Spartacus - Zentralorgan der Kommunistischen Jugendorganisation Spartacus, Jg. 3, Nr. 24, Nov. 1971

November 1971:
Die KJO Spartacus gibt die Nr. 24 ihres 'Spartacus' (vgl. 4.10.1971, Jan. 1972) heraus mit dem Inhalt:
- "IGM-Gewerkschaftstag - Schulter an Schulter…";
- - "Der 10. ordentliche Gewerkschaftstag der IG-Metall";
- - "…in der konzertierten Aktion…";
- - "…gegen die politischen Rechte der Arbeiterklasse…";
- - "Gewerkschaftstag ohne Perspektiven";
- "BVG-Kampagne in Baden-Württemberg: Aktionseinheit gegen das Betriebsverfassungsgesetz!" zum BVG;
- - "Die Ausgangslage und die Konzeption";
- - "Die politische Landschaft" zu DKP, KAB(ML) und KPD/ML-ZB sowie der Freien Sozialistischen Jugend (FSJ);
- - "Ein Versuch der Aktionseinheit";
- "Die BetrVG-Kampagne im Bundesgebiet";
- "Upper Clyde: der kranke Mann an der Themse" zu UCS;
- - "Der Niedergang Großbritanniens";
- - "Der Kampf um Upper Clyde";
- - "Arbeiterkontrolle und weiter?";
- - "Kurs auf den Generalstreik!";
- "'Heath raus!'" zu Plessey in Glasgow-Alexandria, Großbritannien;
- "Italien: Die Krise des italienischen Kapitalismus und die krise der proletarischen Führung!";
- - "Der weltpolitische Hintergrund";
- - "Die Streikkämpfe der letzten Jahre";
- "Bengalen: Marxismus und nationale Frage";
- - "Lenin und das Selbstbestimmungsrecht der Nation";
- - "Wie Lenin von Stalin verbessert wurde…";
- - "Die historische Bedingtheit der nationalen Frage";
"'Marxistisch-leninistische' Zirkel: Mit uns beginnt die Geschichte des Klassenkampfes" zu den Gruppen der Aktionseinheit zur Metalltarifrunde (MTR-AE);
- - "Die internationale Spaltung des Stalinismus und der Zerfall der Studentenrevolte";
- - "Notwendige Verwirrung bei den westdeutschen Maoisten";
- - "Wodurch zeichnen sich nun diese Zirkel aus?";
- - "Die Arbeiterbewegung in Westdeutschland: spontan und geschichtslos?";
- - "Zur Dialektik zwischen Partei und Klasse";
- - "Der Zirkelschluß der Zirkelgenossen oder: Parteiaufbau als intellektueller Kraftakt";
- "7,5% 120 DM 'Über unsere Köpfe'" zur Metalltarifrunde (MTR).

Der Kommunistische Bund Bremen (KBB - vgl. 3.4.1972) berichtet im Zusammenhang mit dem Übertritt von vier seiner Genossen zur KJO in Delmenhorst (vgl. Dez. 1971, Jan. 1972):"
Trotzkismus, das ist die Position der Mäkelei, des außerhalb der Bewegung stehenden Räsonnierens über die Bewegung. Unfruchtbarkeit ist das Hauptcharakteristikum, kleinbürgerlich die Gesamthaltung. Heute in Westdeutschland ist das Ganze ein Sektenkuriosum, in einer anderen, schwierigeren und verantwortungsvolleren Situation kann diese Strömung in der kommunistischen Bewegung direkt zu einer konterrevolutionären Gefahr werden."

Man schaue sich ein Argument wie das folgende an, das der Spartacus-Zeitschrift Nr. 24 entnommen ist und die Unfruchtbarkeit dieser Strömung schlagend belegt. Dort heißt es über die marxistisch-leninistischen Zirkel in Westdeutschland, daß sie 'mittelfristig gegenüber dem revolutionären Marxismus eine konkurrierende Strömung darstellen, aus der für die weitere Entfaltung unserer Organisation (des Spartacus) und somit für die Ausbreitung revolutionär-proletarischer Politik ernste Gefahren entstehen können' (S. 19). Jeder unbefangene Leser würde erwarten, daß nun eine scharfe Abrechnung mit - nach Ansicht des Spartacus - falschen Positionen folgt. Aber weit gefehlt. Die 'Gefahr' besteht nicht darin, daß eine falsche Linie vertreten wird, sie besteht darin, daß die falschen Leute die richtige Linie vertreten. Es heißt nämlich weiter: 'Denn diese Leute verstehen es, ihre Probleme in ein Vokabular zu kleiden, das dem unsrigen, dem revolutionär-marxistischen sehr ähnlich klingt; in der Charakterisierung des Standes der Arbeiterbewegung und in der Bestimmung der strategischen Orientierung unterlaufen ihnen Formulierungen, die auch von uns stammen könnten…' Wenn das keine Perle ist, wenn das kein Beispiel für 'lebendigen Trotzkismus' ist!

