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Initiativausschuss ... 1962/63

Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

Februar 1962:
Der „Initiativausschuss zur Gründung einer Sozialistischen Partei“ (IA) wird offiziell im Februar 1962 gegründet. Inoffiziell wurde er innerhalb der „Vereinigung Unabhängiger Sozialisten“ (VUS) gegründet. Geboren wurde er Anfang der 60er Jahre in den WISO-Arbeitskreisen des sozialistischen Wirtschaftswissenschaftlers und Gewerkschafters Viktor Agartz.
Quelle: Informationsbrief 53/54, S. 4ff.; N. J. Ryschkowski: Die linke Linke, München 1968, S. 40

Februar 1962:
Der Vorstand des „Initiativausschusses zur Gründung einer Sozialistischen Partei“ (IA) gibt (vermutlich im Februar) die erste Nummer des „Informationsbriefes“ (IB) heraus (vgl. Juli 1963).
Q: Zeitschriftendatenbank (ZDB)

April 1962:
Vermutlich im April erscheint eine „Programmatische Erklärung“ des „Initiativausschuss zur Gründung einer Sozialistischen Partei“ (IA). An der Abfassung beteiligt waren Viktor Agartz, G. Bessau und Siegfried Markowski.
Q: IB, 30, S. 2; IB 53/54, S. 4ff.

Juli 1963:
Der Vorstand des Initiativausschusses zur Gründung einer Sozialistischen Partei (IA) gibt die Nummer 4 des „Informationsbriefes“ (IB) heraus (vgl. 1962, Aug. 1963). Er enthält die Artikel:
- Siegfried Markowski: Über die Möglichkeit oder Unmöglichkeit sozialistischer Politik
- Bernhard Kelb: Gefangen [über das neue Statut der illegalen KPD]
Q: Informationsbrief, Nr. 4, Juli 1963

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August 1963:
Der Vorstand des Initiativausschusses zur Gründung einer Sozialistischen Partei (IA) gibt die Nummer 5 des „Informationsbriefes“ (IB) heraus (vgl. Juli 1963, Sept. 1963). Er enthält die Artikel:
- Siegfried Markowski: Die unabänderlichen Folgen einer abhängigen Politik [zu DFU und SED/KP]
- Werner Krennrich: Über die Bauernfrage
- Henri Villon: Die Abendländische Kultur oder die Slum-Millionäre aus London
- Kuske: Auszug aus einer Rede zum 1. Mai 1963
Q: Informationsbrief, Nr. 5, August 1963

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September 1963:
Der Vorstand des Initiativausschusses zur Gründung einer Sozialistischen Partei (IA) gibt die Nummer 6 des „Informationsbriefes“ (IB) heraus (vgl. Aug. 1963, Nov. 1963). Er enthält die Artikel:
- Siegfried Markowski: Marx und Engels an … die westdeutsche Linke
- Werner Krennrich: Tendenzen … oder Automation und Arbeiterklasse
- Werner Krennrich: Unzufriedene junge Arbeitnehmer
- Die Redaktion: Lieber Leser! [über den Werbeversand des IB]
Q: Informationsbrief, Nr. 6, September 1963

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September 1963:
Der Vorstand des Initiativausschusses zur Gründung einer Sozialistischen Partei (IA) gibt das „Manifest einer neuen Sozialistischen Partei“ heraus. Verfasst wurde es wesentlich von Siegfried Markowski, gebilligt wurde es auf einer Mitgliederversammlung des IA im Herbst 1963:

„Manifest einer neuen Sozialistischen Partei

Angesichts der Tatsachen,

hat der „Initiativausschuß“ das nachfolgende „Manifest einer neuen Sozialistischen Partei“ verfaßt und der Öffentlichkeit übergeben.

Außer unseren organisatorischen Statuten bildet es die Grundlage für den Erwerb der Mitgliedschaft und der aktiven politischen Mitarbeit in unserer Organisation.

