Juni 1971:
Die Nr. 6 des 'Roten Morgens' (RM) der KPD/ML-ZK (vgl. Mai 1971, Juli 1971) enthält verspätete Maiberichte, Streikberichte (vgl. 17.5.1971), einen Artikel über Ungarn und einen Bericht über den Prozeß gegen die 27 Croupiers der Spielbank Bad Neuenahr in Rheinland-Pfalz wegen deren Streik 1967.
Spenden gingen ein u.a.:
- aus Baden-Württemberg von der Ortsgruppe Karlsruhe sowie den Roten Betriebsgruppen, den Roten Stadtteilgruppen und der Ortsgruppe Freiburg,
- vom Landesverband Berlin,
- von der Zelle "Edgar Andree" Hamburg,
- aus NRW von der Ortsgruppe Dortmund.
Aus Baden-Württemberg wird berichtet aus dem DruPa-Bereich von Burda Offenburg (vgl. Mai 1971).
Im Artikel "Die Taktik der Bourgeoisie in der heutigen Phase der Klassenkämpfe gegenüber der KPD/ML. Senator Neubauer als Bombenleger" wird ausgeführt:"
Ist, oder besser war unsere Partei, die KPD/Marxisten-Leninisten vor dem Eindringen von Agenten gefeit? Offensichtlich nicht. Vor allem in der Anfangsphase des Parteiaufbaus im Jahre 1969 war es Agenten und unsicheren Elementen noch verhältnismäßig leicht, in die Partei einzudringen, da die bolschewistischen Kaderkriterien nicht oder nur ungenügend angewandt wurden … erst im Kampf vor allem gegen den rechtsopportunistischen Kurs des Leitungsgenossen W. D., der die massenhafte Anwerbung von Mitgliedern und die Aufhebung der Kandidatenzeit zum Prinzip erheben wollte, gelang es, Linie und Ausrichtung der Partei im bolschewistischen Sinne voranzutreiben und zu festigen. Damit aber waren noch nicht die Fehler des Gründungsopportunismus beseitigt, sie wirkten sich aus. Ein typisches Beispiel für die Einschleusung eines Agenten in die Partei war der Fall Erhard Dressel in Hamburg. Dressel, vor Jahren zu einer Freiheitsstrafe für Agententätigkeit im Auftrag des Staatssicherheitsdienstes der DDR in der Bundesrepublik verurteilt, arbeitete während der Zeit der 2. Juni-Bewegung - wie er später zugab - innerhalb des SDS als Spitzel des Stasi. Zirka 5 Monate nach Parteigründung machte er sich an die KPD/ML heran. Dadurch, daß er seine Vergangenheit nicht verschwieg (außer seiner Agententätigkeit im SDS), politisch im Marxismus-Leninsmus versiert war und sich eindeutig und offen vom Revisionismus der DKP distanzierte, schlich er sich in das Vertrauen der Genossen ein. Schon bald übertrug man ihm die Leitung eines Kollektivs der Roten Garde. Damit hatte man den Bock zum Gärtner gemacht. Dressel begann mit seiner Zersetzungstätigkeit. … Schon bald kümmerte er sich nicht mehr um Anweisungen und Richtlinien der Partei, sondern begann völlig selbständig zu handeln und verschwand unabgemeldet für Wochen. … Als die Partei ihn zur Verantwortung zog, legte er eine Bilderbuch-Selbstkritik ab, stimmte seiner Rückversetzung in den Kandidatenstand zu, nur um in der Partei bleiben zu können. Das nützte ihm jedoch nichts. Er wurde kurz darauf aus der Roten Garde wie aus der Partei ausgeschlossen. Immerhin hatte seine kurze Tätigkeit der RG Hamburg schweren Schaden zugefügt. Heute ist Dressel Mitglied der DKP. … Nicht alle Agenten in der Partei entlarven sich so schnell wie Dressel, wie der Fall Hugo Lanz in Müchen anschaulich beweist. Auch die Aufnahme von Lanz in die Partei erfolgte im Zuge des Gründungsopportunismus recht sorglos, obwohl es auf Grund der Rolle die Lanz vor Gründung der OG München im Kreise der Linken spielte, Anlaß zu Bedenken hätte geben müssen. Inwieweit Lanz als Agent eingeschleust wurde …, oder ob er sich erst im Zuge seiner Entlarvung vom objektiven zum subjektiven Agenten entwickelte, ist noch nicht restlos geklärt. Auf Antrag des Parteikomitees München (Ortsgruppe) der KPD/ML wurde Hugo Lanz am 16.2.1971 von der Mitgliederversammlung aus der Partei ausgeschlossen. Als Gründe für den Ausschluß wurden genannt Unterschlagung von Parteigeldern, individualistische und fraktionistische Tätigkeit. Die Überprüfung dieser Vorwürfe durch Genossen der Zentrale ergab, daß die Vorwürfe der Münchener OG in allen Punkten gerechtfertigt sind. Hugo Lanz, der anfangs für die Herausgabe der Broschürenreihe 'Aus der marxistisch-leninistischen Weltbewegung' verantwortlich war, beging schwere