Kommunistische Arbeiterpresse. Betriebszeitung der Zelle Westfalenhütte der KPD für die Hoesch-Arbeiter, Jg. 2, Nr. 14, 22. Juni 1972

22.06.1972:
Die Zelle Hoesch Westfalenhütte Dortmund der KPD gibt die Nr. 14 ihrer 'Kommunistischen Arbeiterpresse' (KAP - vgl. 31.5.1972, 13.7.1972) mit sechs Seiten DIN A4 unter Verantwortung von Maria Bergmann, Berlin 15, Postfach, mit der Kontaktadresse Verlag Rote Fahne, Zimmerstr.19 mit einem Bericht von der Jugendvertretungswahl (JVW - vgl. 19.6.1972) und folgendem Leitartikel heraus: "
DIE FUSION TRÄGT ERSTE FRÜCHTE:
HOCHOFEN UND STAHLWERK WERDEN NICHT GEBAUT!

Die Fusion mit Hoogovens bedeutet für die Hoesch-Kapitalisten Verbesserung ihrer Position auf dem internationalen Stahlmarkt und damit langfristig Sicherung ihrer Profite. Was es für uns bedeutet, konnten wir am Mittwoch (vgl. 14.6.1972, d.Vf.) letzter Woche in der Zeitung lesen:

der geplante Hochofen und das Oxygenstahlwerk werden nicht gebaut. Das ist ein weiterer Beweis dafür, daß die Stahlbasis Dortmund keine große Zukunft mehr hat. Wir müssen für die nächsten Jahre mit umfangreichen Einsparungen und Rationalisierungsmaßnahmen rechnen, die auf Kosten unserer Arbeitsplätze gehen.

Die Unterzeichnung des Zusammenschlusses am 14.1.1972 hatte damals für die Kollegen noch keine unmittelbaren Auswirkungen; sie war zunächst ein rein juristischer Verwaltungsakt. Gleichzeitig war damit aber die Voraussetzung und der Auftakt für tiefgreifende Rationalisierungsmaßnahmen gegeben.

Bekanntlich kann in EINEM GROSSEN Werk erheblich billiger produziert werden als in mehreren kleinen. Durch die Fusion eröffnete sich den Hoesch-Hoogovens-Kapitalisten die Möglichkeit, die Vielzahl kleinerer und mittlerer Werke, über die sie jetzt gemeinsam verfügen, durch wenige große Anlagen zu ersetzen. Wie wird diese Konzentration der Produktion vor sich gehen?

Folgende einfache Rechnung ist den meisten von uns bekannt:
die wichtigsten Rohstoffe für die Eisen- und Stahlindustrie, Steinkohle und Eisenerz, kommen aus Übersee. Für ein Stahlwerk an der Nordseeküste, sei es in Ijmuiden oder in Rotterdam, ergibt sich dadurch die günstige Situation, daß sowohl Kohle als auch Erz gleich vom Überseefrachter in die Hochöfen wandern können, ohne daß mehrfaches Umladen notwendig ist. Anders bei Hoesch in Dortmund. Die Rohstoffe müssen zweimal umgeladen werden, bevor sie den Hochofen erreichen: vom Überseefrachter auf Binnenschiffe, im Dortmunder Hafen dann auf Eisenbahnwaggons. Dieser Mehraufwand schlägt sich auf die Produktionskosten so nieder, daß die in Dortmund produzierte Tonne Stahl 10 DM teurer ist als die an der Nordseeküste produzierte.

Auf der anderen Seite stellt das Ruhrgebiet einen hervorragenden Absatzmarkt für Stahlprodukte aller Art dar, Hoesch produziert in unmittelbarer Nähe der Verbraucher.

Es bahnt sich eine Arbeitsteilung zwischen den Dortmunder Werken und denen in Holland an. Im Dortmunder Raum soll die Weiterverarbeitung konzentriert werden, in den niederländischen Werken die Stahlproduktion und -Verarbeitung bis zum Halbzeug und Warmbreitband. Die neuesten Beschlüsse des Hoesch-Vorstandes legen ein deutliches Zeugnis davon ab.

