Januar 1966:
Laut 'SDS-Korrespondenz' legt der Bundesvorstand des SDS (1. Vorsitzender Helmut Schauer) seine "Überlegungen für einen Studentenkongreß, Vietnam - Analyse eines Exempels" (vgl. 21.1.1966) vor. Darin heißt es u.a.:"
Die bisherigen kritischen Äußerungen zur amerikanischen Vietnam-Politik beschränken sich weitgehend entweder auf humanitäre oder aber auf unmittelbar politische Argumentation. Ein weitergehender Begriff, eine analytische Erklärung jener Entwicklung ist bislang im breiterem Kreise kaum sichtbar geworden. Das ist nicht nur der Mangel an einer lebendigen, modernen Imperialismustheorie. Die fehlende marxistische Analyse wird sich aber auf die Dauer als praktischer Mangel erweisen, weil die Schwäche der Linken der Bundesrepublik zur Resignation treibt, wenn deren Ursachen nicht reflektiert und die gegenwärtige Aktivität in den Zusammenhang weitgespannter sozialistischer Perspektiven gestellt werden. … Die besondere Aufgabe des SDS besteht vielmehr darin, denen die unter der Entwicklung in Vietnam und der amerikanischen Politik dort leiden, die Vorgänge dort zu erklären und damit ein sozialistisch-wissenschaftliches Verständnis ihrer eigenen Lage vorzubereiten."
Der Vietnam-Kongreß soll nach erster Einschätzung im Mai stattfinden. Man erwartet ca. 1 000 Teilnehmer aus der ganzen 'BRD'.
Q: SDS-Korrespondenz Nr. 2, Frankfurt Juni 1966, S. 3f
21.01.1966:
Laut 'SDS-Korrespondenz' findet "eine Bundesvorstandssitzung der Höchster Verbände statt. Der BV des SDS teilt mit, daß er einen Vietnam-Kongreß erwäge. Er schlägt vor, vorläufig erst einmal zu prüfen, ob als gemeinsame Plattform der Veranstalter eines solchen Kongresses die vom Argument-Club in Westberlin initiierte 'Erklärung gegen den Krieg in Vietnam' angenommen werden könne" (vgl. Jan. 1966, 4.2.1966).
Q: SDS-Korrespondenz Nr. 2, Frankfurt Juni 1966, S. 5
04.02.1966:
Laut der 'SDS-Korrespondenz' werden in München und Westberlin illegale Plakate zum Thema Vietnam (vgl. 21.1.1966, 5.2.1966) mit folgendem Text geklebt:"
Erhard und die Bonner Parteien unterstützen Mord. Mord durch Napalmbomben! Mord durch Giftgas! Mord durch Atombomben! Die US-Aggression in Vietnam verstößt nicht gegen die Interessen des demokratischen Systems: Wer es wagt, sich aufzulehnen gegen Ausbeutung und Unterdrückung, wird von den Herrschenden mit Brutalität niedergemacht. Die Völker Asiens, Afrikas und Lateinamerikas kämpfen gegen Hunger, Tod und Entmenschlichung. Die ehemaligen Sklaven wollen Menschen werden. Kuba, Kongo, Vietnam - die Antwort der Kapitalisten ist Krieg. Mit Waffengewalt wird die alte Herrschaft aufrecht erhalten. Mit Kriegswirtschaft wird die Konjunktur gesichert. Ost und West arrangieren sich immer wieder auf Kosten der wirtschaftlich unterentwickelten Länder. Jetzt bleibt den Unterdrückern nur noch der Griff zur Waffe. Für sie heißt Zukunft: Revolution! Wir sollen den Herrschenden beim Völkermord helfen. Deshalb beschwören sie das Gespenst der gelben Gefahr. Wie lange noch lassen wir es zu, daß in unserem Namen gemordet wird? Amis raus aus Vietnam - Internationale Befreiungsfront!"
Beim Kleben der Plakate werden SDS-Mitglieder von der Polizei festgenommen.
