Kommunistische Jugendpresse Hoesch - Betriebszeitung der Jugendzelle des KJV, Jg. 1, Nr. 4, Juni 1973

18.06.1973:
Bei Hoesch Westfalenhütte Dortmund gibt die Jugendzelle des KJV der KPD in dieser Woche die Nr.4 ihrer 'Kommunistischen Jugendpresse' (KJP - vgl. 11.5.1973, 22.9.1975) für Juni mit 8 Seiten DIN A 4 in mehrfarbigem Spiritcarbondruck heraus. Der Leitartikel "Weg mit Kiel und Konsorten" bereitet auf den Arbeitsgerichtsprozeß (vgl. 27.6.1973) von Rolf Strojec, gegen dessen Entlassung (vgl. 8.5.1973, 25.5.1973) vor:"
Seit diesem Tag konnten weder reaktionäre Ausbildungsleiter noch Kiel und Konsorten verhindern, daß die Lehrlinge dagegen den Kampf aufnehmen.

Daß von dieser Jugendvertretung nur die offene Unterstützung des Hoesch-Vorstandes zu erwarten war, zeigten schon die ersten Tage. Von der Sabotage der Unterschriftensammlung bis zum Ausspruch: 'Politisch bin ich mit der Entlassung einverstanden', 'ich unterstütze Dich nicht, weil ich nicht daran denke Dich als Märtyrer hochzustilisieren' machten Kiel und seine Kumpanen Front gegen die Kollegen. Die Jugendversammlung haben sie dann so spät wie nur irgend möglich angesetzt. Zu einem Zeitpunkt, als schon viele Kollegen nach all den Verrätereien und Abwiegelungsmanövern nicht mehr richtig sahen, wie die Forderung 'Sofortige Wiedereinstellung von Rolf Strojec' noch durchgesetzt werden kann. Daß auf der letzten Jugendversammlung kein Wort mehr zu den Praktiken der Hoesch-Kapitalisten fiel, die jene Kollegen mundtot machen wollen und feuern, die sich für die Interessen der Kollegen einsetzen, das war dem Plan der Jugendvertretung zu danken. Sie spaltete die Lehrlinge und schüchterte sie ein, wo es nur ging. So hatten sie dann auch ein leichtes Spiel den 'Fall Strojec' erst gar nicht auf die Tagesordnung zu setzen. Mit den spalterischen Jugendversammlungen muß daher Schluß sein - Für einheitliche Jugendversammlungen.

Die Zeit bis zum 27.Juni müssen wir nutzen, um die Solidaritätsfront mit Rolf Strojec weiter zu stärken. Im Gerichtssaal muß klargestellt werden, wer auf die Anklagebank gehört: die Hoesch-Kapitalisten, die die Kollegen zur mörderischen Arbeitshetze antreiben, um das Letzte aus ihnen herauszuholen. Der Mord am Praktikanten Holtkamp (vgl. **.**.197*,d.Vf.) war kein Zufall. Kiel, Klages und Co. müssen wir aber auch das Handwerk legen. Denn der politischen Entlassung wollen sie jetzt den Gewerkschaftsausschluß von Rolf folgen lassen. Den Unvereinbarkeitsbeschluß (UVB, d.Vf.) des Beirats des IGM-Vorstandes im Rücken soll Rolf ausgeschlossen werden, weil er auch an diesem 1.Mai nichts anderes tat, als für die Forderungen der Lehrlinge zu kämpfen" (vgl. 1.5.1973).

Berichtet wird auch von Rudi Wischnewski bei Opel Bochum (IGM-Bereich - vgl. 22.5.1973), abgedruckt die Mairesolution der Jugendvertrauensleute und Jugendvertreter der Westfalenhütte (vgl. 12.4.1973).

In "Hände weg von der KPD!" wird berichtet von Protesten gegen Demonstrationsverbote und Razzien in den KPD-Büros an ungenanntem Ort (vgl. 15.5.1973), in Hamburg (vgl. 17.5.1973), in NRW in Köln (vgl. 13.6.1973), bundesweit (vgl. 4.6.1973) und in Hessen in Marburg (vgl. 11.6.1973) sowie von dem Widerhall in der 'Westfälischen Rundschau' (vgl. 2.6.1973). Ein Komitee 'Hände weg von der KPD' gibt es mittlerweile auch in Dortmund, ebenso wie in den Niederlanden und in Paris in Frankreich. Aufgerufen wird zur bundesweiten Demonstration (vgl. 23.6.1973).
In diesem Zusammenhang wird ausgeführt:"
Das zeigt: es gelingt den Kapitalisten und ihrer SPD/FDP-Regierung nicht, uns mundtot zu machen und uns von den Volksmassen zu isolieren. Die Solidarität mit der KPD, ihren Massenorganisationen und der Liga gegen den Imperialismus (LgdI, d.Vf.) wächst täglich an, denn die Bevölkerung sieht: Wir sind keine kriminellen Terroristen, denn wir prangern immer wieder und in aller Öffentlichkeit die Ausbeutung in den Betrieben und im Wohnviertel, die politischen Entlassungen, die Korruption im Staatsapparat an. Deshalb will man die KPD und den KJV verbieten, verbietet man unsere Demonstrationen, damit der Kampf gegen die Verschlechterung der Lebenslage, gegen die Arbeitshetze im Betrieb und politische Unterdrückung und gegen dieses ganze kapitalistische System zum Schweigen gebracht wird. Doch: Solidarität ist die beste Waffe!

