombenterror in Nordvietnam. Schweigen über die sogenannten „Vergeltungsschläge“ Israels gegen die palästinensische Bevölkerung!, Dortmund o.J. (Januar 1973), S.1; Nationales Komitee Kampf den reaktionären Ausländergesetzen: Schluss mit der Bombardierung der palästinensischen Flüchtlingslager, Berlin o. J. (1972),S.1; Kommunistische Arbeiterpresse KWU Nr.16, Berlin 26.9.1972; Klassenkampf und Programm Nr. 1, Dortmund Dezember 1972, S.42; Arbeiter-Zeitung Nr. 8, Mannheim/Heidelberg Oktober 1972,S.2; Einheit Nr.18, Bochum 15.9.1972, S.1 und 3; Roter Berufsschüler Nr. 1, Hannover Oktober 1972, S.3ff; Rote Aktion Nr. 11, Clausthal-Zellerfeld November 1972, S.9ff; Die Rote Front Nr. 1 und 2, Dortmund Oktober 1972,S.2 und 5 bzw. S.12; Der Bundesminister des Innern teilt mit, Bonn 13.3.1975,S.24.
07.09.1972:
Vermutlich frühestens heute gibt die Gruppe Arbeitersache München (ASM) ein Flugblatt mit der Presseerklärung des palästinensischen Schwarzen September vom 5.9.1972 und Artikeln über die Olympiade heraus. Erinnert wird an den Fall Rammelmayer.
Q: Arbeitersache: Der Unterdrückte muss sich wehren!, München o. J. (1972).
11.09.1972:
Es erscheint der „Rote Morgen“ Nr. 18/1972 vom 11. September. Ein Artikel der Ausgabe lautet: „München: Die olympische Friedenslüge erstickt im Polizeiterror! Nur der Griff der Massen zum Gewehr schafft den Sozialismus her.“
„Knüppelnde Polizisten, Panzerwagen, Tausende Polizisten und Bundesgrenzschutzsoldaten im Einsatz, das ist das Bild von Olympia 1972. Drei Tage lang verwandelte die bewaffnete Macht des Kapitals München in einen Hexenkessel. Und wozu dieser faschistische Terror, und warum gerade bei Olympia? Diese olympischen Friedensspiele, das sind eben keine Friedensspiele, so sehr auch versucht wird, das der Bevölkerung weis zu machen. Olympia, das ist eine riesengroße Show, das sind die Gladiatorenkämpfe von heute. Brot und Spiele sagte Cäsar im alten Rom, und das Volk ist zufrieden, und auch nach dieser Devise versuchen auch die Imperialisten heute wieder, die Volksmassen über ihr wahres Wesen hinwegzutäuschen. Hinter diesem olympischen Vorhang verbirgt sich das ganze Sammelsurium der imperialistischen Despoten, ihre ganze Ausbeutungs- und Unterdrückungsmaschinerie.
Wie 1936 bei der Hitlerolympiade ist Deutschland wieder bis an die Zähne bewaffnet. Wie 1936 haben sich die Kriegstreiber aus aller Welt wieder eingefunden, ob sie nun Kissinger oder Ford heißen, ob das der persische Bluthund Schah Reza ist, oder der englische Notstandszar Heath. Und wie 1936 finden die olympischen Spiele wieder auf deutschem Boden statt, in der BRD, dem Staat der Krupps und Thyssen, von Mannesmann und IG- Farben. Sie betrachten sich als die legitimen Nachfolger des dritten Reiches und sie sind es, und so handeln sie.
Da ist es doch lächerlich, wenn behauptet wird, dieses Olympia habe nichts mit Politik zu tun, da ist es doch ein Witz, wenn man diese olympischen Spiele als einen friedlichen Sportlerkampf betrachtet! Ist nicht dieses Olympia die protzerischste Show, die je abgezogen worden ist? Hier wird Kraft demonstriert, die Kraft des revanchistischen westdeutschen Imperialismus. Die westdeutschen Rüstungs- und Chemie-Monopole haben sich vor ihrer Niederlage im Zweiten Weltkrieg erholt, und sie, die schon zwei Weltkriege entfesselt haben, wollen zum dritten Mal in den Ring steigen, sehen sich wieder auf dem Weg zur Großmacht.
Wie in alten Zeiten spielen sie sich wieder als Herrenmenschen auf, hier in Deutschland, dem Land der KZs und der Judenverfolgung, wird bei der Olympiade der Rassismus in höchster Vollendung getrieben. Lobeshymnen auf das rhodesische Rassistenregime und eine wilde Verleumdungskampagne gegen die Afrikaner, das ist der Geist dieser Olympiade. Doch die Welt soll glauben, hierzulande sei alles in Butter, im heutigen Westdeutschland herrscht Ruhe und Ordnung, herrscht Friede, Freude, Eierkuchen.
Um diese Friedhofsruhe zu gewährleisten, haben die westdeutschen Monopolherren alles aufgeboten, was prügelt, schlagen und schießen kann. Ja, 25.000 Soldaten sind da, das ist der Geist von Olympia. Und dass diese 25.000 nicht als Olympia-Onkels gekommen sind, das hat sich in den ersten Septembertagen deutlich erwiesen: Nur mit diesen Elite-Einheiten von Polizei, Bundesgrenzschutz und Bundeswehr konnten sie die olympische Friedhofsruhe, die Ordnung der Monopole gegen die Bevölkerung, aufrechterhalten.
In Dachau wurden Antifaschisten, darunter ehemalige KZ-Häftlinge, nach einer Gedenkfeier von der Polizei brutal in das ehemalige Todeslager hinein geknüppelt. Als Genossen der KPD/ML über diese Vorfälle auf dem DGB-Fackelzug darüber berichten wollten, wurden sie von Schlägertrupps der DKP und der Gewerkschaftsbürokraten im Verein mit der Polizei tätlich angriffen. Am Samstag dann ließen die Imperialisten und ihre Knechte endgültig die Maske fallen. Mehr als 5.000 waren zusammengekommen, um gerade hier in München, mitten im olympischen Spektakel, vor den Augen der ganzen Welt zu zeigen, dass die deutsche Arbeiterklasse kein drittes Mal den westdeutschen Revanchisten bei ihren räuberischen Kriegsvorbereitungen zusehen wird. Dass die deutsche Arbeiterklasse und ihre Partei, die KPD/ML, sich rüstet, diesem imperialistischen Spuk ein Ende zu machen. Dass wir uns darauf vorbereiten, dem drohenden neuen Weltkrieg die revolutionäre Gewalt entgegenzusetzen.
In den Münchner Arbeitervierteln fanden wir überall die breite Zustimmung der Bevölkerung. Denn die Münchner Arbeiter wissen aus ihren eigenen Kampferfahrungen: Faschismus und Krieg verhindert nur- die proletarische Diktatur. Und die arbeitende Münchner Bevölkerung hat am eigenen Leib erfahren, dass das ganze Theater auf den Knochen der Arbeitenden ausgetragen wird. Sie wissen, dass von ihren Steuergeldern das Zeltdach bezahlt wurde: Ihre Olympiade findet täglich am Arbeitsplatz statt, was sie von der Olympiade sehen, das sind die hohen Preise. Nicht sie sitzen unter dem Millionenschweren Zeltdach, dort sitzen in vorderster Front die Schmarotzer und Geldsäcke, die Dauerurlauber, dort sitzen die Vertreter des Imperialismus, die Kissinger und Heath, Brandt und Schah. Die Arbeiter, die sich den teuren Olympiastress leisten, für die ist der Platz in den hinteren Reihen.
Und auf das Zeltdach, da hätten die Münchner pfeifen können, was die Münchner Bevölkerung braucht, das sind keine Zeltdächer, sondern das sind Krankenhäuser, Schulen, Wohnungen und Sportstätten.
Unter dem Millionenzelt-Volksfeinde aus aller Welt!
Millionen fürs Zeltdach-das Geld fehlt in Perlach!
Das waren die Parolen, die von der Münchener Bevölkerung verstanden wurden. Und nicht nur München, sondern die ganze Welt weiß heute, dass es stimmt, wenn wir riefen: 25.000 Soldaten sind da- das ist der Geist von Olympia.
Seit Samstag wissen es alle, dass diese heiteren Spiele der Bourgeoisie nur noch hinter den Reihen schwerbewaffneter Polizei und Grenzschutztruppen stattfinden können. Denn am Samstag wurde aus diesen heiteren Spielen blutiger Ernst. Als sich unsere Demonstration den Weg durchs Karlstor zum Marienplatz bahnen wollte, da wurde ihr von der Polizei- und Bundesgrenzschutzeinheiten der Weg versperrt, Diese Provokation war von langer Hand geplant, überall stand rund den Stachus ein riesiges Aufgebot von Bürgerkriegsmilitär. Trotzdem ließen sich unsere Genossen nicht beeindrucken, in mutigem Einsatz fegten die ersten Reihen den Büttel hinweg, machten sie die Straße frei für die roten Fahnen. Mit brutaler Gewalt verhinderten die ausgehaltenen Schlägerhorden von Bundesgrenzschutz und Polizei einen weiteren ordentlichen Ablauf der Demonstration. Nur indem sie in rücksichtloser Manier in die Reihen von ungeschützten Demonstranten, auf Mädchen, Frauen und Kinder einprügelten, konnten sie einen Keil in unsere Reihen treiben.
In ihrer panischen Angst vor der Kraft der Massen schlugen sie auf alles ein, was ihnen in den Weg kam, ganz egal, ob es unbeteiligte Zuschauer oder Demonstranten waren. Heimtückisch wurde der Vorsitzende der KPD/ML, der Genosse Ernst Aust, der in vorderster Front kämpfe, von hinten niedergeschlagen. Mit den niederträchtigsten Methoden wurde gearbeitet. Ein Heer von Polizeispitzeln, Agenten und gekauften Provokateuren schwirrten herum. Genossen aus unseren Reihen zu reißen, zu verfolgen, zu fotografieren, zu bespitzeln oder in einer stillen Ecke zusammenzuschlagen. Doch sie bekamen, was sie verdient hatten, die Genossen ließen sich nicht bange machen, sie jagten sie durch die halbe Stadt.
Die Schlacht am Karlstor hat gezeigt, dass der Bourgeoisie alle Mittel recht sind, wenn sie ihre Machtpositionen gefährdet sieht, dann schlägt sie in wilder Panik um sich. So ist allen pazifistischen Illusionen Hohn gesprochen worden. Wer da noch glaubt, auf friedlichem Weg die Macht im Staat erringen zu können, der ist blind oder kämpft für den Staat der Bourgeoisie. Wo sie schon ein ganzes Militär aufbieten, um Kommunisten von der Bevölkerung fernzuhalten, wie werden sie dann erst ihren Staat schützen?
Mögen sich das jene Führer der Gruppe Rote Fahne Bochum und des KJVD hinter die Ohren schreiben, die sich, als die Massen in den Kampf schritten, am Ende ihres Lateins sahen. Der Pazifismus, den sie mit ihrer demokratischen Kampfetappe verbreitet haben, hat hier dazu beigetragen, den Kampf zu verzögern und dem Klassenfeind Zeit zu geben, sich zu formieren. Sie haben so ihre Genossen nicht richtig auf den Kampf vorbereitet, sie haben den von ihnen geleiteten Teil des Zuges aufgelöst, anstatt den anderen Genossen zu Hilfe zu kommen. In ihrer Angst vor dem Klassenfeind sind sie vom gemeinsamen Ziel abgegangen und haben die Kräfte auf mehrere Punkte zersplittert. Damit seid ihr den anderen, noch kämpfenden Genossen objektiv in den Rücken gefallen.
Wir dürfen uns nicht von der Gewalt der Bourgeoisie überraschen lassen. Als Kommunisten müssen wir klar erkennen, dass die Bourgeoisie, wenn sie sich an den Abgrund gedrängt sieht, vor keinem Verbrechen zurückschreckt, dass ihr alle Mittel recht sind. Wir haben in München die Schwäche und die Brutalität der Bourgeoisie erlebt, deshalb müssen wir uns heute unerschrocken auf den Endkampf vorbereiten. Wir werden der reaktionären Gewalt der Bourgeoisie die reaktionäre Gewalt der Volksmassen entgegenstellen. Das ist unser Trennungsstrich zu den Abwieglern und pazifistischen Illusionsmachern von der DKP, das unterscheidet uns deutlich von diesen Scheinkommunisten, die heute hergehen und unseren Kampf gegen die Staatsgewalt als faktisch faschistische Methoden diffamieren. Diesen Brüdern sagen wir: Ihr seid Agenten der Monopole, ihr seid selbst Steigbügelhalter der Faschisten, ihr steht auf einer Seite mit der Polizei, mit Knüppel-Schreiber und Notstands-Genscher.
Unter dem Kommando dieser beiden Vertreter der neuen Münchner Linie haben am anderen Tag 4.000 Mann Knüppelgarde gezeigt, was sie alles können. 4.000 Polizisten umzingelten den alten botanischen Garten, in dem sich die knapp tausend Demonstranten versammelten. Mit Pistolen und Schlagstöcken bewaffnet, gingen sie auf diese friedliche Versammlung los. Selbst das Grundgesetz ist anscheinend von dem Neofaschisten Genscher außer Kraft gesetzt worden. Mit Gewalt wurde jedem einzelnen Demonstranten die Personalien abgenommen, sie wurden durchsucht, gefilmt, fotografiert durch den Erkennungsdienst. Diese neuen Münchner Husaren, die nur bei vierfacher Übermacht stark sind, beschlagnahmten die gesamten Transparente, sie beschlagnahmten das Eigentum der Genossen, sie beschlagnahmten die Autos.
Sie haben nicht die Wagen an Ort und Stelle untersucht, sie haben sie in ihr Präsidium mitgenommen, dort werden dann wohl nach alter faschistischer Manier die Indizien hineingepackt. Wie unter der Nazidiktatur wurde versucht, den verhafteten Genossen den Rechtsbeistand zu verwehren. So wurde der Rechtsanwalt einfach kurzerhand aus dem Präsidium hinausgeworfen.
Mögen uns die Revisionisten noch so verketzern, scheuen sie sich auch nicht, uns Kommunisten faschistischer Methoden zu bezichtigen, sondern sie sitzen in einem Boot mit den Faschisten. Das haben wir in München gesehen, das hat die ganze Welt gesehen, dass das Faschisten waren, die ihren Terror in München entfalteten. Und wer gegen solche Methoden kämpft, der ist ein Antifaschist, und wer wie die DKP solche Methoden rechtfertigt, das ist ein Wegbereiter des Faschismus.
Ja, München hat die Erinnerung an 1936, an die Blüte des Faschismus wieder aufkommen lassen. Und wen wundert es da, dass die National- und Soldatenzeitung fragt: War die Olympiade 1936 schöner als München? München hat die Antwort gegeben: So schön wie unter den Terror des Hitlerfaschismus wird es für die deutsche Bourgeoisie nie wieder werden. Ob in Tokio, Mexiko oder München, überall ist die Bevölkerung gegen das imperialistische Spektakel in den Kampf gegangen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit und dieses imperialistische Schauspiel wird von den Völkern der ganzen Welt ein für allemal beendet werden. Der letzte Olympiasieg gehört dem Sozialismus, gehört der Zeit, in der die Werktätigen der ganzen Welt die Arbeiterolympiade feiern werden.
Und die Zeichen des Sieges zeigen sich schon: Unter dem Schutz der Massen hielt die KPD/ML mitten auf dem Olympiagelände Kurzkundgebungen ab. Auf dem Oberwiesenfeld redete der Genosse Ernst Aust, umringt von Tausenden Besuchern. Mitten im Olympiamekka übertönte die Internationale aus Hunderten von Arbeiterkehlen den olympischen Jahrmarkt … Der Imperialismus stirbt, dieses Olympia stirbt mit ihm. Es geht vorwärts. Vorwärts mit der KPD/ML!“
Über den Demonstrationsverlauf in Kiel, meinte der „Rote Morgen“: „Zusammen mit der Gruppe Rote Fahne (gemeint war die KPD/ML/ ZB, der Vf.) führten wir die Kampfdemonstration dann am 2. September durch. Der Block der KPD/ML marschierte an der Spitze des Demonstrationszuges. Die Gruppe Rote Fahne wollte eigentlich ihren verwaschenen Einheitsfrontblock an der Spitze des Zuges marschieren lassen. Wir ließen uns nicht auf diese revisionistische Taktik der Unterordnung unter kleinbürgerlich-demokratische Organisationen und Kräfte ein, setzten durch, dass unser Block an der Spitze der werktätigen Bevölkerung Kiels, dass die KPD/ML die Vorhut der westdeutschen Arbeiterklasse ist.
Der Hauptschlag unserer Demonstration ging gegen Militarismus und Revanchismus. Wir mussten mit unseren Parolen und Ansprachen dem westdeutschen Imperialismus seine Friedensmaske vom Gesicht reißen und seinen aggressiven und völkerfeindlichen Charakter entlarven. Unseren LKW schmückten wir deshalb mit großen Transparenten:
- 1936-1972 Kriegsolmypiade!
- Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg
- Kampf für den Arbeiterstaat bis zum Sieg!
- 2 Milliarden - wir zahlen, die Herren protzen!
- Nieder mit der Polizei- und Militärolympiade!
Mit diesen Parolen griffen wir die spontane Empörung der Massen auf und zeigten ihnen den richtigen Weg. Die Rote Garde Kiel, die Jugendorganisation der KPD/ML trug die Losung:
- Wir rufen die Jugend der Welt zum Kampf gegen den Imperialismus!
- Jugend der Welt, hinein in die Kampffront gegen Imperialismus und Krieg.
An der Demonstration beteiligten sich etwa 800 Genossen und Kollegen. Kraftvoll schollen unsere Lieder und Parolen durch die Arbeiterviertel … In Kiel demonstrierten, trotz Verbot der Bourgeoisie, mitten am Hindenburgufer, an der Kieler Förde, wo Zehntausende von Kielern sich zum Einlauf der Segelschiffe versammelt hatten. Mit unseren Spruchbändern, unter anderem:
- Festbankette für die Ausbeuterkumpanei
- fürs Volk Lohnraub- und Preistreiberei
- Raus mit Heath, dem Schlächter des irischen Volkes
marschierten wir den Uferkai entlang … Als die Windjammer einliefen, hielten wir noch eine Abschlusskundgebung und sangen die Internationale, schwenkten rote Fahnen und rote Tücher. Damit demonstrierten wir proletarische Völkerfreundschaft gegen die Friedensheuchelei der Imperialisten … Wir durchbrachen auch die Bannmeile um das Landeshaus im geschlossenen Demonstrationszug. Die Bullen griffen aber nicht ein, obwohl sie voll gerüstet waren, um die Demonstration zu zerschlagen. Die Bourgeoisie hatte Angst vor den Massen, die sich mit uns solidarisiert hätten.
Zusammenfassend können wir sagen: Trotz erheblicher organisatorischer Mängel haben wir erfolgreich vor den Massen das Spektakel der Olympiade entlarvt und der Öffentlichkeit gezeigt, dass die deutschen Werktätigen mit ihrer Partei, der KPD/ML ein neues 1939 verhindern werden.“
Q: Roter Morgen Nr. 18/1972, S. 1ff; S. 6f.
18.09.1972:
In Braunschweig gibt die Initiativgruppe zum Aufbau eines Kommunistischen Oberschülerbundes (IG/KOB) Braunschweig erstmals ihr Organ „Rote Oberschüler Front“ (ROF) heraus. Zur Olympiade bedient man sich u. a. einer Sondernummer der „Roten Presse“ der SSG Hamburg.
Q: Rote Oberschüler Front Nr. 1, Braunschweig 18.9.1972, S. 6ff.
31.12.1972:
Es erscheint der „Rote Morgen“ Nr. 26/1972 vom 31. Dezember. Zur Geiselnahme eines palästinensischen Terrorkommandos während der Olympischen Spiele in München, veröffentlicht der „Rote Morgen“ den Artikel:
„Wer macht hier den Terror? Erklärung palästinensischer Freiheitskämpfer an die westdeutsche Bevölkerung.“
Ausgeführt wird u. a.: „Seit den Ereignissen in Fürstenfeldbruck bei der Olympiade haben die westdeutschen Imperialisten zu einer Hetzjagd gegen ausländische Arbeiter und Studenten angesetzt. Vor allem unsere arabischen Brüder sind den Verfolgungen ausgesetzt. In dieser Situation hat sich die Demokratische Volksfront zur Befreiung Palästinas mit einem „Aufruf an die demokratische westdeutsche Öffentlichkeit“ gewandt. Heute werden die arabischen Arbeiter und Studenten in der BRD in ähnlicher Weise verfolgt wie im Dritten Reich die Juden. Anlass dazu ist die Aktion des „Schwarzen September“ bei den Olympischen Spielen. Solche individualistischen Terrorakte schaden natürlich dem gerechten Kampf des palästinensischen Volkes. Die westdeutsche Bourgeoisie nutzt sie demagogisch aus, um einen Keil zwischen die arabischen Völker und das deutsche Volk zu treiben.
Ihre Hetzkampagne aber richtet sich nicht hautsächlich gegen solche sogenannten Terroristen, sondern gegen den einfachen arabischen Arbeiter und Studenten. Daher stellt die Verfolgung u. a. nichts anderes dar, als Vorbereitung und Ausführung des faschistischen Terrors, wie dieser von den Notstandsgesetzen vorgesehen ist. Opfer dieses Wahns sind zur Zeit die palästinensischen Arbeiter und Studenten in der BRD. In der nächsten Zeit werden die westdeutschen und Westberliner Demokraten und Sozialisten die Opfer eines solchen Wahns sein …
Die Demokratische Volksfront und die anderen palästinensischen Organisationen der palästinensischen Befreiungsbewegung, in der PLO vertreten sind, kämpfen daher, genauso wie die anderen kolonialisisierten und unterdrückten Nationen für eine gerechte nationale Sache, und deshalb werden wir diesen Kampf unbeirrt fortsetzen, bis wir das Land befreien und alle Menschen in Palästina Arbeit, Brot, Frieden und sozialen Fortschritt garantieren. Die Freundschaft zwischen unserem Volk und dem Volk der ruhmreichen K. Liebknecht, E. Thälmann u. a. wird sicherlich nicht durch die Provokationen der BRD-Behörden gestört. Wir begrüßen all die demokratischen und sozialistischen Kräfte in der BRD und Westberlin, die der Hetzkampagne und dem Verfolgungswahn entgegenwirken. Diese Kräfte, allen voran die westdeutsche Arbeiterklasse rufen wir auf, Druck auf die BRD- und Westberliner Behörden auszuüben, um den Terror gegen die arabischen Arbeiter und Studenten zu beenden.“
Q: Roter Morgen Nr. 26/1972, S. 6.
02.10.1974:
In der „Kommunistischen Volkszeitung“ des KBW Nr. 21 vom 2. Oktober 1974 erscheint der Artikel: „München. Der Gesundheitspark muss bleiben.“
Danach haben beim „Bau der Sportanlagen für die Olympischen Spiele 1972 in München die Verantwortlichen Behörden (Bund, Freistaat Bayern, Stadt München), insgesamt 2 Milliarden ausgegeben. Da diese Gelder hautsächlich über die Steuern der Lohnabhängigen aufgebracht wurden, fragt man sich, ob wenigstens die Sportstätten nach den Spielen für die Bevölkerung zugänglich war, der Gesundheitspark, soll Ende dieses Jahres verschwinden, weil angeblich kein Geld dafür da ist.
Während beispielsweise allein das Zeltdach für das Stadion 200 Millionen DM gekostet hat, soll es nun an den für das Jahr 1975 für den Gesundheitspark erforderlichen 600.000 DM fehlen. Die Bevölkerung, die von der Einrichtung des Gesundheitsparks regen Gebrauch gemacht hat, wehrt sich dagegen, dass ihr die einzige für sie nützliche Einrichtung im Olympiagelände genommen wird. Eine zu diesem Anlass gegründete Bürgerinitiative hat eine Versammlung durchgeführt, auf der von den Stadträten Rechenschaft verlangt wurde … In der Versammlung haben viele erkannt, dass ihre Angelegenheiten bei diesen „Volksvertretern“ nicht in guten Händen sind, sondern dass sie sich zusammenschließen und gemeinsam gegen die Stadtverwaltung ihre Forderungen durchsetzen müssen. Keine Schließung des Gesundheitsparks.“
Q: Kommunistische Volkszeitung Nr. 21, 2. Oktober 1974.
05.02.1990:
Im „Arbeiterkampf-Zeitung des Kommunistischen Bundes“ Nr. 315 vom 5.2., erscheint der Artikel: „Wir fordern die Jugend der Welt.“ Der Artikel beschäftigt sich mit Olympia und Olympiaplänen für Ost- und Westberlin.
Ausgeführt wird: „Olympische Spiele in Gesamt-Berlin - eine Schnapsidee wird zur materiellen Gewalt, wenn sie nur Walter Momper („ein Traum wird wahr“) und Hans Modrow („eine begrüßenswerte Sache“) ergreift. Wurde zunächst immer das Jahr 2004 als möglicher Termin genannt, kann es jetzt gar nicht schnell genug gehen. Der Senat von Westberlin und der Magistrat von Ost-Berlin wollen sich nun gemeinsam um die Austragung der Olympischen Spiele im Jahr 2000 bemühen. Und ein paar Leute, wie der Chef des Westberliner Olympia-Büros, der von der Alternativen Liste nominierte Sportstaatssekretär Hans-Jürgen „Cola“ Kuhn denken in noch kürzeren Zeiträumen. Die Bundesdeutschen: Eine unsympathische Vordrängler-Nation Es war bisher immer in der bundesdeutschen Sportpresse und -politik gängiger Brauch bei ausländischen Ausrichtern von sportlichen Großveranstaltungen organisatorische Unfähigkeit zu vermuten („die werden doch nie fertig“), um sich dann stets großzügig selbst anzubieten. 1976 wollte München für Montreal, 1980 für Moskau einspringen. 1986 wollte die BRD, nach den schweren Erdbeben Mexiko die Fußball-WM abluchsen und gegenwärtig wird gemunkelt, die Italiener würden ihre Stadionumbauten bis zur Fußball-WM 90 nicht schaffen und die BRD wolle einspringen.
So steht es 1992 zu befürchten, dass - weil die Spanier ihre Sportstätten sowieso nicht fertig stellen können („die doch nicht“) - sich Berlin (Ost und West) als Alternativaustragungsort anbieten wird. Zwei Belege für diese leider nicht unrealistische Befürchtung: der Westberliner Senat ließ eine „Machbarkeitsstudie“ für das Jahr 2004 anfertigen. Sobald das Stichwort 2000 fiel, wurde sie umgeschrieben. Nach Westberliner Logik müsste man nur eine Studie für das Jahr 92 oder 96 anfordern, die einem dann die „Machbarkeit“ des Projekts nachweist. Der zweite Beleg: Als 1987 heftige Protest-Demonstrationen der südkoreanischen Bevölkerung stattfanden, teilte der damalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen mit, Berlin (Ost und West) könne für Seoul 1988 einspringen, wenn ein anderer Austragungsort gesucht würde.
Im Entscheidungsgremium Internationales Olympisches Komitee (IOC) stößt das unsympathische Vordrängeln der BRD allerdings auf Zurückhaltung. (1)
Geschichte einer Idee
Die Anregung für Olympia in Ost- und Westberlin stammt von seinem regsten Multifunktionär Willi Daume. Und die Idee ist alt. Bereits im Jahr 1963 hatte der damalige Regierende Bürgermeister Willy Brandt eine Olympiabewerbung Gesamt-Berlins für das Jahr 1968 ausgesprochen. (2) Aufgegriffen und popularisiert wurde diese Schnapsidee dann wieder von Ronald Reagan im Jahr 1987. Es gab zwar als indirekte Antwort eine Sportstättenbau-Ankündigung in Ost-Berlin (3), jedoch Mitte des Jahres 1989 nannte Erich Honecker Leipzig als Olympia-Kandidaten. Zum DDR-Motiv, jetzt nach dem Umbruch, die Spiele in Berlin zu wollen (kurzfristig war auch noch nach dem DDR-November Leipzig im Gespräch geblieben) gibt es von DDR-Seite bisher noch keine dezidierten Stellungnahmen. Momper vermutet die Aufwertung von Ost-Berlin als DDR-Hauptstadt (4) und Cola Kuhn tippt auf die Hoffnung nach neuen Sportstätten. (5) Vom „Neuen Forum“ war zu hören, die Olympiabewerbung könne als letzten Motivationsschub für den mittlerweile sehr stark in die Kritik gekommenen DDR-Leistungssport verstanden werden.
An einer Zustimmung des IOC wird von bundesdeutscher Seite nicht gezweifelt. Willi Daume: „Das IOC wäre von allen guten Geistern verlassen, wenn es nicht die friedensfördernde und völkerverbindende Mission Olympias nutzen würde.“ (6) Und ehe das IOC von Willi Daume verlassen wird, stimmt es - zumindest für das Jahr 2004 - für Berlin. Bezüglich der Bewerbung für das Jahr 2000 steht noch ein anderer Beschluss des IOC dem im Wege, nämlich jede Olympiade in einem anderen Kontinent stattfinden zu lassen. Da bisher allgemein damit gerechnet wurde, dass nach Barcelona 1992 das IOC für die Spiele 1996 diesen Beschluss ausnahmsweise aussetzen würde, um aus Anlass des 100. Geburtstages der Olympischen Spiele der Neuzeit diese - wie hundert und wie tausende von Jahren vorher - in Athen stattfinden zu lassen, hieße dies für die Berliner Olympiastrategen, auf jeden Fall das traditionsreiche Griechenland zugunsten eines Bewerbers aus einem anderen Kontinent aus dem Rennen schlagen zu müssen.
Andere Bewerber für die kommenden Olympiaden sind durchaus harte Brocken. Für 1996 werden gehandelt: Athen, Atlanta, Manchester, Melbourne und Toronto. (7) Entschieden wird im September dieses Jahres. Für das Jahr 2000 will sich bislang Peking bewerben (8). Und fürs Jahr 2004 steigen San Juan (Puerto Rico) und New York in die Bütt. Diese Entscheidungen sind aber frühestens ab 1992, bzw. 1997 zu erwarten. Für die Berliner Bewerbung spricht auch die diesbezügliche gemeinsame Erklärung von Bush und Gorbatschow vor Malta im Dezember 1989. (9) Auch der sportpolitische Experte des „Neuen Forum“, Harold Tünnemann (Leipzig) erklärte: „Walter Mompers Vorschlag, im Jahre 2004 Olympische Spiele in Berlin abzuhalten, ist eine hervorragende Möglichkeit für unsere Sportler, klare Zielvorstellungen aufzubauen.“ (10) Als dann noch - im Januar 1990 - das für die Bewerbung zuständige NOK der DDR und der DDR-Ministerpräsident Modrow sich für Gesamtberliner Olympische Spiele aussprachen, konnte Walter Momper getrost resümieren: „Immer mehr Sportler, Sportfunktionäre und Politiker unterstützen unseren Plan.“ (1)
Der Run auf Olympia
Soviel Zustimmung allerseits - und doch gibt es Neider und Gegner. Offenbar wurde dies, als Hamburgs Bürgermeister Voscherau - allerdings vorbehaltlich der Zustimmung des Senats - die Bewerbung Hamburgs wieder zurückzog. Es hagelte dann Schelte für Voscherau - man wisse ja schließlich nicht in welche Richtung sich die DDR entwickle - und Voscherau erklärte daraufhin, die Bewerbung Hamburgs bleibe bestehen. Sie steht nicht allein. Auch das Ruhrgebiet, Frankfurt und Stuttgart wollen sich um die Austragung bewerben. Das Ruhrgebiet käme auch schon für das Jahr 2000 in Betracht, der Rest arbeitet aufs Jahr 2004 hin. Die Bewerbungsmodalitäten sind allerdings ähnlich denen des bekannten europäischen Schlagerwettbewerbs: Jedes NOK kann nur eine Stadt vorschlagen - es findet also zunächst eine nationale Ausscheidung statt. Es gibt zwar den Beschluss der westdeutschen Aspiranten-Großstädte, zugunsten Berlins zu verzichten, aber - wie das Beispiel Hamburg gezeigt hat - vorschnell will niemand seine Startposition beim Rennen auf die Fleischtöpfe aufgeben. Jüngst traten zwar die Oberbürgermeister der Bewerberstädte dem Kuratorium „Olympia für Berlin“ bei, aber bei diesem Anlass erinnerte Willi Daume daran, dass im Ausland die Olympischen Spiele von 1936 noch nicht vergessen sind und dass die Zukunft des Leistungssports in der DDR noch nicht gesichert ist. (12) Also hoffen und arbeiten die anderen halt weiter. So hatte das Ruhrgebiet - das die IOC-Regel, wonach sich nur eine Stadt bewerben kann, gerne umgehen würde - schon zur Verbesserung seiner Chancen die vom IOC gestellte Hürde der Ausrichtung einer Universiade übernommen und muss sich jetzt als beschissen fühlen. Die Universiade - eine Olympiade für Studenten - ist aufgrund schlechter Verwertungschancen als Austragungsobjekt ein Ladenhüter in den IOC-Regalen. Die anderen Städte - sowohl die bundesdeutschen als auch die ausländischen - hoffen auf die Regel 34 des IOC-Statuts, wonach sich nur eine Stadt eines Landes bewerben kann, aber, sagt Momper: „Ich vertraue darauf, dass die Regeln des IOC eine solche Doppelbewerbung zulassen, ansonsten müssten sie schnellstens eindeutig in dieser Richtung definiert werden.“ (13) Indiz für Momper ist die erst in letzter Minute gescheiterte gemeinsame Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele 1988 von Seoul und Nordkorea.
Go for Gold
Zur Erklärung der Olympia-Geilheit der westdeutschen Kommunen und vor allem der jeweiligen ortsansässigen Industrie muss man kurz eingehen auf die Entwicklung der Olympischen Spiele der Neuzeit, die von vielen Sportsoziologen und -historikern als prägnanter Ausdruck der Sportgeschichte begriffen wird: seit 1984 ist bewiesen, dass Olympische Spiele verwertbar sind. Waren sie in der Vergangenheit Prestigeobjekte von Großstädten und war es im Zuge der weltweiten Krise der jeweils nationalen Staatsfinanzen zunehmend schwieriger, Austragungsorte zu finden, so drängeln sich seit 84 die Bewerber. Wurden die Olympiaden mit den Berliner Spielen 1936 zu Weltmedienereignissen erster Ordnung (vorher waren sie wenig beachtetes Beiwerk zu den Weltausstellungen), von den Nazis perfekt inszeniert, so wurde es 1984, die zweite Zäsur, zum ersten Mal möglich die bisherige mit jeder Olympiade verbundene fiskalische kommunale Misswirtschaft in private Finanzierung zu legen. Ein US-amerikanisches Firmen- Konsortium besorgte die Finanzierung.
Seit 1984 hat jede der drei seitdem stattgefundenen Olympiaden dank der Eigenfinanzierung mit Gewinn gearbeitet, den größten Gewinn heimsten die Organisatoren von Calgary im Winter 88 ein. Diese Zäsur ist ganz banal dem Trend der Subsumtion aller gesellschaftlichen Bereiche unters Kapital zu verdanken. Olympische Spiele sind nicht mehr nur der Ort von Produkt-Verwertung (Warenwerbung z.B.), sondern sie sind als solche warenförmig, verwertbar geworden. Dem hält Momper entgegen und hier wird er - gerade unter dem Eindruck der Krise (auch der Westberliner) Staatsfinanzen - gehörig auf die Schnauze fallen: „Olympische Spiele sind so wichtig, dass endlich wieder der Sport und die Friedensidee im Mittelpunkt stehen müssen. Olympische Spiele dürfen nicht durch den Kommerz konturenlos ausufern.“ (14)
Gesetzt den Fall, Momper als Repräsentant Westberliner Olympiapläne käme es gar nicht auf das Aufhalten dieser Entwicklung der Olympischen Spiele (und damit der Sportentwicklung) an - wofür ja mindestens die bereits erwähnte Krise der Staatsfinanzen spricht - so dient der Non-Kommerzhinweis, ebenso wie das Betonen des friedlichen Charakters der Olympischen Idee als Transmissionsriemen für die Öffentliche Meinungsbildung, denn - weiß wieder Walter - „Berliner sind skeptisch. Olympische Spiele des Gigantismus und des Kommerzes lehnen sie ab.“ (15)
Die Olympische Idee: Diesem Frieden ist nicht zu trauen
Aber was ist eigentlich schlimm am olympischen Treiben, dem olympischen Frieden, der olympischen Idee, der olympischen Völkerverständigung und welche Begriffe auch immer fallen? Der Begründer der Olympischen Spiele der Neuzeit, der französische Baron Pierre de Coubertin, wollte die beim englischen Sport beobachtete Wehrertüchtigungsfunktion auch für die französische männliche Bürgerjugend nutzen. In seiner Schrift „Der Olympische Gedanke“ schreibt er „die ungeheure Ausdehnung des Britischen Reiches und die hohe Machtentwicklung“ vor allem der englischen Schulreform um 1840, die allgemein als Geburtsstunde des Sports gilt, zu. (16) Olympia als koloniale Wehrertüchtigung. An der stets Coubertin zugesprochenen Darstellung der Olympischen Idee als bürgerlich-pazifistische sind also zumindest Zweifel erlaubt.
Anti-Olympia-Kampagne: Chancen und Hindernisse
Das bisherige Echo auf die Olympia-Bewerbung ist eher still. Die Faktoren, die eine wirkungsvolle Anti-Olympia-Kampagne behindern, sind unter anderem:
1. die Durchkapitalisierung der Olympischen Spiele hat die Bewerbung einer Kommune strukturell weniger demokratisch kontrollierbar gemacht (nicht dass es viel hülfe, aber: bei dem organisatorischen Vorlauf bestand früher formal die Möglichkeit für eine Anti-Olympia-Bewegung sich kommunalpolitisch dagegen zu stemmen. (17)
2. Völlig unklar sind gegenwärtig die Modalitäten einer Berliner Olympiabewerbung: wo welche Sportstätten gebaut werden sollen, welche Umbaumaßnahmen in Frage kommen, wo das Olympische Dorf hin soll, d.h. eine Aufspaltung einer Anti-Olympia-Kampagne in Ost- und Westberliner Fraktionen drohte.
3. Noch unklarer sind die politischen Bedingungen: Wird es eine gesamtdeutsche Mannschaft geben? Wie sieht im Jahr 2000 die Eigenstaatlichkeit der DDR aus?
4. Im Wege steht auch der ideologische Rahmen der Olympischen Spiele, genauer: der Olympischen Idee als friedensstiftender Ort der Völkerverständigung, ein - wie gezeigt - zutiefst ideologisches Argument.
5. Die letztliche Entscheidungsgewalt liegt beim IOC, auf das aufgrund seiner aristokratischen Strukturen - das IOC ist eine "Mafia aus Grafen, Prinzen, Millionären und Weißen" (Fidel Castro) - kaum politischer Druck entfaltet werden kann und nach dessen Entscheidung eine Kette von Sachzwängen ausgelöst wird.
6. Ein - zumindest in der BRD - weitgehend entpolitisierter Sport, sowohl auf Seiten der offiziellen Sportstrukturen (der DSB als Organisationsform des Einheitssports fernab aller „weltanschaulicher etc.“ Konflikte) als auch auf Seiten der Linken, wo sich eher Desinteresse gegenüber sportpolitischen Fragestellungen breitgemacht hat (natürlich nicht bei den ak-Sportseiten-Lesern, die bis jetzt durchgehalten haben).
7. Die beeinträchtigenden Faktoren einer Anti-Olympia-Kampagne sind nicht nur grell. Dagegen spricht auch die Faszination, die von Olympischen Spielen bekanntlich ausgeht, die Milliarden Menschen vor die TV-Geräte zieht: das Flair der weltbesten Athleten, Rekorde und Favoritenstürze usw. Gegen Olympische Spiele heißt zugleich: gegen die weltweite Sportbegeisterung. Auch gegen die eigene.
Eine Anti-Olympia-Kampagne, wollen wir doch nicht auf sie verzichten, muss sich an mehreren Faktoren festmachen. Wie die Pro-Olympia-Kampagne als Hebel benutzt wird gegen die Alliierten-Präsenz (Stichwort: Schließung des US-Flughafens Tempelhof oder der sowjetischen Kaserne Dallgow-Döberitz fürs Olympische Dorf), für die BRD-Anbindung Westberlins, für die BRD-Anbindung Ost-Berlins, (diese drei Punkte - in Klartext übersetzt - lauten: für die Wiedervereinigung), so muss sich eine Kampagne dagegen auch an diesen Punkten orientieren.
Darüberhinaus ist eine Olympia-Bewerbung West- und Ost-Berlins nichts anderes als eine städteplanerische Katastrophe. Das Kuhn‘sche Argument, das Olympische Dorf werde ja nachher zu Wohnzwecken umgemodelt, ist zum einen in Anbetracht des gegenwärtigen Westberliner Wohnungsmarkts eine unverschämte Vertröstung aufs Jahr 2001 oder 2005, zum andern entspricht der Baubedarf für ein Olympisches Dorf - wie in München kleine Reihenhäuser, wie in Seoul Mehrfamilienhäuser mit dem Charme französischer Feriendörfer - nicht den Bedürfnissen des Westberliner Wohnungsmarkts. Ferner entspricht die Mittelbewilligung für Sportstätten, (die prinzipiell ja nicht zu kritisieren ist: Westberlin hat zu wenig Sportstätten) nicht den - gerade von der AL früher postulierten - Bedürfnissen einer besseren Sportpolitik.
Es macht einen Unterschied, ob man beispielsweise ein olympiataugliches Schwimmbad baut oder ob man Schwimmbäder für Freizeit- oder auch Vereinssport baut, die in einigen Bezirken dringend benötigt werden, zumal die Wohnung ohne Dusche oder Bad in dieser vereinigungsbesoffenen Stadt keine Seltenheit darstellt. Um beim Beispiel zu bleiben: ein olympiataugliches Schwimmbad existiert gegenwärtig weder in Ost- noch in Westberlin: das neben dem West- Berliner Olympiastadion befindliche alte Freibad erfüllt diese Anforderungen nicht mehr.
Nebenbei entsprechen das Westberliner Olympiastadion, das Schwimmstadion, die - fast vollständig umzubauende - Deutschlandhalle und alle anderen gegenwärtig zur Diskussion stehenden Sportanlagen auch überhaupt nicht dem Trend des Sportstättenbaus der 90er Jahre. Die von Momper und Kuhn vorgetragene Behauptung, olympische Sportstätten dienten danach dem Breitensport, ist in Anbetracht der sich in den 80er Jahren gewandelten Sportstättenarchitektur (Trend zur Spezialisierung, weg von multifunktionalen und hässlichen Sportstätten) entweder eine illusionäre Behauptung oder eine Lüge.
Auch die von Kuhn vertretene „alternative“ Olympia-Begründung - nämlich als Hebel für eine bessere Nahverkehrspolitik - wird sich als Rohrkrepierer erweisen. Kuhns These, eine olympische Infrastruktur werde eine Reaktivierung des brachliegenden S-Bahn-Netzes und eine Magnet-Bahn-Linie vom Flughafen Tegel bis Bahnhof Zoo bringen, ist sicher richtig, vergisst aber vier Fünftel der anderen Folgen. Olympische Spiele sind Weltmedienereignisse. So wie auch mehr U- und S-Bahnen benötigt werden, werden auch mehr Straßen, mehr Hotels, mehr Parkplätze und mehr Flughafenkapazitäten benötigt, denn der gesamte städtische Verkehr steigt an. Dem entspricht auch der jüngste Beschluss, im Süden Berlins, auf DDR-Territorium, einen internationalen Großflughafen („Dabbelju- Momper-Airport“) zu errichten, um auf diesem Wege eventuell sogar Tegel und Schönefeld schließen zu können. (18)
Nach Turnfest, Kirchentag und Maueröffnung bleibt dieser Stadt wohl gar nichts mehr erspart. Irgendwie scheint der ideelle Gesamtberliner so was ein Mal jährlich zu brauchen.
Anmerkungen:
1) vgl. Interview mit dem IOC-Präsidenten Samaranch, in: KICKER Nr. 94/ 47. Wo., 20.11.89. Die KICKER-Redaktion stellte Samaranch sogar den Friedensnobelpreis in Aussicht - doch der ließ sich nicht bewegen.
2) vgl. FAZ, 27.1.90
3) taz und taz-Berlin, 13.12.88
4) vgl. FAZ, 27.10.89
5) vgl. FAZ, 10.1.90
6) zit. n. KICKER, Nr. 92/46. Wo, 13.11.89
7) FAZ, 23.10.89
8) FAZ, 9.10.89. Im Juni 1988, also weit vor dem Massaker auf dem Tianmen-Platz, galten die Spiele von Peking als "so gut wie fest vergeben" (Spiegel, 13.6.88). Unter einem rein taktischen Gesichtspunkt könnten sich die Berliner Olympiastrategen bei den Pekinger Machthabern für die Verbesserung ihrer Olympiachancen bedanken.
9) vgl. FAZ, 5.12.89
10) zit. n. FAZ, 8.12.89 (Zitat Tünnemanns aus Interview mit DDR-TV-Sportsendung „Halbzeit“)
11) Interview in: Deutsches Sportecho (DDR), 16.1.90
12) FAZ, 30.1.90
13) Interview in: Deutsches Sportecho (DDR), 16.1.90
14) Interview in: Deutsches Sportecho (DDR), 16.1.90
15) Interview in: Deutsches Sportecho (DDR), 16.1.90
16) zit. n.: U. Prokop: Soziologie der Olympischen Spiele, München 1971, S. 23
17) So gelang es US-amerikanischen Umweltschützern im letzten Moment die Austragung der Winterspiele von 1976 in Denver/Colorado zu verhindern. Innsbruck sprang als Ersatzausrichter ein, vgl. K. H. Frenzen, Olympische Spiele, Aachen 1988, S. 132
18) taz-Berlin, 29.1.90.
Q: Arbeiterkampf - Zeitung des Kommunistischen Bundes Nr. 315, 5.2.1990.
18.04.2003:
Im „Arbeiterkampf-Zeitung für linke Debatte und Praxis“ vom 18.4, erscheint der Artikel: „Amphetamine für die unternehmerische Stadt -Hamburg macht in Olympia: Image ist alles.“
Ausgeführt wird u. a.: „Am 12. April 2003 wurde entschieden, welche deutsche Stadt sich für die Austragung der Olympischen Spiele im Jahre 2012 bewerben darf. Die Gewinnerin dieses nationalen Vorentscheids hat nun bis zum Frühjahr 2005 Zeit, sich gegen die internationale Konkurrenz als die ideale Stadt zu positionieren. Was aber bringt Metropolen dazu, sich mit erheblichem Aufwand für die Olympischen Spiele zu bewerben?
Olympia ist das größte nicht katastrophale Medien-Ereignis der Welt. Sein „Eigentümer“ ist das Internationale Olympische Komitee (IOC), im Prinzip ein transnational agierender Konzern, dessen Vermarktung des Produkts vor allem durch die Lizenzvergabe für Fernsehübertragungen außergewöhnlich lukrativ ist. Die Spiele selber stehen weniger für „Frieden und Völkerverständigung“, wie es ihr Image glauben machen soll, und auch nicht für eine breite und gemeinschaftliche sportliche Betätigung, sondern für einen Wettkampf, ausgetragen von hoch bezahlten SpitzensportlerInnen: Role Models für ein Dasein als erfolgreiche „Ich-AG“. Die Bevölkerung ist dabei nur Zuschauerin, angehalten, die Sportelite als Vorbild für die eigene gesellschaftliche Fitness zu nehmen.
Ein Wettstreit anderer Art, aber ähnlich engagiert geführt und ideologisch überhöht, findet bereits im Vorfeld der Spiele statt: Die „unternehmerische Stadt“, also eine Stadt, die Standortoptimierung und -vermarktung als ihr Kerngeschäft versteht, benötigt für ihre Ziele nach außen kommunizierbare Ereignisse. Je glänzender und überragender diese bewertet werden, desto optimaler sind sie für die eigene Sache einsetzbar. Dementsprechend stellt die Bewerbung für die Olympischen Spiele eine besondere Herausforderung für eine im globalen Konkurrenzkampf befindliche Metropole dar …
In diesem Wettkampf geht es weniger um die oft vorrangig angeführte Erzielung von Reingewinnen. Solche Zahlen schrumpfen in der Regel, je näher das geplante Ereignis herannaht, und verkehren sich oft auch ins Negative, nachdem im Anschluss genauer nachgerechnet werden muss. So haben sich in Sydney nach der Durchführung der Olympischen Spiele 2000 die ursprünglich veranschlagten Ausgaben mehr als verdoppelt und eine große Lücke im städtischen Haushalt hinterlassen.
Ziel des städtischen Managements ist - entsprechend der eigenen Ideologie -, das öffentliche Image sichtbar aufzuwerten sowie ein sinnstiftendes und homogenisierendes Vehikels zur Beschleunigung der eigenen Politik zu schaffen. Diese Intention wird in zwei Abschnitten verfolgt: In der Phase der Bewerbung und Planung eines Ereignisses und in der darauf folgenden Phase der wirklichen Durchführung. Die erste Phase selbst, in der eine mediale Projektion des kommenden Ereignisses entworfen wird, ist bereits für eine Idealisierung und Dynamisierung ausreichend förderlich. In der Tendenz geht es daher immer weniger um das eigentliche Stattfinden eines Ereignisses, sondern um sein Herannahen, seine Imagination sowie die Handlungen und Notwendigkeiten, die sich daraus herleiten lassen.
Ein großer Teil des Aufwands, der für eine Bewerbung betrieben wird, fließt dementsprechend in die Produktion von Werbekampagnen, von PR-Prosa und medialer Dauerpräsenz. Allein die fünf deutschen Bewerberstädte haben dafür zusammen 30 Millionen Euro ausgegeben. Neben der tausendfachen Platzierung der Kampagnenlogos im Stadtbild, der Internetpräsenz als überregionaler PR-Plattform und der Aufstellung einer Hand voll semiprominenter „Olympiabotschafter“ für den Human Touch wird die vermeintlich konkrete Ausformung des Ereignisses allein auf einer idealisierten Bildebene sichtbar gemacht. Ein digital generiertes ‚olympisches Ensemble" mit Stadion und olympischen Dorf wird als Riesenposter an ‚öffentliche Gebäude gehängt oder als virtueller Rundflug auf der Website angeboten. Diese Bebilderung der architektonischen Präsentation künftiger Ereignisse lässt einen genauen Zoom auf alle Facetten nicht zu. Mit einer solchen Imageproduktion, die verstärkt auf eine abstrakte Darstellung aus der Vogelperspektive baut, wird die Schilderung von Details vermieden, die für eine neutrale, öffentliche Meinungsbildung nötig wäre. Letztlich wird mit solchen Bildern eine Stadt der Zukunft inszeniert, eine Simulation dessen, was heute als zusammenhängendes Ganzes bereits in Auflösung begriffen ist.
Die BewohnerInnen einer olympischen Stadt aber werden von diesem Spektakel in der Regel nicht viel mehr haben als ein großflächiges Bombardement mit ideologischen Bildern, die Vorfreude auf ein Großereignis nebst einer erhofften Steigerung des allgemeinen Wohlstands und eine, je nach persönlicher Situation mehr oder weniger brüchige Illusion von Gemeinschaft. Wenn es dann so weit ist, bleibt nicht viel mehr als die Konsumtion scheinbar authentischer Live-Bilder aus dem häuslichen Fernseher. Wobei es dann gleich ist, ob diese Bilder aus einem Retorten-Stadtteil um die Ecke oder von einem anderen Kontinent übertragen werden.
Am Beispiel von Hamburg als einer von fünf deutschen Bewerberstädten lässt sich die Instrumentalisierung gut beobachten: Mit der regelmäßigen Verabreichung von Amphetaminen vergleichbar, stellen Großereignisse auch hier einen elementaren Bestandteil einer Strategie dar, der eine erhebliche Dynamisierung der gegenwärtigen Politik des Hamburger Senats und eine Optimierung des wirtschaftlichen Standorts bewirken soll.
Diese Strategie ist in das neu entwickelte Leitbild „Metropole Hamburg - Wachsende Stadt“ eingebettet, durch sie soll Hamburg „wieder zu einer wachsenden Metropole mit internationaler Ausstrahlung werden.“ …
Der größte Teil der olympischen Infrastruktur soll in der Hafencity platziert werden und erklärt, was unter „Gesamtkunstwerk“ zu verstehen ist: In zentraler Lage zwischen Elbufer und Stadtmitte gelegen und in den Ausmaßen der jetzigen Innenstadt stellt die Hafencity das größte „Stadterweiterungsprojekt“ der Stadt Hamburg dar. Hier soll durch privatwirtschaftliches Engagement in den nächsten zwei Jahrzehnten ein moderner Stadtteil aus der städteplanerischen Retorte entstehen. Allerdings stagniert das Projekt mangels williger InvestorInnen bereits in seiner Anfangsphase. Mit der Koppelung Olympia und Hafencity soll deshalb dem bislang erfolglosen Großprojekt mittels olympischem Geist neues Leben eingehaucht werden.
Da mit der früher als Industriehafen genutzten, mittlerweile menschenleeren Brachfläche keine Interessen von BewohnerInnen berücksichtigt werden müssen, ist die Hafencity in doppelter Hinsicht ein „ideales Gelände“.
Südlich der Elbe sehen die Bewerbungsunterlagen die Aufwertung der bislang „isolierten Stadtteile“ Veddel und Wilhelmsburg durch eine enge städtebauliche Anbindung an den geplanten „olympischen Park“ vor. Als Effekt ist eine gravierende sozialräumliche Umstrukturierung auf Kosten der dort beheimateten, meist weniger zahlungskräftigen Bevölkerung zu befürchten - in Barcelona beispielsweise, in den offiziellen Darstellungen Hamburgs oft als Vorbild zitiert, haben die Olympischen Spiele drastische Mieterhöhungen in den angrenzenden Stadtteilen bewirkt.
Doch von offizieller Seite wird Olympia durch die Verheißung von Aufschwung und Wohlstand propagiert. Nach altem wilhelminischen Prinzip gibt es keine Parteien mehr, sondern nur noch HamburgerInnen, die geschlossen die Bewerbung unterstützen. In dem Ausstellungsraum eines großen Hamburger Kaufhauses sind weiße Stellwände aufgebaut, auf denen in großen Lettern die Parole „ich bin dafür“ aufgedruckt ist. Drumherum dürfen die BürgerInnen mit dicken Eddingstiften ihre Blankounterschrift zur Bewerbung geben. Angehübscht ist diese Unterschriftensammlung durch eine dezent beleuchtete Bildwand mit digitalen Bildern geplanter olympischer Stätten. Irgendein Hinweis auf Konzept und Finanzierung der geplanten Spiele ist dagegen nicht zu finden; allein Werbeflyer für olympisches Merchandising wie Fahnen, T-Shirts und Feuerzeuge mit dem Slogan ‚Feuer und Flamme für Hamburg 2012“ liegen aus.
So pauschal und inhaltslos die Zustimmung der Bevölkerung eingeholt wird, so sehr ist anzunehmen, dass sie als Persilschein für negative Maßnahmen genutzt werden wird, die ansonsten für sich nur schwer durchsetzbar wären. Dann wird eine mittlerweile erprobte Palette an repressiven Maßnahmen mit dem Ziel der weiteren Befriedung und "Verschönerung" der Stadt verstärkt Anwendung finden.
In diesem Rahmen ist es für die Regierung zweitrangig, ob die Bewerberstadt wirklich zur olympischen Stadt auserkoren wird. Einen Tag nach dem Olympia-Aus verkündete Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust, dass sich Hamburg trotz dieser Schlappe künftig verstärkt auf die Aquise von Events konzentrieren wird. Die gescheiterte Olympia-Bewerbung lässt sich so als Training verbuchen, für die weiteren Ereignisse, die da kommen mögen …
Um negative Aspekte wie Verdrängungsprozesse auf der einen und Unwillen oder gar Widerstand der StadtbewohnerInnen auf der anderen Seite so weit wie möglich zu überstrahlen, ist eine positive mediale Präsenz notwendig. Symbolische und repräsentative Projekte jedoch lassen sich leichter durch Imagebeschmutzung irritieren, als eine alltägliche, meist eher versteckt stattfindende Politik der Ausgrenzung und des Abbaus sozialer Netzwerke. Durch die Bewerbung ergibt sich deshalb eine Hypersensibiltät und Anfälligkeit für Störungen jeder Art, die durch eine kritische Bewegung gegen die gegenwärtige städtische Politik genutzt werden kann.
Eine solche Anti-Image-Kampagne kann die Spiele als Symbol und Motor einer neoliberalen, in ihrer Tendenz (siehe die Migrationspolitik) menschenfeindlichen Stadtpolitik kenntlich machen. Diese Mechanismen greifen jedoch nicht nur hier, also lokal begrenzt, sondern kommen überall zum Tragen. Ein vermeintlich kritischer Lokalpatriotismus des „Nicht in unserer Stadt/unserem Stadtteil“ - ein ohnehin eher fragwürdiges politisches Reaktionsmuster - würde daher zu kurz greifen. Um das aufwendig produzierte städtische Image nachhaltig zu dekonstruieren und damit eine breite Kritik am städtischen Unternehmen zu etablieren, ist zudem die taktische Erprobung und kreative Anwendung der verschiedensten medialen wie konkreten Methoden nötig. Diesem Ansatz entsprechend, ist kürzlich eine Superheldin namens „SuperNOlympika“ erstmals an verschiedenen Stellen Hamburgs aufgetaucht und hat sich als Galionsfigur einer künftigen Anti-Olympia-Kampagne empfohlen: Ich, „SuperNOlympika“, bin gekommen, um euch zu warnen: Sie versprechen euch Raum und Spiele und dass das Spektakel euren Wohlstand vermehre. Nichts davon ist wahr! Sie werden riesige Gebäude errichten, doch ihre Stadt wird eine Wüste sein …“
Q: Arbeiterkampf-Zeitung für linke Debatte und Praxis Nr. 472, 18.4.2003.
Die „Sportpolitik“ in der DDR war, wie fast alles dort „revisionistisch“. Die „Restauration des Kapitalismus“, die bürgerliche Trendwende mit dem Hang, die kapitalistischen Gepflogenheiten zu übernehmen, setze sich konsequent im Sport fort. Hier erziele die Propaganda für den Sport nur eines: Die Arbeiter in den Betrieben zu Höchstleistungen anzutreiben und die DDR-Sportler mittels Doping verfügbar zu machen. Das Training- bzw. die Trainingsanforderungen würden permanent hochgeschraubt, damit der „Sozialismus“ mit einem Medaillensegen auch hier verdeutlich kann, dass das „sozialistische System“ dem westlichen total überlegen ist. „Superathleten“ würden schon seit Kindesbeinen an herangezüchtet (etwa im Schwimmen, im Turnen oder in der Leichtathletik).
Hier habe auch der „Sozialimperialismus“ seine Hände im Spiel, der den Sport dazu ausnutzen würde, Albanien und Europa zu isolieren, die DDR-Athleten massiv über die „Honecker-Clique“ zu subventionieren und die „Vorherrschaft in Europa“ zu übernehmen. Die „Erringung der Vorherrschaft“ würde auch auf sportlichem Gebiet bedeuten, dass dem „Entsolidarisierungsgedanken“ Tür und Tor geöffnet würde. Die Länder im Einflussbereich des „Sozialimperialismus“, haben deren sämtliche Sportmethoden kopiert und sind auf dem besten Wege, nur als Roboter zu funktionieren.
Über ein selbstverwaltetes Jugendzentrum in (Berlin-)West, dem „Prisma berichtet die „Kämpfende Jugend“ im Zusammenhang mit einem „Revolutionären Fünfkampf“, der auch dazu diente, „den Kampf der werktätigen Jugend zu organisieren“ und den Zusammenschluss gegen die Kriegstreiberei der beiden Supermächte“ zu verstärken. „Sport und Politik“, besonders die Entlarvung der SEW „als Agentur des aggressiven sowjetischen Sozialimperialismus“, gehören hier zusammen. Gleichzeitig diente dieses Sportfest zur proletarischen „Wehrhaftmachtung“ der Arbeiterjugend, die neben „Ausdauer, Disziplin und Kollektivität“, auch „Orientierung, Tarnung und Disziplin“ beherrschen müsse. Die Bildung einer „Volksbefreiungsarmee“, die sich den „Sozialimperialisten“ zu erwehren habe, erinnert nicht nur an irritierende Kriegsspiele, sondern wie auch der „revolutionäre Fünfkampf“ stark an nationalistisches Säbelgerassel (vgl. 3. September 1975).
