27.03.1972:
Der 'Rote Morgen' der KPD/ML-ZK Nr. 7 (vgl. 13.3.1972, 10.4.1972) berichtet u.a. über die Aktionen gegen die Erschießung Thomas Weisbeckers (vgl. 2.3.1972) in Augsburg bzw. den staatlichen Terror. Während in Berlin (vgl. 3.3.1972), und in Bayern in Augsburg (vgl. 7.3.1972) und München (vgl. 8.3.1972) Demonstrationen stattfanden, verteilte die RG Kitzingen ein Flugblatt dazu bei dem Metallbetrieb Fehrer und für Schüler. In Augsburg wurde ein Flugblatt beschlagnahmt.
Auf der Titelseite heißt es martialisch: 'Die Polizei schlägt, würgt, tötet - Stoppt den Terror der staatlich lizensierten Killer!' und 'Zivilpolizei übt für den Bürgerkrieg - Ziehen - Zielen - Schiessen'. Im Leitartikel wird u.a. kurz über mehrere Einsätze der Polizei mit (tödlichem) Schusswaffengebrauch im März 1972 berichtet: Geschossen wurde auf Thomas Weisbecker (2.3.), Manfred Grashof (3.3.), auf ein höllandisches Auto auf der Autobahn Hamburg-Bremen (8.3.) und den Griechen Savas Nikolau (11.3.). Über Richard Epple heißt es:"
Am 1.3.: Um 20 Uhr 43 nimmt der Automechaniker Richard Epple (18) einem Streifenwagen der Tübinger Verkehrspolizei angeblich die Vorfahrt. Die Polizei gibt ein Zeichen. Richard Epple denkt jetzt wohl verdammt, keinen Führerschein dabei und gibt Gas. Mit Martinshorn und Blaulicht nimmt der Streifenwagen die Verfolgung auf. Die Jagd geht über die B 28 von Tübingen nach Herrenberg. Hier versucht die Polizei zum erstenmal mit 12 Pistolenschüssen den Verkehrssünder zu stoppen. Richard E. fährt weiter und erreicht um 21 Uhr Aftstätt. 150 Meter vor Ortsende eröffnet der Beifahrer mit einer Maschinenpistole das Feuer. 6 Kugeln treffen ein Haus, eine davon endet im Schlafzimmer eines Ehepaars. Eine Frau flüchtet erschrocken querfeldein, um von dem schießwütigen Killer nicht getroffen zu werden. Der Wagen von Richard Epple wird völlig durchsiebt, er selbst von sieben Kugeln tödlich getroffen. Motto: Auf der Flucht erschossen.
Die Presse bringt am nächsten Tag die widersprüchlichsten Meldungen. Danach soll Richard E. zwei Straßensperren durchbrochen haben, dann wieder raste er durch eine Holzbarrikade, oder zwei Polizisten, die ihn stoppen wollten, mussten beiseitespringen usw. Zeugen hatten weder Straßensperren noch springende Polizisten gesehen. Mehrere Anwohner berichteten dagegen, daß am nächsten Tag eine Straßensperre aufgebaut und photographiert wurde."
In einer Zusammenfassung der Geschehnisse und der Parteiarbeit im Jahre 1972 heißt es 1979 seitens der KPD/ML u.a.:"
Die großen Streiks der Jahre 1969/70, die gewaltigen Bauerndemonstrationen im Frühjahr 1971, der Streik von 120.000 Metallarbeitern in Baden-Württemberg Ende November 71 hatten die westdeutsche Bourgeoisie in helle Aufregung versetzt. Es reichte ihr nicht mehr die Aussperrung von 360.000 Arbeitern als Antwort auf den Metallerstreik, ab Januar 1972 verschärft sie mit riesigen Notstands- und Mobilmachungsübungen ihren Polizeiterror gegen die Werktätigen. Als Vorwand hierfür dient ihr das Wirken der sogenannten Baader-Meinhof-Gruppe. Waren bereits 1971 Georg von Rauch und Petra Schelm im Kugelhagel der Polizei gefallen, so vergeht jetzt kaum ein Tag ohne Polizeisperren und Schießereien:
Am 1.3. wird der Jugendliche Richard Epple abgeknallt, weil er ein Polizeisignal überfuhr; am 2.3. wird Thomas Weisbecker erschossen, am 3.3. Manfred Grasshoff niedergeknallt; am 5.3. Feuerüberfall der Polizei auf einen holländischen PKW; am 9.3. Polizeiüberfall auf das psychiatrische Behandlungszentrum in Frankfurt: schwerkranke Patienten werden aus den Betten gerissen, an den Haaren gezerrt, getreten, zusammengeschlagen; Betten zerrissen, Schränke aufgebrochen, medizinische Apparaturen zerstört, Krankengeschichten zerrissen, Medikamente im Zimmer verstreut und zertreten. Wie Vieh zusammengetrieben, müssen sich Ärzte und Patienten mit gespreizten Beinen wie Schwerverbrecher an die Wand stellen; am 11.3. wird der Grieche Savos Nikolan niedergeschossen.
