Kommunistische Arbeiterpresse - Ausgabe Hoesch. Betriebszeitung der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), Jg. 1, Nr. 4, Okt. 1971

11.10.1971:
Bei Hoesch Dortmund gibt die KPD vermutlich Anfang dieser Woche die Nr. 4 ihrer 'Kommunistischen Arbeiterpresse' (KAP - vgl. 20.9.1971, 1.11.1971) mit vier Seiten DIN A4 ohne presserechtlich Verantwortlichen heraus. Eine Kontaktmöglichkeit besteht mittwochs von 17 bis 20 Uhr in den 'Borsigstuben' in der Borsigstr.51.

Im Leitartikel wird berichtet aus dem Hagener IGM-Bereich (vgl. 4.10.1971) von Klöckner und den SSW, in weiteren Artikeln vom Besuch des japanischen Hirohito und der Demonstration dagegen in Bonn (vgl. 12.10.1971), vom IGM-Gewerkschaftstag (vgl. 27.9.1971) und von Opel Bochum (IGM-Bereich - vgl. 6.10.1971, 7.10.1971).

Der Metall- (TR) bzw. Stahltarifrunde (STR) widmet man sich so: "
AM 13.OKTOBER BEGINNEN DIE SCHEINVERHANDLUNGEN: ES BLEIBT DABEI: 120 DM MEHR FÜR ALLE!
DEN LOHNKAMPF JETZT MIT DEM KAMPF GEGEN DIE KRISENMASSNAHMEN DER KAPITALISTEN VERBINDEN!

Erste Stillegungen, Kurzarbeit, Entlassungen, das ist die Situation, der sich die Stahl- und Metallarbeiter in dieser Tarifrunde gegenübersehen.

Bei Hoesch wird keiner mehr eingestellt, und die Kapitalisten haben bisher Kurzarbeit nur angedroht, obwohl in vielen Abteilungen faktisch schon jetzt kurzgearbeitet wird. So werden zum Beispiel im Oxygen-Stahlwerk von Phoenix nur 38 Stunden gemacht - bei 36 Stunden müßte Kurzarbeit angemeldet werden.

Jeder Kollege weiß, das Hoesch garantiert bald Kurzarbeit anmelden muß. Laufend werden Schichten gestrichen und die Überstunden immer weiter abgebaut. Kollegen, die Angst um ihre Arbeitsplätze haben, können besser ausgebeutet werden, weil sie Angst haben müssen, überhaupt den Mund aufzumachen. Die Arbeitshetze kann immer mehr gesteigert werden, und die Kollegen sollen immer größere Tonnenleistungen bringen. Auch Stechuhren kommen dabei immer wieder 'ins Gespräch'.

Kein Zweifel - die enorm hohen Profitraten der Hochkonjunktur der Jahre 1968 bis 1970 sind in der Stahlindustrie gesunken. Nun soll die Arbeiterklasse die Zeche zahlen.

In der Hochkonjunktur haben die Stahlkonzerne unwahrscheinliche Gewinne aus der Arbeit der Kollegen gepresst: durch Überstundenhetze und ständiges Hochschrauben des Arbeitstempos. Gleichzeitig verschaffen die Konzerne sich durch Fusionierung (wie zwischen Hoesch und der Hörder Hüttenunion) oder Absprachen, die Fusionen gleichkommen, wie zwischen Thyssen und Mannesmann (ATH bzw. MM, d.Vf.), die Möglichkeit zu breit angelegten Rationalisierungen und 'Flurbereinigung'. So sind sie bestens auf die kommende Krise vorbereitet. Ihr Ziel: In dieser Krise auf Kosten der Kollegen überalterte Produktionsanlagen stillzulegen und den Widerstand gegen ihr Rationalisierungsprogramm (besonders gegen die Verlagerung der Produktion ans Meer) zu brechen.

