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Kapitel
Das Jahr 1971 brachte auch die erste große Krise des Zentralbüros. Diese lag in der Tatsache begründet, dass sich einige Organisationsteile abzuspalten begannen, und andererseits darin, dass das ZB krampfhaft versuchte, die Partei auf Vordermann zu bringen. Letzteres sollte durch den „Finanz-technischen Apparat“ (FTA) (1) erreicht werden. Beides konnte jedoch kaum unter einen Hut gebracht werden.
Bereits am 22.5. begann eine zweitägige Organisationskonferenz des Zentralbüros der KPD/ML. Diese Konferenz beschäftige sich mit der Kaderarbeit und dem FTA. Im „Parteiarbeiter“ der KPD/ML-ZB hieß es dazu: „Am 22.5.1971 begann eine zweitägige Organisations-Konferenz des Zentralbüros der KPD/ML-ZB, an der die Org.-Verantwortlichen der Landesverbände, und der Landesaufbaukomitees (LAK) teilnehmen. Anwesend sind auch Vertreter des KJ-Informs (Bundesleitung des KJVD) und die Org.-Verantwortlichen der LV's des KJVD und führende Genossen des Finanziell-technischen Apparates (FTA) der KPD/ML-ZB.“
Im Referat des Org.-Verantwortlichen hieß es: „Unser FTA ist den kommenden Aufgaben der KPD/ML nicht mehr gewachsen, teilweise ist er schon heute zu eng; er dient nicht der Durchsetzung der politischen Linie unserer Partei, sondern verhindert sie teilweise. Das ist eine ernste Erkenntnis, die wir sorgfältig auf ihre Ursachen zurückführen müssen und die uns schnell die Konsequenzen ziehen lassen muss. Deutlich steht unsere Aufgabe somit vor uns. Bis zur Metalltarifrunde (MTR, d.Vf.) muss unser FTA aufgebaut, gefestigt und erweitert sein, dass die KPD/ML voll ihre Kraft entfalten kann und ihr dabei der FTA keinerlei Schranken setzt. Da in der Vergangenheit der FTA mangelhaft angeleitet wurde, seine politische Bedeutung nicht allen Parteiarbeitern in den Konsequenzen klar gemacht wurde, müssen wir gründlich an die Sache herangehen. Wir müssen uns die politische Bedeutung des FTA für eine KP allgemein bewusst machen.
Wir müssen unsere Fehler und Versäumnisse herausarbeiten aus der bisherigen Entwicklung und wir müssen von daher uns die neuen Aufgaben stellen, an deren Lösung sich jeder beteiligen muss.“
Die Aufgaben, die der FTA jetzt zu erfüllen habe, lauteten: „Die materielle Grundlage des vollen Einsatzes der Parteikräfte muss garantiert sein. Es muss dafür gesorgt werden, dass die tragenden Kräfte der Partei materiell abgesichert und geschützt sind. Ebenso müssen die Möglichkeiten geschaffen werden, dass die besten Kräfte des Proletariats unter den besten Voraussetzungen geschult und weitergebildet werden.
Der FTA muss die zentrale sowie die örtliche Agitprop der Partei absichern und ausbauen. Es muss ein ausgedehnter und einsatzfähiger Apparat zur Herstellung und Finanzierung des Agitprop-Materials geschaffen werden.
Alle Möglichkeiten der modernen Technik auf jedem Gebiete müssen für die Partei ausgenutzt werden (neueste Maschinen, Transport-, Nachrichten- und Informationsapparat). Hier müssen die Kräfte der Partei ausgebildet werden und alle vorhandenen Fähigkeiten der eingesetzten Genossen im Apparat entwickelt werden. Wenn der technische Apparat diese Aufgaben nach den politischen Erfordernissen erfüllt, ist gewährleistet, dass er im Dienste der Politik der KP steht, und seine Arbeit Teil der Gesamtarbeit der KP ist.“ (2)
Der FTA hatte generell die Aufgabe, die Parteiarbeit finanziell zu stärken und abzusichern. Dazu wurde ein System aufgebaut, dass auf mehreren Säulen aufgebaut war.