Während die Partei die Werktätigen unter der Schlagzeile Die Polizei schlägt, würgt, tötet - Stoppt den Terror der staatlich lizensierten Killer! zum Widerstand aufruft, ergehen sich DKP und Zirkel in der Beteuerung ihrer Friedfertigkeit und der Ablehnung jedweder Gewalt, fallen sie, wie die Arbeiterbasisgruppen in München, in den Schrei aller Spießbürger und Reaktionäre nach der Staatsgewalt ein! Die Partei distanziert sich klar und entschieden vom individuellen Terror, Anarchismus, kleinbürgerlichen Putschismus und Guevarismus. Dabei differenziert sie jedoch, und als auf dem Höhepunkt des Vietnamkriegs, im weltweiten Protest gegen die Verbrechen des USA-Imperialismus, in Frankfurt und Heidelberg, dem europäischen Hauptquartier der US-amerikanischen Armee, Bomben explodieren, antwortet sie auf den hysterischen Aufschrei der Bourgeoisie und das Geifern der Springer-Presse in einem massenweise verbreiteten Exemplar des Roten Morgen: Die Mörder sitzen in Bonn!"
Der zentrale Literaturvertrieb der KPD/ML-ZK, der von H.J. Kühn geleitet wird, wird nun boykottiert (vgl. Apr. 1972, 23.5.1972).
Arbeiterkorrespondenzen berichten aus Niedersachen von der Nordsee AG Cuxhaven und Teves Gifhorn sowie aus Hessen vom Streik bei Teves Frankfurt nach Abschluß der Tarifrunde (vgl. 4.1.1972).
Leserbriefe kommen aus Fürstenfeldbruck, Bayern, Berlin und aus Hessen von den Kasseler Genossen.
Es erscheint auch die "Plattform der KPD/Marxisten-Leninisten für eine Aktionseinheit der revolutionären Organisationen am 1. Mai."
Dort heißt es:"
Wie ist der heutige Stand der revolutionären Bewegung im Weltmaßstab? … Man kann dies alles mit einem Satz Mao Tsetungs zusammenfassen: Die Haupttendenz in der heutigen Welt ist Revolution. Trifft diese Feststellung auch für die Entwicklung in unserem Lande zu, oder wird Westdeutschland und Westberlin eine Insel in den Wogen des weltweiten Aufschwungs der Revolution bleiben? Haben wir eine Periode der relativen Stabilisierung des Kapitalismus vor uns, oder erwartet uns eine Periode der tiefen politischen und ökonomischen Krise, eine Periode der zunehmenden Fäulnis und Zersetzung des monopolkapitalistischen Systems? Zweifellos trifft das Letztere zu. Niemand kann heute mehr bestreiten, daß der Kapitalismus in unserem Land bereits in eine Periode der Krise eingetreten ist, die sich erst im ersten Stadium ihrer Entwicklung befindet. Die Phase der relativen Stabilisierung des Kapitalismus ist auch in Westdeutschland und Westberlin beendet. Das Proletariat und die anderen werktätigen Klassen und Schichten in unserem Land - werden sie ruhig bleiben und sich dem immer reaktionärer und drückender werdenden Joch des Regimes der Ausbeutung und Unterdrückung geduldig beugen? Daran glaubt niemand mehr. … Mit einem Wort kann man sagen: Auch in Westdeutschland und Westberlin beginnt der Vulkan unter dem Hintern der Monopolbourgeoisie zu brodeln. Auch in Westdeutschland und Westberlin ist heute die Haupttendenz Revolution. … Die gefährlichsten Feinde der Revolution innerhalb der Arbeiterbewegung sind die modernen Revisionisten. Der moderne Revisionismus ist eine Agentur der Bourgeoisie in der Arbeiterbewegung, die die Aufgabe hat, die Arbeiterklasse vom revolutionären Kampf für den Sturz der Bourgeoisie und die Errichtung der Diktatur des Proletariats, vom einzig möglichen Weg zum Sieg der Revolution, vom Weg des bewaffneten Kampfes, abzulenken. Der moderne Revisionismus soll der Bourgeoisie helfen, ihr verfaultes reaktionäres Regime zu retten. … Die schonungslose Entlarvung und Diskriminierung dieser Verräter an der Sache des Proletariats