Krisen sind im Kapitalismus unvermeidlich. Sie ergeben sich aus den Gesetzen der Profitmacherei selbst. Denn die Konkurrenz zwingt jeden Kapitalisten, immer kostensparender, d.h. mit immer besseren Maschinen immer produktiver zu produzieren, um seine Profite zu steigern. Da es immer nur auf die Profite des Einzelkapitalisten ankommt, läuft dieser Prozeß nicht planmäßig ab, sondern anarchisch im Kampf aller gegen alle. In der Hochkonjunktur investieren alle Kapitalisten ihre gesamte Kapitalmasse und weiten ihre Produktion aus, um möglichst viel zu scheffeln und um aus der nächsten Krise als Stärkste hervorzugehen.

In dem Augenblick jedoch, in dem diese Neuinvestitionen von der gesamten Industrie durchgeführt worden sind - neue Investitionen die Profite also nicht weiter steigern würden - stocken die Investitionen, und die Produktionsgüterindustrie bleibt auf ihren Produkten sitzen, die 'Wachstumsraten' sinken. Solange also Neuinvestitionen Zuwachs der Profite versprechen, werden sie durchgeführt; wenn sie keine Profitsteigerung mehr bringen, werden sie unterlassen.

Da jeder Kapitalist nur für sich investiert und den Boom auszunutzen sucht, kann es im Kapitalismus nicht zu einem geplanten wirtschaftlichen Wachstum kommen.

Die Krisenhaftigkeit des Kapitalismus zeigt seine ganze Widersprüchlichkeit und Überlebtheit: die Steigerung der Produktivität, die das Mittel zum ständigen Fortschritt, zum ständigen Wachsen des Reichtums der Gesellschaft sein könnte ist in ihrer kapitalistischen Zwangsjacke eine dauernde Drohung für die Arbeiterklasse und die anderen Werktätigen; denn da sie allein der Profitmacherei dient, führt sie notwendigerweise zu immer neuen zyklischen Schwankungen. Die Krise führt der Arbeiterklasse klar vor Augen, daß sie im Kapitalismus nie ein sicheres Leben und steigenden Wohlstand genießen kann. Denn die Steigerung der Produktivität, die kapitalistische Rationalisierung dient nicht dazu, schwere Arbeit abzubauen und die Arbeitszeit zu verkürzen, sondern allein der Auspressung von mehr Arbeit aus dem einzelnen Arbeiter, dem Überflüssigmachen von Arbeitern statt von Arbeit.

Solange das kapitalistische Profitinteresse nicht gebrochen ist, gibt es kein Mittel gegen die Krise und kein ständiges wirtschaftliches Wachstums. Alles Gerede von 'sozialer Symmetrie', 'Gemeinwohl' und 'wirtschaftlicher Vernunft', das die SPD-Führer auf den Lippen tragen, ist reine Heuchelei und dient einzig und allein dem Zweck, die Arbeiterklasse vom Kampf um ihre Interessen abzuhalten. Zu diesem Zweck wurde die SPD-Regierung auch ans Ruder gelassen; denn sie soll den Kredit und das Vertrauen, daß sie noch in Teilen der Arbeiterklasse hat, dazu benutzen, sie zum Stillhalten zu bewegen, wenn das Kapital seine Profite auf ihrem Rücken saniert.

WIE KANN DIE ARBEITERKLASSE DAS KRISENPROGRAMM DER KAPITALISTEN ABWEHREN?

Erst durch den Sturz des kapitalistischen Ausbeutersystems kann die Arbeiterklasse sich ein Leben ohne Krise und Unsicherheit erhoffen. Der entscheidende Kampf zum Sturz der Kapitalistenklasse kann jedoch nur am Ende einer langen Kette von Kämpfen gegen das Kapital stehen. Um diesen Kampf zu ermöglichen, gilt es in den wirtschaftlichen und politischen Abwehrkämpfen der Arbeiterklasse die einheitliche Front zu schmieden. Unterm Kapitalismus muß die Arbeiterklasse um jeden Fußbreit Boden kämpfen, den ihr die Kapitalistenklasse rauben will. Gegen den ständigen Versuch der Kapitalisten, aus einem Teil der Arbeiter immer mehr Arbeit herauszupressen, um dadurch den anderen Teil auf die Straße zu setzen, muß die Arbeiterklasse für die Verkürzung der Arbeitszeit kämpfen.