Unser Nahziel ist der sofortige Aufbau einer sozialistischen Kraft, die die erstarrten Fronten der deutschen Innen- und Außenpolitik in Bewegung bringt und in dynamischer Weise konsequent und unbestechlich die Interessen der Arbeiterschaft vertritt.

Unsere Antwort an die Herausforderung dieser Zeit lautet daher:

Schaffung einer echten, nach allen Seiten hin unabhängigen und kritikfähigen Sozialistischen Alternative!

Der „Initiativausschuß“ ist entschlossen, sich mit grenzenloser Zähigkeit von allen Abhängigkeiten politisch-organisatorischer und finanzieller Art freizuhalten. Wir denken vor allem daran, unabhängig zu bleiben von den Einflüssen der Apparate der KP, SED, der Sozialdemokratie und der bürgerlichen Parteien. Die politische Aktion von Sozialisten unseres Volkes muß völlig frei sein von Bevormundung, Gängelung und sonstigen Praktiken der Beeinflussung, um glaubhaft, ehrlich und entschlossen ihre Politik gegen die Herrschenden zu proklamieren.

Die neue Sozialistische Partei steht fest auf dem Boden dieser Verfassung. Sie wird sich jedoch nicht scheuen, überall dort auf demokratischem Wege Grundgesetzänderungen durchzusetzen, wo die Verfassung nicht im Einklang steht mit den Interessen der großen Mehrheit unseres Volkes.

Der Vorstand



Der Klassencharakter der kapitalistischen Ordnung

Die kapitalistische Wirtschaftsordnung ist gekennzeichnet durch zwei wesentliche Gegensätze:

hier der Lohnarbeit - dort des Kapitals!

Beide bedingen einander und stehen doch täglich in einem mehr oder weniger unerbittlichen Kampfe gegeneinander.

Während der Lohn- oder Gehaltsempfänger über nicht anderes verfügt als seine Arbeitskraft, die er dem Kapitalisten als Ware verkaufen muß, um die notwendigen Mittel für seinen Lebensunterhalt zu beschaffen, hat die herrschende Klasse durch das Eigentum an den Produktionsmitteln eine ökonomische und politische Macht erworben, die sie jederzeit in die Lage versetzt, nach Belieben über die arbeitenden Menschen zu verfügen und deren Belange unter ihre eigenen Profitinteressen zu beugen.

Zwei Weltkriege innerhalb von 25 Jahren mit Hekatomben an Toten und Verwundeten, Witwen und Waisen waren der Preis für einen „Fortschritt“, den ausschließlich die Arbeiterschaft in aller Welt zu bezahlen hatte, während das Kapital selbst aus diesem Völkermorden noch seine unverschämten Profite zog. Nicht genug damit, konnte es in den Ländern der „freien Welt“ die bitterste Not und eine permanente Verelendung der Massen zum Teil nur dadurch verzögern oder verschleiern, indem es fast eine Milliarde Menschen in den Kolonialgebieten auf das grausamste unterdrückte, sich deren Rohstoffquellen aneignete und durch skrupellose Ausbeutung der Arbeitskräfte dieser Länder das himmelschreiende Elend der unterjochten Völker mit dem „Lebensstandard der Arbeiterschaft“ in den kapitalistischen Ländern manipulierte …

Aber die Tage des Kolonialismus sind gezählt! Die unterdrückten Völker haben sich zu einem erheblichen Teil von der Tyrannei aus eigener Kraft befreit. Wo dies noch nicht gelungen ist, befinden sie sich in einem Kampf auf Leben und Tod gegen ihre Unterdrücker. Durch diese vernichtenden Schläge gezwungen, muß das Kapital mehr und mehr dazu übergehen, seine ständig sich wiederholenden Krisen in seinen eigenen Ländern auszutragen …