Über den ehemaligen NRW-Innenminister Willi Weyer, der jetzt DSB-Vorsitzender ist, berichtet die „Kämpfende Jugend“ in ihrer Ausgabe 20/1975. Das diene jedoch nicht der „westdeutsche Arbeiterklasse“ geschweige den „werktätigen Sportlern“. Es ist vielmehr ein Hinweis darauf, dass der Sport heute von den „Revisionisten“ und „Sozialimperialisten“ „direkt als Mittel der Kriegsvorbereitung der Breschnew-Clique eingesetzt wird“ eingesetzt würde (vgl. 12. Oktober 1975).
Auch im Fußball habe die DDR und die Sowjetunion das kapitalistische Sportprinzip kopiert. Die Grundlage sei der Profit. Und die „Sozialimperialisten" seien in diesem Sinne kapitalistische Profiteure (vgl. Juni 1976).
Die olympischen Spiele in Moskau 1980, warfen bereits 1976 deutliche Schatten voraus. Der „Sozialimperialismus“ plane dort etwas ähnlich wie „die Werbung für die olympischen Spiele“ 1936 im faschistischen Deutschland, meinte die „Rote Fahne“ der KPD. Die „Breschnew-Clique“ war bei den K-Gruppen besonders verhasst. Es wurde sozusagen nichts ausgelassen, um sie diskreditieren. Eine kurze Notiz darüber, ist in der „Roten Fahne“ Nr. 30/1976 und im „Roten Morgen“ 14/1977 nachzulesen (vgl. 28. Juli 1976; 8. April 1977).
Selbst beim „World-Cup“ würde sich in der Zwischenzeit bestätigen, dass er offensichtlich nach dem „Geschmack der Sozialimperialisten“ sei. Die Sportler dort würden „systematisch hochgepäppelt“ und „mit Anabolika vollgepumpt“. Dadurch soll die „Überlegenheit ihres sozialistischen Lagers“ demonstriert werden. Demgegenüber seien die Länder der „Dritten Welt“ dabei, ein eigenes „Sportförderungsprogramme auf ihren Kontinenten“ zu entwickeln. Ziel sei es, im „Sport ihre gemeinsamen Kräfte gegenüber Imperialismus und Sozialimperialismus zur Geltung zu bringen“ (vgl. Oktober 1977).
03.09.1975:
In der „Kämpfenden Jugend“ Nr. 17/1975 vom 3. 9., erscheint der Artikel: „Sportlerfest der Prisma-Initiative/Westberlin. Revolutionärer Fünfkampf.“
U. a. heißt es dort: „Am 17.8. führte die Initiative für ein selbstverwaltetes Jugendzentrum Prisma in Reinickendorf ein Sportfest durch. Auch die KPD, der KJVD, die Liga gegen den Imperialismus und die Rote Garde luden dazu ein. Ungefähr hundert Jugendliche kamen, um den Kampf der Initiative zu unterstützen oder sich ihr direkt anzuschließen. Außerdem kamen auch die Bullen und spionierten um das Fest herum. Es gab reichlich zu essen und zu trinken, damit sich die Sportler nach den anstrengenden Wettbewerben stärken konnten.
Zu Beginn des Festes erklärte ein Redner der Initiative, warum dieses Fest durchgeführt wird. Nach dem brutalen Polizeieinsatz vor einigen Wochen gegen die Jugendlichen, die im Prisma eine Veranstaltung durchführen wollten, hat die Initiative beschlossen, noch mehr unter die Massen zu gehen. Nicht das kapitalistische Freizeitangebot ändert etwas an der Lage der Jugendlichen, nur der geschlossene Kampf gegen das SPD-Bezirksamt und seine Polizeigewalt.
Aber klar muss sein, dass wir die Selbstverwaltung nicht wollen, um hier selbstverwaltet das kapitalistische Freizeitangebot durchzuführen. Wir brauchen Selbstverwaltung vor allem, um den Kampf der werktätigen Jugend zu organisieren, um uns zusammenzuschließen gegen die Kriegstreiberei der beiden Supermächte. Von dieser Leitlinie waren dann auch die Sportdisziplinen getragen. Nach einem Fußball- und einem Völkerballspiel wurde ein revolutionärer Fünfkampf mit neuen Sportdaten durchgeführt.
1. Das Steinstoßen: Hier kam es darauf an, ähnlich wie beim Kugelstoßen, einen Stein möglichst weit zu stoßen. Jeder hatte 2 Versuche, der beste wurde gewertet. Diese Übung soll dazu dienen, die Armmuskulatur zu stärken. Wir brauchen starke Arme, wenn die Polizei uns angreift und wir werden sie erst recht in einem nationalen Verteidigungskrieg brauchen.
2. Das Zielwerfen: Hier wurden in einer Entfernung von ca. 30 M die Bilder zweier Vertreter des Reinickendorfer Bezirksamtes aufgestellt. Es kam jetzt darauf an, mit etwa pflastersteingroßen Gegenständen diese Bilder zu treffen. Das schafften nur sehr wenige. Und das zeigt, dass wir diese Übung noch sehr oft üben müssen.
3. Das Schießen: Die Mannschaften mussten hier aus 3 M Entfernung mit einem Luftgewehr Breschnew und mit einer Luftdruckpistole Ford ins Herz treffen. Dort waren Zielscheiben angebracht.
4. Der Langlauf: Die Mannschaften mussten eine Distanz von 800 M zurücklegen. Gewertet wurde die schnellste und langsamste Zeit. Damit soll verhindert werden, dass die Cracks wie beim Leistungssport aufs Tempo drücken. Es sollte eine mannschaftlich geschlossene Leistung geboten werden. Dieser Langlauf sollte dazu dienen, die Lungen und die Beine für künftige Kurierdienste in der Stadt zu trainieren.
5. Das Drängeln: Hier stellten sich 2 Mannschaften in Reihen gegenüber. Auf den Pfiff des Schiedsrichters mussten Ketten gebildet werden und die gegnerische Mannschaft zu Boden gerannt werden. Hätten wir mehr Übung gehabt, dann hätten uns die Bullen beim Prisma und im Kampf ums Bethanien nicht so leicht vertreiben können. Wir schlagen vor, dies häufiger zu üben. Besonders im Arbeitersportverein muss das zur regelmäßigen Disziplin werden.
Die Leistungen der einzelnen Mannschaften wurden in ein Punktsystem umgerechnet und so die beste Mannschaft ermittelt. Bei den einzelnen Wettbewerben schlossen sich teilweise Jugendliche an, die nicht zur Mannschaft gehörten. Besonders beim Zielschießen versammelte sich immer eine große Menschengruppe.
Während des Sportfestes war eine Gruppe Jugendlicher aus dem Treff im Märkischen Viertel anwesend. Sie beschwerten sich darüber, dass der KJVD in seinem Aufruf zu dem Fest die SEW angegriffen hatte. Wir diskutierten lange mit ihnen, dass wir die SEW als Agentur des aggressiven sowjetischen Sozialimperialismus, also als Hauptfeind in der Arbeiterbewegung bekämpfen müssen. Wir konnten hier zwar nicht alle Widersprüche beseitigen, es gelang aber zu vereinbaren, dass ein Vertreter des Treffs künftig in der Prisma Initiative mitarbeitet. Der erste Schritt für den gemeinsamen Kampf war damit getan …
Am Ende des Sportfestes wurden die weiteren Aufgaben beim Kampf um das selbstverwaltete Jugendzentrum benannt. Ein Vertreter der Prisma-Initiative sagte: ‚ Verhandlungen haben jetzt keinen Sinn mehr, die Prisma-Initiative wird die Jugendlichen jetzt für die Besetzung des Hauses mobilisieren.“
Es erscheint auch der Artikel: „KJVD-Jugendlager Bayern. Erholt und mit größerer Klarheit zurück.“ Das Jugendlager, so die Ausgabe, stand unter dem Motto: „Gegen die Vorherrschaftspläne des sowjetischen Sozialimperialismus in Europa! Für die Unabhängigkeit und Einheit der europäischen Völker und Staaten! Für ein vereintes , unabhängiges, sozialistische Deutschland!“
Es sollen auch Arbeitsgruppen gebildet worden sein. Unter Arbeitsgruppe 3 heißt es: „Der Kampf des KJVD in der Bundeswehr; Wehrhaftmachung der Arbeiterjugend, proletarischer Sport.“ An einem Tag, „führte die Arbeitsgruppe ein Fest durch mit kulturellen und sportlichen Darbietungen, zu dem wir bereits am Vormittag in Hof mobilisierten … Neben „Speckos Roter Ringer Riege“, einem Gruppen-Waldlauf und Schwammwerfen auf Breschnew und Ford, hatte jede Arbeitsgruppe ein Theaterstück zu ihrem Thema einstudiert.“
Der sportliche Teil, der unter „Ausdauer, Disziplin und Kollektivität“ stand, setzte sich in militärischen Übungen fort. Genossen sollten „Orientierung, Tarnung und Disziplin“ lernen. Dazu wurde auch eine „Volksbefreiungsarmee“ gebildet, deren Aufgabe es war, „ sich nachts von Truppen der Sozialimperialisten besetzte Gebiete zu schlagen und eine wichtige Nachricht ins Lager zu bringen“.
Q: Kämpfenden Jugend Nr. 17/1975, S. 5 und 8.
12.10.1975:
In der „Kämpfenden Jugend“ Nr. 20/1975 vom 12. 10., erscheint der Artikel: „Weyer: Sport nach dem Vorbild des DDR-Revisionismus.“
Danach hat der „Erzreaktionär Willy Weyer, vorher Innenminister in Nordrhein-Westfalen, den Vorsitz des Deutschen Sportbundes übernommen“. Das liegt aber „keineswegs im Interesse der werktätigen Sportler in der BRD, geschweige denn der der westdeutschen Arbeiterklasse insgesamt“.
„Jetzt hat Weyer gemeinsam mit DSB-Sekretär Gieseler einen neuen Plan zur Reform des westdeutschen Leistungssports vorgelegt … Was steckt dahinter?
Seit vor 10 Jahren das Internationale Olympische Komitee (IOC) den Beschluss fasste, die gesamtdeutsche Mannschaft aufzulösen und fortan getrennte Vertretungen der BRD und der DDR starten zu lassen, ist das Dilemma des westdeutschen Leistungssports offensichtlich. Die internationale Konkurrenzfähigkeit nimmt von Jahr ab, während der Leistungssport der DDR sich immer mehr internationale Positionen erobert. Auch wenn der Sieg bei der Fußball-Weltmeisterschaft im letzten Jahr machen darüber hinwegtäuscht – der westdeutsche Leistungssport ist auf dem absteigenden Ast.
In dieser Situation haben Weyer und Gieseler ihren neuen Plan vorgelegt. Die Idee ist nicht originell. Was Weyer und Gieseler wollen, ist nichts anderes als die Übertragung des DDR-Sportsystems auf die BRD … Die Vereine sollen zu Zuträgern von Bundesleistungszentren degradiert werden, diese „zentralen Stützpunkte“ des westdeutschen Leistungssports durch systematische Ausdehnung des Nur-Sportlertums (nichts anderes als der sogenannte „Staatsamateurismus“ in der DDR): Spitzensportler heranzüchten, die mit der internationalen Konkurrenz Schritt halten können. Und Weyer lässt unter der Formel: „Es gibt keinen unpolitischen Sport mehr!“ das alte bürgerliche Märchen, Sport habe mit Politik nichts zu tun (oder dürfe es wenigstens nicht), fallen und propagiert den Sport offen als Mittel der bürgerlichen Klassenpolitik. So wird denn auch am 6. Dezember 75 Kanzler Schmidt als Redner auftreten, zu dem Thema: „Leistung in der Gesellschaft.“
Der westdeutsche Sport befindet sich also auf dem Wege seiner reaktionären Formierung. Während Bundesleistungszentren geschaffen werden, die Warendorfer Bundeswehrsportschule als Zuchtanstalt von Soldatensportlern ausgebaut wird, die nur Sportler, aber keine Soldaten sind, wird die Schulsportmisere durch die besonders die Schulen treffenden Sparerlasse verschärft. Alle bürgerlichen „Initiativen“ wie „Trimm dich“ usw. sind Mittel der Verbreitung der bürgerlichen Ideologie, ändern aber nichts an der wachsenden körperlichen Zerrüttung, zu der die steigende Ausbeutung der arbeitenden Massen führt. Kapitalistischer Massensport ist und bleibt im Wesentlichen Zuschauersport. Sporttaumel, Verbreitung von bürgerlichen Rekord- und Konkurrenzgesinnung.
Staatsamateur - der Schlüssel zur Karriere.
Der Statsamateurismus der Sowjetunion und der von ihr abhängigen und besetzten Staaten ist heute in der Welt (selbst das ausgefeilte USA-imperialistische System eingeschlossen) die höchstentwickelte Form des kapitalistischen Leistungssports. Was den osteuropäischen Spitzensportlern in den letzten Jahren die absolut führende Rolle verschafft hat, ist nicht die Überlegenheit eines „sozialistischen Systems“, das bekanntlich gar keins mehr ist, sondern die höchste Vollendung des „Nursporttums“. In der sowjetisch-besetzten Zone Deutschlands und auch in den ersten Jahren der 1949 gegründeten DDR ging es um entgegengesetzte Ziele, wurde der Sport zunächst ganz in den Dienst des proletarischen Klassenkampfs gestellt: Der neugegründete Deutsche Sport-Ausschuss setzte sich als erste Hauptaufgabe die starke Verbindung des Sports mit der Arbeiterklasse, die Erweiterung des Massensports und die Beseitigung des Nur-Sportlertums. Aber infolge der Verwandlung der sozialistischen Sowjetunion Lenins und Stalins in einen Staat des Sozialimperialismus. Des Machtantritts der neuen Bourgeoisie unter Chruschtschow und Breschnew, ist der revolutionäre Arbeitersport auch in der DDR liquidiert worden.
In der heutigen DDR ist die sportliche Spitzenleistung ein Schlüssel zum gesellschaftlichen Aufstieg und allen Privilegien der neuen Bourgeoisie. Der eigentliche Massensport wird in den revisionistischen Ländern wieder geringgeschätzt. So ist in der DDR z. B. der Anteil der aktiv Sporttreibenden Frauen noch geringer als in der BRD. Und seine besondere Rolle erhält der Sportbetrieb in der Sowjetunion und den von ihr abhängigen Staaten (vor allem der Armeesport) heute dadurch, dass er direkt als Mittel der Kriegsvorbereitung der Breschnew-Clique eingesetzt wird. Das ist das faschistische Vorbild, an dem sich Weyer und die anderen DSB-Führer jetzt bei ihrer „geplanten Revolution“ im westdeutschen Spitzensport orientieren wollen.
Vorwärts zum proletarischen Massensport
Der sozialistische Massensport, den wir demgegenüber stellen, ist das glatte Gegenteil des sozialimperialistischen Staatsamateurismus. Entsprechend der Weisung des Vorsitzenden Mao: „Fördert Körperkult und Sport, härtet das Volk körperlich ab“, treiben im sozialistischen China tatsächlich die breiten Massen aktiv Sport. „Die breite Entfaltung des Massensports, hat nicht nur zur Abhärtung gedient, sondern auch eine aktive Rolle dabei gespielt, die Revolution anzupacken, die Produktion, die Arbeit und die Vorbereitung auf einen Kriegsfall zu fördern.“ (Kurzer Abriss des Kulturwesens in China). Den Sportbetrieb in China bestimmen nicht Spaltung und Konkurrenz, sondern der revolutionäre Zusammenschluss, der Kollektivismus der Arbeiter- und Volksmassen: „Freundschaft an erster Stelle, Wettkampf an zweiter Stelle. Lernt voneinander und macht gemeinsame Fortschritte.“
Der KJVD wird seine Anstrengungen darauf richten, einen Beitrag zu leisten, dass auch in unsrem Land wieder eine revolutionäre Arbeitersportbewegung entsteht.“
Q: Kämpfenden Jugend Nr. 20/1975, S. 8.
Juni 1976:
In der „Kämpfenden Jugend“ 6/1976 heißt es zur DDR und Sowjetunion, dass „besonders in der DDR und der Sowjetunion versucht werde, den „Rückstand im Fußball aufzuholen“.
„Und so wird den Spielern in der DDR und in der Sowjetunion schon das richtige eingebläut … nämlich verschärfter Kampf bis aufs Messer, Konkurrenz, Erringung der Vorherrschaft gegenüber den anderen Nationen. Nicht auf sportliche Leistung, das solidarische Zusammenspiel beider Mannschaften kommt es also an, sondern darauf, wie mit allen Mitteln Punkte „geschunden“ werden können, die die Grundlage für den Profit sind. In diesem Klima der Konkurrenz und der Profitjagd, des Siegers um jeden Preis, werden die Spieler physisch und psychisch aufgerieben. Der Trainer ist für diese neurotischen Profitsportler-Naturen eine Art Blitzableiter. Er muss außerdem die Spieler bei Laune halten, sie für ihre künftigen Kämpfe mobilisieren … So haben die Länder im Einflussbereich des Sozialimperialismus die imperialistischen Sportmethode nicht nur kopiert, sondern sogar noch überboten …“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 6/1976, S. 24ff.
28.07.1976:
In der „Roten Fahne“ der KPD Nr. 30, werden die angekündigten Olympischen Spiele 1980 in Moskau als „Propaganda“ bezeichnet, die „in der Tradition der Werbung für die Olympischen Spiele 1936 im faschistischen Deutschland“ stehe.
Q: Rote Fahne Nr. 30, Köln 28.7.1976.
08.04.1977:
Im „Roten Morgen“ Nr. 14/1977, führen die Verfasser zur „Sportpolitk“ in der DDR aus, dass diese dort lediglich der „Propaganda für den Revisionismus“ diene. Im Bereich der „Leistungsanforderungen“ würden sie regelrecht „verheizt“. Um viele Medaillen zu erringen, würden die Kids speziell schon in „Kinder- und Jugendsportschulen“ geschickt. Die „Superathleten“ der „Honnecker-Clique“ haben mit den breiten Massen und dem „Massensport“ nichts zu tun.
Q: Roter Morgen Nr. 14/1977.
Oktober 1977:
Laut „Kämpfende Jugend“ Nr. 10/1977, fand in Düsseldorf vom 2.-4. September der „World-Cup 77“ statt.
Dazu wird ausgeführt: „Für die internationale Leichtathletik war er seit den Olympischen Spielen der erste internationale Leistungsvergleich. Veranstalter war die internationale Leichtathletik-Föderation (IAAF). Teilweise nahmen Sportler aus Ländern teil, die auch in der internationalen Sportarena von den Ländern und Völkern der Dritten Welt erbittert bekämpft werden: Israel, das südkoreanische Marionettenregime und das US-hörige Regime von der chinesischen Insel Taiwan. Sportler der Volksrepublik China dagegen waren wieder nicht unter den Aktiven zu finden, weil reaktionäre Beschlüsse der IAAF, wonach die Chiang Kai-shek Clique den Platz Chinas in der Leichtathletik besetzt hätte, immer noch nicht gefallen ist.
Wie kam es zum World-Cup?
Für die Leichtathletik waren bisher die olympischen Spiele die einzigen internationalen Spitzenveranstaltungen, auf denen die Leistungen verglichen werden können. Verschiedene nationale Leichtathletik-Verbände, besonders die der Sowjetunion, der DDR und der Bundesrepublik machen sich aber seit einiger Zeit stark für Weltmeisterschaften. Bereits die olympischen Spiele zeigten, dass viele afro-asiatischen Sportler schon in den Vorläufen ausschieden. Deshalb wandten sich ihre Verbandsvertreter in der IAAF entschieden gegen Weltmeisterschaften und Nationalmannschaften und drangen auf die Bildung von Kontinentalmannschaften.
Schließlich wurde ein Kompromiss eingegangen: Es gibt 5 Kontinentalmannschaften, die jeweils Ersten und Zweiten des Europa-Cups (Anfang des Jahres in Helsinki) und die USA bilden eigene Mannschaften.
Die Ergebnisse des World-Cup
Die sportlichen Ergebnisse des World-Cup zeigen, dass die Einzelmannschaften der entwickelten imperialistischen Länder das Rennen unter sich machen. Die Sportler der Dritten Welt, die vorwiegend in der amerikanischen und asiatischen Mannschaft vertreten waren, konnten bei diesen Leistungen nicht mithalten. Zu offensichtlich war das Gefälle, das durch Berufssportlertum und Anabolik-Missbrauch in den imperialistischen Ländern geschaffen wird. Im Gegensatz dazu, haben die meisten Sportler in den afro-asiatischen Ländern nur bescheidene Trainingsmöglichkeiten. Weder Vereine noch nationaler Verband können ihnen mit besonderen Förderungsangeboten (bevorzugte Arbeitsstelle, bessere Trainingsplätze- und Mittel dienen). Chemikalien und Spritzen werden kaum genommen. So machen bei den Einzel- wie auch bei der Mannschaftswertung die Kontinentalmannschaften die unteren Rangplätze unter sich aus …
Nachdem ein 100-Meter Lauf und das Kugelstoßen der Frauen beurteilt worden war, heißt es weiter: „Trotzdem können die Sportler der Dritten Welt mit den Resultaten des Zusammenschlusses in den Kontinentalmannschaften zufrieden sein … Trotz vieler Sprach- und Verständigungsschwierigkeiten kamen die Sportler einander näher, festigte sich das freundschaftliche Verhältnis untereinander. Die Sportler kämpften um gute Leistungen, um ihrer Kontinentalmannschaft zu einer guten Punktwertung zu verhelfen … Auf dem anschließenden IAAF-Treffen wurde über die Weiterführung des Welt-Cup entschieden. Gegen den Widerstand, besonders der DDR und der Sowjetunion drangen die Delegierten der afro-asiatischen Länder und lateinamerikanischen Verbände auf die Weiterführung des World-Cups …
Die DDR und die Sozialimperialisten waren wieder für das Prinzip der Nationalmannschaften. Das ist offensichtlich nach dem Geschmack der Sozialimperialisten. Systematisch hochgepäppelt, mit Anabolika vollgepumpte Sportsnaturen wetteifern miteinander, um die Überlegenheit ihres „sozialistischen Lagers“ zu demonstrieren. Doch Sowjetunion und DDR kamen mit ihren Vorstellungen nicht durch. 1981 wird wieder ein World-Cup stattfinden. Weiterhin beschloss das IAAF-Treffen, aus den Überschüssen dieses World-Cups 450.000 DM an den afrikanischen und asiatischen Leichtathletik-Verband zur Sportförderung zu verteilen.
Die Länder der Dritten Welt erarbeiten eigene Sportförderungsprogramme auf ihren Kontinenten, um das augenblickliche Übergewicht der imperialistischen Länder zu verändern. Sie bereiten sich auf die im nächsten Jahr stattfindenden Asienspiele in Bangkok, auf die Afrika-Spiele und die Panamerikanischen Spiele vor, so dass sie auch im Sport ihre gemeinsamen Kräfte gegenüber Imperialismus und Sozialimperialismus zur Geltung bringen werden.“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 10/1977, S. 24 und 30.
Der „Freizeitsport“ war nicht unbedingt wortwörtlich zu nehmen. Sport, der in der Freizeit betrieben wird, knüpfte an viele Voraussetzungen an. Zunächst ist er dem „kapitalistischen Sport“ diametral entgegengesetzt. Obwohl es keinerlei Definition darüber gibt, was „Freizeitsport“ für die K-Gruppen eigentlich war, wurde er oftmals in einem Atemzug etwa mit dem „Frühsport“ genannt und diesem gleichgesetzt.
Zum anderen sollte er auch der „körperlichen Ertüchtigung“ dienen, was ebenfalls auf den „Betriebssport“ oder noch allgemeiner, etwa auf den „Breitensport“ und/oder oder auf die gesamte kapitalistische Sportbewegung, in die sich neuerlich auch verschiedene Krankenkassen einklinken und u. a. „Sportbonuspunkt“ für ein „gesundheitsbewusstes Verhalten“ verteilen, wo den Mitgliedern am Ende eines Jahres sogar eine Geldprämie winkt, zutreffen würde. Oftmals gehört er aber auch zum Grundpfeiler des „Massensports“, etwa in China, wo er aber ebenfalls mit diesem, wohl unzulässiger Weise, gleichgesetzt wird. Der „Freizeitsport“ ist somit möglicherweise auch als „Alternativsport“ verstanden worden, der alle sportlichen Übungen- und Wettkämpfe umfassen kann.
Das „Rote Signal“ der MLSG berichtet über eine „Rote Freizeit“, auf der Früh- bzw. Freizeitsport betrieben wurde (vgl. Januar 1974).
Auch bei einem Jugendlager des KJVD in Fattigau bei Hof, wird deutlich, dass es zwischen Freizeit- und Frühsport wohl keine eindeutige und deutliche Trennung gibt. „Sport, Freizeit und Kampf“, werden hier zu einer untrennbaren Einheit (vgl. 6. August 1975).
Januar 1974:
In der Januar/Februar-Ausgabe 1974 des „Roten Signal-Organ der marxistisch-leninistischen Schülergruppen-MLSG“, heißt es einer „Roten Freizeit der MLSG“, die am 17./18.11. in Schwäbisch-Gmünd durchgeführt worden war: „Am nächsten Morgen frühstückten wir und trieben danach Frühsport. Obwohl einige die nötige Disziplin vermissen ließen, bereitete uns der Sport viele Spaß und nicht zuletzt konnte man die gesunde Waldluft einatmen.2
Q: Rotes Signal 1/2 1974, S. 25.
06.08.1975:
Nach der „Kämpfenden Jugend“ Nr. 15/1975 vom 6. 8., soll vom 4.-18. August in Fattigau bei Hof ein Jugendlager des KJVD der KPD stattfinden. Dort soll es auch um „körperliche Ertüchtigung“ gehen. Sie soll „für den Kampf gegen die Supermächte dienen“. Dazu soll „ein großes Indochina-Sportfest durchgeführt“ werden. Auf dem Programm stehen: „Geländespiele, Schwimmwettbewerbe, Fußballturnier. Weiterhin sind Wanderungen, ein Ausflug an die Grenze der DDR“ geplant. Dazu erscheint auch eine Anzeige, die unter dem Motto steht: „Sport, Freizeit, Kampf!“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 15/1975, S. 5.
Im Artikel „Alles Schiebung“ meint der „Rote Morgen“ in seiner Ausgabe 3/1973, dass der „Sport in der Bundesrepublik heute eines der bedeutendsten Mittel des Volksbetrugs ist“. Die Konsequenz daraus sei u. a. die „Schaffung genügender Betriebssportplätze“ und „Sportmöglichkeiten im Betrieb“. Das soll gleichzeitig mit der Freistellung, hier für 4 Stunden, von der Arbeitszeit, zusätzlich noch „bei voller Bezahlung“ einhergehen (vgl. 27. Januar 1973).
Einen „Betriebssport während der Arbeitszeit“, fordert auch die BMW-Betriebsgruppe des AB in München (vgl. 21. Januar 1974).
Schon wie beim „Freizeitsport“, so wird auch der „Betriebssport“ nicht eindeutig definiert. Die vom „Roten Morgen“ angedachten Illusionen, lassen sich auch am Beispiel des „Sports in China“ verdeutlichen. Hier wird er als „Bewegung des Massensports“ verstanden wird, der überall von den „breiten Massen“ in der „Freizeit“ betrieben wird und an dem sich die „Millionenmassen“ beteiligen. Der „Betriebssport“ soll dazu beitragen, dass die „Gesundheit gestärkt“ wird, um so noch aktiver „den sozialistischen Aufbau anzupacken“. (vgl. Juni 1974).
27.01.1973:
Im „Roten Morgen“ Nr. 3/1973 vom 27. Januar erscheint der Artikel „Alles Schiebung“.
Dort meint der „Rote Morgen“: „Der Sport in der Bundesrepublik ist heute eines der bedeutendsten Mittel des Volksbetrugs. Das Theaterstück von der heilen Welt des Sports bezahlt der Steuerzahler dazu noch aus eigener Tasche, doppelt und dreifach. Hunderte von Millionen hat der Olympiazirkel verschlungen und auch die Fußballbundesliga zehrt kräftig am Steuersäckel so mancher Stadt. Profitiren tun von den Subventionierungen die sportlichen Großunternehmen, sprich Bundesligavereine, und die hinter ihnen stehenden Kapitalmagnaten, wie die Presseherren - Springer bei Hertha BSC und Senator Weipert beim VFB-Stuttgart, wie die verschiedenen Bankunternehmen, bei denen die Vereine in Millionenhöhe verschuldet sind.
Die Verschuldung der Vereine nimmt zu, und das obwohl die Eintrittspreise und die Zuschauerzahlen im Verhältnis zur Regionalliga gestiegen sind. Das liegt nicht an den Gehältern der Fußballstars, den menschlichen Investitionsgütern, das liegt nicht an gestiegenen Unkosten und Stadionmiete. Die Verschuldung ist darauf zurückzuführen, dass die scheinbar so edlen Finanzmäzene im Hintergrund versuchen, aus den Vereinen mit Zins und Zinseszins Profit herauszuwirtschaften. Gleichzeitig werden die völlig von 7 Sports für die Ramschware ihrer Herren zu werben.
Ob nun Kaiser Franz seine Knorr Suppe schlürfen muss, oder ob Bomber Müller Schokoladenlutscher isst, ob Rudi Altig täglich Sinalco schlürft … das alles ist heute die Grundlage des Sports in der Bundesrepublik.
Ruiniert und zerstört wird der Massensport. Die kleinen Vereine hauchen Stück für Stück ihr Leben aus, geben eine Abteilung um die andere auf und müssen sich zusammenschließen. Das heißt, es gibt immer weniger Vereine. Für den arbeitenden Menschen, der die sportliche Erholung dringend braucht, bleibt meist nur der abendliche Spaziergang zum Bierstämmen. Doch die Menschen spüren trotz allem Geträlle über die Unbezahlbarkeit von Beinen, über die Unnachahmlichkeit von Spielzügen, dass alles nur leerer Hokuspokus ist, wenn sie die Spielzüge und Beinarbeit mangels Gelegenheit überhaupt nicht ausüben können. Nach 8 Stunden ist man halt kein Netzer mehr …
Deshalb kämpft die Arbeiterklasse
- für die Schaffung ausreichender Sportplätze, Turnhallen usw., die zur allgemeinen Benutzung offen stehen
- für genügend Betriebssportplätze und Sportmöglichkeiten im Betrieb.
Kämpfen wir auch deshalb für die Einführung des 7-Stundentags, fordern wir wöchentlich 4 Stunden frei während der Arbeitszeit; zur Ausübung von sportlicher Betätigung bei voller Bezahlung. Aber die Kapitalisten werden, selbst wenn sie zu diesem Zugeständnis gezwungen werden können, niemals ihre Hand vom Sport nehmen. Deshalb muss das Proletariat seine eigene Sportorganisation bilden, Organisationen, die aus dem Kampf gegen den bürgerlichen Profitsport entstehen. Diese klassenkämpferischen Arbeitersportvereine sind Stätten, in denen die proletarische Kultur, die Solidarität, der Internationalismus gepflegt werden, eine Schule der körperlichen, moralischen und ideologischen Rüstung für die gewaltsame Machtergreifung der Arbeiterklasse.“
Q: Roter Morgen Nr. 3/1973, S. 8.
21.01.1974:
In München gibt die BMW-Betriebsgruppe des AB ihren „Motor“ Nr. 13 für Januar vermutlich in dieser Woche heraus, die Jugendseite fordert Betriebssport während der Arbeitszeit, wie er den Lehrlingen bei der Post, bei MAN, Siemens und Agfa bereits zu Gute komme.
Q: Der Motor Nr. 13, München Januar 1974, S.6.
Juni 1974:
Vermutlich im Juni erscheint das „Rote Signal“ der MLSG des KABD Nr. 5/6 für Mai und Juni. Vom Profifußball wird berichtet: „Elitekicker haben ausgesorgt!“. Aus der VR China wird kundgetan: „Hier dient der Sport dem Volk und nicht dem Profit.“
Weiter heißt es: „Auch der Rummel um die Fußball-Weltmeisterschaft kann nicht verbergen, das bei uns am Sport einiges faul ist. Einige Spitzensportler werden mit großen Summen gefördert und als Stars herausgestrichen, dafür haben sie am laufenden Band Höchstleistungen zu erzielen. Aber für den Breitensport, die sportliche Betätigung der Werktätigen und Jugendlichen wird nur soviel getan, wie unbedingt nötig. Und das ist verdammt wenig. Kaum eine Stadt verfügt über ausreichende Turnhallen, Sportplätze, Schwimmbäder und dergleichen. Auf dem Land ist es noch viele schlimmer. Und Schulsport? Auch hier verhindert ein katastrophaler Mangel an Turnlehrern, geeigneten Räumen und Plätzen meist einen guten Unterricht …“
Zunehmend gerät der „Schulsport“ in die Kritik; denn mit dem „Breitensport“ dort „kann man halt keine Geschäfte machen wie mit dem Spitzensport … Wo es um die Gesundheit der arbeitenden Menschen und der Jugend geht, kümmern sich weder die Sportlehrer aus der Industrie noch der kapitalistische Staat darum. Der Sport wird bei uns wie in den anderen kapitalistischen Ländern vom Profit regiert.“
In China sei das anders. „Dort ist der Sport, besonders durch die Kulturrevolution, wirklich zu einer Sache der breiten Massen geworden. Bei Beginn der Arbeit wird überall auf den Straßen, Plätzen und in Parks Gymnastik betrieben. In den Arbeitspausen und in der Freizeit beteiligen sich Millionen Männer und Frauen, Arbeiter und Bauern, Schüler und Studenten am Sport. Besonders beliebt sind Tischtennis, Gymnastik, Volleyball, Basketball und auch Schwimmen. Aber auch andere Sportarten wie Turnen, Badminton und Fußball entwickeln sich zum Volkssport.
Heute wird dafür gesorgt, dass jede Schule, jede Fabrik und jedes Dorf seine Sportanlagen bekommt, Sportplätze, Turnhallen oder Schwimmbäder. Parallel dazu werden Sportlehrer ausgebildet, die diese Bewegung des Massensports fördern und verbreiten sollen.
Bei uns wird der Sport, besonders der Spitzensport dazu ausgenutzt, die Massen von ihren täglichen Problemen von der kapitalistischen Ausbeutung und Unterdrückung abzulenken … Hochgezüchtete Aktivität einiger weniger und Passivität von Millionen kennzeichnen deshalb unseren Sport.
In China dagegen ist der Sport Bestandteil des sozialistischen Aufbaus. Die Werktätigen erholen sich dabei und stärken ihre Gesundheit, um noch aktiver und besser in den Fabriken und auf dem Feld den sozialistischen Aufbau anzupacken. Sport und Freizeit sind nicht wie bei uns, Flucht aus der unfreien Arbeit und Erholung von ihr, sondern Erholung und Stärkung für die bewusste Arbeit für die Revolution. Deshalb zählen hier nicht die Stars, sondern die möglichst breite und vielfältige Sportbewegung. Nur so ist es auch zu erklären, dass es in Chinas Betrieben Sportpausen und sogar freie Nachmittage für den Sport gibt- das ist nur möglich, wenn nicht der Profit des Kapitalisten, sondern die Interessen und das Wohl der Arbeiter in der Gesellschaft zählen.
Dabei wird die Hebung des sportlichen Niveaus durchaus nicht vernachlässigt. In China gibt es auch Leistungssport und in vielen Sportarten wie Tischtennis, hat China bereits das Weltniveau erreicht. Aber Chinas Sport kennt keine „Profite“. Die Sportler sind alle Amateure, die sie als Arbeiter nachgehen. Ihr höchster Traum ist nicht ein fetter Werbeauftrag eines Konzerns, eine Bonzenvilla oder ein Rassesportwagen. Sie bleiben mit dem Volk eng verbunden und lernen, nicht nach persönlichem Ruhm und Erfolg zu streben, sondern ihre Fähigkeiten in den Dienst des Volkes und des Sozialismus zu stellen.
Freundschaft an die erste Stelle. Bei der Eröffnung der Fußball-WM betonten die Sportfunktionäre wieder einmal, die WM solle der „Völkerverständigung“ dienen. Aber das ist nicht mehr als eine Phrase. Gerade die internationalen Wettbewerbe werden von den kapitalistischen Ländern als Tribüne des Nationalismus und ihres Großmachtstrebens ausgenutzt. Hetze gegen Rivalen, Pfeifkonzerte und Fouls bilden die Kulisse für das Gerangel der „Sportmächte“ um Platz Nr. 1 …
Auch wenn es heute keinem Sportfunktionär einfallen würde, das offen zu sagen - der Milliardenpomp bei der Olympiade in München und der von der Presse angeheizte Medaillenspiegel zeigen genau, dass diese Spiele … als Leistungsschau des aufstrebenden deutschen Imperialismus ausgenutzt werden. Auch bei der WM ist die nationalistische Tendenz nicht zu übersehen. Allzu deutlich werden die dahinterstehenden Absichten in der ersten Fassung des WM-Liedes der deutschen Nationalmannschaft, die zurückgezogen wurde:
„Schwarz und weiß sind unsere Farben, und unsere Fahne, die ist schwarz-rot-Gold. Ein stolzes Kämpferherz wir alle haben, die Kugel nur für uns zum Siege rollt. Schwarz und Weiß sind unsere Farben und unsere Fahne, die ist schwarz-rot-Gold. Auch heute werden wir den Gegner schlagen, verlieren haben wir nie gewollt. Blau ist der Himmel, grün ist die Stätte, wo wir im Kampfe stehe, immer aufs Neue, doch dabei werden wir niemals untergehen.“
Während bei uns die Rivalität einiger kapitalistischer Mächte um Titel und Ansehen den internationalen Sport prägt, hat das sozialistische China für den Sport den Grundsatz aufgestellt: „Freundschaft an die erste, Wettbewerb an die zweite Stelle.“ Chinas Sportlern geht es nicht in erster Linie darum, zu gewinnen, sondern die Freundschaft zwischen den Völkern und den Sportlern zu stärken und von anderen Sportlern zu lernen. Ein Beispiel dafür sind die AAA-Tischtennisspiele, an deren Organisation China aktiv mitwirkte. Hier sind die Wettkämpfe ausdrücklicher Anlass für die Stärkung der Einheit zwischen den Völkern der Dritten Welt. In Diskussionen zwischen den Kämpfen, bei Festen und Besichtigungen des Gastgeberlandes entwickelten sich die Freundschaft und der Erfahrungsaustausch zwischen den Sportlern. Anders als bei den olympischen Spielen und WM sind auch kleine Länder ohne Weltklassesportler völlig gleichberechtigt und akzeptiert. Nicht der Sieg zählt, sondern das gemeinsame Spiel und das Lernen voneinander.
So werden die sportlichen Prinzipien von Völkerfreundschaft, von Fairness und Gleichberechtigung, die von den kapitalistischen Sportfunktionären oft im Mund geführt und in der Praxis ständig verletzt werden, erst im Sozialismus Wirklichkeit.“
Q: Rotes Signal Nr. 5/6,Erlangen Mai/Juni 1974, S.3 und 15f.
Wie der „Betriebssport“, so ist auch der „Schul- und Jugendsport“ so wie er etwas in China betrieben wird, ein Teil einer „vielfältigen Sportbewegung“, meinte die „Kämpfende Jugend“. „Sport und Freizeit“ und „Sportpausen“ in „Chinas Betrieben“, stehen für eine neue Sportbewegung. Diese wiederum müsse Teil einer „demokratischen Weltsportordnung“ werden, in der der „Schul- und Jugendsport“, den eine „internationale Konferenz der UNESCO für Schul- und Jugendsport“ fordert, fest integriert ist (vgl. 5. Februar 1976).
05.02.1976:
Laut „Kämpfende Jugend“ Nr. 3/1977, fand vom 5.-10.2. in Paris die „1. Internationale Konferenz der UNESCO für Schul- und Jugendsport statt. Auf dieser Konferenz traten afrikanische Staaten für „eine einheitliche, für eine neue, demokratische Weltsportordnung“ ein. NOC-Daume drohte offen mit Ausschluss der Staaten, die sich „einem Boykott“ von 29 anderen afrikanischen Staaten angeschlossen hatten, aus Protest gegen die Teilnahme der „rassistischen, südafrikanischen Regimes“ an den olympischen Spielen in Montreal. Über ihre Dachorganisation, die OAU (Organisation für afrikanische Einheit) ließen sie verlauten: „Das freie und sich weiter befreiende Afrika ist nicht gewillt, den eitlen Ruhm einiger Medaillen oder den flüchtigen Hauch einiger sportlicher Spitzenleistungen dagegen einzutauschen, seinen Anspruch auf Würde, Freiheit und Gerechtigkeit durchzusetzen, der eben von den rassistischen Machthabern des Apartheitsystems im südlichen Afrika und anderswo mit Füßen getreten wird.“
Auf der Konferenz wurde eine „Sportcharta“ verabschiedet, in der eine „neue Sportordnung in der Welt“ gefordert wird, die auch zu einer „Demokratisierung“ des Sports führen soll. Gleichzeitig soll sie als „gemeinsame Plattform“ dienen, die „die Bedingungen für den politischen Zusammenschluss der Entwicklungsländer gegen Imperialismus, Kolonialismus und Rassismus schafft, wie sie es während der olympischen Spiele mit ihrer gemeinsamen Aktion gegen die südafrikanischen Rassisten eindrucksvoll gezeigt haben“.
Weiter heißt es: „Diese Forderungen verdeutlichen auf der Ebene des Sports die Widersprüche im Weltmaßstab, wie sie von der kommunistischen Partei Chinas mit dem Genossen Mao Tsetung an der Spitze analysiert worden und zusammengefasst worden sind in der Losung: „Staaten wollen Unabhängigkeit, Nationen Befreiung und Völker die Revolution.“ In dieser weltweiten Strömung bilden die Länder der Dritten Welt, mit der VR China an der Spitze, die Hauptkraft; sie sind die Hauptkraft der Weltrevolution. Ihr Kampf um nationale Unabhängigkeit und Einheit ist direkt gegen den Imperialismus, insbesondere gegen die beiden imperialistischen Supermächte gerichtet. In ihrem Vormachtstreben versuchen sie sich die Dritte Welt umfassender zu unterwerfen. Darum unternehmen sie alle Anstrengungen, die Herstellung der nationalen Einheit dieser Länder zu torpedieren, weil sie die Einflussmöglichkeiten der beiden Supermächte verringert.
Jüngstes Beispiel dieser imperialistischen Politik ist die Rolle der sowjetischen Sozialimperialisten in Angola, wo sie die nationalen Befreiungsbewegungen gespalten und einen Bruderkrieg entfacht haben, um die Kontrolle über dieses Land zu bekommen. Auf diesem Hintergrund wird deutlich, welche Sprengkraft die von den Entwicklungsländern in Paris aufgestellten Forderungen besitzen. Sie belegen, dass sich auch im Sport die Staaten der Dritten Welt immer enger gegen die Supermächte zusammenschließen, dass die internationale Sporteinheit als Teil der internationalen Einheitsfront gegen die Supermächte erstarkt …“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 3/1977, S. 5.
Auch den „Protest“ von Kindern, nahmen K-Gruppen breitwillig auf, um sich in deren Fahrwasser zu bewegen. Über eine „Bolzplatzdemonstration“ in Dortmund-Scharnhorst von „300 Kindern“ berichtet die „Kommunistische Volkszeitung“ mit folgendem Hinweis: „Es ist jetzt unsere Aufgabe …, die Errichtung eines Bolzplatzes durchzusetzen.“ (vgl. 17. April 1974).
Dass ein eigenes „Kindersportfest“, parallel zu den „Werner Seelenbinder“ Sportfest, worüber die „Kämpfende Jugend“ berichtet, stattfinden soll, erinnert doch stark an die „Jungen Pimpfe“ („Deutsches Jungvolk“ der Nazis). Dieser Mythos scheint hier wiederbelebt zu werden (vgl. April 1976; 8. Januar 1977).
17.04.1974:
In der „Kommunistischen Volkszeitung“ des KBW Nr. 8/1974 vom 17. April. erscheint der Artikel: „Kinder demonstrieren. 300 Kinder wollen einen Bolzplatz.“ Dortmund: Viele Scharnhorster werden sich gewundert haben. Das darf doch nicht wahr sein, die Blagen demonstrieren. Ein Zug von mehreren Hundert Kindern zog brüllend durch die Wohnblocks: „Wir wollen einen Spielplatz!“ Kommt alle mit!“ Jedesmal, wenn die Kinderdemonstration an einem der elenden Gerüste, die die Neue Heimat „Spielplätz“ nennt, vorbeikam, wurde der Zug länger, immer mehr Kinder schlossen sich an, auch einige Erwachsene.
Die meisten Kinder wissen nicht genau wie die Jugendlichen - was sie machen sollen. Wo sollen sie in dieser Betonwüste spielen? Da bleibt kaum mehr als Rumlungern. Ein richtiger Bolzplatz muss her. Ein Spielplatz, auf dem man sich ordentlichen austoben kann … Die Scharnhorster Bevölkerung nahm regen Anteil an diesem Prozess, das Problem der Kinder in Scharnhorst wurde immer mehr Leuten auch weit über Scharnhorst hinaus, bewusst.
Am Samstag, 6.4. hatte die Initiative „Wohnen in Scharnhorst“ zu der Besetzung des einzigen noch nicht bebauten großen Grundstücks in der Betonwüste aufgerufen. An dieser Stelle will ein reicher Makler ein Hochhaus bauen lassen. Um das zu verhindern, waren einige Hundert Kinder auf den Platz gekommen, um zu zeigen, dass sie sich nicht alles gefallen lassen. Es wurden über 500 Unterschriften von Kindern für die Nutzung des Platzes als Bolzplatz gesammelt. Aber die Kinder wollten nicht nur den Platz besetzen, einige drängten darauf, eine Demonstration zu machen, damit alle Kinder in Scharnhorst und die Erwachsenen Bescheid wussten. So zogen sie zunächst durch das Einkaufszentrum und dann durch die Wohnblocks. Als sie schließlich wieder an dem besetzten Platz ankamen, kam der Scharhorster Sheriff an: „Das geht nicht, eine Kinderdemonstration. Das ist verboten!“ Als er einen jungen Erwachsenen, der mit marschiert war, dingfest machen wollte, brüllten die Kinder: „Wir wollen einen Bolzplatz!“ Gegen die Übermacht der Kinder konnte der Sheriff nichts machen und zog ab. Die Kinder aber wollten sich mit dieser einmaligen Protestaktion nicht zufriedengeben.
Es ist jetzt unsere Aufgabe, den Bau des Hochhauses zu verhindern und die Errichtung eines Bolzplatzes durchzusetzen. Wir dürfen den Protest und die Empörung der Scharnhorster Kinder nicht untergehen lassen.“
Q: Kommunistische Volkszeitung Nr. 8/1974, S. 9.
April 1976:
Nach der „Kämpfenden Jugend“ Nr. 4/1976, wird parallel zum Kölner Sportfest (16.4.-18.4.), auch zu einem „Kindersportfest“ eingeladen. „Wir machen Tauziehen, Fußball, Ballspiele, Gymnastik, Turnen, Laufspiele und Seilchenspringen. Wir wollen, dass ihr alle erscheint. Bringt bitte Zelte mit, wer eins hat, denn wir übernachten …“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 4/1976 S. 4f.; 9 und 35.
08.01.1977:
Nach der Kämpfenden Jugend“ Nr. 2/1977, soll zu Ostern 1977 in Frankfurt/M. auch ein Sportprogramm für Kinder gemacht werden.
Q: Kämpfende Jugend Nr. 2/1977, S.4.
09.04.1977:
Nach der „Kämpfenden Jugend“ Nr. 5/1977, wird zu einem Kindersportfest ausgeführt:
„Ungefähr 30 Kinder waren nach Frankfurt gekommen, um am Werner-Seelenbinder-Sportfest teilzunehmen. Fußball, Volkslauf und Ringen - das waren die Sportarten, bei denen die Kinder nach dem Prinzip „Erst Freundschaft - dann Wettkampf" mitkämpfen konnten. Für viele Kinder waren diese Richtlinien im Arbeitersport neu, denn in den Sportvereinen und in der Schule wird etwas ganz anderes erzählt. Dort kommt es darauf an, Sportleistungen zu bringen, ohne auf die anderen Rücksicht zu nehmen. In den Knabenmannschaften der bürgerlichen Vereine konkurrieren die Kinder untereinander, um ja zum Spiel zugelassen zu werden. Und immer werden die kapitalistischen Profi-Sportler als Vorbild hingestellt. Dabei treiben diese Leute nur deshalb Sport, um damit Geld zu verdienen, und nicht, um die Gesundheit aufrechtzuerhalten, und sich auch so gegen Unterdrückung in Schule und Betrieb zu wappnen.
Es begann mit dem Fußballspiel am Sonnabend. Nachdem die Mannschaften eingeteilt waren, gingen wir auf den Platz im Hoechster Stadtpark. Nachdem eine Mannschaft schon 3:1 in Führung lag, wollte ihr Torwart nicht mehr mitspielen. Er beschwerte sich. dass alle Kinder nur im Sturm spielen wollen und keiner mehr in der Verteidigung war. Ein Betreuer fragte, wieso denn das eine Mädchen, das doch Verteidiger war, am Spielfeldrand stehe. Darauf antworteten einige: „Da stört sie keinen!" Das wurde kritisiert. Mädchen können nur deshalb nicht gut Fußball spielen, weil man sie nie lässt. Man muss den Mädchen eine Hilfe geben, damit auch sie am Fußballspiel teilnehmen können. Außerdem stellte sich die Mannschaft um.
Die guten Spieler, die auch teilweise im Verein waren, schlugen vor, nach hinten zu gehen und die schwächeren zusammen mit einem guten Spieler gehen nach vorne. Das war eine gute Entscheidung, denn das Spiel zwischen den beiden Mannschaften wurde ausgeglichener und besser. Wir lernten, dass die gegenseitige Hilfe zwischen den besseren und den schlechteren wichtig ist, um gut spielen zu können. Und es kommt nicht nur auf die Leistung einiger guter Spieler an, sondern darauf, dass eine Mannschaft in gemeinsamer Anstrengung ihre Leistung verbessert!. Es gab noch eine weitere Unterbrechung, weil ein Junge einen anderen schlug. Ihm war vorgeworfen worden, er wolle alles alleine machen: Anstoß, Abwurf, Freistöße usw. Das fanden fast alle Kinder richtig. Wie soll man in einer Mannschaft spielen, wenn einer immer eine Extrawurst haben will? Das zweite Spiel wurde dann viel fairer und endete unentschieden 1:1.
Am Sonntag nahmen die Kinder am Volkslauf teil, der für die Kinder über 500 m ging. Einige Kinder machten auch noch beim 1000-m-Lauf der Erwachsenen mit und einer lief sogar 5000 m. Das machte allen viel Spaß und zeigte, dass die Kinder eine große Ausdauer besitzen. Sie meinten: Im nächsten Jahr sollte unbedingt für die Kinder auch eine 1000-m-Laufstrecke eingerichtet werden! Am Nachmittag sahen wir uns die Vorführungen der Kampfsportler an und durften beim Ringen auch selbst auf die Matte. Ringen ist ein Kampfsport, bei dem man miteinander die Kräfte messen kann. Alle waren davon begeistert und möchten im nächste« Jahr auch ein eigenes Ringerturnier machen. ERST FREUNDSCHAFT - DANN WETTKAMPF! VORWÄRTS ZUM 3. WERNER-SEELENBLNDER-SPORTFEST!
Q: Kämpfende Jugend Nr. 5/1977, S. 14 und 34.
Zum „Breitensport“ liegt ein Datum der „Kämpfenden Jugend“, ohne nähere Erläuterungen, vor. Er steht aber hier im Zusammenhang mit dem „Wiederaufbau einer Arbeitersportbewegung“ (vgl. Dezember 1976).
Dezember 1976:
In der „Kämpfenden Jugend“ Nr. 12/1976 heißt es zum Breitensport: „Für den Breitensport ist … natürlich kein Platz. Die einzige Berührung da Massen mit dem Sport soll der Platz auf der Zuschauerbank sein, und der muss teuer bezahlt werden! Erteilen wir dem kapitalistischen Profisport eine Absage und reihen uns ein in den Kampf für den Wiederaufbau einer Arbeitersportbewegung.“
Q: Kämpfende Jugend 12/76, S. 26.
Was ist „Pflichtsport?“ Möglich, dass diese Deutung der ABG-Betriebsgruppe in München, die einen „Leserbrief“ veröffentlicht, irgendwo zwischen „Breitensport“, „Betriebssport“ oder noch allgemeiner „Freizeitsport“ angesiedelt ist. (vgl. Dezember 1972).
Dezember 1972:
In München gibt die ABG-Betriebsgruppe beim Bundesbahn-Ausbesserungswerk (AW) Freimann die Nr. 3 ihres „Roten Weichenstellers“ heraus. Die „Kämpfende Jugend“ enthält einen Leserbrief von Lehrlingen des AW zum „wöchentlichen Pflichtsport“.
„Es nicht nicht so, dass wir keine Lust zum Sport hätten. Aber wenn man uns vormittags etwa eine Stunde lang rum jagt (was man Gymnastik nennt), dann macht und das nicht viele Spaß. Zum Ballspielen sind wir zu müde. Außerdem bleibt dazu wenig Zeit übrig …“
Q: Roter Weichensteller Nr. 3, München Dezember 1972,S.5.
Der „Deutsche Sportbund” und der „Deutsche Fußballbund”, werde in den vorliegenden Daten oftmals in einem Zusammenhang genannt. Zudem sind sie ineinander dermaßen verschachtelt, dass es schwierig erscheint, eine eindeutige Trennung vorzunehmen. Ein Datensatz zum „DFB“ enthält z. B. eine Reihe von Aussagen zum Fußball, zu seinen Skandalen und zu seinen Vertretern. Wieder ist davon der „DSB“ nicht ausgenommen, der den „Spitzensport“ unterstützt, und damit zu einem Standbein des Sports überhaupt geworden ist. Hier soll dann nur ein knapper Überblick über den „DSB“ und den „DFB“ gegeben werden. Weitere Daten dazu sind im Abschnitt „Fußball“ nachzulesen.
Zunächst berichtet der KJVD der KPD über „Weyers neuen Spurt“ (vgl. 6. Juni 1974).
„75 Jahre Deutscher Fußballbund“ ist für die „Kämpfende Jugend“ Anlass genug, um Bilanz zu ziehen (vgl. 11. Juni 1975).
Im Artikel „25 Jahre DSB - 25 Jahre im Dienste des Kapitals“, berichtet die „Kämpfende Jugend“ über das „25-jährige Bestehen des Deutschen Sportbundes“ (vgl. 10. Dezember 1975).
In einem Artikel „Herta BSC-Nichts als Schiebung“ berichtet die „Kämpfende Jugend“ über einen früheren Vereinspräsidenten des DSB, der in die Hitlermachenschaften verstrickt war (vgl. Dezember 1976).
Im Vorfeld der Fußball-WM 1978, berichtet die „Kämpfende Jugend“ über die Vorbereitung für das Turnier in Argentinien und über den Besuch des DFB-Präsident Neuberger mit den Verantwortlichen. In diesem Zusammenhang wird er als „Faschistenfreund“ bezeichnet (vgl. Februar 1977).
Artikel des „Arbeiterkampfs“ beschäftigen sich u. a. mit
- „100 Jahre Fußball in Deutschland“ und dem DFB (vgl. 17. Februar 2000).
- „Der DFB und seine Skandale“ (vgl. 13. April 2000)
- „Juden am Ball. Ein fast vergessenes Kapitel der europäischen Sportgeschichte“, wo der DFB hier wegen seiner „Auslassungen“ und letztlich verharmlosenden Umgang mit „der eigenen braunen Vergangenheit“ massiv in die Kritik gerät (vgl. 19. September 2003).
06.06.1974:
Der Kommunistische Jugendverband (KJV) der KPD gibt die Nr. 10/11 seiner „Kämpfenden Jugend“ heraus. In „Weyers neuer Spurt“ wird berichtet vom Deutschen Sportbund (DSB).
Q: Kämpfende Jugend Nr. 10/11, Dortmund 6. 6.1974, S.10.
11.06.1975:
In der „Kämpfenden Jugend“ Nr. 11/1975 vom 11. 6, erscheint der Artikel: „75 Jahre Deutscher Fußballbund. Die Reaktion war immer am Ball.“
Ausgeführt wird u. a.: „In diesem Jahr feiert der Deutsche Fußballbund den 75. Jahrestag seines Bestehens. In den 75 Jahren hat der DFB sich einen besonderen Ruhm erworben, den Ruhm, immer auf der Seite der Reaktion gestanden zu haben. Mit den fortschrittlichen Traditionen der Arbeitersportbewegung hat er ebenso wie der Deutsche Sportbund nichts zu tun. Die Vereine im DFB haben über drei Millionen Mitglieder, doch die Führung des DFB spricht nicht für sie. Seit 75 Jahren handelt er für die jeweils reaktionärsten Teile des Monopolkapitals. In den Zeiten der deutschen Monarchie diente er den Militaristen als Mittel, die Jugend für den imperialistischen Krieg zu gewinnen … In der Weimarer Republik änderte sich nichts. Waren die roten Sportvereine, wie der ASV Fichte, Zusammenschlüsse der Arbeiter und Werktätigen zur körperlichen Ertüchtigung für den Kampf gegen Militarismus und Krieg, verstand der DFB den „Sport als heiligen Dienst am Vaterland“ und erklärte: „Das Werben der Parteien um die Seele der Jugend ist eine Sünde an der werdenden lebendigen Kraft unserer Nation.“
Der Übergang des DFB in den Faschismus verlief reibungslos. Seine leitenden Funktionäre erlebten die Machtergreifung Hitlers als einen Akt der Befreiung. So steht noch in einer 1954 herausgegebenen Geschichte des Deutschen Fußballsports: ‚Die Männer, die bisher die Leitung des DFB und seiner Verbände waren, fanden auch nach dem politischen Umbruch seitens der nunmehr zur Leitung des Sports berufenen Personen das Vertrauen, weiterhin die Geschichte des Fußballsports zu lenken. Viele Schranken und Hemmnisse für die Entwicklung fielen, weil das jetzt herrschende politische System sie hinweg räumte … Dass faschistische Äußerungen noch 9 Jahre nach Kriegsende zu hören waren, das darf niemanden wundern. Die Funktionäre waren die gleichen geblieben.
Jetzt zum 75. Jubiläum gibt man sich etwas liberaler. Neben der ganzen bundesdeutschen Prominenz, vom Bundespräsidenten über den Ministerpräsidenten von Hessen bis hin zu den Kirchenfürsten, hatte man sich noch einen Professor gemietet. Prof. Walter Jens übte in seiner Festrede sogar Kritik an der Geschichte des DFB. Natürlich sehr unverbindlich und ohne Konsequenzen. Der Erzreaktionär und neue Präsident des Deutschen Sportbundes, Willi Weyer, tat den demagogischen Ausspruch: „Sport ist zu unser aller Freude in die Welt gekommen, ein Akt demokratischer Freiheit, vorweggenommene klassenlose Gesellschaft.“
„Zu unserer Freude“, heißt wohl in diesem Fall: Zur Freude der deutschen Fußballindustrie, die mit Sport nichts mehr zu tun hat. Die großen Vereine sind kapitalistische Unternehmen, die Profit machen, Menschenhandel betreiben, geschickte Werbung machen und natürlich auch mal Pleite gehen. Aber den Fußballanhängern ziehen sie jedes Jahr zig Millionen aus der Tasche. Ein Hohn von demokratischer Freiheit zu reden, wenn die bürgerlichen Vereine die Jugend zu Konkurrenz und Aufsteigertum erzieht. Demokratie hat mit den Bestechungsskandalen der Fußballfunktionäre nichts zu tun.
Klassenlose Gesellschaft ist für Weyer, wenn sich Arbeiter und Kapitalisten gemeinsam um den Sieg der deutschen Mannschaft sorgt. Eine Volksgemeinschaft, die, wie es im Lied zur Weltmeisterschaft steht: „Immer fest zusammenhält …“
Solchen Sport brauchen wir nicht. Wir brauchen Vereine, in denen die Arbeiterklasse das Sagen hat. Der Sport gehört dem Volk.“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 11/1975, S. 8.
10.12.1975:
In der „Kämpfenden Jugend“ Nr. 24/25 1975 vom 10.12. erscheint vermutlich eine „Beilage“ zum „Rot Sport“.
