20.01.1971:
Innerhalb der Revolutionär-Kommunistischen Jugend (RKJ) der GIM erscheint das 'RKJ-Info' Nr. 10 (vgl. 11.1.1971, 31.1.1971) mit 7 Seiten DIN A 4 und Deckblatt.
Im "Beitrag des Ausschusses: Die Politisch-Historischen Aufgaben der RKJ der Kaderschule in Mannheim" heißt es u.a.:"
Ohne die bolschewistische Partei ist die Errichtung der Diktatur des Proletariats, der Aufbau des Sozialismus grundsätzlich ausgeschlossen. … Die politisch-historischen Aufgaben einer in der heutigen politischen Situation notwendigen Jugendkaderorganisation bestimmen sich aus der Notwendigkeit, die nicht vorhandene revolutionäre Partei des Proletariats aufzubauen.
Es ist daher selbstverständlich, daß die JKO anders geartete Aufgaben hat als die Jugendorganisation einer bereits bestehenden revolutionären Partei.
Dieser JKO fällt eine Doppelaufgabe zu: sie muß einerseits auf den Aufbau der revolutionären Partei des Proletariats ausgerichtet sein, andererseits bereits Aufgaben der nicht vorhandenen Partei wahrnehmen - soweit sie dazu in der Lage ist.
Die Partei des Proletariats kann nur in den Kämpfen der Klasse selber aufgebaut werden. Dabei ist sowohl die Qualität des auf diese Aufgabe ausgerichteten Programms als auch der quantitative Faktor sowie der Faktor der Öffentlichkeit für die Aufgabe der JKO, das revolutionäre Programm im Proletariat zu verankern, entscheidend.
Die JKO mit der Perspektive des Aufbaus der revolutionären Partei kann ihre Intervention nicht auf das Jugendalter beschränken, noch die gesamtgesellschaftliche Arbeit einer revolutionären Partei überlassen, eben da es diese noch nicht gibt.
Sie hat aber nicht nur die Arbeit in denjenigen Bereichen wahrzunehmen, die für eine revolutionäre Partei die gesamtgesellschaftliche Praxis darstellen würden, nämlich z.B. lediglich der Kampf gegen die Verplanung der Jugend im Ausbildungssektor, sondern diese Arbeit im Ausbildungssektor steht unter dem Vorzeichen der Gewinnung von Kadern durch die politische Praxis in diesem Bereich (im Gegensatz zur Gewinnung von Kadern durch Vorzeigen des revolutionären Programms), um über den Weg des Zum-Faktor-in-der-Öffentlichkeit-Werdens und über die quantitative Stärke verbesserte Möglichkeiten der politischen Arbeit im Proletariat, in den Kämpfen der Arbeiterklasse zum politischen Faktor, zur revolutionären Alternative werden zu können, was es ihr ermöglicht, sich mit Recht revolutionäre Partei des Proletariats zu nennen.
Dem muß ihre Praxis in ihren sämtlichen Interventionsbereichen untergeordnet sein. Von daher bestimmt sich der Stellenwert der Praxis der JKO in den einzelnen Interventionsbereichen."
In einer Vorbemerkung zum zweiten Beitrag heißt es:"
Der folgende Beitrag befaßt sich mit der Jour-Fix-Frage. Die Diskussion über den Jour-Fix sollte in den Gruppen sofort aufgenommen werden, um ein einheitliches Vorgehen während des Frankfurter Lehrlingskongresses zu ermöglichen. Düsseldorf (vgl. 28.11.1970, d.Vf.) sollte uns eine Lehre sein."
Eine Einladung nach Frankfurt (vgl. 13.2.1971) nimmt die letzte Seite ein, davor heißt es:"
ZUR DISKUSSION: 'JOUR FIX'
(Erweiterte Fassung des Beitrags aus dem Rundbrief 29 (der GIM, d.Vf.); man vergleiche auch die Beiträge über JF im RKJ-Info 8.)