Noch sitzen Christian Semler und Uli Kranzusch widerrechtlich in Haft. Jürgen Horlemann mußte der Untersuchungsrichter wieder freilassen, nachdem der Haftgrund 'Fluchtgefahr' immer haltloser wurde. Doch die Anklage der 'Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung' bleibt weiterhin bestehen. Nachdem die Staatsanwaltschaft dies der KPD nicht nachweisen konnte - sie ist und bleibt nun mal eine Partei -, verfiel die Staatsanwaltschaft auf einen neuen Trick: Jürgen Horlemann ist im Zentralvorstand der Liga (LgdI, d.Vf.) und die Liga sei eine kriminelle Organisation. Man stelle sich dies vor: Eine Organisation mit über 5 000 Mitgliedern ist kriminell. Als die Staatsanwaltschaft diesen Widerspruch bemerkte, sagten sie einfach, 'dann ist eben der Zentralvorstand der LIGA kriminell'. Als die Arbeit der LIGA ausführlich dargestellt wurde und gezeigt wurde, daß der demokratisch gewählte Zentralvorstand nichts von den Mitgliedermassen getrenntes ist, brach das Lügengebäude zusammen."

Zum Komitee 'Hände weg von der KPD' heißt es, es "hat sich zum Ziel gesetzt, in der nächsten Zeit über 100 000 Unterschriften unter seine Erklärung zu sammeln.

Die Betriebszelle des KJV bei Hoesch wird die Aktivitäten des Komitees unterstützen, Unterschriften sammeln und die Kollegen zu den Veranstaltungen einladen."

In einer Lehrlingskorrespondenz heißt es:"
Es gibt augenblicklich folgende Anträge der Jugendvertretung Hoesch / Westfalenhütte:
1) ARBEITSKLEIDUNG
Dieser Antrag fordert für Auszubildende im 1. Jahr kostenlos zwei Arbeitsanzüge und in den darauf folgenden Jahren je einen Arbeitsanzug. - Es wird noch verhandelt.

2) FAHRGELDRÜCKERSTATTUNG
Dieser Antrag fordert für Auszubildende, die mit dem Auto zur Arbeit kommen, einen monatlichen Pauschalbetrag von 30 DM. Für Auszubildende, die mit einem Moped oder Mofa kommen, 15 DM. Und für Ausbildende, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommen, eine 100%ige Fahrgeldrückerstattung. - Es wird noch verhandelt.

3) ARBEITSZEITVERÄNDERUNG
Es wurde die Forderung aufgestellt, daß die Arbeitszeit von 7 Uhr bis 15 Uhr 15 auf 6 Uhr 30 bis 14 Uhr 45 verlegt wird, da Kollegen aus Lünen und Selm morgens eine LEERLAUFZEIT von ca. einer Stunde haben. Diese Regelung kann nur zusammen mit Phönix gemacht werden - das wurde von der Betriebsleitung gesagt. Deshalb wurde auf der letzten Jugendversammlung von Phönix darüber abgestimmt. Die Mehrheit war für eine Vorverlegung.
Alle erforderlichen Schritte sind eingeleitet!

4) PRÄMIENERHÖHUNG
Ein anderer Antrag fordert den Ausgleich der Ausbildungsvergütung zwischen Eisenverarbeitender und Eisenschaffender Industrie. Das heißt: Betriebliche Lohnerhöhung von 10 DM. Dieser Antrag wird höchstwahrscheinlich bis zum August durchkommen, genauso wie die Forderung nach der Erhöhung der 'Festprämie', die augenblicklich 20 DM beträgt. Wenn die 'Festprämie' erhöht wird, wird sich höchstwahrscheinlich die Prämie, die sich nach den Werkschulnoten und sonstigen Leistungen richtet, senken. Dies ist aber nicht weiter schlimm, da höchstens 50% der Lehrwerkstatt diese Prämie bekommt und sie liegt zwischen 2 und 25 bis 30 DM.

Mehr ist mir im Augenblick nicht bekannt, da ich noch nicht sehr lange in der Lehrwerkstatt bin."