Im Artikel: „25 Jahre DSB - 25 Jahre im Dienste des Kapitals“ wird ausgeführt: „Am 26. Oktober feiert der Deutsche Sportbund (DSB) sein 25jähriges Bestehen in der Frankfurter Paulskirche- dort, wo der Kämpfer für nationale Unabhängigkeit und Einheit „Turnvater Jahn“ nach der Revolution von 1848 als Abgeordneter der Nationalversammlung gesessen hatte. Der DSB kokettiert mit dieser fortschrittlichen Geschichte des deutschen Sports – er selbst hat nichts damit zu tun. Friedrich Ludwig Jahn nahm den Zusammenschluss des fortschrittlich gesinnten Bürgertums im Sport als Kampfmittel gegen de herrschende Feudalklasse. Der DSB aber richtete auch auf seinem Stiftungsfest den Sport in der BRD verstärkt nach den reaktionären Interessen der herrschenden Klasse aus, die alle Gallionsfiguren aus Staat und Wirtschaft hatte auffahren lassen … Worum ging es den Festrednern? Den Breitensport kurz zu halten und gleichzeitig als Mittel einer reaktionären Massenmobilisierung zu benutzen … Die SPD-Regierung, die in allen Bereichen die staatliche Gewalt ausdehnt und den Zentralismus predigt - hier tönt sie von freiwilliger Mitverantwortung und tätiger Hilfe seiner Bürger, weil alles andere zu viel Geld kostet, das den Kapitalisten milliardenweise in die Tasche geschaufelt wird.
- Den Spitzensport mit allen Mitteln zu unterstützen, um sich in der Konkurrenz besonders mit den hochgepäppelten Staatsamateuren der sozialimperialistisch beherrschten Lände zu behaupten.
- Beides zusammenzubringen, den Massensport, soweit er betrieben wird, als Mittel zur Förderung des Spitzensports auszubeuten.
Zugleich erinnert Schmidt: „Der Sport habe in hohem Maße eine sozialpolitische Funktion und damit seine politische Komponente.“
Das heißt: Wenn der SPD-Regierung die körperliche Ertüchtigung der Volksmassen gleichgültig ist, sie vergisst trotzdem nicht, dass der Sport zur Beeinflussung der Massen, zur Versöhnung der Klassenwidersprüche, zur Kettung an die kapitalistische Leistungsideologie unentbehrlich ist …
Wir wissen, dass es einen Ausweg aus dieser Atmosphäre gibt: Sport als Ertüchtigung zum Klassenkampf, zur Stählung der Kräfte, die die Arbeiterklasse zum Kampf für die Unabhängigkeit, für den Sturz der Ausbeuterordnung braucht. Da werden Höchstleistungen erzielt, weil der Sport mit der gesellschaftlichen Tätigkeit der Arbeiterklasse aufs Engste verbunden ist. Die großartigen Erfolge der chinesischen Sportler, die Wettkämpfe der Roten Arbeitersportler vor 1933, an deren Tradition wir heute anknüpfen, liefern den Beweis.“
Q: Kämpfenden Jugend Nr. 24/25 1975, S. 10 und Beilage.
Dezember 1976:
In der „Kämpfenden Jugend“ Nr. 12/1976, wir ein Artikel über „Herta BSC“ veröffentlicht.
Dort heißt es u. a.: „Herta BSC - Nichts als Schiebung.“
Spätestens der Bundesliga-Skandal hat vielen die Verkommenheit des Profi-Fußballs vor Augen geführt. Am Beispiel des „Skandalvereins“ Hertha BSC kann man sehen, dass diese Vereine schon eine lange Tradition in Betrug und Manipulation haben: Hertha war früher mal ein Arbeitersportverein. Und gerade deshalb ist er heute noch der beliebteste Westberliner Verein. Aber schon 1919 starteten die Funktionäre von Hertha das erste „große Geschäft“. Man spielte schon für Geld und kündigte, um die Kasse zu füllen, ein Freundschaftsspiel gegen MTK Budapest an. Als der Spielplatz voll war, lief Minerva 93 von um der Ecke auf den Platz. Aber das Geld reichte nicht lange und Hertha fusionierte mit dem Berliner Sport-Club. 1930 und 1931 wurde Hertha BSC deutscher Meister. Aber das richtige Geschäft begann erst Anfang der 60er Jahre. Wolfgang Holst, ehemaliger SS-Oberjunker aus der Leibstandarte Adolf Hitler übernahm die Geschicke von Hertha BSC. Bei der Einführung der Bundesliga wollte auch Hertha mit von der Partie sein.
Also frisierte man die Bücher und stach so den Mitbewerber Tasmania 1900 aus. Als aber schon im ersten Jahr der Abstieg drohte, wurden Preußen Münster 55 000 DM für den Abstieg geboten. Als das nicht klappte, bestach man im Entscheidungsspiel den Münchner Stemmer mit 150 000 DM und gewann 3:1. Ein Jahr später flog Hertha aus der Bundesliga: wegen überhöhter Handgelder und Steuerbetrug. Um ein Kassenloch von 726 000 DM zu füllen, wurden 55 000 Eintrittskarten schwarz gedruckt und für 165 000 DM steuerfrei verkauft. 3 Jahre später stieg Hertha BSC wieder auf - im entscheidenden Spiel gegen Hof waren 7 Hofer mit 375 000 DM geschmiert worden. Als das ans Tageslicht kam, ließ sich der Hertha-Vorsitzende Lohmüller „beurlauben“ und bald darauf „verunglückte er tödlich“ … 1986 war Hertha schuldenfrei. Aber als der Verein vier Jahre später trotz 16 Mio. Einnahmen wieder 6 Mio. Schulden hatte half der Senat. Er hatte schon immer ein Interesse daran, dass ein Westberliner Verein in der Bundesliga spielt, denn dadurch sollte die Theorie untermauert werden, dass Westberlin zur BRD gehört, obwohl das dem Potsdamer Abkommen widerspricht.
Der Senat gab einen 2 Millionen-Kredit an Hertha und stufte das vereinseigene Stadion als Baugelände ein, so dass Hertha es für 6,2 Mio. verkaufen konnte. SS-Oberjunker Holst wurde bis 1988 vom DSB für alle Vereinsämter gesperrt, denn er war noch mitverantwortlich dafür, dass Hertha sich im Bundesliga-Skandal vom Arminia-Bielefeld-Finanzier Dr. Oetker bestechen ließ.
Nun spendierte Springer 1 Million für den Verein und prompt wurde Dr. Hans-Jörg Klotz - Geschäftsführer bei Springers Ullstein-Verlag - zum neuen Vereinspräsidenten. Vizepräsident würde Dr. Cassau, Chefarzt der Schlosspark-Klinik. Angeblich wegen Eifersüchteleien mit Klotz trat der im November 1975 schon wieder zurück. Und zwei Wochen später ereilte Cassau das gleiche merkwürdige Schicksal wie vorher Lohmüller: „Tödlich verunglückt.“
Nach einem Verhör durch die Staatsanwaltschaft in Sachen Cassau unternahm Klotz einen Selbstmordversuch! Klotz ist jetzt zurückgetreten. Und wer trat seine Nachfolge an? Ein gewisser Striek, der als ehemaliger Westberliner Finanzsenator große Schiebereien mit Steuergeldern veranstaltete (Kreisel-Affäre). Er wird die Tradition von SS-Holz, Springer-Klo t z und Konsorten sicher fortführen! Aber diese Chronik steht nicht nur für Hertha BSC. Schalke 04, Bayern und die, anderen „Profi-Vereine“ haben die gleichen Methoden. So ist es nur folgerichtig, wenn Dr. Krohn, Manager des HSV meint, die Form einer Aktiengesellschaft wäre heute angemessener als die eines Vereins.“
Q: Kämpfende Jugend 12/76, S. 26.
Februar 1977:
Die Nr. 2/1977 der „Kämpfenden Jugend - Kommunistisches Jugendmagazin des KJVD“ erscheint. Unter „DFB Boss - Faschistenfreund“ wird ausgeführt:
„Unter der Schlagzeile „Zeit der Magenkrämpfe wegen der WM 78 für Neuberger vorbei“, berichtete die FAZ über die Vorbereitungen zu den Fußballweltmeisterschaften 1978 in Argentinien. DFB-Präsident Neuberger, der von seinen ersten Besuchen aus Rio de la Plata zurückkehrte, informierte die Frankfurter Presse unter dem Motto: „Argentinien ist auf dem besten Weg, eine gute Fußball-Weltmeisterschaft auszurichten“. Was macht den Sportreaktionär Neuberger so zufrieden und warum sind seine Magenkrämpfe vorbei? Die Wende in der Vorbereitung wurde nach Meinung Neubergers nach dem Sturz der Staatspräsidentin Isabel Peron eingeleitet, sprich: Durch die Errichtung der faschistischen Militärjunta. Eine Kommission dieser Junta übernimmt direkt die Verantwortung für Finanzierung, Organisation und Sicherheit.
Die Zeitpläne für die Umbauten und Neubauten der Stadien würden mit gesteigertem Tempo vorangetrieben und das nach dem Sturz von Isabel Peron erlassene Streikverbot verschaffe zusätzliche Garantien. Und in der Tat laufen die Vorbereitungen für die WM 78 in vollem Gange. Bei den sportlichen Ereignissen in Argentinien wird bereits jetzt der Bürgerkrieg geprobt und eingespielt, wie die faschistische argentinische Militärjunta die Spiele sicherzustellen glaubt: Bei einem Autorennen wurden 6 mit schweren und leichten Maschinengewehren und -pistolen ausgerüstete Polizei- und Armeeketten um die Rennstrecke gezogen, wie freudig der ADAC-Funktionär Hanstein vor der bundesdeutschen Fernsehkamera zu berichten wusste. Mehr Maschinenpistolen als Kugelschreiber seien an der Rennstrecke gewesen, um angeblich das Stadion vor Anschlägen der Guerilleros zu schützen.
Mögen Reaktionäre wie Neuberger oder Hanstein der Überzeugung sein, „dass nach menschlichem Ermessen kaum noch etwas schief gehen könne“ (FR) in der Vorbereitung der WM 78 durch die argentinischen Faschisten - die internationale Sporteinheit, die sich gegen Faschismus und Krieg richtet, unterstützt die Kämpfe der argentinischen Volksmassen und ihrer marxistisch-leninistischen Partei. Das Händeschütteln der Sportreaktionäre in aller Welt kann und wird die internationale Solidarität nicht verhindern können.“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 2/1977, S. 4ff.
17.02.2000:
Im „Arbeiterkampf - Zeitung für linke Debatte und Praxis“ vom 27.2. erscheint ein Artikel: „100 Jahre Fußball in Deutschland.“
U. a. wird ausgeführt: „Im Januar feierte der DFB, „der größte Sportverband der Welt“, sein hundertjähriges Bestehen - mit Festakt, Funktionären und Udo Jürgens. Für uns ist das Jubiläum Anlass für einen Rückblick auf die Entwicklung des Fußballspiels in Deutschland, seine Sozialgeschichte und seine politische Instrumentalisierung.
Deutschland war fußballerisch lange Zeit ein Entwicklungsland. Mit dem Turnen hatte sich bereits eine andere Disziplin als „nationaler Sport“ etabliert, die keine Konkurrenz neben sich duldete. Schon gar nicht, wenn diese ausländischen Ursprungs war... Sport zu treiben, war im Grunde identisch mit Turnen, und Turnen wiederum war eine höchst nationale Angelegenheit. Nicht nur damals, am Ausgang des 19. Jahrhunderts, sondern noch tief ins 20. Jahrhundert hinein. Stocknational in der Denkungsart und humanistisch in der Bildung, so hatte der vorbildliche Deutsche zu sein, weshalb die kickenden Gymnasiasten, denen wegen der „Fußlümmelei“ Verweis von der Schule angedroht war, zutiefst bedauerten, dass die ersten fußballspielenden Menschen nicht die alten Griechen gewesen waren …
Die deutschtümelnde Turnerschaft betrachtete das Fußballspiel als „undeutsche“, importierte Modetorheit, deren Ausbreitung zu begegnen sei. Aber trotz aller Einsprüche und sonstiger Widrigkeiten, die die Einführung des Fußballs hier zu Lande begleiteten, zählte Deutschland zu den ersten Ländern auf dem europäischen Kontinent, wo er gespielt wurde. Schriftliche Erwähnung fand er bereits 1796, als sich der Turnvater Guts Muths in seinem „Ersten deutschen Spielbuch“ über ihn ablehnend äußerte. 1865 spielte der spätere erste Präsident des DFB, Ferdinand Hueppe, mit englischen Schülern der Lehranstalt Neuwied Fußball.
Fußball wurde zunächst vor allem dort gespielt, wo sich „Engländerkolonien“ befanden, die nach dem Wiener Kongress in Handelszentren (z.B. Hamburg, Berlin, Frankfurt), Residenzstädten (z.B. Hannover, Braunschweig, Dresden) und Modebädern (z.B. Baden-Baden) entstanden waren. Bei den Engländern handelte es sich „teils um Langzeit-Touristen, teils um Verwandte der deutschen Herrschaftshäuser. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts kamen auch Unternehmer, kaufmännische Angestellte … hinzu …“
Als einheimischer Pionier betätigte sich der Gymnasialprofessor Konrad Koch, der 1874 das „englische“ Spiel als Schulspiel am Braunschweiger Martino-Katharineum-Gymnasium einführte. Die Höheren Schulen und Gymnasien wurden zu den hauptsächlichen Keimzellen des Fußballs. Kochs Engagement für den Fußball lagen primär pädagogische Überlegungen zu Grunde, die jenseits der traditionellen Methoden der reinen Repression und der Belehrung lagen. Er wollte von der reinen Fremddisziplinierung zur stärkeren Selbstdisziplinierung der Schüler. Dazu schien ihm das Fußballspiel weitaus tauglicher als das autoritäre und militaristische Turnen.
Mit Sport zum nationalistischen Schulterschluss
Kochs pädagogisches Konzept war in dem Sinne politisch, dass es die Überwindung aristokratischer Verhaltensmuster und die Entfeudalisierung des deutschen Bürgertums anstrebte. Der Gymnasialprofessor gehörte außerdem dem Zentralausschuss für Volks- und Jugendspiele (ZA) an, einer Vorfeldorganisation der Nationalliberalen Partei und des Alldeutschen Verbands, „die durch Initiierung einer massenhaften Spielbewegung“ unter der männlichen Jugend den aufstrebenden Sozialdemokraten den Nachwuchs abwerben wollte. Die Aktivisten der ZA... empfahlen nicht nur das „deutsche Turnen“, sondern auch „English sports“ und so kam ihre Werbe- und Lobbytätigkeit auch dem Fußball zugute …
Auf Grund der Widerstände der Turnvereine gestaltete sich die Durchsetzung des Fußballs in Deutschland zunächst schwierig. Noch 1894, ein gutes Vierteljahrhundert nach Gründung der ersten Fußballclubs in England, fühlte Konrad Koch sich bemüßigt, in der Deutschen Turnzeitung Überlegungen darob anzustellen, wie Fußball „ein deutsches Spiel“ werden könnte. Um die deutschtümlerischen, nationalkonservativen Einwände zu neutralisieren, versuchte Koch zu belegen, dass Fußball keineswegs als rein „englisches Spiel“ zu betrachten sei, sondern vielmehr im Mittelalter in diversen Ländern - darunter selbstredend auch Deutschland - gespielt worden sei. Des Weiteren schlug er vor, die englische Fachterminologie, der man sich bis dahin mangels eigener Überlegungen bediente, durch „deutsche Kunstausdrücke“ zu ersetzen.
Die Fußballer waren zunächst im 1891 gegründeten Deutschen Fußball- und Cricket-Bund organisiert, und nicht wenige Fußballvereine vertrieben sich in den Sommermonaten die Zeit mit Cricketspielen. Als publizistisches Organ diente die „Deutsche Ballspiel-Zeitung“, die die Interessen der Cricket-, Croquet-, Bocki-, Fußball- und Tennisvereine vertrat. Die gemeinsame Zeitung dokumentiert, wo der Fußball seinerzeit gesellschaftlich beheimatet war …
Da der Deutsche Fußball- und Cricket-Bund sich wiederholt gegen die Aufnahme neuer Vereine sperrte, kam es im September 1897 in Berlin zur Gründung eines Konkurrenzverbandes mit dem Namen Verband Deutscher Ballspielvereine (VBB, ein Vorläufer des heutigen Berliner Fußball-Verbands - BFV). Am 28. Januar 1900 wurde im Leipziger Mariengarten schließlich in Anwesenheit von 36 Vertretern, die 86 Vereine repräsentierten, die Gründung des Deutschen Fußballbundes (DFB) vollzogen, dem wenig später auch der Berliner Verband als Regionalverband beitrat. England war 1863 mit der Football Association das erste Land der Welt gewesen, das einen nationalen Fußballverband konstituierte. Es folgten Schottland (1873), Wales (1876) und Irland (1880). Aber auch auf dem Kontinent gehörten die Deutschen zu den Nachzüglern.
Der DFB übernahm bald die nationalkonservative Engstirnigkeit der Turner. Zwar konkurrierten im DFB bis zum Machtantritt der Nazis zwei Strömungen miteinander, von denen man die eine als „internationalistisch“ und die andere als „nationalistisch“ bezeichnen könnte, aber schon zu Kaisers Zeiten war letztere eindeutig stärker. 1911 trat der DFB dem paramilitärisch-nationalistischen Jungdeutschlandbund bei. Auch der DFB interpretierte den Sport als ein Instrument zur Schmiedung der inneren Geschlossenheit des Volkes gegenüber seinen „äußeren Feinden“.
Dementsprechend enthusiastisch begrüßten viele seiner Funktionäre den Ersten Weltkrieg. Der internationalistische Flügel wurde vor allem von dem Karlsruher Fußballspieler und Kosmopoliten Walther Bensemann repräsentiert. Von der in Deutschland damals nicht gerade zeitgemäßen Idee beseelt, das Spiel solle die Grenzen überwinden und die nationalen Vorurteile brechen, reiste Bensemann mit seinen Karlsruher „Kickers“ nach Belgien, Holland, England, Ungarn, Frankreich und in die Schweiz und holte 1899 die erste englische Mannschaft auf den Kontinent. Der nationalistische Widerpart betrachtete indes das sportliche Kräftemessen mit anderen Nationen als Teil eines allgemeineren Ringens von Völkern und deren Staaten um Hegemonie. Beim Fußball ging es darum, die Überlegenheit der eigenen Nation und deren Tugenden zu demonstrieren. Mit seinen grenzüberschreitenden Aktivitäten erntete Bensemann mehr Misstrauen als Zustimmung …
Allgemeine gesellschaftliche Anerkennung errang das Spiel erst in den Jahren vor Ausbruch des 1. Weltkriegs, als sich führende Vertreter verschiedener deutscher Dynastien öffentlich zu ihm bekannten. Zu nennen sind diesbezüglich vor allem der Bruder Kaiser Wilhelms II., Prinz Heinrich von Preußen, wie des Kaisers Söhne Kronprinz Wilhelm, der auch als Stifter eines begehrten Fußball-Wanderpokals (des Kronprinzen-Pokals) in den Annalen des deutschen Fußballs geführt wird, und Prinz Friedrich Karl von Preußen, der gar selbst - im Trikot des SC Charlottenburg - dem Ball nachjagte. Dass der Fußball seit der Jahrhundertwende auch beim Heer, vor allem aber bei der Marine gespielt wurde, ist ebenfalls als Beleg für seine wachsende gesellschaftliche Akzeptanz zu werten. 1910 wurde das Fußballspiel durch einen Militär-Turnerlass in die Ausbildungspläne der Armee aufgenommen.
Arbeitervereine verdrängen die bürgerlichen Clubs
Hierbei spielten die englischen Erfahrungen eine Rolle: Während das Militär zuvor Disziplin und Präzision betonte, Kennzeichen der Gymnastik, wurden nun Teamwork und individuelle Initiative gepredigt. Der preußische Militarismus förderte die Entwicklung des Fußballsports, indem er die Exerzierplätze als Fußballfelder zur Verfügung stellte. Das ist mit eine Erklärung dafür, warum sich Berlin zum ersten deutschen Fußball-Mekka entwickeln konnte. Auch in Deutschland blieb der Fußball nicht dauerhaft ein exklusives Freizeitvergnügen von Angehörigen des bürgerlichen Milieus, sondern wurde von der Arbeiterschaft begierig aufgegriffen. Nicht von ungefähr war es das schwerindustriell geprägte Ruhrgebiet, wo sich der Fußball nach dem Ersten Weltkrieg am meisten ausbreitete.
Vor dem Ersten Weltkrieg war der leistungsstärkste Verein des Ruhrgebiets der Duisburger Spielverein, dessen Mannschaft 1913 auch als erste Ruhrgebiets-Elf das Finale um die deutsche Meisterschaft erreichte (und 1:3 gegen den VfB Leipzig verlor). Zwischen 1904 und 1927 gewannen die Duisburger nicht weniger als zehn Mal den Titel des Meisters des Westdeutschen Spielverbandes (WSV). Der Duisburger SV war aus einer Abspaltung des Duisburger Turnvereins von 1848 hervorgegangen. Seine hauptsächlichen Konkurrenten waren der ETB Schwarz-Weiß Essen und der Lokalrivale Duisburger Sport-Club Preußen …
In allen drei Vereinen spielten Arbeiter bestenfalls eine marginale Rolle. Auch in Deutschland war die Arbeitszeitverkürzung die wichtigste Voraussetzung für die Ausbreitung des Fußballsports unter der Arbeiterschaft. Im November 1918 ordnete das Reichsamt für wirtschaftliche Demobilmachung an, dass die reguläre tägliche Arbeitszeit (ausschließlich der Pausen) acht Stunden nicht überschreiten dürfe. Mit der Arbeitszeitverordnung vom 21. Dezember 1923 fand der Achtstundentag auch Einzug in die ordentliche Gesetzgebung …
Neben der Verkürzung der Arbeitszeit war aber auch noch das vielfältige System der Förderung des Sports durch die öffentliche Hand von Bedeutung, das sich bis Mitte der 1920er Jahre durchsetzte. Diese Förderung manifestierte sich insbesondere in der Ausweitung des Sportstättenbaus. Die Verbreitung des Fußballs unter der Arbeiterschaft spiegelt sich auch in der Mitgliederstatistik des DFB wider. 1904 waren erst 194 reine Fußballvereine mit 9.317 Mitgliedern im DFB vertreten. 1913 zählte der Verband immerhin schon 161.613 Mitglieder. Nach dem Ersten Weltkrieg stieg die Mitgliederzahl rapide an: 1920 hatte der DFB 756.703 Mitglieder und 1925 823.425, d.h. mehr als fünf Mal so viele wie vor dem Krieg. Die Arbeitervereine verdrängten die bürgerlichen Clubs auch mehr und mehr leistungsmäßig, obwohl der Duisburger SV noch bis 1927 den westdeutschen Fußball dominierte.
Doch 20 Jahre nachdem der Fußball seinen Siegeszug in der Arbeiterschaft begonnen und sich zur populärsten Freizeitbeschäftigung entwickelt hatte, war Schwarz-Weiß Essen unter den zwölf Ruhrgebietsvereinen, die in der Saison 1939/40 den Gauligen (den damals höchsten Ligen) „Westfalen“ und „Niederrhein“ angehörten, der einzige, der eindeutig dem bürgerlich-mittelständischen Milieu zuzuordnen war. Hingegen entstammten sieben Vereine dem proletarischen Milieu, nämlich neben Schalke 04 noch Arminia Marten, Spielvereinigung Röhlinghausen und Spielverein Hamborn 07, die alle mit der Bergarbeiterschaft verbunden waren, sowie die vornehmlich aus Metallarbeitern bestehenden Gelsenguss Gelsenkirchen, Fußballverein Duisburg 08 und Ballverein Borussia 09 Dortmund.“
Q: Arbeiterkampf-Zeitung für linke Debatte und Praxis Nr. 435, 17.2.2000.
13.04.2000:
Im „Arbeiterkampf-Zeitung für linke Debatte und Praxis“ vom 13.4, erscheint der Artikel: „Der DFB und seine Skandale. 100 Jahre Fußball in Deutschland, Teil 3: 1945 bis 1999.“
Ausgeführt wird u. a.: „Die politische Geschichte des DFB zwischen 1945 und heute ist eine Geschichte von Skandalen. Ja, sie dachten sich das schön: Wäre es nach dem DFB gegangen, dann wäre die braune Vergangenheit des Verbandes anlässlich seines 100. Geburtstags unerwähnt geblieben. Die immerhin 620 Seiten starke offizielle Festschrift geriet diesbezüglich zu einem „Meisterstück im Verdrängungswettkampf“. (Der Spiegel) Von der durch den DFB-Präsidenten Egidius Braun zuvor großmäulig angekündigten Aufarbeitung der Geschichte war in diesem Werk weit und breit nichts zu spüren. Ursprünglich wollte man die Jahre 1933 bis 1945 sogar nur im Statistikteil abhandeln. Der DFB hatte damit die Chance verpasst, dem Beispiel anderer schuldbelasteter Institutionen zu folgen und sein Verhalten während der NS-Zeit ohne Rücksicht auf Namen und Ansehen der involvierten Personen aufzuarbeiten. Stattdessen spielte der Verband zunächst unverändert und in arroganter Weise das Unschuldslamm.
Gegen den Willen des DFB und obwohl die Archive des Verbands für kritische Historiker weiterhin geschlossen blieben, wurde im Jubiläumsjahr jedoch einiges über die braune Vergangenheit zu Tage befördert. Erstmals musste Egidius Braun öffentlich einräumen, dass einige DFB-Funktionäre während der NS-Zeit „schwere Schuld“ auf sich geladen hätten. Die Gründe für die Zurückhaltung des DFB liegen wohl nicht nur in dem für Verbände dieser Art üblichen "Familiendenken", demzufolge das Ansehen verstorbener Mitglieder nicht beschmutzt werden darf und dessen Verdienste die Schwere seiner Fehler prinzipiell überwiegen. Hinzugesellt sich eine ideologische Kontinuität, die man als konservativ bis rechtskonservativ charakterisieren kann und die offensichtlich ein Hindernis für die Aufarbeitung der eigenen Geschichte darstellt. Der DFB blieb auch nach 1945 ein politischer Verband, fest verankert im rechten Lager, aus dem sich auch das Gros seiner Funktionäre rekrutierte. Diese machten nie einen Hehl aus ihrer Nähe zum politischen Konservativismus. Der DFB der Bundesrepublik war eindeutig schwarz gefärbt. Die Nähe zu den Unionsparteien und eine deutsch-nationale Grundeinstellung waren viele Jahre lang gewissermaßen Voraussetzungen für den innerverbandlichen Aufstieg.
Demokratisierung und Entnazifizierung gingen am DFB weitgehend vorbei. Über den „neuen“ DFB und den dort vorherrschenden alten Geist schrieb 1951 Dr. Georg Xandry, zu Zeiten des Hitler-Regimes Hauptgeschäftsführer des Verbandes: „Mit dem Jahr 1949 (wuchs) der neue, im Grunde aber alte DFB wieder empor. In ihm beseelte der gleiche Geist, der gleiche Wille, das gleiche Streben die Männer, die heute dem Fußball organisatorisch den Weg weisen.“ In einer offiziellen DFB-Geschichte hieß es einige Jahre später, die Gleichschaltung der Vereine 1938/39 sei „nach dem üblichen nazistisch-kommunistischen Muster“ erfolgt. Autor dieser Zeilen war ausgerechnet jener Mann, der 1937 vom Reichssportführer von Tschammer und Osten extra zum Zwecke dieser „Gleichschaltung“ zum Pressewart gekürt wurde: Carl Koppehehl.
Die offizielle Geschichtsschreibung des DFB wurde in den 50ern und 60ern von Leuten dominiert, die sich mit dem NS-Regime arrangiert und identifiziert hatten. Eine absurde Situation: Die Verbandshistorie - insbesondere während des nationalsozialistischen Regimes, aber auch davor - fiel im Deutschen Fußballbund der Nachkriegszeit überwiegend in die Zuständigkeit jener Führungsfiguren, die sich den Nazis mehr oder weniger aus Überzeugung angedient hatten und nun die Chance erhielten, ihren Verband und sich selbst zu entlasten. Die ideologischen Anfälligkeiten und Schnittmengen zwischen Nazis und Fußballverband darzulegen, die politische Beflissenheit des Verbands zu schildern, hätte Schuldbewusstsein, kritisches Umdenken und selbstkritisches Vermögen vorausgesetzt. An all dem fehlte es …
Als das DFB-Team 1954 erstmals Weltmeister wurde, hieß der Verbandsboss Peco Bauwens. Bauwens trennte vom Nationalsozialismus zwar dessen mörderischer Antisemitismus, nicht aber dessen aggressiver Nationalismus. Für Bauwens war die Nationalmannschaft eine Art „Ersatz-Wehrmacht“ und Instrument seiner revanchistischen Gelüste. Der Triumph von Bern war für ihn nicht nur Ergebnis eines fußballerischen Kräftemessens, sondern ‚zu aller eigentlichen Freude auch noch eine ganz besondere Genugtuung, Genugtuung im wahrsten Sinne des Wortes …
Auf der Siegesfeier beschwor Bauwens den altgermanischen Donnergott Wotan und geißelte die „welsche Missgunst“ der WM-Gastgeber. Die beim Finale vom Stadiondach verschwundene deutsche Fahne hätten die Spieler „im Herzen getragen“. Die Elf um Kapitän Fritz Walter sei die „Repräsentanz besten Deutschtums im Ausland“ gewesen. Als Bauwens dann auch noch das „Führerprinzip“ als Erfolgsgeheimnis des neuen Weltmeisters hervorhob, beendete der Bayerische Rundfunk die Live-Übertragung vorzeitig. Staatssekretär Bleck vom Innenministerium beeilte sich, die Bedeutung der chauvinistischen Ausfälle des DFB-Bosses im Sinne einer Schadensbegrenzung zu relativieren …
Im August 1955 reiste die Nationalelf zu einem Länderspiel nach Moskau, nur wenig später sollte Bundeskanzler Adenauer die sowjetische Hauptstadt besuchen. Um zu verhindern, dass der DFB-Präsident weiter auf internationalem Parkett politisches Porzellan zerschepperte, erwog das Innenministerium ernsthaft, Bauwens einen Schnellkurs in Staatsbürgerkunde zu verordnen. 1975 wurde Hermann Neuberger DFB-Präsident. Als saarländischer Fußballfunktionär hatte sich Neuberger nach dem Kriege vehement gegen den Anschluss des saarländischen Verbands an den französischen Fußballbund gestemmt …
Stramm deutschnational und rechtskonservativ blieb Neuberger auch in der sozialliberalen Ära, von der der Verband nur auf dem Spielfeld heimgesucht wurde. Als das Weltturnier 1978 in Argentinien stattfand, herrschten dort rechtsextremistische Militärs. Parteien und Gewerkschaften waren verboten; 15.000 Bürger saßen aus politischen Gründen in Gefängnissen und Lagern, viele der Gefangenen wurden gefoltert; Tausende wurden verschleppt und bestialisch ermordet …“
Und: „Nach dem Regierungswechsel von 1982 kam es zur völligen Verschmelzung von DFB und CDU. Der DFB gebärdete sich als Vorreiter des Kohl'schen Projekts einer „geistig-moralischen Wende.“ Die Nationalmannschaft wurde darauf verpflichtet, die Nationalhymne zu singen, und dem Trikot der Elf wurden die Nationalfarben hinzugefügt … Die Verzahnung von Politik und Nationalmannschaft gestaltete sich nun enger als jemals zuvor seit Gründung der Republik … Nach dem EM-Finale 1996 wurde das Flugzeug mit der Nationalmannschaft auf seinem Rückflug zeitweise von vier Bundeswehr-Tornados eskortiert - als ob sich die Spieler auf dem Rückweg von einer außenpolitischen Mission befunden hätten …War der DFB der Ära Hermann Neuberger noch rechts vom konservativen Mainstream angesiedelt, so rückte er unter dessen Nachfolger Egidius Braun wieder mehr ins Zentrum dieser Gesellschaft, das allerdings seinerseits eine Verschiebung zur rechten Seite hin erfuhr.
Politische Peinlichkeiten blieben auch unter Braun nicht aus. So 1994 die Ansetzung eines Länderspiels gegen England auf den 20. April. Datum, Gegner und Austragungsort steckten voller politischer Brisanz, war doch der 20. April des „Führers Geburtstag“, das Berliner Olympiastadion ein Schaustück der NS-Architektur und England ein ehemaliger Kriegsgegner. Das Vorhaben wirkte wie ein Pendant zu Kohls Politik an den Gräbern von Verdun und Bitburg: Versöhnung auf der Basis der Gleichbehandlung von Tätern und Opfern …
Obwohl Globalisierung und Kommerzialisierung an der letzten Bastion eines nationalvölkischen Fußballs kräftig nagen und Verband wie Nationalmannschaft an Bedeutung eingebüßt haben, soll sich an der politischen Ausrichtung des DFB nichts ändern. Dafür soll Brauns designierter Nachfolger Gerhard Mayer-Vorfelder sorgen. In der Politik wurde der trinkfeste CDU-Rechtsaußen aussortiert. Für den Job des DFB-Bosses soll es indes noch reichen - Ribbeck lässt grüßen. Immerhin kennt der Mann die Gründe für den hundserbärmlichen Kick unserer Nationalmannschaft: ‚Hätten wir 1918 nicht die Kolonien verloren, dann hätten wir Spieler aus Deutsch-Südwestafrika in der Nationalelf.“
Q: Arbeiterkampf-Zeitung für linke Debatte und Praxis Nr. 437, 13.4.2000 S. 30.
19.09.2003:
Im „Arbeiterkampf- Zeitung für linke Debatte und Praxis“ Nr. 476 vom 19.9., erscheint der Artikel: „Juden am Ball. Ein fast vergessenes Kapitel der europäischen Sportgeschichte.“
Ausgeführt wird: „Über den jüdischen Beitrag zum europäischen Kulturleben ist viel geschrieben worden. Kaum bekannt ist allerdings der Anteil, den Juden an der Verbreitung des vielleicht wichtigsten Zweigs der Massenkultur hatten: des Fußballsports. Das von Dietrich Schulze-Marmeling im Göttinger Werkstatt-Verlag herausgegebene Buch „Davidstern und Lederball. Die Geschichte der Juden im deutschen und internationalen Fußball“ schließt diese Lücke.
Dass die Erfolge jüdischer Fußballer das antisemitische Stereotyp vom „kraftlosen“ Juden sichtbar widerlegten, gab den Ideologen des NS-Sports nicht einen Moment zu denken. Als ihr Lieblingsclub Schalke 04 1939 im „großdeutschen“ Finale Admiral Wien mit 0:9 unterlag, machten sie die „Verjudung“ des österreichischen Fußballs für das Debakel verantwortlich: Der Professionalismus sei das „Gift“, „das ‚jahrelang mit teilweise echt jüdischer Geschicklichkeit ins Volk gespritzt worden“ sei.
Die starke Stellung des „jüdischen Fußballs“ in Deutschland, mehr noch in Ungarn, der Tschechoslowakei und Österreich, hatte mehrere Ursachen. Sicher hat Paul Spiegel recht, der in seinem Grußwort die Faszination hervorhebt, den der Fußball auf jüdische Jungen aus der Arbeiterschaft und dem Kleinbürgertum ausübte. Entscheidend war aber auch das Engagement jüdischer „Fußballpioniere“, die sich schon in den Anfangsjahren um die Popularisierung des von deutschnationalen Turnern geschmähten „englischen“ Spiels verdient machten.
Der bedeutendste unter ihnen war Walther Bensemann, geboren 1873 in Berlin. Er war aktiver Spieler, Vereinsgründer, Funktionär und als Herausgeber des 1920 von ihm gegründeten Kicker der bedeutendste deutschsprachige Sportjournalist seiner Zeit. Sein Credo „Der Sport ist eine Religion, ist vielleicht das einzig wahre Verbindungsmittel der Völker und Klassen“ mutet heute naiv an, sein Werben für Frieden und internationale Verständigung wurde aber nicht nur den Nazis ein Ärgernis. 1933 emigrierte er in die Schweiz, wo er schon ein Jahr später verarmt starb. (Unter dem Titel „Der Mann, der den Fußball nach Deutschland bracht“ erzählt Bernd-M. Beyer Bensemanns Lebensgeschichte in der Form eines dickleibigen „biografischen Romans“, der fast zeitgleich mit „Davidstern und Lederball“ erschienen ist, ebenfalls im Göttinger Verlag Die Werkstatt.)
Der Deutsche Fußballbund (DFB), dessen durch Auslassungen gekennzeichneter Umgang mit der eigenen braunen Vergangenheit bekannt ist, drückt sich bis heute um ein klares Schuldbekenntnis, was den eiligen Ausschluss seiner jüdischen Mitglieder 1933 angeht. Noch in der offiziellen „Geschichte des deutschen Fußballsports“, erschienen 1954, wurde der „politische Umbruch“ des Jahres 1933 positiv bewertet, weil durch ihn „viele Schranken und Hemmnisse für die Entwicklung des Fußballsports fielen“. Erik Eggers schildert in seinem Beitrag die freiwillige Gleichschaltung des DFB und die skandalösen „Gedächtnislücken“ seiner Spitzenfunktionäre. Dennoch will er die Hoffnung nicht aufgeben, dass die vom DFB in Auftrag gegebene Studie über den deutschen Fußball während der NS-Zeit ein Umdenken einleiten könnte.
In insgesamt 28 Beiträgen ausgewiesener Kenner der Materie werden jüdische Spieler, Trainer, Funktionäre, Sportjournalisten porträtiert, jüdische Vereine wie Makkabi, Bar Kochba, Schild oder Hakoah vorgestellt - und ebenso die von ihren Gegnern so genannten „Judenclubs“ Bayern München und Ajax Amsterdam. Ein lesenswertes Buch, das nicht nur historisches Wissen vermittelt, sondern auch, wie der Herausgeber (und mit ihm der Rezensent) hofft, einen kleinen Beitrag leisten könnte zur „Renaissance jüdischen Lebens in Deutschland.“
Q: Arbeiterkampf-Zeitung für linke Debatte und Politik Nr. 476, 19.9.2003, S. 34.
Fußball ist zu einer Art Weltreligion geworden. Eigentlich war es schon immer so. Möglicherweise könnte man sogar davon sprechen, dass er stets Patriarchats bezogen war dort auch seinen Ursprung hatte. In der Klassengesellschaft scheint sich Fußball als banale Tätigkeit, die für viel Geld vermarktet wird und die sich in einem endlosen Geldstrom, an dem Spieler, Trainer, Sponsoren, Zuschauer, die FIFA, der DFB, die DFL (Deutsche Fußballliga- der Zusammenschluss der deutschen Profi-Fußballvereine beziehungsweise deren Kapitalgesellschaften), Medien Marketingunternehmen und weltweit agierende Fußball Global Player (Spielervermittler, deren einziges Ziel darin besteht, den „Marktwert“ der zu vermittelnden Spieler künstlich hochzuhalten und an den enormen Gewinnen, wie im Falle von Kurany oder Dzeko, zu partizipieren) beteiligt sind, zu manifestieren.
Zuschauer scheinen hierbei zu „nützlichen Fahnen schwenkenden Idioten“ zu werden, zu einem Lamm, das sprichwörtlich zur „Schlachtbank geführt“ wird. Auch sie auch sie sind den stetigen Manipulationen ausgesetzt, den hohen Eintrittspreisen mit dem Ergebnis für ein jämmerliches Gekicke auch noch bare Rubel bezahlt zu haben, dem Trikotverkauf der Vereine mit dem Logo der Lieblingsspieler, die wie im Falle von Barcelona oder Real Madrid enorme Summen in die Kassen spülen, oder ganz einfach dadurch, dass sie sich als „Fan“ dem Nimbus der Vereins mit Haut und Haare verschrieben haben.
Dass selbst die jüngsten Ereignisse von Fußballwettskandalen mit Manipulationen und Wettbetrügereien wie jüngsten Ereignisse um Robert Hoyzer und Rene Schnitzler und Marcel Schuon zeigen, offenbar auch die Spitze des Eisberges selbst sind, darf berechtigterweise angeführt werden. Viele Verlierer und weniger Gewinner (Stichwort: „Bosman“-Urteil vom Dezember 1995) stehen auch hierbei auf der Haben-Seite. Die verschärfte Ökonomisierung und Politisierung des Fußballs mit selbst geschaffenen Regeln und eigener (DFB-)Gerichtsbarkeit, mit zunehmenden wirtschaftlichen Einflüssen zum Zwecke der uneingeschränkten Geldvermehrung, ruft in Erinnerung, dass der Kapitalismus der Krisen auch jene (sozialen) Verwerfungen mit sich bringt, die sich, von Land zu Land unterschiedlich, im ideologischen Drang, patriotische Gefühle, Gesänge und unterschwelligen Nationalismus, zu erhalten, fortsetzen. Im Zeitalter des Massenkonsums, erscheint auch der Fußball im globalen Spiel der Kräfte, ein paradoxes Unternehmen zu sein, das stets im selbst gewählten Zustand des „patriotischen Optimismus“ (Jürgen Klinsmann) verharrt und mit „Volksbeflaggung“, „Bierseligkeit“ und „Starkult“ einen Weg der totalen Bewusstseinsvernebelung eingeschlagen hat.
Fußball-Weltmeisterschaften hatten immer ihr eigenes Flair. Alle 4 Jahren wieder, treffen sich Kicker aus aller Herren Länder, um einen Weltmeister auszuspielen und einen Pokal entgegenzunehmen, der ab 1930 (erster Weltmeister Uruguay mit einem 4:2 über Argentinien) weiter gereicht wird. Der erste deutsche Weltmeister hatte sich mit einem 3:2 über Ungarn 1954 in die Herzen der patriotisch gesinnten deutschen Bevölkerung geschossen und es ihr auch mit der 1 Strophe des Deutschlandliedes gedankt. Die Deutsche Fußballnationalmannschaft holte 1974 mit einem 2:1 über den Erzrivalen Holland den zweiten, und 1990 unter Franz Beckenbauer ihren bisher letzten, den dritten Titel.
Daten zu Fußballweltmeisterschaften liegen von einer Reihe K-Gruppen vor. In der Regel beschränken sie sich hier auf die Jahre 1974 und 1978, abweichend liegen auch Daten vom „Arbeiterkampf“ etwa zur WM 1990 und der Europameisterschaft von 1992 vor, die hier mit behandelt werden. Mit dem endgültigen Ende der Mao-Bewegung, jenseits der 1980ger Jahre, verstummt auch in gewisser Weise die Kritik der Linken am planetarischen Fußball.
Eine neue Gangart schlug dagegen der „Arbeiterkampf“ bzw. „Analyse und Kritik“, ab etwa der Fußballweltmeisterschaft 1990 ein, der speziell dem Fußball seine eigene, mitunter merkwürdige Philosophie aufdrückte. So wird von ihm ein „linker Fußball“ (Menotti) favorisiert, der sich vom „rechten Fußball“ (Catenaccio) zu unterscheiden hätte. „Linker Fußball“ sei „Offensivfußball“ mit „Sturm und Drang“, während sich die andere Variante der „Mauertaktik“ hingibt und auf die Fehler des Gegners wartet. Diese Unterscheidung könnte auch auf die Definition von „reaktionärem und fortschrittlichem Fußball“ hinauslaufen, den Spieler und bisweilen Clubtrainer pflegen würden. Beides ist jedoch eine Soße und in diesem Geschäft irreal: Hauptsache man gewinnt! Wie, ist egal. Schließlich geht es um Millionen. Daher kann auch nur die weiterführende Debatte über „Ästhetik des Fußballs“ „Effizienz“ „Harmonie“ oder „Perfektion“ in die Maxime einmünden: Nur Geld schießt Tore!
In der „KVZ“ des KBW Nr. 6/1974, liest man einen Kommentar über die Verbindung von Fußballern mit einer 15% Lohn- und Gehaltsforderung (vgl. 20. März 1974).
Über die Verbindung zwischen Werbung und Fußball, äußert sich die „KVZ“ in dem Artikel: „Die Gewinner stehen schon fest“ (vgl. 29. Mai 1974).
Eine ähnliche Position vertritt auch die „Rote Fahne“ des KABD in ihren Leitartikel aus der Ausgabe 6/1974: „Elitekicker haben ausgesorgt“ (vgl. Juni 1974).
Es ist auch die „KVZ“, die dort weitermacht, wo die KPD/ML 1972 aufgehört hat. Die Fußballweltmeisterschaft 1974, sei „eine günstige Gelegenheit für die westdeutsche Bourgeoisie, um ihren hochgerüsteten Polizeiapparat vor aller Welt zur Schau zu stellen“. Allerdings vermied es die „KVZ“ einen neuen „Notstandskurs“ zu kreieren. Dennoch würde die Politik ihre „Macht über die Arbeiterklasse und dem Volk demonstrieren“ (vgl. 12. Juni 1974).
Der „Rote Morgen“ verurteilt in seiner Ausgabe 24/1974: „Das Leder fürs Kapital“, den „Profitfußball“ und knüpft an seine Artikel zur Münchener Olympiade von 1972 an (vgl. 15. Juni 1974).
Das Bedürfnis nach Fußball scheint schon fast zu einem Grundbedürfnis, wie Essen und Trinken, der Bevölkerung geworden zu sein. Jedenfalls scheint es in den großen Stadien so zu sein, dass für viele gilt: Hier ist der Ort der Einkehr, der Gemeinsamkeit (wenigstens für einen Moment), wo die „vereinsamten Massen“ ihr Geselligkeit pflegen und ihre Leidenschaft für eine total nebensächliche Sache ausleben. Weder Fußball, noch Initiativen für den „Massensport“ oder den „Sport für alle“, konnten Gemeinsamkeiten oder Solidarität erreichen. Vielmehr führte Fußball immer wieder (und immer noch) zu schlimmsten „Fan“-Ausschreitungen, Übergriffen von Hooligans und schizophrener Spaltung (etwa BVB versus Schalke 04) des Andersdenkenden. Sein Status ist die weitgehende Kommerzialisierung, die in der Konsequenz in ständigen Korruptionsskandalen, Wettbetrügereien und mafiösen Milieus einmündet.
In der Tat ist die mystische Berufung auf diesen Sport oder auf die „ewigen Werte des Fußballs“ ein politisches-kapitalistisches Sportspektakel, das immer wieder zu falschen Assoziationen missbraucht wurde (etwa: „Fairplay“, „Achtung des Gegners“). Die Weltmeisterschaft 1974 war wie alle anderen, nur ein Propagandaunternehmen, das sich in seiner schlimmsten Form bei der WM 1978 in Argentinien zeigte, wo es der faschistischen Junta um Jorge Rafael Videla mit der FIFA gelang, jedwede sportliche Idee ins totale Abseits zu stellen.
Der „Rote Morgen“ der KPD/ML sah sich indes in seiner Analyse bestätigt, dass der „Polizeiapparat auch die WM 1974 dazu ausnutzen würde, „um die Faschisierung des Staatsapparates voranzutreiben, durch die die Kapitalistenklasse ihre Sicherheit und ihre Ausbeuter- und Unterdrückungsordnung aufrecht erhalten will“ (vgl. 22. Juni 1974; 29. Juni 1974)
Die „KVZ“ Nr. 14/1974 enthält einen „Leserbrief“ zur Fußball WM und zum Spiel BRD-DDR (vgl. 10. Juli 1974).
Die „Rote Fahne“ der KPD erklärt, bei der Fußballweltmeisterschaft sei es „nicht um Sport gegangen“, sondern ein Schauspiel im Dienste des Kapitalismus“ (vgl. 10 Juli 1974).
Im Fußball, wie bei allen anderen Sportarten gilt: Verlieren ist untersagt! Einmal zur „Arbeit“ geworden, wird er jenen Gesetzen des Profits unterworfen, die Marx vielleicht, wie im 3. Band des „Kapitals“ als „kapitalistisch produzierte Ware W“ bezeichnet hätte.
Fußball ist zur Standardisierung der immer gleichen Abläufe geworden: Ausdauer, Disziplin, Laufbereitschaft, Trainingsabläufe, die sich wie ein Ei dem anderen gleichen und Taktiken sind zum globalisierenden Einerlei geworden, Standards aus dem Eisschrank. Er ist wie die Ausbeutungsverhältnisse: Sein Arbeitstempo kulminiert in der Form des Dopings, das über Spritzen und Pillen Anwendung findet. So auch die „Sportbegeisterung“,, der sich Millionen Menschen verschreiben. In ihr sollte man ein „dekadentes Merkmal der Zivilisation“ (Arnold Toynbee) sehen.
Der „Rote Morgen“ titelt seine Ausgabe Nr. 28/1974 mit: „Sie haben die Sportbegeisterung missbraucht“. Und er insistiert darauf, dass während der WM „die Klassengegensätze verwischt“ wurden und ein ausgeprägter „chauvinistischer Nationalismus“ gepredigt wurde (vgl. 13. Juli 1974).
Dass der Fußball über das Fernsehen zum Massenspektakel gemacht wurde, ist eine nicht weg zu diskutierende Tatsache, auch dann, wenn er zu blutigen Schlachten ausartet. Im I. Teil dieser Arbeit wurde schon darauf hingewiesen, dass der Sport seine Wurzel im Krieg hat und eine Spielart des Krieges zu sein scheint und sich auch niemals in friedfertiges Wohlgefallen auflösen wird. Ob sich die Subjekte nur tarnen, um sich in den Stadien abzureagieren, dürfte eine andere Frage sein. Jedoch sollte man sich von den Fahne schwenkenden Fans nicht täuschen lassen.
Und wenn wieder einmal eine Mannschaft, die dem Abstieg entgegen taumelt, von den eigenen Anhängern aufs Übelste beschimpft und bedroht wird (siehe auch Herta BSC am 13. 3. 2010 nach dem 1:2 gegen Nürnberg), dann sind diejenigen, die den „wahren Fußball“ preisen und die, die die „Fußballsportkultur“ wieder zum Leben erwecken wollen, nichts weiter als Deppen, die die rhetorische Floskel „nach dem Spiel ist vor dem Spiel“ als ideologische Interpretation benutzen wollen, um jenes substanzlose Geschiebe sogar noch als Aufklärungsvernunft des „sauberen Spiels“, das in Wirklichkeit durch permanentes Foulspiel zu einer unerträglichen Plattitüde entartet ist, zu verkaufen und sich dabei selbst ad absurdum führen.
Über den Männerfußball berichtet die KB/Gruppe Kiel in Form einer Nachlese zur Fußball WM in ihrem „Metaller“ (vgl. August 1974).
Die „Kämpfende Jugend“ widmet sich in der Ausgabe 8/1975 einem Fußballspiel zwischen „1.FC Birsteiner gegen KJV Frankfurt“. Quintessenz des Spiels soll gewesen sein: Den Sport verstehen als „Freizeitvergnügen und körperliche Ertüchtigung“ „Solidarität und Kollektivität“ „Freundschaft und gemeinsame Lernen“. (vgl. 23. April 1975).
Dem „FC Meineid“ (gemeint war Schalke 04, d. Vf.) widmet sich der „Rote Morgen“ in seiner Ausgabe 42/1975. Im April 1971 hatte Schalke 04 ein Spiel gegen den damaligen Bundesligaverein Arminia Bielefeld, dem die Zweitklassigkeit drohte, verkauft (0:1). 1973 waren daraufhin vom Landgericht Essen fast alle Spieler der Schalker Mannschaft zu Spielsperren verurteilt worden. U. a. „Stan“ Libuda (sogar auf Lebenszeit, aber nach zwei Jahren Sperre begnadigt). Klaus Fichtel (nach sechs Monaten begnadigt), Klaus Fischer (lebenslänglich, nach einem Jahr begnadigt) u. a. Insgesamt, nachdem Canellas Präsident von Kickers Offenbach den Stein ins Rollen gebracht hatte, wurden 52 Spieler, zwei Trainer und Vereinsfunktionäre bestraft.
Dass das „Wolfsgesetz des Kapitalismus“ hier beobachtet werden könne, so der „Rote Morgen“, das sich ausdehnen lassen würde „auf den gesamten Sportbetrieb“, wird stets, wie in diesem Artikel, Gebetsmühlenartig betont. Und fehlen darf auch nicht der Hinweis, dass alles in der VR China anders sei: „Erst Freundschaft, dann Wettbewerb.“ (vgl. 15. Oktober 1975).
Zu Schalke 04 steuert auch die „Kämpfende Jugend“ einen Artikel bei. Der Bundesligasport (immerhin räumt die „KJ“ ein, dass es sich hierbei um eine Sportart handelt) habe überhaupt nichts „mit einem Massensport im Dienst des proletarischen Klassenkampfs“ zu tun (und das, obwohl Schalke 04 angeblich aus einem „Arbeiterverein“ hervorgegangen sein soll). In China würde dagegen ein „schneller, sauberer und fairer Fußball“ gepflegt, in dem „die Freundschaft an erster Stelle und der Wettkampf an zweiter Stelle“ stehen würde (vgl. 12. November 1975).
Franz Beckenbauer Biografie „Einer wie ich“, ist für die „Kämpfende Jugend“ Anlass über einen „reaktionären Geschäftssport“ zu reflektieren. Hier würde nicht die „körperliche Ertüchtigung des Einzelnen im Mittelpunkt“ stehen, sondern der „individuelle Heldenkult“, der keine Perspektive für die „proletarischen und werktätigen Jugendlichen“ sei (vgl. 10. Dezember 1975).
Auch die „Kommunistische Jugendpresse“ der Zelle Hoesch Dortmund der KPD, beschäftigt sich mit dem „Bundesligaskandal“ (vgl. 4. März 1976).
Ein länger Artikel über „Lattek, Weisweiler, Merkel“ und andere, ist in der „Kämpfenden Jugend“ Nr. 6/1976 zu lesen. Der Artikel beschäftigt sich mit Spielern (u. a. G. Netzer), Taktiken und Spielereinkäufen. Das sei alles bezeichnend für „den imperialistischen Fußballsport geworden“, was hier sicherlich als Neuschöpfung bezeichnet werden darf (vgl. Juni 1976).
Von der Solidarität mit der ZANU, die schon auf den diversen „Werner-Seelenbinder“ Sportfesten von der „Kämpfenden Jugend“ eingefordert worden war, berichtet auch eine „Ortsbeilage zur Kommunistischen Volkszeitung“ in Nürnberg. Vermutlich fand dort am 6. 10. ein „Fußballturnier für die ZANU (Zimbabwe) statt (vgl. 6. Oktober 1976).
Wie schon erwähnt, sinniert der „Arbeiterkampf“ in seinen Artikeln zum (Fußball-)Sport über ein „falsches Bewusstsein“, das ihm anhängt. Und er fantasiert sich ein Idealbild zu Recht, dass es nirgendwo auf der Welt zu geben scheint, offenbar jedoch in den Köpfen einiger Restlinker oder „pluraler Linker“, die meinen, die „reine und friedliche Sache“, die im Fußballsport steckt, für sich entdeckt zu haben.
Im FA Cup zwischen FC Liverpool und Nottingham Forest am 15. April 1989 kam es zu einer Katastrophe, in deren Verlauf 96 Tote und über 700 Verletzte zu beklagen waren. Die sog. der „Hillsborough-Katastrophe“ von Sheffield“ ist der Anlass für einen Artikel im „Arbeiterkampf“ über den Fußballsport: „You'll never walk alone ...“
Dass die Fans beider Lager sich auf einen „Neuanfang“ besonnen hätten, ist auch aus der heutigen Sicht, immerhin 21 Jahre nach der Katastrophe, kaum nachvollziehbar. Mehr noch: Schwelgt die Zeitung doch über die englische „proletarische Geschichte des Balltretens“ und beginnt damit, völlig verunglückt, bestimmte Vereine in eine „rechte“ Ecke zu stellen, etwa wenn es heißt: „Celtic schlug im Cupfinale die rechten favorisierten Rangers“ (vgl. 26. Juni 1989).
Über den „nordirischen Fußball“ berichtet der „Arbeiterkampf“ in seiner Ausgabe 309 (vgl. 21. August 1989).
Im Artikel „Thatcherismus kontra Butcherismus“ aus dem „Arbeiterkampf“ Nr. 310, lasen die Minnesänger des „Idealbildes“ Fußball nun das heraus, was einige Autoren als „linken und rechten Fußball“ interpretieren. So meint man etwa:
„Die Gesinnung eines Spielers drückt sich nicht zuletzt in seiner Spielweise aus. Die leichtfüßigen Techniker sind zumeist liberale Individualisten oder gar noch fortschrittlicheren Zuschnitts, während die biederen, aber brutalen Eisenfüße eher im rechten Spektrum beheimatet sind …“
Oder: „Dass Fußballfunktionäre und Trainer derartige Treter (gemeint ist Terry Butcher, d. Vf.) auch noch für nützlich erachten und mit Vorliebe gegen die spielenden Leichtfüßler einsetzen, trägt mit dazu bei, dass das Spiel zusehends verkommt. Mancher mag sich noch an das böse Foul Klaus Augenthalers an Rudi Völler erinnern, das den Bayern letztlich die Meisterschaft brachte und bei dem Opfer einen nachhaltigen Karriereknick bewirkte …“
Wie im Artikel über den „nordirischen Fußball“, so wird man auch hier den Eindruck nicht los, dass der „Arbeiterkampf“ einem Fußball, dem man gerne gewillt ist, den Stempel des „politischen Sports“ schlechthin aufzudrücken, huldigt. Ob er Fragen nach der Zugehörigkeit eines Volkes oder Identität aufwirft, nach einem gesellschaftlichen Zustand, möglicherweise sogar in mystischer und religiöser Hinsicht überhöht wird, ist eine von vielen Ungereimtheiten, die sich mit ihm verbindet. Möglicherweise gehen alle diese Ideen bis in auf die alte Arbeitersportbewegung zurück, die mit ihr an einer verkürzten Emanzipationsidee strickte, die sich bisweilen bis heute gehalten haben dürfte (vgl. 18. September 1989).
Mit lokalpatriotischen Bekundungen und tribalistischer Leidenschaft wird auch dem „FC. St. Pauli“ gehuldigt. Ein Artikel aus dem „Arbeiterkampf“ lautet sogar „Klassenkampf auf St. Pauli.“- ohne Fragezeichen. Kommentiert wird ein Spiel zwischen dem FC St. Pauli und Bayern München. Die Geschwätzigkeit des Artikels gipfelt in der Aussage, dass es „Spaß macht zu St. Pauli zu gehen“. Dass selbst Äußerungen, die etwa in Hamburger linken Kreisen grassierten: Hier würde „Arbeit gegen Kapital“ spielen würde, nicht ausdrücklich widersprochen wird, erinnert daran, dass die Kicker auf dem Spielfeld scheinbar selbst von jenen Unwägbarkeiten eingeholt werden, für die sie einerseits nichts können (Herkunft) und andererseits von der Muse geküsst werden (nennen wir es: Glück, Schicksal oder „kapitalistischer Zufall“), wenn ihnen ein Ball vor die Füße fällt, den sie in ihrem Sinne „verarbeiten“. Heureka! (vgl. 13. November 1989).
Im weitesten Sinne wir vom „Arbeiterkampf“ Fußball als außerökonomische Instanz wahrgenommen. Fußball als angeblich „wesentlicher Bestandteil der Massenkultur“, lässt das „Gewaltungeheuer“ eigentlich ungeschoren davon kommen. Für die „unsichtbare Hand“, die auf dem Spielfeld regiert (auch „Arbeiterfaust Gottes“ in Anlehnung an Maradonas irreguläres Tor vom 22. Juni 1986 im Spiel gegen England) muss sogar Mao herhalten. In seiner Ausgabe Nr. 313 lautet der Artikel: „Von Mao lernen heißt siegen lernen. Gedanken zur Krise der Linken und des FC St. Pauli“ (vgl. 11. Dezember 1989).
Dem ideologischen „Gemeinwohl“ Fußball, widmet sich der „Arbeiterkampf“ auch in seiner Ausgabe 316: „Der „Taylor-Report“ oder: Über die Bewältigung einer Fußballkatastrophe mittels des Klassenkampfes.“
Auch hier obsiegen die absurde Behauptungen, die und wieder an die alten „politischen Mobilisierungen“ der Arbeiterklasse denken lassen: Der „Bourgeoisie geht es ihrerseits um totale kulturelle Hegemonie, um die Eroberung und Auflösung auch der letzten Reservate proletarischen Milieus. Dieses Milieu wird zwar niemals aus den Stadien völlig verschwinden, aber es soll zumindest an den Rand gedrängt werden, damit es nicht mehr länger das Image der Fußballkultur beeinflusst …“
Das eigentliche Erbe der Arbeiterbewegung setzt sich nun im „proletarischen Milieu“ auf den Rängen fort. Angesichts dieser politischen Rückständigkeit, ist dieser absurde Arbeiterkult, dem das Wort geredet wird, wie das Hoffen auf die staatlichen Rettungsmaßnahmen in der Krise (vgl. 5. März 1990).
