Kommunistische Arbeiterpresse - Ausgabe Hoesch. Betriebszeitung der Kommunistischen Partei Deutschlands, Jg. 1, Nr. 3, Sept. 1971

20.09.1971:
Vermutlich in dieser Woche gibt die KPD bei der Hoesch Westfalenhütte Dortmund die Nr. 3 ihrer 'Kommunistischen Arbeiterpresse' (KAP - vgl. 6.9.1971, 11.10.1971) mit vier Seiten DIN A4 unter Verantwortung von Maria Bergmann, Berlin 12, Schillerstr.35 mit folgendem Leitartikel zur Metall- (MTR) bzw. Stahltarifrunde (STR) heraus: "
DIE GESCHLOSSENHEIT STÄRKEN UND DEN KAMPF ORGANISIEREN

Gerade in dieser Tarifrunde kommt es darauf an, entschlossen und einheitlich für angemessene Lohnerhöhungen zu kämpfen, um die Angriffe der Kapitalisten auf unsere Lebensbedingungen, die Preistreiberei und die Arbeitshetze abzuwehren. Davon dürfen wir wir uns auch nicht dadurch abhalten lassen, daß die Kapitalisten Stillegungen, Kurzarbeit und Entlassungen auf die Tagesordnung gesetzt haben und die beginnende Krise als Drohmittel benutzen, um die einheitliche Kampffront in den Betrieben aufzuweichen. Kollegen, Entlassungen können wir nicht dadurch verhindern, daß wir jetzt klein beigeben. Der einzige Trumpf, den wir gegen Entlassungen und Lohnraub in der Hand haben, ist die Geschlossenheit unserer Kampffront. Deshalb kämpft die KPD gerade in dieser Tarifrunde für die Einheit der Arbeiterklasse, indem sie die Forderungen nach einer einheitlichen Lohnerhöhung stellt:

120 DM MEHR FÜR ALLE!

Kollegen, daß die IGM-Spitze diesen Kampf längst nicht mehr führt, beweist die 10%-Forderung der Großen Tarifkommission (vgl. NRW - 26.8.1971, 27.8.1971, d.Vf.). Erstens zielt sie auf einen Abschluß innerhalb der Lohnleitlinien der SPD-Regierung hin, und zweitens spaltet sie die Kollegen. Und die DKP-Führung scheut sich nicht, den Verrat der Gewerkschaftsführung zu vertuschen und ihn schließlich sogar aktiv zu unterstützen. 'Jetzt die 10% voll durchsetzen', sagt sie und übergeht damit absichtlich die Forderungen der breiten Masse der Kollegen. Genau auf dieser Linie handelte Betriebsratsmitglied der Westfalenhütte DKP-Vernholz, als er in der Großen Tarifkommission unsere 75-Pfennig-Forderung einfach fallen ließ und für 13% stimmte.

DIE SPALTUNGSTAKTIK DER DORTMUNDER ORTSVERWALTUNG

Zuerst wollte die Ortsverwaltung überhaupt verhindern, daß die Betriebe ihre Forderungen für die Tarifrunde aufstellen. Was sonst hatte Erlenhofer im Mai auf der Vertrauensleutesitzung der Maschinenfabrik Deutschland (MFD - vgl. 27.5.1971, d.Vf.) im Sinn, als er den Kollegen einreden wollte, es sei noch viel zu früh, Forderungen aufzustellen? Als aber dennoch von den Kollegen der MFD 15% linear gefordert wurden, als schließlich die Vertrauensleutevollversammlung der Westfalenhütte 75 Pfennig forderte (vgl. 6.8.1971, d.Vf.), setzten Troche und Duhm mit primitiver Demagogie auf der Vertrauensleuteversammlung von Phoenix (vgl. 17.8.1971, d.Vf.) die 50-Pfennig-Forderung der Ortsverwaltung durch. Beim Ecklohn entsprechen die 50 Pfennig den 10% der Großen Tarifkommission. Daß die Ortsverwaltung die 50 Pfennig für alle Lohngruppen forderte, zeigt nur, daß sie Angst haben mußte, sich auch noch durch eine prozentuale Forderung von den Kollegen zu isolieren.

Bei Union, wo mehr Facharbeiter als in den anderen Hoesch-Werken beschäftigt sind, spielten die Arbeiterverräter im Betriebsrat und Vertrauensleutekörper auf üble Weise die besser bezahlten Facharbeiter gegen die anderen Arbeiter aus und brachten einen Abstimmungssieg für die 10% zustande (vgl. 17.8.1971, d.Vf.).

Trotz dieser Spaltungsmanöver stand die örtliche Tarifkommission mit ihrer 50-Pfennig-Forderung von Anfang an allein da (vgl. S1.*.1971, d.Vf.). Da kann Erlenhofer noch so oft behaupten, die Ortsverwaltung habe ihre Forderung auf Grund einer breiten Diskussion mit Vertrauensleuten und Kollegen aus dem Betrieb aufgestellt.