Im Kommentar des KJV dazu heißt es:"
Den folgenden Bericht gab uns ein Kollege. Er zeigt anschaulich, welche Probleme in der Jugendvertretung besprochen und gefordert werden. Doch jeder muß sich fragen, was denn zur Durchsetzung der Forderungen getan wird. Was hat Kiel als Vorsitzender getan, um die Forderungen durchzusetzen? Fest steht, daß viel geredet wurde! Und daß die meisten Forderungen alt sind! Kiel berichtet davon bei jeder Gelegenheit, um den Eindruck zu erwecken, es würde etwas getan. Wenn man sich das Programm ansieht, das vor der Jugendvertreterwahl (JVW,d.Vf.) aufgestellt wurde, zeigt sich, daß bis jetzt nichts passiert ist.

Die Ursache ist klar. Kiel und seine Getreuen reden zwar viel, tun aber nichts, um die Lehrlinge zusammenzuschließen und zur Durchsetzung der Forderungen zu mobilisieren. Denn von selbst verwirklichen sich diese Forderungen natürlich nicht. Kiel und Klages gingen ja so weit, daß sie die Forderung der Lehrlinge nach Wiedereinstellung von Rolf Strojec und den Kampf dafür offen sabotierten. Sie haben sich über die vielen Unterschriften der Lehrlinge hinweggesetzt, das heißt die Meinung derjenigen mißachtet, deren Interessen sie vertreten sollen. Eine solche Jugendvertretung brauchen wir nicht, sie schadet uns. Wir brauchen entschlossene Jugendvertreter!
Deshalb:
WEG MIT KIEL!
Neuwahl der Jugendvertretung!

Die Forderungen, von denen der Kollege berichtet, sind wichtige Forderungen für uns Lehrlinge. Wenn der Kollege schreibt: 'Es wird noch verhandelt', so heißt das genauer, daß seit Monaten verhandelt wird.

Zu der Forderung mit der Erhöhung der 'Festprämie' ist zu sagen, daß natürlich jeder Kollege es begrüßen wird, wenn die Ausbildungsvergütung aufgestockt wird. Auch daß die 'Leistungsprämie' damit gesenkt wird, wird jeder Kollege insofern begrüßen, als damit ein Spaltungs- und Disziplinierungsinstrument der Hoesch-Kapitalisten etwas an Wirksamkeit verliert. Aber machen wir uns keine Illusionen, nach wie vor besteht das Prämiensystem. Und der Gesamtbetrag, den wir ausbezahlt bekommen, ist und bleibt ein Hohn. Die richtige Forderung ist die nach 600 DM Existenzlohn!

Den Kampf dafür zu organisieren, ist die Aufgabe einer fortschrittlichen Jugendvertretung. Das ganze Prämiensystem als Almosen und als Spaltungssystem sollen sich die Hoesch-Kapitalisten dann an den Hut stecken.!!!!!!"

Diese Forderung wird auch noch in einem Artikel über Preiserhöhungen aufgestellt, wo es u.a., unter Bezug auch auf die Vertrauensleute Vollkonferenz (vgl. 25.4.1973) heißt:"
DIE LEHRLINGE SIND GENAUSO BETROFFEN!

Unsere Ausbildungsvergütung ist ein Hohn. Das einer im dritten Lehrjahr mehr als im ersten Lehrjahr bekommt, ist Blödsinn! Denn ob die Kartoffeln von einem im ersten oder einem im dritten Lehrjahr gegessen werden - sie sind in beiden Fällen zu teuer.

Das Prämiensystem ist letztlich ein doppelter Beschiß. Es macht den Bock auch nicht fett. Und die Ausbildungsleitung will uns, da sie darauf angewiesen ist, gegeneinander ausspielen. An allen Ecken und Ende wird die Kontrolle verschärft, sollen auch die Lehrlinge mehr ausgebeutet werden. So werden z.B. die HÜFAS (Hüttenfacharbeiter, d.Vf.), die auf Rundgang durch die Außenbetriebe sind, zukünftig extra immer kontrolliert werden.

DIE ANTWORT !!

Die Antwort auf verschärfte Antreiberei, auf den Beschiß durch das Prämiensystem und darauf, daß man mit der Ausbildungsvergütung nicht mehr existieren kann, heißt:
600 DM EXISTENZLOHN FÜR LEHRLINGE!

Wollen wir unseren Eltern nicht ewig auf der Tasche liegen, müssen wir für diese Forderung kämpfen. Auch wenn man uns Lehrlingen droht, wir dürften nicht streiken, müssen wir, wenn nötig, das Streikrecht gleich mit erkämpfen. Jedenfalls geht es nicht an, wie die Jugendvertreter Kiel und Konsorten nur von Forderungen zu reden und die Hände in den Schoß zu legen."
Q: Kommunistische Jugendpresse - Hoesch Nr. 4, Dortmund Juni 1973

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