Der FTA sollte auch gleichzeitig die Aufgabe haben, den Literaturvertrieb zu bewältigen. Gleichzeitig ging es auch um das Druckereiwesen. Betriebszeitungen, Flugblätter, Broschüren, Bücher usw. verschlangen jede Menge Geld. Das ZB und der Jugendverband litten praktisch unter chronischem Geldmangel. Und es ging auch darum, jedermann zu Geldspenden anzuhalten.
Das Ergebnis der Konferenz war u. a. eine vom ZB herausgegebene Broschüre, die den Titel „Grundlagen und Methoden der Kaderarbeit“ trug. Sie erschien in der Kleinen Bibliothek des Parteiarbeiters und enthielt im wesentlichen Beiträge über die praktischen Arbeitsmethoden der KPD/ML.
Die Kaderarbeit selbst war vom ZB sträflichst vernachlässigt worden. Das zeigte sich auch daran, dass Peter WEINFURTH, Mitbegründer des Zentralbüros, nach einer intensiven Kritik am ZB einfach fallen gelassen wurde und die Landeskontrollkommission NRW auf ihn aufmerksam wurde. Bereits zum 1. Mai 1971 formulierte er eine Kritik am ZB und übergab diese dem ZB auf der Dortmunder 1.-Mai-Demonstration. Das Papier „Der Plan des Parteiaufbaus“ war eine Art Thesenpapier, dass sich strikt an Lenins Schriften „Die Aufgaben der russischen Sozialdemokraten“ (1897), „Was Tun? Brennende Fragen unserer Bewegung“ (1901/02) und „Brief eines Genossen über unsere organisatorische Aufgaben“ (1902) anlehnte.
Die KPD/ML-ZB berichtete von WEINFURTH und „seinen Angriffen gegen Gerd Genger“: „Im Mai 1971 muss er allerdings zugeben, dass er seinen Verdacht, dass es sich hierbei um einen trotzkistischen Agenten handelt, in keiner Weise belegen kann.
Er erklärt auch, er habe mit der 'Warnung' des Genossen Dickhut (Revolutionärer Weg, Sondernummer) nichts zu tun und teile die darin geäußerten Standpunkte in keiner Weise... Bei seinen theoretischen Ausarbeitungen konzentriert sich Weinfurth vor allem auf solche Fragen, in denen die Partei noch keine restlose Klarheit geschaffen hat. Zu nennen sind hier vor allem die Fragen der Vorbereitung der Partei auf die Illegalität und die Einschätzung der marxistisch-leninistischen Bewegung.
In allen diesen Fragen hat Weinfurth theoretisch prinzipienlose Ausführungen gemacht, einzig und allein mit dem Zweck, in einer Frage Verwirrung zu stiften, die in der Parteiliteratur noch nicht erschöpfend behandelt worden ist und dadurch innerhalb der Partei noch eine gewisse Unsicherheit besteht.
Das Ergebnis der theoretischen Studien Weinfurths, das zum 1. Mai 1971 dem ZB vorliegt, ist ein umfangreiches Papier, das aus drei Teilen besteht.
Der erste Teil 'Unser Vorgehen' versucht auf eine lächerliche Weise, die ganzen parteifeindlichen Machenschaften Weinfurths und seiner Gruppe als positive Taten im Interesse der Partei und der Revolution darzustellen, indem frech behauptet wird, alle Maßnahmen hätten nur dem Zweck gedient, Finanzmittel für die Partei zu beschaffen, und die Partei vor Angriffen durch die Bourgeoisie abzusichern... Der zweite Teil behandelt die Frage des Parteiaufbaus, wobei Weinfurth eine Reihe grundlegender Fehler macht. So verwechselt er z. B. die Etappen der Revolution und die Etappen des Parteiaufbaus und vermengt beides miteinander.