gehört deshalb zu den entscheidenden Aufgaben der Kommunisten. Die Lage der revolutionären Arbeiterbewegung in Westdeutschland und Westberlin ist in der gegenwärtigen Situation durch eine große Zersplitterung der revolutionären Kräfte gekennzeichnet. Diese Zersplitterung hat hauptsächlich die Ursache, daß kleinbürgerlich-opportunistische und versteckt revisionistische Kräfte in starkem Maße in der revolutionären Bewegung vertreten sind, welche versuchen, die Bewegung zurückzuzerren und in das Fahrwasser des modernen Revisionismus zu lenken. Zu diesen Kräften gehören nicht nur die offen rechtsopportunistischen Elemente, sondern auch die Liquidatoren, die sich des öfteren mit 'linken' Phrasen zu tarnen versuchen, die jedoch in Wirklichkeit feige Kapitulanten und Revisionisten sind, welche sich vor der Verschärfung der Klassenkämpfe fürchten. Die große Zersplitterung der revolutionären Kräfte ist jedoch andererseits auch aus der Tatsache zu erklären, daß sich die revolutionäre Bewegung in den vergangenen Jahren sehr schnell und relativ stark entwickelt hat, und daß die junge Partei des Proletariats, die KPD/ML, nicht schnell genug erstarkte und sich noch nicht genügend gestählt hatte, um alle ehrlichen Revolutionäre in ihren Reihen zu vereinigen, die den Marxismus-Leninismus als die einzig wirkliche Ideologie des Proletariats und als die einzig wissenschaftliche Theorie der Revolution erkannt haben. … Der entscheidende Aspekt bei der Überwindung der Zersplitterung der revolutionären Bewegung besteht in der konsequenten Entlarvung der opportunistischen und versteckt revisionistischen Elemente innerhalb der revolutionären Bewegung, sowie in der besseren Herausarbeitung und Entwicklung des Programms unserer Partei. Es ist klar, daß die Überwindung der Zersplitterung der revolutionären Bewegung nicht in ein paar Wochen erreicht werden kann. Dennoch ist es auch jetzt schon unbedingt notwendig, die revolutionären Kräfte in der Aktion zu vereinigen und der Bourgeoisie und ihren Agenten. den modernen Revisionisten, eine starke und geschlossene revolutionäre Front entgegenzustellen. … Am 1. Mai sollen alle revolutionären Kräfte, die verschiedenen revolutionären Organisationen, alle revolutionären Arbeiter, Angestellten, Bauern, Studenten, Schüler und alle anderen revolutionären Menschen in geschlossenen und einheitlichen Aufmärschen ihre Kampfentschlossenheit demonstrieren und gemeinsam das blutrote Banner des Kampfes gegen den Imperialismus und für die sozialistische Revolution, für die Errichtung der Diktatur des Proletariats erheben:
Kampf dem westdeutschen Imperialismus!
Nieder mit dem reaktionären Regime des Monopolkapitals!
Vorwärts im Kampf für die sozialistische Revolution!
Es lebe die Diktatur des Proletariats!
Solidarität mit den heldenhaft kämpfenden Völkern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas - Kampf dem Hauptfeind der Völker, dem USA-Imperialismus! Nieder mit der zweiten Supermacht, die ebenfalls die Völker tyrannisiert, ausbeutet und ständig mit militärischer Aggression bedroht - nieder mit dem sowjetischen Sozialimperialismus!
Wir schlagen vor, daß die Aktionseinheit auf dieser klaren revolutionären Linie hergestellt wird; gegen den Imperialismus - für die sozialistische Revolution. Deshalb sollen die gemeinsamen Losungen lauten:
Nieder mit dem westdeutschen Imperialismus!
Nieder mit der Diktatur der westdeutschen Kapitalistenklasse!
Es lebe die Diktatur des Proletariats!
Völker der ganzen Welt, vereinigt euch, besiegt die USA-Aggressoren und alle ihre Lakaien!
Nieder mit dem sowjetischen Sozialimperialismus!