Der JF ist weder eine politische Gruppe, noch eine Vorfeldorganisation. Er stellt einen neuartigen - wenn auch inspirierten - Versuch der Selbstorganisation von Lehrlingen dar, die ihre Interessen nicht zur Genüge durch die Gewerkschaften vertreten sehen. Es beteiligen sich aber auch Schüler - vereinzelt Studenten - am JF, so daß hier die verschiedenen Interventionssektoren zusammentreffen.
Gerade das Beispiel des JF in Hamburg zeigt, daß es sehr wohl möglich ist, daß Schüler und Lehrlinge zumindest bei Berufsschulproblemen auch ohne große theoretische Vorarbeiten können.
Der JF ist nicht auf eine Einzelgewerkschaft, eine Branche oder einen Betrieb beschränkt, um jedes Aufkommen von nur Standesinteressen zu verhindern. Individuelle Problemstellungen werden so in der Praxis als Kollektivprobleme erkannt und bewirken ein selbstverständliches Einüben in solidarische Haltungen.
Außerdem gibt es noch einen ganz pragmatischen Grund, den JF im Rahmen des DGB zu organisieren und nicht als Teil einer Einzelgewerkschaft: normalerweise ist es einfacher, sich Ellenbogenfreiheit für Aktionen dort zu verschaffen, wo nicht direkt die Interessen der Bürokratie der Einzelgewerkschaften berührt werden, wo keine fest installierten Gremien bestehen, die befürchten, man könne in ihren Kompetenzbereich eindringen.
Der JF stellt zumindest am Anfang den Ansatz einer spontanen - also noch nicht organisierten - gewerkschaftlichen Fraktion von Lehrlingen dar, auch wenn sie, um dem Druck der Bürokratie nicht unmittelbar ausgesetzt zu sein und ihre Autonomie zu wahren, sich außerhalb des institutionellen gewerkschaftlichen Rahmens (wenn auch oft in den Räumen der Gewerkschaften) versammeln.
Wenn wir für den offenen JF plädieren, so bedeutet das, daß mitarbeiten können sowohl alle politischen Gruppierungen, die bereit sind, sich den inhaltlichen Anforderungen offener Strukturen unterzuordnen (zum Beispiel kein Stimmvieh anzuschleppen u.a.m.), als auch zum Beispiel Schüler und Studenten, die wirklich an den Problemen der beruflichen Ausbildung konkret mitarbeiten wollen.
Der JF muß auch von uns unbedingt als eigener Rahmen der organisierten Intervention im Lehrlingsbereich gewahrt bleiben. Durch aktive Mitarbeit im JF, durch die Organisierung von Aktionen zusammen mit den Lehrlingen aufgrund der von ihnen erarbeiteten Vorschläge setzt unvermeidlich ein Lernprozeß bei den Lehrlingen ein, der sie langsam politisiert und in ihnen das Bedürfnis nach einer gesamtgesellschaftlich intervenierenden Organisation weckt. Es muß unbedingt vermieden werden, im Rahmen des JF als bloße Konkurrenzorganisation zu anderen Organisationen aufzutreten; es kommt vielmehr darauf an, die Lehrlinge ihre eigenen Erfahrungen machen und reflektieren zu lassen und diese schrittweise mit ihnen zu vollziehen. Die sich politisierenden Mitglieder des JF werden sich dann denen nähern, die ihnen zum Verständnis ihrer Erfahrungen am meisten geholfen haben. Mit ihnen kann man den Kampf auf eine höhere politische Ebene überleiten.
Erstes Ziel des JF sollte es sein, ihn von einer unbewußten gewerkschaftlichen Fraktion zu einer bewußten zu machen. Man muß darum auch bemüht sein, jüngere Arbeiter und Angestellte - die potentiell am besten politisierbar sind - für die Arbeit im JF zu gewinnen.
