Roter Morgen, 6. Jg., 13. März 1972, Nr. 6

13.03.1972:
Der 'Rote Morgen' Nr. 6 (vgl. 28.2.1972, 27.3.1972) beschäftigt sich u.a. mit dem Protest gegen den Tod von Pierre Overney in Frankreich (vgl. 29.2.1972), den Fahrpreiskämpfen in verschiedenen Städten (vgl. 22.1.1972) und eigenen Arbeit beim Berliner Siemens-Schaltwerk.

In "DKP lobt DGB-Bonzen und erklärt Arbeiter für rückständig und dumm" wird berichtet aus Giessen und auch aus Wetzlar. Dort ist neben DKP und KPD/ML-ZK auch die KPD/ML-ZB aktiv.

Genossen aus Kassel berichten über die Aktionen der Lehrlingsgruppe Rote Panther (RP) in der Belgiersiedlung, in die auch der MSB Spartakus der DKP von der Sozialarbeiterschule eingriff. In Neckarsulm hat die DKP die Nr. 3 ihrer Audi-Betriebszeitung 'Der Schweinwerfer' herausgegeben.
Eine Arbeiterkorrespondenz kommt von MAN Augsburg.

Im Artikel "Die Einheit aller Marxisten-Leninisten im Kampf gegen den modernen Revisionismus errringen!" wird ausgeführt:"
Das Zentralbüro der 'KPD/ML-Rote Fahne' hat in seinem Zentralorgan 'Rote Fahne' Nr. 4/1972 unter dem Titel 'Für die Einheit der Marxisten-Leninisten' eine Stellungnahme zu dem 'Offenen Brief' einer Gruppe von ehemaligen Mitgliedern und Sympathisanten der KPD/ML veröffentlicht. Den 'Offenen Brief' selbst hatte das ZB in der Nr. 3 der 'Roten Fahne'abdrucken lassen. Die Gruppe, die diesen 'Offenen Brief' herausgegeben hat, nennt sich 'Bolschewistische Linie der ehemaligen KPD/ML (Roter Morgen)'. Sie hat auch uns diesen sogenannten 'Offenen Brief' geschickt, mit der Aufforderung, ihn im Roten Morgen abzudrucken. Wir haben darauf verzichtet, diesen sogenannten 'Offenen Brief' abzudrucken, weil er nichts anderes darstellt, als den demagogischen Versuch des ehemaligen Mitglieds der KPD/ML, G. A., nachdem er als übler Karrierist und Opportunist entlarvt und aus der Partei ausgeschlossen wurde, sich nunmehr beim ZB der 'KPD/ML'-Rote Fahne anzubiedern und den Marxisten-Leninisten Westdeutschlands und Westberlins einen falschen Eindruck über die Entwicklung der KPD/ML und ihr Verhältnis zur 'KPD/ML'-Rote Fahne zu vermitteln. G. A. versucht, sich in diesem 'Offenen Brief' als Apostel der Einheit der Marxisten-Leninisten aufzuspielen, wobei es ihm nur darum geht, seine in der KPD/ML gescheiterte Karriere nun auf andere Weise fortzusetzen, und zwar unter Ausnutzung des berechtigten Wunsches vieler Marxisten-Leninisten nach Einheit aller Marxisten-Leninisten in der Bolschewistischen Partei. Worum geht es dem ZB? Ist das ZB wirklich so naiv, daß es diesen Zusammenhang nicht begreift, obgleich es doch über die Rolle des Karrieristen G.A. genügend informiert sein dürfte?. … Das Vorgehen des ZB in der erwähnten Stellungnahme läßt erhebliche Zweifel daran aufkommen, daß das ZB ehrlich und von einem korrekten Standpunkt aus an die Frage der Einheit der Marxisten-Leninisten herangeht. Warum hat sich das ZB nicht an uns gewandt, bevor es den sogenannten 'Offenen Brief' in seinem Zentralorgan abgedruckt hat, um sich über die Rolle von G. A. zu informieren? Wir hätten das ZB im einzelnen davon in Kenntnis setzen können, daß G. A. nachdem er zuvor der Hauptvertreter ökonomistischer Abweichungen in der KPD/ML war, aus reinen Karrieregründen auf dem außerordentlichen Parteitag am Ende dieses Jahres vollständig auf die Positionen der Liquidatoren übergegangen ist. … Wir hätten dem ZB klar machen können, daß es sich bei G. A., dem es leider gelungen ist, eine Gruppe von schwankenden Genossen um sich zu sammeln, um einen der übelsten Karrieristen und Opportunisten handelt, die sich in den Reihen der marxistisch-leninistischen Bewegung herumtreiben. Und wie kommt das ZB, wenn es ihm wirklich um die Einheit der Marxisten-Leninisten geht, dazu, in seinem Artikel in der 'Roten Fahne' die lügnerische Behauptung zu verbreiten, unsere Partei, die KPD/ML, sei von den Liquidatoren 'vernichtet' worden und habe sich in 'kleine' und 'kleinste' Bestandteile aufgelöst? … Ist es verwunderlich, wenn wir unter solchen Umständen Zweifel daran haben, ob die Führung eurer Organisation ehrlich an die Frage der Einheit der Marxisten-Leninisten herangeht? Trotz dieser seltsamen Methoden des ZB sind wir bereit, mit dem Ziel der Einheit der Marxisten-Leninisten in der bolschewistischen Partei, eine sachliche Diskussion mit allen Genossen in der 'KPD/ML'-Rote Fahne und auch, falls sie dazu bereit sind, mit den Führern dieser Organisation zu führen. … In der Stellungnahme des ZB findet sich ein Abschnitt, der die Überschrift 'Unsere Fehler' trägt. Dort werden einige Fehler des ZB aufgeführt, wie z.B. mangelnder ideologischer