April 1980:
Die Nr. 4 von "Kommunismus und Klassenkampf" erscheint.
Artikel der Ausgabe sind:
- "Dritte Welt im Kampf gegen Ausbeutung und Ausplünderung ihrer natürlichen Reichtümer-UNCTAD-Konferenzen 1964-1979"
- "Der Weltrohstoffmarkt für Kupfer. Sicherung der Rohstoffquellen-Chrom, Vanadium, Molybdän, Mangan, Nickel, Titan"
- "Weltaluminiumproduktion: Mehr als 50% unter direkter Kontrolle der Supermachte"
- "Arbeitskämpfe und Entwicklung der Gewerkschaften in Westdeutschland 1950-1979"
- "Grundsatzprogramme des DGB 1949-1979"
- "Die andere Arbeiterbewegung'. Karl Heinz Roths 'Rekonstruktion' der Arbeiterbewegung"
- "Wir sind noch einmal davongekommen'. Bernt Engelmann: 'Wie wir wurden, was wir sind"
- "Kanzlerkandidaten auf dem Büchermarkt: Der Kurs heißt 'Friede' und zur Lage"
- "Handfeste Interessen an der Fortsetzung des Dialogs mit der Sowjetunion. Zu den Ökonomischen Grundlagen. der Ostpolitik des BRD-Imperialismus"
- "Weder innen noch außen. Der Handel mit der DDR dient der Offenhaltung der
Deutschen Frage"
- "Maschinen gegen Verbrauchsgüter. Der ungleiche Warentausch BRD-DDR.
Entwicklung des DDR-Warenkorbs und der Haushaltseinkommen"
- "Wertschöpfung"
- "Geschichte der Physik, Schluss. Entfaltung der Physik mit der kapitalistischen Produktion, dann Krise"
- "Charles Dickens: David Copperfield"
- "Dokumentation Kernprojekte Militär"
Eingangs wird zur Auflösung der KPD/AO (KPD) Stellung bezogen, wozu es u. a. heißt: "Ein Ochsenfrosch, kurz bevor er platzt', schrieb das Neue Rote Forum 1970, als die KPD/AO die linke Öffentlichkeit mit ihrer Gründung überrascht hatte. Es hat dann doch zehn Jahre gedauert. Es war auch kein Platzen mehr. Eher war es, wie wenn bei einem schrumpfenden Luftballon schließlich noch der letzte Rest Luft rausschnurrt. Bis zuletzt hatte es Versuche gegeben, das zu verhindern oder die Luft wenigstens in einen neuen Luftballon überzuleiten. Es ist nicht gelungen. Auf dem dritten Parteitag der KPD fand keiner der vorliegenden Anträge eine Mehrheit, nur die inhaltslose Auflösung konnte einheitlich durchgeführt werden. So was ist natürlich kein erfreulicher Anblick. So oft wir der KPD ihre traurige Perspektive vorausgesagt haben, so oft wollten wir dabei doch eine Änderung der Entwicklung erzielen und nicht etwa recht behalten. Man muss sich diese Entwicklung noch mal durch den Kopf gehen lassen und sich auch überlegen, was die marxistisch-leninistische Bewegung, deren Teil die KPD bildete, eigentlich gewesen ist.
Auf jeden Fall war es eine besondere Bewegung. Im Kommunistischen Manifest stellten Marx und Engels die Frage 'In welchem Verhältnis stehen die Kommunisten zu den Proletariern überhaupt?' und antworteten: 'Die Kommunisten sind keine besondere Partei gegenüber den anderen Arbeiterparteien. Sie haben keine von den Interessen des gesamten Proletariats getrennten Interessen. Sie stellen keine besonderen Prinzipien auf, wonach sie die proletarische Bewegung modeln wollen. Die Kommunisten unterscheiden sich von den übrigen proletarischen Parteien nur dadurch, daß einerseits sie in den verschiedenen nationalen Kämpfen der Proletarier die gemeinsamen, von der Nationalität unabhängigen Interessen des gesamten Proletariats hervorheben und zur Geltung bringen, andererseits dadurch, dass sie in den verschiedenen Entwicklungsstufen, welche der Kampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie durchläuft, stets das Interesse der Gesamtbewegung vertreten. Die Kommunisten sind also praktisch der entschiedenste, immer weiter treibende Teil der Arbeiterparteien aller Länder; sie haben theoretisch vor der übrigen Masse des Proletariats die Einsicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung voraus. Der nächste Zweck der Kommunisten ist derselbe wie der aller übrigen proletarischen Parteien: Bildung des Proletariats zur Klasse, Sturz der Bourgeoisieherrschaft, Eroberung der politischen Macht durch das Proletariat'.