Aber auch das „Wirtschaftswunder“ in einigen westlichen Ländern ist nur ein Schein! Die herrschende Ideologie einschließlich der sogenannten „Arbeiterorganisationen“ suggeriert den Menschen vermittels eines raffiniert funktionierenden „Werbesystems“ einen Lebensstandard, der in Wirklichkeit nur einer relativ kleinen Schicht zugutekommt und lediglich an die niedersten Instinkte der Habgier und des blinden Egoismus appelliert. Sie verschweigt wohlweislich, daß der „Besitz“ von Auto, Fernsehen oder Kühlschrank weniger eine Frage des Lebensstandards ist, sondern des allgemeinen technischen Fortschrittes, der wiederum auf der Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft beruht. Die inhumanen Gesetze einer solchen Wirtschaftsordnung lassen sich jedoch selbst in „Konjunkturzeiten“ nicht übersehen:

… ständige Unsicherheit auf Grund schwindelerregender Preissteigerungen – daraus resultierendem permanentem Kaufkraftverlust des Geldes — wucherische Mietpreise — zerrüttete Familienverhältnisse durch notwendige Mitarbeit vieler Ehefrauen — eine erhebliche Anzahl von Oberstunden, um wenigstens „etwas“ am Wirtschaftswunder teilzuhaben … eine Verelendung in sämtlichen geistigen, kulturellen und wissenschaftlichen Disziplinen — und schließlich ein erbärmliches Los von Rentnern, die einst durch ihre Arbeitskraft den gesellschaftlichen Reichtum mehrten und den Rest ihres Lebens in oft kümmerlicher Weise verbringen müssen.

Der Mensch aber ist ein gesellschaftliches Wesen; die Entfaltung seiner mannigfachen Anlagen und Fähigkeiten ist nur in der Gesellschaft und durch die Gesellschaft möglich. Die sozialistische Theorie geht von der Grunderkenntnis aus, dass

der Mensch das höchste Wesen für den Menschen ist!

Aus diesem Grunde lautet unsere Hauptforderung:

1. alle Verhältnisse zu ändern, in denen der Mensch ein geknechtetes, seiner wahren Bestimmung entfremdetes, erniedrigtes Dasein führt.


Demokratie und Staat

Die Reduzierung der formalen bürgerlichen Demokratie auf die turnusmäßige Abhaltung von Wahlen ist nicht identisch mit dem Wesen einer sozialistischen Demokratie, in der auf dem Wege über die Beteiligung aller schaffenden Menschen an den Selbstverwaltungsorganen und der selbstverantwortlichen Mitbestimmung in der Wirtschaft die Herrschaft durch das Volk und für das Volk ausgeübt wird.

Das Ziel unserer Partei besteht … nicht in der Aufhebung, sondern in der Verwirklichung der Demokratie. Zur Realisierung dieser Ziele fordern wir:

2. Durch freie Wahlen geschaffene regionale Selbstverwaltungsorgane, die ihre Vertreter in direkter Wahl durch das Volk in das Bundesparlament entsenden. Länderregierungen und Länderparlamente sind abzuschaffen, da sie in unnützer Weise die Staatsausgaben belasten;

3. die nur formal bestehende Souveränität des Volkes ist durch Einführung der plebiszitären Demokratie zu realisieren. Nur auf dem Wege über Volksentscheide ist die Bevölkerung in der Lage, Mittel und Wege der Innen- und Außenpolitik entscheidend zu bestimmen;

4. um die Rechtsunsicherheiten und den wiederholt betriebenen Mißbrauch mit der Verfassung zu beseitigen, sind alle höheren Beamten einschließlich der Richter durch das Volk zu wählen;

5. die politische Justiz ist zu beseitigen, Verfassungsschutzämter sind aufzulösen. Ob eine Handlung gegen die Verfassung verstößt, entscheidet allein das Volk durch seine gewählten Vertreter;

6. jegliche Notstandsgesetzgebung wird abgelehnt, da die bestehenden Gesetze für den Fall der äußeren oder inneren Not ausreichend sind;