Merkwürdig geht es auch weiter. Zum Sieg der Beckenbauer-Männer 1990 bei der WM (1:0 gegen Argentinien), spekuliert der „Arbeiterkampf“ in seiner Ausgabe 321, wieder einmal über jene „Linken“, die als „Linker“ dem alten ideologischen Legitimationsmuster verhaftet sind, das in die Sätze gekleidet wird:
„Hinzu kam aber auch, dass die englischen Spieler einfach sympathischer waren (Terry Butcher ausgenommen...) als die deutschen „Sympathieträger“. Während meiner Zeit in Nordirland hatte ich genügend Gelegenheit gehabt, die Barnes, Waddles und Gascoignes per TV und Sportzeitung kennenzulernen. Womit wir zu der bewegenden Frage kommen, wie man als Linker seine Sympathien in Sachen Fußball bestimmen und verteilen sollte. Auf keinen Fall nach biologistischen Kriterien: „Weil ich ein Deutscher bin, sympathisiere ich mit der deutschen Elf. Auch wenn ich links bin, während diese und die sie unterstützenden Kräfte im Lager meiner politischen Gegner anzusiedeln sind.“
Was ist hier eher bewundernswerter: Die „neutrale“ Sicht des Anthropologen, oder der trügerische Schein, der dieses „sportliche Vergnügen“ aus der Sicht des Leidens eines „Linken“ bei der Bewertung eines Fußballspiels zu beschreiben versucht? (vgl. 20. August 1990).
Dass St. Pauli vom „Arbeiterkampf“ stets hofier wurde, mag auch daran gelegen haben, dass das „soziale Umfeld“ des Vereins für ihn schon fast als Religionsansatz verstanden wurde. Man verteidigt ihn schon schwärmerisch, vor allem dann, wenn es gegen die „Großen“ geht, als sei es eine humanistische Angelegenheit, die schmackhaft gemacht werden müsse. Auf der stets wachsenden Profitleiter der Bundesligavereine mit ihren Geldbeschaffungsmaschinen, ist der „familiäre Charakter“ des Vereins doch ein anderer! So heißt es im „Arbeiterkampf“ Nr. 336: „Kein Fußbreit den Faschisten“:
„Für viele Fußballfans, genauer gesagt für Fans aus dem linken und alternativen Spektrum, war und ist der FC St. Pauli auch über Hamburg hinaus etwas anderes als andere Vereine im bezahlten Fußball der BRD …“
Eine solche Bestimmung des Fußballsports ist nicht inhaltsfrei. Die Maxime kann nur lauten: Eine leere Formel ist bei Linken sehr beliebt. Wenn sie dann noch als bloß subjektive Bestimmung am Horizont erscheint und empirisch „belegt“, dass die linken „Aktionssubjekte“ selbstverständlich und von Grund auf einen „etwas andern Verein“ fördern (indem sie zu seinen Fußballspielen gehen), dann ist es nicht mehr weit zu einem selbstgestrickten Mythos, der die einen anhimmelt und die anderen verteufelt (vgl. 18. November 1991).
Die Fußballeuropameisterschaft von 1992 lässt die anachronistischen gewordenen Frühformen der Arbeitersportbewegung wieder aufleben. Auch dort ist ja dem „kapitalistischen Sport“ die linke „proletarische Klassenwirklichkeit“ gegenübergestellt worden, die dem „rechten bürgerlichen Sport“ den „geistigen Klassenkampf“ und damit die Verwirklichung der Idee des Sport als „Klassenbegegnung“ mit der Unterscheidung von „links“ und „rechts“, gegenüberstellte.
In seiner Ausgabe 344, lässt der „Arbeiterkampf“ den Sieg der Dänen mit den Worten Revue passieren: „Die von Luis Cesar Menotti, dem Trainer der argentinischen Weltmeistermannschaft von 1978, geprägte Gegenüberstellung von „linkem“ und „rechtem“ Fußball gilt hier insoweit, als die deutsche Niederlage eine Niederlage des „rechten“ Fußballs ist, den Menotti als „Domestizierung eines wilden, kreativen Spieltriebs durch eine buchhalterische Input-Output-Logik“ definiert …“
Und: Sport, „vor allem Fußball (ist) als Massensport Nr. 1, die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln …“
In diese Konzeptionen passen die Ideologien des „Kampffeldes“ (Arbeiterklasse gegen Bourgeoisie) bestens hinein. Doch diese Neutheoretisierung verweigert sich allen Realitätsbezügen, die in diesem Geschäft vorherrschen. Die willkürliche Feststellung über irgendwelche Festlegungen von „linkem“ (und) „rechten Fußball“, „linken Spielern (und) Trainern“, ist nur zu offensichtlicher Unsinn. Da hier mit einer „Politisierung“ des Fußballs kokettiert wird, verheddert man sich stets in den Wortspielereien- und Äußerungen irgendwelcher Trainer oder Fußballer. Dass man die „politische Emanzipation“ auf dem Fußballfeld „abwählen“ kann (in ein „rechtes“ oder „linkes“ Verständnis“), muss unplausibel bleiben und wirkt mehr und mehr als fußballerischer Ballast (vgl. 1. Juli 1992; 22. September 1992; 9. April 1998; 19. Mai 2006; 16. Juni 2006; 20. April 2007; 20. Juni 2008).
Erwähnenswert erscheinen dann doch noch die Äußerungen etwa über „Ente“ Lippens oder „Manni“ Burgsmüller, deren Spielweise sogar mit einer „gewissen proletarischen Ungezogenheit“ verglichen wird. Diese Überhöhungen setzen sich fort, wenn etwa über Johann Cruyff, Platini oder Netzer reflektiert wird. Zugegebenermaßen setzt sich der „AK“ mit seinen Artikeln über Jürgens Klinsmann selbst die Krone der modernen Volkstümelei auf. Im „AK“ wird er sogar mit Gramsci schnell zu einem „Intellektuellen“ und „Reformer“ gemacht, der ein „neoliberales Weltbild“ vertreten würde. „Seine „Geschichte“ lässt sogar Aussagen über „die Reformfähigkeit Deutschlands“ zu (vgl. 19. Mai 2006; 20. Juni 2008).
Zur Propaganda der K-Gruppen gegen die chilenische Junta während der WM 1974, siehe Teil I der Arbeit. Insgesamt soll auf die Artikelreihe von Jürgen Schröder (vgl. etwa Jürgen Schröder: Linkliste zu Chile) verwiesen werden.
20.03.1974:
In der „Kommunistischen Volkszeitung“ des KBW Nr. 6/1974 erscheint der Artikel: „Gespräch zweier Kollegen. Deutschland braucht Netzer.“
Ausgeführt wird: „Bei Stotz-Kontakt (BBC- Konzern) werden gegenwärtig reihenweise Kollegen entlassen, obwohl das Arbeitsamt Massenentlassungen nicht genehmigt hat. Der „Kommentar“, die Betriebszeitung des KBW deckt das Vorgehen der BBC-Kapitalisten auf.
Kollege A: „Mensch, hast Du schon den Kommentar gelesen, die haben wieder an die 50 rausgeworfen!“
Kollege B: „Lass mich, ich lese gerade meine Bildzeitung.“
Kollege A: „Ich glaube, du bist beknackt, meinste da drin steht was über unsere rausgeworfenen Kollegen? Lies doch mal lieber, wie die über die Tarifrunde herziehen- und wie die damals die Kollegen beim ÖTV-Streik runtergemacht haben!“
Kollege B: „Ach was, lies doch mal: Deutschland braucht Netzer!“ Das ist doch interessant.“
Kollege A: „Bei dir piept es wirklich. Deutschland braucht Netzer- Ha aber ich brauche meinen Arbeitsplatz. Zeig mit doch mal. Ob darüber was drin steht. Und wenn ja, dann lies mal, wie die über uns Arbeiter hetzen: „Wir zeigen klein Stabilitätsbewusstsein usw. Die spinnen doch. Wir brauchen mindestens meine 15%, wenn die schon 1, 50 DM weggewischt haben. Meinste über die lächerlichen 11% schreiben die was dagegen? Nee, wohl nicht. Die schreiben nur, was fürn guten Abschluss das wäre für uns Arbeitnehmer. Die haben mit Absicht Arbeitnehmer und Arbeitgeber verwechselt. Für die Arbeitgeber ist das nämlich ein guter Abschluss, für uns ist der Abschluss beschissen.“
Kollege B: „Eigentlich hast Du Recht, die wollen uns wirklich zu blöden Affen machen - Sagt dies und nahm die Bildzeitung und warf sie in den Papierkorb.“
Q: Kommunistische Volkszeitung Nr. 6/1974.
29.05.1974:
In der „Kommunistischen Volkszeitung“ Nr. 11/1974 des KBW erscheint ein Artikel zur Fußballweltmeisterschaft.
Ausgeführt wird u. a.: „Die Gewinner stehen schon fest.“ „Dass Fußball in einem kapitalistischen Land wenig mit freundschaftlichem Wettbewerb und Körperertüchtigung zu tun hat, ist spätestens sei den Bundesligaskandalen Allgemeingut. Wie überall im Kapitalismus geht es hier in der Hauptsache um Geld, um Profit. Sowohl was die Vereine, als auch die einzelnen Spieler angeht. Es versteht sich daher von selbst, dass im Zeichen der Fußball-Weltmeisterschaft in dieser Branche Hochkonjunktur herrscht.
Noch bevor der Weltmeistertitel am 7. Juli dieses Jahres vergeben wird, stehen die eigentlichen Sieger bereits fest: Dazu gehören in jedem Fall die 22 Mitglieder des deutschen Weltmeisterschaftskaders, deren zusätzliches Einkommen durch Werbeverträge in diesem Jahr auf ca. 3 Millionen DM geschätzt wird.
Robert Schwan, Manager von Bayern München, nannte einige konkrete Zahlen. So liegen die Einnahmen der Spieler pro Werbevertrag zwischen 10.000 und 100.000 DM – je nach Gefragtheit der Spieler. Gefragt sind solche Leute wie Franz Beckenbauer, Günther Netzer oder Gerd Müller. Mit einigem Abstand folgen Uli Hoeness, Sepp Maier, Wolfang Overath, Horst Höttges, Paul Breitner und Erwin Kremers.
So erklärte denn Sepp Maier, was so ziemlich alle Spieler denken: „Ich wäre ja dumm, wenn ich meine Marktchancen nicht nutzen würde, und nach dem Gesichtspunkt mache ich dann auch die Werbung, und da gehe ich nach dem Kriterien: „Was kommt, das nehme ich einfach.“ Neben der Werbung schreiben sich die Spieler mit Blanko-Autogrammen heute schon die Finger wund. Später werden die Autogramme irgendwelchen Büchern über die Fußball-Weltmeisterschaft beigefügt. Natürlich bekommen die Spieler auch dafür Geld. Hinzu kommt, dass jeder Spieler von der Firma Adidas zwischen 10.000 und 15.000 DM erhält, nur weil er ihre Fußballschuhe beim Spiel tragen muss. Denn Adidas hat einen Exklusivvertrag mit dem Deutschen Fußball-Bund, der vorschreibt, dass sämtliche Nationalmannschaften mit Schuhen, Trainingsanzügen und sonstigem Zubehör von Adidas ausgerüstet werden. Spieler, denen die Schuhe von anderen Marken mehr zusagen (wegen der höheren Geldbeträge), haben von vornherein keine Chance in den Weltmeisterschaftskader aufgenommen zu werden.
Und wo die Spieler so kräftig hinlangen, da will der Trainer natürlich nicht abseits stehen. Helmut Schön macht z. B. Werbung für Fertighäuser von Neckermann. Sicherlich nicht nur aus reiner Freundschaft zu Pferdesportler-Neckermann. Auch die Vereine der Spieler sahnen natürlich ab. Je mehr Spieler des Vereins im Weltmeisterschafts-Kader, desto höher die Beiträge. Erst im vergangenen Jahr hat der Deutsche Fußballbund den 18 Bundesligavereinen die Trikotwerbung erlaubt, vorausgesetzt, der Schriftzug ist maximal 25 cm breit und 10 cm hoch. Der HSV wirbt so für „Campari“, der MSV Duisburg für „Brian Scott“. Fortuna Düsseldorf für den „Allkauf“ und Bayern München für „Adidas“.
Hinzu kommen die Einnahmen der Vereine an der Stadion-Bandenwerbung, die jährlich zweistellige Millionenbeiträge ausmachen. Am meisten wird indes der Deutsche Fußball-Bund selbst einsacken und an der Weltmeisterschaft verdienen. Viele Firmen wollen mit dem offiziellen Emblem der Weltmeisterschaft - ein stilisierter rollender Fußball – und den Maskottchen „Tip und Tap“ ihren Umsatz ankurbeln. Etwa 200 Firmen werden für die Embleme Gebühren zahlen. Und die sind nicht gerade gering. Die einzelnen Unternehmen entrichten Stücklizenzen in Höhe von 1,5 bis 15$. Weiterhin wird bei Vertragsabschluss eine Mindestlizenzgebühr von 20.000 DM fällig, die mit den anfallen Stücklizenzen in voller Höhe verrechnet wird. Die Lizenznehmer müssen ferner eine Vertragsgarantie geben, die pro Vertrag zwischen 30.000 und 100.000 DM liegen soll. Alles in allem soll die Lizenzvergabe dem Deutschen Fußballbund etwa 12 Millionen DM einbringen. Dazu kommen etwa 20 Millionen DM aus der Stadien-Bandenwerbung, die Fernsehrechte bringen 18 Millionen DM, die Eintrittskarten zwischen 25 und 30 Millionen DM. Hinzu kommen aus der Glücksspirale und dem Verkauf von Weltmeisterschaftsbüchern und - Schallplatten weitere 10 Millionen DM. Der Deutsche Fußballbund erhofft sich nach Abzug aller Kosten einen Reingewinn von ca. 19 Millionen DM.
Damit aber nicht genug. Auch weniger sportliche Kapitalisten werden an der Weltmeisterschaft ihren Profit machen. So z. B. die Bauunternehmer samt Vorlieferanten, die 250 Millionen DM Steuergelder für den Stadienausbau einnehmen werden. Dazu kommen die Buchverlage, die Schallplattenfirmen, die Fernsehhersteller, die Sportartikelhersteller usw. usf. Noch bevor also das erste Tor fallen wird, ist für die eigentlichen Nutznießer der Weltmeisterschaft, die Spieler, die Vereine, den Deutschen Fußballbund und die verschiedenen Kapitalisten das Spiel schon gelaufen. Sie alle werden um einige Millionen reicher sein. Dem Volke hingegen wird man weismachen wollen, es ginge um die Ehre der Nation und sportlichen Wettkampf, alles nach dem Moto: „Dabei sein ist alles.“ Wie wahr! Dabei sein beim großen Geldscheffeln ist, wirklich alles, was diese Leute im Sinn haben.“
Q: Kommunistische Volkszeitung Nr. 11/1974.
Juni 1974:
Vermutlich erscheint in der „Rote Fahne“ des KABD Nr. 6/1974 ein Artikel zur Fußballweltmeisterschaft: „Elitekicker haben ausgesorgt.“ Es ist nicht eindeutig, ob der Artikel aus dem „Roten Signal“ von der „Roten Fahne“ übernommen wurde. Eher umgekehrt. Selbst Helmut Schön sieht das, was die WM so mit sich bringt, nämlich das große Geld nicht ungern“.
Q: Rote Fahne (KABD) Nr. 6/1974.
12.06.1974:
In der „Kommunistischen Volkszeitung“ des KBW N. 12/1974 erscheint der Artikel: „Staatsschutzmanöver zur Weltmeisterschaft.“
Ausgeführt wird: „Während der Fußballweltmeisterschaft werden 40.000 Polizisten Tag und Nacht im Einsatz sein. Die Polizei und die Regierung nutzen die Gelegenheit, um ein Manöver gigantischen Ausmaßes zur Kontrolle und Überwachung der westdeutschen Bevölkerung abzuziehen. Ihr offizieller Auftrag ist die Bewachung der Spieler und die Sicherung der Veranstaltungen gegen Anschläge, Spezialaufträge nehmen dabei die sogenannten Mobilen Einsatzkommandos der Länder und des Bundesgrenzschutzes aus Hangelar wahr. Im Einzelnen riegeln sie die Unterkünfte der Spieler hermetisch ab, die ohnehin schon von Stacheldrahtverhauen umgeben sind. In einem Fall, bei den chilenischen Spielern nämlich, haben sie diese Frage so gelöst, dass die Spieler gleich in der Polizeischule in Westberlin untergebracht werden.
Währen der Spiele sollen Polizeihubschrauber über den Stadien kreisen, mit Fernsehaugen ausgestattet, die die Zuschauerränge nach verdächtigen Erscheinungen ableuchten. Sie probieren die totale Überwachung großer Ansammlungen von Menschen mit den modernsten Mitteln aus. Polizeiüberwachung wird dann vor den Kabinen der Spieler stehen und um das Spielfeld herum werden ständig Polizeistreifen mit Schäferhunden patrouillieren, zusätzlich zu den 400 Mann, die um das Spielfeld aufgestellt sind.
Auch unter den Zuschauern werden nach einem genau ausgearbeiteten Plan 6.000 Polizisten sitzen, und die Fahrten der Mannschaften von und zu den Stadien erfolgen unter Polizeischutz. Selbstverständlich wird auch der An- und Abmarsch der Zuschauer nicht nur von der Verkehrspolizei geregelt, sondern von einem riesigen Aufgebot scharf überwacht.
Im Gegensatz zu den Olympischen Spielen 1972, tritt die Polizei dieses mal in Uniform an. Die Volksmassen sollen an den Aufmarsch und die Gegenwart der Polizei gewöhnt werden. Die „heiteren Spiele“ sind nicht mehr möglich. Die Politik der Klassenversöhnung ist gescheitert, das Erscheinungsbild einer friedlichen und ausgeglichenen Gesellschaft ist für die Bourgeoisiepolitik nicht mehr zu halten.
Die Fußballweltmeisterschaften sind eine günstige Gelegenheit für die westdeutsche Bourgeoisie, um ihren hochgerüsteten Polizeiapparat vor aller Welt zur Schau zu stellen. Die Polizei wird allgegenwärtig sein. Bezahlt mit Steuergeldern der Lohnabhängigen, demonstriert so der Staat und die Regierung ihre Macht, um die Arbeiterklasse und das Volk abzuschrecken und einzuschüchtern. Das Volk soll kuschen, wenn die Polizei aufzieht.
Mit der Fußballweltmeisterschaft machen die Kapitalisten also nicht nur ein dickes Geschäft, sondern sie nutzen sie, um ihre Macht über die Arbeiterklasse und das Volk zu demonstrieren und für ihren Staats- und Regierungsapparat Reklame zu machen. Am meisten Reklame wollen freilich die Politiker der Regierung und der Opposition für sich machen, wenn sie sich auf ihren Gratisplätzen in den Stadien und von den Fußballstars umgeben vor den Fernsehkameras zur Schau stellen. Sie haben die Polizeibewachung am meisten nötig.“
Q: Kommunistische Volkszeitung Nr. 12/1974, S. 1ff.
15.06.1974:
Im „Roten Morgen“ Nr. 24/1974 vom 15. Juni erscheint der Leitartikel: „Das Leder rollt fürs Kapital!“
Ausgeführt wird: „Rummel um die Fußballweltmeisterschaft wird in diesen Tagen in der bürgerlichen Presse, in Rundfunk und Fernsehen großgeschrieben. Sportlicher Wettkampf dagegen kleiner denn je. „Deutschland, Deutschland über alles und vor allen anderen auf Platz 1“- dieser Hurra-Patriotismus, von dem die letzte Bild am Sonntag vor Beginn der Fußballweltmeisterschaft triefte, ist es, der das Bild der Fußballweltmeisterschaft bestimmt. Mit allem, was dazu gehört. Millionen und Abermillionen für Stadien, die ausschließlich für den allerhöchsten Profitfußball gebaut werden; chauvinistischer Hetze in der Presse, die den Fußballfreunden einhämmert, dass bei der ganzen Fußballweltmeisterschaft nur eines zählt: gewinnen um jeden Preis. Und nicht zuletzt ein Riesenaufgebot von Polizei, Bundesgrenzschutz und Bundeswehr, wie schon bei der Olympiade 1972 in München und Kiel.
60.000 DM zahlt die Bourgeoisie über den DFB den Fußballstars für den Gewinn des WM-Titels. Für diese Summe muss ein Arbeiter 4 Jahre arbeiten. 250 Millionen werden allein für den Neu- oder Umbau von Fußballstadien zum Fenster hinausgeworfen. Das sind tausende von Sportplätzen für die werktätige Jugend. Das sind etliche Schulen und Krankenhäuser.
Aber diese Sorgen der Werktätigen sind der Bourgeoisie egal. Im Gegenteil, gerade weil es mit der wirtschaftlichen Lage bergab geht, gerade weil sich die Klassenwidersprüche verschärfen, steckt sie Millionen über Millionen in die Fußballweltmeisterschaft. Wenigstens für drei Wochen soll dieser Rummel die Arbeiter von den Problemen ablenken, die ihnen auf den Nägeln brennen. Drei Wochen lang soll es nach dem Willen der Bourgeoisie anstelle von Kapitalisten, die mit Kurzarbeit und Entlassungen drohen, anstelle von einer Regierung, die die Steuern erhöht und die politische Unterdrückung verschärft, anstelle von DGB-Bonzen, die die Arbeiter zusammen mit den Kapitalisten bekämpfen, eine große Familie der Fußballfreunde geben. Die ganze Bevölkerung soll für den Sieg Deutschlands – vorerst noch beim Fußball – antreten.
Die Bourgeoisie hat sich gewaltig angestrengt, um vor der Welt und ihren imperialistischen Häuptern zu protzen. Aber neben den roten Teppichen für die hohen Gäste und hinter den Zäunen für die Quartiere der Fußballmannschaften hört das schöne Bild schlagartig auf. Da bestimmen Polizisten, Bundesgrenzschutz und Bundeswehr das Bild. Jeder, der mit dem Auto zum Stadion fährt, muss sich darauf gefasst machen, von der Polizei kontrolliert zu werden. An den Eingängen zu den Stadien werden Stichkontrollen durchgeführt. Jeder, der in diesen Tagen mit gewölbten Taschen durch die Straßen oder gar in ein Stadion geht, ist in den Augen der Polizei ein potentieller Attentäter.
Polizeiminister Weyer von NRW, gerade rechtzeitig zur Fußballweltmeisterschaft zum Vorsitzenden des DFB aufgerückt, hat angekündigt, dass Demonstrationen und Beleidigungen von Staatsoberhäuptern in dieser Zeit nicht geduldet werden … Das ist nicht das Bild eines Landes, das Gäste zum freundschaftlichen sportlichen Wettkampf empfängt, das ist das Bild eines Polizeistaates. Mit dem Fußball als Aushängeschild wird hier in einem großangelegten Manöver die Faschisierung vorangetrieben, soll sich die werktätige Bevölkerung an faschistische Zustände gewöhnen.“
Q: Roter Morgen Nr. 24/1974, S. 1.
22.06.1974:
Im „Roten Morgen“ Nr. 25/1974 vom 22. Juni erscheint der Artikel: „Fußballweltmeisterschaft. Die glauben noch, die Bundesrepublik wäre ein Polizeistaat.“
Danach finden während der Weltmeisterschaft „Verhaftung, Festnahmen und Abschiebungen“ statt. In Hamburg hätten „rund 120 Polizisten nachts ein „Wohnhaus gestürmt“ und „schießen, als ein Bewohner erschrocken die Tür zuschlägt, durch die geschlossene Tür. Pressebilder, auf denen im Hintergrund trainierende Fußballstars, aber im Vordergrund Polizisten mit umgehängten Schnellfeuergewehren zu sehen sind. Zuschauer, die sich ein Spiel der WM ansehen wollen, müssen vor Betreten des Stadions die Hände hochnehmen und sich wie Schwerverbrecher durchsuchen lassen … Hier geht es nur vordergründig um die Fußballweltmeisterschaft. Hier soll die Begeisterung der werktätigen Menschen für den Fußballsport ausgenützt werden, um die Faschisierung des Staatsapparates voranzutreiben, durch die die Kapitalistenklasse ihre Sicherheit und ihre Ausbeuter- und Unterdrückungsordnung aufrecht erhalten will. Sie trommeln, es ginge um den Sport, den wir alle lieben, um in Wirklichkeit zu versuchen, die Werktätigen an allerdings polizeistaatliche Zustände zu gewöhnen … Es ist illusionär zu glauben, nach 3 Wochen WM sei alles vorbei. Mit der Verschärfung der Klassenkämpfe, mit dem Anwachsen der revolutionären Bewegung verschärft die Bourgeoisie ihre Faschisierungsmaßnahmen, um durch die Errichtung einer offenen terroristischen, faschistischen Diktatur ihre Herrschaft vor der proletarischen Revolution zu retten …“
Q: Roter Morgen Nr. 25/1974,S. 8.
29.06.1974:
Im „Roten Morgen“ Nr. 26/1974 vom 29. Juni, erscheint der Artikel: „Fußballweltmeisterschaft - UZ jubelt mit.“
Ausgeführt wird: „Bei der WM geht es jetzt um die Wurst, Bundesrepublik will Torkonto erhöhen, Zur Zeit keine Verletzungssorgen, Stimmung bei BRD-Team angeknackst.“ Das sind nicht etwa Schlagzeilen von Sportzeitungen, sondern Meldungen aus der revisionistischen Zeitung UZ, der DKP …
Über die Funktion dieser Weltmeisterschaft, über die Rolle des Sports im Kapitalismus, sucht man in der UZ vergebens. Kein Wort über die Polizeieinsätze im Zusammenhang mit dieser Fußballshow. Kein Wort über die Verhaftungen von Palästinensern, kein Wort darüber, wie dem deutschen Volk das Geld aus der Tasche gezogen wird, damit die Kapitalisten mit dieser Weltmeisterschaft ihre Profite machen können. Stattdessen spaltenlange Berichte, wer wann wie welche Tore gegen wen geschossen hat. Großaufnahmen der Stars und hautnahe Reportagen über das Wohlbefinden der Herren Kicker.“
Q: Roter Morgen Nr. 26/1974, S. 4.
10.07.1974:
Die „Kommunistischen Volkszeitung“ des KBW Nr. 14/1974 erscheint. Sie enthält auch einen „Leserbrief“ zur „Fußballweltmeisterschaft“, in der die Qualität der Artikel kritisiert wird.
Dazu schreibt ein Genosse aus Heidelberg, dass einige Aussagen nicht stimmig sind. So: „1. Dass die Spiele, bei denen es um nichts geht, die besten Spiele sind und 2. Dass deswegen das Spiel BRD/DDR „in der ersten Halbzeit eines der besten Spiele der gesamten Weltmeisterschaft gewesen ist“, und dass es erst durch das Tor in der DDR (13 Minuten vor Spielschluss) um etwas gegangen sei.
Die erste Aussage stimmt nicht: Wie viele Freundschaftsspiele zum Beispiel hat man schon gesehen, wo es weder um riesige Prämien, noch um Punkte ging und nicht einmal ums nationale Prestige, und sie waren langweilig und fad, trotz beteiligter ausgezeichneter Mannschaften. Fußball ist ein Kampfspiel, es geht um Sieg oder Niederlage über das Weiterkommen in der Runde entscheiden, dann heißt das keineswegs mit Notwendigkeit, dass die Spiele schlecht sein müssen … Auch das packende Spiel der BRD-Mannschaft gegen Schweden widerlegt diese Feststellung.
Zweites: Dass es im Spiel BRD/DDR (das überhaupt nicht eines der besten der Weltmeisterschaft war) am Anfang um gar nichts ging, stimmt auch nicht. Oder stand das Prestige erst mit dem Torrückstand auf dem Spiel, wurde vorher nicht ums Prestige gespielt … Die ganzen Überlegungen über die taktische Einstellung der Mannschaften, das Kalkül der Trainer usw. die G. S. anstellt, sind in Ordnung. Aber die Massen, die die Fußballspiele schließlich auch ansehen, ärgern sich, wenn sie solche Aussagen wie die kritisierten lesen. Zu Recht. Denn dadurch wird ein guter Artikel abgewertet, der viele zum Nachdenken über die Weltmeisterschaft, den Fußballsport und den Sport überhaupt bringen könnte.
Q: Kommunistische Volkszeitung Nr. 14/1974.
01.07.1974:
Laut „Rote Fahne“ der KPD Nr. 28/1974 vom 10.7., sei es bei der Fußballweltmeisterschaft nicht um Sport gegangen, sondern um „ein Schauspiel im Dienste des Kapitalismus“.
Q: Rote Fahne Nr. 28, Dortmund 10.7.1974.
13.07.1974:
Im „Roten Morgen“ Nr. 28/1974 vom 13. Juli, erscheint der Artikel: „Sie haben die Sportbegeisterung missbraucht“, wird ausgeführt:
„Zwei Tore von Breitner und Müller haben den Sieg gebracht. Millionen haben sich über diesen Sieg gefreut, gejubelt und vorher gebebt. Die meisten von ihnen haben dieses Spiel als Wettkampf zwischen Mannschaften zweier Völker angesehen und haben ihrer Mannschaft den Daumen gedrückt. Sie haben sich ehrlich über die Leistungen in der zweiten Halbzeit gefreut und sich über das Absinken in der zweiten geärgert. Und wenn die Holländer gewonnen hätten, dann wäre das auch nicht so schlimm für sie gewesen.
Aber es gab auch andere. Sie haben die Sportbegeisterung der Mehrheit des Volkes ausgenutzt, für ihre Zwecke, das Volk noch mehr zu unterdrücken, die Klassengegensätze zu verwischen und einen chauvinistischen Nationalismus anzuheizen. Es fängt damit an, dass sie den Fußballsport zu einer Geschäftemacherei von bezahlten Profis deformieren wollen und es gerade auch beim Spitzenfußball getan haben. Es geht damit weiter, dass die Bildzeitung mit ihrer „Deutschland, Deutschland, über alles“-Parole versucht, aus dem natürlichen Daumendrücken für die Mannschaft des eigenen Landes etwas ganz anderes zu machen, nämlich andere Völker als „Gegner den man kaputtschlagen muss“ hinzustellen, um vom wirklichen Gegner der arbeitenden Bevölkerung - der Kapitalistenklasse - abzulenken.
Auch soll damit ein falsches Bewusstsein der Hochmütigkeit gegenüber anderen Nationen gezüchtet werden, um die Freundschaft der Völker zu unterhöhlen, und um dem proletarischen Internationalismus entgegenzuwirken. Wenn die hohen Herren von Schmidt bis Kissinger sich ins Stadion begeben, dann doch nicht aus wirklichem Interesse am Spiel. Das hat einmal den Grund, so zu tun, als stünde der Fußballsport über den Klassen, und als säßen sie und wir wenigstens in diesem Falle alle ein einem Boot. Doch das tun wir nie, auch nicht in diesem Fall. Wir wollen einen fairen und freundschaftlichen Wettkampf zweier Völker. Sie wollen die Show, den Sieg um jeden Preis, um auch über den Umweg „Fußball“ dem imperialistischen Deutschland wieder Rang und Namen zu verschaffen. Sie würden das gerne sehen, wenn wir über dem Fußball den Klassenkampf vergessen würden nach dem Motto: Gebt den Proleten Brot und Spiele, dann halten sie schon ruhig. Doch eines ist sicher: Auch wenn ihre verzweifelten Versuche, die Arbeiterklasse vom Kampf um ihre Interessen abzulenken heute noch teilweise Erfolg haben, sind sie gewiss zum Scheitern verurteilt. Denn so, wie schon damals die Rechnung der römischen Kaiser nicht aufging, geht auch ihre nicht auf. Ihre mächtigen Polizeiaufgebote zeigen deutlich ihre große Angst vor dem Volk - ihre berechtigte Angst.“
In einer Rubrik heißt es: „DDR-Fußballer- Autogramme für die Polizei.“ „Während am 24.6. ca. 20 Genossen nach der Beerdigung des Genossen Günter Routhier im Düsseldorfer Gefängnis in Haft gehalten wurden, hielt der Bus mit der DDR-Fußballmannschaft vor der Einfahrt zum Gefängnis. Die Stars hüpften heraus und verteilten Autogramme an die Polizisten.“
Q: Roter Morgen Nr. 28/1974, S. 1f. und 4.
August 1974:
Der KB/Gruppe Kiel gibt die Nr. 4 seines „Metallers“ heraus. Mit dem Fußball der Männer befasst sich die Nachlese zur Fußball-WM.
Q: Metaller Nr. 4, Kiel August 1974, S.19f.
23.04.1975:
Die „Kämpfende Jugend“ Nr. 8/1975 vom 23.4., berichtet von einem Fußballspiel zwischen 1.FC Birsteiner gegen KJV Frankfurt.
Zum 1 FC Birsteiner meint der KJV in seiner Zeitung: Er sei „eine Schoppenmannschaft, also eine Mannschaft, die sich beim Bier trifft, und unabhängig von einem bürgerlichen Sportverein jedes Wochenende mit ähnlichen Mannschaften spielt … Mit einem Handzettel luden wir die Werktätigen von Fechenheim zu dem Spiel und zum anschließenden Beisammensein ein: Wir sagten, warum wir auch im Sport eine revolutionäre Linie verfolgen müssen: Im Kapitalismus spiegelt der Sport wider, was das ganze System auszeichnet: Geschäftemacherei, Leistungsdruck und Konkurrenz. Dem stellen wir entgegen: Den Sport, bei dem Freizeitvergnügen und körperliche Ertüchtigung eins sind mit Solidarität und Kollektivität, Freundschaft und gemeinsame Lernen.
Nach dem Spiel werden wir uns zusammensetzen und diskutieren: Dabei wird neben den Erfahrungen aus dem Spiel auch die Situation im Stadtteil, Arbeitslosigkeit, politische Unterdrückung etc. eine Rolle spielen … Nach dem Spiel setzten wir uns noch ein paar Stunden im Vereinslokal zusammen, tanken ein Paar Stiefel Bier und unterhielten uns. Dabei kam unser disziplinierter und ruhiger Spielstil, was den anderen gerade bei unserer Unterlegenheit aufgefallen war, ebenso zur Sprache wie was wir außer Fußball sonst noch machen. Dabei stand Arbeitslosigkeit und Bundeswehr an erster Stelle …“
Q: Kämpfende Jungend Nr. 8/1975, S. 8.
18.10.1975:
Im „Roten Morgen“ Nr. 42/1975 vom 18. Oktober, erscheint der Artikel: „F.C. Meineid – Schalke 04.
Danach habe am 5. Juni 1971, „am Montag nach dem letzten Spieltag der laufenden Saison der Bundesliga“ der Offenbacher Vereinspräsident Canellas, „den größten bis dahin bekanntgewordenen Bestechungsskandal in der Bundesliga“ aufgedeckt. „Heute, vier Jahre danach, stehen deswegen Siebert, Vereinspräsident von Schalke 04, der Schatzmeister des Vereins und acht Spieler der damaligen Mannschaft, darunter solche bekannten Spieler wie Libuda, Fischer und andere vor Gericht. Die Anklage lautet auf Meineid-Bestechung im Sport ist nicht strafbar - aber der Prozess eine einzige Farce.“
„Worum geht es? Am 17. April kauft Arminia Bielefeld mit 40.000 DM das Spiel gegen Schalke. Schalke verliert als haushoher Favorit auf eigenem Platz 1:0. Als dies durch Canellas ans Tageslicht kommt, meldet sich auch ein ehemaliger Spieler von Bielefeld zu Wort und behauptet, der Spieler Slomiany habe die 40.000 DM den Schalkern überbracht. Vor Gericht schwören acht Schalker Spieler, dass das gelogen ist. Schalke verklagt den ehemaligen Spieler von Bielefeld. Kurz darauf meldet sich Slomiany zu Wort und nimmt alle Schuld auf sich. Die 40.000 DM habe er zwar erhalten-aber nicht weitergegeben. Für diese Aussage soll Schalke 150.000 DM auf den Tisch gelegt haben, wie selbst die bürgerliche Presse damals schrieb. Jedenfalls, nach dieser Aussage zieht Schalke seine Klage gegen den Bielefelder Spieler zurück, was einer eindeutigen Schulderklärung gleichkommt. Der DFB sperrt Libuda und andere auf Lebenszeit. Das Ermittlungsverfahren gegen Schalke wird eröffnet. Selbst die „Süddeutsche Zeitung“ muss zugeben, dass diese Tatsache so recht von niemandem bestritten werden.
Inzwischen ist der Bestechungsskandal „vergeben und vergessen“, die gesperrten Spieler spielen alle wieder. Für den Prozess engagierte sich Schalke eine Riege von prominenten Verteidigern, angeführt von dem berüchtigten Schmidt-Leichner, der seine Berühmtheit dadurch erlangte, dass er im Auschwitz-Prozess und ähnlichen Prozessen die faschistischen Mörder verteidigte.
Schmidt-Leichner hat, auf die Popularität der Spieler bauend, bisher durch eine Reihe von offensichtlichen Tricks, Befangenheitsanträge usw., die eigentliche Eröffnung des Prozesses verhindert. Und der Richter erklärte gleich zu Anfang, er sei auch mal Schalke-Anhänger gewesen und natürlich gehe es hier nicht um einen Prozess gegen Schalke. Ohne Einspruch des Richters kann Schmidt-Leichner es sich sogar erlauben, sich zu weigern, als Anwalt am Prozess teilzunehmen, aber als Zuschauer dabei zu sein.
Die bürgerliche Presse spricht von „absurdem Theater“ und schämt sich nicht, diese Posse zynisch mit dem Kampf der Rechtsanwälte und der Angeklagten im Stuttgarter Prozess gegen die RAF zu vergleichen. Schalke 04, der Drahtzieher Siebert und die Spieler werden entweder ganz oder billig davonkommen. Natürlich ist Schalke kein Einzelfall, das ist allgemein bekannt. Aber in der Fußball-Bundesliga geht es in erster Linie auch nicht um den Sport, sondern um das Geschäft. Schon längst gilt hier, wie im gesamten Sportbetrieb der kapitalistischen und revisionistischen Länder, das Wolfsgesetz des Kapitalismus. Dazu gehört nicht nur die Korruption und Bestechung, sondern auch die ungeheure Brutalität, mit der z. B. auf den Fußballfeldern jedes Wochenende rücksichtslos Dutzende von jungen Spielern ernsthaft verletzt werden. Erst Freundschaft, dann Wettbewerb, das zählt längst nicht mehr im Profisport. Was hier zählt, ist der Profit … In der Volksrepublik China und Albanien heißt die Leitlinie im Sport: Erst Freundschaft, dann Wettbewerb. Im Fußball ist eines der obersten Gebote, Verletzungen des Gegenspielers zu vermeiden.“
Q: Roter Morgen Nr. 42/1975, S. 12.
12.11.1975:
In der „Kämpfenden Jugend“ Nr. 22/1975 vom 12.11. erscheint der Artikel: „Schalke 04 schlecht - Bundesliga gut?“
Ausgeführt wird: „Nach vier Jahren steht nun der FC Schalke 04 in Essen vor Gericht. Vorwurf: Spielmanipulation und Meineid. Der FC Meineid, wie Schalke 04 von vielen Fußballfreunden genannt wird, hatte im April 1971 für 40.000 DM das Spiel gegen Arminia Bielefeld verloren, und die Bielefelder dadurch vor dem Abstieg aus der Bundesliga bewahrt. So jedenfalls sagen die Fahnder der Staatsanwaltschaft, die ganze Ordner belastender Quittungen und Zeugenaussagen gesammelt haben. Das Sportgericht des DFB hatte inzwischen Sperren und Spielverbote verhängt, die aber allesamt wieder aufgehoben wurden. So trainieren der auf Lebenszeit gesperrte Trainer Piechaczek wieder die Hammer Spielvereinigung. Die Schäfchen sind längst wieder ins Trockene gebracht. Schalke machte in diesem Jahr einen Überschuss von 1,6 Millionen DM.
Vordergründung geht es in diesem Prozess um den „FC Meineid“. Wenn es aber tatsächlich um Spielmanipulation und Meineid in diesem Zusammenhang ginge (Vorstandsmitglieder und Schalkespieler beeideten, sie wären nicht bestochen worden), wieso befasst sich das Gericht immer noch mit Formalkram? Wieso wurden sämtliche Strafen des Fußballgerichts aufgehoben?
In dankenswerter Offenheit erklärte dann auch die Pressestelle des DFB in Frankfurt der KJ-Redaktion: „Wir sind froh, dass wir das damals so gemacht haben, sonst wäre das Vertrauen der Bevölkerung in die Bundesliga gesunken.“ Da liegt auch wirklich der Hund begraben. Es geht darum, den fußballbegeisterten Kollegen weiszumachen: Schalke ist schlecht, Schalke hat unseren Fußball in Misskredit gebracht, aber im Grunde ist unser Fußball fair und ehrlich. Und sobald sie die Schalkeaffaire in Vergessenheit glauben, soll alles wieder beim alten sein.
Doch die Schalker-Spieler, die für Geld verloren- sollen die was anderes sein, als die Berufsfußballer, die ständig ihre Mannschaft wechseln, je nach Zahlungsfähigkeit der Vereine? Hätten sich die Schalker Spieler nach den „Regeln des Profifußballs“ an Arminia Bielefeld verkauft, dann wäre das fair und sportlich!
Die DFB-Funktionäre und die Staatsanwaltschaft, die sich jetzt auf Schalke einschießen, spielen jetzt ein abgekartetes Spiel zur Täuschung der Massen. Dadurch wird der bundesdeutsche Profifußball nicht sauberer, bleibt er doch Fußball im Interesse des Profits, ist Fußball für die Bundesligaspieler schon längst nur noch Gelderwerb anstatt Sport.
Mit einem Massensport im Dienst des proletarischen Klassenkampfs, wie er beispielsweise in der VR China betrieben wird, hat der Bundesligasport überhaupt nichts zu gemeinsam. Die kürzlich stattgefundenen 3. nationalen Spiele zeigten schnellen, sauberen und fairen Fußball, in dem die Freundschaft an erster Stelle und der Wettkampf an zweiter Stelle stand. Mögen die Essener Richter die Schalker Spieler und den Vorstand verurteilen oder auch nicht: Das Urteil der Volksmassen fällt nicht in erster Linie und allein gegen den FC Schalke 04 aus, sondern insgesamt gegen einen Fußball, der die Begeisterung der Massen für Manipulation, Bestechung und Intrigen missbraucht, damit klingende Münze rollt.
Schalke 04 ist aus einem Arbeitersportverein hervorgegangen, viele Gelsenkirchener Werktätige und Arbeiter betrachten Schalke deshalb nicht zuletzt immer noch als „ihren“ Verein. Sie-wie alle Werktätigen-für den proletarischen Massensport wiederzugewinnen und gerade auch im Ruhrgebiet die alten traditionellen Arbeitersportverbände wieder aufzubauen, dieses Ziel wird der KJVD an der Seite der Partei anpacken. Das zentrale Werner-Seelenbinder Sportfest Ostern 1976 in Köln wird ein weiterer Schritt in diese Richtung sein.“
Q: Kämpfenden Jugend Nr. 22/1975, S. 8.
10.12.1975:
In der „Kämpfenden Jugend“ Nr. 24/25 1975 vom 10.12. im Artikel: „Franz Beckenbauer - Einer wie ich. Beckenbauer keiner von uns“ meinen die Verfasser:
„Es ist sehr schwierig, bereits seine Lebenserinnerungen zu schreiben, wenn man erst 30 Jahre alt ist. Damit die Lebensbeichte von Franz Beckenbauer nicht zu dünn ausfalle, hat sich der Bertelsmann-Verlag redliche Mühe gegeben. Zum Druck des Buches wurde sehr dickes Papier verwendet, die verwendete Schrifttype ist äußerst groß, weil man die Leser des Buches anscheinend für ein bisschen dämlich hält, und schließlich wurde dem Kaiser Franz ein Ghostwriter beigesetzt, der das schreibt, was Beckenbauer denkt, damit 30 Lebensjahre auf 320 Seiten gestreckt werden können …
Herausgekommen ist ein reaktionäres Buch. Beckenbauers „Geisterschreiber“ nutzt die Sportbegeisterung der Volksmassen aus, um sie im reaktionären Sinne zu wenden. Er verbreitet die Mär vom klassenneutralen Sport, der in allen gesellschaftlichen Schichtgen sein Publikum findet. Typen wie Beckenbauer werden als hervorragende Spieler propagiert, die es geschafft haben, sich mittels des Sports aus „kleinen“ Verhältnissen hochzuarbeiten. Und in diesem Sinne hat eben jeder die gleiche Chance, sich aus dem eigenen Dreck zu ziehen und ein großer Mann zu werden …
Mit der kapitalistischen Leistungsideologie, versuchen die kapitalistischen Sportfunktionäre, die Massen an ihren Geschäftssport zu binden, ihre Begeisterung zu kanalysieren, sie unfähig zu machen, die sportliche Ertüchtigung zum Sturz des kapitalistischen Ausbeutersystems einzusetzen … Mit Beckenbauer finden Millionen Arbeiter und Werktätige ihre Arbeit „öde“. Der Tretmühle der Arbeit entzog sich „Kaiser Franz“ durch intensives Fußballspiel. Beckenbauer bietet dem Leser ähnliches an, wenn ers auch nicht offen ausspricht. Sport macht frei … lässt den Alltag vergessen, die kapitalistische Schinderei, die Arbeitslosigkeit. Von dieser „Freiheit“ profitiert der Berufssport …
Nicht die körperliche Ertüchtigung des Einzelnen steht im Mittelpunkt, sondern Fußball ist eine neue Form der Unterhaltungsindustrie geworden, die Profit zu bringen hat, die die Massen an sich binden soll. In diesem Sinne zeigen sich Beckenbauer und sein schreibender Dunkelmann äußerst besorgt … Nicht nur scheinbar klassenneutraler Sport durch ein paar Profis, sondern proletarischer Massensport im Dienste des Klassenkampfes gegen das Kapital und seine Handlanger, nicht individueller Heldenkult, sondern Kampf um die kollektive Sportsleitung der Massen als Vorbereitung des Kampfes Klasse gegen Klasse. Das ist die Perspektive der proletarischen und werktätigen Jugendlichen und nicht der reaktionäre Geschäftssport eines Neudecker, Beckenbauer, Sepp Maier.“
Q: Kämpfenden Jugend Nr. 24/25 1975, S. 10 und Beilage.
04.03.1976:
Die Zelle Hoesch Dortmund des KJVD der KPD gibt ihre „Kommunistische Jugendpresse“ (KJP) heraus. Eingegangen wird auch aus Gelsenkirchen auf den Schalke-Skandal.
Q: Kommunistische Jugendpresse Hoesch, Dortmund 4. 3.1976, S.6 und 8.
Juni 1976:
In der „Kämpfenden Jugend“ 6/1976 erscheint der Artikel: „Lattek, Weisweiler, Merkel- womit sie die Traumgagen verdienen.“
Ausgeführt wird: „Kaum war das erste Spiel zwischen Borussia Mönchen Gladbach und Real Madrid am 5. März abgepfiffen, ging die Hackerei erst richtig los. Netzer, früher selber Gladbach-Spieler, über Gladbachs Trainer Lattek: „Udo Lattek hat in diesen neunzig Minuten viele Fehler gemacht … Die Kräfte waren falsch eingeteilt. Nach 45 Minuten Tempo war später der Akku leer!“ Und Helmut Schön, Bundestrainer: „Wenn eine Mannschaft vor 70.000 begeistert mitgehenden Zuschauern 2:0 vorne liegt, und dieses Spiel doch nicht gewinnt, dann stimmt irgend etwas nicht mit der Elf!“ Aber was hat Udo Lattek denn falsch gemacht? Der Mann war doch gar nicht auf dem Spielfeld!?
Zwei Monate später hat sich das Blatt gewendet. Borussia siegt wieder, selbst Berti Vogt steht fest an der Seite von Lattek. Schon wieder ein Wunder, hervorgerufen vom Mann am Spielfeldrand? Nichts lässt die kapitalistische Sportpresse so im Dunkeln wie das, was die Fußballtrainer wirklich mit den Mannschaften treiben. Wie das Training aussieht und was für ein Verhältnis zwischen Mannschaft und Vereinsvorstand und Trainer herrscht. Kapitalistische Fußballvereine sind keine Vereinigungen mehr, in denen sich Sportler zum gemeinsamen Sport treffen, sondern vielmehr Unternehmen, die von dem Profit, den ihre Fußballmannschaft einbringt, abhängig sind. Die Präsidenten der Vereine sind Manager mit entsprechendem Gehalt. Der wahre Kaiser vom FC Bayern, sein Präsident Neudecker, „Meineid“-Siebert von Schalke 04 oder Dr. Krohn vom HSV sind deshalb auch dazu übergegangen, die Zusammensetzung der Mannschaften teilweise selbst zu bestimmen, sogenannte Spielereinkäufe selbst vorzunehmen, so wie es das Profitinteresse vorschreibt. Die Trainer sind in diesem Geschäft Vollzugsgehilfen, die die Spieler auf Erfolg zu trimmen haben. Wie geht das vor sich?
Der Trainer muss die Mannschaft schleifen.
Unter anderem auf Initiative von Sepp Herberger, der die Nazi-deutsche Fußballmannschaft ab 1936 trainiert hatte, wurde in Köln die Deutsche Sporthochschule gegründet. Diese Sporthochschule dient der Trainerausbildung, der medizinischen Untersuchung zur Entwicklung geeigneter Trainingsmethoden und Spieltaktik. Die Mitarbeiter beobachten Spielabläufe und untersuchen dabei, wie viel und was für welche Bewegungen von einzelnen Spielern (Verteidiger, Läufer, Stürmer) beim Spiellauf vorgenommen wird.
Auf dieser Grundlage wird ein Trainingsprogramm entwickelt, das diesem Spielablauf gerecht wird: Sprint mit Ball, Sprint ohne Ball, Eckenschuss, Schuss aus der Drehung und die Fähigkeit 90 Minuten hartes Spiel mitzumachen. Die Trainingspläne sind so entwickelt, dass sie einen Profispieler die ganze Woche beschäftigen … die Folge dieser Schindere: Häufige Trainingsverletzungen, Sehnenzerrungen, Sehnenrisse, Meniskusschäden und anderes. Diese Verletzungen bei Training und Spiel werden bewusst in Kauf genommen; denn beim kapitalistischen Sport stehen Millionenbeträge auf dem Spiel
Die wichtigste Aufgabe eines Trainers ist die Bestimmung der Spieltaktik; denn für die Schleiferei hat er in der Regel einen sogenannten Konditionstrainer. Der Trainer bestimmt, in welcher Weise gegen bestimmte Mannschaften gespielt wird … Diese Entwicklung ist selbst Ausdruck des „harten Geschäfts“, das der Profi-Fußball geworden ist. 11 Spieler einer Profi-Mannschaft sind gleichzeitig 11 Konkurrenten …
Sie konkurrieren untereinander in der Höhe ihrer Gehälter, sie buhlen gegeneinander um die Gunst des Trainers oder des Vereinspräsidenten, und alle stehen in Konkurrenz zu den Einzelspielern, die in die Stammmannschaft möchten. Für Freundschaft oder Fairness bleibt da kein Platz mehr. Technisch und konditionell gut getrimmte Spieler wie Beckenbauer und Müller in München oder auch Johann Cruyff beim FC Barcelona spielen dann in der Mannschaft der Primadonna. Will der Trainer in Ruhe sein Geld verdienen, ist er gezwungen, auf diese Spieler besonders einzugehen. So wird die gesamte Mannschaftstaktik umgemodelt, auf die Spitzenspieler der jeweiligen Clubs ausgerichtet. Das Kollektiv ist zerschlagen. Diese Ausrichtung der Fußballtaktik auf bestimmte Spieler, die Degradierung der Mannschaft zu Vollzugsgehilfen ist charakteristisch für den imperialistischen Fußballsport geworden.
Darüber hinaus werden dann noch Tricks entwickelt, um die Fußballregeln, sinnvoll wie unsinnige, geschickt auszulegen und in die taktischen Überlegungen mit einzubeziehen. Herberger fing damit an, die Spieler darauf auszurichten, mit vorgestrecktem Bein in den Lauf des gegnerischen Lauf zu springen, um ihn vom Ball zu trennen, die sog. „Herberger-Sichel“. Dann werden Foul und unfaires Spiel einkalkuliert. Wenn der gegnerische Sturm die eigene Mannschaft überspielt hat, eignet sich sehr gut ein Handspiel, um den Spielfluss zu stoppen. Zwar bekommt der Gegner den Freistoß, aber die eigene Mannschaft kann sich sammeln.
Eine große Perfektion herrscht darin, nach einem Zweikampf sich irgendwelche Körperteile zu halten, als angeblichen Nachweis dafür, dass sie unfair gerempelt wurden. Kollektive Mittel, um den Gegner zu stoppen, ist auch die „Abseits-Falle“. Wenn ein Spieler allein vor dem gegnerischen Tor steht, nur den Torwart vor sich, und ihm wird von hinten der Ball zugespielt, befindet er sich im „Abseits“. Deshalb üben die Verteidigerreihen vieler Mannschaften, wie man sich schnell vom Tor entfernt, falls ein gegnerischer Spieler allein vor dem Tor stehen sollte. Mit sportlichem Wettkampf hat das nichts zu tun …“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 6/1976, S. 24ff.
06.10.1976:
Die Ortsgruppe Nürnberg des KBW gibt eine Ortsbeilage zur „Kommunistischen Volkszeitung“ Nr. 40 heraus. Berichtet wird auch vom Fussballturnier für die ZANU Zimbabwe, an dem sich zwei Mannschaften der Jugendlichen vom Budapester Platz, eine vom Jugendzentrum KOMM, eine der Deutsch-Spanischen Freundschaftsgesellschaft (DSFG), eine von Bediensteten des Städtischen Krankenhauses, eine des Sozialistischen Büros („Rote Spritze“ - vermutlich ebenfalls aus dem Gesundheitswesen), eine der Kommunistischen Studentengruppe (KSG) des KABD und eine des Bundes für den Aufbau der Sozialistischen Einheitspartei (SEP) beteiligten. Der KBW stellte offensichtlich keine eigene Mannschaft auf. Gesammelt wurden 720 DM.
Q: Kommunistische Volkszeitung - Ortsbeilage Nürnberg Nr. 40,Nürnberg 6.10.1976,S.1
26.06.1989:
Im „Arbeiterkampf-Zeitung des Kommunistischen Bundes“ Nr. 308 vom 26.6. erscheint der Artikel: „You'll never walk alone ...“
Ausgeführt wird: „Nachbetrachtung zu einer Fußballkatastrophe“. „Natürlich: Wieder einmal Liverpool ...“, mögen viele spontan gedacht haben, als sie die Kunde von den 95 Fußballtoten in Sheffield vernahmen. Der Name dieses Clubs liegt mittlerweile wie ein Fluch über der westeuropäischen Fußballwelt. Die Ereignisse von Brüssel, als Liverpool-Fans den Falkland-Feldzug imitierten und dabei 39 Todesopfer verursachten, waren noch in frischer Erinnerung. Die Berichterstattung der Medien - allen voran die Boulevardblätter „Sun“ und „Star“ - schienen die Vorurteile zu bestätigen: Liverpool-Fans hätten Liverpool-Fans mutwillig zu Tode getrampelt, um sie anschließend auszurauben. Tapfere Polizisten seien von trunkenen Fans anuriniert worden etc.
Alles erstunken und erlogen, wie sich bereits wenig später herausstellte. Eine infame Kampagne der Fußballoberen, der Polizeiführung, der „law and order“-Politiker, auf die spießbürgerliche und intellektuelle Abneigung, die den proletarischen „underdogs“ in Rot und Weiß entgegenschlägt und auf deren Artikulationsprobleme spekulierend, um von der eigenen Verantwortlichkeit für das Geschehene abzulenken. Während die Fans zunächst bleich und fassungslos reagierten, widersprechen neutrale Augenzeugen - Stadionanwohner, Busfahrer und Kneipiers - vehement den unverfrorenen Behauptungen: Sie seien weder trunkenen, noch randalierenden Liverpoolern begegnet. Ein Arzt, der zu den ersten zählte, die medizinische Hilfe leisteten, preist die Disziplin und die Hilfsbereitschaft der Fans.
Die Fans als Opfer
Kein Zweifel: Die Fans von der Liverpooler Anfield Road haben in der Vergangenheit viel Mist gebaut. Aber dieses Mal - am 15. April 1989 in Sheffield - waren sie Opfer. Opfer der „law and order“-Politiker, die Fußballfans seit Jahren als Versuchskaninchen für ihre Vision vom Orwell-Staat missbrauchen. Opfer einer Politik, die das Problem von Fußballunruhen dadurch einzudämmen versucht, dass sie Fans in Gitterkäfige einsperrt. 95 Fans starben einen qualvollen Tod an Zäunen, die die Funktionäre zu ihrer Kontrolle errichten ließen. „Sperrt die Biester in Käfige“, titelte einige Jahre zuvor die „Sun“. 95 Fans starben desweiteren, weil der Fußballverband die Liverpool-Fans bei der Vergabe der Tickets krass diskriminierte. Selbst gesetzt den Fall, die Stories der Boulevardblätter träfen zu: Kann man von Menschen, die wie Tierherden behandelt werden, guten Gewissens verlangen, sich „wie Menschen“ zu benehmen?
Auf Fußballfans - namentlich Liverpool-Fans herum zu trampeln, ist mittlerweile eine billige Übung. Die rechten Boulevardblätter Großbritanniens haben in den letzten Jahren die Kriminalisierung von Fußballfans publizistisch vorangetrieben. Die gleichen Blätter, die selbst die brutalsten britischen Kriegsverbrechen (wie das Durchschneiden der Kehlen argentinischer Soldaten) als „Heldentaten“ rühmten und noch nach Zugabe schrieen, bezichtigen Fußballfans ob weit geringfügigerer Vergehen animalischen Verhaltens. „Fußballfans werden entmenschlicht, in einer Weise, die der Entmenschlichung bestimmter nationaler oder rassischer Gruppen durch die Medien nicht unähnlich ist: auf dass ihre Behandlung als Menschen zweiter Klasse als „gerechtfertigt“ erscheint“, schreibt der profilierte linke Journalist Eamonn McCann, nicht nur ein Schreibtischtäter, sondern auch ein passionierter Fußballfan.
Tatsächlich wissen Sportjournalisten über das, was Fußballfans denken und tun oftmals überhaupt nichts. So wenig wie die Zunft der Sozialwissenschaftler, die sich ihrer ungebetenerweise annimmt. Der gewöhnliche Sportjournalist kommt mit dem Stehplatzpublikum niemals in Kontakt. Er betritt das Stadion durch einen gesonderten Eingang, um sich schnurstracks auf seinen komfortablen Pressesitz zu begeben. Weit ab vom Stehplatzpublikum, das von hier aus nur als undifferenzierte Masse erscheint. In seiner Berichterstattung sind Fans in der Regel nur Objekte, die zu einem zitierfähigen, halbwegs intelligenten Gedanken nicht in der Lage sind. Begibt er sich einmal herab in das Stehplatzpublikum, so ähnelt das Resultat eher einer Abenteuerreportage: Der tapfere Journalist, der sich unter die animalische, gefährliche Masse begab und stolz darauf ist, von seiner Entdeckungsreise unversehrt wieder in die sichere Redaktionsstube zurückgekehrt zu sein; etwas, was anderen Forschern vor ihm verwehrt blieb.
Diese Arroganz der Medien hat dazu geführt, dass in Großbritannien seit einigen Jahren von Fans verfasste „Untergrundmagazine“ nur so sprießen. Viele von ihnen sind kritisch und nicht ohne Selbstironie geschrieben. Und: allemal aufregender als die biederen und servilen Kickerillustrierten.