Aufbau der Partei und ungenügende Vorbereitung auf die Illegalität. Abschließend wird dann festgestellt, die gleichen Fehler seien auch die Fehler anderer ML-Organisationen. Zweifellos stimmt es, daß auch wir in der KPD/ML den ideologischen Aufbau der Partei vernachlässigt haben, und auch wir haben die Partei ungenügend auf die Illegalität vorbereitet. Aber was soll die Feststellung, die Fehler des ZB seien auch die Fehler anderer Organisationen? … Wie kann man aber davon reden, daß man den ideologischen Aufbau konsequent anpacken will, ohne dabei mit einem Sterbenswörtchen darauf einzugehen, daß daß das ZB zwar die Organisation ideologisch aufbauen will, daß es aber den Mitgliedern keinen Einfluß darauf gewähren will, in welchem Sinne der ideologische Aufbau erfolgen soll. Fürchtet das ZB, daß die Mitglieder die Frage des Klassenstandpunktes, die Frage des Inhalts, des ideologischen Aufbaus der Partei in einem anderen Sinne stellen könnten, als das ZB es wünscht? Besteht da nicht der Verdacht, daß das ZB Grund hat, seinen eigenen Mitgliedern zu mißtrauen? Ist dies nicht eine extreme Form, den Massen zu mißtrauen? … Leider gibt es zuviele dunkle Punkte in der Linie des ZB, die uns immer wieder auf diese Probleme, auf das Problem des Kampfes oder vielmehr des mangelnden Kampfes gegen den modernen Revisionismus stoßen. So zum Beispiel die Tatsache, daß in der 'KPD/ML'-Rote Fahne nicht die Original-Texte der Klassiker des Marxismus-Leninismus geschult werden, sondern lediglich Schulungs-Texte, die das ZB selbst verfaßt hat. Das ist bekanntlich eine Praktik, die auch von den Revisionisten angewendet wird, und zwar aus dem einfachen Grund, weil sie den wahren Marxismus-Leninismus fürchten wie der Teufel das Weihwasser. … Aber nehmen wir einmal einen anderen sehr dunklen Punkt in der Linie des ZB. Es handelt sich um die Frage der Entstehung der 'KPD/ML'-Rote Fahne. Bekanntlicherweise ist die 'KPD/ML'-Rote Fahne als Abspaltung eine Gruppe, deren Führer ein rechtsopportunistisches Programm zur Grundlage ihres Fraktionismus und ihrer verantwortungslosen Spaltertätigkeit gemacht hatten. … Was sagt das ZB über die Entstehung seiner Organisation, der 'KPD/ML'-Rote Fahne? Das ZB macht dazu die interessante Feststellung, daß bei der praktischen Formierung der 'KPD/ML'-Rote Fahne als einer bolschewistischen Partei, der Kampf gegen die 'Gruppe Roter Morgen', gegen den sogenannten 'Ezrismus, 'von weitaus größerer Bedeutung war, als der Kampf gegen den Revisionismus'. Wir wollen nicht bezweifeln, daß es wirklich so gewesen ist, wie das ZB festgestellt hat. Wir haben in der Tat von einem Kampf der 'KPD/ML'-Rote Fahne gegen den modernen Revisionismus nicht viel gemerkt. Aber, und diese Frage richten wir wieder insbesondere an die Mitglieder und Sympathisanten der 'KPD/ML'-Rote Fahne, ist es nicht äußerst merkwürdig, daß gerade eure Organisation offenbar die einzige 'Partei' der Welt ist, die als marxistisch-leninistisch gelten will, sich auf Mao Tsetung beruft, und die nicht vor allem im Kampf gegen die Cliquen der modernen Revisionisten entstanden ist, und die es nach Aussagen eurer Führung, auch nicht nötig hat, sich hauptsächlich im Kampf gegen die Cliquen der modernen Revisionisten zu festigen? … Das ZB ist mit anderen Worten (weiter) der Meinung: in dem den heutigen revisionistischen Parteien innewohnenden Widerspruch zwischen proletarischer und bürgerlicher Linie wurden die äußeren Bedingungen zur Hauptseite und deshalb siegte die bürgerliche Linie. Führwahr - eine sehr eingenartige Dialektik; oder hat das ZB hier vielleicht Dialektik mit Sophistik verwechselt? Das ZB soll doch einmal versuchen, mit seiner Art von 'Dialekik' die Tatsache zu erklären, daß beispielweise die Partei der Arbeit Albaniens nicht revisionistisch entartet ist, obwohl der äußere Druck vonseiten des Sowjetrevisionismus auf die Partei der Arbeit unbestreitbar sehr stark war. … Das ZB vertritt tatsächlich die Auffassung, die Politik der KPD nach 1945 und die Politik der SED sei bis zum XX. Parteitag der KPdSU 1956 vollständig korrekt gewesen. Aber das ZB vertritt nicht nur diese Auffassung - es hat sogar die opportunistischen Abweichungen in der Politik dieser Parteien, die schon vor ihrer revisionistischen Entartung aufgetreten sind, übernommen, 'schöpferisch' weiterentwickelt und versucht nun, diesen revisionistischen Plunder in die marxistisch-leninistische Bewegung einzuschmuggeln. Das bedeutendste Produkt dieser Art, welches das ZB hervorgebracht hat, ist die 'Theorie' von den Etappen der Revolution in einem imperialistischen Land, wie es die Bundesrepublik