7. alle belasteten Nationalsozialisten sind aus verantwortlichen öffentlichen Positionen zu entfernen;

8. um dem demokratischen Selbstbestimmungsrecht des Volkes voll Rechnung zu tragen, ist ein Wahlgesetz einzuführen, das dem Grundgesetz entsprechend allen politischen Organisationen eine freie Entfaltung und gleiche Startchancen gewährt. Die 5%-Klausel ist undemokratisch und daher abzuschaffen;

9. ein Gesetz zur Offenlegung der Parteienfinanzierung und die Beteiligung sämtlicher politischer Organisationen im Verhältnis zum Prozentsatz der auf sie bei der Bundestagswahl entfallenden Stimmen an den vom Staat zur Verfügung gestellten Geldern.


Soziale Ordnung

Die Freiheit des Menschen setzt die Möglichkeit voraus, daß er sein Leben in unabhängiger und selbstverantwortlicher Weise gestalten kann. In der kapitalistischen Wirtschaftsordnung ist der schaffende Mensch, jedoch der Willkür der Unternehmer ausgesetzt und unter die sachliche Gewalt der herrschenden Produktions- und Austauschweise subsumiert. Seine einzige Freiheit besteht gerade darin, frei von allen Produktionsmitteln, in diesem Sinne also eigentumslos zu sein …

Die planlose Produktion schleudert Massenprodukte auf den Markt und erzwingt mit ungeheurem Werbeaufwand eine künstliche Nachfrage, die wiederum die Preise in Bewegung setzt. Unter dem Druck der Konkurrenz werden die Unternehmen veranlaßt, unsinnige Investitionen anzulegen und sich in Monopolen zusammenzuschließen. Die Monopole, die teilweise die Preise auf dem Markt diktieren, erzeugen eine neue, gigantische Konkurrenz unter den Monopolen …

Um eine sinnvolle Gestaltung unserer Wirtschaft und eine planvolle Lenkung der Investitionen zu gewährleisten, sowie die unheilvollen Auswirkungen von Arbeitslosigkeit, Invalidität oder Krankheit zu beseitigen, fordern wir:

10. die Verstaatlichung aller Investitionen im Produktionsmittelbereich;

11. die Verstaatlichung der volkswirtschaftlich wichtigsten Industriezweige, der Banken und Versicherungen;

12. die Verstaatlichung von Grund und Boden;

13. die Abschaffung der Lohnsteuer und aller indirekten Steuern zum Zwecke der Erhöhung der Kaufkraft und des gesellschaftlichen Verbrauchs; eine stark progressive Staffelung der Einkommensteuer;

14. ein Gesetz, welches jedem arbeitenden Menschen die Sicherheit auf einen Arbeitsplatz garantiert;

15. ein Gesetz zur Abschaffung unverschuldeter Arbeitslosigkeit. Tritt durch besondere Umstände dennoch ein solcher Fall ein, hat der Arbeitslose Anspruch auf volle Weiterzahlung seines bisherigen Arbeitsentgeltes, das vom Arbeitgeber und einer staatlichen Unterstützungskasse je zur Hälfte aufzubringen ist.

Die notwendigen gesetzgeberischen und finanziellen Maßnahmen, um den natürlichen Anspruch eines jeden Menschen auf ausreichenden und den modernsten Anforderungen entsprechenden Wohnraum zu garantieren …;

16. die Einführung der 35-Stunden-Woche;

17. die vorzeitige Pensionierung in besonders schweren Berufen, z. B. dem Bergbau und der Seeschiffahrt ab 45. Lebensjahr;

18. die Herabsetzung des Pensionsalters in allen anderen Berufen für männliche Arbeitnehmer auf 60, für weibliche auf 55 Jahre;

19. ein Gesetz, welches jedem Rentner oder Frühinvaliden eine Rente in Höhe von 75 % seines bisherigen Arbeitseinkommens sichert …;

20. einen staatlichen Gesundheitsdienst mit kostenloser ärztlicher Betreuung, vorbeugenden Maßnahmen zur Verhinderung von Krankheiten und einen Mindestjahresurlaub von vier Wochen für alle Beschäftigten …;

21. für die Kinder aller unselbständig Beschäftigen die Errichtung von Kinderheimen, in denen die Kinder während der Arbeitszeit ihrer Eltern beaufsichtigt werden. Die Kosten hierfür übernimmt der Staat.