Das Bekannteste unter ihnen ist „When Saturday Comes“, das mittlerweile monatlich in einer Auflage von 20.000 vertrieben wird. Das diese Magazine durchaus Intelligentes zu sagen haben, dafür steht beispielsweise ein Artikel aus einem anderen dieser Eigenproduktionen – „Off the Ball“ - in dem im Februar - d. h. zwei Monate vor der Sheffield-Katastrophe - u. a. die folgenden Sätze zu lesen waren: „Möglicherweise mag das Abbauen der Zäune dazu führen, dass mehr Invasionen auf das Fußballfeld stattfinden und Schlägereien, was schlecht für das Ansehen des Fußballs ist. Aber normalerweise sind daran nur solche Leute beteiligt, die auch daran beteiligt sein wollen. Die Zäune sind hingegen für alle gefährlich, die diese angeblich schützen sollen: die unschuldigen und friedlichen Fußballfans.“ Exakt dies sollte sich am 15. April in Sheffield bestätigen. Aber wer lässt sich schon vom Stehplatzpublikum Ratschläge erteilen?
Das andere Gesicht der Fußballfans
Während die Verbandsfunktionäre und die Politiker in den Tagen nach der Katastrophe lediglich durch Zynismus und Peinlichkeiten auffielen, wuchsen die Fans in der Stunde der Not zu wahrer Größe. „You'll never walk alone ...“, der berühmte Leitsatz der Liverpool-Fans (wie der Celtic Glasgows) galt plötzlich nicht mehr nur der eigenen, engen Fangemeinde: Mit Sheffield fielen sämtliche sektiererischen Barrieren, die die unterschiedlichen Fangemeinden - ihrem oftmals gemeinsamen sozialen Status zum Trotz - bis dahin trennten. Fans des F.C. Everton, der lokalen Konkurrenz, beteiligten sich zu Tausenden an den Trauerveranstaltungen. Anstatt Häme schlug dem Klub, seinen Spielern und seinen Fans eine Welle der Solidarität entgegen.
Aber auch Spieler und Trainer bewiesen, dass sie keine stumpfsinnigen, gefühlskalten Fußball-Roboter sind, in deren Köpfen lediglich ein Fußball schwirrt. Bruce Grobbelaar, der populäre Torhüter und Spaßvogel des Teams, und Kenny Dalglish, der sympathische Trainer und ehemalige Celtic-Star, wussten, was sie ihren Getreuen schuldig waren und bestritten selbst Teile der Gedenkfeiern (kann man sich dies von dem Dummbolzen Lothar Matthäus vorstellen?). Die Spieler Barnes und Aldridge sagten ihr Engagement in der englischen bzw. irischen Fußballnationalmannschaft kurzfristig ab, da sie unter dem Eindruck der Katastrophe an die Balltreterei nicht denken konnten.
You'll never walk alone ...
Das spielerische Comeback des Vereins, der zwei Wochen lang keinen Ball anrührte, organisierte - ausgerechnet wie typischerweise - Celtic Glasgow; mit einem Benefiz-Spiel zugunsten der Opfer von Sheffield. Ausgerechnet, weil die Beziehungen zwischen den Fans beider Vereine nicht immer bestens waren. Liverpool ist die englische Stadt mit der größten irischstämmigen Bevölkerungsgruppe. Während der F.C. Liverpool traditionell eher ein protestantischer Verein ist (und von einem konservativen Abgeordneten ins Leben gerufen wurde), unterstützen viele der irischstämmigen Bürger den Lokalrivalen Everton oder den „katholischen“ Nachbar- (und Labour-)Verein Manchester United. Und - natürlich: Den F.C. Celtic Glasgow, der von irischen Immigranten gegründet wurde und auf dessen Tribünendach noch heute die irische Trikolore flattert. Hingegen gilt die zweite Loyalität vieler Liverpool-Fans Celtics verhaßtem Konkurrenten Rangers. Allerdings haben Teile der irischstämmigen/katholischen Arbeiterklasse in Liverpool immer auch den F.C. unterstützt. Und im Gegensatz zu den Glasgow Rangers kennt der F.C. Liverpool keine Diskriminierung von katholischen Iren. In den letzten Jahren haben sich die Beziehungen zwischen den Liverpooler „Iren“ und dem Klub von der Anfield Road weiter verbessert. In Irland selbst dürfte der F.C. Liverpool mittlerweile nach den uneinholbaren Celtics und gemeinsam mit Manchester United der populärste Verein sein. Während die Celtic-Rangers-Konkurrenz in der nordirischen Unruheprovinz sehr ausgeprägt ist, teilen Katholiken und Protestanten vielfach ihre Sympathien für den F.C. Liverpool. Für die erste Geldsammlung zugunsten der Sheffield-Opfer zeichneten West-Belfaster Celtic-Fans verantwortlich.
Zur Verbesserung der Beziehungen dürfte nicht zuletzt beigetragen haben, dass heute nicht weniger als vier irische Nationalspieler das Trikot des Anfield-Klubs tragen. Liverpool ist damit der Verein, der das größte Kontingent in der Elf Jack Charltons stellt, gefolgt von Celtic Glasgow ... Und der Trainer des Klubs ist ein ehemaliger, langjähriger Celtic-Star (der bei Rangers nicht unterkam, weil die Vereinsführung ihn - fälschlicherweise - für einen Katholiken und Iren hielt ...). Diese Entwicklung machte den Verein für die irischstämmige Bevölkerung unterstützenswert, zwang traditionelle protestantische Liverpool-Fans zum Überdenken ihres anti-irischen Chauvinismus und milderte das Sektierertum innerhalb der Liverpooler Unterklassen. Typischerweise hieß der Ausrichter des Benefizspiels Celtic, weil der Verein, obgleich eines der ersten Profiunternehmen in Europa, seine Anfänge als Charity-Organisation (seinerzeit zugunsten der Notleidenden in den Immigrantenghettos Glasgows) bis heute nicht vergessen hat und sein Faible für „underdogs“ ebenfalls noch nicht aufgegeben hat.
Celtic nahm das Benefizspiel zum Anlass, Zeichen zu setzen. Die ansonsten in allen Stadien übliche räumliche Trennung der Fangemeinden wurde bewusst aufgehoben. Gitterkäfige kennt das Celtic-Stadion ohnehin nicht. Grün-weiße und rot-weiße Schals standen so einträchtig nebeneinander. Und auf einem großen Transparent war zu lesen: „Celtic - wir danken Dir. Die Fans des F.C. Liverpool.“
60.000 demonstrierten ein neues Empfinden von Solidarität und Gemeinsamkeit: „You'll never walk alone ...“. Zumindest für einen Tag wurde dieser Leitsatz zur vereinsübergreifenden Realität. Wenige Tage später folgte Liverpools Rückkehr in den Liga-Alltag, ausgerechnet gegen den Lokalrivalen F.C. Everton. Das Spiel endete 0:0, ein möglicherweise entscheidender Punktverlust für den F.C. in seinem Meisterschaftsrennen. Doch dies war an diesem Tag für Trainer, Fans und Spieler von untergeordneter Bedeutung. Wichtiger war vielmehr, dass das brisante Lokalderby zu einer weiteren Demonstration der Solidarität und des Neuanfangs wurde. Vor Spielbeginn waren die Zäune im Goodison-Park, dem Everton-Stadion, abgebaut worden. Wie schon beim Freundschaftsspiel in Glasgow wurde auch dieses Mal auf eine räumliche Trennung der Fans verzichtet. Von der Tribüne herab wehte ein Liverpool-Transparent mit der Aufschrift: „Thank you very much. We never walked alone.“
Die Fans lernen, die Politiker und Funktionäre nicht
Während unter den Fans Besinnung und Wille zum Neuanfang spürbar sind, kann davon bei den Verbandsfunktionären nur bedingt und bei den „law and order“-Politikern überhaupt nicht die Rede sein. Ihre einzige Antwort auf das Desaster besteht in dem Vorschlag, die Stadien zu reinen Sitzplatzarenen umzubauen. Dies kommt einem Frontalangriff auf die traditionelle Identität des Fußballsports als Disziplin und Vergnügen der Unterklassen gleich. Gerade in England ist die Geschichte des Stehranges mit der proletarischen Geschichte der Balltreterei eng verquickt. Der Bau von Stehplätzen - anstelle komfortabler Sitzplätze - - war seinerzeit eine bewusste Entscheidung. Reine Sitzplatzstadien bedeuten: weniger Eintrittskarten bei höheren Eintrittspreisen.
Und: Tennis statt Fußball.
Als Rangers Glasgow vor einigen Jahren Ibrox-Park zum ersten Sitzplatzstadion auf der britischen Insel umbaute, ließ der Lokalrivale Celtic diese Herausforderung bewusst an sich vorbeistreichen. Zur Begründung hieß es, Celtic sei stets ein Verein der „kleinen Leute“ gewesen und man denke nicht daran, dieses traditionelle Klientel mit Eintrittspreisen zu verprellen, die es nicht entrichten könnte; schon gar nicht in einer Zeit, die von steigender Arbeitslosigkeit und sozialer Verelendung gekennzeichnet sei.
So verfügt der Millionärsklub Rangers zwar heute (angeblich) über das „schönste Stadion der Welt“, aber atmosphärischer und sympathischer geht es allemal im Celtic Park zu. Außerdem hält die Regierung an ihrem totalitären Plan fest, alle Fußballfans mit „membership cards“ zu versehen. Vor Betreten eines Stadions muss der Fan zukünftig seine „membership card“ in einen Computer stecken, der sein Sündenregister enthält. Wer gesündigt hat, muss draußen bleiben. Fußballfans als nummerierte Hammelherde und „guineapigs“ der Herrschenden. Um dem Problem von Fußballunruhen zu begegnen, bedarf es eines völlig neuen Verständnisses des Verhältnisses zwischen Verein und Anhängern wie Verein und Staat. Für viele Vereinsführungen sind die Fans allein unter finanziellen Gesichtspunkten von Interesse. Der Verein wird wie ein Betrieb geführt und der Fan ist zahlender Kunde. Stattdessen müssen Fans in das Vereinsleben integriert werden, muss ihnen die Möglichkeit gegeben werden, an der Gestaltung der Vereinsrealität aktiv mitzuwirken.
Ist dies der Fall, ist der Verein in der Regel auch dazu in der Lage, seine Veranstaltungen ohne staatliche Mithilfe und in einem „repressionsfreien Raum“ durchzuführen. Ein bislang leider einzigartiges Beispiel hierfür ist der irische Fußballklub Derry City, dessen Stadion in einem der Brennpunkte des Nordirlandkonfliktes beheimatet ist. Das katholische/republikanische Bogside/Brandywell-Ghetto wird von einer Arbeitslosenquote von über 50% geplagt und staatliche und antistaatliche Gewalt sind hier an der Tagesordnung. Doch jeden zweiten Sonntag verwandelt sich das Ghetto in eine Oase des Friedens, dann nämlich, wenn Derry City seine Heimspiele austrägt. Obgleich der Klub den mit weitem Abstand größten Zuschauerzuspruch auf der irischen Insel erfährt, gab es noch niemals auch nur die geringsten Ausschreitungen in seinem Stadion. Der Grund, wie ihn selbst die bürgerliche Presse Nordirlands konstatiert: Die ansonsten im Ghetto ständig präsenten Polizei- und Armeepatrouillen halten sich - auf Aufforderung des Vereins hin - vom Stadion fern. Die Ordnungskräfte werden vom Verein gestellt, sind Bürger des Ghettos, sind den Zuschauern persönlich bekannt und werden von ihnen akzeptiert. Vorstand, Spieler, Ordnungskräfte, Fans bilden eine Einheit. Der Verein ist eine Einrichtung und Eigentum der "Community", womit jeder daran interessiert ist, ihm keinen Schaden zuzufügen.
PS: Am 18. Mai gewann der F.C. Liverpool das Cupfinale gegen den alten Rivalen Everton. Die Fanblöcke im Stadion wurden nicht getrennt, die Gitter um das Spielfeld abgeräumt. Nennenswerte Zwischenfälle blieben aus. Trotzdem machten sich einige Reporter in die Hose, als nach Spielschluss einige Fans - in friedlicher Absicht - auf das Spielfeld liefen. In der Meisterschaft musste eine völlig ausgelaugte Liverpool-Elf allerdings Arsenal London den Vortritt lassen.
Das sportlich und politisch erfreulichste Ereignis fand indessen in Glasgow statt, wo im schottischen Cupfinale Celtic die rechten und favorisierten Rangers mit 1:0 schlug …“
Q: Arbeiterkampf-Zeitung des Kommunistischen Bundes Nr. 308, 26. 6. 1989, S. 29.
21.08.1989:
Im „Arbeiterkampf-Zeitung des Kommunistischen Bundes“ Nr. 309 vom 21. 8. erscheint der Artikel: „Derry City - Fußball im nordirischen Bürgerkrieg.“
Ausgeführt wird: „Die Namen irischer Fußballvereine sind in der Regel selbst passionierteren kontinentalen Fußballbeobachtern kaum geläufig. Dies ist nicht besonders erstaunlich, lässt doch die Qualität beider Fußballigen auf der geteilten Insel arg zu wünschen übrig. In den europäischen Klubwettbewerben ist den irischen Meistern und Pokalsiegern zumeist ein frühzeitiges Ausscheiden beschieden. Selbst von einem Viertelfinale können irische Klubs nur träumen.
Anders verhält es sich mit dem südirischen „Nationalteam“, das sich überraschend für die Endrunde der Europameisterschaft 1988 qualifizieren konnte und dort mit einem Sieg über den favorisierten „englischen Erzfeind“ für Aufsehen sorgte. Indes: weder im nordirischen noch im südirischen Team findet sich auch nur ein Spieler, der einem irischen Klub angehört. Die Mehrzahl der irischen Auswahlspieler jagt auf der britischen Insel dem Leder nach. Die professionelle Balltreterei ist in Irland weitgehend unterentwickelt, weshalb begabtere Spieler die Insel verlassen, um ihre Karriere unter in sportlicher wie finanzieller Hinsicht günstigeren Bedingungen anderswo fortzusetzen.
Die Probleme des irischen Fußballs sind denen der irischen Ökonomie nicht unähnlich: Fußball wie Ökonomie leiden unter den Folgen der kolonialistischen Teilung. So wie die Insel und ihr Menschenreservoir zu klein für zwei separate ökonomische Einheiten sind, so sind sie auch zu klein für zwei separate Fußballigen. Dem peripheren Status der Ökonomien entspricht der periphere Status der Fußballigen. So wie die beiden Ökonomien jeweils auf sich allein gestellt zu schwach sind, um die sozialen Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen und aus dem Schatten des britischen Nachbarn zu treten, so sind die beiden Fußballigen jeweils für sich genommen zu unattraktiv, als dass sie die Ressourcen aufbringen könnten, die für eine Professionalisierung und Qualitätsverbesserung der Balltreterei auf der Insel notwendig wären. Ökonomie wie Fußball wohnen durch die koloniale Geschichte bedingte Emigrationstendenzen inne.
Nichtsdestotrotz schrieb im April dieses Jahres ein nordirischer Verein ein Kapitel europäische Fußballgeschichte, das möglicherweise den Anfang einer Wende zu besseren Zeiten markieren könnte: Derry City, der Klub aus Nordirlands Konflikthauptstadt Nr. 2, errang zum ersten Mal den Titel eines südirischen Fußballmeisters. Da Derry City Anfang der 60er Jahre bereits eine nordirische Meisterschaft feiern konnte, ist der Klub der einzige in Westeuropa, der sich mit den Titeln zweier staatlicher Fußballverbände schmücken kann. Zudem ist Derry City aktuell der einzige Klub, der in der Liga eines anderen Staates spielt. Um dieses Kuriosum zu verstehen, bedarf es einer kleinen Exkursion in die Geschichte der nordirischen Fußballiga wie des Zusammenhangs von Fußball und Politik in der Konfliktprovinz.
Der Niedergang des (nord)irischen Fußballs
Bis Ende der 40er Jahre dominierte insbesondere ein Verein das Fußballgeschehen in Nordirland: Celtic Belfast, der Klub von der katholischen/republikanischen Falls Road. Bis heute ist Celtic Belfast der erfolgreichste Verein im irischen Fußball: 42 bedeutendere Trophäen in 48 Jahren sprechen für sich. Celtic Belfast ist zugleich bis heute der einzige irische Klub, der internationale Reputation erlangte. Unvergessen bleiben Siege über Rapid Wien, seinerzeit ein Topclub in Europa, und eine schottische Nationalelf, der viele Schotten heute noch nachweinen. Obgleich Celtic ein Verein der katholischen Arbeiterklasse war, kannte er kein Sektierertum. Jimmy Jones, einer der zahlreichen Protestanten, die im grün-weißen Celtic-Leibchen Ruhm erlangten: „Celtic war mehr daran interessiert, mit welchem Fuß Du Deine Tore erzieltest. Religion war in diesem gemischten Team niemals ein Thema. Niemand fragte Dich, welcher Religion Du angehörst, und niemanden schien dies zu interessieren. Wir waren stets eine große und glückliche Familie.“ - Und von Austin Donnelly, in den 20er Jahren Trainer und später Vorsitzender des Klubs, ist der Satz überliefert: „Es interessiert hier nicht, welcher Religion Du bist, solange Du Charakter besitzt und Fußball spielen kannst.“
Beim Belfaster Lokalrivalen, dem F.C. Linfield, sah dies anders auf: Katholiken waren unerwünscht. In vielerlei Hinsicht war die Rivalität zwischen Celtic und Linfield eine kleinere Ausgabe der zwischen den Glasgower Fußballgiganten Celtic und Rangers. Ein Derby mit dem F.C. Linfield am St. Stephen's Day 1948 läutete schließlich das Ende der ruhmreichen Celtic-Ära ein. Da beide Mannschaften lediglich ein Punkt voneinander trennte, war das Spiel von enormer Bedeutung für den Ausgang der Liga. Nach einem unglücklichen Zusammenprall mit Jimmy Jones musste der Linfield-Spieler Bryson vom Platz getragen werden.
Die ohnehin schon angespannte Stimmung näherte sich ihrer Eskalation, als über die Lautsprecheranlage des Linfield-Stadions bekannt gegeben wurde, dass sich Byrnes ein Bein gebrochen habe. Nach dem Schlusspfiff stürmten die aufgehetzten Linfield-Fans den Rasen, zerrten Jimmy Jones auf die Tribüne und zertrümmerten ihm ein Bein. Von der Polizei war weit und breit nichts zu sehen ... Dank der protestantischen/loyalistischen Dominanz im Fußballverband musste der F.C. Linfield die sektiererischen Ausschreitungen lediglich mit einer Spielsperre von einem Monat bezahlen; und anstatt des Abzugs von Punkten durfte er alle abgesetzten Begegnungen nachholen. Der Linfield-Klub existiert noch heute und wechselt sich mit dem ebenfalls protestantischen F.C. Glentoran Belfast bei der Vergabe der nordirischen Meisterschaft ab. An seinem Sektierertum hat sich nichts geändert: Erst vor einigen Monaten entließ er einen farbigen Ballkünstler, der sich in die Herzen der Fans gespielt hatte. Der Spieler fiel bei Vorstand und Anhängern in Ungnade, nachdem seine katholische Konfessionszugehörigkeit ruchbar geworden war.
Für Celtic folgte hingegen das „Aus“: Im April 1949 entschied die Vereinsführung, dass Spielern und Fans eine Beteiligung an der nordirischen Liga nicht mehr zuzumuten sei. Der Spielbetrieb wurde eingestellt und eine komplette Mannschaft verkauft. Letztendlich schnitten sich der protestantische/unionistische Fußballverband und Vereine wie der F.C. Linfield mit ihrem Verhalten ins eigene Fleisch: Dem Abschied Celtics folgten Qualitätsverfall und finanzielle Probleme. Celtic war der Klub mit dem größten Zuschauerzuspruch - zuhause wie auswärts. 30.000 im Celtic-Park waren keine Seltenheit. Die Langeweile im nordirischen Fußball nahm weiter zu, als sich 1972 mit Derry City ein weiterer „katholischer“/nationalistischer Verein aus der Liga zurückzog. Nachdem Derry-Fans den Bus der Mannschaft aus dem erzloyalistischen Ballymena niedergebrannt hatten, untersagte der Fußballverband dem Verein, seine Spiele weiterhin im heimischen Brandywell-Stadion auszutragen.
Das Stadion liegt inmitten der Katholikengettos auf Derrys Westbank, die damals als von protestantischer/unionistischer und britischer Herrschaft befreite Gebiete („Free Derry“) durch die Weltpresse gingen, wo nicht die staatlichen "Sicherheitskräfte", sondern die IRA patrouillierte. Anstatt in die protestantische Stadt Coleraine umzuziehen, wie es der Fußballverband verlangte und wo wohl kaum ein Zuschauer die Elf empfangen hätte, zog es Derry City vor, sich aus der Liga zu verabschieden. Die Fußballbegeisterten unter Nordirlands Katholiken verloren weiter Interesse an der sogenannten „Irish League“. Der einzige verbliebene nationalistische Verein unter den 14 Erstligisten ist heute der im Belfaster Norden angesiedelte F.C. Cliftonville. In der Vergangenheit waren Cliftonville Fans immer wieder Objekt sektiererischer Attacken der protestantischen Polizei. Erst im April dieses Jahres feuerte die Polizei mit den berüchtigten „plastic bullets“ in eine friedliche Gruppe West Belfaster Cliftonville Fans, die sich zum Abmarsch für das Pokalhalbfinale versammelt hatten.
Das Desinteresse der Katholiken/Nationalisten an der nordirischen Fußballiga wird am besten durch das trostlose Dasein des Vereins Newry Town symbolisiert. Newry ist eine zu über 80% katholische/nationalistische Stadt, doch der Erstligaklub zieht vorwiegend nur protestantische Fußballenthusiasten an. So muss sich Newry Town mit kläglichen Zuschauerzahlen von 200 und mehr begnügen. Das Interesse der örtlichen Katholiken gilt mehr der lokalen Liga, in der „ihre“ Klubs spielen: die „Uniteds“ (benannt nach Manchester United, den viele irische Immigranten im Norden Englands unterstützen), den „Celtics“ (benannt nach Celtic Belfast und/oder Celtic Glasgow) etc. Ansonsten widmen sie sich den gälischen Ballspielen.
Derry: Eine Stadt im Bürgerkrieg.
Doch zurück nach Derry, der zweitgrößten Stadt Nordirlands. Im Gegensatz zur „Hauptstadt“ Belfast weist die pittoreske Stadt am Foyle eine katholische/nationalistische Mehrheit auf. Nichtsdestotrotz wurde Derry bis Ende der 60er Jahre von einer protestantischen Stadtratsmehrheit regiert. Denn das Wahlrecht konnte nur beanspruchen, wer über Hausbesitz verfügte und Steuern zahlte, was die sozial besser gestellte protestantische Bevölkerungsgruppe bevorteilte. Protestantische Geschäftsleute verfügten überdies über bis zu sechs Stimmen. Die Wahlkreisgrenzen waren so gezogen, dass ca. 20.000 katholische Wähler acht Abgeordnete in den Stadtrat entsandten, während ca. 10.000 protestantische Wähler durch zwölf Abgeordnete repräsentiert wurden. Die Arbeit der protestantischen/unionistischen Parlamentsmehrheit reduzierte sich darauf, bei politischen und ökonomischen Entscheidungen bewusst gegen die Interessen der Stadt zu votieren, um so das Entstehen eines katholischen/nationalistischen Zentrums im Nordwesten des Landes zu verhindern. Der protestantischen/unionistischen Stadtratsmehrheit ist es u. a. zu verdanken, dass nicht Derry, sondern Coleraine (s. o.) zur zweiten nordirischen Universitätsstadt wurde.
Für die nordirische Bürgerrechtsbewegung wurde Derrys deprivierter Status zum Symbol für die sektiererische protestantische/unionistische Unterdrückung. Die jüngere Geschichte Derrys wird insbesondere durch die folgenden beiden Daten bestimmt: Den 12. August 1969, als die Bürger der katholischen/nationalistischen Gettos auf der Westbank des Flusses Foyle heroischen Widerstand gegen eindringende Polizei- und Loyalistenhorden leisteten („Battle of the Bogside“). Zwei Tage später intervenierte die britische Armee in Nordirland, um den vollständigen Zusammenbruch staatlicher Autorität zu verhindern. Das zweite Datum hat sich noch mehr in das Bewusstsein der Katholiken Derrys eingegraben: Am 30. Januar 1972 ermordete die britische Armee im Bogside-Getto 14 unbewaffnete katholische Zivilisten, die an einer friedlichen Bürgerrechtsdemonstration teilgenommen hatten („Bloody Sunday“). Die Einführung des allgemeinen Wahlrechts, eine der wenigen Konzessionen, zu denen sich die britischen Herrscher seit Ausbruch des Bürgerkriegs bereit erklärten, beendete die protestantische/unionistische Dominanz im Stadtrat. Heute stellen die moderat-nationalistische Social Democratic and Labour Party (SDLP) und Sinn Fein, der politische Flügel der IRA, die Mehrheit der Abgeordneten.
Am deprivierten Status Derrys hat sich dennoch seit 1969 kaum etwas geändert. Die Stadt, die mit der Teilung der irischen Insel von ihrem natürlichen Hinterland Donegal abgeschnitten wurde, plagt weiterhin eine Arbeitslosigkeit von nahezu 30%. Mit der Einführung des allgemeinen Wahlrechts ging die weitgehende Entmachtung der kommunalen Parlamente und die Einführung der Direktherrschaft durch London einher.
Anstelle der Protestanten/Unionisten zeichnet nun die britische Regierung selbst für die Diskriminierung der Stadt verantwortlich. Ganze 5% der Gelder des International Fund for Ireland, der den besonders deprivierten Regionen beistehen soll, jedoch - entgegen seinem Namen - von britischen Regierungsagenten verwaltet wird, gingen bislang nach Derry und in den katholischen Westen Belfasts, wo zusammengenommen über 25% der nordirischen Arbeitslosigkeit konzentriert sind. Ausländische Investoren, die an Derry Interesse zeigen, werden von der Regierung gedrängt, sich im protestantischen Antrim mit seinen infrastrukturellen Vorteilen niederzulassen.
Daneben ist Derry die militärisch besetzteste Stadt in Westeuropa. Das Stadtbild wird bestimmt von den Patrouillen der Armee und der Polizei und ihren zahlreichen Festungen. Die historische Stadtmauer ist nicht mehr begehbar, seitdem die Armee dort ihre Beobachtungstürme errichtet und Stacheldrahtrollen ausgelegt hat.
Back in Town: Fußball
Ganz ohne positive Folgen blieb die neue nationalistische Parlamentsmehrheit trotzdem nicht: Die nationalistischen Abgeordneten erwirkten die Rückbenennung der Stadt von „Londonderry“ in Derry, was die Unionisten und Loyalisten in Rage brachte, und unterstützten die Rückkehr Derrys zum Ligafußball. Beide Maßnahmen konnten zwar die britischen Besatzer bislang nicht aus der Stadt treiben, waren jedoch der Moral der über Dekaden hinweg niedergehaltenen Katholiken/Nationalisten äußerst förderlich. Als Spielort wurde wieder das berüchtigte Stadion am Brandywell gewählt, in dessen Umgebung die Bürgersteige unverändert in den Farben der irischen Trikolore angemalt sind. Nur die Gegner waren nun andere, da der Verein sein Comeback unter den Fittichen des wohlgesonneneren südirischen Fußballverbands vollzog. 1985 trat „City“ der zweiten Spielklasse im Süden bei, zwei Jahre später gelang der Aufstieg in die „League of Ireland“. 1988/89, d.h. im zweiten Jahr Erstligafußball beglückte der Verein seine Fans dann gar mit dem begehrten „Dreier“: Ligapokal, Pokal und Meisterschaft!
„City's“ Comeback wurde von einem Zuschauerboom begleitet, der Erinnerungen an die guten alten Zeiten des nordirischen Fußballs wachrief. Die Heimspiele der Elf werden im Schnitt von 8 bis 10.000 Zuschauern besucht (Derry hat ca. 75.000 Einwohner), womit auf den Verein regelmäßig über die Hälfte der Gesamtzuschauerzahl eines Spieltages der „League of Ireland“ entfallen. Aber auch die großen Vereine der nordirischen Liga, Linfield und Glentoran, können von einem derartigen Zuschauerzuspruch nur träumen. Da die „Red Army“, wie die „City“-Fans genannt werden, recht reisefreudig ist, partizipiert die gesamte südirische Liga am Derry-Boom. Bedeutende Auswärtsspiele können zum Exodus geraten. Zum Pokalfinale in Dublin reisten nicht weniger als 15.000 Derryaner, und an einer der Foylebrücken war zu lesen: „Würde bitte der Letzte, der diese Stadt verlässt, das Licht ausschalten …“ Da das Gros der Fans aus den republikanischen Unterklassenvierteln kommt, spüren Derrys Geschäftsleute große auswärtige Ereignisse noch Tage später in ihren Kassen. Die prominentesten Stammgäste am Brandywell repräsentieren zugleich das politische Spektrum der nationalistischen Bevölkerung Derrys: Edward Daly, Bischof von Derry, der Augenzeuge des „Bloody Sunday“ war; John Hume, SDLP-Führer und Unterhaus- wie EG-Parlamentsabgeordneter; Martin McGuinness, ehemaliger IRA-Führer und z.Zt. Sinn Fein Vizepräsident, der direkt am Stadion wohnt und dessen jüngerer Bruder noch bis vor einem Jahr der Stammformation „City's“ angehörte; last but not least: Eamonn McCann, unabhängiger Sozialist und Republikaner und wohl einer der begnadetsten Sport- wie Politikjournalisten auf der irischen Insel.
„City“-Fans machen jedoch nicht nur durch ihre Masse von sich reden, sondern auch durch ihr „sportliches“ Verhalten. Für die Zunft der Sozialtechniker, die dieser Tage mal wieder über die Ursachen von Fußballkrawallen herumdoktern, zweifelsohne düpierend: Obgleich die Gettos der Umgebung des Stadions von einer Arbeitslosigkeit von weit über 50% geplagt werden und staatliche wie anti-staatliche Gewalt hier an der Tagesordnung sind, geht es bei „City's“ Heimspielen stets friedlich zu. Der Grund, wie ihn auch die bürgerlich Presse konstatiert: Die ansonsten in der IRA-Hochburg ständig präsenten Polizei- und Armeepatrouillen halten sich - auf Anforderung des Vereins hin - vom Stadion fern. Die Ordnungskräfte werden vom Verein gestellt, sind Bürger der Gettos, sind den Zuschauern persönlich bekannt und werden von ihnen akzeptiert. Vorstand, Spieler, Ordnungskräfte, Fans bilden eine Einheit. Entsprechend ähnelt die Stimmung stets mehr der eines großen Familienfestes, von Aggressivität ist nichts zu spüren. Auch dann nicht, wenn bei Freistößen für die Heimelf der Ruf nach SEMTEX - dem IRA-Sprengstoff - durch das Stadion hallt ...
Wie sehr Nordirlands Loyalisten Derry City Erfolg und positives Image neiden, bekamen die Fans auf ihrem Rückweg vom Dubliner Pokalfinale zu spüren. Wann immer der Fankonvoi nördlich der Grenze protestantische Orte passierte, wurde er von militanten Rechtsradikalen mit Steinen beworfen. Die Polizei, die nach wie vor exklusiv protestantisch ist, schaute tatenlos zu. Später begründete sie ihr skandalöses Verhalten mit der Behauptung, „City“-Fans hätten die Loyalisten durch das Präsentieren der irischen Trikolore provoziert. Der Vorfall dokumentierte nur einmal mehr, wie wenig sich in Nordirland seit dem Ausbruch des Bürgerkrieges verändert hat. Mit einer Ausnahme: In Derry rollt der Ball wieder …“
Q: Arbeiterkampf-Zeitung des Kommunistischen Bundes Nr. 309, 21.8.1989, S. 1.
18.09.1989:
Im „Arbeiterkampf-Zeitung des Kommunistischen Bundes“ Nr. 310 vom 18.9. erscheint der Artikel: „Thatcherismus und Butcherismus“.
Ausgeführt wird: „Seit dem Abend des 6. September ist er auch hiesigen fußballinteressierten Fernsehkonsumenten ein Begriff; in einer Woche, wenn die Bayern zum Rückspiel gegen Glasgow Rangers antreten, wird man ihn gar live und über 90 Minuten erleben können: Terry Butcher, der blutüberströmte „Held“ der „Schlacht von Stockholm“. Eine klaffende Platzwunde am Kopf, die nicht weniger als 17 (!) Stiche benötigte, hinderte den Kapitän der englischen Auswahl nicht daran, das WM-Qualifikationsspiel gegen Schweden über die volle Distanz durchzustehen. Für die passende Begleitmusik sorgten einige hundert „Hooligans“, die der Stockholmer Bevölkerung demonstrierten, dass mit dem Empire wieder zu rechnen ist. Wer in Irland katholische Bürgerrechtler erschießt und vor den Falklands argentinische Kriegsschiffe versenkt, der muss sich offensichtlich selbst vor schwedischen Rentnern nicht fürchten.
Terry Butcher ist nicht einfach irgendein Fußballidiot, der seinen Kopf riskieren kann, weil es darin ohnehin nur raschelt. Terry Butcher ist vielmehr die fußballerische Inkarnation des Thatcher-Toryismus und dessen neu-alten Jingoismus, der englischen Version imperialen Chauvinismus. Der bekennende Thatcher-Fan, der bei den rechten Glasgow Rangers unter Vertrag steht, hat seinen eigenen, wenn auch nicht sonderlich originellen Spielstil entwickelt: Butcherismus.
Die Gesinnung eines Spielers drückt sich nicht zuletzt in seiner Spielweise aus. Die leichtfüßigen Techniker sind zumeist liberale Individualisten oder gar noch fortschrittlicheren Zuschnitts, während die biederen, aber brutalen Eisenfüße eher im rechten Spektrum beheimatet sind. Nicht seine dürftigen Ballkünste, sondern seine brutale Spielweise und Kriegermentalität verhalfen Butcher zu zweifelhafter Prominenz. „Butcher“ heißt übersetzt „Schlachter“, und im Falle Terry Butchers ist der Name als Programm zu verstehen. Dass Fußballfunktionäre und Trainer derartige Treter auch noch für nützlich erachten und mit Vorliebe gegen die spielenden Leichtfüßler einsetzen, trägt mit dazu bei, dass das Spiel zusehends verkommt. Mancher mag sich noch an das böse Foul Klaus Augenthalers an Rudi Völler erinnern, das den Bayern letztlich die Meisterschaft brachte und bei dem Opfer einen nachhaltigen Karriereknick bewirkte. Der Zweck heiligt eben die Mittel, allemal im Fußballkapitalismus. (Ich sage nur: Toni Schumacher, WM 1982 in Spanien, Halbfinale gegen Frankreich, nichts ist vergessen ...; Anm. d. Korr.).
Doch die Butchers zerstören nicht nur das Spiel, sie fördern auch den „hooliganism“. Als Kapitän fällt Terry Butcher die Rolle eines Vorbilds zu - nicht nur für den Rest der Mannschaft, sondern auch für die Fans „draußen“ auf den Rängen. Man kann nicht - wie es die englische Boulevardpresse nach Stockholm tat - Butcher als „Helden“ feiern, um zugleich die „Hooligans“ in Grund und Boden zu verdammen. Wenn die „Hooligans“ Butcher als einen der ihren begreifen, dann tun sie dies zu Recht. Denn Butcher bestätigt all jene, die Fußball als Fortsetzung des Krieges mit elf Kameraden und einem Ball betrachten. Beim lapidaren Kommentar des „Helden“ nach dem Schlusspfiff kann es einem als Fußballenthusiast nur kalt über den Rücken laufen: „Was ist denn schon ein bisschen Blut, wenn es um Englands Teilnahme an der Weltmeisterschaft geht“. Die „Fans“, die in der Stockholmer Innenstadt wüteten, mögen nicht anders gedacht haben.
Wenn sich die Fußballfunktionäre und die Thatcher-Presse der Butcher-Verehrung nicht nur anschließen, sondern selbst mit soldatischem Vokabular als deren Betreiber auftreten, dann stehen sie den „Hooligans“ viel näher, als sie wahrhaben wollen. Der Zusammenhang zwischen dem neu-alten Jingoismus, wie er von den Tories und ihren publizistischen Sprachrohren seit Falkland propagiert wird, und der Zunahme von Fußballunruhen ist evident. Die chauvinistische Saat des Thatcherismus ist längst aufgegangen, nur manifestiert sie sich zum Leidwesen der Regierung bisweilen in für das britische Ansehen kontraproduktiven Formen. Eine deutliche Distanzierung von Butcher und seiner Kriegermentalität, der Entzug der Kapitänsbinde und vielleicht gar sein Ausschluss aus dem englischen Team wären der Bekämpfung des „Hooliganism“ erheblich dienlicher als alle „law and order“-Übungen von Regierung und Polizei, die diesen lediglich bestätigen. Denn es ist ja gerade der nach innen wie nach außen starke britische Staat, der den rechten „Hooligans“ als politische Zielvorstellung vorschwebt.
Fußballspieler stehen im Rampenlicht der Öffentlichkeit und fungieren für viele junge Menschen als Vorbilder. Gleich, ob man dies gut oder schlecht findet: Es bleibt eine Tatsache, mit der man umzugehen hat. Deshalb dürfen und können sich die Spieler und ihre Arbeitgeber dem, was sich auf den Rängen und außerhalb der Stadien zuträgt, nicht entziehen. Terry Butcher in der Abseitsfalle, das wäre ein unmissverständliches Signal an die „draußen“.
Die britische Regierung zeigte sich vom jüngsten Auftritt der „Hooligans“ weder schuldbewusst noch peinlich berührt, noch übte sie sich gegenüber den geplagten schwedischen Gastgebern in Zurückhaltung. Stattdessen erdreistete sie sich, in bereits gewohnter arroganter Manier deren „Liberalismus“ zu kritisieren, da die festgenommenen „Hooligans“ bereits nach wenigen Stunden und ohne Anklageerhebung wieder freigelassen wurden. Sicherlich und glücklicherweise: Das sozialdemokratische Schweden ist ein gutes Stück liberaler als das rechtskonservative England, aber eben dies ist ein wesentlicher Grund dafür, warum in dem einen Land der „Hooliganism“ ein deutlich geringeres Phänomen ist als in dem anderen.“
Q: Arbeiterkampf-Zeitung des Kommunistischen Bundes Nr. 310, 18.9.1989, S. 36.
13.11.1989:
Im „Arbeiterkampf-Zeitung des Kommunistischen Bundes“ Nr. 312 vom 13.11. erscheint der Artikel: „Klassenkampf auf St. Pauli.“
Ausgeführt wird: „Vorhang auf: Fußball - Bundesliga; es ist Samstag, der 27. 10. 89, Ort: Hamburg - St. Pauli, Wilhelm-Koch-Stadion. Es geht hart auf 15.30 Uhr zu und die versammelte Fußballgemeinde wartet auf den Anpfiff. Eigentlich nichts besonderes, wäre da nicht der Gegner. Und der hieß in diesem Falle FC Bayern München. Auch noch nichts Bemerkenswertes. Doch stutzig wird der/die fußballbegeisterte Linke, erfährt Mensch, dass die vereinsoffizielle Stadionzeitung „MillernTor Magazin“ auf Betreiben des Gegners nicht verkauft werden durfte.
Anlass waren Artikel, die nach Ansicht der Bayern und auch des DFB dazu geeignet waren, die Stimmung vor dem Spiel anzuheizen. Als ob dies bei dem Gegner in St. Pauli notwendig gewesen wäre. Doch davon mal abgesehen.
„Klassenkampf“ so lautet die Titelzeile der nicht verkauften Ausgabe und in ihrem Innern offenbarte sie etwas, was manchem St. Pauli Fan das Herz höher schlagen lässt: „Es findet so etwas wie Klassenkampf auf dem Spielfeld statt.“ So jedenfalls der Manager der Truppe vom Millerntor, Manfred Campe. Und Helmut Schulte, seines Zeichens Trainer und Bananenfreund, charakterisiert noch prägnanter: ‚Das ist doch klar, Kapital gegen Arbeit“ auf die Frage, wer da gegen wen spielt.
‚Die Auseinandersetzung zwischen diesen beiden Klubs ist mehr als nur ein Fußballspiel. Hier prallen zwei Welten aufeinander, die Lichtjahre voneinander existieren. Die streng kapitalistisch ausgerichtete Glamourwelt des FC Bayern gegen den armen Klub aus dem Arbeiterviertel.“ Soweit die Einschätzung des vereinsoffiziellen Stadionmagazins. Auch über den Rand dieser Schrift hinaus sind solche Gedanken durchaus zahlreich auf den Rängen des Wilhelm-Koch-Stadions vertreten. Doch die Begrifflichkeiten aus dem Repertoire der Gesellschaftsanalyse machen auch vor dem Gral des BRD-Fußballs nicht halt: der DFB selber spricht bei Betrachtung der Bundesliga von einer Zwei-Klassen-Gesellschaft. Gemeint ist damit der Unterschied zwischen den Klubs mit viel Geld und denen mit entsprechend weniger. Dass sich Vereine wie Bayern München, die Werksvereine des Bayerkonzerns oder die Stuttgarter VfB'ler die Freiheit herausnehmen, sich für ihr Geld, die Spieler zu kaufen, die sie für notwendig erachten. Der Rest kann zuschauen bzw. verkaufen. Dies ist zwar ein Problem, aber mit den Klassenverhältnissen in dieser Gesellschaft hat das nichts zu tun.
Angesichts der personellen Besetzung mancher Vereinsvorstandsetage wäre dies auch sehr verwunderlich: Ein Mayer-Vorfelder vom VfB Stuttgart oder auch ein Hans Apel vom St. Pauli - nur um zwei der bekanntesten zu nennen - würden in ihren sonstigen Stellungnahmen eine derartig eindeutige Sprache nicht verwenden. Schon gar nicht in einer Begrifflichkeit, die sie selber eindeutig der linksradikalen Szene zuordnen würden. Doch darum geht es dabei nicht. Nicht die Offenlegung der antagonistischen Widersprüche in dieser Gesellschaft und deren Aufhebung mittels Klassenkampf stehen im Blickpunkt dieser Betrachtungen, sondern das Interessant machen einer Freizeitbeschäftigung. Werbung und mehr nicht. Dass die in einer Fangemeinde, die von Autonomen, Kommunisten, Grünen und Sozialdemokraten durchsetzt ist, anders ausfällt als etwa bei den Bayern, liegt nahe. Als weiterer Aspekt muss das Stadtviertel St. Pauli gesehen werden. Da leben eben genau diese Leute und einige andere mehr. Ausländische MitbürgerInnen neben Zuhältern, Junkies und Malochern. Kein Wunder, dass da der Mythos wächst und gedeiht.
Zugegeben, es macht Spaß zu St. Pauli zu gehen. Dies ist so, auch jenseits aller angelinksten Romantik, solange der Blick für die Realität nicht gänzlich verloren geht. Nichts dagegen, sich seinen Frust über den jämmerlichen Zustand des gesellschaftlichen Klassenkampfes auf den Rängen aus den Kehlen zu schreien. Aber dies darf nicht zum Ersatz desselbigen werden.
Eine bewusste Anbiederung an den in linken Kreisen üblichen Jargon dient nicht nur der Werbung, sondern sie verwässert auch die Begrifflichkeiten. Da fällt es dann nicht mehr auf, dass die Leute, die derartige Töne in der Stadionzeitung von sich geben, sonst in einem leicht yuppiehaften Stadtmagazin ihrer Zunft nachgehen. Auch dort dient eine scheinbar kritische Aufmachung dazu, die Leserschaft aus dem links-alternativen Spektrum bei der Zeitung zu halten.
So wird der Mythos und auch der Ruf eines Underdogs des Bundesligafußballs auf's Spiel gesetzt. Wo Romantik sich mit Proletariertümelei und linken Phrasen paart, feiert Dummerhaftigkeit fröhliche Urstände.
Mit Fußballbegeisterung und bewusstem Handeln als Linker/Linke hat dies nichts zu tun. Im Gegenteil: Sowohl für den Underdog St. Pauli und für linksradikale Politik wäre es besser, endlich wieder mehr Klarheit in den Worten und in den Köpfen zu schaffen. Diese überflüssige Dummerhaftigkeit insbesondere linker Fußballfans muss ein Ende haben!“
Q: Arbeiterkampf-Zeitung des Kommunistischen Bundes, Nr. 312, 13.11.1989, S. 44 und 46.
11.12.1989:
Im „Arbeiterkampf-Zeitung des Kommunistischen Bundes“ Nr. 313 vom 11.12. erscheint der Artikel: „Von Mao lernen heißt siegen lernen. Gedanken zur Krise der Linken und des FC St. Pauli.“
Ausgeführt wird: „Willst du den Geschmack einer Birne kennenlernen, musst du sie in deinem Mund zerkauen“ (Mao Zedong: Über die Praxis). Am Abend des 17. November (es war eine dunkle und stürmische Nacht) machten wir uns auf, in die Birne hineinzubeißen. Wir: drei Fußballfans und Freizeitkicker, der AK-Leserschaft bekannt unter den Kürzeln „dsm“, „as“ und „js“; die Birne:
Die Bundesligamannschaft des FC St. Pauli, die an diesem Abend zu ihrem letzten Vorrundenspiel gegen Fortuna Düsseldorf antreten musste. Zwei Thesen galt es auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen: am Millerntor werde „Fußball pur geboten (...) Fußball in unverfälschter Form, so wie er einst war und wie wir ihn wiederhaben wollen“ (dsm, AK 312, S. 44); und: „Mit den Klassenverhältnissen in dieser Gesellschaft hat das nichts zu tun“ (as, ebd. S. 46).
Damit der Subjektivismus nicht allzu sehr ins Kraut schießt, zunächst die Fakten: Der FC St. Pauli gewann mühsam 1:0, stand am Ende der ersten Halbzeit auf Platz 15 und hatte mit mageren 14 Punkten sein „Minimalziel“ (Trainer Helmut Schulte) erreicht. Einhellig negativ war das Presse-Echo. Das „niveaulose Gekicke“ sei „ein flammendes Plädoyer für die Reduzierung der Fußball-Bundesliga“ gewesen, befand der Sportinformationsdienst (sid, zitiert nach „FR“, 20.11.). „taz-Hamburg“-Redakteur Florian Marten, der von Fußball erheblich mehr versteht als von Politik, ging noch weiter: „Das ist selbst für die zweite Liga zu wenig“. Was die Lieblingsmannschaft nicht nur der Hamburger Linken derzeit zu bieten habe, sei „punkteorientierter Minimalismus“ („taz-hh“, 20.11.). Dass der langweilige „Rotgrün“-Herbeischreiber Marten dem FC St. Pauli vorwirft, was er von den Grünen mit Penetranz verlangt - Konzentration auf das angeblich „Machbare“, die Politik der kleinen Schritte - ist schon ziemlich dreist.
Den linken UnterstützerInnen der Elf vom Millerntor sollte diese Kritik dennoch zu denken geben. Minimalziele sind etwas für grüne Realos und andere Sozialdemokraten. Minimalismus - auch auf dem Fußballplatz - ist mit linken Utopien unvereinbar. Linksradikale sind per definitionem Maximalisten (Gramsci verwendet diesen Begriff für die Bolschewiki des Jahres 1917). Sicherlich bedarf es, damit Maximalismus nicht zum Voluntarismus wird, einer konkreten Analyse der konkreten Situation. Mit anderen Worten: Wir wollen alles, aber sofort werden wir es nicht bekommen. Den Fans aus dem Hafenblock, die gegenüber den (mit Ausnahme von Torwart Volker Ippig) politisch unerfahrenen Ballarbeitern Avantgardefunktionen wahrzunehmen hätten, scheint diese schlichte Erkenntnis zu fehlen. Der sportliche Teil ihres Schlachtrufs „Nie wieder Faschismus - nie wieder Krieg - nie wieder zweite Liga“ wirkt zum gegenwärtigen Zeitpunkt (Saison 1989/90) einfach desorientierend.
Klassenerhalt als höchstes Ziel - das ist Realpolitik reinsten Wassers: bloß nicht unter 5% bleiben, bloß nicht absteigen. Systemoppositionelle Inhalte und spielerische Linie bleiben auf der Strecke. St. Pauli-Manager Volkert, von den linken Fans als Vertreter vermeintlich unpolitischen Professionalismus gehasst, kann einem da fast sympathisch werden. „Wenn man schon untergeht, dann aber mit fliegenden Fahnen“, hatte er vor dem Spiel bei Werder Bremen gefordert. Trainer Helmut Schulte dagegen, der Liebling der Massen, scheint am minimalistischen Zweckfußball festhalten zu wollen. Nicht die miserable Torausbeute (mittlerweile 15 Treffer in 19 Spielen) macht ihm Sorgen, sondern das „immer noch zu unclevere Spiel“ seiner Abwehr. Die Devise „Hinten dicht, vorn hilft der liebe Gott“ stammt aber nicht zufällig von dem reaktionären „Bild“-Kolumnisten Max Merkel. Insgesamt herrscht beim FC St. Pauli also derzeit eine unübersichtliche Situation, die sich nicht - wie auf dem Spielfeld - per Befreiungsschlag klären lässt. Welche Interventionsmöglichkeiten hat die Linke? Die Mahnung von „as“ an die „angelinksten“ St. Pauli-Fans, über der Fußballbegeisterung den Klassenkampf nicht zu vergessen, trifft das Problem nur zum Teil. Warum nicht den Klassenkampf ins Stadion tragen, das Fußballspielen selbst zum Mittel des Klassenkampfes machen?
Hören wir noch einmal Mao Zedong: „Die proletarische Literatur und Kunst sind ein Teil der gesamten revolutionären Sache des Proletariats“ (Reden bei der Aussprache in Yenan über Literatur und Kunst). Fußball ist zwar in den seltensten Fällen Kunst (schon gar nicht beim FC St. Pauli), jedenfalls aber ein wesentlicher Bestandteil der Massenkultur. Grund genug also sich einzumischen. Anfänge sind ja bereits gemacht, siehe z.B. den Aufruf der „Millerntor-Roar“-Redaktion gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit, der, unterschrieben von der gesamten Mannschaft, im Stadion verteilt wurde. An das wesentliche, die während der entscheidenden 90 Minuten zu verfolgende Linie - wagen sich aber auch die härtesten Linksradikalen nur am Biertisch heran. Wie lange wollen wir uns noch mit dem reaktionären Argument abspeisen lassen, dass allein der Trainer die Mannschaft aufstellt und die Taktik festlegt?
Die Linke ist Niederlagen gewohnt und macht trotzdem immer irgendwie weiter. Wer, wenn nicht sie, soll denn die „Rekonstruktion des Fußballs von links“ (dsm) auf den Weg bringen? Hier ist nicht zuletzt theoretische Arbeit gefordert. Gibt es revolutionäre Theoretiker, auf deren Ideen wir aufbauen können? Wenn wir uns den FC St. Pauli als Sport/Spiel/ Spaß-Guerilla in feindlicher Umgebung vorstellen, können wir bei Mao, bei Lin Biao oder bei Che Guevara fündig werden. Seit wann greift die Guerilla den Feind dort an, wo er am schwersten zu besiegen ist (in der angeblich stärksten Liga der Welt)? Auch die glorreichsten Befreiungsbewegungen mussten sich vorübergehend ins Gebirge (zweite Liga, Amateur-Oberliga) zurückziehen. Der Rückzug muss allerdings geplant und diszipliniert verlaufen, um nicht die Massen zu demoralisieren (sonst kommen sie nach dem Abstieg nicht mehr ins Stadion). Eine solche Niederlage ist die Mutter des Erfolges. Der übermächtig erscheinende Feind in den Metropolen (München, Leverkusen usw.) wird vom Land her (Verbands-, Bezirks-, Kreisliga) eingekreist und kann gestürzt werden.
Was für ein Ansporn für den Klassenkampf außerhalb der Stadien! Wenn St. Pauli Deutscher Meister wird, ist alles möglich; auch der Sieg des Sozialismus - zumindest in einem Stadtteil.“
Q: Arbeiterkampf-Zeitung des Kommunistischen Bundes, Nr. 313, 11.12.1989.
05.03.1990:
Im „Arbeiterkampf-Zeitung des Kommunistischen Bundes“ Nr. 316 vom 5.3. erscheint der Artikel: „Der „Taylor-Report“ oder: Über die Bewältigung einer Fußballkatastrophe mittels des Klassenkampfes.“
Ausgeführt wird: „Ende Januar veröffentlichte Lord Justice Taylor seinen 109 Seiten starken und mit Spannung erwarteten Report über das sogenannte „Hillsborough“-Desaster. Zur Erinnerung: Am 15. April 1989 sollte im Sheffielder Stadion „Hillsborough“ ein Pokalspiel zwischen dem FC Liverpool und Nottingham Forest stattfinden. Die Paarung musste jedoch bereits nach wenigen Minuten abgebrochen werden, als auf einer überfüllten Tribüne 95 Liverpool-Fans zu Tode getrampelt und gequetscht wurden. Die Fans wurden Opfer einer „law and order-Politik“, die das Problem von Fußballunruhen dadurch einzudämmen versuchte, dass sie rund um die Spielfelder hohe Gitterzäune errichtete. „Man hat uns behandelt wie Tiere“, lautete das bittere Resumée vieler Liverpool-Fans.
Die rechte Boulevardpresse (darunter selbstverständlich auch die berüchtigte „SUN“, die noch einige Jahre zuvor die Errichtung der „Schutz-Zäune“ mit der Schlagzeile gefordert hatte: „Sperrt die Biester in Käfige“) und die Polizei beschuldigten zunächst die Fans, für die Katastrophe verantwortlich zu sein. Liverpool-Fans hätten Liverpool-Fans mutwillig zu Tode getrampelt, um sie anschließend auszurauben. Zur Hilfe eilende Polizisten seien von alkoholisierten Fans anuriniert worden etc. Doch die Story überlebte keine 48 Stunden, da ihr neutrale Augenzeugen vehement widersprachen.
Die Story war nichts weiter als ein infamer Versuch der Fußballoberen, der Polizeiführung und der rechten „law and order-Politiker“, von der eigenen Verantwortung für das Geschehene abzulenken.
Schon bald stellte sich nämlich heraus, dass die Katastrophe vor allem durch schlechte Organisation (für die die Polizei verantwortlich war), eine diskriminierende Kartenvergabe zuungunsten der zahlenmäßig deutlich überlegenen Liverpool-Fans wie eben der besagten „Schutz“-Zäune verursacht worden war. Die von der Thatcher-Regierung in Auftrag gegebene Studie hatte zur Folge, dass die Einführung von „ID-cards“ für Fußballfans erst einmal auf Eis gelegt wurde. Thatcher hatte den britischen Profiklubs ein Ausweissystem aufnötigen wollen, das nur noch registrierten und von an den Eingängen installierten Polizeicomputern gecheckten Anhängern Zutritt zu den Stadien gewähren sollte. Doch Taylor kam in seinem Report zu dem Schluss, dass das „ID-cards“-System den bereits existierenden Gefahren für die physische Integrität der Zuschauer nur noch eine weitere hinzufügen würde. So könnte es im Falle nicht - oder zu langsam arbeitender Computer zu einem gefährlichen Gedränge vor den Eingangstoren kommen.
Mit dem Taylor-Verdikt ist das „ID-cards“-System indessen keineswegs vom Tisch. Es landete lediglich in der Ablage, wo es jederzeit - etwa nach der nächsten Fußballkatastrophe oder im Falle der Bereitstellung einer entwickelteren Computertechnik, die Taylors Einwände berücksichtigt - wieder herausgeholt werden kann. Denn Taylors Bedenken bezüglich der „ID-cards“ sind rein technischer Natur; über ihren totalitären und repressiven Charakter verliert der Lord in seinem Report hingegen kein Wort. Mit den restlichen Empfehlungen Taylors kann die Regierung bestens leben. Diese laufen nämlich in ihrer Konsequenz exakt auf das hinaus, was den neu-rechten Ideologen des Thatcherismus, die das Fußballspiel und seine Kultur einer elitären Klassenkritik unterziehen, und den in ihrem Windschatten segelnden Geldmachern bereits seit Jahren ein Herzensanliegen ist: auf die Zerstörung eines - ohnehin schon im Atomisierungsprozess befindlichen - proletarischen Milieus bzw. die Enteignung dessen kultureller Institution Fußball, zugunsten einer konsequent konsumorientierten Fußballindustrie bzw. deren Unterwerfung unter die harschen ökonomischen Spielregeln des Thatcherismus. Einem echten Neo-Konservativen ist der Anblick der proletarischen Massen, die sich Samstag für Samstag zu Hunderttausenden in den englischen und schottischen Ligastadien versammeln und sich nicht seinem Verhaltenskatalog entsprechend benehmen, ebenso zuwider, wie es für ihn unakzeptabel ist, dass es noch Plätze im Großbritannien der Thatcher-Revolution geben soll, die nicht von seine Kultur beherrscht werden.
Jagt die Lords hinfort
Lord Justice Taylors Report folgt einer schon als traditionell zu bezeichnenden Unsitte: Unterschiedliche Ereignisse und Probleme werden in einer unzulässigen Weise miteinander vermengt, damit das Ergebnis der Untersuchung auch ja die strategischen Absichten der Regierung bestätigt. Ein generelles Problem derartiger Untersuchungen, denen von der britischen Öffentlichkeit gewöhnlich eine erhebliche Autorität zugestanden wird, ist, dass mit ihnen zumeist Vertreter der Justiz beauftragt werden, die in der Sache eher amateurhaft und unbewandert sind, aber zu den tonangebenden Kräften im britischen Staat, Aristokratie und Großbürgertum zählen. So ist sowohl garantiert, dass an den eigentlichen Problemen kräftig vorbeigeredet wird, als auch die Sichtweise einer bestimmten Klasse die Schlussfolgerungen dominiert.
Ein beredtes Beispiel hierfür ist der Bericht der „Popplewell-Kommission“, die sich ursprünglich mit einem Brand im Stadion von Bradford befassen sollte. Im Mai 1985 war dort während eines Ligaspiels eine alte, aus dem Jahr 1908 datierte Holztribüne in Brand geraten, wobei 57 Menschen ums Leben kamen. Feuertechnische Untersuchungen ergaben später, dass das Feuer vermutlich durch ein achtlos weggeworfenes Streichholz ausgelöst wurde. Die Zuschauer verbrannten bei lebendigem Leibe, weil sie am hinteren Ende der Tribüne, unter der zu allem Überfluss auch noch Müll gestapelt wurde, auf verschlossene Türen stießen. Das Vorgehen der Kommission wurde bereits in dem Moment problematisch, als ihr Mandat eine Erweiterung um die Erörterung der Ereignisse von Brüssel (am 30.5.1985 kamen 38 Menschen, die vor prügelnden Liverpool-Fans flüchteten, unter eine eingestürzten Tribünenwand im Brüsseler Heysel-Stadion zu Tode) und von Fußballunruhen in Birmingham erfuhr, obgleich diese Problemkomplexe sich von der Bradford-Tragödie deutlichst unterschieden.
Allein schon das Zusammenwerfen dieser drei Ereignisse musste suggerieren, Bradford habe in gleicher Weise etwas mit dem Problem des „Hooliganism“ zu tun wie Brüssel und Birmingham. Verstärkt wurde dieser Eindruck noch durch eine Reihe auf Bradford bezogenen Aussagen im späteren Bericht der Kommission selbst. So wurde wiederholt auf einen Zeitungsbericht verwiesen, der Mitglieder einer jugendlichen Gang bezichtigte, Rauchbomben geworfen zu haben, die dann das Feuer verursacht hätten. Eine Story, die sich bereits weit vor der Veröffentlichung des Kommissionsberichts als unhaltbar erwiesen hatte. Desweiteren mokierte sich die Kommission über das rituelle Verhalten einiger jugendlicher Fans, die auf der Tribüne, die später niederbrannte, getanzt und gesungen hätten. Zwar geriet dadurch nicht die Tribüne in Flammen, aber offensichtlich ging es der Kommission darum, ein gesamtes Milieu zu rügen. Wenn das Tanzen und Singen auf den Rängen (und von mir aus auch noch das Gröhlen) bereits als „ungebührlich“ und unbedingt veränderungswürdig betrachtet wird, dann verdeutlicht dies lediglich das Ausmaß der Verhärtung sozialer Einstellungen, für die die neokonservative Herrschaft steht.