Kollegen, Jahr für Jahr ist es dasselbe: Die IGM-Spitze paktiert mit den Kapitalisten und setzt ihren Verrat gegen den Willen der Masse der Gewerkschafter durch. Die Tarifkommission wird von der IGM-Spitze eingesetzt. Was das für Folgen hat, zeigt sich auch in diesem Jahr wieder. In der Tarifkommission sitzen Betriebsräte, die ihre gut bezahlten Posten haben, die seit Jahren fest im Sattel sitzen und sich längst nicht mehr um unsere Interessen scheren. Was wir Metaller auch für Forderungen aufstellen, 'unsere' Tarifkommission kann sich 'aus gesamtwirtschaftlichen Überlegungen' immer nur zu Forderungen entschließen, die zwar den Kapitalisten in ihr Programm passen, unseren Interessen dagegegen völlig widersprechen! Deshalb:

WAHL DER TARIFKOMMISSION DURCH DIE GEWERKSCHAFTLICHEN VERTRAUENSLEUTE!

ENTSCHEIDUNG ÜBER ANNAHME ODER ABLEHNUNG DER VERHANDLUNGSERGEBNISSE DURCH DIE GEWERKSCHAFTLICHEN VERETRAUENSLEUTE!

MACHEN WIR DEN VERTRAUENSLEUTEKÖRPER ZU UNSEREM KAMPFINSTRUMENT!

Die Vertrauensleute auf der Westfalenhütte haben die 75-Pfennig-Forderung aufgestellt. Diese Forderung ist richtig, weil sie die Interessen aller Kollegen aufnimmt. Um aber diese Forderung gegen die Angriffe der Kapitalisten und die Spaltungsversuche der IGM-Spitze durchzusetzen, muß der breite Abwehrkampf in den Betrieben organisiert werden. Der Vertrauensleutekörper kann nur dann ein Kampfinstrument der Arbeiterklasse sein, wenn er sich konsequent für die Interessen aller Kollegen einsetzt. Kollegen, messen wir die Vertrauensleute nicht an ihren Worten, dem Aufstellen von richtigen Forderungen, sondern an ihren Taten, daran, wie sie den Kampf zur Durchsetzung dieser Forderungen organisieren!

Fordern wir in allen Betrieben IGM-Mitgliederversammlungen, auf denen wir gemeinsam mit unseren Vertrauensleuten die notwendigen Kampfmaßnahmen beraten und beschließen können.

DIE SCHÄRFSTE WAFFE DES GEWERKSCHAFTLICHEN KAMPFES IST DER STREIK!

ALLE RÄDER STEHEN STILL, WENN DEIN STARKER ARM ES WILL!"

Berichtet wird von der IGM-Stadtteilversammlung in Dortmund-Brackel (vgl. 8.9.1971) sowie von den eigenen Veranstaltungen zur MTR bzw. STR in Dortmund (vgl. 10.9.1971) und Düsseldorf (vgl. 16.9.1971).

Die neue Kontaktadresse sind die 'Borsig Stuben, mittwochs 17 bis 19 Uhr.

In einer Arbeiterkorrespondenz wird ausgeführt: "
WIE DIE ARBEITSSICHERHEIT AUF DER WESTFALENHÜTTE AUSSIEHT!

Ich arbeite in der Feineisenstraße auf der Westfalenhütte. Wer die Arbeit da kennt, weiß, was die Kapitalisten von Arbeitssicherheit halten. Nämlich nichts, weil Sicherheit eben nur bei langsamerer Produktion und besseren Maschinen möglich ist. Aber das geht ja auf Kosten der Gewinne.

Die Maschinen, mit denen Betonstahlstangen gedreht werden, laufen heute mit der größten Geschwindigkeit. Es kommt oft vor, daß eine Stange nicht ganz gerade ist, wenn sie in die Maschine einläuft. Sobald der Verbindevorgang dann beginnt, fängt die Stange an, wild hin und her zu schlagen. Wenn sie dabei auch noch auseinanderbricht, löst sich manchmal ein Ende und schießt meterweit durch die Gegend.