ist. Das ZB hat die revisionistischen Abweichungen der KPD nach 1945 und der SED in der Anwendung der Volksfronttaktik und der Frage der antifaschistisch-demokratischen Revolution übernommen und daraus eine revisionistische Theorie der Etappen der Revolution in Westdeutschland gemacht. Diese 'Theorie' besagt, daß wenn der Klassenkampf sich zuspitzt und die Bourgeoisie dazu übergeht, die bürgerlich-demokratische Herrschaftsform zu ersetzen - daß in einer derartigen Situation das strategische Ziel des Proletariats, der Sturz der Herrschaft der Bourgeoisie und die Errichtung der Diktatur des Proletariats, ersetzt werden müsse durch das strategische Ziel der Wiedererringung der bürgerlichen Demokratie. So macht das ZB aus der Taktik zur Schaffung der Volksfront im Kampf gegen die faschistische Herrschaft, aus der besonderen Taktik des revolutionären Sturzes des faschistischen Regimes, eine Strategie des Verzichts auf die Sozialistische Revolution. Das ZB geht jedoch noch einen Schritt weiter und verlangt von der Arbeiterklasse die Unterordnung seiner Klasseninteressen unter die sogenannten 'allgemein gesellschaftlichen Interessen'. … Das ZB verlangt von der Arbeiterklasse jedoch nicht nur, daß sie ihre Klasseninteressen 'den allgemeinen Interessen der Gesellschaft unterordnen' müsse, das ZB verlangt auch, daß die Arbeiterklasse im Kampf gegen den Faschismus ihre führende Rolle aufgeben solle. Zu diesem Zweck beruft sich das ZB - auf wen wohl? Auf niemand anderen natürlich, als auf den Renegaten Ulbricht. … Und ferner sagte Ulbricht: 'Die Kommunistische Partei ist eine Partei des Volkes, denn wir sagen im Aktionsprogramm, was getan werden muß, damit das normale Leben der Bevölkerung wieder in Gang kommt'. Diesen revisionistischen Standpunkt vertrat Ulbricht nach dem Krieg in der sowjetisch besetzten Zone und vor der Verschmelzung von SPD und KPD zur SED. Diese Verschmelzung, die von Ulbricht offenkundig bereits vom Standpunkt des Verzichtes auf die führende Rolle der Arbeiterklasse in der antifaschistisch-demokratischen Revolution betrieben wurde, führte zu dem Ergebnis der Liquidierung des bolschewistischen Charakters der Partei. Das ZB verteidigt dieses Vorgehen der Ulbricht-Clique voll und ganz. … Das ZB hat des öfteren festgestellt, daß der theoretische Kampf gegen den modernen Revisionismus heute im wesentlichen schon als beendet angesehen werden könne, daß die albanischen und die chinesischen Genossen diesen Kampf bereits geführt hätten, daß dieser Kampf heute für uns kaum mehr Bedeutung habe. Ist es nicht naheliegend, anzunehmen, daß das ZB diese Behauptung nur aus dem einen Grund aufgestellt hat, weil es gar kein Interesse daran hat, den Revisionismus ideologisch, politisch und organisatorisch zu schlagen? … Wir fordern alle Mitglieder und Sympathisaten der 'KPD/ML'-Rote Fahne auf, sich ernsthaft die Frage zu stellen, und gewissenhaft zu untersuchen, ob es sich bei der Politik des ZB nicht um den von Mitgliedern des ZB systematisch und bewußt betriebenen Versuch handelt, die marxistisch-leninistische Bewegung zu zersetzen und auf den Boden des modernen Revisionismus zu zerren. Wir erinnern daran, daß G. G. heute einer der entscheidenden Führer im ZB, früher einmal, als er noch Häuptling eines Bochumer Studentenzirkels war, den Kampf gegen den 'Maoismus' zu seiner Aufgabe erklärt hat. Kann die Politik des ZB uns davon überzeugen, daß G. G. diesen Plan inzwischen aufgegeben, daß er seinen politischen Standort gewechselt hat… ? … Wir werden uns künftig noch ausführlicher mit den Theorien des ZB, aber auch mit der praktischen Politik der 'KPD/ML'-Rote Fahne, mit ihrer Agitation und Propaganda im Betrieb und auf der Straße befassen. Wir werden dies tun, um Klarheit darüber zu schaffen, welche Kräfte in der marxistisch-leninistischen Bewegung Westdeutschlands und Westberlins wirklich bereit sind, bedingungslos den Weg des Marxismus-Leninismus und der Maotsetungideen, den revolutionären Weg der Vorbereitung und Durchführung des gewaltsamen Sturzes der Bourgeoisie und der Errichtung der Diktatur des Proletariats zu gehen. Und wir werden schonungslos diejenigen Elemente entlarven, die sich in der marxistisch-leninistischen Bewegung eingenistet haben, und die das Ziel verfolgen, die Revolutionäre in den Sumpf des Opportunismus, in den Sumpf des modernen Revisionismus zu zerren. Nur auf diese Weise wird es möglich sein, die Einheit aller wahren Marxisten-Leninisten in der bolschewistischen Partei des Proletariats zu erringen und dem modernen Revisionismus weitere Schläge zu versetzen."
Q: Roter Morgen Nr. 6, Hamburg 13.3.1972