Eine erheblich aufschlussreichere, für die herrschende Politik indessen unbequemere Einschätzung und Einordnung der Bradford-Katastrophe liefert Ian Taylor, nicht identisch mit dem bereits vorgestellten Lord, sondern Soziologe und Gastprofessor am Institut für Kriminologie an der Universität Cambridge. Taylor verweist auf die Tatsache, dass das Stadion von Bradford im wesentlichen aus einer baufälligen Tribünenkonstruktion besteht, „die in einer hauptsächlich von Arbeitern bewohnten Gegend errichtet und als solche im Laufe der Jahre nur einigen unsystematischen Inspektionen unterzogen und mit bedeutungslosen Verordnungen belegt wurde.“ Die Zustände im Stadion von Bradford seien ein präzises Beispiel dafür, ‚was ich an anderer Stelle als „generelle Einstellung der herrschenden Klasse in Großbritannien“ beschrieben habe, ,die es zugelassen hat, dass der Staat die Arbeiter - selbst im Rausch des Wiederaufbaus nach dem Krieg - in verwahrlosten und unsicheren Häuserblocks einquartiert hat, deren Abstieg zum Ghetto bereits abzusehen war.
Dieselbe Gleichgültigkeit hatte zur Folge, dass die Gesetzgebung für die Sicherheitsbestimmungen in den britischen Fabriken der Nachkriegszeit nach wie vor uneffektiv ist. Auch der Abstieg des National Health Service zu einem überbelasteten und unterfinanzierten, sich vor allem (und auf uneffektive Weise) mit den Armen beschäftigenden, bürokratischen Alptraum geht auf das Konto dieser Gleichgültigkeit.` Das Jahr 1987 brachte für diese Gleichgültigkeit gegenüber der Sicherheit und der Lebensqualität breiter Schichten der Bevölkerung eine Reihe weiterer Beispiele: die Praxis der Überladung von Kanalfähren, die durch die Enthüllungen nach dem Untergang der „Herald of Free Enterprise“ im Hafen von Zeebrügge ans Tageslicht kam, oder die Enthüllungen über die Anhäufung von Dreck und Abfall in der Londoner U-Bahn, denen durch den Brand in der Station King's Cross im November desselben Jahres (bei dem 35 Menschen ums Leben kamen) für kurze Zeit das Interesse der Medien zuteil wurde. Solche gefährlichen, auf Verharmlosung zurückzuführenden Bedingungen sind charakteristisch für viele Sportstadien, aber auch für die anliegenden Wohngebiete der Arbeiterklasse und einen immer größeren Anteil des öffentlichen Raumes in Großbritannien. (Ian Taylor, „A Slum Sport watched by Slum People“. Fußball und Gewalt in der Ära Thatcher, in: Horak/Reiter/Stocker (Hrsg.): „Ein Spiel dauert länger als 90 Minuten“. Fußball und Gewalt in Europa, Hamburg 1988)
Auch das „Hillsborough“-Desaster hatte einen Klassencharakter. Der „Guardian“ berichtete, die Fußballfirmen hätten an den Stätten ihrer Vergnügungsindustrie zwar die teuersten Überwachungsanlagen installiert, aber die simpelsten Rettungsgeräte wären in Sheffield nicht vorhanden gewesen. „Wie passend, dass man statt der fehlenden Tragbahren auf Reklametafeln zurückgreifen musste“, lautete das bittere Fazit der Zeitung (zit. nach Niels Kadritzke, Ist der Ball noch rund? Ansichten vom Fußball, SFB-Sendung v. 26.10.1986).
Doch zurück zu Taylor dem Lord. Die zentrale Forderung seines Reports besteht in dem Umbau aller Stadien in Großbritannien, in denen professioneller Ligafußball gespielt wird zu reinen Sitzplatzarenen. Alle Vereine der englischen ersten und zweiten Liga und der schottischen ersten Liga haben diesen Umbau bis zum Start der Saison 1994/95 zu vollziehen. Bis dahin wird ihnen eine jährliche Reduzierung ihrer Stehplatzkapazitäten von 20% abverlangt. Dem Rest der Vereine - insgesamt handelt es sich um ca. 100 - wird bis 1999 Zeit gelassen. Folglich beträgt für sie die jährliche Stehplatzreduzierungsrate nur 10%.
Taylor kritisiert ausführlichst die unakzeptablen Standards in Englands und Schottlands Stadien, die „schlechtes“ und „unwürdiges“ Benehmen fördern würden. Der miserable Zustand vieler, zumeist völlig veralteter Stadien soll so wenig bestritten werden wie die prinzipielle Notwendigkeit, diesem abzuhelfen. Aber die Art und Weise, in der Taylor seine Kritik führt, suggeriert, die Katastrophe von Sheffield habe eben doch etwas mit Fan-„Hooliganism“ zu tun. Ersten Schätzungen zufolge wird der Umbau der Ligastadien ca. 130 Millionen Pfund verschlingen. Der Umbau wird u. a. so teuer, weil Sitzplätze - im Gegensatz zu Stehplätzen - stets einer Überdachung bedürfen. Für eine Reihe von Klubs wird die Sitzplatzforderung das „Aus“ bedeuten, da sie die für den Umbau notwendigen finanziellen Mittel nicht werden aufbringen können.
Dass die Regierung das Modernisierungsprogramm im umfangreicheren Maße subventionieren wird, ist kaum anzunehmen. Denn dies widerspräche der Philosophie des Thatcherismus wie dem Sinn der "Operation Sitzplatzstadien". Bereits im Mai 1985 schrieb die „Sunday Times“ zur Frage der Modernisierung der Stadien und den damit verbundenen Kosten: „Den Klubs sollte tatsächlich nur eine minimale Umstellungszeit zugestanden werden, um den geforderten Sicherheitsstandards zu entsprechen. Jene Vereine, die das nicht schaffen, sollten aufgelöst werden. Da die erforderlichen Verbesserungen wahrscheinlich eine Menge Geld kosten, werden lediglich die attraktiven Klubs, die große Zuschauermengen anziehen können, in der Lage sein, sich dies auch leisten zu können. Der Rest wird verschwinden. Das wäre allerdings keine schlechte Sache: Ein Großteil der 92 , erstklassigen Klubs der englischen Liga ist bestenfalls drittklassig. Die Fußballigen müssen ausgesiebt werden. (...) Die Regierung sieht sich bereits den ausgestreckten Armen dieser Bettler gegenüber, und wie immer besteht die Gefahr, dass schließlich der Steuerzahler die Rechnung begleichen muss. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass finanzielle Unterstützung nicht ausreicht, wenn es um die Veränderung des Spiels geht; abgesehen davon erscheint es absurd, einen professionellen Sport mit Staatsgeldern zu unterstützen. Diese Gelder werden den Fußball lediglich auf miserable Weise am Leben erhalten, ähnlich einer ausgedienten, viktorianischen Fabrik, die Produkte herstellt, die kein Mensch mehr kaufen will.“ („Sunday Times“ v. 19.5.1985, zit. bei Taylor, s.o.)
Das Modernisierungsprogramm wird die Vereine - wollen sie überleben - zu weiteren Kommerzialisierungsmaßnahmen nötigen. Bereits seit Jahren nimmt der Anteil der Zuschauereinnahmen an den Gesamteinnahmen der Klubs stetig ab. Rangers Glasgow beispielsweise, im Übrigen bislang der einzige britische Fußballklub, der über eine reine Sitzplatzarena verfügt, tätigt heute 70% seiner Einnahmen aus anderen Quellen als dem Kartenverkauf. Der einfache Fan verliert somit zusehends auch noch seine letzten Einflussmöglichkeiten. Hiermit korrespondiert die Tendenz, die Stadien zum kommerziellen und konsumentenfreundlichen Stätten auszubauen, um auf diese Weise so viel Geld wie nur irgend möglich aus den Grundstücken herauszuholen.
Wie diese dann aussehen können, lässt sich am Beispiel des holländischen Philips-Vereins PSV Eindhoven studieren: ‚Das Stadion ist zu einem Freizeitareal mit Boutiquen, Restaurants und Gesellschaftsräumen umgestaltet. Sein Clou ist der Logentrakt, der freilich den Sponsorenfirmen vorbehalten ist. Hier wird den besseren Gästen nicht nur das Feinste aus Küche und Keller, sondern auch ein besonderer akustischer Cocktail serviert. „In einem speziellen Raum wird der an verschiedenen Orten der Arena aufgenommene Ton gemischt, so dass der Zuschauer in den Logen die Zurufe der Spieler, den Schlag gegen den Ball sowie die Stimmung auf den Rängen mit einer Authentizität vernimmt, die kaum noch zu übertreffen ist.` Die Schilderung der ,Neuen Zürcher Zeitung` macht es ganz klar: Hier wird das Erlebnisbedürfnis des Stadionbesuchers mit allen Bequemlichkeiten des Fernsehzuschauers zu einer neuen Fußballwahrnehmung systhetisiert: das high tech gesteuerte live-event als exklusive Wahrnehmungsform der Reichen.“ (Kadritzke, s.o.)
Da es sich bei einer Reihe von englischen Stadien um sogenannte Stadtstadien handelt, besitzen diese für die Planer und potentiellen Profiteure kommerzieller und konsumentenfreundlicher Umgestaltung, die sich bereits bei der thatcheristischen Innercity-Sanierung eine goldene Nase verdient haben, eine besondere Attraktivität. (1) Der Taylor-Report begrüßt diese Tendenz ausdrücklich, wenn er den Vereinen empfiehlt, die Fans bereits Stunden vor dem Anpfiff mit einem reichhaltigen Unterhaltungs- und Konsumangebot zu locken, auf dass sich diese frühzeitig in die Stadien begeben und so Menschenstaus à la „Hillsborough“ zu vermeiden. Es gibt halt keine Katastrophe, die sich nicht noch zum Nutzen des Kapitals und seiner strategischen Absichten ausbeuten lässt.
Gesucht: Ein anderer Zuschauer
Was wird die Sitzplatzorientierung für den „einfachen Zuschauer“ bedeuten? Sitzplätze kosten mehr Geld, da sie mehr Raum beanspruchen und von ihrer Unterhaltung her teurer sind. Ein Teil des proletarischeren Publikums wird deshalb in Zukunft wegbleiben, da es sich das Fußballereignis „live“ nicht mehr leisten kann. Dazu kommt noch - was wahrscheinlich sogar von größerer Bedeutung ist - ein Verlust an Atmosphäre, die selbst Teil der proletarischen Fußballkultur war. Die Errichtung von Stehplatzterrassen war seinerzeit eine bewusste Entscheidung, die mit dem proletarischen Klassencharakter großer Teile des Publikums korrespondierte. Stehplätze sind nicht nur billiger, sie erlauben auch ein ungleich höheres Maß an Kommunikation als Sitzplätze. Die Entscheidung für reine Sitzplatzarenen ist deshalb auch eine Entscheidung für ein sozial anders strukturiertes Publikum. Sitzplätze sollen im stärkeren Maße solche Leute anziehen, die in der Vergangenheit nicht in die Stadien fanden, weil ihnen dort a) zu viele „Prolis“ herumliefen und b) nicht genug Komfort geboten wurde.
Es geht somit um zwei Dinge: Was die Vereine anbelangt, so benötigen sie - den Spielregeln der free market economy ausgesetzt - mehr Geld, um im Fußballkapitalismus überleben und konkurrieren zu können. Da stimmt es kaum verwunderlich, wenn mehr und mehr Fußballklubs, zumeist traditionsreiche Familienunternehmen, von Thatcheristen übernommen werden (der von der „Sunday Times“ angestellte Vergleich mit „viktorianischen, ausgedienten Fabriken“ ist in der Tat gar nicht so absurd). Der Bourgeoisie geht es ihrerseits um totale kulturelle Hegemonie, um die Eroberung und Auflösung auch der letzten Reservate proletarischen Milieus. Dieses Milieu wird zwar niemals aus den Stadien völlig verschwinden, aber es soll zumindest an den Rand gedrängt werden, damit es nicht mehr länger das Image der Fußballkultur beeinflusst. Für beide Ambitionen - die der Chefetage einiger Fußballklubs wie die der Bourgeoisie - die ökonomischen wie die kulturellen - wird ein neues Publikum gesucht. Auf dass der Fußball nicht länger ein ‚Slum-Sport für Slum-Leute bleibe (Sunday Times", s.o.).
Anmerkung:
(1) Diesbezüglich berichtet Niels Kadritzke (s.o.) folgende - fast schon skurril anmutende - Episode aus der Welt von Fußball und Kapitalismus: „David Bulstrode steht der Immobilienfirma Merler Estates vor. Zusammen mit Robert Turner, dem Manager der Tochterfirma SB Property, bildet er auch nebenberuflich ein eingespieltes Team. Bulstrode ist Präsident, Turner technischer Direktor des Londoner Erst-Liga-Clubs Queens Park Rangers. Kaum gewählt, kam den beiden die hintergründige Idee, dem Nachbarklub FC Fulham eine Fusion anzubieten. Angeblich, um einen dritten Londoner Großverein auf die Beine zu stellen. Aber natürlich braucht ein Verein keine zwei Stadien. Der Fulham Football Ground wäre also überflüssig geworden. Und die Firma SB Property hätte ein Filetstück des Londoner Grundstückmarktes endlich seiner marktwirtschaftlichen Zweckbestimmung zuführen können. Der Plan scheiterte allerdings an den Fulham-Anhängern, die ihre Vereinsführung zwangen, den Stadion-Spekulanten eine Absage zu erteilen. Aber die Queens-Park-Rangers-Bosse haben nicht aufgegeben. Mit Auslaufen des Pachtvertrages haben sie sich die Verfügung über das Fulham-Gelände gesichert. Ihrer SB Property ist es außerdem gelungen, den Grund und Boden unter Kontrolle zu bekommen, auf dem das Stadion des FC Chelsea steht. Um den Abriss zu verhindern, haben die Chelsea-Manager folgende Abwehrstrategie entwickelt: Sie wollen das Gelände selber kaufen und in eigener Regie teilweise kommerziell überbauen. Das erfordert freilich eine Aufstockung des Vereinskapitals. Um nicht von Immobilienhaien geschluckt zu werden, muss der FC Chelsea also selbst unter die Bauspekulanten gehen.“
Q: Arbeiterkampf-Zeitung des Kommunistischen Bundes Nr. 316, 5.3.1990.
20.08.1990:
Im „Arbeiterkampf-Zeitung des Kommunistischen Bundes“ Nr. 321 vom 20.8 erscheint der Artikel: „Schwarz-Rot-Gold.“
Ausgeführt wird: „War es ein ausgeklügeltes politisches Projekt? Jedenfalls hat der WM-Sieg der Beckenbauer-Elf in der BRD mehr zu Rehabilitierung und Mobilisierung deutsch- nationaler Emotionen beigetragen, als die Öffnung der Mauer und die folgende Einverleibung der DDR. Wurde in der DDR schon wenige Wochen nach dem 9.November das Geier-Fähnchen geschwenkt, so eroberte es hierzulande die Straße erst endgültig nach Brehmes Elfmeter. Trotzdem lässt sich das eine kaum vom anderen trennen. Der WM-Sieg setzte nur etwas frei, was sich in den Köpfen der Leute seit dem 9. November, wenn auch oftmals widersprüchlich, so aber nichtsdestotrotz kontinuierlich entwickelt hatte. Möglicherweise manifestierte es sich in der Nacht zum 9. Juli auch deshalb in so geballter Form, weil der WM-Sieg dazu einlud, die Widersprüchlichkeit beiseite zu räumen, um sich dem nationalen endlich ungehemmt hinzugeben. Tatsache ist, dass kein deutscher WM-Sieg so bejubelt wurde wie der Dritte.
„Da ist mehreres zusammengekommen: die Ost-West-Entwicklung, die Währungsunion und jetzt die Fußballweltmeisterschaft“ (Jürgen Klinsmann).
Das erschütterndste Erlebnis bei dieser WM, dass das spielerische Desaster noch bei weitem übertraf, war für mich, wie das „linksliberale Lager“ mit jedem deutschen WM-Sieg mehr unter die Geier- Fahne zog. Da wurde in man in seinem eigenen persönlichen und politischen Umfeld als Spielverderber gebrandmarkt, weil bei unsereins die rechte Freude halt nicht aufkommen wollte. Dass man für die Iren fieberte, wurde als Spinnerei toleriert, wenn gleich mit bösem Unterton: Als Deutscher habe man ja eigentlich die eigene Mannschaft anzufeuern. Mit Nationalismus habe das im Übrigen - sollten meine Probleme hier liegen - überhaupt nichts zu tun. Und wenn doch, dann sei dies reiner Fußball-Nationalismus, mehr nicht. Aus der belächelten Spinnerei wurde bitterer Ernst, als die Deutschen im Halbfinale auf England trafen. Da die Iren eine Runde vorher ausgeschieden waren, verlieh ich meine Sympathien an die nächsten „Inselaffen“.
Das war nun völlig unmöglich, denn schließlich handelte es sich bei diesen um direkte Kontrahenten der Deutschen. Folglich wurde ein kollektives Glotzegucken ausgeschlossen. Die fanatischsten Fußballfans hatten auf einmal an diesem Abend „schon was anderes vor“ oder waren „müde“ und wollten folglich „ganz schnell ins Bett“. Scheinbar links hieß es dann noch: „Also, das mit den Iren, das konnte ich ja noch verstehen, aber mit den Engländern ... Nachdem, was die alles den Iren angetan haben...“ Niemand kam auf den Gedanken, zu fragen, wie man denn die deutsche Elf guten Gewissens unterstützen könnte, nachdem was die Deutschen den Juden, den Russen, den Polen, den Franzosen, den Holländern, den Norwegern etc. alles angetan haben. Und: Was hat man eigentlich als linksliberaler Deutscher davon, wenn eine Truppe den WM-Sieg davonträgt, die als Werbeagentur in Sachen Schwarz- Rot-Gold fungiert und zu 80% eine CDU-Truppe ist? Selbst ein SPD-Wähler kann daraus keinen persönlichen und politischen Profit ziehen.
Doch zurück zu den „Inselaffen“: Die diesbezügliche Verwirrung ist leicht aufzulösen. Zum einen wollte ich einfach nicht, dass die Deutschen gewinnen, da dies nur nationale Aggression und Überheblichkeitsgefühle freisetzen konnte. Wiedervereinigung und Weltmeisterschaft in einem Jahr, so meine Meinung, das war eindeutig zu viel des Schlechten, das konnten die Deutschen nicht verkraften, und sie taten es auch nicht, wie die Ausschreitungen nach dem Finale zeigten. Wenn schon ein „W“ sein musste, dann bitte die Weltmeisterschaft, aber da die Wiedervereinigung schon so gut wie gelaufen war, hatte sich die Beckenbauer-Elf zu blamieren. Hinzu kam aber auch, dass die englischen Spieler einfach sympathischer waren (Terry Butcher ausgenommen...) als die deutschen „Sympathieträger“. Während meiner Zeit in Nordirland hatte ich genügend Gelegenheit gehabt, die Barnes, „Waddles und Gascoignes per TV und Sportzeitung kennenzulernen. Womit wir zu der bewegenden Frage kommen, wie man als Linker seine Sympathien in Sachen Fußball bestimmen und verteilen sollte. Auf keinen Fall nach biologistischen Kriterien: ‚Weil ich ein Deutscher bin, sympathisiere ich mit der deutschen Elf. Auch wenn ich links bin, während diese und die sie unterstützenden Kräfte im Lager meiner politischen Gegner anzusiedeln sind.“
Wenn meine Sympathien den Iren galten, dann schlicht und einfach deshalb: 1. Die Iren haben in ihrer Geschichte niemals andere Völker überfallen, sondern waren stets selber ein unterdrücktes Volk. Von daher ist die Gefahr, dass Fußballsiege im irischen Volk falsche Emotionen mobilisieren, äußerst gering. Von der BRD lässt sich dies nicht sagen. 2. Die irische Mannschaft und ihr Trainer sind nicht nur persönlich sympathischer, sie stehen mir auch politisch näher. Immerhin gilt der Bergarbeitersohn Jackie Charlton - by the way ein Engländer - als ein Anhänger des linken Labour-Flügels. Auch von einigen der Spieler sind vernünftige Ansichten bekannt. Die Rückkehr nach Dublin wurde verschoben, um nicht mit einem Auftritt von Nelson Mandela zu kollidieren. Einigen der Spieler wird gar nachgesagt, sie hegten gewisse Pro-IRA-Sympathien.
Auf jeden Fall gestaltet sich das gesamte Auftreten der Mannschaft erheblich lockerer und sympathischer als das der Beckenbauer-Zöglinge. 3. Die irischen Fans zählen zu den „besten Fans“ überhaupt. Sie gelten zwar als äußerst trinkfreudig (und sind es auch), sind aber niemals in Schlägereien mit den Fans gegnerischer Mannschaften verwickelt und gelten zudem als ausgesprochen unchauvinistisch. Von den deutschen Fans lässt sich dies nicht sagen. Bezeichnenderweise waren es - jeden falls laut der offiziellen WM-Statistik - die deutschen „Hooligans“ (und nicht die englischen, wie vorher angenommen), die während der WM für die meisten Zwischenfälle sorgten. Selbst von einem nur linksliberalen Standpunkt aus betrachtet, gab es also eine Reihe von guten Gründen, andere Mannschaften als die des DFB zu unterstützen. Oder andersherum: Es gab nur einen Grund, als Linksliberaler für die DFB-Elf zu fiebern: deutsche Zwangssolidarität. Mit entsprechender Ausschließlichkeit wurde diese Position dann auch verfochten. Diese Ausschließlichkeit ist und bleibt das Unangenehme am deutschen Nationalismus, weshalb es auch barer Unfug war, den Taumel auf Deutschlands Straßen mit südländischer Begeisterung gleichzusetzen.
Es bleibt die Frage, warum die Begeisterung für die deutsche Elf dieses Mal - anders als 1982 und 1986 - nicht auf das konservative Spektrum beschränkt blieb. Sicherlich spielte diesbezüglich der offizielle nationale Druck eine erhebliche Rolle. Nachdem man in den letzten Monaten mehr oder weniger nur herumgemäkelt hatte, wollte man endlich dabei sein. Von zumindest genauso entscheidender Bedeutung war das gewandelte Auftreten der deutschen Kicker, auf wie außerhalb des Spielfelds, sportlich wie sozial. Oder sagen wir es so: Das gewandelte Auftreten hat das Dabeisein ganz entscheidend erleichtert - die deutsche Nationalmannschaft als Eintrittskarte zum Mitmachen beim Projekt „Deutschland“. Das war nicht mehr jene tumbe Truppe, die 1982 und 1986 von einem Fettnäpfchen ins nächste stolperte. Über die Vizeweltmeister von Spanien und Mexico war leicht lästern. Sie wurden eben nur „Vize“ und dies auch noch völlig unverdient. Da fiel es keinem Linksliberalen schwer, sich von der Truppe zu distanzieren. Die Beckenbauer-Elf von 1990 vermied jedes Fettnäpfchen tunlichst, präsentierte sich aufgeschlossen und modern. Man darf davon ausgehen, dass das neue Image hinter den Kulissen intensivst geprobt wurde.
In Italien präsentierte sich (jedenfalls vordergründig) kein mit Minderwertigkeitskomplexen und Neid beladener Nationalismus eines Zukurzgekommenen, sondern der souveräne Nationalismus eines Siegers, der weiß, dass ihm die ganze Welt ehrfurchtsvoll zu Füßen liegt, und dass er nur noch zugreifen muss. „Es tut mir leid für den Rest der Welt, aber für die nächsten Jahre ist Deutschland von niemandem zu besiegen“ (Franz Beckenbauer). Von einem solchen, erfolgreichen, weniger tumb agierenden Nationalismus ist sich offensichtlich wesentlich schwieriger zu distanzieren. Dazu kommt noch das veränderte soziale Antlitz der DFB-Truppe, das der Welt des „neuen Mittelklässlers“ wesentlich näher kommt als das des traditionellen Kickers. Der „neue“ Kicker ist zur Formulierung ganzer Sätze imstande (auch wenn sie ständig mit „Na gut...“ beginnen), versiert im Umgang mit Medien und Öffentlichkeit, gibt sich weltmännisch (ist deswegen aber keineswegs weniger deutsch, was auch gar nicht sein muss, da Europa und die Welt ja selbst zusehends deutscher werden) uns ist weniger total auf den Ball abonniert.
Seine Zukunft liegt im Bereich des Management, des Showgeschäfts oder des Journalismus, aber ganz sicherlich nicht in der Übernahme einer Tankstelle oder eines Lotto-Toto- Ladens mit angeschlossenem Zeitschriftenhandel. Die „Igittigitt“-Haltung, mit der große Teile der Mittelklassen den Fußball in der Vergangenheit begleiteten, befindet sich in Auflösung. Da große Teile der Linksliberalen dort klassenmäßig zu kategorisieren sind, betrifft dies auch sie.
Dass der hässliche Deutsche damit keineswegs der Vergangenheit angehört, zeigte sich spätestens nach dem Finale, als in diversen Städten zur Hatz auf alles „Undeutsche“ geblasen wurde. Aber auch beim Spiel gegen Holland wurde die Maske fallen gelassen: Faßbenders rüde Kommentare, die Ausschreitungen entlang der deutsch-niederländischen Grenze etc.
Aber ein Sieger muss sich damit nicht lange aufhalten, kann geflissentlich darüber hinweg gehen. Die Linksliberalen, die einen am Vorabend noch dafür angemacht hatten, dass man sich an der nationalen Bierseeligkeit nicht beteiligen wollte, senkten ein wenig die Köpfe, aber das war es dann aber auch. Auch in dieser Hinsicht war der deutsche Sieg eine Katastrophe.“
Q: Arbeiterkampf-Zeitung des Kommunistischen Bundes Nr. 321, 20.8.1990.
18.11.1991:
Im „Arbeiterkampf“ vom 18.11. erscheint der Artikel „Kein Fußbreit den Faschisten!“ Danach wird ein „Stadionverbot für ausländerfeindliche Parolen bei St. Pauli“ gefordert.
„Für viele Fußballfans, genauer gesagt für Fans aus dem linken und alternativen Spektrum, war und ist der FC St. Pauli auch über Hamburg hinaus etwas anderes als andere Vereine im bezahlten Fußball der BRD. Sei es die Atmosphäre am Millerntor, der angebliche familiäre Charakter des Vereins oder das Fehlen von ausländerfeindlichen Sprüchen und Parolen im Stadion.
Doch auch im letzten Punkt hat den FC St. Pauli die Realität anscheinend eingeholt. Beim Heimspiel am 4. 10. kam es zu einer Schlägerei zwischen einem türkischen und anderen Fans. Der türkische Fan wollte Bier holen, stellte sich an und hörte, wie eine Gruppe von ca. zehn Leuten immer wieder rief: „Ausländer raus“. Da er sich im Stadion bis zu diesem Zeitpunkt sicher fühlte, rief er „Nazis raus!“, doch als ihn die anderen attackierten, kam ihm niemand zu Hilfe. Er wurde zusammengeschlagen und anschließend noch von der Polizei stundenlang festgehalten. Die meisten der anwesenden Fans erfuhren diesen Vorfall erst aus den Medien, wenn überhaupt …“
Q: Arbeiterkampf Nr. 336, 18.11.1991.
01.07.1992:
Im „Arbeiterkampf“ vom 1. 7., erscheint ein Artikel zur Fußballeuropameisterschaf 1992.
Ausgeführt wird u. a.: „Im Göteborger EM-Finale hatten die Dänen mehr Dampf drauf, spielten wie im Rausch, gewannen sensationell 2:0. Unbegreiflich für die Experten vom Schlage der Breitner, Rummenigge und Merkel - und eine echte Herausforderung an den linken (Fußball-)Verstand - ist vor allem die Frage: Wie kommt es, dass die sonst so penetrant selbstherrlichen deutschen Elitekicker bei dieser EM über weite Strecken Angsthasenfußball gespielt haben; während die selbstkritischen Dänen … mutig aufspielten und sich von Spiel zu Spiel steigerten? Die von Luis Cesar Menotti, dem Trainer der argentinischen Weltmeistermannschaft von 1978, geprägte Gegenüberstellung von „linkem2 und „rechtem“ Fußball gilt hier insoweit, als die deutsche Niederlage eine Niederlage des „rechten“ Fußballs ist, den Menotti als 2Domestizierung eines wilden, kreativen Spieltriebs durch eine buchhalterische Input-Output-Logik“ definiert.
Ob der dänische Fußball als „links“ bezeichnet werden kann, soll einstweilen dahingestellt bleiben. Immerhin fielen mehrere dänische Spieler, die in der Bundesliga unter deutschen Trainern bisher eher „rechten“ Zweckfußball gespielt haben, bei der EM durch überdurchschnittlichen Spielwitz auf.
Es ist eine immer wieder zitierte Binsenweisheit, dass für die Leistungen von Fußballprofis „das Umfeld“ mitentscheidend ist. Dazu gehören allerdings nicht nur Verein, Trainer, Management und Publikum, sondern auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.
Dass Sport, vor allem Fußball als Massensport Nr. 1, die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist oder sein kann, wurde beim Gewinn des Weltmeistertitels durch deutsche Mannschaften zweimal anschaulich bewiesen (gemeint waren die Titel von 1954 und 1990, d. Vf.) …“
Q: Arbeiterkampf Nr. 344, 1. 7.1992.
22.09.1992:
Im „Arbeiterkampf-Zeitung für linke Debatte und Praxis“ vom 22.9. erscheint der Artikel: Über „linken“ und „proletarischen“ Fußball. Gullit, Gascoigne, Menotti ...“
Ausgeführt wird u. a. „Ruud Gullit, Starspieler des AC Mailand und der holländischen Nationalmannschaft, wuchs im ärmeren Westteil Amsterdams auf. Als Dunkelhäutiger bekam er schon in frühester Jugend am eigenen Leib zu spüren, was Rassendiskriminierung bedeutet. Als Gullit 1987 zu „Europas Fußballer des Jahres“ gewählt wurde, widmete er die Trophäe dem damals noch inhaftierten Führer der Südafrikanischen Befreiungsbewegung ANC, Nelson Mandela. Gullit singt in Reggae-Bands wider den Rassismus, protestiert gegen die Atomrüstung und gehört zu den Mitbegründern der niederländischen Anne-Frank-Stiftung … Obgleich einer der berühmtesten, besten (Franz Beckenbauer: „Der perfekteste Fußballer der Welt“) und sicherlich auch reichsten Kicker überhaupt, ist Gullit kein entrückter Star …
Er ist der Star ohne Allüren, der Star zum Anfassen … Gullits Spielstil ist ein ästhetisches Erlebnis … Von seiner Herkunft, seinem Umgang mit dem einfachen Mann von der Straße und seiner Spielweise her, vor allem aber wegen seiner konsequent demokratischen und antifaschistischen politischen Einstellung erfüllt Ruud Gullit somit alle Kriterien, die gewöhnlich zwecks Definition eines „linken Fußballers“ strapaziert werden.
Das rechte Gegenstück wäre der ehemalige englische Nationalmannschaftskapitän Terry Butcher, ein bekennender Tory, oder der ehemalige Kölner Libero Paul Steiner, der in der Bundesliga für seine rassistischen Ausfälle gegenüber farbigen Spielern berüchtigt war. Butcher wie Steiner spielten einen phantasielosen Fußball und nahmen auf die körperliche Unversehrtheit ihrer Gegenspieler keine Rücksicht. Im Falle Gullits, Butchers und Steiners ist die Sache also klar. Aber macht es - abgesehen von solchen Einzelfällen - einen Sinn, für eine Sportart politische bzw. sozialwissenschaftliche Kategorien einzuführen? Gibt es „linken“ und „rechten Fußball“, und wenn ja, worin unterscheiden sie sich? Ist „proletarischer Fußball“ identisch mit „linkem Fußball“?
In Deutschland, wo die Arbeiterschaft in der Geschichte keineswegs stets eine progressive und emanzipatorische, sondern oft genug eine sehr konservative Rolle spielte und noch spielt, haben die ästhetischen Ansprüche linker Fußball-Konsumenten mit der traditionellen Balltreterei proletarischer Vereine zunächst einmal nicht viel gemeinsam. Zu bieder und anpaßlerisch gestaltete und gestaltet sich zuweilen der hiesige Arbeiterfußball. Ohnehin muss zunächst einmal zwischen Unterklassenfußball im hochindustrialisierten Zentrum Europa und in der noch stärker von vorindustriellen Strukturen und Milieus geprägten Dritten Welt differenziert werden. In Europa ist der Unterklassenfußball seit Ende des letzten Jahrhunderts auch von den Erfahrungen des industriellen Alltags geprägt, was vor allem für Großbritannien und Deutschland gilt …
So feierten beispielsweise die Nazis die Siege der „Knappen“-Elf von Schalke 04 als Erfolge ihrer Ertüchtigungsideologie, wenngleich dies in erster Linie (aber eben nicht allein) als Vereinnahmungsversuch zu bewerten bleibt. Otto Nerz, Reichstrainer 1926-1936 und ob seines diktatorischen Führungsstils berüchtigt, galt als Anhänger eines gradlinigen, konsequenten, kraftvollen britischen Fußballs, in dem er angeblich urdeutsche Eigenschaften (Durchsetzungsvermögen, Körperkraft, Schnelligkeit) auszumachen glaubte. Unter Nerz wurde die britische Spielweise allerdings verdeutscht. Nerz unterdrückte jegliche Spontaneität und Kreativität und predigte stattdessen Perfektionismus und allumfassende Organisation. Für persönliche Entwicklung und individuelle Fähigkeiten gab es bei ihm keinen Spielraum, weshalb seine Lehre weniger mit proletarischer Kollektivität als mit totalitären Ordnungsvorstellungen zu tun hatte.
Auf der „linken“ Habenseite des traditionellen europäischen Arbeiterfußballs wären - sofern nicht unterdrückt - „Spielwitz“ und „Kollektivität“ zu verbuchen. Der Unterklassenfußball in der Dritten Welt erscheint gegenüber seinem europäischen Pendant als spielerischer, leichtfüßiger, ballgewandter, weniger diszipliniert, kurzum: weniger industriell. Ähnliches gilt auch für den Fußball der mediterranen Länder, was auf die Existenz von Unterschieden auch in Europa selbst verweist. Der Unterklassenfußball der Dritten Welt war aber auch immer weniger kollektiv, wie ein Vergleich der beiden Spielerpersönlichkeiten Stanley Matthews (England) und Garrincha (Brasilien) zeigt: Beide waren Flügelstürmer und auf dieser Position vielleicht die Besten, die die Welt je gesehen hat. Aber Matthews spielte erheblich mannschaftsdienlicher als Garrincha und beschränkte sich oft aufs Einfädeln von Toren.
Die Unterschiede dürften nicht zuletzt aus den unterschiedlichen Industrialisierungsgraden der einzelnen Gesellschaften und den damit korrespondierenden unterschiedlichen sozialen und kulturellen Milieus resultieren. Aber auch die Geschichte des nicht-mediterranen europäischen Arbeiterfußballs kennt eine Menge ausgesprochener Techniker und Ballkünstler: den bereits erwähnten Stanley Matthews, den Nordiren George Best, die Holländer Cruyff und Gullit, den Franzosen Platini (den ein Kritiker zum „Mozart des Fußball“ kürte) und andere. Proletarischer Fußball in Europa war eben oft beides: Otto Rehagel wie „Ente“ Lippens, der biedere, eisenharte Kämpe und der trickreiche Spaßvogel, wenn auch das künstlerische und individualistische Element in Südamerika stets stärker ausgeprägt war.
Wie unterschiedlich proletarischer Fußball auch in Europa selbst ausfallen kann, lässt sich des Weiteren anhand von zwei legendären österreichischen Fußballidolen aufzeigen: Josef Uridil und Matthias Sindelar, die in den 20er bzw. 30er Jahren Fußballgeschichte schrieben. Uridil war der Prototyp des Kraftfußballers, der gegnerische Abwehrreihen förmlich niederrannte. Matthias Sindelar war genau das Gegenteil, ein Techniker par excellence, der eher eine Drehung zu viel absolvierte, um ein besonders schönes Tor zu erzielen. Niemand beherrschte die „Wiener Schule“ …so wie Sindelar. Uridil und Sindelar kamen beide aus proletarischen Verhältnissen.
Aber Uridils Rapid war vom Umfeld her proletarischer als Sindelars Austria, zu deren Anhang auch viele Intellektuelle zählten, die einen Typ Sindelars dem Typ Uridils vorzogen. (Allerdings erhielt auch Uridil intellektuellen Applaus, und es darf nicht unerwähnt bleiben, dass die Ära Sindelar mit der Uridils nicht zeitgleich verlief, sondern diese ablöste. Beide waren deshalb auch Zeiterscheinungen.) Bezüglich des spielerischen Elements werden als die beste Zeit des deutschen Fußballs gemeinhin die Jahre 1969 bis 1974 genannt. In diese Zeit fallen der Mönchen-Gladbacher Offensivfußball, die erste große Bayern-Mannschaft und die Gewinne der Europameisterschaft 1972 und der Weltmeisterschaft 1974 durch die Nationalelf, wobei der Sieg von München bereits überdeutlich das Ende der Ära markierte. Linke Fußballbeobachter bezeichnen die Jahre 1969-1974 als die schönsten und reformfreudigsten, und Günter Netzer war für viele ihr Herold. ‚Die raumgreifenden Pässe eines Netzers atmeten den Geist der Utopie, plötzlich befand man sich im Offenen, und die langen Haare Günter Netzers, die im Mittelfeld wehten und beim Antritt die ganze Brisk- und Schuppen- und Faconschnittästhetik der 50er vergessen ließen, die immer noch das Fußball-Einmaleins darstellte - diese langen Haare wollten mehr … Der 3:1-Sieg im Wembley-Stadion 1972 ist das Beste, was jemals von einer deutschen Nationalmannschaft zu sehen war: die Pässe, das Aufreißen der Flügel, der freie Raum …Bekanntlich wurde Netzer Opfer eines klassenübergreifenden Konservativismus und deutschen Zwangskollektivismus … 1974 hatten ihn die positivistischen Klein-klein-Kicker von Bayern München ausgebootet. Nicht nur deswegen, weil sich Netzer dazu bekannte, Hermann Hesse zu lesen. Ein Einzelgänger, ein Querkopf hatte fast nie eine Chance in der deutschen Nationalelf … Es war allerdings kein Zufall, dass mit dem Gladbacher Bökelberg ein gediegen-gutbürgerlicher Fußballort und nicht eine grimmige Kampfbahn des Kohlenpotts zur prototypischen Reform-Arena avancierte.
Durch die gesamten 70er und 80er Jahre zeigten sich Teile der Mittelschichten liberaler und innovativer als die traditionelle Arbeiterschaft, sowohl im rein systemfunktionalen wie im „linken“ Sinne. Auch der Anstoß zur bislang bedeutendsten und umfassendsten liberalen Modernisierung der bundesdeutschen Gesellschaft, die - zeitgleich mit der Gladbacher Sturm-und-Drang-Ära - in den Jahren 1969-1972 erfolgte, kam bekanntlich nicht in erster Linie von der Arbeiterschaft, sondern vornehmlich aus der Studentenschaft (bzw. Bürgerjugend) und intellektuellen Kreisen. Gleichzeitig muss die oben zitierte Aussage wieder eingeschränkt werden: Zwar kickte auf dem Bökelberg nicht das Bergbauproletariat des Ruhrgebiets, wie sich auch das gesamte Umfeld des Mönchen-Gladbacher Fußballs anders gestaltete als etwa in Schalke, aber die Mehrzahl der Spieler kam trotzdem aus eher kleinen Verhältnissen.
Die Glorifizierung Netzers von links basiert vornehmlich auf der Ästhetik seines Spiels. Ästhetik wäre somit ein konstitutives Element „linken“ Fußballs. Netzer war sicherlich insoweit ein „Linker“, als dass sein Auftreten und seine Spielweise den Ausbruch aus dem spießigen Mief der 50er und 60er Jahre symbolisierte und er sich das Recht herausnahm, anders zu sein - nicht mehr und nicht weniger. Deshalb ist es vielleicht angebrachter, ihn als
„Liberalen“ zu bezeichnen, als einen, der die „alten Zöpfe“ abschnitt. Indes ist Ästhetik natürlich auch eine Frage des Geschmacks. Ein fortschrittlicher Arbeiter wird darauf vielleicht weniger Wert legen als ein fortschrittlicher Intellektueller, um stattdessen mehr Einsatzbereitschaft und Mannschaftsdienlichkeit zu betonen.
Ein Mann des Volkes war Netzer übrigens nicht, was allerdings keineswegs gegen ihn spricht, denn in Deutschland ist es erfahrungsgemäß schwer, populistisch und zugleich links oder radikalliberal zu sein. Die Lufthoheit über den Stammtischen gehört traditionell den Rechten und ihrem reaktionären Zwangskollektivismus. Netzer wurde gemeinhin als Sonderling und Rebell betrachtet … Ein Mann des Volkes war zu jener Zeit Bayern-Torjäger Gerd Müller. Aber Netzer gelang es, mit seinem Image neue gesellschaftliche Gruppen anzuziehen … Netzer bot das Leben alle Annehmlichkeiten, und er genoss diese Freuden ohne ein Lächeln. Er schien auf der Suche zu sein nach einem Glück, das irgendwo in der Ferne lag und das ihn nie erreichte. Dieses Image ist haarscharf auf jene Gruppen der Gesellschaft zugeschnitten, die bisher noch nie von einem Fußball-Star emotionell berührt wurden: auf die Intellektuellen und die Frauen. Deshalb erschienen im Lichtkreis Netzers Künstler, Fotografen, Fernseh-Regisseure und junge Leute, die nie ein Fußball-Stadion besuchen würden …
Oft in seiner Mönchengladbacher Zeit widersetzte er sich seinem Chef, dem Trainer, oder stritt mit dem Arbeitgeber, den Vorstandsherren, und das machte ihn den jungen Leuten sympathisch. Gerd Müller war Netzers Fan-Schar zu bieder, kumpelhaft und von seiner Spielweise her … zu unästhetisch, aber auch mit Beckenbauer wurde sie nicht warm. Denn anders als Netzer strebte Beckenbauer bewusst und demonstrativ nach Aufnahme in die bessere Gesellschaft, verriet sein angestammtes Milieu und verkörperte eine gewisse Rücksichtslosigkeit, die die idealistischen Intellektuellen ablehnten. Beckenbauer war zu arrogant und berechnend, als dass man sich mit ihm identifizieren mochte.
In historischer Retrospektive erscheint die Ära der Gladbacher „Fohlen“ als eine Übergangsphase zwischen dem traditionellen (und industriellen) Arbeiterfußball und dem, was heute auch als Angestelltenfußball bezeichnet wird. Für den Übergang selbst sorgten dann die damaligen Bayern, die anders spielten als die traditionellen Arbeitervereine, aber bei weitem nicht so ästhetisch und schön wie die Gladbacher (und doch erheblich besser als Jahre später in der Ära Lattek). Es ist eben vor allem die Gladbach-Elf dieser Jahre, mit der sich viele fußballbegeisterte Linke - zuweilen arg nostalgisch verklärt - identifizieren.
Die deutsche Linke und alternative Szene ist heute sozial vorwiegend im intellektuellen bzw. Milieu des „neuen Mittelstands“ beheimatet, was auch ihre Wertvorstellung und Ansichten bezüglich eines „guten Fußballspiels“ prägt. Ästhetik zählt hier mehr als Kampf und Kraft. „Linker“ Fußball, der zugleich auch proletarische Elemente beinhaltet, der linke wie proletarische Vorstellungen zusammenbringt, wird heute vielleicht noch am ehesten durch Mannschaften wie dem englischen Spitzenklub FC Liverpool repräsentiert …. Dies gilt im Übrigen auch für den britischen Fußball allgemein: Fußball ist hier - sowohl was die Fans, aber auch was die Spieler anbelangt - noch proletarischer als in der deutschen Mittelstandsgesellschaft. Dafür spricht auch der hohe Anteil schwarzer Spieler im britischen Ligafußball. Fußball ist hier noch immer vorwiegend im proletarischen Milieu verankert und unverändert ein Vehikel, um den Gettos der Großstädte zu entkommen. Und gelingt dies dem Spieler, gelangt er in den Genuss von Spitzengehältern, so verleugnet er gewöhnlich seine proletarische Herkunft nicht. Spieler wie seinerzeit Franz Beckenbauer oder aktuell Lothar Matthäus.“
Zu Paul Gascoigne, einem Fußballer der Tottenham Hotspurs wird ausgeführt:
„Er verkörpert die Sehnsucht nach den guten, alten Zeiten, von denen Nicht nur sein bedingungsloser Einsatz, sein Spielwitz und seine geniale Ballbehandlung, sondern auch - als nicht zu unterschätzende Demonstration sozialer und kultureller Nähe zum proletarischen Publikum … Mehr noch als seine Dribblings und Tore haben sich seine Tränen im WM-Spiel gegen Deutschland ins öffentliche Bewusstsein geprägt … Die neue nationale Symbolfigur ist einer von ihnen … Am ehesten käme seine Art vermutlich noch auf Plätzen wie in Dortmund, Schalke und Essen an. Von seinem ambivalenten Charakter her ist Gascoigne in Deutschland vielleicht noch am ehesten mit dem ehemaligen Nationaltorhüter Toni Schuhmacher vergleichbar, einem der letzten Typen im deutschen Nationaltrikot. Heute besteht der deutsche Fußball vornehmlich aus angepassten Angestellten.
Menottismus
Cesar Luis Menotti, Trainer der argentinischen Weltmeister-Elf von 1978 und Mentor eines „linken Fußballs“, der „aus der Tiefe des Volkes“ kommt, beschreibt „rechten“ Fußball als die Domestizierung eines wilden, kreativen Spieltriebs durch eine buchhalterische Input-Output-Logik. Was allein zählt, sind Ergebnis und Tabellenstand; ultradefensive Taktik, schematisches Ballhalten, knochenbrechende Tricks - erlaubt ist, was funktional ist. Die Protagonisten dieses Spielsystems reden viel von Arbeit und Leistung, Kampf und Opfer … Menotti verband seine Spielauffassung mit einer Kritik an den autoritären Machtverhältnissen in seinem Land, die eine Atmosphäre der Angst, des Misstrauens und der Subalternität geschaffen hatten … Bei aller Verachtung für den auf Kraft und Schnelligkeit basierenden europäischen Fußball war Menotti dennoch darum bemüht, europäische Elemente in das argentinische Spiel einzuflechten …Neben der Spiellaune war die Zielstrebigkeit somit die zweite Säule der Menotti'schen Konzeption. Aber unter Stärke verstand Menotti etwas anderes als viele seiner europäischen Trainerkollegen, nämlich List, während er Schnelligkeit mit Präzision übersetzte. Im Vordergrund seines Trainings stand die Verbesserung der Spielintelligenz seiner Akteure …
Im deutschen Spitzenfußball begegnet man Liverpooler Elementen am ehesten noch an Stätten wie dem Dortmunder Westfalen-Stadion. Borussia Dortmund könnte sich ein in Taktik erstickendes Angestelltengekicke à la Bayern München nie leisten, weil die Zuschauer wegbleiben würden. Während die Mehrheit des Bayern-Publikums allein auf den Output des Spiels ihrer Mannschaft fixiert ist, ist die Borussen-Anhängerschaft, die sich zu einem größeren Teil aus der Arbeiterschaft rekrutiert als auf vielen anderen Bundesligaplätzen, eher dazu bereit, auch einen ergebnislosen Einsatz zu honorieren. Blindes erfolgloses Anrennen gegen des Gegners Tor scheint den Fans noch immer lieber zu sein als ein langweilig herausgespielter 1:0-Sieg, bei dem nur das Notwendigste getan wurde.
Wichtig ist, dass die Mannschaft sich sichtbar bemüht. Arrogantes Gehabe außerhalb des Spielfeldes und auf dem Spielfeld werden hier viel eher geahndet als in München. Mancher mag sich noch daran erinnern, wie schwer es der ehemalige Bayern-Spieler Michael Rummenigge anfangs in Dortmund hatte. Viele der Fans nahmen Rummenigge eine abfällige Äußerung über einfache Arbeiter übel. Rummenigge musste erst auf dem Spielfeld soziale Nähe demonstrieren, indem er sich redlich „abrackerte“, bevor ihm das Publikum verzieh. Der Trainer Rudi Gutendorf ließ in den 60er Jahren seine Schalker Kicker gar zur frühen Morgenstunde Dauerläufe vor den Zechentoren absolvieren. Niemand sollte den Profis soziale Ferne vorwerfen und behaupten, diese würden nicht arbeiten.
Was das proletarische Publikum gewöhnlich gegenüber dem eher mittelständischen auszeichnet, ist seine größere Bodenständigkeit und Loyalität. Das proletarische Publikum definiert seine Loyalität weniger nach dem Erfolgskriterium. Die Mannschaft kann auch mal eine Serie von Spielen verlieren oder gar absteigen … Der konsumfreundliche, mittelständische Zuschauer modernen Typs ist zumeist weniger bodenständig und mobiler. Ähnlich abgeklärt ist auch sein Verhältnis zu den Gagen der Größenordnung, wie sie etwa ein Andreas Möller in der Bundesliga kassierte. Soziale Veränderungen innerhalb des Fußballpublikums und Typenwandel auf dem Spielfeld ergänzen sich gegenseitig …
Das Bild vom volksnahen und zugleich emanzipatorischen Kicker wurde in der Bundesliga bislang vielleicht am ehesten von … Lippens und Burgsmüller verkörpert. Beide stammen aus dem Ruhrgebiet und spielten viele Jahre für Ruhrgebietsvereine (Lippens: Rot-Weiß Essen, Borussia Dortmund; Burgsmüller: Rot-Weiß Essen, Borussia Dortmund, Rot-Weiß Oberhausen). Lippens wie Burgsmüller zeichneten Einsatz, Spielwitz, ein enges Verhältnis zum Publikum wie eine gewisse „proletarische Ungezogenheit“ und Originalität aus, wie man sie - wie bereits erwähnt - in den britischen Ligen heute noch häufiger antrifft … Zur „proletarischen Ungezogenheit“ gehört auch eine gewisse sympathische Schlitzohrigkeit. Kaum jemand nahm es Burgsmüller übel, als dieser einmal dem Kaiserslauterner Keeper Ehrmann den Ball aus den Händen schlug, um ihn ins Tor zu kicken. Der Schiedsrichter, dem das Foulspiel entgangen war, gab das Tor, und Werder Bremen durfte zwei wichtige Punkte auf seinem Konto verbuchen.
Weder von ihrem Spielstil her noch in ihrem sonstigen Verhalten rund um die Lederkugel waren Lippens und Burgsmüller Anpassler. Beide zeichneten sich zudem durch eine ausgesprochene Fairness aus. Brutale Fouls waren für Lippens und Burgsmüller ein Tabu. Im Falle Burgsmüller war dies nach eigener Aussage ein wesentlicher Grund dafür, warum er noch im Alter von 40 Jahren in der Bundesliga mithalten konnte.
Ewald Lienen, für die im eigenen Milieu isolierten fußballinteressierten Linken viele Jahre das Identifikationssymbol im deutschen Fußball schlechthin, kam zum Image eines linken Kickers weniger durch seine Art der Ballbehandlung als durch sein politisches Engagement. Ähnlich erging es dem Hafenstraßen-Sympathisanten, Nicaragua-Brigadisten und St. Pauli-Torhüter Volker Ippig.. Von seinem HSV-Torwartkollegen Richard Golz ist bekannt, dass er sich gegen die Ausländerfeindlichkeit in den Stadien engagiert. Jürgen Klinsmann und Karl Allgöwer wiederum unterschrieben Aufrufe der Umwelt- und Friedensbewegung. Solcherlei politische Statements existieren von Lippens und Burgsmüller nicht. Von beiden weiß man, dass sie zumindest nicht rechts und wahrscheinlich auch mehr als dies waren. Chauvinistische und rassistische Ausfälle à la Gascoigne sind von „Ente“ und „Manni“ unbekannt.
Burgsmüller zählte immerhin zu den fünf der insgesamt 22 von Amnesty
Fußballspieler sind immer auch Zeiterscheinungen. Ihre Ausprägung ist auch abhängig davon, was die jeweilige Zeit gerade zulässt und fördert. Es war sicherlich kein Zufall, dass die große Zeit des proletarischen Kickers George Best … die rebellischen Jahre 1968/69/70 waren, als sich in einer Reihe von westeuropäischen Ländern die Jugend und Studentenschaft in Aufruhr befand und eine umfassendere Modernisierung und Liberalisierung der westeuropäischen Gesellschaften einleitete. Der kleine, langmähnige nordirische Supertechniker, der komplette Abwehren im Alleingang ausspielte, verkörperte mit seiner äußerlichen Erscheinung, seiner Spielweise und seinen ständigen Eskapaden um Alkohol und Frauen für viele einen Ausbruch aus dem Mief des konservativen Autoritarismus … Der Kicker mit dem proletarischen Hintergrund war unorthodox und rebellisch, aber sicherlich niemand, der gezielt beabsichtigte, die Welt zu verändern. Seine Rebellion war und blieb individueller Natur und erschöpfte sich außerhalb des Spielfelds in durchgesoffenen Nächten, ständig neuen Frauengeschichten und Disziplinlosigkeit. Paul Gascoigne hat mit Best vieles gemein und ist doch zugleich eine Erscheinung einer ganz anderen Zeit …
Gemeinsam ist beiden die proletarische Herkunft, die sich u. a. in der offenen Weise ausdrückt, miteinander umzugehen. Best wie Gascoigne halten nichts von subtilem Geschwätz, und ihr jeweiliger Sprachschatz kennt keine Tabus. Was sie hingegen trennt, ist, dass George Best wohl tatsächlich der Unsterblichere von beiden sein dürfte: Noch 1990, d.h. 20 Jahre nach Bests Karrierehöhepunkt und nachdem man seit Jahren nichts mehr von ihn gehört hatte, erschien eine Autobiographie des Kickers, die reißenden Absatz fand. Andererseits ist es unwahrscheinlich, dass Paul Gascoigne eines Tages in gleicher Weise stranden wird wie der Nordire.
Die Zahl der tragischen Schicksale ehemaliger Starkicker und Großverdiener mit proletarischem Hintergrund wird immer geringer. Aber auch die Zahl der Kicker, die in das Gedächtnis der Fußballgemeinde als unsterblich eingehen, ist im Abnehmen begriffen. Beides ist ein Ausdruck veränderter Zeiten - im Fußballbusiness wie in der Gesellschaft allgemein.
Auch in Deutschland veränderte sich Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre der Typus der Kicker. Die Spieler, die 1972 den EM-Titel und 1974 die Weltmeisterschaft gewannen, hatten mit der Fritz Walter-Elf von 1954 wenig Gemeinsamkeiten. Mit den autoritären und hierarchischen Mustern der 50er Jahre waren die selbstbewussten und „langhaarigen Spieler“- wie Netzer, Breitner, Hoeneß, Grabowski, Maier und Beckenbauer - nicht mehr zu führen. Das Gefeilsche um die Prämien im Vorfeld der WM 1974, bei dem die Spieler schließlich über die Funktionäre die Oberhand behielten, wäre 1954 völlig undenkbar gewesen. Was damals beinahe zum Rücktritt von Helmut Schön geführt hatte, lässt sich nicht einfach als „Geldgier verwöhnter Profis“ abhaken …
Schön selbst galt zwar als Konservativer, aber in seinem Umgang mit den Spielern war er so liberal, dass er den Kapitän der Mannschaft, Franz Beckenbauer, als faktisch gleichrangig akzeptierte. Seine Spielphilosophie war eine Synthese von ordnenden, spielerischen und kämpfenden Elementen, wie sie die Siegermannschaft der EM 1972 verkörperte. Die Mehrzahl der damaligen Akteure landete schließlich - einem erneuten politischen Gezeitenwechsel wie aber auch ihrem errungenen sozialen Status entsprechend - im konservativen Lager und begann nun ebenfalls Begriffe wie „Ehre“ und „Vaterland“ zu strapazieren. Dies gilt auch für einen Großteil ihrer Nachfolger. Trotzdem wäre es falsch, darin umstandslos eine ideologische Rückreise zum Fußball der 50er Jahre zu sehen. Die heutigen Stars mögen zwar in ihrer Mehrheit Parteigänger der CDU sein, trotzdem sind sie selbstbewusster bzw. weniger autoritätshörig als die Helden der 50er.
Es gibt proletarischen Fußball, der sich weitgehend auf eine Reproduktion der industriellen Arbeitswelt beschränkt. Es gibt aber auch den, der bestimmte Anforderungen, wie sie der industrielle Alltag und das Unterschichtendasein lehren, mit einer im Alltag unterdrückten Kreativität verbindet, die dann auf dem Spielfeld ihren freien Lauf sucht: Fußball als Ausbruch aus der industriellen Eintönigkeit, aus dem auferlegten psychischen und physischen Elend; die freie, kreative Bewegung als Kompensation für die erzwungene und systematisierte Unterordnung am Arbeitsplatz und die Einschränkung der Fähigkeit zur Artikulation. Zumeist ist proletarischer Fußball Abbild und Ausbruch zugleich. Jedenfalls ging die Zeit der großen Spielerpersönlichkeiten im gleichen Tempo ihrem Ende entgegen, wie sich, der moderne Angestelltenfußball etablierte. Der heutige Starspieler wirkt im Vergleich mit den früheren Spieleipersönlichkeiten eher wie ein abgeschliffener leitender Angestellter.
Die eindeutige Mehrheit der Spielerpersönlichkeiten der 60er, 70er und auch noch der 80er Jahre kam aus der Unterschicht: Franz Beckenbauer war der Sohn eines kleinen Postbeamten, Johan Cruyff, aufgewachsen in einem Amsterdamer Armeleuteviertel, kam zu Ajax Amsterdam über seine Mutter, die sich dort nach dem Tod ihre Mannes als Putzfrau und Tellerwäscherin verdingen musste. Besessen von der Idee, Fußballprofi zu werden, verließ Cruyff im Alter von 13 die Schule. Sein Mannschaftskamerad bei Ajax, in Barcelona und in der holländischen Nationalmannschaft, Johan Neeskens, war aus dem Amsterdamer Arbeiterviertel Heemstede. Manchester Uniteds Weltstar George Best wuchs in einem protestantischen Arbeiterviertel Belfasts auf etc.
Erst recht gilt dies natürlich für Südamerika, von Pele bis Maradona, der in Fiorita, einem berüchtigten Vorstadtgetto von Buenos Aires, das Licht der Welt erblickte. An der Dominanz von aus eher proletarischen Verhältnissen stammenden Fußballern unter den originelleren und besseren Balltretern hat sich bis heute nicht viel geändert (siehe Rijkaard, Gullit, Schillaci, Gascoigne). Möglicherweise liegt dies einfach daran, dass der Fußball als aktiv betriebener Sport noch immer vorwiegend bei den Unterschichten beheimatet ist. Aber möglicherweise reflektieren größere Originalität und Kreativität auch eine soziale Herkunft, wo der Fußball eine der wenigen Foren ist, in denen derartige Eigenschaften artikuliert werden können.
Dazu gesellt sich noch die andere Art der Fußballschule: kein gepflegter Rasenteppich, sondern der Hinterhof, die Straße, der holperige Bolzplatz. Allerdings nimmt die Zahl der Kicker, die wie Michel Platini den Fußball an Laternenpfählen erlernten, stetig ab. Die Fußballschulung erfolgt heute erheblich konzentrierter, monopolisierter und systematisierter als noch vor 20 oder 30 Jahren … Das Produkt der heutigen Fußballschulung besteht zumeist im braven Angestellten, dem Spielfreude und Improvisationskunst abgeht.
Der Angestelltenfußball hat sich aus dem Arbeiterfußball heraus entwickelt und hat wenig damit zu tun, dass seine Akteure vielleicht anderer sozialer Herkunft wären. Deshalb gibt es in den höheren Ligen eine ganze Reihe von Mischformen, was kaum verwunderlich ist, da beide sozialen Spielarten sich in den letzten 30 Jahren nicht einfach nebeneinander entwickelt haben …
Allerdings war es historisch betrachtet der proletarische Fußball, der Zweckmäßigkeit und Erfolgsorientierung einführte. Die Spielanlage der ersten englischen Arbeitermannschaften war erheblich zweckmäßiger und erfolgsorientierter als die der Universitäts- und Public School-Teams. Der soziale Hegemoniewechsel im englischen Fußball erfolgte auf dem Spielfeld aufgrund der Überlegenheit - nicht im Sinne von entwickelterer Technik und Ästhetik, sondern eben im Sinne größerer Erfolgsträchtigkeit - des proletarischen „passing game“ über das bürgerlich-aristokratische „dribbling game“. In den höheren Spielklassen ist die zunehmende Härte heute in erster Linie eine Ausgeburt der bürgerlichen Konkurrenzgesellschaft. Allerdings wurde und wird bürgerliches Konkurrenzdenken von der Arbeiterschaft immer wieder adoptiert, wie sektiererische Auseinandersetzungen innerhalb dieser sozialen Klasse, auch auf dem Fußballfeld und den Rängen, belegen. Die Unmöglichkeit, proletarischen Fußball in seiner Reinkultur (wenn es diesen überhaupt jemals gab) zu konservieren, liegt sicherlich auch im Niedergang des traditionellen Arbeitermilieus bzw. der Atomisierung der Arbeiterschaft als soziale Klasse begründet. Dazu gesellt sich noch ein generelles Problem des Fußballs als Wettkampfsport, das durch seine kapitalistische Durchdringung und Kommerzialisierung weiter verschärft wurde: Dem Fußball wohnt als Kampf um Tore und Punkte ein Drang zum Perfektionismus im Sinne seiner Erfolgsträchtigkeit inne, der sich nicht mit der Frage aufhält, was „proletarisch“ und was „bürgerlich“ oder was „schön“ und was eher „hässlich“ ist.