Er setzt die Ziele der Revolution und des Parteiaufbaus gleich... Er entwickelt ein Konzept der 'abgesicherten Partei' wobei er ein völlig schematisches Vorgehen an den Tag legt, indem er die Absicherung der Partei als eine technische Frage behandelt, nicht den Zusammenhang zwischen legaler und illegaler Arbeit. Der dritte Teil seiner Ausführungen befasst sich mit der 'machtpolitischen Lage und der Strategie und Taktik der Partei'.
Weinfurth entwickelt hier zu Beginn einen neuen Begriff der Machtpolitik, den er der 'Sozialpolitik' des ZB gegenüberstellt. Er leugnet glatt die Allgemeingültigkeit des Weges der Oktoberrevolution, schreibt, dass die 'klassische Form des bewaffneten Aufstandes in der Bundesrepublik nicht durchführbar ist' und entwickelt eine Strategie und Taktik, die nichts als kleinbürgerliches Abenteurertum und Putschismus ist.“
Weiter hieß es: „Weinfurth gelingt es weder das Zentralbüro von der Richtigkeit seiner opportunistischen Theorien zu überzeugen, noch seine Fraktion auf dieser Grundlage zusammenzuhalten. Seine Fraktionszentrale zerfällt. Damit ist auch der zweite Anlauf, die Partei zu spalten oder zu übernehmen, gescheitert... Um sich nach allen Seiten eine Tür offen zuhalten, bemühte er sich schon sehr früh, Gespräche mit der Führung der Gruppe 'Roter Morgen' (KPD/ML-ZK, d. Vf.) durchführen zu können. Im Frühsommer dieses Jahres erklärte er in einem internen Diskussionspapier, dass er der Ansicht sei, dass die Gruppe 'Roter Morgen' ihnen näher stände als die KPD/ML und dass man demzufolge versuchen müsse, die Gruppe 'Roter Morgen' zu überzeugen. Trotz Weinfurths Sympathieerklärungen an die Gruppe 'Roter Morgen' zeigte diese jedoch kein Interesse an der Unterstützung durch Weinfurth und ließ sich nicht auf irgendwelche Gespräche ein... Er wendete sich schließlich der KAB/Dickhut-Gruppe zu, zu der er während seiner ganzen Tätigkeit gegen die Partei ständig Kontakt gehalten hatte, indem er sich regelmäßig mit Dickhut traf und diesem auch - trotz gegenteiliger Beteuerung - das Material für dessen 'Warnung' lieferte.
Dickhut, der für seine prinzipienlose Vereinigungsprojektmacherei bekannt ist, empfing auch seinen verlorenen Sohn Weinfurth mit offenen Armen, als dieser erklärte, er wolle in seiner Organisation mitarbeiten... Als Beweis seiner Loyalität zu Dickhut verfasste er seine '2. Warnung', als Unterstützung der 'Warnung' des Genossen Dickhut. Seine 'Warnung', die auch den Untertitel 'Die entristische Usurpation der Führung und die Spaltung der KPD/ML' trägt, bezeichnet er als das Manuskript der zweiten Nummer eines Organs mit dem Namen 'Kommunistische Politik', dessen erste Nummer, wie er schreibt, eine prinzipielle Kritik an der Linie des Zentralbüros enthalten soll... Die Partei muss sich gegen die Angriffe von Weinfurth und seinen rechten Freunden um KAB und Dickhut zur Wehr setzen.
Innerhalb der Partei muss vor allem eine vollständige ideologische Klarheit geschaffen werden, die für revisionistische und trotzkistische Theorien von der Machart des KAB und Weinfurth keinen Platz lässt. Eine der entscheidenden Waffen gegen die Fraktionsmacherei ist die Möglichkeit der offenen ideologischen Diskussion in der Partei.“ (3)
Das Zentralbüro erklärte am 18.5. dazu: „Nach eingehendem Studium der uns übergebenen Dokumente und einer Diskussion über den Inhalt sind wir zu folgendem Ergebnis gelangt: 1. Um die in den Dokumenten geäußerten Ansichten zu kritisieren und widerlegen zu können, bedarf es keines weiteren Gesprächs mit Euch. 2. Wir sind bereit, bei gegebenem Anlass einen ideologischen Kampf aufzunehmen und sehen dies als die einzig mögliche Form der Auseinandersetzung an. 3. Solltet ihr Gründe vorbringen können, die ein Gespräch erforderlich machen, solltet ihr uns dies in schriftlicher Form mitteilen.“ (4)
Das Problem Peter WEINFURTH war damit allerdings nicht gelöst. Irgendwo wurde er und alle anderen ‚Abweichler’ weiter stellvertretend für alle Fehler des Zentralbüros verantwortlich gemacht.