Die Zusammenfassung der bisher zersplitterten Produktion zu wenigen großen Anlagen am jeweils günstigsten Standort - darauf laufen letztenendes alle Bemühungen der vereinigten Hoesch-Hoogovens-Kapitalisten hinaus. Das bedeutet einen gewaltigen Schritt vorwärts in der kapitalistischen Rationalisierung der Produktion. Das heißt für uns: immer mehr Tonnen mit immer weniger Kollegen. Unsere holländischen Kollegen und wir sind davon gleichermaßen betroffen. Rationalisierung bedeutet im Kapitalismus immer: Entlassungen für die einen, steigende Arbeitshetze für die anderen. Dagegen haben wir künftig unseren Kampf zu richten und zwar in einer Front mit unseren holländischen Kollegen; denn es geht gegen den gleichen Feind, es geht um die gleichen Ziele."

Nach einer Auslassung im Text heißt es weiter: "
im Kampf gegen Rationalisierungen, und zwar aus zwei Gründen:
- dadurch können wir der steigenden Arbeitshetze entgegenwirken
- die Kapitalisten müssen dadurch mehr Arbeiter einstellen, wenn die Produktion auf gleicher Höhe bleiben soll. Deshalb:

FÜR DEN SIEBENSTUNDENTAG BEI VOLLEM LOHNAUSGLEICH!

Außerdem müssen wir fordern:

SOFORTIGE OFFENLEGUNG SÄMTLICHER RATIONALISIERUNGSPLÄNE!

Noch ein Wort zu der unverschämten Lügenpropaganda des Hoesch-Generalbevollmächtigten Herrn Dr. Vogel in den bürgerlichen Zeitungen:
er versichert uns eifrig, unsere Arbeitsplätze seien nach wie vor gesichert. Was wir von solchen Versprechungen zu halten haben, hat sich doch wieder mal gezeigt:
erstens sind solche Versprechungen für die Kapitalisten nur taktisches Kalkül, mit dem sie uns beschwichtigen wollen;
zweitens ist eine sinnvolle und langfristige Planung von Investitionen und Produktion im Kapitalismus nicht möglich."

Der nächste Artikel berichtet vom NVK bzw. den VA: "
VIETNAMKOMITEE GEGRÜNDET: ÜBER 130 AUSSCHÜSSE
ALLES FÜR DEN SIEG DES KÄMPFENDEN VIETNAM

Unter dieser Losung versammelten sich am 17.Juni in Bonn die Delegierten von über 130 Vietnam-Ausschüssen aus der ganzen Bundesrepublik und Westberlin, um ein Nationales Vietnamkomitee zu konstituieren.

Nachdem in den letzten Wochen der Vorbereitungsausschuß mit der massenhaften Verbreitung der 'Erklärung zur Unterstützung des kämpfenden vietnamesischen Volkes bis zum endgültigen Sieg über die USA-Aggressoren' an die Öffentlichkeit getreten war, bildeten sich in zahlreichen Betrieben, an Universitäten und Schulen, an Krankenhäusern und in vielen proletarischen Stadtteilen Vietnam-Ausschüsse, die durch öffentliche Veranstaltungen, Flugblättern und Versammlungen ihrer Solidarität mit dem vietnamesischen Volk, der Befreiungsfront in Südvietnam und der Demokratischen Republik Vietnam Ausdruck verleihen.

Die 'Erklärung', die Plattform des Vorbereitungsausschusses, die in diesen Tagen auch vor unserem Betrieb verteilt wurde, macht klar, weshalb es darauf ankommt, eine breite Kampagne für den Sieg des vietnamesischen Volkes durchzuführen, alle fortschrittlichen und antiimperialistischen Menschen zu verstärkten Solidarität zu mobilisieren: die erneute Verschärfung des Aggressionskrieges gegen Vietnam durch die USA-Regierung hat nie gekannte Ausmaße erreicht. Die brutale Eskalation des Luft- und Seekrieges ist der verzweifelte Versuch der Imperialisten, einer Niederlage in Vietnam zu entgehen. Das vietnamesische Volk hat bisher alle noch so brutalen Angriffe mit der Waffe des Volkskrieges zurückgeschlagen. Gerade jetzt müssen wir die Befreiungsfront und die DRV in ihrem Kampf unterstützen und den USA-Imperialismus als den Hauptfeind der Menschheit entlarven.

Auch in Dortmund arbeiten bereits einige Vietnam-Ausschüsse. Der Vietnam-Ausschuß Dortmund Stadt verteilte in der letzten Woche an zahlreichen Punkten in der Innenstadt die 'Erklärung' und führte am 19.6. seine erste Veranstaltung in der 'Jakob-Schänke' durch, auf der viele der anwesenden Kollegen und Freunde für die Mitarbeit im Vietnam-Ausschuß gewonnen werden konnten.