Auch spielt die soziale Herkunft eines Spielers heute eine immer geringere Rolle für seinen individuellen Spielstil, da die Spieler immer weniger sich selbst entwickeln können und statt dessen immer mehr in fertige Spielsysteme gepresst werden … Die aktuelle Dominanz des Angestelltenfußballs liegt keineswegs allein, wahrscheinlich nicht einmal maßgeblich daran, dass zusehends mehr Mittelschichtszöglinge der Lederkugel nachjagen. Lothar Matthäus kommt aus kleinen Verhältnissen, aber dennoch ist es gerade seine Spielweise, die als Angestelltenfußball klassifiziert wird. Der Matthäus ohne Ball am Fuß erinnert sogar noch viel weniger an sein Herkunftsmilieu als der kickende Matthäus. Das oktroyierte Spielsystem und die neue soziale Identität, die der Kicker im Zuge seiner Karriere erfährt, prägen ihn stärker als seine Herkunft.
Was proletarischer und was bürgerlicher Fußball ist, mag sich noch einigermaßen bestimmen lassen. Hingegen ist die Beantwortung der Frage, was „rechter“ und was „linker“ Fußball ist, weitgehend eine Ansichtssache. Eine wissenschaftlich haltbare Kategorisierung steht jedenfalls noch aus, weshalb die Verwendung der Begriffe „rechts“ und „links“ in der Diskussion um das Spiel in Anführungszeichen erfolgen müsste.
Das theoretische Modell eines linken Spielstils könnte vielleicht wie folgt aussehen: Engagement (als Demonstration von Zuschauernähe und damit das Publikum auf seine Kosten kommt), Fairness gegenüber Mit- und Gegenspieler (im Sinne der Vermeidung von Brutalität; Härte wohnt dem Spiel von Natur aus inne und gehört folglich dazu), offensives Spiel nach vorne statt defensivem Taktizismus, ein kollektiver Spielstil, der aber individuellen Entwicklungen und Eigenarten auf dem Spielfeld freien Lauf lässt.
Wer diese Kriterien erfüllt, würde demnach „linken“ Fußball spielen. Ob er aber selbst ein „Linker“ ist, steht auf einem anderen Blatt - siehe Netzer. Man muss zwischen „linkem“ Fußball und linkem Fußballer differenzieren …
„Linker“ Fußball in Reinkultur, sollte es ihn denn jemals gegeben haben, ist heute überhaupt nicht mehr möglich. Es mag immer wieder einzelne Spieler geben, denen man nicht nur außerhalb des Spielfeldes, sondern auch auf dem Spielfeld selbst eine linke und emanzipatorische Gesinnung attestieren kann, aber wohl kaum eine komplette Mannschaft. Zumindest nicht in den oberen Spielklassen. Das herrschende Fußballsystem lässt „linken“ Fußball immer weniger zu …
Selbst Einzelfälle scheinen nach dem Abschied Burgsmüllers mehr und mehr der Vergangenheit anzugehören, Lichtblicke, von denen man in Nostalgie und Wehmut spricht. Im Profifußball ist es eben so wie in anderen besser dotierten Berufen der kapitalistischen Konkurrenzgesellschaft: Bei der Ausübung des Berufes ist eine linke und emanzipatorische Gesinnung an der Pforte weitgehend abzugeben …“
Q: Arbeiterkampf Nr. 346, 22.9.1992, S. 36.
20.11.1997:
Im „Arbeiterkampf-Zeitung für linke Debatte und Praxis“ vom 20.11. erscheint ein Artikel zum FC St. Pauli. Ausgeführt wird u. a. „Die Weichen für eine ‚bessere“ - ganz auf Entertainment bauende - Fußballwelt schienen beim FC St. Pauli 1910 gestellt. Vor einigen Monaten wurde ein Aufsichtsrat installiert, der die Pläne des Vereinspräsidenten, Architekten und Übervaters … Heinz Weisener abnicken bzw. forcieren wird. Die vereinsinterne Opposition - vor allem die seit Mitte der 80er Jahre hinzugekommenen Fans - wurde per Rücktrittsdrohung des Mäzens außen vor gehalten, um die Modernisierungspläne des Präsidiums nicht durch kritische Fragen zu gefährden. Die Stimmung im „etwas anderen Verein“ war also nicht nur durch den Abstieg aus der ersten Liga und die teilweise erbärmlichen Spiele in den Keller gerutscht …“
Q: Arbeiterkampf-Zeitung für linke Debatte und Praxis Nr. 408, 20.11.1997.
09.04.1998:
Im „Arbeiterkampf-Zeitung für linke Debatte und Praxis“ vom 9., 4. erscheint ein Artikel zum Fußballtrainer des FC Bayern München, Trapattoni.
Ausgeführt wird u. a.: „Die Fußball-Bundesliga, die sich vor Jahren als „stärkste Liga der Welt“ feierte, macht auch in Zeiten sportlichen Niedergangs international Schlagzeilen: je schlechter die Spiele, um so stärker die Sprüche. Erster Anwärter auf den Sepp-Herberger-Preis für Fußball-Rhetorik ist seit seiner Münchner Rede Bayern-Trainer Giovanni Trapattoni, der mit seinem unnachahmlichen Spaßdeutsch selbst notorisch humorlosen Menschen wie Hermann L. Gremliza (in der konkret-Werbung) und Oskar Lafontaine (auf dem Juso-Kongress) zu billigen Lachern verhalf: Zwei schlichte Zitate – „ich habe fertig“ und „schwach wie eine Flasche leer“ - reichen, damit das Publikum sich die Bäuche hält.
Einer seriösen Zeitung wie ak liegt es natürlich fern, mit Trapattonis sprachlichen Defiziten Schabernack zu treiben. Wir versuchen, wie immer, den Dingen auf den Grund zu gehen, und lassen den Protagonisten selbst erklären, was der Sinn seines kabarettreifen Auftritts war. Trapattoni antwortete dem Interviewer der italienischen Tageszeitung La Repubblica auf die Frage, warum man in Italien nie „einen rot angelaufenen Trapattoni gesehen hat, dem der Zorn die Halsadern anschwellen lässt“:
„Das Problem ist kultureller Natur: In Deutschland werden der Dialog und die gedämpften Töne als Zeichen von Schwäche genommen. Wenn du nicht brüllst und mit den Fäusten auf den Tisch schlägst, bist du dann weich? Gut: Ich habe sie zufrieden gestellt und gebrüllt.“
Tatsächlich sind - außer Strunz und seinesgleichen natürlich - fast alle zufrieden mit der Moralpredigt: Die Spieler sollen Leistung bringen statt Ansprüche zu stellen, sich dem taktischen Konzept des Trainers unterordnen, der schließlich „nicht ein Idiot“ ist. Das ist - ungeachtet der sprachlichen Ausrutscher - eine sehr deutsche Rede, die in der taz zu Recht mit Herzogs Berliner „Ruck“-Rede in Zusammenhang gebracht wurde. Allerdings forderte Trapattoni nicht den Aufbruch zu rasantem Spiel nach vorn, sondern redete das unansehnliche Bayern-Gekicke schön: „Spiel mit drei Spitzen“ sei das, nur das Ergebnis zählt, und wenn sich der Erfolg einstellt, werden die Kritiker schon Ruhe geben …“
Q: Arbeiterkampf-Zeitung für linke Debatte und Praxis Nr. 413, 9.4.1998.
19.05.2006:
Im „Arbeiterkampf- Zeitung für linke Debatte und Praxis“ Nr. 506 vom 19.5. erscheint der Artikel: „Globall Governance. Kooperation im Wettbewerb.“
Ausgeführt wird u. a. „Im internationalen Fußball geht es bekanntlich vor allem um Geld. Und wie im richtigen Leben haben davon viele wenig und wenige viel. Damit das so bleibt, bedarf es Regeln, die festlegen, dass das, was unmoralisch ist, wenigstens legal daher kommt. Wenn sich alle oder wenigstens die meisten an diese Regeln halten, ohne dass FIFA-Chef Sepp Blatter mit dem Zeigefinger wedelt, dann spricht man von Globall Governance. Die Regeln der fußballerischen Erlebnisgesellschaft und der Rahmen für Geschäfte haben in den Verbänden der Fußball Governance ihre verbandspolitischen Knotenpunkte: von den regionalen Formen über die nationalen (etwa der Deutsche Fußballbund und seit 2001 die privatrechtliche Deutsche Fußball Liga GmbH) auf die europäische (UEFA) und die globale Ebene.
Die Geschichte der Globall Governance und ihrer zentralen Institution, der Fédération Internationale de Football Association (FIFA), spiegelt den Fußball in der Weltgeschichte. Ende des 19. Jahrhunderts beginnt der Aufstieg zu einer populären Sportart. Die Bürgersöhne, die das Spiel verbreiteten, aber unter sich bleiben wollten, sind immer weniger in der Lage, Fußball als "ihren Sport" zu monopolisieren. Der Sport tritt vor allem in den europäischen Industrieregionen und in Lateinamerika einen Siegeszug an. Neben der Etablierung regionaler und nationaler Spielbetriebe kommt es Anfang des 20. Jahrhunderts zu ersten internationalen Wettbewerben. Der Mitropa-Cup und die Olympischen Spiele waren in den 1920er und 1930er Jahren die wichtigsten Turniere. Im mitteleuropäischen Wettbewerb dominierten die Auswahlmannschaften Österreichs, Ungarns und der Tschechoslowakei (die früh den Profifußball einführten). Die Engländer wollten nicht mitmachen. Die deutsche Mannschaft war nicht konkurrenzfähig.
Olympisches Gold gewann 1924 und 1928 die Mannschaft Uruguays. Deswegen - und auf Grund des 100. Jahrestages der Unabhängigkeit - fand die erste Fußball-WM im Land am Río de la Plata statt. Die beiden Weltkriege unterbrachen die internationalen Wettbewerbe. In der Zeit nach 1945 kam es zu einem dynamischen Wachstum. Im Zuge der politischen Unabhängigkeit vieler Länder war häufig einer der ersten Akte des Nation-Building, der FIFA beizutreten.
Der dritte FIFA-Präsident, Jules Rimet, der dem 1904 gegründeten Verband von 1921 bis 1954 vorstand, weitete die FIFA aus und machte die Fußball-WM zum großen internationalen Kultur-Event. Monsieur Rimet konzentrierte den Verband auf das politische Kerngeschäft. Erst unter dem Brasilianer João Havelange kam es 1974 zu einer Umorientierung. In Zeiten von Weltwirtschaftskrise, dem Ende klarer politischer und ökonomischer Verhältnisse machte die FIFA die Fußball-Weltmeisterschaften zum Testfeld der Kommerzialisierung. Globall Governance bekommt eine andere Ausrichtung: Der Markt richtet es im Verbund mit dem Staat und insbesondere mit den Nationalmannschaften.
Globall Governance bedeutet seit den 1970er Jahren verstärkt und wie im internationalen politisch-ökonomischen Leben auch: der Dollar bzw. Ball läuft nur, wenn die Rahmenbedingungen für gute Geschäfte stimmen. Die guten Geschäfte für brasilianische Spielervermittler, welche die mittelmäßigen Spieler auf die Färöer Inseln, die guten nach Deutschland und die Zauberer nach Spanien verticken. Die FIFA setzt Regeln, welche selbst Kinderhandel unterstützen. Die guten Geschäfte für Adidas, Nike & Co. und für die Fernsehanstalten, die auch einen schlechten Kick keinen schlechten Kick sein lassen können.
Dass dieser Prozess nicht bruchlos war, sondern in der Folge sozialer Rebellion seit den 1960er Jahren sich auch Räume öffneten, die nicht gleich von der Marktausrichtung belegt wurden, zeigten die WM 1970 und die EM 1972, zwei Ereignisse, die vor Spielfreude und fußballerischer Ästhetik nur so strotzten. Selbst die deutsche Nationalmannschaft machte hier ausnahmsweise einmal keine Ausnahme. Geprägt vom Prinzip Mönchengladbach, das wie kein anderer Günter Netzer verkörperte, bot sie Ansätze von sozialdemokratischem Reformfußball par excellence - im Gegensatz zu heute war damals darunter zu verstehen, zumindest teilweise gesellschaftliche und spielerische Räume zu öffnen. Allerdings setzte sich im deutschen Fußball nur wenig später das Prinzip Bayern München durch.
Zurück zu den globalen Verhältnissen: Unter dem Druck der Auslandsverschuldung und den Einkommensunterschieden zwischen Afrika, Asien und Lateinamerika einerseits und Europa andererseits wandern viele Spieler gen "Norden". Fußballspieler als Exportartikel. In manchen Fällen wird der Kaufpreis der Spieler mit den Schuldtiteln der Länder direkt verrechnet. Doch die Transfers benötigen Regeln und in Streitfällen Schiedsrichter.
Es muss gleichwohl auf das gestiegene Selbstbewusstsein des globalen Südens und der neuen Nationen in Mittel- und Osteuropa reagiert werden (die FIFA hat heute 204 Mitgliedsverbände): Das führt zu einer Ausweitung der teilnehmenden Länder von 16 auf 24 (seit der WM 1982 in Spanien) und auf 32 Länder seit dem Turnier 1998 in Frankreich. Man stelle sich heute vor: Bis zur WM 1978 in Argentinien schickten Afrika, Asien sowie Nord-/Mittelamerika inkl. der Karibik jeweils eine Mannschaft zu den Turnieren.
Der Epochenbruch 1989 hat politische Konsequenzen für Globall Governance: Das einzige Land, das in den Umbrüchen nicht zerfällt, sondern sogar wächst, gewinnt 1990 den Weltmeistertitel. Aber so, wie sich Deutschland ökonomisch übernimmt und es zu politisch entscheidend falschen Weichenstellungen im Vereinigungsprozess kommt, so sehr täuscht die kurzzeitige Euphorie, "auf Jahre unschlagbar zu sein" (so der "Kaiser"). Die Weltmeisterschaften 1994 und 1998 legen die Schwächen offen.
Nach der Grenzöffnung kommt es in den 1990er Jahren zu einer neuerlichen fußballerischen Migrationswelle nach Westeuropa. Neben den Spielern aus südlichen Ländern suchen auch jene aus Osteuropa nach Ruhm und einem besseren Leben. Diese Migration ist verbunden mit den Verarmungsprozessen in Osteuropa und der immer stärkeren Konzentration des Reichtums im Westen. Ausdruck hierfür sind die Vereinsmannschaften, aber auch die enorme Kommerzialisierung des populären Sports. Mit der Einrichtung der Champions League werden nationale Märkte und die dortige Marktsättigung überwunden, TV-Rechte noch teurer, und es entsteht eine neue Bühne als Werbefeld. Die Stimmen werden lauter, die eine Euroliga einrichten und die nationalen Wettbewerbe zu einer Art europäischen Zweitliga machen wollen. Der institutionelle Knotenpunkt der European Governance ist die UEFA, die treibenden Kräfte sind - wie auch in den nationalen Governance-Prozessen - die Spitzenvereine, Fußballfunktionäre, TV-Anstalten und Printmedien sowie werbetreibende Firmen. Dennoch bleiben die nationalen Klassiker wie Real gegen Barcelona, Celtic gegen Rangers oder Schalke gegen Dortmund das Salz in der Suppe.
Globall Governance ist auch ein Diskurs, eine Sicht auf die Welt - und zwar eine von oben, von den Mächtigen und Besitzenden. Fußball wird immer stärker gleichgesetzt mit kommerziellem Spitzensport, kaum mehr mit Breitensport oder gar selbstorganisiertem Tun. Das hängt damit zusammen, dass die privatkapitalistischen Akteure der Governance immer mehr Einfluss gewinnen. Das einfache und schöne Spiel, dessen einzig schwieriger Teil die Abseitsregel ist, droht in der Kommerzialisierung seine populären Elemente zu verlieren. Im Dreieck von Identität, Ästhetik und Kommerzialisierung scheint letztere immer dominanter zu werden.
Aber wie das Leben auch sonst so spielt: allerorten Widersprüche, Spannungen, Paradoxien. Ein paar Dimensionen sollen das andeuten: Historisch war die Kommerzialisierung des Sports nicht nur im Interesse der Clubbesitzer und Werbetreibenden. Es kam auch zu einer Demokratisierung des Fußballs, weil durch die Einführung des Profifußballs Arbeiter überhaupt intensiv trainieren konnten.
Trotz der steigenden Bedeutung des Global Game und des Weltmarkts für Spieler gibt es auch protektionistische Tendenzen, wenn etwa im Vereinsfußball jüngere Spieler geschützt werden sollen, um die Nationalmannschaften zu stärken.
Deutlich wird ein weiterer Widerspruch bei vielen WM-Spielen. Denn hier zählen bislang weniger die Millionen einzelner Vereine wie beispielsweise von Real Madrid (Spanien scheitert meist schon früh) oder von ManU (England ist selten weit gekommen, die deutsche Mannschaft selten mit guten Spielen aufgefallen), sondern citizenship (Staatsbürgerschaft). Wenngleich hier in den kommenden Jahren einschneidende Veränderungen zu erwarten sind.
Und natürlich als besondere Dimension von Globall Governance: Im Fußball bleibt die Weltmacht USA außen vor. Ein Dream Team wird es auf absehbare Zeit nicht geben. Die Globalisierung des US-Sports beschränkt sich weiterhin auf die weltweite Berichterstattung von Basketball und Football aus den USA selbst. Auch Japan scheitert meist in der Vorrunde. Kein Grund zum vorschnellen linken Jubel, denn Globall Governance bedeutet ja die Kommerzialisierung des Fußballs durch FIFA, Fernsehen, Franz und Firmen.
Aber der freudige und kluge, fantasievoll-ungezwungene und schöne Fußball wird auf Dauer gewinnen und ebenso die Auswahlmannschaften jener Länder, in denen Würde und Gerechtigkeit von vielen Menschen auf die Tagesordnung gebracht werden. Temporeiches und kunstvolles Spiel, Geschicklichkeit und famoses Handwerk, das Aufblitzen eines besseren und menschlicheren Lebens im Spiel, kurz: der "linke Fußball" (César Luis Menotti) nutzen vor allem dank der kreativen lateinamerikanischen Teams die Bühne Weltmeisterschaft. Erfolg nicht um des Erfolgs Willen. Das verstehen selbst viele Menschen hier zu Lande immer besser.
Die aktuelle Globall Governance, vom Organisationsprinzip des globalen Kapitalismus beherrscht, wird auf dem Spielfeld und von vielen ZuschauerInnen konterkariert. Die neoliberal-rechte Fußballorientierung kommt unter Druck: Der Fußball gehört weder den Sportfunktionären noch den Konzernen noch den am schönen Spiel desinteressierten nationalistischen Guckern. Der Anspruch von Globall Governance erhält einen Knacks: die Welt einseitig nach dem nordwestlichen Prinzip von Geld, Effizienz und Kraft auszurichten und die anderen durch ökonomische wie politische Macht sowie durch vermeintliche Überlegenheit zur Anpassung zu zwingen. Der "Fußball der Resultate" ist dabei, Terrain zu verlieren; es blitzen in vielen Spielen befreiende post-neoliberale Momente auf.“
Es erscheint auch der Artikel: „Gibt es „linken“ Fußball? Interview mit Dietrich Schulze-Marmeling.“
„Grau ist alle Theorie, entscheidend is auf`m Platz“ - wer wollte ernsthaft die in diesem Satz des Duisburger Fußballers Adi Preißler (1921-2003) enthaltene Weisheit in Frage stellen? Aber auch der Liverpooler Trainer Bill Shankly (1913-1981) hat Unsterbliches zum Thema hinterlassen: „Football is not a matter of life and death. It's more important than that.“ Wenn dieser Ausspruch nur einen Funken Wahrheit enthält, dann kann ein bisschen Reflexion nicht schaden: Über Fußball im 21. Jahrhundert, seine politischen Implikationen und insbesondere die Frage, ob es „linken“ Fußball gibt und wodurch er sich auszeichnet.
ak: In dem von dir herausgegebenen Buch „Der gezähmte Fußball“, erschienen 1992 im Göttinger Werkstatt-Verlag, machen sich diverse Autoren Sorgen um die Zukunft dieses potenziell „subversiven“ Sports. Die fiktive Expertenrunde im Epilog endet allerdings mit einem hoffnungsvollen Ausblick: ‚Auf irgendeine seltsame Art schafft es der Fußball immer wieder, sich selbst aus dem Sumpf zu ziehen“, lässt Matti Lieske den französischen Superstar Michel Platini sagen. Hat „Platini“ Recht behalten?
Dietrich Schulze-Marmeling: Ja, er hat Recht behalten. Dieses Spiel erweist sich als erstaunlich resistent. Auch seine hemmungslose Kommerzialisierung hat es nicht kaputtgekriegt. Wir haben damals sehr unhistorisch argumentiert, hätten es besser wissen müssen. Auch Anfang der 1960er befand sich der Fußball in einer schweren Krise: Die „Treter-WM“ in Chile mit einem Minusrekord an erzielten Toren, Helenio Herrera und sein Catenaccio, die hässlichen Szenen bei den europäisch-südamerikanischen Duellen um den Weltpokal der Vereinsmannschaften etc. Acht Jahre später wurde in Mexiko eine von Offensivgeist und Fairness geprägte WM gespielt, die noch heute als beste in der Geschichte des Turniers gilt. Offensichtlich verfügt das Spiel über erstaunliche regenerative Fähigkeiten. Heute wird ein technisch und athletisch anspruchsvollerer Fußball gespielt als jemals zuvor - siehe die EM 2004, siehe einige Spiele und Teams in der Champions League. Dass das Finale hier Barcelona gegen Arsenal lautet, ist doch großartig.
Die Bundesliga muss ich von dieser eher positiven Beurteilung allerdings ausschließen, denn diese hinkt der Entwicklung in einigen anderen europäischen Ländern eindeutig hinterher. Und dies bereits seit Jahren. Die so genannten deutschen Tugenden und das „Wunder von Bern“ sind längst zum Fluch verkommen. Und doch gibt es ein Problem, das Socrates im Spiegel (1.5.06) korrekt anspricht. Aufgrund der Entwicklung zum „Hochgeschwindigkeitsfußball“ werden die kreative Gestaltung und die „individuelle Einlage“ immer schwieriger. An den potenziellen Kreativ-Spieler werden physisch, technisch und mental höhere Anforderungen gestellt als noch zu den Zeiten von Socrates. Da stoßen viele Fußballer an „natürliche“ Grenzen. Aus dieser Situation können sich nur die ganz Großen der Branche - wie etwa Ronaldinho - befreien.
Vordenker eines „linken“ Fußballs war seinerzeit Cesar Luis Menotti, der Trainer der argentinischen Weltmeistermannschaft von 1978. In einem neueren Buch des Werkstatt-Verlages über die „Strategen des Spiels“, die großen Trainer, wird der „Menottismus“ ziemlich nüchtern gesehen. Teilst du diese kritische Sicht auf dein einstiges Idol?
Die Person Menotti ist immer stark verklärt worden - auch von mir. Ein wohl typisch linkes Phänomen, das ja auch im Glaubensstreit um „linken“ und „rechten“, „offensiv-kreativen“ und „defensiv-destruktiven“ Fußball seinen Ausdruck findet. Wenn sich jemand im Sinne unserer Gedankenwelt äußert, sind wir angesichts dieser „schrecklichen Welt“ und unserer relativen Isoliertheit so überglücklich, dass wir diese Person sofort für uns vereinnahmen, ihr alles Mögliche andichten, jegliche wissenschaftliche Betrachtung und Distanz über Bord schmeißen. Nichtsdestotrotz attestiere ich der Person Menotti und ihren Aussagen einen gewissen propagandistischen Wert.
Gibt es überhaupt noch linken Fußball? Wodurch zeichnet er sich aus?
Eine Frage, die schon damals schwierig zu beantworten war. Liverpools Trainer Bill Shankly war ein militanter Sozialist, stellte deshalb das Kollektiv in den Vordergrund. Manchesters Matt Busby hegte ebenfalls Sympathien für den Sozialismus, betonte aber die Bedeutung des Individuums, hatte stets Spieler „mit Flair“ in seinen Reihen und wollte die Siege auch „mit Flair“ erringen.
Franz Beckenbauer hat vom FC Bayern jahrelang einen kreativeren und unterhaltsameren Fußball gefordert. Ist Franz Beckenbauer also ein Propagandist des „linken Fußballs“? Der FC St. Pauli spielt nicht gerade brasilianisch oder niederländisch auf. Ist der FC St. Pauli deshalb eine eher rechte Angelegenheit? Wenn der FC St. Pauli eine technisch und spielerisch überlegene Bayern-Mannschaft niederkämpft, den Künstlern im Bayern-Team den Schneid abkauft und dadurch ins Pokalfinale einzieht: Ist das dann ein Sieg des „linken“ oder des „rechten“ Fußballs? Oder hat ein „linker“ Verein dank einer „rechten“ Strategie gesiegt? Gleichzeitig kann man nicht leugnen, dass der Fußball der Brasilianer oder Niederländer eher dazu geeignet ist, ein linkes Lebensgefühl zu befriedigen, als der biedere Kick einiger anderer Länder. Er ist relativ offensiv, räumt (einigen!) Individuen relativ viel Raum ein, bietet an guten Tagen einen ästhetischen Genuss. Und doch steckt auch im Fußball dieser Länder mehr System, als uns lieb ist.
Vermutlich ist es viel einfacher, „rechten“ Fußball zu definieren: Die Spieler werden in ein enges taktisches Korsett eingebunden, das dem Individuum keine Freiheiten einräumt. Es dominieren Kampf und Disziplin, der Gegner wird durch übertriebene Härte eingeschüchtert, und es wird an soldatische Tugenden appelliert. Als Vertreter „rechten Fußballs par excellence“ lässt sich vielleicht der Weltmeister von 1934 charakterisieren, zumal in seinem Falle auch noch die politischen Rahmenbedingungen „stimmten“ (der Mussolini-Faschismus). Italiens Trainer Vittorio Pozzo („il metodo“) verpasste dem Land erstmals das Image eines Horts des Defensivfußballs. Italien 1934 galt als „hässlicher Sieger“.
Um unseren LeserInnen ein bisschen Orientierung zu geben: Von welchen Mannschaften ist bei der bevorstehenden WM am ehesten linker Fußball zu erwarten? Für wen lohnt es sich Partei zu ergreifen?
Meine persönliche Vorliebe gilt den Niederländern. Es ist unglaublich, was dieses Land seit Mitte der 1960er an großartigen Fußballern hervorgebracht hat. Und trotzdem existieren auch hier eine Reihe von Klischees. Es wird ja immer gerne behauptet, die Niederländer erfreuten sich mehr am schönen Spiel denn am Sieg. Weshalb Cruyff und Co. die Niederlage von 1974 nicht weiter tragisch nehmen und sich als eigentliche Sieger des WM-Finales fühlen würden. In Wahrheit war dies ein zutiefst tragischer Moment für den („linken“) Fußball. Ein Weltmeister Niederlande wäre - zumal in Anbetracht der bevölkerungsmäßigen Underdog-Position - zu dem Symbol und Hoffnungsträger eines „linken“ Fußballs schlechthin avanciert. Ein Sieg von Cruyff und Co. und ihres „totaal voetbal“ hätte stilbildende Konsequenzen gehabt und nebenbei noch ein niederländisches Trauma beseitigt. Cruyff und Co. haben seinerzeit im politischen wie fußballerischen Sinne eine riesige Chance vertan, was mich noch heute stinksauer macht. Ganz abgesehen davon: Dass sich auch Niederländer über Siege freuen, zumal wenn der Gegner Deutschland heißt, hat man bei den ausgelassenen Feiern nach dem EM-Triumph von 1988 gesehen. Das war der größte Massenauflauf seit der Befreiung von der nationalsozialistischen Besatzung.
Heute wird in den Niederlanden viel härter gespielt, als hierzulande vielfach angenommen. Richtig ist, dass die Ausbildung in den Niederlanden deutlich technikbetonter ausfällt als bei uns, und dass sich der größere Stellenwert des Individuums in der niederländischen Gesellschaft auch im Fußball manifestiert. Die Ära Cruyff hat gewisse ästhetische Vorgaben geliefert und Standards gesetzt. Dass dieser Fußball, anders als der der bundesdeutschen Nationalelf von 1972, Dauerhaftigkeit erlangte, wurde dadurch erleichtert, dass die Erfolgsstory des niederländischen Fußballs erst mit der Ära Cruyff begann. Wir hatten zuvor bereits unsere tapferen „Helden von Bern“, deren Schatten sich selbst die Elf von 1972 nicht so richtig entziehen konnte. Ansonsten wird das Ideal eines linken Fußballs natürlich noch am ehesten von Brasilien erfüllt.
Bei den Europameisterschaften 1992 und 2004 gab es mit Dänemark und Griechenland zwei Überraschungssieger. Ist das auch bei einem Weltturnier möglich?
Bei der EM 2004 habe ich mich furchtbar in die Nesseln gesetzt. Vor dem Viertelfinale wurde ich in einem Interview nach meinem Favoriten gefragt. Antwort: „Ich sehe sieben Titelanwärter - nur die Griechen scheiden für mich aus.“ Das Ergebnis ist bekannt. Wir sahen tolle Mannschaften, erlebten tolle Spiele - aber am Ende hatte ein Team die Nase vorne, das ein Haufen von Durchschnittskickern war und biederen Fleiß-Fußball praktizierte. Aber der Fußball verbietet dies nicht. Theoretisch ist im Fußball vieles möglich, was ja auch seine Faszination ausmacht. Bei einer WM hat es allerdings erst einmal einen richtigen Überraschungssieger gegeben: Westdeutschland 1954.
Die „FIFA-WM“ ist eine gigantische Werbeveranstaltung und - mit Verweis auf gewalttätige Fans oder mögliche Terroranschläge - durchorganisiert und kontrolliert bis ins Kleinste; im Fernsehen erwarten uns Blatter, Beckenbauer, Mayer-Vorfelder und geschwätzige Reporter mit schwarz-rot-goldener Brille; die Bild-Zeitung wird das nationale Fieber anfachen - und Klinsmann schlachten, wenn die deutsche Mannschaft nicht mindestens unter die letzten vier kommt. Gibt es trotzdem positive Wirkungen der WM, etwa beim Jugendfußball?
Ich habe eher den Eindruck, dass sich das mit dem „schwarz-rot-gold“ in Grenzen hält. Ich sehe überall in den Kaufhäusern diese Ständer mit Deutschlandfahnen etc., habe aber noch niemanden in diesem grauenvollen Telekom-Welcome-Trikot gesehen. In der Jugendmannschaft, die ich seit vielen Jahren trainiere, läuft niemand im Deutschlandtrikot herum. Das ist einfach nicht „cool“. Meine Kicker laufen für Brasilien, Italien, Manchester United, Arsenal, Juventus Turin, FC Barcelona, Argentinien, Ägypten, Bayern, Schalke, sogar Wolfsburg und Preußen Münster über den Sportplatz - Deutschland sehe ich dort nicht. Die nationalistischen Ambitionen der Bild werden dadurch beeinträchtigt, dass man den obersten deutschen Übungsleiter abschießen möchte. Wobei so ein Blatt natürlich sehr flexibel ist.
Für den hiesigen Jugendfußball kann man nur folgendes hoffen: 1. Dass Klinsmann keinen totalen Schiffbruch erleidet, damit das begonnene Reformprojekt nicht gestoppt und eine Entwicklung, die frühestens 2010 Erfolge verzeichnen kann, nicht zurückgedreht wird. Im Falle Klinsmann wird im Übrigen deutlich, wie reaktionär die Bild-Zeitung gerade auch in Sachen Fußball ist. Anstatt einer Fortsetzung der Modernsierung und Reform des hiesigen Fußballs das Wort zu reden, propagiert das Blatt ausschließlich Rückwärtsgewandtes und Hausbackenes. 2. Dass ein Team das Turnier gewinnt, das für technisch guten, kreativen und offensiven Fußball steht und dem unsere Nachwuchskicker diesbezüglich nachahmen möchten.
Und wer wird Weltmeister?
Hoffentlich Togo. Dann wird sich Mayer-Vorfelder einige Flaschen Rotwein hinter die Binde knallen, durch die VIP-Räume stolpern und wieder den Verlust deutscher Kolonien beklagen. Aber im Ernst: Um den afrikanischen Fußball ist es derzeit nicht gut bestellt. Allenfalls von der Elfenbeinküste darf man sich Akzente erhoffen. Mein Tipp lautet Brasilien oder auch Italien. Die Squadra Azzurra spielt keinen Catenaccio mehr, aber auch keinen freigeistigen Offensivfußball. Prodi hat die Wahlen gewonnen, Trainer Marcello Lippi firmiert als Sozialist. Da hätte ich dann auch eine Frage an den Italien-Experten des ak: Wäre das dann ein Sieg des „rechten“ oder des „linken“ Fußballs?
Wohl eher ein „historischer Kompromiss“.
Im Artikel „Zwischen Rumpelfußball und WM-Titel. Anmerkungen zur gesellschaftspolitischen Rolle von Jürgen Klinsmann“, befassen sich die Verfasser mit dem Deutschen Profi-Fußballer Jürgens Klinsmann. Ausgeführt wird:
„Im Deutschland der Vor-WM-Hysterie verschmelzen Fußball und Politik zu einer unübersichtlichen Gemengelage. Mittendrin in dieser durchaus brisanten Mischung: Jürgen Klinsmann, Trainer der deutschen Nationalmannschaft. Seine Bedeutung geht inzwischen weit über den Fußball hinaus. Höchste Zeit also für eine kritische Würdigung des blonden „Revolutionärs“ (Die Zeit).
Zugegeben: Es ist schon so einiges über Jürgen Klinsmann geschrieben worden. Wozu also noch zusätzliche Worte verlieren? Im Grunde, so könnte der geneigte Fußballfan einwenden, ist die Geschichte Jürgen Klinsmanns doch schnell erzählt. Sie ginge dann in etwa so: Juli 2004. Die deutschen „Rumpelfußballer“ sind gerade wenig ruhmreich bei der Europameisterschaft ausgeschieden, der Posten des Bundestrainers ist durch den Rücktritt Rudi Völlers verwaist. Nach einer kurios anmutenden Trainersuche präsentiert der DFB schließlich der überraschten Fußballwelt Jürgen Klinsmann als neuen Hoffnungsträger.
Das Kalkül der DFB-Funktionäre ist dabei so einfach, wie offensichtlich: Der polyglotte, aber als Trainer vollkommen unerfahrene Wahl-Kalifornier soll nach außen die schmückende Fassade geben, während andere im Hintergrund die Strippen ziehen. Doch der vermeintliche Sonnyboy entpuppt sich schnell als eiskalter Machtmensch und knallharter Reformer, der seine ganz eigenen Vorstellungen hat - und diese auch konsequent umsetzt. Klinsmann geht nicht nur daran, die Strukturen des DFB in seinem Sinne umzugestalten, altgediente Angestellte in die Bedeutungslosigkeit zu verbannen und sich mit einem eingeschworenen Zirkel von Getreuen zu umgeben; er verpasst der deutschen Nationalmannschaft auch ein neues, jüngeres Gesicht und vor allem eine offensive, aggressive Spielweise. Wenig zögerlich ist er auch im Setzen seiner Ziele: Gleich nach seinem Amtsantritt verkündet er, nur ein WM-Sieg könne die Messlatte sein. Der DFB, die Liga und die Öffentlichkeit goutieren das rigorose Vorgehen und den gnadenlosen Optimismus des Bundestrainers, solange es fußballerisch einigermaßen rund läuft - immerhin gibt es auf dem Platz nun etwas anderes zu sehen als Quer- oder Rückpässe und verzweifelte Flanken aus dem Halbfeld. Seit einiger Zeit allerdings schwächelt die deutsche Nationalmannschaft wieder bedenklich, der neue Geist scheint sich schon fast wieder verflüchtigt zu haben und Klinsmann gerät im Vorfeld der WM zunehmend ins Fadenkreuz der Kritik.
So weit, so gut, so bekannt. Der Punkt ist, dass es bei Jürgen Klinsmann eben nicht nur um Fußball geht. Denn neben den zahlreichen Versuchen der offiziellen Politik, die WM für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, ist Jürgen Klinsmann mit seinem fußballerischen Projekt auf eine Weise in einen gesellschaftspolitischen Kontext eingebettet wie noch kein Bundestrainer vor ihm. Um dies zu verstehen, muss man allerdings etwas unter der glänzenden Oberfläche Jürgen Klinsmanns graben. Vor allem darf man sich nicht von dem PR-Feuerwerk blenden lassen, das der Bundestrainer und der ebenfalls 2004 neu bestellte Manager Oliver Bierhoff stets entzünden. Denn Jürgen Klinsmann ist mehr als ein schaumschlagender Motivationsguru. Hat man sich durch die ermüdende Klinsmann-Diktion mit den vielen Doppelungen und dem immer positiven Grundton gekämpft, tritt darunter tatsächlich ein harter Kern, ein konsistentes Weltbild zu Tage.
Ein Weltbild, das dazu verleitet, einen Kontrapunkt zu all den Berichten über Jürgen Klinsmann zu setzen und ihn als das zu bezeichnen, was er (auch) ist: Ein „organischer Intellektueller“ des Neoliberalismus. Eine absurde, eine verquere Behauptung? Nun, salopp gesagt ist Klinsmann schon allein durch Lothar Matthäus Vorwurf „er denkt zu viel“ in den Rang eines Kopfarbeiters unter den Beinarbeitern gehoben worden. Doch hinter dem Begriff des „organischen Intellektuellen“ steckt natürlich mehr. Antonio Gramsci, von dem der Begriff stammt, bestimmt diesen vor allem in Abgrenzung zum „traditionellen Intellektuellen“.
Dabei ist es zum einen nicht die intellektuelle Tätigkeit an sich, die einen zum Intellektuellen macht, sondern allein die Funktion, die jemand inne hat. Intellektuelle können demnach nicht nur Wissenschaftler, Philosophen, Schriftsteller und dergleichen sein, sondern alle, die in einer Gesellschaft auf den verschiedensten Ebenen für die konsensbildenden, hegemonialen Prozesse „zuständig“ sind. Auch wenn Gramsci weniger an Fußballtrainer gedacht hat als an Beamte, Lehrer, oder Funktionäre von Parteien und Gewerkschaften, lässt sich mit ein bisschen Fantasie von Klinsmann als einem „Intellektuellen“ sprechen. Oder will jemand ernsthaft die enorme integrative Kraft des Fußballs leugnen? Zum anderen artikuliert der organische Intellektuelle im Gegensatz zum traditionellen immer die Weltauffassung einer dominanten oder aufstrebenden Gruppe oder Klasse. Bezogen auf die Welt des Fußballs im Allgemeinen und Klinsmanns Fall im Besonderen sind das die Vertreter des „Sportmanagements“, zu deren prominentesten Köpfen die beiden Lehrmeister Klinsmanns, Warren Mersereau und Mick Hoban gehören.
In der Zeit findet sich dazu: „Auch im Profifußball beginnt die Dämmerung der Ideologen, der schwitzigen Männerbünde und feucht-fröhlichen Mannschaftsabende“. Klinsmann gilt ihr als „Vertreter einer neuen Rationalität“. Und tatsächlich hat Klinsmanns kalte und effiziente Amtsführung sehr wenig mit der alten Fußballschule gemein, wie sie etwa noch sein kumpelhafter Vorgänger Rudi Völler repräsentierte. Bleibt der „Neoliberalismus“, genauer das neoliberale Weltbild Klinsmanns. Hier hilft ein Blick in ein Gespräch Klinsmanns mit dem Magazin der Süddeutschen Zeitung vom Juni 2005, eines der erhellendsten Dokumente in diesem Kontext. Da ist zunächst - natürlich - die allgegenwärtige Marketingrhetorik, die ein offensives Spiel aus der Notwendigkeit begründet, sich am „Kunden Fan“ zu orientieren und die schließlich in folgendem Zitat gipfelt: „Ein Sieg im nächsten Jahr böte die Chance zu zeigen, wer wir sind. Wir haben die Möglichkeit, Deutschland neu zu definieren: eine Marke, einen Brand zu schaffen.“
Dies ist also Klinsmanns Anspruch, sein Mittel ist die kontinuierliche Umwälzung der Verhältnisse: „Wir müssen alte Rituale und Gewohnheiten hinterfragen. Und zwar andauernd - nicht nur im Fußball. Das ist doch nichts Schlimmes. Reform ist kein Prozess, der in Episoden stattfindet. Das Reformieren muss zu einem permanenten Zustand werden - nicht nur vor der Weltmeisterschaft, auch danach“. Klinsmann hat dem deutschen Fußball eine „Agenda 2006“ verordnet; und die entsprechende Subjektform hat er auch gleich parat: „Bisher machen die Athleten meist nur, was ihnen vorgegeben wird. Wir geben ihnen Hilfe zu Selbsthilfe … Es gibt kein Recht auf Faulheit, sondern eine Pflicht zur Leistungssteigerung. Wir wollen den mündigen Spieler.“ Freilich bleibt dieses Programm nicht auf die semantische Ebene beschränkt; es schlägt sich vielmehr in ganz konkrete „Techniken der Führung“ nieder, die man schon aus anderen Zusammenhängen kennt. So wurden für die als autonome Subjekte „angerufenen“ Spieler individuell zugeschnittene Trainingspläne erstellt, mit denen diese in Eigenregie die letzten verborgenen Leistungsreserven aus sich herauskitzeln sollen - eine Art zeitgenössisches Selbstoptimierungsprogramm also. Und Klinsmanns bewusstes Offenhalten der Torwartfrage, mit der er die beiden Anwärter Kahn und Lehmann in einen harten Konkurrenzkampf trieb, erinnert fatal an die Methoden, mit denen Unternehmen durch Vermarktlichungsmechanismen den Wettbewerb nach innen tragen.
Mit dem Bundestrainer Klinsmann hat der neoliberale Managementdiskurs Einzug auf das Terrain der Fußballs gefunden; er trägt dazu bei, auch unter Fußballanhängern ein Gedankengut zu popularisieren, das sich an den einschlägigen Werten von Kundenorientierung, Effizienz und Eigenverantwortung ausrichtet. Nimmt man etwas polemisch noch einige eher äußerliche Punkte hinzu, seine Vorliebe für Starbucks und Powerpoint-Präsentationen etwa, oder seine Affinität zu den USA generell, treten deutlich die Konturen eines Angehörigen einer neuen transnationalen (Sport)-Managerklasse hervor, eines „organischen Intellektuellen“ des Neoliberalismus eben.
Wer will, kann das alles für intellektuell spitzfindig oder auch für platte Propaganda halten. Dass man jedoch mit solcherlei Behauptungen nicht ganz auf dem Holzweg ist, das legt die Art und Weise nahe, in der Klinsmanns Wirken mancherorts begierig aufgenommen wird. Exemplarisch ein Artikel des Spiegel vom März 2006: In diesem wird über zwölf Seiten die Geschichte des „verfluchten Reformers“ Klinsmann ausgebreitet und die dreht sich eben nicht nur um die Nationalelf und den DFB, sondern auch um Globalisierung, den Sozialstaat und andere deutsche Probleme. Denn wie das Nachrichtenmagazin weiß: „Die Geschichte des Reformers Klinsmann ist auch eine Geschichte über die Reformfähigkeit Deutschlands.“
Das Klinsmannsche Projekt, den DFB umzukrempeln und nebenbei die WM zu gewinnen, wird parallelgesetzt zu den Anstrengungen der politischen Klasse, vermeintliche staatliche Rigiditäten zu lockern und Deutschland „wieder nach vorne“ zu bringen. Dass beides im Spiegel eine durchaus wohlwollende Begleitung erfährt, ist dabei typisch für den herrschenden Zeitgeist. Ob gewollt, oder - wie in den letzten Monaten - eher ungewollt, Jürgen Klinsmann spielt seine Rolle im neuen Deutschland der pragmatischen, „unideologischen“ Reformer. Die Hoffnungen, die die Öffentlichkeit in den Bundestrainer setzt, sind allerdings sehr viel höher als sie bei Merkel und Co. je sein könnten. Nicht weniger wird von ihm erwartet, als mit einem WM-Sieg den deutschen Fußball und die deutsche Nation gemeinsam aus der kollektiven Depression zu reißen.
Genau solche übersteigerten Erwartungen könnten Jürgen Klinsmann letztlich zum Verhängnis werden. Denn anders als in der Politik lassen sich beim Fußball die Ergebnisse des Handelns sehr viel klarer und unmittelbarer ablesen: Ein 0:4 kann durch keine Statistik verfälscht und durch keinen spin-doctor schön geredet werden. Und so könnte es mit der „spontanen Zustimmung“ der Fußballmassen - die ja in den letzten Monaten sowieso schon arg gelitten hat - schnell wieder vorbei sein. Blamiert sich die deutsche Mannschaft bei der WM, wird nicht nur die Bild die „PR-Maschine“ Klinsmann erbarmungslos in ihre Einzelteile zerlegen. Ob das, was danach kommt, dann unbedingt besser ist, darf nicht nur aus rein fußballerischer Perspektive bezweifelt werden. Letztendlich trägt das Klinsmann-Projekt so die gleichen ambivalenten Momente in sich, die auch die aktuellen politischen Entwicklungen kennzeichnen. Es ist wie mit dem Wohlfahrtsstaat. Jegliche Romantisierung des alten Modells verbietet sich. Will jemand etwa Otto Rehhagel als Bundestrainer, der dann alsbald mit Libero spielen lässt und mit rassistisch eingefärbten Platituden über den „Südländer an sich“ um sich wirft? Oder Ottmar Hitzfeld, der in seinen letzten Jahren bei Bayern München mit gepflegtem Angsthasenfußball langweilte? Oder den bärbeißigen Matthias Sammer? Lothar Matthäus? Wünschenswert wäre Offensivfußball ohne neoliberale Begleitmusik. Doch wo ist der Kopf, der solch ein Konzept vertreten würde? Okay, Christoph Daum vielleicht. Na ja. So sind leider auch im Fußball die Alternativen dünn gesät.“
Auch der Artikel: „Alte Brause in neuen Schläuchen?“ beschäftigt sich mit der WM. Danach hat die „Kolumbienkampagne Deutschland“ dazu aufgerufen während der WM Coca-Cola zu boykottieren. Ziel der Kampagne sei es: „Mit der Kampagne wollen wir die bestehenden Kämpfe um bessere Arbeits- und Organisationsbedingungen und um Entschädigungen unterstützen, die es bei Coca Cola und seinen Abfüllern in Kolumbien gibt. Wir wollen Druck auf Coca Cola ausüben, damit sich für die Beschäftigten vor Ort etwas verbessert und die Forderungen der Gewerkschaft erfüllt werden. Mittlerweile wird die Coca-Cola-Kampagne in etwa 15 Ländern aktiv getragen.“
Im Artikel: „Fankultur gegen Vermarktungswahn. Interview mit dem „Bündnis Aktiver Fußball-Fans e. V.“, setzt sich die Sprecher des Bündnis „für eine lebendige Fankultur mit sozialem Integrationswert, gegen Rassismus und Diskriminierung, gegen Überwachung und Kommerzialisierung“ ein.
Zu den „Gefahren der Vermarktung“ heißt es: „Die Gefahren sind ganz klar die, dass das Fernsehen - und auch die anderen Sponsoren - bald alles bestimmen können: Anstoßzeiten, Trikotfarben usw. Alles richtet sich nur noch nach den Wünschen der Sponsoren und nicht mehr nach den Fans und Zuschauern in den Stadien, die eigentlich das Fußballspiel erst zu dem machen, was es ist: Einem Erlebnis! Dadurch besteht die Gefahr, dass die historisch gewachsene Fankultur stirbt, wie wir es jetzt schon teilweise in England sehen, wo die „wahren“ Fans die Spiele inzwischen in den Kneipen gucken, da der Stadionbesuch einfach zu teuer geworden ist. Durch die Vermarktung und der damit einhergehenden Eventisierung des Fußballs ist eine andere - zahlungskräftigere - Klientel angesprochen worden, die die alten Fans aus den neuen Arenen drängt. Die Sponsoren haben an den Fans auch kein wirkliches Interesse, sie sehen sie nur als schickes Beiwerk (brasilianische Frauen) oder als Klatschattrappe, um vor dem Fernseher eine bessere Stimmung zeigen zu können.
Ebenso scheint der Fußball ein gutes Testfeld für industrielle Neuerungen und damit auch für neue Überwachungsmaßnahmen zu sein: Zur WM werden die Tickets erstmals einen RFID-Chip tragen, mit denen die Karte im Stadion zu orten ist. Wegweisend bei der Entwicklung von RFID sind zwei Großsponsoren der FIFA … Schon jetzt haben sich viele aktive Fans von der WM verabschiedet: Der Kommerz, die Überwachung und das Kartenprozedere haben sie abgeschreckt und haben ihrer Meinung nach nichts mehr mit Fußball zu tun. Die WM ist für sie nur noch eine gigantische Werbemaßnahme.“
Q: Arbeiterkampf - Zeitung für linke Debatte und Praxis Nr. 506 vom 19. 5. 2006, S. 13ff.
16.06.2006:
Im „Arbeiterkampf - Zeitung für linke Debatte und Praxis“ Nr. 507 vom 16. 6. erscheint der Artikel: „Begeisterung gleich null. Repression gegen Fußball-Fans - nicht nur im Zuge der WM.“
Ausgeführt wird: „Am 10. Juli wird es soweit sein: Die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland ist endlich vorbei! Diese Sehnsucht der Fußball-desinteressierten Minderheit wird ausgerechnet vom harten Kern der deutschen Fußball-Fanszenen, den so genannten "Ultras", geteilt. Zumindest die meisten von ihnen verfluchen den Tag, an dem das Satire-Magazin Titanic in Bestechungsfaxen an die FIFA-Oberen Schwarzwälder Schinken und Kuckucksuhren anboten und damit einen senilen Funktionär, der eigentlich für die WM-Vergabe nach Südafrika stimmen wollte, dazu brachten, sich entnervt der Stimme zu enthalten. So bekam Deutschland den Zuschlag - mit einer Stimme Mehrheit.
Der Mangel an WM-Euphorie bei den Ultras gründet sich allerdings nicht auf dem Umstand, dass so ziemlich jeder Karnevalsverein ein seriöseres Erscheinungsbild abgibt als der Fußball-Weltverband mit seinem Skandal-Präsidenten Blatter. Es hat auch wenig zu tun mit der ebenso Fan-feindlichen wie Sponsoren-freundlichen Ticket-Vergabe, die sicherlich das Reizthema Nr. 1 für den übrigen Teil der fußballinteressierten Öffentlichkeit darstellt. Und schon gar nicht fehlt es den Ultras grundsätzlich an der Motivation, mit Fans aus aller Welt ein friedliches Fußballfest zu feiern.
Nein, der wirkliche Grund, warum den aktiven Fans die WM im eigenen Land zum Halse heraushängt, ist die durch den WM-Zuschlag angeheizte Sicherheitshysterie, die deutlich sichtbar gemacht hat, was manche schon vor Jahren ahnten: Ultras werden in Deutschland politisch verfolgt. Diese Feststellung mag verwundern, weil die Ultra-Szenen in den meisten deutschen Städten Wert darauf legen, als unpolitisch zu gelten. Zwar bekennen sich erfreulicherweise immer mehr Ultra-Gruppierungen zu einem gesellschaftspolitischen Selbstverständnis links der Mitte und beziehen klar Stellung gegen Rassismus in den Stadien. Doch zum Ziel staatlicher Verfolgung sind sie auf Grund dessen geworden, was kennzeichnend für fast alle Ultras ist: Sie sind unangepasst und zahlreich.
Auf Stadionverbot folgt die Datenspeicherung
Ultras haben der Kommerzialisierung den Kampf angesagt und protestieren lautstark, wenn die Vereinsfarben oder der Stadionname an Sponsoren verscherbelt werden. Sie kaufen keine überteuerten Fanartikel im Vereins-Shop, sondern machen ihre eigenen Schals und Shirts. Sie geben in den Fankurven stimmungstechnisch den Ton an, präsentieren beeindruckende Choreografien, und manchmal zünden sie auch Rauchpulver oder Bengalfackeln. Sie sind für die Vereine die willkommene Kulisse für den modernen Event-Fußball, sind ihnen aber gleichzeitig ein Dorn im Auge, weil sie der Vereinsführung nicht nach der Pfeife tanzen. Und sie üben eine scheinbar magische Anziehungskraft auf den riesigen Sicherheitsapparat von Polizei und Ordnungsdiensten aus.
Dieser hatte sich im Fußball eingenistet, als Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre Hooligans in den deutschen Stadien ein ernsthaftes Problem darstellten. Die Hooligans sind freilich längst aus den Bundesliga-Stadien verschwunden und treiben ihr Unwesen allenfalls noch fernab in Wald und Wiese. Doch die Hundertschaften der Polizei sind immer noch Woche für Woche bei jedem Spiel dabei, stets auf der Suche nach neuen Betätigungsfeldern. So mussten die meist jugendlichen Ultras als nun tonangebende Fangruppe fast zwangsläufig ins Fadenkreuz der Ordnungshüter geraten.
Als schärfste Waffe aus dem Repressions-Arsenal von Polizei und Vereinen hat sich dabei die Verhängung von Stadionverboten erwiesen, die auf Basis des Hausrechts der Vereine und dank eines juristischen Winkelzugs mit bundesweiter Wirkung ausgesprochen werden können. Alle Vereine der Bundes- und Regionalligen bevollmächtigen sich vor Saisonbeginn gegenseitig, bundesweite Stadionverbote auszusprechen, und verpflichten sich, die von den anderen Vereinen verhängten Ausschlüsse bei den eigenen Heimspielen durchzusetzen und gegebenenfalls Anzeige wegen Hausfriedensbruchs zu erstatten. Zu diesem Zweck schickt der DFB in regelmäßigen Abständen eine Liste mit den persönlichen Daten (Name, Adresse, Geburtsdatum, Tatvorwurf etc.) der mittlerweile rund 2.500 von Stadionverboten Betroffenen an alle Vereine der ersten drei Ligen. Ob mit diesen Daten in jeder Vereins-Geschäftsstelle - teilweise handelt es sich mehr oder weniger um Dorfvereine - hinreichend sensibel umgegangen wird, darf wohl bezweifelt werden.
Noch skandalöser als diese datenschutzrechtliche Problematik sind allerdings die Umstände, unter denen Stadionverbote ausgesprochen werden. In der Regel werden dem zuständigen Verein, der das bundesweite Stadionverbot ausspricht, die Daten der Fans von der Polizei mitgeteilt, wenn sie ein Stadionverbot für sinnvoll erachtet. Diese Einschätzung beruht aber nicht etwa auf einer in einem rechtsstaatlichen Verfahren erfolgten strafrechtlichen Verurteilung der Betroffenen. Die Richtlinien des DFB sehen vielmehr vor, dass bereits bei der bloßen Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ein Stadionverbot auszusprechen ist. Ausgangspunkt solcher Ermittlungsverfahren sind zudem meist Bagatelldelikte, die abseits des Fußballs überhaupt keine Beachtung finden würden. Da wird ein Aufkleber am Stadiontor zur Sachbeschädigung, eine harmlose Pöbelei am Bahnhof zum Landfriedensbruch und das Stibitzen einer gegnerischen Fahne zum Raubüberfall. Selbstverständlich führen diese Verfahren praktisch nie zu einer Verurteilung vor Gericht, sondern werden fast immer nach ein paar Monaten eingestellt.
Dateien mit eigentümlichen Eigenleben
Auf das Stadionverbot hat dies jedoch keinen Einfluss, denn die Richtlinien sehen eine Aufhebung nur vor, wenn das zu Grunde liegende Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) mangels Tatverdacht eingestellt wird. Erfahrungsgemäß wird die Verfahrenseinstellung aber von der Staatsanwaltschaft auch dann mit fehlendem öffentlichen Interesse oder der Geringfügigkeit des Tatvorwurfs begründet, wenn eigentlich eine Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO geboten wäre. So bleiben die Betroffenen trotzdem auf dem Stadionverbot sitzen und müssen gegebenenfalls selbst den Rechtsweg beschreiten. Dies wiederum ist aber leider oft nicht einfach, weil manche Gerichte den Vereinen auf Grund der privatrechtlichen Hausrechtskonstruktion quasi einen Freibrief in Sachen Stadionverbote ausstellen.
Für zusätzlichen Unmut bei den Fans sorgt, dass trotz der meist nichtigen Anlässe die Stadionverbote durchschnittlich auf drei Jahre, häufig auch auf fünf Jahre, ausgesprochen werden. In vielen Ultra-Gruppierungen haben mittlerweile zehn Prozent oder mehr der Mitglieder ein bundesweites Stadionverbot.
Neben dem sehr Fußball-spezifischen Instrument des Stadionverbots dürfen Fans aber auch immer wieder Versuchskaninchen spielen für neue Formen staatlicher Repression, die später dann auf andere Zielgruppen ausgeweitet werden. Zum Beispiel die Datei "Gewalttäter Sport", unter deren Ableger "Gewalttäter links" ja mittlerweile auch AntifaschistInnen und GlobalisierungsgegnerInnen erheblich zu leiden haben. Kein Wunder, denn aus Sicht der Sicherheitsbehörden hat sich die "Hooligan-Datei" als Vorbild bestens bewährt: Mit dem Schreckgespenst der fast 10.000 in der Datei erfassten angeblichen GewalttäterInnen lassen sich hervorragend immer neue Einschränkungen von bürgerlichen Freiheitsrechten zum Schutz der Bevölkerung rechtfertigen. Dass von den 10.000 "Gewalttätern" nur ein Bruchteil einschlägig vorbestraft ist, stört da nicht sonderlich.
Sehr leicht entwickeln die Einträge in solchen Dateien ein Eigenleben. Der erste Eintrag stammt vielleicht von einer Personalienfeststellung, weil man auf der Fahrt zum Auswärtsspiel zufällig in einem Zugwaggon gesessen hat, in dem aus Jux von einem anderen Fan die Notbremse gezogen wurde. Bei der Grenzkontrolle vor der nächsten Europacup-Begegnung macht dies dann den Grenzbeamten misstrauisch genug, um die Ausreise zu verweigern, was natürlich ebenfalls in der Datei vermerkt wird. Wenn man nun noch vor einem Spiel, bei dem die Polizei mit Ausschreitungen rechnet, in der Stadt in eine Routinekontrolle gerät, muss man damit rechnen, zwecks Gefahrenabwehr in Gewahrsam genommen zu werden. So kann man in den Polizeidateien eine eindrucksvolle Datenspur hinterlassen, ohne sich jemals kriminell verhalten zu haben. Wirksamen Rechtsschutz gegen diese Form der Polizeiwillkür gibt es kaum, zumal die Betroffenen über ihre Einträge nicht automatisch informiert werden.
Auch bei anderen Gelegenheiten hält die Polizei wenig von rechtsstaatlichen Sicherungen. So ignoriert sie bei Ingewahrsamnahmen, die meist für die Dauer von ein bis zwei Stunden vor dem Spiel bis zum späten Abend andauern, eiskalt das verfassungsrechtliche Gebot auf richterliche Bestätigung. Alles in allem ist es der Polizei im Laufe der Jahre gelungen, gegen vermeintlich gewalttätige Fußballfans ein umfassendes und effektives System aus Sanktionen und Repressalien anwenden zu können, die allesamt unter dem Deckmantel der Gefahrenabwehr ohne wirksame rechtsstaatliche Sicherungen auskommen. Bestehend aus zivilrechtlichen Stadionverboten und polizeirechtlichen Schikanen, hat sich eine Art Parallelstrafrecht entwickelt, dem die Ultras scheinbar ohnmächtig ausgeliefert sind.