Bereits am 9.1.1971 war auf der zweiten Landesdelegiertenkonferenz NRW des KJVD der KPD/ML von einem „letzten Angriff auf den Verband“ gesprochen worden. Im „Jungen Bolschewik“ hieß es dazu: „Der letzte Angriff auf den Verband war der Verrat des Politleiters des LK NRW (Dieter Giesen, d. Vf.), der mit Peter Weinfurth zusammen die Partei und den Jugendverband mit den bekannten Begleitumständen verließ. Nach Abschluss all dieser Kämpfe und Auseinandersetzungen fand jetzt die Delegiertenkonferenz statt.
Diese Delegiertenkonferenz zeigt, dass alle Versuche, den Verband zu spalten oder zu zerstören nicht nur keinen Erfolg gehabt hatten, sondern sogar das Gegenteil erreicht hatten: der Verband schloss sich nur um so enger um seine Leitungen zusammen.
Die Konferenz wurde vorbereitet durch die Diskussion des Rechenschaftsberichtes des Landeskomitees, der rechtzeitig vor der LDK den einzelnen Gruppen vorlag. Ebenso wurden die Personalvorschläge für das neuzuwählende LK, die vom LK in Übereinstimmung mit dem KJ-Inform vorgelegt worden waren, diskutiert.
Im Rechenschaftsbericht beschrieb das LK die Entwicklung der letzten Monate, und übte in einigen Punkten eingehende Selbstkritik, für die Fehler, die während der Zeit, in der Peter Weinfurth, Genosse Dieter G. Politleiter war, gemacht worden waren.
Der RB wurde nach eingehender Diskussion von den Delegierten gebilligt. Wichtig für die politische Ausrichtung des Landesverbandes waren die vom Landeskomitee auf der LDK eingebrachten Resolutionen, die auf der Grundlage der Linie des KJ-Inform standen (Über: 'Die politischen Hauptaufgaben', 'Die rechten Abweichungen', 'Die Verankerung im Jungproletariat', 'Die Org.-Arbeit', 'Die Gewerkschaftsarbeit', 'Das Zentralorgan' ).
Bis auf die letzte (1 Gegenstimme) wurden alle einstimmig angenommen. Das bewies wieder einmal, die Einheit und Geschlossenheit des Verbandes. Bei der Neuwahl des Landeskomitees stellte sich die Landesdelegiertenkonferenz spontan und einhellig auf den Standpunkt, nur die Kandidaten zu bestätigen, die vom KJ-Inform vorgeschlagen wurden, da im gegenwärtigen Zeitpunkt nur die zentrale Bundesleitung den notwendigen Überblick über die für diese Aufgabe in Frage kommenden Genossen haben kann. Dies geschah dann auch. Damit bekräftigte die Landesdelegiertenkonferenz noch einmal ihr Vertrauen in die zentralen Leitungen, das durch die verschiedenen Angriffe auf die Einheit des Verbandes von allen Seiten nicht geschwächt, sondern nur gestärkt worden war.