Ohne Übertreibung kann man sagen, dass die 'ml'-Bewegung, wie sie sich schon gleich sektiererisch selber nannte, jeder dieser Bestimmungen von Marx und Engels ihre eigene entgegensetzte. Stets wurde auf das Besondere Wert gelegt, selbst noch gegenüber anderen Organisationen der 'ml'-Bewegung, die sich in nichts Wesentlichem unterschieden. Da gab es in den Zeitungen die fünf Köpfe über dem Balken. Später ließen dann die einen einen Kopf weg. Rotdruck grassierte. Die eigenen Interessen wurden verfolgt. Man muss sich fragen, ob eine Organisation wie die KPD, die stets ihre von den Interessen des gesamten Proletariats getrennten Interessen hervorhob, mit dem Proletariat jemals gemeinsame Interessen hatte. Das Proletariat hat Interesse an der Gewerkschaftseinheit auf dem Boden des Klassenkampfes, die KPD hatte als erstes ein Interesse an einem eigenen RGO-Laden. Das Proletariat hat Interesse an Demokratie, um im Kampf gegen die Herrschaft der Kapitalistenklasse Bewegungsfreiheit zu gewinnen und sich in diesem Kampf mit allen Volksklassen zur Zerschlagung der Diktatur der Bourgeoisie zu verbünden. Die KPD dagegen entwickelte das Interesse, den Kampf um Demokratie als 'revisionistisch' zu entlarven.
Jede eigene Schrulle wurde der 'ml'-Bewegung zum Prinzip, nach dem die Arbeiterklasse sich modeln lassen sollte. Sofern sie sich überhaupt um den wirtschaftlichen Kampf der Arbeiterklasse kümmerte, wurden ihr selbst bestimmte wirtschaftliche Forderungen zum Prinzip, das sie sich ausgedacht hatte. Die Arbeiterklasse entwickelt ihre Kämpfe spontan und notwendig zunächst in nationaler Form. Die Kommunisten sollen die von der Nationalität unabhängigen Interessen des gesamten Proletariats hervorheben. Die 'ml' Bewegung dagegen versuchte, die Arbeiterklasse auf die nationale Form auch politisch zu fixieren und die nationale Einheit als besonderes Ziel zu verankern. Als ob es darauf ankäme und nicht auf die Befreiung von Unterdrückung, um die Ausbeutung zu beseitigen.
Mit der Entdeckung der beiden Supermächte brach Klassenversöhnung aus, obwohl der Klassengegensatz Grundlage von Imperialismus und Hegemonismus bildet. Und war die 'ml'-Bewegung der praktisch entschiedenste Teil der Arbeiterbewegung, war sie überhaupt Teil der Arbeiterbewegung? Sowie es tatsächlich um praktische Entscheidungen der Arbeiterbewegung ging, war von der 'ml'-Bewegung weniger zu sehen. Um das Interesse der Gesamtbewegung zu vertreten, muss man sich dieses Interesse bewußt machen, muss die Einsicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung entwickeln.