Ein weiterer Ausschuß an den Städtischen Krankenanstalten (SK - ÖTV-Bereich, d.Vf.), in dem fortschrittliche Ärzte und Krankenschwestern arbeiten, führte ebenfalls am Montag eine Veranstaltung in der 'Stimmgabel' durch.

Antiimperialistische Studenten und Dortmunder Oberschüler haben sich ebenso in Ausschüssen zusammengeschlossen (vgl. 12.6.1972, d.Vf.).

Unsere Partei unterstützt das Vietnam-Komitee mit allen Kräften. Sie hat ihre Mitglieder augefordert, an den Vietnam-Ausschüssen teilzunehmen und neue zu initiieren. Wir, die Mitglieder der Betriebszelle Hoesch werden alles daransetzen, die Ausschüsse in ihrer Arbeit zu stärken und möglichst viele Kollegen zum Aufbau neuer Ausschüsse in den Betrieben zu bewegen.

'Als Kommunisten werden wir dafür kämpfen, daß in dieser Kampagne die Arbeiterklasse die Führung übernimmt und daß die Bündnisschichten, die Demokraten und Antiimperialisten in dieser Kampagne an den proletarischen Internationalismus herangeführt werden, daß sie erkennen, daß der antiimperialistische Kampf mit dem Kampf für den Sozialismus im eigenen Lande verbunden werden muß.' (ROTE FAHNE Nr. 47, v. 14.6.1972)."

Geworben wird für die Nr. 48 der 'Roten Fahne' (RF - vgl. 21.6.1972).

Zur RAF (vgl. Frankfurt 1.6.1972, Hannover 15.6.1972) heißt es: "
DAS BAADER-MEINHOF-PHANTOM - VORWAND FÜR DIE WEITERE AUFRÜSTUNG DES POLIZEIAPPARATES!

Anfang Juni wurden Andreas Baader, Holger Meins und Jan Carl Raspe von der Polizei festgenommen, am Freitag der letzten Woche Ulrike Meinhof in Hannover verhaftet. Damit ist der Kern der Baader-Meinhof-Gruppe aufgelöst.

Das Fernsehen und die reaktionäre Massenpresse stilisierten diese Nachrichten zu einem Ereignis, das angeblich 'Millionen Menschen in der BRD aufatmen ließ' - als gebe es für die werktätige Bevölkerung unseres Landes keine weiteren Probleme als die sog. Baader-Meinhof-Bande. In 4-seitigen Großberichten, die jedes Detail der Festnahmen in einen Knüller zu verwandeln suchten, ('Wie Baader schrie - und warum alle drei nackt waren' / 'Meins kapituliert in der Unterhose' - so BILD) wurden diese Nachrichten zum Staatsereignis Nr. 1 hochgespielt.

WESHALB DIESE BEWUSST INSZENIERTE HSYSTERIE?

Mit den Erfolgsmeldungen über die Festnahmen von Baader, Meins, Raspe und Meinhof sollen die bundesweiten spektakulären Verfolgungsmaßnahmen gerechtfertigt, die Bevölkerung auf weitere Polizeiaktionen vorbereitet werden. Die Öffentlichkeit soll sich an den Anblick von mit Maschinenpistolen bewaffneten Polizisten, an Straßenkontrollen, Durchsuchungen von PKW's etc. gewöhnen.

Die Bombendrohungen und Anschläge der letzten Wochen haben tatsächlich Verwirrung und Entsetzen unter der Bevölkerung hervorgerufen. Wir Kommunisten verurteilen solche Anschläge wie den Bombenanschlag auf das Springerhaus (vgl. Hamburg - S5f*.1972, d.Vf.), durch den zahlreiche Kollegen verletzt wurden. Wer den Kollegen neben die Maschine oder den Schreibtisch Bomben legt, wer - wie in Stuttgart (vgl. S6.*.1972, d.Vf.) - Bombendrohungen gegen die gesamte Bevölkerung ankündigt, verhöhnt mit dieser Tat offensichtlich das vorgegebene Ziel: die Gesellschaft von Ausbeutung und Unterdrückung zu befreien. Diese Taten haben objektiv den Charakter einer faschistischen Provokation: sie bieten dem Staatsapparat den gewünschten Anlaß, weitere Unterdrückungsmaßnahmen gegenüber der Arbeiterklasse und ihrer revolutionären Vorhut, der Kommunistischen Partei, vorzubereiten.