Landwirtschaft

Auch in unserer hochzentralisierten Industriegesellschaft ist die Landwirtschaft ein unentbehrlicher Teil der gesamten Volkswirtschaft. Die der kapitalistischen Ordnung immanenten, erbarmungslosen Gesetze der Konkurrenz stellen in naher Zukunft hunderttausende von Bauern vor die Alternative: entweder ihre unrentablen Höfe zu behalten und dabei weit unter dem Existenzminimum zu leben, oder aber ihre Höfe aufzugeben und somit ins Lumpenproletariat hinabgestoßen zu werden! …

Eine soziale Schicht, die ihre freie und selbständige Existenz auf staatliche Subventionen begründet, hat allein damit schon jede „Freiheit und Selbständigkeit“ verloren. Eine derartige „Hilfestellung“ beseitigt keine Probleme, sondern schafft neue und schwerwiegendere, die dann dem Wollen aller Beteiligten entgleiten. Eine solchermaßen radikalisierte Bauernschaft würde zum willfährigen Potential für rechtsradikale Elemente werden. Um dies zu verhindern und den bedrohten Bauern neue Wege zu weisen, fordern wir:

22. die Abschaffung aller Subventionen für die Landwirtschaft;

23. eine planmäßige Rationalisierung und Arbeitsteilung auf dem Lande;

24. den Zusammenschluß mehrerer Höfe zu freiwilligen Produktionsgenossenschaften;

25. die Aufhebung der Unterschiede zwischen Stadt und Land durch rascheste Industrialisierung des Landes …


Bildung

Um das Bildungsprivileg der herrschenden Klasse zu brechen und das bestehende Verhältnis von 5 % Studierenden aus der Arbeiterschaft zu 95 % aus anderen sozialen Schichten radikal umzukehren … fordern wir:

26. die Einführung der Gemeinschaftsschule mit zehnjähriger Grundschulbildung in Verbindung mit polytechnischem Unterricht;

27. kostenloses Studium und ausreichenden Lebensunterhalt für alle Studenten aus der Arbeiterschaft.


Außenpolitik

… Da der Klassenkampf seiner Form nach national, seinem Inhalt nach aber international ist, besteht das wichtigste Anliegen einer sozialistischen Außenpolitik in der solidarischen Verbundenheit mit den Schaffenden in allen Ländern der Welt. Der internationalen Front des Kapitals ist die einheitliche Aktion aller Sozialistischen Parteien und Gewerkschaften entgegenzustellen. Unsere besondere Sympathie und aktive Unterstützung sicher wir allen unterdrückten Völkern zu. Auf Grund seiner Jüngsten Vergangenheit trägt unser Volk eine besondere Verantwortung. Dieser können wir nur gerecht werden, indem wir in unserer gesellschaftlichen Praxis alle Schritte unternehmen, die einen Krieg von deutschem Boden aus für alle Zeiten unmöglich machen.

Aus diesem Grunde fordern wir:

28. die Abschaffung aller Rüstungsausgaben;

29. den Austritt aus allen Militärblöcken;

30. die bedingungslose militärische Neutralität;

31. ein Gesetz zum Verbot der Herstellung, Verwendung oder Mitarbeit von und an allen thermonuklearen, biologischen und chemischen Waffen;

32. den Abschluß eines Nichtangriffspaktes mit allen Nationen.