Woanders sieht es nicht besser aus. Wenn 'Karl Hoesch' es besonders eilig hat, und die Profile von vorne durchgewalzt werden, kommen sie heiß in die Zurichterei. Wenn man zum Beispiel an der Schere arbeitet, qualmen die Handschuhe. Oder am Pendelwagen zur Betonstahlabteilung: Die Verlader können es auf den Paketen kaum aushalten, so heiß ist es, ganz abgesehen davon, daß das sehr gefährlich ist. Ein paar Mal war ein Werksarzt da, der sich das anguckte und dann sagte, die Arbeit sei eigentlich nicht zumutbar, und beruhigt unverrichteter Dinge wieder abzog. Es kann sein, was will, geändert wird an den wirklich gefährlichen Arbeitsplätzen nicht für fünf Pfennig was. Vor einigen Jahren hat eine Richtmaschine einem Vorarbeiter ein paar Finger abgeschnitten, weil die Maschine eine so patente Automatik hat, daß ein kurzer Druck auf den Schlüssel genügt, um sie ins Laufen zu bringen. Bis heute ist nichts an der Richtmaschine gemacht worden, außer, daß sie inzwischen sieben Meter pro Sekunde - das sind 25 Km pro Stunde - läuft.

Viele Unfälle passieren mit den Kränen. Einmal wurde zum Beispiel ein Verlader von einem Haken erschlagen. Weil mehrere Kräne auf einer Bahn laufen, kann es zu Zusammenstößen kommen. Wie das für den ist, der unten einhängt, können am besten die Kollegen erzählen, die da mal ihre Knochen hingehalten haben. Die meisten Unfälle kommen durch das hohe Produktionstempo. Wenn man acht Stunden angestrengt arbeitet, kann man eben nicht die Augen überall haben und alle Sicherheitsregeln einhalten. Wer mit Kollegen aus anderen Werken spricht, merkt, daß es woanders noch schlimmer ist mit der Unfallgefahr, besonders im Kaltwalzwerk.

Eins ist ganz klar: Von alleine tun die Kapitalisten nichts, um die Arbeitssicherheit zu verbessern. Wenn wir sie nicht dazu zwingen, müssen wir auch in Zukunft immer schneller produzieren, immer mehr Tonnen machen und dabei unsere Knochen hinhalten."

Bundesweit verbreitet die KPD (vgl. 8.10.1971) diese Korrespondenz leicht geändert sowie mit dem folgenden letzten Satz: "
Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß im Moment nur in zwei Schichten gewalzt wird."

Bundesweit heißt es dazu in einer: "
EINLEITUNG DER REDAKTION

Die Hoesch-Kapitalisten werden nicht müde, ihr angeblich so fortschrittliches und wirksames Arbeitsschutzsystem zu preisen. Fast jede Ausgabe ihrer Werkszeitung 'WERK UND WIR' schwärmt von Verbesserungen und Fortschritten bei der Unfallverhütung. Wenn man sich fragt, woher bei diesen Errungenschaften eigentlich die steigenden Unfallzahlen rühren, so geben die Ausbeuter die Antwort: Die betroffenen Arbeiter sind selber schuld. Alle Beispiele über Unfallursachen und Verhütungen, die sie in ihrer Werkszeitung berichten, erwecken den Eindruck, als hänge es allein von der Umsicht und der Gewissenhaftigkeit der Kollegen ab, ob sie einen Unfall erleiden. Wovon auch sonst, da sie doch alle Verhütungsmaßnahmen ergreifen und wirksame Schutzbestimmungen erlassen.

Die nachstehende Korrespondenz eines Kollegen aus der Westfalenhütte entlarvt diese Betrugsmanöver und zeigt die Wirklichkeit der kapitalistischen Ausbeutung: Der wahre Grund der steigenden Unfallzahlen liegt in der ständigen Verschärfung des Arbeitstempos, das allein von den Profitinteressen der Kapitalisten und davon bestimmt wird, wieviel die Maschinen hergeben, nicht von der Leistungsfähigkeit der Arbeiter.

Nach der Fusion von Hoesch und DHHU wurde in der jetzt abgelaufenen Hochkonjunktur durch breitangelegte Rationalisierungsmaßnahmen das Arbeitstempo sprunghaft in die Höhe getrieben. Selbst jetzt, wo die Produktion gedrosselt wird, wo die Kapitalisten Schichtkürzungen und Kurzarbeit beschlossen haben, wird die Arbeitshetze nicht entschärft. Im Gegenteil: Während ein Teil der Kollegen kurzarbeitet, Schichten wegfallen und Entlassungen vor der Tür stehen, wird in den verbleibenden Schichten das Arbeitstempo noch erhöht.

Der Bericht des Kollegen macht klar, daß die Werksärzte zu allererst die Aufgabe haben:

für die ARBEITSFÄHIGKEIT

der Kollegen zu sorgen. Denn ihre Aufgabe besteht in erster Linie darin, exakt und wissenschaftlich zu entwickeln, wie man aus einem Menschen noch mehr Arbeit in der gleichen Zeit herauspressen kann."
Q: Kommunistische Arbeiterpresse Hoesch Nr. 3, Dortmund Sept. 1971; Rote Fahne Nr. 27, Berlin 8.10.1971, S. 4

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