Anfang der 70er Jahre war das Aufwühlende der marxistisch-leninistischen Propaganda, dass sie den Klassengegensatz schroff herausarbeitete und die Interessen der Privateigentümer enthüllte. Letztlich läßt sich das Programm der Kommunisten in dem einen Satz zusammenfassen: Aufhebung des Privateigentums. Die 'ml'-Bewegung hat alles mögliche programmatisch vertreten, aber dieser grundlegende Programmsatz ist ihr immer mehr abhanden gekommen. Damit ging ihr auch jeder Leitfaden für die revolutionäre Propaganda verloren. Das Zeug wurde immer abgestandener. Die Forschung stagnierte …
Da der Marxismus-Leninismus nicht den Interessen der kleinbürgerlichen Bewegung entspricht, wurde die Krise des Marxismus entdeckt, um ihn mit Anstand loszuwerden. Man braucht der 'ml'-Bewegung keine Träne nachzuweinen. Der Kapitalismus treibt immer neue Schichten in Lohnabhängigkeit und bringt sie in Berührung mit dem Proletariat. Es ist nur gut, wenn sie sich in den Gewerkschaften organisieren. Worauf man achten muss, ist, dass die vergangenen Interessen und zukünftigen Hoffnungen dieser Schichten keinen prägenden Einfluss auf die Gewerkschaftsbewegung und die Arbeiterbewegung nehmen und zur neuen Reserve für die Herrschaft von Reformismus und Revisionismus über die Arbeiterklasse werden. Das Problem, das von der 'ml'-Bewegung übrigbleibt, löst sich damit auf in ein allgemeines Problem der Entwicklung des Kapitalismus. Die Besonderheit ist hin.
Auf der anderen Seite versuchen sich die kleinbürgerlichen Interessen aus der Bewegung heraus eigene politische Organisationen zu schaffen. Dass aus den Grünen eine dauerhafte separate Organisation wird, ist eher unwahrscheinlich. Solange es sie gibt, muß man sie nehmen als das, was sie ist, eine kleinbürgerliche Organisation, die im Kampf gegen die Herrschaft der Ausbeuterklasse vielleicht für diese oder jene Forderung zum Bündnis gewonnen werden kann, der man aber nicht die Interessen der Arbeiterklasse als eigene einzureden versuchen darf.
Man soll sie auch nicht an den Interessen der Arbeiterklasse messen, sondern soll sehen, wie man in Anerkennung der kleinbürgerlichen Interessen in dieser oder jener Frage der Demokratie gemeinsame Sache machen kann. Es wäre immerhin ein Vorteil, wenn die kleinbürgerlich-demokratischen Kräfte über die kleinbürgerlich-reaktionären Kräfte in dieser Organisation die Oberhand gewinnen würden. Auch dann wird richtig bleiben, was Engels für jede revolutionäre Krise voraussah: Die Kräfte der "reinen Demokratie", das heißt der Demokratie ohne proletarischen Inhalt, werden dem Proletariat auf jedem Schritt entgegenzutreten versuchen. Der "reinen Demokratie" werden aus allen bürgerlichen Parteien Kräfte zuströmen.
Eben deshalb braucht die Arbeiterklasse keine 'ml'-Bewegung, sondern ihre eigene Partei, die allein auf den Interessen des Proletariats basiert und eben dadurch zu einer marxistisch-leninistischen Partei wird. Diese Partei konnte nicht aus der kleinbürgerlichen Bewegung heraus aufgebaut werden, auch nicht aus der 'ml'-Bewegung. Sie kann allein aus der Arbeiterklasse heraus aufgebaut werden, indem sich der Marxismus-Leninismus mit der Arbeiterbewegung verbindet. Dabei können alle revolutionären Kräfte der Gesellschaft, gerade auch die revolutionären Intellektuellen, ihren Part übernehmen. Sie tun es".
Geworben wird für den Büchervertrieb Hager, u. a. für die "Peking Rundschau", für "Women of China", "China im Bild", "China Sports", für das TO der KP Chinas: "Honqgi" und für das ZO "Renmin Ribao".
Q: KBW: Kommunismus und Klassenkampf, 8. Jg., Nr. 4, Frankfurt/M., April 1980.