Nachdem die WM-Begeisterung der aktiven Fanszenen also gründlich vermiest wurde, bleibt nur zu hoffen, dass nicht auch noch die vielen ausländischen Fans während der WM in die Mühlsteine des deutschen Polizeistaats geraten. Die Erfahrungen der letzten großen Fußball-Turniere in Europa sprechen eine deutliche Sprache: In Frankreich 1998 und vor allem in Belgien und Holland 2000, wo man meinte, die beste Betreuung der ausländischen Fans bestünde in einer möglichst rigiden Polizeiüberwachung, kam in den Austragungsstädten kaum WM-Stimmung auf. Ganz anders 1996 in England und 2004 in Portugal: Hier gab es jede Menge Aktionen und Angebote für Fans, während sich die Sicherheitskräfte angenehm im Hintergrund hielten. Das hat zweifellos zu den friedlichen Fußballfesten dort entscheidend beigetragen.
Zur WM in Deutschland wird zum Glück ebenfalls ein umfassendes Fanbetreuungs-Programm angeboten. Ob aber auch die Polizei und die Innenminister begriffen haben, dass sie eine friedliche Atmosphäre am ehesten durch Zurückhaltung schaffen können, wird man abwarten müssen. In den vergangenen Monaten wurde jedenfalls keine Gelegenheit ungenutzt gelassen, absurde Gefährdungsszenarien an die Wand zu malen, um damit immer neue Sicherheitsmaßnahmen rechtfertigen zu können. Egal, ob es sich um RFID-Chips auf den Eintrittskarten, Schnellgerichte, vorbeugenden Gewahrsam, Grenzkontrollen oder Datenaustausch dreht - stets geht es um die Aushöhlung von Grundrechten, die einigen offenbar ein Dorn im Auge sind.
Sicherheitsfantasien zur FIFA-WM 2006
Es erscheint darum höchst zweifelhaft, ob die Polizei nach Ende der Weltmeisterschaft die Zügel wieder lockern wird, anstatt die frisch errungene Narrenfreiheit weiter auszukosten. Zu sehr sind auch beim Fußball die Bürgerrechte gegen den Sicherheitswahn in die Defensive geraten. Doch immerhin weiß jeder Fußball-Fan: Ein Spiel lässt sich auch in der Nachspielzeit noch gewinnen.
Q: Arbeiterkampf - Zeitung für linke Debatte und Praxis Nr. 507 vom 16.6.2006.
20.04.2007:
Im „Arbeiterkampf-Zeitung für linke Debatte und Praxis“ Nr. 516 vom 20.4, erscheint ein Interview mit Oleguer Presas i Renom über Profifußball und politisches Engagement. Oleguer Presas i Renon spielt beim FC Barcelona.
Im Interview gibt er u. a. zu Protokoll: „Ich engagiere mich für eine gerechtere, solidarische Gesellschaft, mit Respekt für die Kultur und Sprache von Minderheiten wie dem Katalanischen. Im Moment arbeite ich zusammen mit einer Zeitschrift meiner Stadt, die la trama heißt. Dann engagiere ich mich für katalanische Schulen in Perpignan, also in Frankreich. Ich versuche sie zu unterstützen, aber das ist eine schwierige Arbeit, weil das Katalan in Frankreich ein wenig in Vergessenheit geraten ist …
Für mich spiegelt das die Gesellschaft wider, in der wir leben. Eine Gesellschaft voller Schein und voller Spektakel, die die Leute von den wirklichen, alltäglichen Problemen fern halten. Insgesamt ist es sehr schwer, die aktuelle Situation des spanischen Staates zu analysieren. Auch sie ist den globalen Regeln unterworfen, wo Freiheiten eingeschränkt, wo abweichende Stimmen nicht gehört werden. Ich glaube in Zukunft müssen wir eine gerechtere, gleichberechtigtere Gesellschaft schaffen, wo auch kritische Meinungen respektiert werden …“
Q: Arbeiterkampf - Zeitung für linke Debatte und Praxis Nr. 516, 20.4.2007, S. 34.
20.06.2008:
Im „Arbeiterkampf- Zeitung für linke Debatte und Praxis“ Nr. 529 vom 20.6. erscheint der Artikel: „Strategie oder Taktik. Fußball zwischen unternehmerischer Selbstdisziplinierung und widerspenstiger Lust am Spiel“.
Ausgeführt wird: „Fußball war nie ein politisch neutraler Sport. Seit seinen Anfängen ist er ein privilegierter Schauplatz sozialer Macht- und Herrschaftsverhältnisse und bildet ein soziales Feld für ökonomische, kulturelle und politische Praktiken und Diskurse. Auf globalen Aufmerksamkeitsmärkten entfaltet das Fußballspiel der Gegenwart seine ungebrochene gesellschaftliche Wirkkraft und beeinflusst maßgeblich die Formen kollektiver Gedächtnisbildung und kultureller Hegemonie. Pierre Bourdieu versteht den Fußball als ein Geflecht "sozialer Felder" (1), auf welchen Veränderungen und Bedeutungen körperlicher wie kollektiver Praktiken aufgezeigt werden können.
Eine konsequente Fortführung dieses Gedankens legt die Annahme nahe, dass es weniger die Eigenschaften der einzelnen Felder sind, sondern die Übergänge und Brüche zwischen den Feldern, welche die historische und soziale Dynamik des Fußballs erahnen lassen. So taucht das Gründungsnarrativ vom Fußball als Amateurkultur der Straße in jenem historischen Moment auf, in dem der moderne Fußball unübersehbare Tendenzen zur Professionalisierung zeigt. Erst im Rückblick auf die "aussterbende Fußballkultur" entsteht im nostalgischen Blick der Chronisten die Geschichtsschreibung des Fußballs "von unten".
Von der Massenkultur des 19. Jahrhunderts bis zum totalitären Regime des zweiten Weltkriegs dominiert das militärische Feld des Fußballs. Innerhalb dieses diskursiven Feldes dominieren die rhetorischen Figuren von Disziplin, Gehorsam und Ordnung, die den Fußball als nationalen Sport markieren. Nach Kriegsende entsteht ein neues soziales Feld, das den Fußball bis in die Gegenwart maßgeblich beeinflusst: das agonale Feld. Es entsteht an der Schnittstelle von Medienökonomie und intensiver Kapitalisierung des Sportmarktes und befördert eine neue Subjektivierungsform auf die Bühne des Fußballs: das unternehmerische Selbst. Das militärische und das agonale Feld des Fußballs durchkreuzt das taktische Feld. Es geht aus den Praktiken der "Unterprivilegierten" und "Schwachen" hervor und unterminiert die strategischen Planungen und Kalküle des wissenschaftlichen Fußballwissens. Das taktische Feld des Fußballs ermöglicht dissidente Praktiken und eröffnet Spielräume des Vergnügens, die sich nicht im Koordinatensystem von Disziplin, Nationalismus, Ökonomie und Strategie vermessen lassen.
Fußballfeld: Austragungsort nationaler Subjektwerdung
Der moderne Fußball etablierte sich in der Disziplinarkultur des männlichen Sports im 19. Jahrhunderts. Die Spielfelder der jungen Nationalstaaten fungieren als institutionelle Rahmenbedingungen für die Zurschaustellung und Organisation männlicher Stereotypen. Es waren die Institutionen Schule und Militär, in denen sich das Konzept der hegemonialen Männlichkeit in einer im Entstehen begriffenen Massenkultur des 19. Jahrhunderts entwickelte. Im industrialisierten England wurde Fußball nur noch an den sogenannten public schools wie Rugby, Eton oder Harrow gespielt. An diesen privaten Einrichtungen wurde die gesellschaftliche Elite ausgebildet und Fußball wurde einem Verregelungs- und Zivilisierungsprozess unterworfen.
Seit seinen Anfängen in den elitären public schools bis zum globalen kommerziellen Spektakel der Gegenwart definierte man das Fußballfeld immer auch als Austragungsort nationaler Subjektwerdung. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Fußball europaweit zu einem umkämpften diskursiven Feld, auf dem national-pädagogische und emanzipatorische Positionen gegeneinander antraten. Die männlich dominierte Arbeitersportbewegung erkannte in der körperlichen Betätigung des Fußballsports eine Befreiungsmöglichkeit aus den "sozialen Fesseln" der bürgerlichen Gesellschaft. Konservative Diskurse werteten demgegenüber den Fußball als "geistlosen" Sport ab, welcher der intellektuellen Entfaltung hinderlich sei. Die sportwissenschaftliche Beschäftigung mit dem Fußball begann im deutschen Sprachraum nach dem Ersten Weltkrieg. In Reaktion auf den Versailler Vertrag, der das Verbot der allgemeinen Wehrpflicht enthielt, konnte sich der Fußball als Ersatz für den Wehrdienst und als Pflichtsport paramilitärischen Charakters etablieren.
Neben vielen anderen Sportarten wurde Fußball in totalitären Regimes als Instrument der Mobilisierung eingesetzt. In seiner gesellschaftskritischen Sportkritik streicht Theodor W. Adorno die totalitäre Dimension der Fußballbegeisterung hervor: "Nichts aber ist moderner als diese Archaik: die sportlichen Veranstaltungen waren die Modelle der totalitären Massenversammlungen. Als tolerierte Exzesse verbinden sie das Moment der Grausamkeit und Aggression mit dem autoritären, dem disziplinierten Innehalten von Spielregeln: legal wie die neudeutschen und volksdemokratischen Pogrome" (2).
In den Nachkriegsjahren wurde versucht, den Fußball aus der Ecke militärischer Konnotation freizuspielen und ihm ein positives Image zu verleihen. So erhoffte sich Karl Jaspers vom Fußball, dass er "Kampflust und Sehnsucht nach Heroismus pazifiziert (...) und eine Beruhigung der Massen schafft" (3). In jenen Ländern, wo der Fußball zu den Kernsportarten der jeweiligen nationalen Sporträume zählt und zum nationalen Sport wurde, verkörpert das Spiel mit dem runden Leder bis heute vorwiegend nationale Stereotype des Männlichen. Die Nationalisierung des Fußballs ist bis heute nicht abgeschlossen und stellt eine Art "historische Konstante" innerhalb der sozialen Felder des Fußballs dar. Nationalistische Diskurse bilden auch in der Gegenwart die Abziehfolie für jederzeit abrufbare Verknüpfungen rassistischer und militaristischer Instrumentalisierungen des Fußballspiels.
Mit der zunehmenden Medialisierung und Popularisierung des Fußballs und der damit einhergehenden Professionalisierung veränderte sich die soziale Struktur des Spiels. Es wurde immer mehr „ein Spiel von Professionalisten für zahlende Zuschauer. Im Vordergrund stand nicht mehr das Vergnügen der einzelnen Spieler, sondern der Erfolg einer Mannschaft. Der Erfolg war deshalb so wichtig geworden, weil die Mannschaft nun Repräsentant einer Stadt und im weiteren Sinne einer spezifischen Lebenswelt von Menschen wurde, die ihre Wünsche von Macht, Glück und Omnipotenz symbolisch an diese Mannschaft delegierten, da sie im eigenen Lebensbereich kaum zu einer befriedigenden Verwirklichung dieser Wünsche gelangen konnten.“ (4)
Im Umfeld des Fußballs boomt heute der Evaluationsdiskurs, der das Protokollieren, Systematisieren und Bewerten von Beobachtungen bis hinein in die Mikrobereiche der Selbstpraktiken in Gang setzen soll. Hierzu ein anschauliches Beispiel. Harun Farockis Arbeit „Deep Play“ wurde 2007 auf der 12. Documenta in Kassel ausgestellt und entwirft unterschiedliche Perspektiven auf das Endspiel der Weltmeisterschaft 2006. Farocki kombiniert das Ausgangsmaterial der Fernsehanstalten mit computergenerierten Grafiken des Spielverlaufs. Man sieht die Klassifikation, Evaluation und Rangordnung des Spiels mittels unterschiedlicher Visualisierungstechniken (Tabellen, Graphen, Diagramme, Netzwerkanalysen u. a. ). Die Installation von Farocki macht das strategische Feld des Fußballs sichtbar und zeigt dadurch die Rahmenbedingungen des taktischen Handelns im Fußballfeld auf. Diese Entheroisierung des taktischen Fußballspiels liefert wertvolle Hinweise für ein differenziertes Verständnis fußballerischer Praxis und demonstriert, dass der offizielle Fußball mittlerweile Bestandteil des populären Evaluationswissens geworden ist. Heute hat sich die Anzahl der Konkurrenzsituationen im Fußball vervielfacht. Im Team sind die sozialen Felder von einer erheblichen Dynamik geprägt.
Die etablierten Spielerinnen oder Spieler versuchen zwar, ihre Hegemonie zu erhalten, doch je offener das Feld in einem Team ist, desto eher rivalisieren Novizen um das "Stammleiberl" und die Herrschaft am Feld. Kooperation und Kollaboration innerhalb des Teams bauen zwar Hierarchien ab, doch gleichzeitig entstehen neue Mechanismen der Exklusion und diskursiven Konflikte um Deutungsmacht ("Wer spricht bei welcher Gelegenheit?"). Die Grenzen des sozialen Feldes sind im Fußball also keineswegs institutionalisiert. So werden die Positionen im Team als permanent "vakant" und "umstritten" dargestellt. Die permanente Flexibilisierung der sozialen Positionen in der Gruppe macht aus dem Fußballteam eine leistungsorientierte Konkurrenzgemeinschaft.
Spielräume des Vergnügens jenseits von Ökonomie
Das Prinzip von Wettbewerb und Konkurrenz ist tief in die sozialen Praktiken des unternehmerischen Fußball-Selbst eingedrungen und kreiert dort vielschichtige Impulse, durch welche es sich permanent selbst evaluieren und sich unter Selbstbeobachtung stellen soll. FußballspielerInnen glänzen heute nicht durch Gehorsam und Unterwerfung, sondern durch Motivation und selbständige Leistungsbereitschaft. Zu den Effekten von Evaluation als einer Technik systematischer, institutioneller Dauer(selbst)beobachtung gehört, dass durch sie Selbstbeobachtungs- und Selbstüberwachungspraktiken auf Seiten der Individuen induziert werden und der Rechtfertigungsdruck auf die Einzelnen erhöht wird, ständig effizient zu handeln - "Habe ich im Spiel wirklich alles geben können?“ Das Verhältnis von hegemonialen Männlichkeiten und dem Fußball gestaltet sich nicht auf widerspruchsfreie Weise. So wurde der populäre Fußball immer auch als eine ambivalente und in sich widersprüchliche Praxis wahrgenommen, in der sich Männlichkeiten im Widerspruch zu offiziellen Programmen des nationalen Staatsbürgers behaupten konnten, da das Fußfallspiel als Ausdrucksvermögen der "Praktiken der Straße" verstanden wurde.
Im Gegensatz zur neomarxistischen Ideologiekritik, die den Fußball als „Massensport kapitalistischer Entfremdung“ kritisierte, hat die Popularkulturforschung der späten 1970er Jahren versucht, die im Umfeld des Fußballs entstehenden Alltagspraktiken aufzuwerten. Mit den Cultural Studies ist eine Forschungsrichtung entstanden, die Massen- und Fußballkulturen insbesondere aus macht- und hegemonietheoretischem Blickwinkel betrachtet.
Strategie und Taktik des Fußballs ermöglichen unterschiedliche (soziale) Felder, die sich wechselseitig bedingen, aber nicht deckungsgleich sind. Das strategische Kalkül des Fußballspiels versucht, die Kräfte- und Positionsverhältnisse zu steuern und Spielräume festzulegen und zu besetzen. Demgegenüber umschreibt Michel de Certeau Taktik als ein situatives Handeln, das "gelungene Streiche, schöne Kunstgriffe, Jagdlisten, vielfältige Simulationen, Funde und glückliche Einfälle" (5) für sich zu nutzen weiß. Er zeigt in seiner Kulturanalyse, dass den dominanten Strategien einer Gesellschaft, die den sozialen Raum organisieren, durch Taktiken Widerstand entgegengesetzt wird, welche die Strategien gegen sich selbst kehren und ihren Einfluss beschränken. Diese Einsicht kann auf den Fußball bezogen werden. Auch hier unterscheidet sich das taktische Feld vom strategischen Feld auf grundlegende Weise. "Ohne eigenen Ort, ohne Gesamtübersicht, blind und scharfsinnig wie im direkten Handgemenge, anhängig von momentanen Zufällen, wird die Taktik durch das Fehlen von Macht bestimmt, während die Strategie durch eine Macht organisiert wird." (Ebd.)
Diese Entwendung der strategischen Vorgaben durch situative Praktiken ist ein Grundprinzip taktischer Coups und Tricks im Feld des Fußballs. Das taktische Handeln entwischt dem funktionalen Koordinatenraster der Fußballstrategie. Seine populäre Ästhetik ist eine Kampfansage an die in Farockis „Deep Play“ thematisierte Steuerungsideologie. Das taktische Feld befindet sich in einem widerspenstigen Verhältnis zur hegemonialen Ordnung des strategischen Wissens. Es setzt affektive Energien frei, ermöglicht populäres Vergnügen und die Lust am Spiel.
Anmerkungen:
1) Pierre Bourdieu, Die männliche Herrschaft, Frankfurt/M. 2005, S. 101
2) Theodor W. Adorno, Das Reich der Unfreiheit und der Sport, in: „Veblens Angriff auf die Kultur“, Gesammelte Schriften, Bd. 10/1, Frankfurt/M. 1977, S. 78ff.
3) Karl Jaspers, Masse und Sport, in: Ders., Die geistige Situation der Zeit, Berlin/New York 1979, S. 60ff.
4) Otmar Weiß, Einführung in die Sportsoziologie, Wien 1999. S. 42
5) Michel de Certeau, Kunst des Handelns, Berlin 1988, S. 90.
Q: Arbeiterkampf - Zeitung für linke Debatte und Praxis Nr. 529, 20. 6. 2008.
Zum „Radsport“ liegt nur ein Datum vor. Der „Arbeiterkampf“ bleibt seinem Motto treu: „Werd ich Tour-Sieger bin ich König, alles ist andere ist zu wenig!“
Der Radsport, der vielleicht mehr als jede andere Sportart unter stetigem Dopingverdacht steht, und es gerade Ullrich war, der durch seine Eskapaden am Lack des Rades, trotz steter Beteuerung, kein Doping-Sünder gewesen zu sein, gekratzt hat, bleibt, bis auf einige kritische Sätze, verschont.
„Nur der Ulle wars, der Lance Armstrong ein bisschen am Lack kratzen konnte. Ich gestehe freimütig: Das hat mich gefreut (wenn das jetzt nicht lupenreiner Antiamerikanismus ist!) …“ (vgl. 15. August 2003).
15.08.2003:
Im „Arbeiterkampf- Zeitung für linke Debatte und Praxis“ Nr. 475 vom 15. 8. erscheint der Artikel: „Privatissimo. Im Kreißsaal mit Jan Ullrich.“
Dieses Blitzen in den Augen! Dieser Triumph in der Stimme! „Ich hab doch schon immer gesagt, Radrennen sind geil.“ Und ich muss gestehen, sie haben recht, die Freundinnen und Freunde, die schon seit Jahren jeden Sommer bei uns im WG-Fernsehraum hocken und Tour de France gucken. Wie viel Spott und Hohn haben sie über sich ergehen lassen müssen, bis auch die hartgesottensten Wohnzimmer-Kicker und Basketball-Enthusiasten den unendlichen Reiz des Sprintens, Kreiselns und Attackierens zu schätzen gelernt haben. Was ist schließlich ein billiger Elfmeter gegen eine Massenankunft, was ein Korbleger gegen einen Ausreißversuch bei 14% Steigung?
Fahrradgucken ist nicht nur aufregend bis zum Schweißausbruch, sondern es bildet auch. Ich weiß jetzt, dass Gerolsteiner nicht nur ein Mineralwasserkonzern ist und Telekom nicht nur was mit Telefonen und Internetwerbung zu tun hat. Nein, seit diesem Jahr kann auch ich mit einem lässig hingeworfen „Dackelschneider“ beeindrucken (wer will sich schon mit einem schlichten „Rennreifen“ als radsportmäßiger Nullschnaller outen?). Und ich hab' auch kapiert, dass mit den „Giganten der Landstraße“ nicht Trucker gemeint sind, sondern männliche Fahrradfahrer Mitte 20. Natürlich nicht irgendwelche Pedaltreter, sondern die „Helden“ halt, die sich das ‚Duell in den Bergen“ liefern oder sich im Zeitfahren „allein gegen den Wind und die Uhr“ abstrampeln, wo „die Mannschaft nicht mehr hilft“ und nur noch der „Kampf Mann gegen Mann“ zählt.
Aber die „Tour der Leiden“ heißt nicht umsonst so, sie hat ihre Schattenseiten. Was keine Fußball-WM und kein Champions-League-Spiel schafft, der Tour de France 2003 ist es gelungen: Sie hat in mir die niedersten nationalen Instinkte wachgerufen. Denn für die richtige Mitfieberstimmung in Alpe d'Huez und am Tourmalet, für das Atemstocken beim Stürzen und rasenden Abfahrten sorgte letztlich ein sommersprossiger, pummeliger Drogenesser aus dem deutschen Osten. Nicht Beloki, nicht Vinokurov oder irgendeine andere Felgenapotheke hat die Tour spannend gemacht. Nur der Ulle wars, der Lance Armstrong ein bisschen am Lack kratzen konnte. Ich gestehe freimütig: Das hat mich gefreut (wenn das jetzt nicht lupenreiner Antiamerikanismus ist!). Dabei hatte das niemand erwarten können, bei den Verletzungssorgen, dem Trainingsrückstand und dem Ecstasy-Entzug! Ein kleines Wunder!
Doch das Wunder hat einen Namen: Sarah Maria. Jeden Tag hat sich Jan Ullrich, die „Ikone des Sattels“, der „Tourgott“, die Schreie seiner kleinen Tochter per Telefon reingezogen. Ich hab nie kapiert, wieso das doped. Nach meinen Erfahrungen sind Babyschreie auf Dauer eher anstrengend und geben zu diversen Sorgen Anlass. Aber eine psychotherapeutisch geschulte Bekannte hat mich schließlich aufgeklärt: Das ganze ist eine Variante von Ko-Abhängigkeit. Wo Freundin Gaby mit der Geburt einer Tochter vorgelegt hat, musste Ullrich auf der Straße an Leistung nachziehen. Voilà: die Tour der France als Ko-Geburt.
Jetzt ist auch klar, warum ich in letzter Zeit auch noch bei der harmlosesten Spazierfahrt auf dem engsten Fahrradweg von schweißtriefenden (Familien-)Vätern überholt werde. Morgens, bei der Airbus-Frühschicht, habe ich mir sagen lassen, verwandeln sich die 20 Meter vom Fähranleger in Finkenwerder zur höher gelegenen Hauptstraße Tag für Tag in eine permanente Bergankunft. Überall sieht man plötzlich in knallige Trikots gepresste Kamikaze-Radler, die mal eben für „Autohaus Meier“ oder die „Bürogemeinschaft Harms“ den Klassiker Schanzenviertel - Alsterufer gewinnen wollen. Aber nicht mit mir! So viele Kinder können deren Partnerinnen gar nicht zur Welt gebracht haben, als dass ich mich auf den paar Kilometern Flachetappe abhängen ließe! Und ab geht die Post, bis zur nächsten Ampelkreuzung, immer schön im Windschatten und dann, bei rot-gelb, raus und vorbei an den legalistischen Möchtegern-Ullrichs. Gegen die notorisch Rot-Ignoranten von „Team Kurier" habe ich allerdings genauso wenig Chancen wie gegen die autonomen Cracks, die auf Spezialrädern 60ster bei den HEW-Cyclassics werden. Wie machen die das bloß, wo die doch sterilisiert sind? Vielleicht sollte ich es mal mit mehr Haschisch versuchen.“
Q: Arbeiterkampf-Zeitung für linke Debatte und Praxis Nr. 475, 15.8.2003 S. 10.
Zum „Wintersport“ liegt nur ein Datum vor. Die „Kämpfende Jugend“ widmet sich in der Ausgabe 1/1976, mit den „Profitmachern, den Wintersportartikel-Fabrikanten, Touristik-Unternehmen (und) Fremdenverkehrsverbänden“ (vgl. Januar 1976).
Januar 1976:
In der „Kämpfenden Jugend“ Nr. 1/1976 erscheint der Artikel: „Wintersport. Bis hin zum Mord.“
Ausgeführt wird: „Gerade auch der Wintersport hat den Stempel kapitalistischer Profitjagd aufgedrückt bekommen. Es sind Bourgeois, die sich in St. Moritz zu kostspieliger Zerstreuung versammeln, es sind entsprechend auch in der Mehrzahl Bourgeois-Söhne und -Töchter, die in die Eliten aufsteigen, und sie selbst wiederum sind nichts anderes als Objekte der Ausbeutung für die großen Profitmacher: Wintersportartikel-Fabrikanten, Touristik-Unternehmen, Fremdenverkehrsverbände.
Der Todessturz des 19jährigen Abfahrtsläufers Michel Dujon, die gebrochenen Rückenwirbel des Exweltmeisters Roland Colombin bereits zu Beginn der Saison sprechen eine deutliche Sprache: Die gefeierten Cracks sind nichts als Kanonenfutter für die Profitschlachten der großen Sport-Kapitalisten. Der Chef der Schweizer Mannschaft meint kaltblütig: „Es kann nicht unsere Aufgabe sein, die Fahrer gesund nach Innsbruck zu bringen und dadurch immer drei Sekunden auf der Spitze einzubüßen.“
Todesstürze, schwere Verletzungen sind typisch für die Ski-Abfahrtsrennen, wo entgegen aller Vernunft Geschwindigkeiten zwischen 120 und 140 km/h gefahren werden. Das Verheizen von Sportlern für Meister-Titel und olympische Medaillen hat aber noch andere Formen. Das Vorspiel zu den letzten Deutschen Eiskunstlauf-Meisterschaften zeigt das. Man muss schon eine der reaktionärsten Zeitungen in der BRD lesen, um den Blick für die Klassenwirklichkeit im kapitalistischen Eiskunstlauf-Geschäft vollständig verkleistert zu kriegen, nämlich die. DKP-Schmiere UZ. Dort heißt, es zur Konkurrenz zwischen Gerti Schanderl, die inzwischen deutsche Meisterin geworden ist, und lsabel de Navarre: Zu den Deutschen Meisterschaften in Bremerhaven gebe es „den Wettkampf der Temperamente: Hier die tänzerisch begabte, stille, schwane lsabel, mit dem sanften Schlittschuh. Dort die draufgängerische, dunkelblonde Gerti, unter deren Schlittschuhkufen beim Sprung die Eiskristalle stieben.“ (UZ, 16.12.75).
Die reaktionäre UZ zeichnet genau das Bild vom „friedlich-sportlichen Wettstreit der Talente und Temperamente“, das die übrige bürgerliche Sport presse schon längst nicht mehr aufrechterhalten kann. Es genügt, einen dpa-Bericht über die Begleitumstände der Deutschen Eiskunstlaufmeisterschaften zu zitieren: „Ständen Kopfschmerztabletten auf der Dopinggliste, die deutsche Vizemeisterin Gerti Schanderl könnte von den Deutschen Eiskunstlaufmeisterschaften in Bremerhaven sogleich den ersten Zug heimwärts nach München nehmen. Seit ihrer Gehirnerschütterung nach einem Sturz bei den Bayerischen Meisterschaften leidet sie fast ununterbrochen an Kopfschmerzen: „Ich stehe damit auf und gehe damit wieder ins Bett“, klagt sie. Und der Mannschaftsarzt der Deutschen Eislauf-Union (DEU), Dr. Montag, meint: „Wenn ich die Verantwortung für Gerti zu tragen hätte, ich würde sie hier nicht starten lassen.“
Gerti Schanderls Alternative ist bedrückend: Läuft sie nicht in Bremerhaven, riskiert sie mit Sicherheit ihre Olympia-Chance, startet sie gegen den Rat der Ärzte doch „riskiert sie möglicherweise ihre Gesundheit.“ Ihr behandelnder Arzt verschrieb Bettruhe, aber nach 3 Tagen stand sie wieder auf dem Eis, denn „eine Trainingspause kann ich mir nicht leisten“. Sie hat Angst vor bleibenden Gesundheitsschäden, aber, so fährt dpa fort: „Die Sorge, ihre Kunstlauf-Karriere frühzeitig beenden zu müssen, ist größer: Wenn ich hier nicht laufe, komme ich auch nicht zur Europa-Meisterschaft nach Genf, sagt sie. In Genf wird über die Olympia-Fahrkarten nach Innsbruck entschieden. Und wer dort nicht dabei ist, kann auch die Weltmeisterschaft in Göteborg in den Wind schreiben. Mit anderen Worten: Riskiert Gerti Schanderl nicht ein Stück von ihrer Gesundheit, verliert sie international ein ganzes Jahr. Dann, sagt sie, kann ich gleich aufhören.“ Diese Alternative zeigt in aller Deutlichkeit die Unmenschlichkeit des kapitalistischen Profitsports: Die „Stars“ sind Gladiatoren, die ihre Haut zu Markte tragen.
„Wenn auch die Kopfschmerzen vergehen, das Unbehagen bleibt“, diesen hilflosen Schlussstrich zieht dpa unter die „Affäre“. Wer sein Unbehagen loswerden will, der muss den kapitalistischen Profitsport und seine von Jahr zu Jahr zunehmende Brutalität bekämpfen, muss eintreten für den proletarischen Massensport, der im Dienst des Volkes steht: Körperertüchtigung auf breiter Grundlage, damit wir im Klassenkampf und gegen Aggressionen von außen bestehen können. An die Stelle der schrankenlosen Konkurrenz auf Leben und Tod tritt die Solidarität.“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 1/1976, S. 24.
Der Boxsport zwingt die Boxer in ein erniedrigendes Martyrium. Sie sind Subjekte der Ausbeutung durch Manager und Organisationen. Kaum einer von ihnen begeht dagegen auf. Der Sieg im Ring ist die einzige Chance, sich aus ihrer selbst gestrickten Misere zu befreien bzw. zu boxen. Boxen war zu jeder Zeit „blutiges Business“, ein Showgeschäft, das u. a. dazu führte und führt, dass die „Helden im Ring“ ihr Leben lang durch dauernde Schläge auf Kopf und Körper gezeichnet bleiben (siehe auch Cassius Clay), obwohl sie wissen, dass die Schäden, schlechte Behandlungen und Erniedrigungen zur Normalität in diesem Geschäft gehören.
Die widernatürliche Vermarktung des Körpers ist der weiblichen und männlichen Prostitution ähnlich. Hier besteht eine Gemeinsamkeit zwischen Zuhältern und Boxmanagern, die so tun, als würden die finanziellen Interessen wahrnehmen, während sie zur gleichen Zeit nur den Körper missbrauchen wollen um den Profit, den die Kämpfe abwerfen, zu erheischen. Prostituierte verkaufen ihr sexuelles Potenzial, der Boxer das, des Männerkörpers. Während Mann und Frau im Ring Gewalt umsetzen (und auch einstecken), betrauen die Manager und Veranstalter die „Sklaven im Ring“ mit der Wahrnehmung ihrer Geschlechterverhältnisse (Klitschko/Halmich).
Der Boxsport ist ein zur Schau gestellter Gladiatorenkampf. Hier herrscht die Ideologie vor, sein Schicksal selbst in die Hand(schuhe) zu nehmen, um mit der „körperlichen Arbeit“ im Ring auch das dem Körper zugrunde liegende Kapital zu verkaufen, das verwertet werden soll. Ob man sich bewusst ist, dass man hier persönlich erniedrigt und kulturell unterworfen wird? Letztlich trägt jedes „Boxerherz“ selbst die Verantwortung für seine Domestizierung im Ring.
Ob Boxen, heute, wie einst von LaMotta gepflegt, als „mafiöse Ruine“ verstanden werden kann und muss, sei dahingestellt. Wie viele Kämpfe gegen gutes Geld „verschoben“ werden, liegt jenseits dieser Betrachtung. Jedoch wird niemand die „Gesetze der Boxwelt“ durchbrechen können und wollen. Der Selbsttäuschung, dass es einmal möglich sein wird, diesen Kreislauf zu durchbrechen, unterliegen fast alle Boxer. Als „Komplize der Vermarktung“ unterliegen sie allen Ressourcen, aber auch den Kompetenzen, die dieses Geschäft vor sich herträgt.
Weit braucht man nicht in die Geschichte des Boxsports zurückzublicken, um sich Klarheit über jene Faustkämpfer zu schaffen, die sich mit Haut und Haaren an ihre Manager, Promotoren, bisweilen sogar religiöse Organisatoren verkauften. Es war jener Cassius Clay (Muhammed Ali), der als einer der bedeutendsten Schwergewichtsboxer aller Zeiten betrachtet wird. Gewiss: Sein Art zu Boxen begeisterte Menschen in aller Welt. Ali sorgte auch außerhalb des Rings für Schlagzeilen: Er war Gegner des Vietnamkrieges und setzte sich für die Emanzipation der schwarzen Bevölkerung in den USA ein.
Jedoch waren auch seine Siege, etwa über Joe Frazier oder George Foreman, immer wieder mit Skandalen gespickt. So wurde etwa der Kampf gegen Foreman am 30. Oktober 1974 in Kinshasa vom Diktator Mobuto finanziert. Sein Promotor „Don King“, nicht gerade ein Ruhmesblatt in diesem Geschäft, sorgte über Jahre hinweg stets für negative Schlagzeilen. Ali soll sogar aufgrund überzogener Forderungen seiner Organisatoren kurz vor einem finanziellen Ruin gestanden haben. Sein Werbepartner war u. a. „Adidas“. Ali leidet heute unter der Parkinsonschen Krankheit.
Die „Kämpfende Jugend“ berichtet in ihrer Ausgabe 3/1974 von einem Boxkampf zwischen Ali und Joe Frazier (vgl. 14. Februar 1974).
Der „Rote Morgen“ zieht in seiner Ausgabe 41/1975 über einen Kampf zwischen Ali und Joe Frazier in Manila Bilanz: „Kampf des Jahrhunderts? Mit Sport hat das nichts zu tun!“ (vgl. 11. Oktober 1975).
Deutlich besser kommt Ali dagegen in der „Kämpfenden Jugend“ weg, der hier als einer derjenigen steht, „der sich dagegen wehrt, dass die Farbigen durch die weißen Kapitalisten ausgenutzt und ausgebeutet werden …“
Frazier dagegen habe sich „mit Haut und Haaren an die Weißen verkauft. Sein Lebensstil und seine Vorbilder sind weiß. Würdelos hat er sich mit seinem vergeblichen Versuch als Pop-Künstler zum Hampelmann …“ gemacht (vgl. 29. Oktober 1975).
Mit dem Film „Rocky“, verkörpert durch Sylvester Stallone, beschäftigt sich die „Kämpfe Jugend“, die den Film über einen Boxerstar als „Siegeszug der Carter-Ära“ bezeichnet (vgl. Juni 1977).
15.02.1974:
Der Kommunistische Jugendverband (KJV) der KPD gibt die Nr. 3 seiner „Kämpfenden Jugend“ heraus, eingegangen wird auch auf den Boxkampf Frazier gegen Muhamad Ali.
Q: Kämpfende Jugend Nr. 3, Dortmund 15.2.1974, S.6.
11.10.1975:
Im „Roten Morgen“ Nr. 41/1975 vom 11. Oktober erscheint der Artikel: „Kampf des Jahrhunderts? Mit Sport hat das nichts zu tun.“
Ausgeführt wird: „Clay kaputt, Frazier am Rande des Todes“- mit dieser Schlagzeile kommentierte die Bild-Zeitung den Ausgang des Kampfes um die Weltmeisterschaft im Schwergewicht der Berufsboxer zwischen Muhammad Ali und Joe Frazier. Nach dem Kampf erklärte Muhammad Ali: „Dieser Kampf ging knapp am Tod vorbei.“ Das war ausnahmsweise keine Übertreibung. Bereits zig Kämpfe, vor allem der Berufsboxer, endeten tödlich.
Der Kampf in Manila hat mit brutaler Deutlichkeit dokumentiert, wie der Kapitalismus alle positiven Seiten des Sport pervertiert, in ihr Gegenteil verkehrt. Fairness, Kameradschaftlichkeit, freundschaftlicher Wettbewerb? Angesicht dieser blutigen Schlägerei klingt das alles wie nackter Hohn. „Der in Fäuste umgesetzter Hass zwischen Ali und Frazier hatte alle mitgerissen.“ Dieser Satz aus der Bild-Reportage über den Kampf bringt zum Ausdruck, wie im Kapitalismus solche Spektakel aufgezogen werden, um gezielt reaktionäre, primitive Gefühle bei den Massen zu wecken.
Den älteren Menschen unseres Landes ist dabei noch gut in Erinnerung, wie die Propaganda der Hitlerfaschisten voll von sadistischen Elementen war. Denn worum ging es bei diesem sogenannten „Kampf des Jahrhunderts“? – Für eine Millionengage schlagen zwei Männer aufeinander ein, ohne Rücksicht darauf, dass jeder Schlag den Tod des Gegners bedeuten kann. Und diese widerliche Vorführung wird von 68 kapitalistischen Ländern, einschließlich der revisionistischen Sowjetunion, im Fernsehen übertragen. Das hat keine andere Funktion als die unzähligen sadistischen Filme, Groschenhefte und Bücher, die Woche für Woche auf den Markt geworfen werden, um die Moral des Volkes zu zersetzen und die Wolfsmoral des Kapitalismus zu propagieren.
Für den Profit, für den eigenen Vorteil gehen die kapitalistischen Idole wie Muhammad Ali über Leichen. Die Berichte über den Kampf in Manila sind gespickt mit Worten wie „erbarmungslos“, „ohne Gnade“, „unbarmherzig“, „verbissen“ usw. Für Begriffe wie Solidarität, gegenseitige Unterstützung usw. die die Stärke des Volkes ausmachen, ist da kein Platz.
Andererseits war der Kampf in Manila das größte Geschäft, das jemals mit einem Boxkampf gemacht wurde. Jahrelang wurde die Werbetrommel für diesen Kampf gerührt. Millionen wurden investiert, um Hunderte von Millionen Dollar im Zusammenhang mit diesem Kampf umzusetzen. Jahrelang wurden Ali und Frazier systematisch als Todfeinde aufgebaut, die bei jeder „zufälligen“ Begegnung in gegenseitigen Hasstiraden ausbrachen und aufeinander losgingen. Als den ersten Kampf gegen Frazier überraschend verlor, wurde in der gesamten Fachwelt offen darüber gemunkelt, dass diese Niederlage abgesprochen war, um den Weg für die nächsten zwei „Kämpfe des Jahrhunderts“ freizumachen.
Was sich im Ring in Manila abspielte, hatte mit Sport nicht das Geringste zu tun. Eher erinnert es an die berüchtigten Gladiatorenspiele im alten Rom, wo die Gladiatoren sich zur Belustigung des Kaisers und seiner schmarotzenden Gefolgschaft gegenseitig umbringen mussten. Diese Gladiatorenkämpfe sind in die Geschichte eingegangen als Anzeichen für die völlige Dekadenz der Herrschaft der römischen Kaiser. Die modernen Gladiatorenkämpfe zeigen die völlige Verkommenheit des kapitalistischen Systems.“
Q: Roter Morgen Nr. 41/1975, S. 8.
29.10.1975:
In der „Kämpfenden Jugend“ Nr. 21/1975 vom 29.10. erscheint der Artikel: „Muhammed Ali-Großmaul?“
U. a. wird ausgeführt: „Muhammed Ali hat wieder auf die Pauke gehauen. Zuerst hat er in seinem dritten Kampf gegen Joe Frazier diesen zum wiederholten Male geschlagen. Dann wurden seine Memoiren auf der Frankfurter Buchmesse mit großem Brimborium vorgestellt. Viele, auch fortschrittliche Menschen denken sich: Das ist wieder ein Presserummel wie jeder andere, und: Der hat ja doch nichts wie eine große Klappe und verdient damit sein Geld. Und das Büchertheater ist ja von den bürgerlichen Verlagen auch groß aufgezogen worden. Der Verlag Droemer Knaur hat einen Tag vor der Buchmesse 200.000 DM auf den Tisch geblättert, um sich die Rechte für den Deutschen Druck zu sichern, dabei wird das Buch erst im nächsten Jahr erscheinen. Und doch unterscheidet sich Muhammed Ali von den anderen Profiboxern der Weltklasse.
1966 begann in den USA eine politische Auseinandersetzung, die mit zur Zerrüttung des US-Imperialismus beigetragen hat. Der damalige Profiboxer Cassius Clay antwortete einem Reporter zu seiner bevorstehenden Einberufung in die US-Army: „Ich habe keinen Streit mit dem Vietkong!“ Muhammed Ali, der von weißen Südstaatengeschäftsmännern finanziert wurde, sprach das aus, was Millionen Amerikaner dachten. Er wollte sich nicht in einem Krieg verheizen lassen, den die Männer des amerikanischen Großkapitals angezettelt hatten. In einer großangelegten Hetzkampagne versuchte die Reaktion, Muhammed Ali klein zu machen. Sie entzogen ihm die - bei Profiboxern notwendige- Boxlizenz, weil er die „amerikanische Fahne entehrt“ und sich „unpatriotisch“ verhalten habe.
Muhammed Ali hat diese Bemerkung nicht zurückgenommen. Und er hat noch ganz andere Sachen nicht zurückgenommen. Er hat die Kämpfe der farbigen Bevölkerung in den USA tatkräftig unterstützt. Er hat sich der religiösen Organisation der Black Muslim angeschlossen. Ihr Mitbegründer Malcolm X machte die Black Muslim zum ersten großen Sammelpunkt des organisierten farbigen Widerstands gegen die Ausbeutung und Unterdrückung der Farbigen in den USA. Es wurde nicht mehr gebettelt, sondern um die lebensnotwendigen Rechte gekämpft.
Als Malcom X schließlich erkannte, dass der Rassismus keine psychologische Schranke, sondern ein Spaltungsmittel der Kapitalisten war, um ihre Herrschaft aufrechtzuerhalten, wurde er ermordet. Das hat aber die Kämpfe der Farbigen in den USA nicht erlöschen lassen. Muhammed Ali steht für sie hier als einer, der sich dagegen wehrt, dass die Farbigen durch die weißen Kapitalisten ausgenutzt und ausgebeutet werden ….
Joe Frazier hat sich mit Haut und Haaren an die Weißen verkauft. Sein Lebensstil und seine Vorbilder sind weiß. Würdelos hat er sich mit seinem vergeblichen Versuch als Pop-Künstler zum Hampelmann de weißen Bourgeoisie gemacht. Muhammed Ali fragt nicht nach der Meinung von seinen Auftraggebern, auch wenn er abhängig von ihnen ist, er macht sich nicht zum Speichellecker der weißen Bourgeoisie. Darum wird er zum Verrückten, zum Großmaul abgestempelt.
Er setzt sich führend mit anderen für einen farbigen Berufskollegen ein, der von der weißen Klassenjustiz lebenslang ins Gefängnis geworfen wird. Er gibt sein Geld dafür, dass farbige Jugendliche auf einer Farm ihr Leben selbst in die Hand nehmen können- und macht sich keine Illusionen, damit die Klassengesellschaft ändern zu können.
Diejenigen, die Muhammed Ali in der Sportschau gesehen haben, werden überrascht sein über die ruhige, sachliche Art, mit der er dort auftrat. Ein paar Pressefritzen versuchten ihn zu provozieren- einen Hampelmann hätten sie lieber gesehen. Trotzdem sind auch die Aktivitäten von Muhammed Ali ein Schritt voran beim Kampf der farbigen Bevölkerung. Daan wird auch die reaktionäre Hetze gegen ihn nichts ändern.“
Q: Kämpfenden Jugend Nr. 21/1975, S. 8.
Juni 1977:
In der Juni Ausgabe der „Kämpfenden Jugend“ erscheint der Artikel: „Rocky-Zelluloid-Hymne auf die Carter-Ära.“
Ausgeführt wird: „Innerhalb weniger Wochen spielte der USA-Film „Rocky“ Millionensummen ein. Ausgestattet mit -zig „Oscars“, ist er jetzt auch bei uns zum Siegeszug angetreten. Im Programmheft liest man dazu, er sei eine „Zelluloid-Hymne auf den Optimismus der beginnenden Carter-Ära“, und der Drehbuchautor und Hauptdarsteller Sylvester Stallone erklärt: „Die Zeit war wieder reif für solch eine Spritze.“
Was wird da gespritzt? Der Film schildert die Geschichte eines drittklassigen Boxers, der trotz aller Rückschläge seinen Optimismus nicht verliert und dafür vom Schicksal belohnt wird. Der ungeschlagene farbige Boxweltmeister Apollo will aus Anlass des 200-jährigen Jubiläums der USA einem unbekannten Talent eine Chance geben, das gegen ihn antreten soll. Die Wahl fällt auf Rocky, der nach hartem Training zwar nicht gewinnt, aber 15 Runden durchsteht und damit bewiesen hat, dass der „amerikanische Traum“, das Märchen von den „unbegrenzten Möglichkeiten“ doch noch Wirklichkeit ist, wenn man sie nur beim Schöpfe zu packen versteht, wenn man tüchtig und fleißig ist und fest genug daran glaubt. Das Ganze ist mit viel Schmalz geölt
Dieser Film ist anders als die in der vergangenen Zeit in den USA produzierten. „Einer flog übers Kuckucksnest“ und „Taxi Driver“ waren ein Spiegelbild des Niedergangs des US-Imperialismus, der sein Ansehen unter den Völkern der Welt verspielt hatte, dessen Verbrechen vor der Welt entlarvt sind, der im inneren brutalisiert und entmenschlicht ist, der 6 Millionen Arbeitslose produziert hat und in dessen Städten täglich Menschen verhungern.
Dagegen setzt die US-Imperialistische Kultur-Industrie jetzt die Droge „Rocky“. Sie soll ihre Wirkung vor allem auch dadurch erhalten, dass Sylvester Stallone als lebendiger Beweis für die Wahrhaftigkeit der Geschichte herumläuft: Er hat mit Drehbuch und Hauptrolle den Sprung aus den Tiefen des brotlosen Gelegenheitsschreibers und Schmierenkomödianten geschafft. Aber der Film kann seine Herkunft nicht verleugnen: Die süßliche Harmonie der Kitsch-Story ist deutlicher Ausdruck ihrer Verlogenheit, die noch durch einen schrillen Misston unterstrichen wird: Mit der affig-eitlen Figur des Box-Champions Apollo nimmt die US-Bourgeoisie gehässige Rache an Muhammed Ali, der sich trotz aller Geschäfte mit ihr nie zum Hampelmann des US-Imperialismus hat machen ließ.“
In der Ausgabe werden auch die Reden eines Mitglieds der ZANU und der PAC veröffentlicht, die „dem Werner-Seelenbinder-Sportfestkomitee und allen Genossen und Freunden Dank aussprechen, die dieses Sportfest (gemeint war das 2. Werner-Seelenbinder Sportfest in Frankfurt, d. Vf.) für Euch und zur Unterstützung unseres bewaffneten Kampfes organisiert haben. Dieses Sportfest ist ein Beweis zur Unterstützung der Völker der Dritten Welt, insbesondere der kämpfenden Massen von Zimbabwe bei unserem Kampf gegen Kolonialismus, Imperialismus und den Vorherrschaftsbestrebungen der beiden Supermächte USA und Sowjetunion für vollständige nationale Unabhängigkeit. Er ist ein Beweis des Bewusstseins der Völker gegen Missbrauch des Sports zu kämpfen und ihn selbst in die Hand zu nehmen.“
Q: Kämpfende Jugend Nr. 6/1977, S. 16f. und 27.
Beim „Badminton“, vertritt der „Rote Morgen“ eine ähnliche Position wie schon beim Tischtennis oder Schwimmwettkämpfen. Bei einem Spiel einer chinesischen „Badminton-Mannschaft“ in Esslingen, verteilt auch die GCDF Flugblätter (vgl. 31. Mai 1975).
31.05.1975:
Im „Roten Morgen“ Nr. 22/1975 vom 31. Mai erscheint der Artikel: „Badminton-Mannschaft aus China zu Gast.“
Danach war am 7. Mai „die chinesische Badminton-Mannschaft in Esslingen zu Gast, um gegen eine Auswahl des Deutschen Badminton-Verbandes zu spielen. Genossen aus Stuttgart fuhren aus diesem Anlass nach Esslingen, um die chinesischen Freunde zu begrüßen. Die Reutlinger Gesellschaft für Deutsch-Chinesische Freundschaft (GCDF) verteilte Flugblätter, in denen sie aufrief, den Ausschluss Taiwans aus dem Welt-Badminton Verband zu fordern und die Aufnahme der VR Chinas zu unterstützen … Nach dem Spiel gingen ein Vertreter der Partei, der Roten Garde und der GDCF Reutlingen, um ihre Geschenke zu überreichen. Unter den Geschenken der Partei befanden sich auch Erinnerungen an den Deutschen Bauernkrieg, der die revolutionäre Tradition des deutschen Volkes zeigt …“
Q: Roter Morgen Nr. 22/1975, S. 10.
Der „Sport und die Dritte Welt“ war natürlich auch von besonderer Bedeutung. Fast wie alles, was mit ihr zu tun hatte, wurde von den K-Gruppen mehr oder weniger hofiert. Im Sinne der „Einheitsfrontbestrebungen“, des Kampfes der „Völker der dritten Welt“ gegen den amerikanischen Imperialismus und den russischen „Sozialimperialismus“, wurden wieder Bündnispartner gesucht, aber weniger gefunden. Diese beiden „Supermächte“ müssten bekämpft und besiegt werden. Die Dritte Welt, die sich gegen jegliche Einmischungen in ihre Verhältnisse verwahren würde, nahm auch im Sport eine wichtige Rolle ein, was an den „Werner Seelenbinder“ Sportfesten deutlich zum Ausdruck kommt. Hier ging es darum, praktische Solidarität zu üben und antiimperialistische Standpunkte zu fördern.
Der KBW berichtet so in seiner „Kommunistischen Volkszeitung“ darüber, dass es auch im Sport gelten würde, in ihnen (den Ländern der Dritten Welt, d. Vf.) dem „Imperialismus eine wichtige Niederlage“ zuzufügen. „Solidarität mit dem Volk von Oman. Auch im Sport“. Oman müsse im „revolutionären Kampf“ unterstützt werden (vgl. 15. Mai 1974).
15.05.1974:
In der „Kommunistischen Volkszeitung“ des KBW Nr. 10/1974 erscheint der Artikel: „Solidarität mit dem Volk von Oman. Auch im Sport.“
Ausgeführt wird: „Anlässlich der Solidaritätswoche mit dem kämpfenden Volk in Oman und am Golf nahm ich mir vor, den revolutionären Kampf der P. F. L. M. O. A. G. (Befreiungsfront von Oman) in meinem Sportverein zu propagieren. Dazu nahm ich mir auch Exemplare der Kommunistischen Volkszeitung mit, in denen ausführlich von den Kämpfen berichtet wird. Nach dem Training begann ich erst einzelnen, die ich für besonders interessiert hielt, und dann auch allen anderen von den Vorgängen in Oman zu berichten. Ich erzählte vom revolutionären Kampf der P. F. L. O. A. G., von den Errungenschaften des Volkes in den befreiten Gebieten und vom Eingreifen der Imperialisten und ihrer Handlanger. Keiner der Anwesenden halte zuvor von all den Ereignissen gehört. An dieser Tatsache konnte Ich erläutern, warum die bürgerliche Presse In Westdeutschland und Westberlin den gerechten Kampf des Volkes von Oman totschweigt, weil es nämlich auch die westdeutsche Bourgeoisie ist. die das Eingreifen des Irans in Oman aktiv unterstützt und kein Interesse daran haben kann, dass die Bevölkerung davon etwas erfährt.
Nachdem ich so umfassend wie möglich von den Ereignissen berichtet hatte, forderte ich alle auf, für die P. F. L. O. A. G. zu spenden … Eine Woche später, beim nächsten Training, sammelte ich 30 DM an Spenden … Das Beispiel zeigt, dass viele Menschen nur deshalb den Befreiungskampf des Volkes von Oman noch nicht unterstützt haben, weil ihnen die Kenntnisse über die Ereignisse fehlen, und wie notwendig es ist, dass wir die Nachrichtensperre der bürgerlichen Presse durchbrechen und aktiv Solidarität üben mit den gerechten Kampf des Volkes von Oman. Denn dadurch tragen wir dazu bei, dass der Kampf der P. F. L. O. A. G. siegreich sein wird und damit dem Imperialismus eine wichtige Niederlage zugefügt wird.“
Q: Kommunistische Volkszeitung Nr. 10/1974.
Zu „anderen Sportfesten“, die mehr oder weniger mit den Seelenbinder-Sportfesten verknüpft waren, liegen ebenfalls einige Daten vor.
Zunächst ruft die OL Dortmund des KJVD der KPD zu einem Sportfest in Dortmund Hörde auf. Es soll der „Vorbereitung des Werner-Seelenbinder Sportfestes“ dienen (vgl. 17. März 1977).
Sportfeste sollen auch stattfinden in:
- Bremen (vgl. 2. April 1977)
- Hamburg (2. April 1977).
Zudem berichtet die „Kommunistische Volkszeitung“ über das „Sachs-Sporting“ (vgl. 10. Dezember 1979).
17.03.1977:
Die Ortsleitung (OL) Dortmund des KJVD der KPD gibt ein Flugblatt mit zwei Seiten DIN A 4 unter Verantwortung von St. Siebenkäs, Dortmund, Münsterstraße 95, mit folgendem Aufruf heraus: „KOMMT ALLE ZUM SPORTFEST DES KJVD AM 27.3. IN HÖRDE!“.
Das Flugblatt richtet sich an „Kollegen aus Hörde, Schüler der Hörder Schulen!“. Das Sportfest soll der Vorbereitung des Werner-Seelenbinder-Sportfestes dienen und soll auf den Anlagen des Humboldt-Gymnasiums durchgeführt werden, die Genehmigung aber fehlt noch.
Q: KJVD-OL Dortmund: Kommt alle zum Sportfest des KJVD am 27.3. in Hörde!, Dortmund 17.3.1977.
02.04.1977:
Laut „Kämpfende Jugend“ Nr. 3/1977 soll am 2. April 1977 in Bremen ein KJVD-Sportfest stattfinden.
Q: Kämpfende Jugend Nr. 3/1977, S. 4.
10.12.1979:
Die Zelle Schweinfurt des KBW gibt eine Flugschrift der „Kommunistischen Volkszeitung“ für die Belegschaft bei Fichtel & Sachs und Star Kugelhalter zur Metalltarifrunde (MTR) der IGM heraus. Berichtet wird auch über das „Sachs-Sporting“.
Q: Kommunistische Volkszeitung für die Belegschaft bei Fichtel & Sachs und Star - Flugschrift, Schweinfurt 10.12.1979, S.7.
Die erhebliche Erweiterung dieses Teils zum Thema „K-Gruppen und Sport“ wirft eine Reihe von weiteren Fragen auf, die es später zu untersuchen gilt: Etwa müsste man sich in den Bereich der „Sportidole“ der Jugend vorwagen, Politikerstatements zum Sport untersuchen, die Sport(hoch)schulen ins Visier nehmen, Sportjournalisten in ihrer Jagd nach den besten Informationen mit einbeziehen, den heutigen „sozialistischen Kasernensport“ in China untersuchen, speziell sich dem Thema „Sport und Medien“, „Sport, Drogen, Doping, Spritzen“ usw. widmen. Ob und inwieweit das hinterlassene Mao-Gerüst hierzu Aussagen gemacht hat, muss z. Zt. noch offen bleiben.
Der institutionalisierte Sport, der heute in die Ära der kriminellen Globalisierung eingetreten ist, in der korrupte Funktionäre das Sagen haben und mit mafiösen Interessengruppen zusammenarbeiten (siehe Fußball WM Vergabe), die jenseits von Gesetz und Moral handeln und ihn in ein pures Profitunternehmen verwandelt haben, spielt heute nur noch die Rolle einer modernen Politikform mit deutlichen Merkmalen der internationalen Zentralisierung des ökonomischen Handelns.
Die „Agenten des Sports“ mit hochgejubelten Sportjournalisten (etwa das Team Netzer/Delling) und anderem „Fachpersonal“, haben ihn zu reinen Kapitalakkumulationsmaschinen verwandelt, zu einem Fetisch, der auf die Logik der Rekorde in allen Bereichen setzt. Er mündet möglicherweise in die gesamte kriminelle Phalanx ein, die es heute gibt (Drogen und Dopingmittel, Geldwäsche, Blutwäsche, Korruption, Spielmanipulationen und Steuerhinterziehungen). Inwieweit er mit nationalen und/oder nationalistischen Ideen verbrämt ist (Gewalt in den Stadien, Hooliganism) müssen künftige Untersuchungen über „K-Gruppen und Sport“ zeigen. Jedenfalls gilt: Der heutige Sport ist zu einem reinen „Pflichtprogramm der faulen Geschäfte“ entartet.
Aus der Weimarer Zeit sind folgende Arbeitersportvereine bekannt:
Aus der Ära der „K-Gruppen“ sind bisher folgende „Rot-Sport“-Vereine bekannt geworden:
Klaus Achilles: „Dem Volke gilt es, wenn wir zu spielen scheinen“ - Arbeitersport in Bremen. In: Harald Braun (Hrsg.): Illustrierte Geschichte von Turnen und Sport im Land Bremen. Ein gesellschaftskritischer Beitrag zur Kulturgeschichte, Schintz, Bremen 1999.
Patricia Arnold, Dagmar Niewerth: Heraus Genossen! Die Arbeitersportbewegung in Altona in der Weimarer Republik. In: Arnold Sywottek (Hrsg.): Das andere Altona. Ergebnisse, Hamburg 1984.
Julius Braunthal: Festschrift zur 2. Arbeiter-Olympiade 1931.
Erik Eggers: Fußball in der Weimarer Republik, Agon, Kassel 2001.
Hardy Grüne: Vom Kronprinzen bis zur Bundesliga – 1890 bis 1963, Agon, Kassel 1996.
Hartmut Hering (Hrsg.): Im Land der tausend Derbys. Die Fußballgeschichte des Ruhrgebiets, Die Werkstatt, Göttingen 2002.
Oliver Kersten: Die Naturfreundebewegung in der Region Berlin-Brandenburg 1908-1989/90. Kontinuitäten und Brüche. Dissertation. Freie Universität Berlin 2004. Freizeit und Wandern, Berlin 2007.
Torsten Kupfer: Arbeitersportler gegen den Faschismus. Die Kampfgemeinschaft für rote Sporteinheit in Leipzig 1933 bis 1935 mit einem Exkurs zur Entwicklung der Auffassungen der Kommunistischen Partei Deutschlands und der Kampfgemeinschaft für rote Sporteinheit über die Herstellung der antifaschistischen Sporteinheitsfront 1933 bis 1935, Leipzig 1988.
Werner Skrentny: Die Solidarität war ja überall! In: Projektgruppe Arbeiterkultur Hamburg: Vorwärts - und nicht vergessen. Arbeiterkultur in Hamburg um 1930. Frölich und Kaufmann, Berlin 1982.
Ders.: Als Lorbeer noch Deutscher Meister war. In: Hamburger Fußball-Verband (Hrsg.): 100 Jahre Fußball in Hamburg. Hamburg 1994.
Ders.: Die andere Nationalmannschaft: Arbeitersportler am Ball. In: Dietrich Schulze-Marmeling (Hrsg.): Die Geschichte der Fußball-Nationalmannschaft. Die Werkstatt, Göttingen 2002.
Ders.: Vergessene Fußballgeschichte: Die Arbeitersport-Bewegung. In: Gerhard Fischer, Ulrich Lindner: Stürmer für Hitler. Vom Zusammenspiel zwischen Fußball und Nationalsozialismus. Die Werkstatt, Göttingen 1999.
Eike Stiller: Der Segelsport der Arbeiterbewegung. Zur Geschichte des Freien Segler Verbandes (FSV) 1901-1933. Berlin 2002.
Ders.: Literatur zur Geschichte des Arbeitersports in Deutschland von 1892 bis 2005. Berlin 2006.
Hans Joachim Teichler: 75 Jahre Bundesschule des ATSB in Leipzig. In: Förderverein Sächsisches Sportmuseum Leipzig e. V. (Hrsg.): Sportmuseum aktuell. 3, 2001.
Hans Joachim Teichler/Gerhard Hauk (Hrsg.): Illustrierte Geschichte des Arbeitersports. Dietz, Berlin 1987.
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