Man kann jedoch keinen wirklichen Kampf gegen den Imperialismus führen, ohne gleichzeitig konsequent gegen den modernen Revisionismus zu kämpfen. … Die schlimmsten Spalter der Arbeiterklasse das sind die modernen Revisionisten, bei uns in Westdeutschland und Westberlin vor allem repräsentiert in der DKP/SEW. Aus diesem Grunde muß es zur politischen Grundlage der Aktionseinheit gemacht werden, daß eine klare Trennungslinie zu den modernen Revisionisten gezogen wird. Es können keine revisionistischen Losungen geduldet werden, wie z.B. Losungen, die das Wesen des Imperialismus verschleiern oder Illusionen in Bezug auf die bürgerlichen Parteien, z.B. die SPD erzeugen. Ebensowenig können Losungen geduldet werden, die das Kapital in einen 'friedlichen' bzw. 'demokratischen' und in einen faschistischen oder 'ultrarechten' Flügel aufteilen und die den Massen einreden wollen, man müsse nur gegen die offen faschistischen Kräfte kämpfen und könne sich dabei mit angeblich 'friedlichen' und 'demokratischen' Teilen des Kapitals verbünden. Solche Losungen lenken die Arbeiterklasse vom Kampf gegen den Klassengegner ab und führen zur Unterordnung der Arbeiterbewegung unter 'linke' Demagogen aus dem Lager der Bourgeoisie. Ebenso wie die Aktionseinheit mit der DKP/SEW ist auch die Aktionseinheit mit eindeutig trotzkistischen Organisationen ausgeschlossen, z.B. mit Organisationen, die der sogenannten IV. Internationale angehören oder sich ihr zugehörig fühlen. Natürlich können auch keine trotzkistischen Losungen geduldet werden."
Weitere Losungen für eine Aktionseinheit sind:
- Weg mit Honecker, weg mit Brandt - alle Macht in Arbeiterhand!
- Für ein vereintes, unabhängiges, sozialistisches Deutschland,
- Sofortiger bedingungsloser und vollständiger Abzug der USA-Aggressionstruppen aus Indochina!
- Krieg den imperialistischen Kriegen!
- Hände weg von China!
- USA-Truppen raus aus Westdeutschland und Westberlin!
- Sowjetische Truppen raus aus der DDR!
- Ausländische Truppen raus aus ganz Deutschland!
Weiter werden eine Reihe von Agitationslosungen genannt, "die den Tageskämpfen der Arbeiterklasse und aller unterdrückten und ausbeuteten Werktätigen die richtige Orientierung geben. Dazu schlagen wir folgende Losungen vor:
Gegen das Kapital und seine SPD-Regierung - die geschlossene Kampffront der Arbeiterklasse!
Vereinigt euch im Kampf gegen Lohnabbau, Entlassungen und verschärfte Arbeitshetze!
Schluß mit Notstandsübungen, Polizeiterror und antikommunistischer Hetze!
Stoppt die Mordkommandos der Polizei!
Kampf dem arbeiterfeindlichen Betriebsverfassungsgesetz!
Kampf der arbeiterfeindlichen DGB-Bürokratie - für eine revolutionäre Gewerkschaftsbewegung!
Wehrt euch gegen Mietwucher und Wohnungselend!
Kampf der kapitalistischen Städtesanierung!
Wehrt euch gegen die unverschämten Erhöhungen der städtischen Verkehrstarife
- Kämpft für den Nulltarif!
Schluß mit Teuerung und Inflation!
Schluß mit der Verfolgung kommunistischer und anderer fortschrittlicher Organisationen!"
In einer Beilage erscheint der Artikel "Kämpft für die Einheit der Marxisten-Leninisten in der KPD/ML. Erklärung von ehemaligen Mitgliedern der Gruppe 'Rote Fahne Bochum' und des KJVD". U.a. wird von den ehemaligen Anhängern der KPD/ML-ZB ausgeführt:"
Wir, ehemalige Mitglieder der Gruppe 'Rote Fahne Bochum' und des KJVD, zum Teil Mitglieder der Bundesleitung des KJVD, haben einen Antrag zur Aufnahme in eine Massenorganisation der KPD/ML gestellt. Wir wollen im folgenden darstellen, warum wir diesen Schritt vollzogen haben, warum wir meinen, daß die Linie der Gruppe 'Rote Fahne' und ihres Zentralbüros (im folgenden: ZB) revisionistisch ist. Weiter wollen wir zeigen, welche schweren Fehler wir gemacht haben und wie es dazu kommen konnte. Wir hoffen, damit allen Genossen in der revolutionären Bewegung die Möglichkeit zu geben, aus unseren Fehlern zu lernen, den Kampf zwischen Marxismus-Leninismus und Revisionismus in der revolutionären Bewegung besser erkennen und dadurch den Revisionismus in allen seinen Spielarten