Roter Morgen, 6. Jg., 13. März 1972, Nr. 6, Seite 1a
Roter Morgen, 6. Jg., 13. März 1972, Nr. 6, Seite 1b

Roter Morgen, 6. Jg., 13. März 1972, Nr. 6, Seite 2a
Roter Morgen, 6. Jg., 13. März 1972, Nr. 6, Seite 2b

Roter Morgen, 6. Jg., 13. März 1972, Nr. 6, Seite 3a
Roter Morgen, 6. Jg., 13. März 1972, Nr. 6, Seite 3b

Roter Morgen, 6. Jg., 13. März 1972, Nr. 6, Seite 4a
Roter Morgen, 6. Jg., 13. März 1972, Nr. 6, Seite 4b

Roter Morgen, 6. Jg., 13. März 1972, Nr. 6, Seite 5a
Roter Morgen, 6. Jg., 13. März 1972, Nr. 6, Seite 5b

Roter Morgen, 6. Jg., 13. März 1972, Nr. 6, Seite 6a
Roter Morgen, 6. Jg., 13. März 1972, Nr. 6, Seite 6b

Roter Morgen, 6. Jg., 13. März 1972, Nr. 6, Seite 7a
Roter Morgen, 6. Jg., 13. März 1972, Nr. 6, Seite 7b

Roter Morgen, 6. Jg., 13. März 1972, Nr. 6, Seite 8a
Roter Morgen, 6. Jg., 13. März 1972, Nr. 6, Seite 8b