Zusammenfassend kann man sagen, dass diese LDK eine Delegiertenkonferenz der Einigkeit und Geschlossenheit war, eine LDK des Sieges der korrekten Linie über alle Abweichungen.“ (5)
Diese Konferenz war mitnichten der „Abschluss aller Kämpfe“; denn sie standen eigentlich erst noch bevor. Der im Mai 1971 veröffentlichte Jahresplan machte das gesamte Dilemma deutlich. Im „Parteiarbeiter“ Nr. 4/1971 wurde vehement auf die Parteiaufbaubroschüre der KPD/ML verwiesen. Diese Broschüre sollte die grundlegende Entwicklung der Organisation markieren. (6) Zunächst für den April 1971 angekündigt, erschien sie aber dann doch erst zum 15. Mai. In der Broschüre „Die Etappen des Parteiaufbaus und die Aufgaben der KPD/ML“ hieß es u. a.:
„Die KPD/ML-ZB befindet sich in der ersten Etappe ihres Aufbaus, in der Etappe der Formierung der Partei... Es ist die Etappe der Massenagitation, die Periode der Vorbereitung der Partei und der Massen auf die kommenden Massenaktionen... Wir befinden uns also in der ersten Etappe des Parteiaufbaus, in der Etappe der Gewinnung der Avantgarde des Proletariats für den Kommunismus.... Nach der stalinschen Definition befindet sich unsere Partei in der ersten Etappe ihrer Entwicklung, am Beginn der dritten Periode.' Das aber heißt: „Sowohl die Schaffung des Grundkerns... , als auch die Herausbildung von Parteikadern auf nationaler Ebene, d. h., der Schaffung des grundlegendsten Gerüstes, kann als im Großen und Ganzen abgeschlossen betrachtet werden.“
Und für die „Rote Fahne“ hieß es in diesem Zusammenhang: „Zusammenfassend stellt das ZB bezüglich des Charakters der Roten Fahne für die ersten beiden Perioden des Parteiaufbaus (Etappe der Massenagitation mit dem ZO, Aufgabe der direkten Führung der Massenkämpfe durch das ZO) fest:
Die Aufgaben der Roten Fahne konzentrieren sich auf drei Punkte:
Die erste Etappe des Parteiaufbaus, der „Beginn der dritten Periode“ und die „Schaffung des Grundkerns“, das waren die zentralen Aussagen der Parteiaufbaubroschüre. Sie sollte auch die „wirklichen Führer der Arbeiterbewegung“ herausbilden. Dass der Parteiaufbau im „Großen und Ganzen als abgeschlossen betrachtet werden“ könne, war die eigentliche Schlussfolgerung und die ausgesprochene Weigerung, den (un-)politischen Massen, denen sie hinterherlief, einen politischen Horizont zu geben.
Die Parteiaufbaubroschüre war für das ZB universell. Die dort gemachten Aussagen wurden zum wesentlichen Träger der praktischen Politik, wenn etwa daran gedacht wird, dass die „Rote Fahne“ eigentlich zu einem Rekrutierungsorgan und Linienbestimmung wurde. Die „Roten Fahne“ sollte so in den historischen Rahmen gestellt werden und die ungeklärten Fragen der „bisherigen Parteiarbeit“ lösen. An der programmatischen Front sollte sie im Zusammenhang mit der PA-Broschüre die „organisationspolitische Diskussion“ führen, die „Feinde der Arbeiterbewegung“ bekämpfen und als „Kettenglied“ fungieren.
Erst auf dieser Grundlage sei es möglich, „den bisherigen Aufbau der Partei zu bewerten, unsere Erfolge und unsere Fehler dabei festzustellen und richtig einzuordnen in einen historischen Rahmen und in objektive Gesetzmäßigkeiten; erst auf dieser Grundlage ist es uns möglich geworden, die Planung der organisatorischen Aufgaben auf eine wissenschaftliche und einheitliche Grundlage zu stellen.“ (8)
Der Kampf gegen die „Parteifeinde“ sollte mit dem Ziel durchgeführt werden, „die bisherige Parteiarbeit zu untersuchen und zu bewerten, und einen für alle Bereiche der Parteiarbeit geltenden Jahresplan auf dieser Grundlage“ zu erstellen. Das ZB erhoffe sich dadurch, dass es dadurch einen breitren Einfluss auf die marxistisch-leninistische Bewegung bekommen könnte; denn nur dann, wenn die KPD/ML über eine „korrekte politische Linie“ verfügte, war es möglich, alle „Unklarheiten in der Parteientwicklung“ zu beseitigen. (9)
Die PA-Broschüre war so etwas wie eine normative Festschreibung der Lehren des Parteiaufbaus in der Russland um die Jahrhundertwende und die späteren schematischen und fern jeder Realität gesetzten Axiome von Lenin und Stalin. Die Rechtfertigung für diesen Schematismus zog das ZB aus den fehlenden demokratischen Strukturen und meinte autoritär mit der Einteilung von Etappen und Perioden den eigenen Kompetenzanspruch unterstreichen zu müssen. Minimale institutionelle Verfahren gab es hier nicht. Niemand wurde tatsächlich gewählt, vor allem in der Zentrale nicht; denn dort herrschte das Kooptierungsverfahren vor.