DIE LINIE DIESES KAMPFES HAT DIE KPD IN IHREM AKTIONSPROGRAMM (vgl. 7.7.1971, d.Vf.) FFESTGELEGT:

Unter ihrer zentralen Losung: FÜR DEN SIEBENSTUNDENTAG BEI VOLLEM LOHNAUSGLEICH nimmt die KPD den Kampf gegen verschärfte Arbeitshetze und Massenentlassungen auf.In der Hochkonjunktur tritt der unersättliche Heißhunger des Kapitals nach Mehrarbeit offen zu Tage. Brutal verschärft das Monopolkapital das Arbeitstempo und zwingt die Arbeiter zu einer unermeßlichen Zahl von Überstunden. Der Achtstundentag wurde vor über 50 Jahren durchgesetzt; zu einer Zeit, als noch nicht einmal die Fließbandarbeit normal war und die Produktivkräfte wesentlich geringer entwickelt waren als heute. Heute ist die Durchsetzung der generellen Arbeitszeitverkürzung auf sieben Stunden das wichtigste Mittel, den Folgen der Arbeitshetze, wie steigende Unfallzahlen, Zunahme der Berufskrankheiten, sinkende Lebenserwartungen usw. wirksam zu begegnen.

Die KPD erkennt jedoch, daß es in der gegenwärtigen Etappe der Klassenkämpfe, wo die Arbeiterklasse noch keine festgefügte Front gegen das Monopolkapital bildet, sondern noch hauptsächlich vereinzelte Abwehrkämpfe führt, Massenentlassungen gibt, denen auch mit der Forderung nach dem Siebenstundentag nicht wirksam begegnet werden kann.

In solchen sich meist aus Strukturkrisen ergebenden Massenentlassungen wird die KPD den Kampf für ausreichende Sozial- und Umschulungspläne, sowie ausreichende Überbrückungsgelder führen.

Für die Tarifrunde steht vor der Arbeiterklasse die Aufgabe, jetzt ihre Reihen zu formieren, um das Krisenprogramm des Kapitals zu verhindern. Jetzt den einheitlichen Kampf um die berechtigten Lohnforderungen zu organisieren, ist das beste Mittel, um den Lohnraubplänen der Kapitalisten einen Riegel vorzuschieben und die Abwehrfront der Arbeiterklasse zu schaffen, die allein die schweren Kämpfe gegen Entlassungen, Lohnraub und Arbeitshetze erfolgreich führen kann."

In einem Kasten innerhalb dieses Artikels wird gefragt: "
Hat die SPD-Regierung die Preise gestoppt, hat sie etwas gegen Mietwucher unternommen, gegen die Fahrpreiserhöhungen? Im Gegenteil; was im Kapitalismus allein zu planen ist, ist der Raub am Lebensstandard der Arbeiterklasse. Alle wirtschaftlichen Maßnahmen der SPD-Regierung bestehen deshalb auch darin, den Angriff der Kapitalisten auf die Arbeiterklasse staatlicherseits abzusichern:
-Lohnsteuervorauszahlung
-Lohnleitlinien
-Erhöhung von Krankenkassen-, Renten-, und Arbeitslosenversicherungsbeiträgen, Steuererhöhungen

das ist die SPD-Politik der Stabilitätssicherung."
Q: Kommunistische Arbeiterpresse Hoesch Nr. 4, Dortmund Okt. 1971; Rote Fahne Nr. 30, Berlin 19.11.1971, S. 2

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