Q: SDS-Korrespondenz Nr. 2, Frankfurt Juni 1966, S. 5
05.02.1966:
Laut der 'SDS-Korrespondenz' war für heute in Berlin eine "gemeinsame Demonstration der linken Studentenverbände gegen die US-Intervention in Vietnam" geplant. Einige Studentenverbände verlangen zuvor jedoch die Distanzierung des SDS Bundesvorstandes (BV) von der Klebeaktion vom Vortag. "Der BV erfährt von der Verhaftung der SDS-Mitglieder am nächsten Tage durch die Presse und durch die Forderung einiger Genossen gegen die beteiligten Mitglieder durch Suspension von ihren Mitgliedschaftsrechten eine Untersuchung einzuleiten." Der BV erklärt die Plakataktion als unvereinbar mit der Vietnam-Politik des SDS, lehnt aber ein Ausschlußverfahren ab. Trotzdem kommt es in Westberlin zu der bisher größten Vietnam-Demonstration (vgl. 9.2.1966). "Die von einer Gruppe Demonstranten nach der großen Demonstration gegen die US-Interventionsgegner gegen das Amerika-Haus geworfenen Eier und die auf Halbmast gesetzte Flagge der USA sorgen für eine gewisse Publizität und liefern das Material für eine wilde Hetze, insbesondere der Springer-Presse in Westberlin gegen linke Studenten überhaupt. Es gelingt auf diese Weise die Koalition der Verbände zu spalten."
Q: SDS-Korrespondenz Nr. 2, Frankfurt Juni 1966, S. 5
09.02.1966:
Laut der 'SDS-Korrespondenz' spricht auf einem jour-fix in Westberlin der 1. Vorsitzende des SDS, Helmut Schauer, "zur aktuellen Politik des SDS" (vgl. 5.2.1966, 13.2.1966). "Die Diskussion richtet sich vor allem auf das Problem von Legalität und Illegalität. Es stehen sich beiderseits einigermaßen unklare aber äußerst emotional bestimmte Positionen gegenüber, wobei die Differenzen vordergründig als solche zwischen der älteren und der jüngeren, aktiveren Generation des SDS erscheinen. Die Plakataktion und ihr Inhalt findet auch bei den an ihr Beteiligten keine Fürsprecher, die ihr zugrundeliegende Stimmung wird aber in der symptomatischen Bemerkung deutlich, die Vietnam-Demonstration habe sich durch die Aktion vor dem Amerika-Haus 'aus der Legalität' gelöst. Dem wird die politische Konzeption entgegengehalten, daß die Rechtsnormen kein Abstraktum, sondern ein Mittel und Ansatzpunkt unserer Politik gerade dort seien, wo die Herrschenden gegen sie verstoßen und sie in ihrem Interesse brechen. Ganz falsch sei es aber, aus der Krise der politischen Demokratie die Schlußfolgerung zu ziehen, daß es nur darauf ankäme, sich auf die Illegalität vorzubereiten, indem man sie akzeptiert. Selbst wenn man mit dieser Möglichkeit rechne, gäbe es nur eine Vorbereitung darauf, nämlich den Kampf für die Legalität und insbesondere die Disziplinierung der eigenen Kräfte für diesen Kampf."
Q: SDS-Korrespondenz Nr. 2, Frankfurt Juni 1966, S. 5f
13.02.1966:
Laut der 'SDS-Korrespondenz' findet in Berlin auf der Vollversammlung des SDS Landesverbandes die Fortsetzung der Diskussion über "die Politik des SDS" (vgl. 9.2.1966, 24.2.1966) statt. "Ein Referat von Rudi Dutschke löst eine ausführliche Diskussion aus über deren Fortsetzung in Arbeitskreisen etc. man sich einig war. Von der Neuwahl des LV erhofft man sich eine nun wieder funktionsfähige, aktivere und politisch bewußtere Zentrale. Davon ausgehend, daß das politische Verhalten auch einzelner SDS-Mitglieder verbindlich an der politischen Diskussion und Position des Verbandes orientiert sein müsse, beschließt die MV eine Verpflichtung der Mitglieder vor der Beteiligung an politisch relevanten Aktionen den LV zu informieren. Die MV wird allerseits als produktiv und für die Zusammenarbeit insbesondere auch zwischen älteren und jüngeren SDS-Mitgliedern gedeihlich beurteilt. Der BV bittet nach der Vollversammlung wiederholt um das Referat und eine Zusammenfassung der Diskussion zur Publikation im Verband. Ohne Erfolg."
Q: SDS-Korrespondenz Nr. 2, Frankfurt Juni 1966, S. 6
24.02.1966:
Laut der 'SDS-Korrespondenz' findet anläßlich "eines Besuchs des BV in Berlin … eine ausgedehnte Diskussion mit den Genossen Dutschke, Horlemann, Fichter, Schmidt u. a. statt, bei der insbesondere über den Vietnam-Kongreß und seine politischen Implikationen gesprochen wird" (vgl. 13.2.1966, 26.2.1966).
Q: SDS-Korrespondenz Nr. 2, Frankfurt Juni 1966, S. 6
Juni 1966:
Die Nr. 2 der 'SDS-Korrespondenz' (vgl. Jan. 1966, Okt. 1966) erscheint mit "Materialien und Informationen zur Vietnam-Politik des SDS". In der "Vorbemerkung" des Bundesvorstands (BV) wird darauf verwiesen, daß die Korrespondenz "Materialien über Probleme dieser Politik" liefert. "Darüberhinaus soll die Darstellung der Vorgeschichte des Vietnam-Kongresses die Diskussion über die erste gemeinsame Veranstaltung der Opposition gegen die Vietnampolitik der USA in der Bundesrepublik erleichtern."