besser bekämpfen zu können. Der schwerste Fehler, den wir gemacht haben, bestand zweifellos darin, daß wir die falsche Linie des ZB an verantwortlicher Stelle vertreten und verbreitet, daß wir aktiv an der Ausarbeitung des Revisionismus in der Arbeiterklasse und in der revolutionären Bewegung gearbeitet haben. Damit haben wir gleichzeitig den Kampf des ZB gegen die Partei der Arbeiterklasse, gegen die KPD/ML unterstützt. Diese unsere Handlungen haben der Revolution ohne Zweifel Schaden zugefügt. … Es ist nicht so, daß das ZB erst bei uns die falschen Anschauungen hervorgerufen hätte, sie waren bei uns vorhanden und haben sich unter dem Einfluß der Linie des ZB weiterentwickelt und verstärkt. Deshalb tragen wir auch selber die Hauptverantwortung für den Schaden, den wir der Revolution zugefügt haben. In unserer Arbeit in der ZB-Organisation sind wir auf eine Reihe von Dingen gestoßen, die wir zunächst nur für einzelne Fehler, Abweichungen usw. auf einer im Grunde korrekten Linie gehalten haben. Durch die von uns ebenfalls vertretene krasse Fehleinschätzung der Metalltarifrunde durch das ZB wurden wir auf die Notwendigkeit eines verstärkten Studiums des Marxismus-Leninismus und der Maotsetungideen sowie einer gründlichen Überprüfung der wichtigsten Dokumente des ZB gestoßen. Besonders nach dem Studium der Dokumente der Spaltung der KPD/ML im Frühjahr 1970 sind wir zu der Einsicht gekommen, daß von den heutigen Führern der Gruppe 'Rote Fahne' die Partei der Arbeiterklasse auf der Grundlage einer spontaneistischen und revisionistischen Plattform (Bolschewik 0, 1, 2) gespalten wurde. Wir sahen weiter, daß die damals vertretene Linie niemals ernsthaft kritisiert, sondern im Gegenteil weiterentwickelt und verfeinert worden ist. Von diesem Zeitpunkt an sahen wir unsere Aufgabe darin, diese falsche Linie entschieden zu bekämpfen und zu entlarven. Aus diesem Grund setzten wir uns bewußt über die Organisationsdisziplin hinweg und organisierten eine Fraktion. Wie verhielt es sich jedoch mit unserem taktischen Vorgehen? Wir glaubten, wenn wir unsere Kritiken mit einem Schlag auf den Tisch legten, dann würden viele Genossen das nicht verstehen, allein der bloße Gedanke, das ZB könnte eine grundsätzlich falsche Linie vertreten, würde sie dazu bringen, unsere Anschauungen nicht mehr zu prüfen, sondern zu verwerfen. Deshalb nahmen wir nicht den prinzipiellen Kampf gegen das ZB auf, sondern versuchten an einzelnen Punkten die Genossen auf die grundlegenden Fehler zu stoßen, vertraten aber weiter die Ansicht, daß diese Linie richtig sei. Dieses Vorgehen ist grundsätzlich falsch und hat der Revolution geschadet. Denn was waren die Folgen? In der Organisation entstand keine größere Klarheit, sondern größere Verwirrung. Das ZB konnte seine falsche Linie ungestört weiterverbreiten. Wir mußten offiziell die Organisationsdisziplin anerkennen und der Aufforderung des ZB und verschiedener Landeskomitees zustimmen, die Kritiken den Mitgliedern des KJVD vorzuenthalten. Schließlich gaben wir durch dieses Vorgehen noch dem ZB die Möglichkeit, demagogisch über die 'geheime Fraktion' herzufallen und zu einem gewissen Grad der inhaltlichen Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen. Was ist das Wesen der falschen Anschauungen, die zu dieser trotzkistischen, entristischen Taktik führten? Das Wesen dieser Anschauungen ist nicht anderes als die reaktionäre Theorie von der Rückständigkeit der Massen. Nachdem wir die falsche Linie erkannt hatten, hätten wir unbedingt den offenen, schonungslosen Kampf gegen das ZB aufnehmen müssen. Diesen Fehler erkannten und kritisierten wir zunächst nur oberflächlich, haben deshalb auch nach der 'Entlarvung' der Fraktion nicht die richtigen Konsequenzen gezogen. Statt jetzt endlich den offenen Kampf aufzunehmen, wollten wir erst die Linie des ZB in allen Einzelheiten widerlegen. Objektiv bedeutete das ein Zurückweichen vor dem Revisionismus. War unsere Taktik erst rechtsopportunistisch, so schlug sie jetzt in 'linke' liquidatorische Tendenzen um. In der Konsequenz bedeutete das, daß wir uns gegenüber der KPD/ML passiv, ja ablehnend verhielten und uns selbst zum Nabel der Revolution erklärten. …