Verstöße gegen die Prinzipien des demokratischen Zentralismus, indem er sich bei der Auswahl der Artikel nicht von der politischen Linie der Partei, sondern von seinem eigenen Profitinteresse leiten ließ und eine Kontrolle durch die zuständigen Parteiorgane umging. Auch der (bürokratische) Versuch der OG München, ihn durch die Einrichtung einer zentralen Redaktion besser zu kontrollieren, umging er und stellte sein Treiben, ihm genehme Broschüren, von denen er sich großen Umsatz versprach, unter dem Namen der Partei erscheinen zu lassen, nicht ein. Als Beauftragter für den Literaturvertrieb mißachtete oder sabotierte er alle zentralen Beschlüsse und baute in Konkurrenz zum Zentralen Literaturvertrieb der Partei ein 'eigenes Unternehmen' auf Bundesebene auf. Das eingenommene Geld wirtschaftete Lanz durch Kontenmanipulation in die eigene Tasche. Fest steht, daß Lanz eine Summe von mindestens 8 362, 56 DM Parteigelder unterschlagen hat. Wahrscheinlich aber handelt es sich um die doppelte Summe, da Lanz zahlreiche Belege und Unterlagen vernichtete und kaum Buch führte. … Seinen Unterschlagungen versucht er jetzt ein ideologisches Mäntelchen umzuhängen, um sich in andere Gruppen wie die der Roten Fahne Tübingen (KAB/ML, d.Vf.) einzuschleichen. … Hugo Lanz hat 7 (sieben) Genossen, die nach Vereinbarung Parteimaterialien bei ihm abholen sollten, in eine Falle gelockt und wegen Raub und Erpressung angezeigt. Als 'Beweismaterial' lieferte er der Polizei sein ganzes Wissen über die Organisationsstruktur der Partei, über personelle Verhältnisse, lieferte er politische Unterlagen zur 'Überprüfung von Fingerabdrücken'. In Presseerklärungen nennt er die KPD/ML eine 'kriminelle Vereinigung von Politgangstern'. Dieser Schritt ist ungeheuerlich. Um seine Frechheit auf die Spitze zu treiben, versucht er jetzt die Partei zu erpressen. Wie der Agent Dressel, versucht auch Lanz in der Partei zu bleiben bzw. wieder hineinzukommen. … Hier wird mit aller Deutlichkeit klar, daß es sich bei Lanz nicht um einen kleinen Fisch handelt, der sich am Parteieigentum bereichert, weil er keine Lust zum Arbeiten hatte, sondern um einen Agentprovokateur übelster Sorte. … Die neuen Maßnahmen der Bourgeoisie gegen die Kommunistische Partei sind eben diese: Man will uns zu Kriminellen abstempeln, uns durch die Verbreitung von Lügenmärchen vor dem Proletariat unglaubwürdig machen. … Wir stehen heute am Anfang eines Kampfes, in dessen Verlauf der Klassenfeind zu immer schwereren Waffen greifen wird.
Kommunisten als die Vorhut des Proletariats müssen die zukünftige Entwicklung einschätzen könne, sich schon jetzt entsprechend darauf vorbereiten. Die Bolschewisierung der Partei, der konsequente ideologische Kampf, die strikte Einhaltung der Prinzipien des demokratischen Zentralismus - das sind unsere schärfsten Waffen im Kampf gegen das schwerste Geschütz der Bourgeoisie: Die bürgerlichen Agenten, die die KP von innen her zersetzen und zerstören sollen. … Jeden Schlag den die Bourgeoisie gegen uns führt, müssen wir umkehren und als Waffe gegen sie selbst benutzen. Jeder Schlag der Bourgeoisie, wenn wir ihn richtig beantworten, hilft uns, den Massen zu zeigen, wozu der Klassfeind fähig ist, wie verrottet und morsch er ist."
Von der Redaktionssitzung für diese Nummer berichtet der Landespresseverantwortliche NRW (vgl. Mai 1971, Juli 1971):"
SENATOR NEUBAUER ALS BOMBENLEGER. Endfassung von E nach Redaktionsschluß. Der erste Teil (mit Ausnahme Bayern) war der Redaktion vorgelesen und gebilligt worden. Über den 2. Teil entspann sich eine heftige Auseinandersetzung um die Beurteilung der Person HL.
Ksch (By) plädierte ganz entschieden für die Theorie vom subjektiven Agenten, während W (SW), D und H (NdS) das genau ausgewiesen haben wollten.
Ich verhielt mich passiv, wollte Einzelheiten wissen, konnte mir jedoch kein genaues Bild machen. Insbesondere wollten wir wissen, was das Untersuchungsergebnis der ZK-Kommission sei. Wir erfuhren, daß Y (Wk) im Auftrag des ZK in München war und den Eindruck, daß es sich um einen Agenten handelte, bestätigt habe. Der Verdacht wurde ausgesprochen, daß evtl. noch ein zweiter Agent in der OG München sitzt.