Wiedervereinigung

Die staatliche Teilung Deutschlands hat ihre Ursache in dem durch das Dritte Reich im Auftrage oder mit Unterstützung des Großkapitals ausgelösten Zweiten Weltkriegs. Die Liquidierung dieser Ursachen ist der entscheidenste Schritt auf dem Wege zu einer Wiedervereinigung der beiden durch die Siegermächte etablierten deutschen Staaten.

Die im Zuge dieser Entwicklung vorgenommene Abtrennung der ostdeutschen Gebiete ist kein Ruhmesblatt in den Annalen der Geschichte jener Länder, die den Aufbau des Sozialismus in ihren Bereichen proklamieren und widerspricht allen sozialistischen Kategorien. Diese Annexionen durch die Sowjetunion bzw. Polen haben der westdeutschen Arbeiterschaft einen schweren Schaden zugefügt, ihre Wirkungsmöglichkeiten entscheidend eingeengt und mit dazu beigetragen, Westdeutschland in die Arme des Monopolkapitals zu treiben …

Die Siegermächte werden aus ökonomischen, politischen und militärischen Gründen keinerlei Interessen an einer Wiedervereinigung zeigen, solange das deutsche Volk seine Geschichte nicht in die eigenen Hände nimmt. Um den realen politischen Möglichkeiten Rechnung zu tragen und Etappen zur Realisierung dieses Zieles aufzuzeigen, fordern wir:

1. die Anerkennung des Provisoriums der DDR durch das Provisorium der Bundesrepublik;

2. die Bildung eines gesamtdeutschen Arbeitsausschusses, bestehend aus den Vertretern der westdeutschen Länder und Vertretern der den früheren mitteldeutschen Länder entsprechenden Regionalbezirke. Die Zusammensetzung des Ausschusses erfolgt paritätisch.

Der gesamtdeutsche Arbeitsausschuß hat die Aufgabe, eine Volksbefragung in beiden Teilen Deutschland vorzubereiten, ob

a) die Bevölkerung Mittel- und Westdeutschlands damit einverstanden ist, daß die beiden provisorischen Regierungen der DDR und der BR in Verhandlungen über eine mögliche, stufenweise Wiedervereinigung eintreten und

b) daß Vertreter aller Parteien aus West- und Mitteldeutschland zusammentreffen mit dem Ziel der möglichen Bildung eines gesamtdeutschen parlamentarischen Rates.

Die Kontrollmöglichkeiten über die freie Entscheidung der Bürger zu diesen Fragen sind von dem Arbeitsausschuß fest zu umreißen.

3 a) Der gesamtdeutsche parlamentarische Rat hat die Aufgabe, eine gesamtdeutsche Verfassung auszuarbeiten und eine Kommission zu beauftragen, Richtlinien über den militärischen Status Gesamtdeutschlands für die Zeit nach der Wiedervereinigung den vier Siegermächten in Vorschlag zu bringen. Parallel hierzu sollen die Großmächte Verhandlungen führen über ein europäisches Sicherheitssystem nach den bisher vorliegenden Plänen (Rapacki, Gaitskell, Kennan u. a.).

3 b) Volksentscheid für die gesamtdeutsche Verfassung.

4. Für die Zeit bis zur Durchführung gesamtdeutscher Wahlen hat der parlamentarische Rat dafür Sorge zu tragen, daß die Freizügigkeit der Parteien, der Gewerkschaften und der Presse gewährleistet ist.

Die Entscheidungen des Rates, die nach Möglichkeit einstimmig gefaßt werden sollten, werden an die Länderparlamente zur Abstimmung weitergeleitet. Erfolgt in den Länderparlamenten oder den Regionalbezirken eine Ablehnung dieser Entscheidungen, so findet darüber eine Volksbefragung statt.

5. Durchführung freier Wahlen und Bildung einer gesamtdeutschen Regierung.

6. Die gesamtdeutsche Regierung unterzeichnet den Friedensvertrag der schon zwischen den Siegermächten und einer Kommission des parlamentarischen Rates formuliert und zur Volksabstimmung gestellt werden kann.