Um nicht in einen sterilen Ökonomismus zu verfallen oder unterschwellig unser ganzes Programm anzubieten, sollte man versuchen, folgenden Weg zu beschreiten:
Ausgehend von
1) den Problemen der Demokratisierung der Gewerkschaften,
2) den spezifischen ökonomischen und gesellschaftlichen Fragen der Lehrlinge, der jungen Arbeit und Angestelten (aber auch der Schüler) überhaupt,
3) den politischen Problemen, die sich den Jüngeren besser vermitteln lassen als den Alten (Kampf gegen Kapitalismus und Imperialismus, für Sozialismus und Kolonialrevolution),
muß man versuchen, in bedingter Zusammenarbeit mit 'fortschrittlichen' gewerkschaftlichen Jugendfunktionären eine gemeinsame gewerkschaftspolitische Plattform zu schaffen. Diese muß von allen diskutiert und angenommen werden. Zu ihrer Durchsetzung innerhalb der Gewerkschaft ist für jeden einsehbar koordiniertes Handeln (also eine 'Fraktion') unerläßlich.
Der JF darf nicht zum Anhängsel einer politischen Gruppe werden. Er muß seine völlige Autonomie als 'offene Organisation' wahren. Das bedeutet in der Praxis, daß gewerkschaftlich nicht organisierten Teilnehmern dort zum ersten Mal gewerkschaftliches Bewußtsein vermittelt wird, sie sich in der Aktion aber zunehmend politisieren, der JF selbst aber für die Aufnahme neuer, bewußtseinsmäßig 'unkultivierter' Schichten der Arbeiterklasse offen bleibt. Die Aufgabe der RKJ- oder GIM-Genossen ist es, ihren Standpunkt lediglich als Mitglieder des JF überzeugend zur Diskussion zu stellen. Nur durch ihre besseren Argumente, durch die Alternativen, die sie anbieten, und durch ihr konsequenteres Handeln werden sie das Vertrauen der Mehrheit des JF in ihre Politik gewinnen können.
Nur wenn RKJ und GIM versuchen, zu überzeugen statt zu überfahren, werden sie im JF feste Bundesgenossen finden, die für die kommenden Klassenauseinandersetzungen von größter Bedeutung sein können.
Je nach dem politischen Kräfteverhältnis am Ort kann eine RKJ-Gruppe über die Mitarbeit im oder Schaffung eines JF wichtige Kräfte für den Aufbau der RKJ bzw. entscheidenden Einfluß im JF gewinnen.
Trotz der allgemeinen Strategie zur Schaffung eines JF überall dort, wo es möglich ist, müssen je nach den örtlichen Verhältnissen die taktischen Schritte jeweils neu bestimmt werden, damit nicht andere von unserer Arbeit profitieren oder die Zerstörung des JF betreiben.
Allerdings treibt der fast unausbleibliche Versuch anderer Organisationen, nach einer gewissen Aufbauphase den JF in den gewerkschaftlichen Apparat zu integrieren und dadurch seinen Charakter als autonome Organisation zu zerstören, einen großen Teil der Mitglieder des JF auf unsere Seite, wenn wir von Anfang an solche Manöver bekämpfen. Ebenso werden ultralinke Versuche, den Jour Fix als Rekrutierungsfeld zu behandeln, unserer Position zugute kommen, falls sie kompetent vertreten wird.
Warum JF-Arbeit?
Wir können als Organisation mit dem Ziel, uns als revolutionäre Avantgarde der Jugend zu qualifizieren, nicht nur die historischen Interessen der Arbeiterklasse im Bereich der Lehrlinge, Schüler und Studenten vertreten, sondern müssen versuchen, auf allen Ebenen für die Interessen vor allem der Arbeiterjugend zu kämpfen. Dies auch dann, wenn der Einsatz für die Probleme der Ausbildung nur mittelbar politische Qualität besitzt. Nur im direkten Kontakt auch mit nicht bzw. noch nicht politisierten Lehrlingen und in Konkurrenz mit Genossen aus anderen Organisationen können wir unsere Theorie in der Aktion bestätigen oder korrigieren. Nur so kann unsere Organisation dauerhafte Ansätze zur Verankerung im Jugendmilieu finden."
Q: RKJ: Info Nr. 10, Hamburg 20.1.1971