Eine basisdemokratische Organisation war das ZB nicht. Die Dinge wurden ausgeguckt. Und diejenigen, die am Ende dieser Befehlskette standen, hatten auch keine Möglichkeit, den Parteiaufbau in irgendeiner Weise zu thematisieren oder zu problematisieren. Insofern war es eine Irreführung, zu meinen, dass so die „Feinde der Arbeiterbewegung“ bekämpft werden könnten. Die PA-Broschüre war vielleicht nichts anderes als ein bündnispolitischer Ansatz, da das ZB doch recht deutlich meinte, dass nun die Etappe bevorstehe, in der es gelte, „die Avantgarde des Proletariats für den Kommunismus zu gewinnen“. Das alleine musste auch alle anderen Aktivitäten hemmen. Und von einem Klärungs- und Vereinheitlichungsprozess konnte auch nicht die Rede sein.
Es könnte vermutet werden, dass das ZB dieses Problem kannte. Im „Rechenschaftsbericht des Zentralbüros“ las sich das so: „Aus Gründen der Unklarheit über die Frage der Parteientwicklung und der Parteikräfte und verschiedene Fragen der Politik der Partei, beschloss das Zentralbüro unter Hinzuziehung einiger Mitarbeiter aus den Abteilungen der Zentrale und von Vertretern des KJ-Inform, drei umfangreiche Programme zu erstellen ... “ (10)
Das Zentralorgan, die „Rote Fahne“, die zur Schaffung und Herausbildung des „Grundkerns“ beitragen sollte, hatte nach der KPD/ML-ZB die Aufgabe, sich an der „Herausbildung des Grundkerns der Partei“ zu beteiligen, das „Kadergerüst (auf nationaler Ebene, d.Vf.) zu schaffen“ und auch den „ideologischen Kampf zur Vereinigung“ der Marxisten-Leninisten zu führen, und selbst die „Führung in den Massenkämpfen“ zu übernehmen. Die Aufgabe der „Roten Fahne“ war, um das noch einmal hervorzuheben:
„1. Die Rote Fahne muss dem Kampf der Massen dienen,
2. Die Rote Fahne muss der weiteren Festigung der Partei und der Gewinnung neuer proletarischer Kader dienen,
3. Die Rote Fahne richtet sich an die Massen.“ (11)
Die “Rote Fahne” konnte das niemals einlösen. Spätestens hier hätte das ZB erkennen müssen, dass das Kennzeichen ihrer Politik trotz postulierter „Hinwendung zu den Massen“ letztlich eine Weigerung darstellte, der „Sache der Arbeiterklasse“ dienen zu wollen. Denn die Fundamentalstrategie war die reine ‚Nur-Entlarvung’ und nichts anderes.
So konnte die „Rote Fahne“ auch gar nicht die „weitere Festigung der Partei“ in Angriff nehmen, die bereits am 23.1.1971 durch den Austritt einer Reihe von Mitgliedern und Sympathisanten aus beiden Organisationen schwer erschüttert worden war.
