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April 1973:
Der KOV der KPD gibt einen Sonderdruck seines 'Schulkampf' (vgl. 11.3.1973, Juni 1973) zum 1.Mai heraus, in dem zum Besuch der Maidemonstrationen der KPD in Berlin, Hamburg, Dortmund, Frankfurt, Stuttgart und Nürnberg sowie der Maiveranstaltungen des KOV in Berlin (vgl. 29.4.1973) und Dortmund (vgl. 29.4.1973) aufgerufen wird. Kontaktadressen werden angegeben für Dortmund und Berlin. Berichtet wird u.a. aus Hamburg vom VA am Elise Averdieck Gymnasium, aus Helmstedt von der Ortsgruppe der LgdI und den Kommunistischen Oberschülern (KO) Helmstedt, die am Julianum tätig sind.
Am Düsseldorfer Lessinggymnasium führten der VA und die KOV Zelle eine Afrika Schülerrunde durch.
Am Gymnasium Wiesloch ist die Unabhängige Sozialistische Schülergruppe (USSG), eine Sympathisantenorganisation des KOV, tätig.
Aus Dortmund wird berichtet:"
WERKSBESICHTIGUNG BEI HOESCH
Vor einiger Zeit eröffnete uns unser Klassenlehrer, daß wir zu einer Werksbesichtigung bei Hoesch eingeladen wären. Wir würden bis zum Nachmittag dort bleiben und hätten auch Gelegenheit, mit Vertretern der Werksleitung und des Betriebsrats zu sprechen. In der Stunde vor der Fahrt erinnerte uns der Lehrer daran, daß wir Gäste seien und uns dementsprechend zu verhalten hätten. Angriffe gegen die Betriebsleitung würde er nicht dulden. Dieser 'gutgemeinte Ratschlag' richtete sich besonders an unser Klassenkollektiv. Im Werk bekamen wir als erstes einen Farbfilm zu sehen, in dem das Werk vorgestellt wurde. Der Produktionsablauf wurde mit viel Schemata dargestellt, mit den technischen Errungenschaften des Werkes, schnelleren Maschinen etc., die für die Kapitalisten noch mehr Profit bringen und für die Kollegen eine ständig steigende Arbeitshetze bedeuten, wurde geprotzt. Anschließend wurden wir in eine Halle geführt, in der das flüssige Eisen in Formen gegossen wird. Es herrschte eine solche Hitze, daß wir, obwohl 5 Meter davon entfernt, das Gesicht abwenden mußten. Die Kollegen arbeiteten zum Teil in einer Entfernung von 1 - 2 m. vom flüssigen Eisen. Bekanntlich sprüht Eisen, wenn es umgefüllt wird, die Kollegen mußten teilweise durch den heißen Sprühregen gehen. Sie hatten zwar Helme mit Schutzbrillen auf, die Schutzbrillen hatten sie aber hochgeklappt, um besser sehen zu können. Außerdem flog überall in der Luft Sinter-Staub (Eisenstaub) herum, den man natürlich einatmet und der bei den Kollegen langfristig Lungenschäden hinterläßt. Da wo nicht regelmäßig gefegt wird, liegt der Staub bis zu 10 cm hoch auf den Balken, Geländern usw. Während des ganzen Rundganges bekamen wir nicht die Möglichkeit, uns mit den Kollegen zu unterhalten, wodurch von vornherein vermieden werden sollte, daß die Kollegen über Arbeit und Arbeitsplatz offen ihre Meinung sagen, was dem Ansehen des Betriebes, der uns ja als potentielle Führungskräfte betrachtet, schaden könnte. Wir wurden noch in das Kaltwalzwerk geführt, wo es zeitweilig so laut war, daß man sich nur durch Schreien aus nächster Nähe verstehen konnte. Dann fing die Diskussion an, als erstes stellte sich heraus, daß keiner vom Betriebsrat anwesend war. Außer drei Technikern war nur noch ein Angestellter aus der Personalabteilung da. Ein Mitschüler fragte, warum denn bei Hoesch soviel gestreikt würde, worauf der Mann aus der Personalabteilung antwortete, daß die Hoesch-Kollegen besonders hoch bezahlt würden und es ihnen bei ihrem Streik um die Erhaltung ihrer Privilegien gegangen wäre. Welch ein Hohn, wenn man weiß, daß der durchschnittliche Lohn der Hoesch-Arbeiter vor dem letzten Streik ohne Überstunden netto ca. 900 DM betrug (Lebenshaltungskostenindex für eine vierköpfige Familie beträgt nach bürgerlichen Statistiken 1 232 DM im Monat), d.h. daß die Arbeiter ständig zu Überstunden gezwungen waren und daß der Streik anfänglich gerade von den Kollegen der unteren Lohngruppe wurde. Für die Facharbeiter hätte die Durchsetzung der geforderten 14 Pf. nur eine Lohnerhöhung von 1 - 2 Pf. mehr als ursprünglich vorgesehen gebracht. Als der Mitschüler weiter fragte, warum denn streikende Kollegen entlassen werden sollten, meinte der eifrige Kapitalistenvertreter, daß es sich um einen 'wilden Streik' gehandelt habe und wir doch in einer Demokratie leben würden, in der sich auch die Arbeiter an gewisse Spielregeln halten müßten. Ein Mitschüler aus dem KK stellte dann fest, daß sich doch mehr als 50% für Streik entschieden hätten und es nicht demokratisch sei, wenn erst bei einer Entscheidung von 75% der gewerkschaftlich organisierten Kollegen für Streiks legal seien. Als ein Mitglied des KK nach Berufskrankheiten, Unfällen usw. fragte, bekam er außer einigen Phrasen (Werksärzte etc.) auch einige konkrete Zahlen zu hören;
1970: kein tödlicher Unfall
1972: 2 tödliche Unfälle, außerdem passieren monatlich durchschnittlich 8 Unfälle pro tausend Arbeiter.
Von Berufskrankheiten, die sich erst nach einem Jahr oder später bemerkbar machen, sprach er erst gar nicht. Als ein weiteres Mitglied des KK dann sagte, daß es doch Ironie sei, von einem 'sicheren Arbeitsplatz' zu sprechen (so in einem Werbeprospekt), wenn jeder, der sich konsequent für die Interessen der Kollegen einsetzt, entlassen wird, kam eine bezeichnende Äußerung des Herrn von der Personalabteilung, er sagte, daß wir ja später in gehobene Positionen kämen und dann auch einsehen würden, wie wichtig der Betriebsfrieden sei und daß man 'Elemente', die diesen stören, entfernen muß. Was dieses letztenendes bedeutet, ist klar: wir sollen zu willigen Handlangern der Bourgeoisie erzogen werden. Schon heute versucht man, uns durch Privilegien unsere späteren Handlangerdienste schmackhaft zu machen. Ihnen die Suppe zu versalzen, unsere Mitschüler für den gemeinsamen Kampf mit der Arbeiterklasse zu gewinnen, dafür wird unser Klassenkollektiv gerade jetzt vor dem 1.Mai verstärkt kämpfen."
Es erscheint auch ein Text von Erich Weinert: Der Herr Direktor trifft einen Angestellten.
Quelle: Schulkampf Sdr.druck,Dortmund Apr. 1973
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