So geht das durch den ganzen Artikel. Die Autoren werfen den Zirkeln vor, ohne Verbindung zur revolutionären Tradition der deutschen Arbeiterklasse zu sein und in lokaler Beschränktheit zu arbeiten und deshalb ständig Fehler zu machen. Sehr tiefschürfende Vorwürfe sind das! So etwa klingen die strategischen Ratschläge pensionierter Unteroffiziere am Biertisch, wenn sie hören, daß eine Armee zerschlagen und zersprengt ist und ihre Führer zum Feind übergelaufen sind. Während diese Armee sich wieder zu sammeln und aufzustellen versucht, während sie darangeht, sich eine neue Leitung zu schaffen, die sich stützen kann auf klare strategische und taktische Grundsätze, in denen die Erfahrungen der erlittenen Niederlagen verarbeitet sind, während die zersplitterten Truppenteile gleichzeitig in dauernden kleinen Gefechten mit dem Feind stehen, währenddessen schallt es aus dem Wirtshaus: Große Schlachten muß man schlagen, Beschränktheit und Zersplitterung sind von Übel. Euer 'eigenes beschränktes Dasein' (S.21) - ihr versprengten Truppenkörper -, es hemmt unsere große strategische Biertischinitiative!

Das aufschlußreichste Merkmal dieses räsonnierenden Unteroffizierstums aber besteht in einer besonderen Form der Arroganz, die aus jeder Zeile der Spartacus-Zeitschrift blitzt. Der schlimmste Vorwurf, den diese Anhänger Trotzkis glauben erheben zu können, ist - der Vorwurf der Dummheit. Ihn halten sie für tödlich und schleudern ihn deshalb auf die marxistisch-leninistischen Zirkel. Als Oberlehrer von Welt wissen die Genossen allerdings zu unterscheiden: Der Heidelberger 'Kommunistischen Gruppe' (KG(NRF) Mannheim-Heidelberg, d.Vf.) z.B. machen sie das Kompliment 'die wohl intellektuell potentesten Genossen' in ihren Reihen zu haben (S. 20).

In solchen Charakterisierungen und 'Komplimenten' wird das klassenmäßige Wesen dieser trotzkistischen Strömungen offenbar. Die politisch-theoretischen Auseinandersetzungen in der Arbeiterbewegung, sie gehen immer um die Frage, ob eine Politik richtig oder falsch ist, ob sie der Arbeiterklasse nützt oder der Bourgeoisie. Die Genossen vom Spartacus aber versuchen, sich ÜBER diese Auseinandersetzungen zu stellen, indem sie zu verstehen geben, im Grunde sei das alles nicht intelligent genug gemacht. Dabei verteilen sie dann Zensuren: 'intellektuell potent', bzw. weniger potent oder ganz unter dem Strich. Diese Position aber, im Kampf um die verschiedenen Linien in der kommunistischen Bewegung in die Rolle des zensurengebenden Schiedsrichters zu schlüpfen, sie ist Ausdruck eines kleinbürgerlichen Elements in der kommunistischen Bewegung selbst.

Die Existenz dieses Elements ist nicht verwunderlich. Die kommunistische Bewegung in Westdeutschland ist zu einem beträchtlichen Teil hervorgegangen aus der antiautoritären Studenten- und Schülerrevolte. Der Gedankenkreis dieser Revolte aber ließ sich letztlich immer wieder darauf reduzieren, daß großes Mißtrauen gegen alle Führungen und Leitungen geboten sei. Mit der allmählichen Hinwendung zum Kommunismus fand die kleinbürgerliche Furcht vor der Autorität als solcher in der kommunistischen Tradition ihren fruchtbarsten Nährboden im Trotzkismus und seiner panischen Bürokratenangst.

Die Genossen, die heute über Trotzki den Weg zum Kommunismus suchen, müssen lernen, daß die Demokratie in der Organisation nicht dadurch lebt, daß immer wieder leere Debatten über das Wesen der innerorganisatorischen Demokratie an sich geführt werden, sondern einzig und allein dadurch, daß konkrete Kritik an konkreten Fehlern geübt und an der Entwicklung der Gesamtlinie mitgearbeitet wird. Und sie müssen gleichzeitig lernen, daß die Massenarbeit die Voraussetzung aller Ernsthaftigkeit in der Politik ist. 'Ohne diese Arbeit würde die politische Tätigkeit unweigerlich in eine Spielerei ausarten, denn ernsthafte Bedeutung gewinnt diese Tätigkeit für das Proletariat nur dann und nur in dem Maße, in dem sie die Masse einer bestimmten Klasse aufrüttelt, ihr Interesse weckt und sie zur aktiven, führenden Teilnahme an den Ereignissen mobilisiert.' (Lenin, Werke Bd.8, S. 451)

Wir halten es für falsch, junge Genossen, die sich auf ihrem Weg zum Kommunismus an Trotzki orientieren, im Geschimpfe untergehen zu lassen. Dazu erinnern wir uns zu genau, wie viele von den jüngeren westdeutschen Revolutionären ihren Weg über Wilhelm Reich, Bakunin und Herbert Marcuse zum wissenschaftlichen Sozialismus gefunden haben. Lernen können diese Genossen allerdings nur, wenn sie die Auseinandersetzung um die aktuellen Fragen unserer Bewegung führen und nicht beständig auf ein historisches Schattenboxen ausweichen."

Neue Kontaktadressen erscheinen für Hamburg und Rhein/Main in Frankfurt.
Q: Spartacus Nr. 24, Berlin Nov. 1971; Wahrheit Nr. 3, Bremen Apr. 1972, S. 7

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