In dem Papier „Für die Einheit aller Marxisten-Leninisten in der KPD/ML“ gaben „Mitglieder und Sympathisanten aus Bochumer Betriebsgruppen ... der Gruppe Rote Fahne/Bochum (KPD/ML-ZB) und ihrer Jugendorganisation KJVD“ bekannt, dass sie aus beiden Organisationen austreten. Tätig waren diese vermutlich auch im IGM-Bereich bei Opel. Die KPD/ML-ZB wurde in diesem Papier u.a. als „spalterisch“ bezeichnet. Die Genossen streben eine Mitarbeit in der „Roten Garde, den Roten Betriebsgruppen und dem KSB/ML“ an. Die KGB/E bezeichnet diese Gruppe als Neuezristen. Dies tat ebenfalls Peter Weinfurth, der ihren Austritt allerdings bereits auf November 1970 legte.
Ebenfalls ungefähr im Januar hatten sich, laut KGB/E, auch noch Mitglieder der KPD/ML-ZB aus Südost-Niedersachsen (vgl. Februar 1971: KJVD Goslar) der KPD/ML-ZK angeschlossen. Dies geschah „gerade in jener Zeit, als diese Organisation mehr und mehr von der Hauptseite Theorie abrückte und sich erneut die Auseinandersetzung um die Frage des Parteiaufbaus entwickelte.“ Auf dem a. o. PT der KPD/ML-ZK Ende 1971 trennte sich auch diese Gruppierung wieder von der KPD/ML-ZK. (12)
Ob sich Anhänger dieser nordrhein-westfälischen Gruppe mit WEINFURTH zusammentaten, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Am 5.6. fand jedenfalls nach einem Bericht von Peter WEINFURTH, ein Gespräch zwischen einigen seiner Anhänger sowie Vertretern der KPD/ML-ZB (vermutlich in Bochum) statt. Das Gespräch, das ein Informationsgespräch gewesen sein soll, wurde über die „Kommunistische Politik“ geführt, ein Organ, welches von WEINFURTH herausgegeben wurde. Die „Kommunistische Politik“ führte dazu aus: „Es gelang uns, eine Reihe von Missverständnissen zu klären und darzulegen, was unsere tatsächlichen Ansichten sind. Es kam aber zu keiner inhaltlichen Diskussion, weil das ZB auf dem Charakter eines Informationsgespräches bestand.“ (13)
Beide Seiten ließen in ihrer Kritik und Polemik nicht nach. Irgendwo befanden sie sich in direkter Konkurrenz; denn das ZB war ohne WEINFURTH nicht denkbar gewesen. Und WEINFURTH, der dem ZB Praxis- und Politikfähigkeit absprach, wollte, wenn die „trotzkistischen Elemente“ herausgesäubert waren, mit einem neuen Programm die mangelnde theoretische Klarheit beseitigen helfen. Seine Schriften „Kommunistische Politik“ und „Der Plan des Parteiaufbaus“ sprachen da eine deutliche Sprache. Ob er hoffte, irgendwann wieder eine zentrale Figur zu werden, muss dahingestellt bleiben. Die Anbiederung an das ZB („ihr macht Fehler“ usw.) könnte das vermuten lassen.