Die Auseinandersetzung ging darum, ob bestimmte Streitigkeiten auf ideologische Ursachen zurückführbar seien oder auf das systematische Ausspielen persönlicher Widersprüche. Diese Frage wurde bis Redaktionsschluß nicht befriedigend geklärt.
BONZEN, BURDA UND BANDITEN. Von W (SW) vorgelegt. Ihn auf die Titelseite zu
setzen, war eine Verlegenheitslösung, von E vorgenommen.
STREIK IN DEN CONTI-WERKEN HANNOVER. Bericht von H (NdS), von mir
systematisiert.
HOMBERG: VERRATEN UND VERKAUFT. Von der OG Duisburg.
KLASSENJUSTIZ FÜR KAPITALISTEN UND DGB-BONZEN. Von E.
RENAULT: RENAULT-ARBEITER BESETZEN HAUPTWERK. Von mir aus 'Humanite rouge' übersetzt und durch Einzelheiten aus ZÜNDKERZE ergänzt. Nach Redaktionsschluß fertiggestellt.
'ZUR WÄHRUNGSKRISE'. In der Redaktion war heftige Kritik an dem Artikel in 5/71 geübt worden, die sowohl seine Sprache als auch seinen Inhalt betraf. Insbesondere wurde hier erstmals die 2-Wege-Theorie scharf angegriffen ('SPD gleich soziale Hauptstütze' und 'SPD günstiger für das Proletariat'), wobei sich insbesondere H (NdS): 'revisionistischer Schreiberling' hervorhob. Der Vorwurf, nicht arbeitergemäß genug zu schreiben, wurde von Ksch auch auf den Pakistan-Beitrag ausgedehnt, jedoch wurde hier eingewandt, daß die Materie eine einfachere Sprache nicht zugelassen habe (E). Die Selbstkritik in 6/71 spart die ideologischen Differenzen aus und beschränkt sich auf den Arbeitsstil, was erneut Anlaß zu heftiger Kritik wurde.
GÖTTINGEN: KAMPF GEGEN UNSOZIALE FAHRPREISE. Bericht aus Göttingen, von mir überarbeitet.
UNGARN: AUSBEUTUNGSMETHODEN DER BOURGEOISIE: Nach Vorlage eines ungarischen Genossen von mir in klares Deutsch gebracht und durch Zitate aus FAZ sowie gewisse historische Details ergänzt (z.B. Nennung von Bela Kun). Der Beitrag lag der Redaktion vor und wurde heftig diskutiert. So wurde gegen ihn eingewandt, daß sich ein staatsmonopolistischer Kapitalismus niemals in einen Konkurrenzkapitalismus zurückentwickeln könne. Die Fakten jedoch sprachen für sich. Die Einwände kamen von H (NdS) und W (SW). Die Frage wurde nicht gelöst, der Artikel aber mit Mehrheit verabschiedet.
KLASSENKAMPF UND FRIEDLICHE KOEXISTENZ. Von D schon seit langem der Redaktion vorgelegt. Die Einschätzung Chiles war zunächst kontrovers, ob Allende fortschrittlich sei oder nicht.
Ich war der Ansicht, er sei es, da als Vertreter der nationalen Bourgeoisie gegen den US-Imperialismus gerichtet.
ZIONISMUS UND SOZIALIMPERIALISMUS. In Auftrag gegeben schon einige Sitzungen zuvor an H (NdS), um zu dem Gedicht etwas mehr zu schreiben. Ein zweiter Teil wurde von der Redaktion wegen Geschwätzigkeit abgelehnt. Auch der vorliegende Beitrag wurde erheblich gekürzt.
SOWJETISCHE WAFFEN ZUR UNTERDRÜCKUNG DER VÖLKER. Von E der Redaktion vorgelegt und mehrheitlich verabschiedet. Dieser Artikel wich von der chinesischen Einschätzung ab, ich unterstützte ihn dennoch, da ich Einwände dagegen für unausgewiesen hielt.
Einen Großteil dieser Sitzung machte die Diskussion um die 1. Mai-Berichterstattung aus. Hierzu lagen Kritiken aus Mannheim, Gießen, Marburg vor. Ihre Diskussion scheiterte an genügend Exemplaren. W (SW) sandte jedem Redakteur Abzüge zu, so daß sie bei der nächsten Sitzung eingehend besprochen werden könnten."
Verkauft werden soll dieser RM u.a. in:
- Bayern vor Betrieben in Augsburg (vgl. Juni 1971) und München (vgl. Juni 1971).
Q: KPD/ML-ZK-LPV NRW: Bericht des LPV NRW (K) und RM-Redkoll-Mitglied über seine Tätigkeit im RM-Redkoll von Dezember 1970 bis November 1971, o.O. o.J., S. 6f; Roter Morgen Nr. 6, Hamburg Juni 1971;KPD/ML-ZK-OG-München: Der Rote Morgen: Die Stimme der Arbeiterklasse, München o.J. (Juni 1971), S. 2;Der Druckerei Arbeiter Nr. 4, München Sept. 1971, S. 9f;KPD/ML-ZK Augsburg: Kommunismus?, Augsburg o.J. (Juni 1971), S. 1f