Angesichts der systematischen Verfälschungen in der offiziellen Berichterstattung über die sog. Baader-Meinhof-Bande bleibt die Frage vorerst offen, wer tatsächlich für die letzten Bombenanschläge und -drohungen verantwortlich ist (Was die Stuttgarter Bombendrohungen betrifft, mußte das Bundeskriminalamt (BKA, d.Vf.) inzwischen seine Behauptung zurücknehmen, daß die 'Rote Armee Fraktion' dafür verantwortlich zeichnet.)

Klar ist auch, daß die 'Rote Armee Fraktion' mit ihrer geheimbündlerischen und putschistischen Theorie und Praxis solchen Verfälschungen Vorschub leistet.

Da ihre Aktionen nicht mehr erkennen lassen, gegen welchen Gegner sie sich eigentlich richten, kann es der Polizei umso leichter gelingen, faschistische Provokationen in Zusammenhang mit dem Baader-Meinhof-Phantom zu stellen: der Übergang dieser Aktionen zur faschistischen Provokation erscheint fließend.

Damit hat die 'Rote-Armee-Fraktion' ihre Isolierung und Kriminalisierung selbst vorbereiten helfen. Wir Kommunisten wissen, daß die Bourgeoisie immer versuchen wird, die revolutionären Kräfte zu kriminalisieren. Wir wissen aber auch, daß das Instrument der Kriminalisierung stumpf wird, wenn die Massen erkennen, daß für ihre Sache gekämpft wird, wenn der Kampf von den Massen getragen wird. Die Verbindung mit den Massen ist deshalb der Garant dafür, daß der Versuch, die revolutionären Kräfte zu kriminalisieren, fehlschlägt.

KAMPF DER ILLEGALISIERUNG SOZIALISTISCHER UND KOMMUNISTISCHER ORGANISATIONEN!
KAMPF DEM ABBAU DER DEMOKRATISCHEN RECHTE DES VOLKES! AUFLÖSUNG DES BUNDESGRENZSCHUTZES (BGS, d.Vf.)! KEINE MILITARISIERUNG DER POLIZEI!

Die SPD-Regierung kann zufrieden sein. Mit Hilfe der 'Jagd auf die Baader-Meinhof-Bande' ist es ihr gelungen, die Schlagkraft der Geheimdienst- und Polizeiapparate zu erhöhen, die Zentralisierung der Polizei voranzutreiben. Bundesweite Fahndungsaktionen, Massenkontrollen von PKW's und Durchkämmen ganzer Viertel sind polizeiliche Übungen, die ohne die Begründung der Suche nach Baader-Meinhof auf wesentlich stärkere Empörung und Widerstand bei der Bevölkerung gestoßen wären. Wir wissen - all dies dient der Vorbereitung auf die Zerschlagung von Kämpfen der Massen, ihr eigentliches Ziel ist nicht die Zerschlagung des Terrorismus von selbsternannten Rotarmisten. Das Etappenziel, das sich die SPD-Regierung setzte im Ausbau des Unterdrückungsapparates ist vorerst erreicht.

Noch vor der Sommerpause des Bundestages will die SPD/FDP-Regierung 4 Gesetze durchbringen, die den Ausbau des staatlichen Unterdrückungsapparates absichern (vgl. 22.6.1972).

Wenn die Polizei vor einigen Tagen 10 Studenten in Bochum mit vorgehaltener Maschinenpistole verhaftet, weil angeblich irgendwelche Beziehungen zur Baader-Meinhof-Gruppe bestehen sollen (vgl. 12.6.1972, d.Vf.), wenn in Köln (vgl. 12.6.1972, d.Vf.) ein Student mit derselben Begründung verhaftet und gezielt nach der KPD und dem Kommunistischen Studentenverband (KSV, d.Vf.) 'befragt' wird, dann zeigt der Staatsapparat mit aller Deutlichkeit, was sich hinter dem Kampf gegen 'Kriminelle' und 'Terroristen' verbirgt: der verschärfte Kampf gegen kommunistische Organisationen, der beständige Abbau der demokratischen Rechte des Volkes, immer offenere Angriffe auf alle fortschrittlichen Menschen, Demokraten und Kommunisten."
Q: Kommunistische Arbeiterpresse Hoesch Westfalenhütte Nr. 14, Dortmund 22.6.1972

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