Partei und Gewerkschaft

… Wesentliche Anliegen der Gewerkschaften als Teil der Arbeiterbewegung müssen sein:

Kampf um echte Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der gesamten Wirtschaft und im sozialen Bereich — ständige Aufklärung der Arbeiterschaft über die Ursachen des kapitalistischen Wirtschaftssystems — Schutz der demokratischen Rechte aller Schaffenden — Kampf für die Verwirklichung der sozialistischen Demokratie.

Das Streikrecht ist als unverkäufliches Recht der Arbeiterschaft unantastbar.

Der Kampf um eine expansive Lohnpolitik, die Herabsetzung der Arbeitszeit, Gesetze zum Schutz der Arbeitslosigkeit usw. gehen dem Kapitalismus an den Lebensnerv. Es ist also zu erwarten, daß die Kapitalistenklasse aufhört, von „rein wirtschaftlichen“ Kämpfen zu reden und die Staatsgewalt als „neutrale“ Macht zu erklären. Es ist das Ziel der Bourgeoisie, mit Hilfe der Notstandsgesetzgebung die politischen Gewalten unverhüllt in den Dienst der ökonomischen Ausbeutung zu stellen. …

Um dem Mißtrauen weiter Teile der Arbeiterschaft vor neuem Bonzentum zu begegnen, fordern wir für die allgemeine Arbeiterbewegung, d. h. Sozialistische Partei und Gewerkschaften:

1. die Wahl sämtlicher Vorstandsmitglieder, Generalsekretäre und Sekretäre durch die Mitgliedschaft;

2. die hauptamtlich angestellten Kräfte in der Arbeiterbewegung sind nicht dem Vorstand, sondern der Mitgliedschaft verantwortlich;

3. übernimmt eine hauptamtlich angestellte Kraft ein Parlamentsmandat, ruht die Gehaltszahlung für die Dauer der Wahlperiode;

4. die Benennung und Wahl für ein Aufsichtsratsmandat erfolgt durch die Mitgliedschaft;

5. Aufsichtsratsvergütungen sind nach Abzug einer Unkostenpauschale einem von der Gewerkschaft oder der Arbeiterpartei zu errichtenden Kampffonds zur Verfügung zu stellen;

6. das Gehalt eines hauptamtlich angestellten Funktionärs der Arbeiterbewegung darf den Spitzenlohn eines Facharbeiters nicht übersteigen; Überstundenvergütungen sind zu gewähren …

Die neue Sozialistische Partei stellt sich die Aufgabe der Aufklärung und Propagierung des sozialistischen Gedankengutes und der Organisierung aller Kräfte mit dem Ziel der Errichtung einer konsequent sozialistischen Ordnung auf demokratischer Grundlage, in der die freie Entfaltung des Einzelnen die Bedingungen schafft für die Entwicklung der Freiheit aller!

Dieses Manifest wird auf einem Parteitag in seiner endgültigen Fassung verabschiedet werden.

September 1963

Initiativausschuß zur Gründung einer Sozialistischen Partei“

Q: Manifest einer neuen Sozialistischen Partei, September 1963; IB 30, S. 2; IB 53/54, S. 4ff.

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November 1963:
Der Vorstand des Initiativausschusses zur Gründung einer Sozialistischen Partei (IA) gibt die Nummer 8 des „Informationsbriefes“ (IB) heraus (vgl. Sept. 1963, Feb. 1965). Er enthält die Artikel:
- Henri Villon: Die Ideologie der Betriebsgemeinschaft und der human relations
- Siegfried Markowski: Nach Adenauers Rücktritt
- Henri Villon: Gespräch mit Dr. Thomas Dehler

Zum Ende des IB weist die Redaktion auf das soeben erschienene „Manifest einer neuen Sozialistischen Partei“ hin.
Q: Informationsbrief, Nr. 8, November 1963

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