Wir wollen im folgenden in einer aus Platzgründen notwendig knappen Zusammenfassung unsere wichtigsten Kritikpunkte an der Linie des ZB darlegen. Dabei gehen wir zunächst zurück auf die Spaltung der KPD/ML im Frühjahr 1970, weil hier die Linie des ZB ihren Ausgangspunkt hat. …
Für die modernen Revisionisten war die Gründung der KPD/ML ein schwerer Schlag. So war es kein Wunder, daß sie versuchten, die junge Partei mit allen Mitteln zu zerstören. Schon früh versuchte das ehmalige ZK-Mitglied W. D. die Aufhebung der Kandidatenzeit durchzusetzen. Das aber hätte bedeutet, die Tore der Partei allen möglichen ungefestigten Genossen zu öffnen, hätte es versteckten Opportunisten ungemein erleichtert, in die Partei einzudringen und sie von innen her auszuhöhlen. Dieser Angriff wurde vom ZK abgeschlagen. Anfang 1970 wurde nachträglich deutlich, daß die Partei vor allem unter Mangel an Bewußtheit litt, daß die Partei, um die Arbeiterklasse führen zu können, um den Kampf gegen den Revisionismus auf einer höheren Stufe zu heben, vor allem ihr theoretisches und ideologisches Niveau und die Erforschung der gesellschaftlichen Wirklichkeit Westdeutschland vorantreiben mußte. Sie mußte untersuchen, welche Klassen Freunde und welche Klassen und Schichten Feinde der Arbeiterklasse sind. …
Das ZK stellt der Partei kurz zusammengefaßt folgende Aufgaben: Die grundlegende Aufgabe in der vor der Partei stehenden Phase des Parteiaufbaus ist die Gewinnung der Avantgarde des Proletariats. Um diese Aufgabe richtig lösen zu können, muß die Partei eine Klassenanalyse erstellen und auf dieser Grundlage ein Programm erarbeiten. Die Partei wird deshalb ihre Agitation und Propaganda unter den Massen nicht einstellen, ihre hauptsächliche Arbeit wird aber auf dem Gebiet der Theorie liegen. Dagegen eröffneten rechte Elemente den Kampf mit dem sogenannten 'Bolschewik 0', der mit der Aufforderung: 'Das Hauptquartier bombardieren' beginnt. Gegen diese Angriffe, die die Existenz der Partei bedrohten, veröffentlichte das ZK die 'Plattform des ZK'. Diese Plattform verteidigte gegen die Rechtsopportunisten noch einmal nachdrücklich die Rolle der Partei als bewußten Vortrupp der Arbeiterklasse. Ebenso kritisierte sie einzelne Auffassungen der 'Bolschewik'-Fraktion, so den Dogmatismus und den Empirismus, sowie die Methode der erbarmungslosen Schläge. Dies reichte jedoch bei weitem nicht aus und es kommt dazu, daß in der Plattform offen 'linke' Theorien vertreten werden, deren Weiterentwicklung auf dem a. o. PT. die Plattform der Liquidatoren zur Zerstörung der Partei bildete. In der Auseinandersetzung mit der Fraktion mit der Fraktion um den 'Bolschewik' trifft die Platform nicht die Hauptkampflinie. Denn die Auseinandersetzung um die Hauptseite Theorie oder Hauptseite Praxis, sowie die Kritik des Dogmatismus und Empirismus, also Fragen der Einstellung zum Marxismus-Leninismus, des Arbeitsstils, traf nicht das Wesen der Auseinandersetzung. Hier ging es um die Frage Marxismus-Leninismus oder Revisionismus, um die Frage Revolution oder Reform. Es ging tatsächlich um die Existenz der Partei als der bewußten Führerin der Arbeiterklasse oder ihre Verwandlung in eine reformistische 'Arbeiterpartei', eine Partei des Nachtrabs der spontanen Arbeiterbewegung. Die Plattform enthüllte nicht den revisionistischen Charakter der 'Bolschewiks' und bot daher den Genossen nicht die Möglichkeit, einen klaren Trennungsstrich zu ziehen zwischen richtig und falsch, zwischen Marxismus-Leninismus und Revisionismus. Zum anderen wird in der Plattform die Hauptaufgabe der Partei in der ersten Phase ihrer Entwicklung falsch bestimmt. Nicht mehr um die Gewinnung der Avantgarde des Proletariats geht es jetzt, sondern in der ganzen ersten Phase soll die Theorie die Hauptseite bilden. Richtig wäre es gewesen, der Erarbeitung von Klassenanalyse und Programm für einen bestimmten, der