Kommunistischer Nachrichtendienst der KPD/ML und des KJVD, Jg. 2, Nr. 94, 8. Dez. 1971
08.12.1971:
Die KPD/ML-ZB gibt ihren 'KND' Nr. 94 (vgl. 4.12.1971, 11.12.1971) mit dem Leitartikel "Sozialimperialisten drohen mit Eingreifen gegen Pakistan" (vgl. 3.12.1971) heraus.
Aus Baden-Württemberg wird berichtet über die eigene Betriebsgruppe ('Das Rote Band') bei Daimler Sindelfingen, aus Bremen von Klöckner. Aus NRW wird berichtet von den eigenen Veranstaltungen zur Metalltarifrunde in Bochum und Bottrop (vgl. 27.11.1971), dem erstmaligen Erscheinen der eigenen Betriebszeitung ('Roter Rohrzieher') bei Stahl und Röhren Düsseldorf-Reisholz (vgl. 3.12.1971) sowie dem Kongreß des DGB KJA Oberhausen (vgl. 4.12.1971).
Berichtet wird auch vom außerordentlichen Parteitag (a.o. PT) der KPD/ML-ZK (vgl. 27.11.1971) und deren Zerfall (vgl. 2.12.1971).
Von der Metallrunde wird berichtet aus Hamburg und Nordbaden/Nordwürttemberg. Ihr widmet sich auch eine "Instruktion der Gewerkschaftsabteilung des ZB der KPD/ML zur gegenwärtigen Lage in der MTR und unseren Aufgaben", in der es heißt:"
1. Die jetzige Lage ist dadurch gekennzeichnet, daß die Sozialdemokratie auf dem Weg zur endgültigen Durchsetzung des Lohndiktats eine Reihe von taktischen Niederlagen hinnehmen mußte, daß sie aus Angst vor größeren Kämpfen der Arbeiterklasse mehrmals an einzelnen Schauplätzen zum Rückzug blasen mußte. Einige Beispiele hierfür sind: die Durchbrechung der spalterischen Punktstreiktaktik in Mannheim, die Rücknahme des Stingl-Erlasses und möglicherweise ein Abbruch der besonderen Schlichtung. Sie verstärkt jedoch ihre Anstrengungen, das Lohndiktat bald durchzupeitschen.
2. Diese Ereignisse bestätigen die grundlegende Linie, die wir im Juni/Juli zur MTR ausgegeben haben: daß wir nämlich am Beginn einer revolutionären Flut stehen, daß die Kampfkraft der Arbeiterklasse wächst, daß das Lohndiktat der Sozialdemokratie eine Antwort auf die Kämpfe der Arbeiterklasse ist. … Wir haben jedoch im Verlauf der MTR bei der Anwendung dieser korrekten Linie einige Fehler gemacht. Diese Fehler sind:
- Unterschätzung der Kraft der Arbeiterklasse und Überschätzung der Sozialdemokratie,
- eine ungenaue Einschätzung der Krise der Sozialdemokratie und der Weltwährungskrise, und daher eine unzureichende Darstellung ihrer imperialistischen und reaktionären Politik,
- eine falsche Methode der Bestimmung der Taktik.
3. Wie wirken sich diese Fehler aus! Viele Genossen sahen nicht, daß die Wendungen der Sozialdemokratie in der MTR nicht alle nach einem vorher ausgeheckten Schlachtplan durchgeführt wurden, sondern daß sie tatsächlich aus Angst vor der Ausweitung und Verschärfung der Kämpfe der Arbeiterklasse vorgenommen wurden. … In der Frage der 'linken' Sozialdemokratie haben wir eine schiefe Einschätzung gegeben, als wir von einer Einschränkung ihres Spielraums sprachen. Der Kern dieser Einschätzung ist durchaus richtig, daß nämlich die Manöver der 'Linken' immer mehr aus der Defensive heraus gestartet werden, was ja wohl eine gewisse Einschränkung bedeutet. Aber das bedeutet auf keinen Fall eine zahlenmäßige Einschränkung! Im Gegenteil: je härter die Schläge und je schärfer der Verrat ist, desto notwendiger sind bestimmte 'linke' Manöver. Dies führt dazu, daß einige Genossen die Krise der Sozialdemokratie unterschätzen. Der gleiche Fehler findet sich in der Darstellung (nicht Einschätzung!) der imperialistischen und reaktionären Politik der Sozialdemokratie in manchen RF-Ausgaben und einigen BZs wieder. Hier wird nicht klar, daß die verschärfte imperialistische Politik der Sozialdemokratie ein Ergebnis ihrer inneren Schwierigkeiten und der weltweiten Krise des Kapitalismus ist. Dadurch wird der Gegner dann zu stark dargestellt und die Arbeiterklasse nicht zum revolutionären Kampf angespornt. In diesen Zusammenhang gehört auch die Vernachlässigung der revolutionären Propaganda für den Sozialismus. … Wir haben bei der Bestimmung einiger taktischer Fragen uns zu sehr an den Wendungen der Sozialdemokratie orientiert und die Einschätzung des weiteren Verlaufs der MTR zu sehr an ihren Plänen und zu wenig an den Bewegungen in der Arbeiterklasse gemessen.
Andere taktische Fragen, bei denen wir eine umfassende Einschätzung vorgenommen haben, wurden richtig beantwortet, wie z.B. das Festhalten an den 15% und die Parole 'Vertrauen auf die eigene Kraft'. Unsere taktischen Fehler führten dazu, daß oft die Agitprop zu sehr an den Wendungen des Gegners klebte, sie zwar richtig enthüllte, aber zu wenig die Kraft der Arbeiterklasse und die Ziele der Partei zeigte. Unsere Partei hat zu oft eine abwartende Haltung eingenommen und damit zu wenig die Initiative der Arbeiterklasse geweckt. Das sind ernste Fehler, doch betreffen sie weder den Kern unserer gesamten Linie noch den Kern unserer Linie zur MTR. Sie können daher in den nächsten Wochen gründlich korrigiert werden. Mit den Leitartikeln in der RF 23 und im RF-Extrablatt vom 29.11. hat das ZB schon wichtige Grundsatzartikel für die Korrektur vorgelegt. Im nächsten PA werden wir ausführlich zu diesen Fragen Stellung nehmen. Wir müssen schon jetzt viel mehr die Kraft der Arbeiterklasse und die aktive Rolle der Partei, z.B. unser Auftreten in Nowü/Noba und die im letzten KND veröffentlichten Solidaritätsadressen herausstellen. … Bei der Korrektur der Fehler müssen wir aufpassen, daß wir unsere richtigen Einschätzungen über die Gefährlichkeit des Gegners nicht über Bord werfen und nur noch seine Defensive zeigen. Sie sind Papiertiger, die wir strategisch gering einschätzen aber taktisch ernst nehmen müssen."
Q: Kommunistischer Nachrichtendienst Nr. 94, Bochum 8.12.1971