Enthalten sind in Form einer Chronologie:
- "Vorüberlegungen für einen Studentenkongreß: Vietnam - Analyse eines Exempels" (vgl. Jan. 1966);
- "Besprechung mit den 'Höchster Verbänden'" am 21.1.1966;
- "Plakat-Aktion in Berlin und München" am 4.2.1966;
- "Gründung des 'Westeuropäischen Studentenkomitees für den Frieden in Vietnam'" am 26./27.2.1966;
- "Brief des LV-Berlin an den US-Botschafter in der BRD" über die Gründung des Komitees;
- "BV-Sitzung" am 5./6.3.1966;
- die Unterstützung durch die Naturfreundejugend (NFJ) vom 8.3.1966;
- "Gemeinsame Bundesvorstandssitzung des SHB und SDS" am 29.3.1966;
- "SDS-Info Nr. 11" vom 31.3.1966;
- "Flugblatt an die Ostermarsch-Teilnehmer";
- "Gruppenvorsitzendenkonferenz: Gegenvorschlag des SDS-Köln zum Kongreß-Programm" vom 16.4.1966;
- "Gegenvorschlag des SDS-Tübingen zum Kongreß-Programm" vom 28.4.1966;
- "Zweite gemeinsame Bundesvorstandssitzung von SHB und SDS" am 26.4.1966;
- "Rücktritt des SHB von der Mitveranstaltung" am 1.5.1966;
- "Rundschreiben Nr. 5 des BV" vom 4.5.1966;
- "Gegenvorschlag des LV-Berlin zum Kongreß-Programm", die am 5.5.1966 beim BV eintraf;
- "Diskussion des LV-Berlin mit Frank Deppe" am 8.5.1966;
- "Flugblatt des LV-Berlin", die 'Informationen über Vietnam und Länder der Dritten Welt' Nr. 1 vom Mai 1966;
- "Reaktion des BV vor der Verteilung des Flugblattes" am 8.5.1966;
- "Mitgliederversammlung des SDS-Frankfurt" am 9.5.1966;
- "Gespräch des verantwortlichen Flugblatt-Redakteurs mit dem 'Argument'" am 9.5.1966;
- "Beschluß der a.o. BV-Sitzung" vom 11.5.1966;
- "Einladung des LV-Berlin zu seiner Vollversammlung" vom 12.5.1966;
- "Beschluß der a.o. MV des SDS-Frankfurt" vom 12.5.1966;
- "Stellungnahme des SDS-Heidelberg zur Flugblatt-Diskussion" vom 16.5.1966;
- "SHB-Opposition gegen den SHB-Rücktritt" am 16.5.1966;
- "Landesvollversammlung in Berlin" am 18.5.1966;
- - "Bericht des LV-Berlin";
- - "Bericht des BV, Referat von H. Schauer";
- - "Erklärung zum BV-Beschluß vom 11.5.66";
- "SHB-Opposition gegen SHB-Rücktritt" am 19.5.1966;
- "A.o. MV des SDS-Frankfurt" am 21.5.1966;
- "'Vietnam - Analyse eines Exempels'" am 22.5.1966;
- "Zweite Tagung des 'Westeuropäischen Studentenkomitees für den Frieden in Vietnam'" am 23.5.1966;
- "Rücktrittsabsichten der Bundesvorsitzenden" am 23.5.1966;
- "Norman Birnbaum: Stellungnahme zum Kongreß" vom 24.5.1966;
- "Stellungnahmen zur Flugblatt-Diskussion: SDS-Freiburg, SDS-Marburg" vom 26.5.1966;
- "Brief von Rainer Haase an Elmar Altvater" vom 26.5.1966;
- "Aufgabe der Rücktrittsabsichten" am 27.5.1966;
- "Brief des LV-Berlin an den BV" vom 29.5.1966;
- "Stellungnahme von Fritz Lamm zur Demonstration nach dem Kongreß" vom 30.5.1966;
- "Stellungnahme des SDS-München zur Flugblatt-Diskussion" vom 6.6.1966; sowie
- "Brief von H. Schauer an U. Schmiederer" vom 9.6.1966.
Enthalten ist auch ein "Anhang zur Zeitschriften-Diskussion" mit einem Beitrag des SDS-Köln.
Q: SDS-Korrespondenz Nr. 2, Frankfurt Juni 1966