Erarbeitung von Klassenanalyse und Programm für einen bestimmten, kurzen Zeitabschnitt in dieser Phase die erste Stelle einzuräumen. Wichtiger ist jedoch, daß die Plattform die Theorie von der Praxis trennt, in dieser Frage den Klassenstandpunkt verläßt, sie 'an sich' losgelöst von der Praxis des Klassenkampfes betrachtet und erarbeiten will. Es wird weiter die Bedeutung die Bedeutung des ideologischen Parteiaufbaus, die Notwendigkeit der Erarbeitung von Klassenanalyse und Programm mit einer unablässigen und sich ständig vertiefenden Kritik am Revisionismus innerhalb und außerhalb der Partei zu verbinden und im Kampf gegen den Revisionismus das Programm zu entwickeln, nicht der Partei als Aufgabge gestellt. Diese Fehler der Plattform machten sie insgesamt zu einem untauglichen Instrument im Kampf gegen die Linie des 'Bolschewik' wie auch als Plan für den Parteiaufbau. Kann aus all dem geschlossen werden, daß die KPD/ML zu diesem Zeitpunkt revisionistisch entartet war? Auf keinen Fall, denn neben diesen falschen Anschauungengab es richtige und diese bildeten die Hauptseite. … Es war vielmehr so, daß das ZK es nicht verstand, beim Kampf gegen den Revisionismus des 'Bolschewik' auch die linken Anschauungen zu kritisieren und daß es in der Folgezeit den Kampf zweier Linien in der Partei nicht bewußt und konsequent führte, sich versöhnlerisch verhielt. Erst seit dem außerordentlichen Parteitag setzt hier eine Wende ein. Ganz anders jedoch der 'Bolschewik'. Er nahm die 'linken' Anschauungen der Plattform als Vorwand, den Spontaneismus, die Theorielosigkeit und den Nachtrab zur Theorie zu erheben. … Es wird klar, daß die 'Hauptseite Praxis'der 'Bolschewik' 0, 1, 2 nur einen Zweck hat: Die Partei soll das Ziel, die sozialistische Revolution, aufgeben, und voll und ganz in der spontanen Bewegung aufgehen. … Hier aber wird klammheimlich versucht, den Kampf gegen den Revisionismus als eine zweitrangige Aufgabe zu bezeichnen. … Das heißt aber doch faktisch, den Kampf gegen den Revisionismus einzustellen. Auf verschiedenen Konferenzen wurde diese Auffassung (hauptsächlich gegen die Sozialdemokratie) mündlich vorgetragen. Wir sehen hier die ersten 'keimhaften' Ansätze der später vom ZB so gehegten Linie zur Sozialdemokratie. Sie tritt zum erstenmal auf, indem sie die Ein- oder Zurückstellung des Kampfes gegen den Revisionismus fordert. Sie tritt auf als Angriff auf die revolutionäre Geschichte der Partei. … Aus all dem ergibt sich: Die ZB-Organisation ist auf der Grundlage einer revisionistischen und spontaneistischen Plattform als Fraktion der KPD/ML entstanden. Mit einer solchen Linie ist die Partei gespalten worden. … Das ZB hat in Bezug auf diese Anschauungen keine öffentliche Selbstkritik geleistet. Sofern einzelne Anschauungen kritisiert wurden, sind dafür 'natürlich' nicht die Mitglieder des ZB, die bei der Spaltung führend beteiligt waren, sondern hauptsächlich P. W. verantwortlich."
Kritisiert wird weiter das Verständnis des ZB von den Etappen der Revolution. Hier gehe es dem ZB nicht "um den revolutionären Sturz des Faschismus, sondern allein um die Verteidigung der Demokratie. … Es ist klar, daß für diese 'antifaschistisch-demokratische Revolution' eine bolschewistische Partei nicht mehr nötig ist. Das ZB spricht ausdrücklich von der Umwandlung der kommunistischen Partei in eine antifaschistische Massenpartei, eine Partei des Volkes. … Das ähnelt sehr den revisionistischen Theorien der DKP. … Gerade dann, wenn die revolutionäre Krise herangereift ist, verzichtet das ZB auf die sozialistische Revolution und die Diktatur des Proletariats und kämpft für die Verteidigung und Erweiterung der demokratischen Rechte, anstatt die Massen zum Todesstoß gegen das morsche kapitalistische System zu führen. Damit hat sich das ZB gut für die kommenden Klassenkämpfe, für die Zuspitzung der Auseinandersetzung gerüstet. Es hat heute schon die theoretischen Grundlagen geschaffen, um im entscheidenden Moment 'Etappe und Hauptschlag' zu wechseln und die Revolution zu verraten."
