Februar 1974:
Das ZK der KPD/ML gibt die erste Nummer ihres theoretischen Organs "Der Weg der Partei" unter dem Titel "Deutschland dem deutschen Volk! Erklärung des ZK der KPD/ML zur nationalen Frage" im Verlag Roter Morgen heraus. Die erste Auflage erschien im Februar 1974, die vierte Auflage im Mai 1976.
In der auf dem Dezemberplenum 1973 verabschiedeten Erklärung wird u. a. ausgeführt: "Der entscheidende Weg für das deutsche Proletariat, sich einzureihen in die weltweite Front der gegen das Diktat der Supermächte kämpfende Völker, ist den Feind dort anzugreifen, wo er steht, auf dem Boden unserer Heimat … Das deutsche Volk wünscht die nationale Einheit. Es wünscht ein unabhängiges Deutschland, ein Deutschland, in dem keine amerikanischen und keine sowjetischen Panzer rasseln, in dem kein Dollar die Inflation treibt, in dem keine amerikanischen Konzerne und keine sowjetischen "Kooperationsverträge" die Arbeiter zusätzlich ausbeuten. Das deutsche Volk wünscht ein vereintes und friedliches Deutschland, von dessen Boden aus nie wieder Kriegsbrandstifter vom Schlage der Krupp, Thyssen, Flick und Konsorten einen imperialistischen Raubkrieg entfesseln können …
Wenn wir Marxisten- Leninisten von der Nation sprechen, gehen wir von folgender Bestimmung aus: Eine Nation ist eine historisch entstandene stabile Gemeinschaft von Menschen, entstanden auf der Grundlage der Gemeinschaft der Sprache, des Territoriums, des Wirtschaftslebens und der sich in der Gemeinschaft der Kultur offenbarenden psychischen Wesensart … Wenn wir Marxisten-Leninisten die Frage der Nation aufwerfen, die Frage des Kampfes um die Existenz der deutschen Nation, so können wir sie nur sehen und lösen im Rahmen unserer historischen Epoche. Wenn wir von Nation und Nationalismus sprechen, müssen wir einen Unterschied machen zwischen dem Nationalismus, dem Chauvinismus, der andere Völker unterdrückt, und dem Nationalismus, dem Patriotismus der unterdrückten Völker, die gegen die nationale Unterdrückung kämpfen …
Stellen wir fest: die Bourgeoisie in der imperialistischen Phase des Kapitalismus, sowohl die alte im Westen, als auch die neue im Osten, ist nicht mehr in der Lage, die Führung der Nation zu übernehmen. Diese Aufgabe fällt heute-bereits vor der Periode des Sozialismus-der Arbeiterklasse und ihrer revolutionären Vorhutpartei zu. Diese Aufgabe steht durchaus nicht im Widerspruch zu den besonderen Klasseninteressen und Klassenaufgaben des Proletariats; im Gegenteil die Erfüllung ihrer nationalen Aufgabe erleichtert ihr die Lösung der Klassenaufgabe, die Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparates in der sozialistischen Revolution. So ist denn der Kampf um die Einheit Deutschlands ein untrennbarer Bestandteil der sozialistischen Revolution …
Es kann heute, da die Voraussetzungen des Potsdamer Abkommens fehlen, da der deutsche Imperialismus wiedererstarkt ist, nicht mehr um die Wiedervereinigung Deutschlands als einheitlicher, demokratischer, friedliebender, unabhängiger Staat gehen … Darum kann die Wiedervereinigung Deutschlands heute nur in einem vereinten, unabhängigen und sozialistischen Staat erfolgen … Ein solches Deutschland geführt von seiner Arbeiterklasse und ihrer kommunistischen Partei, wird die beste Tradition des deutschen Volkes verkörpern … Der Kampf um Frieden, Befreiung und die Herstellung der Einheit Deutschlands muß in engster Kampfgemeinschaft aller friedliebenden und patriotischen Deutschen im Osten und Westen unseres Vaterlandes als einheitlicher nationaler Widerstandskampf des gesamten deutschen Volkes organisiert und geführt werden. Die deutsche Nation bildet eine Einheit.
Es gibt weder eine westdeutsche noch eine ostdeutsche Nation. Das heißt, der Kampf um die Existenz der deutschen Nation ist nicht Sache nur der Westdeutschen oder der Ostdeutschen, sondern ist Sache aller Deutschen, der gesamten Nation … Deshalb kann der Weg zur nationalen Einheit nur über die Vertreibung aller Besatzungsmächte vom deutschen Boden und den revolutionären Sturz ihrer Lakaien und Bündnispartner in Ost- und Westdeutschland erfolgen. Erheben wir uns! Nehmen wir den revolutionären Kampf auf gegen das, sich gegen die sozialen und nationalen Interessen des deutschen Volkes, gegen seine Freiheit, Unabhängigkeit und physische Existenz richtende Komplott der zwei Supermächte und ihrer westdeutschen Bündnispartner und ostdeutschen Lakaien! Kämpfen wir für den Abzug aller fremden Truppen aus Deutschland, für den Austritt der zwei deutschen Staaten einerseits aus der NATO, der EG, andererseits aus dem Warschauer Pakt und dem RGW (Comecon)".
Diese Erklärung bringt der KPD/ML u.a. den Vorwurf des "Chauvinismus" ein. Die Frankfurter Marxisten-Leninisten (FML) erklären, unterstützt u.a. von den ML Aachen und den ML Bochum: "Im theoretischen Organ der KPD/ML (Roter Morgen) Nr. 1 wurde zu "EINER NATIONALEN REVOLUTIONÄREN FRONT FÜR EIN VEREINIGTES UND UNABHÄNGIGES, SOZIALISTISCHES DEUTSCHLAND" aufgerufen."
Vermutlich aus den Reihen der KPD (ehemals KPD/AO) erscheint 1976 in Hannover die Broschüre "Deutschland dem deutschen Volk! Erklärung des ZK der KPD/ML zur nationalen Frage - Ein Beispiel der unwissenschaftlichen und betrügerischen Methoden des ZK der KPD/ML". Die Erklärung des ZK der KPD/ML, heißt es da, sei teilweise "wortwörtlich aus historischen Dokumenten abgeschrieben". Es handle sich dabei "um Texte von Albert Norden, Fred Oelßner, Auszüge aus dem Programm, wie dem 'Nationalen Dokument', beschlossen am 16./17. Juni 1962 oder dem 'KPD-Programm zur nationalen Wiedervereinigung."
Quellen: ZK der KPD/ML (Hrsg.): Der Weg der Partei, Nr. 1, Hamburg, Februar 1974 (4. Aufl., Mai 1976); Frankfurter Marxisten-Leninisten: Marxisten-Leninisten zum 1. und 8. Mai 1975, Bochum 1975, S. 11; N.N.: Deutschland dem deutschen Volk! Erklärung des ZK der KPD/ML zur nationalen Frage - Ein Beispiel der unwissenschaftlichen und betrügerischen Methoden des ZK der KPD/ML, Hannover o. J. (Juni 1976).