Zur taktischen Hauptparole der KPD/ML-ZB, 'Gegen die Verrätereien der SPD-Regierung die geschlossene Kampffront der Arbeiterklasse' heißt es:"
Diese Parole ist keine revolutionäre Parole: Einmal, weil sie als Hauptgegner, gegen den sich die Arbeiterklasse zusammenschließen muß, nicht die Diktatur der Bourgeoisie nennt, sondern den Zusammenschluß gegen die Regierung fordert. Zweitens, weil der Inhalt dieses Zusammenschlusses keineswegs revolutionär sein kann. … Die Parole, die das strategische Ziel angeben soll (aber nicht die Hauptparole ist) lautet: 'Gegen den Kapitalismus - für den Arbeiter und Bauernstaat'). … Die Frage der Machtergreifung, die Frage des bewaffneten Umsturzes und der Zerschlagung des imperialistischen Staates wird elegant umgangen. … Was uns das ZB hier also als Parole für die sozialistische Revolution verkaufen will, ist in allen Punkten eine falsche Parole, eine revisionistische Parole, die alle wesentlichen Fragen umgeht. Die Bestimmung der Etappe der Revolution und der Zeitpunkt ihrer Änderung, der Inhalt der beiden Hauptparolen nach der Linie des ZB, lassen sich in einem Satz polemisch zusammenfassen: Statt die ganze Frage aufgrund der historischen Gegebenheiten in Westdeutschland auf die Fragestellung Reform oder Revolution zuzuspitzen, wir die Frage gestellt: Reform oder Konterrevolution? Überspitzt gesagt, wenn wir dem ZB folgen: Reformismus oder Faschismus, das ist die Alternative, die das ZB der Arbeiterklasse anzubieten hat. Statt der Diktatur des Proletariats - Reform und demokratische Erneuerung . Unter diesem Gesichtspunkt muß man auch die 'Linie zur Sozialdemokratie' betrachten. … Die SPD wird zur Paktiererpartei erklärt, um den Kampf gegen die wirklichen Paktierer, die Revisionisten, nicht oder nur unzureichend führen zu müssen. … Sie (die Revisionisten, die Vf.) sind besonders deshalb gefährlicher als die SPD, weil ihre Funktionäre und Mitglieder eben noch nicht mit dem Staat und der Monopolbourgeoisie verwachsen sind, weil wir es hier mit einem 'frischen' Opportunismus zu tun haben. … Gerade jetzt kommt es darauf an, den Hauptschlag gegen die wirklichen Paktierer, die Revisionisten, zu führen. Kein Zweifel: Die Revisionisten sind nicht bloß ein 'Anhängsel' der SPD, sondern von ihr qualitativ verschieden. Sie sind eine Agentur der Bourgeoisie in der Arbeiterklasse, nicht eine Agentur der Sozialdemokratie, wie das ZB uns weismachen will. Indem das ZB aber die Revisionisten zu einem Anhängsel der Sozialdemokratie erklärt … weicht es faktisch dem Kampf gegen den Revisionismus als der gefährlichsten Spielart des Opportunismus aus und erklärt ihn zu einer zweitrangigen Aufgabe. … Der prinzipielle Kampf gegen den modernen Revisionismus … soll nach Möglichkeit auf die lange Bank geschoben werden, wobei er sowieso eine zweitrangige Aufgabe nach der 'Widerlegung der Sozialdemokratie' ist."
Auch im Parteiaufbau mache das ZB schwerwiegende Fehler:"
Wir sehen hier, wie das ZB die Notwendigkeit, die Partei von oben nach unten aufzubauen, dem Zentralismus den Vorrang einzuräumen, demagogisch dazu ausnutzt, die Demokratie völlig abzuschaffen und die betreffenden Teile des Statuts außer Kraft zu setzen. Damit ist das ZB tatsächlich im Rahmen des demokratischen Zentralismus unangreifbar geworden. … Jeder Genosse in der ZB-Organisation weiß selbst, welche Auswirkungen das alles hat: Blinde Praxis, Einpauken der Theorien des ZB, bürokratisch entartetes Parteileben. Da ist es dann nur konsequent, wenn Kritik und Selbstkritik nicht gefragt sind. Es geht vom Nichtbeantworten von Kritiken durch die höheren Leitungen bis hin zu der unernsten Änderung der beiden Hauptparolen durch das ZB ohne einen Schimmer der Selbstkritik. Das aber ist ganz und gar die Praxis einer revisionistischen Organisation. … Wir möchten uns noch einmal ausdrücklich an die Mitglieder der ZB-Organisation und des KJVD wenden, die wir in ihrer großen Mehrzahl für ehrliche Revolutionäre halten: Prüft ernsthaft unsere Kritik, fordert die offene Diskussion über diese Fragen, und zieht die Konsequenzen aus dieser neorevisionistischen Linie!"
Q: Roter Morgen Nr. 7, Hamburg 27.3.1972; Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten (Hrsg.): 1968/69 bis 1978/79. Zehn Jahre KPD/ML. 10 Jahre Kampf für ein vereintes, unabhängiges, sozialistisches Deutschland, Dortmund 1979, S. 77