Wahrscheinlich Mitte Oktober oder im November 1971 veröffentlichte er seine Schrift „Warnung vor einem trotzkistischen Entristen“. Diese Schrift wurde in der KPD/ML-ZB als „2. Warnung“ bezeichnet. Diese „Warnung“ versucht, laut ZB, den Leiter des Politbüros Gerd GENGER als Trotzkisten und Entristen zu diffamieren. Zu dem Aufsatz selbst meinte das ZB: „Weinfurth plant, seinen Aufsatz zu veröffentlichen, er gibt uns aber die Möglichkeit, vorher dazu Stellung zu nehmen. Er tut dies mit der Begründung, er wolle keine Dinge verbreiten, bevor er nicht dem Beschuldigten die Möglichkeit gegeben hätte, die Vorwürfe zu widerlegen. In Wirklichkeit aber geht er bereits mit seinen Verleumdungen hausieren und versucht, Intrigen gegen das Zentralbüro innerhalb der Partei zu spinnen.“ (14)
Im „Parteiarbeiter“, Nr. 9/1971, dem Funktionärsorgan der KPD/ML-ZB, der im November 1971 erschien, gab es im „Politischen Bericht“ auch Hinweise auf weitere „Agenten und Provokateure“. Dort hieß es:
„Der Kampf gegen Agenten und Provokateure, der jetzt zu führen ist, bezieht sich u. a. neben den üblich genannten (KPD/ML-ZK, KAB/ML und Dickhut, KPD/AO) auch auf Peter Weinfurth. Interessant ist aber auch, dass Weinfurth, der zuerst versucht hat, mit Einbrüchen in Parteibüros, Einbau von Abhörgeräten, Diebstahl von Akten, den Aufbau einer innerparteilichen Fraktion, das Bündnis mit allen Feinden der Partei oder die er dafür hielt, die Partei zu zerstören, dann mit einem ideologischen Konzept über den Parteiaufbau, was weder links noch rechts, sondern einfach konfus war, sich in das ZB einschleichen wollte, dann zu der Gruppe Roter Morgen ging mit Material, das die ganze ZB-Organisation auffliegen lassen würde, nun schließlich wieder in dem KAB und Dickhut gelandet ist. Ein gerader Weg! Seinen Einstand will Weinfurth mit einer 'Zweiten Warnung vor dem Trotzkisten, Entristen und Karrieristen Genger' feiern.
Es ist eine Neuauflage der Lügen aus dem 'Trotzkistischen Pferd in der KPD/ML'. Weinfurth selbst hat trotz mehrmonatigen Forschungen die Behauptung, dass der Genosse Genger ein Trotzkist sei, nicht beweisen können und keine Anhaltspunkte dafür gefunden. Nun hat er aber entdeckt, dass die Theorie vom Sozialfaschismus trotzkistisch sei... Weinfurth und mit ihm sein alter Freund Dickhut sollten es sich gut überlegen, ob sie endgültig mit dem Marxismus-Leninismus brechen wollen oder nicht, ob sie endgültig - wie Weinfurth es schon begonnen hat - zu Agenten der Bourgeoisie entarten wollen oder nicht ...
Wir können davon ausgehen, dass es in allen marxistisch- leninistischen Organisationen Spitzel, Agenten und Provokateure gibt. Das gehört zu den Methoden der Bourgeoisie, zur Zerschlagung der marxistisch-leninistische Bewegung. Alle Marxisten-Leninisten müssen hier wachsam sein. Wenn aber verschiedene objektive Agenten des Revisionismus diesen Vorwurf erheben, um ihre politischen Ansichten durchzusetzen, dann liegt das auf derselben Linie wie die Vorwürfe der Revisionisten gegen die gesamte marxistisch-leninistische Bewegung als einer trotzkistischen und von der Bourgeoisie bezahlten Bewegung. Der ideologische Kampf ist die entscheidende Waffe zur Reinigung der marxistisch-leninistischen Bewegung.“ (15)
Der offene Krieg gegen WEINFURTH, die polemische Kritik des ZB gegen ihn, rief seinen ‚revolutionären’ Amoklauf hervor, der sich in der Nr. 1/1971 seiner „Kommunistischen Politik - Organ für Theorie und Praxis des Marxismus-Leninismus“ und der Gründung seiner „Marxistisch-Leninistische Kommunisten Deutschlands“ (MLKD) niederschlug. „Wenn auch die Arbeiter aus der KPD zunächst in der Führung überwogen, ...“, beklagt Weinfurth doch die alsbaldige Prägung der Partei durch "...die Mengen von Studenten und Schülern, die wahllos aufgenommen wurden,... .“ Auch drei KPD/ML's, welche wird nicht verraten, KAB/ML und KPD werden als „Organisationen von Studenten und Schülern“ bezeichnet. Über seine 'eigene' KPD/ML, die KPD/ML-ZB stellt er fest, dass "...es in den Zellen und Betriebsgruppen keinerlei Grundschulung gab, sehr selten ideologische Fragen erörtert wurden,... .“ Weiter berichtet er über eine Betriebsgruppe der KPD/ML-ZB mit 12 Betriebsarbeitern und einem Mitglied des Landessekretariats NRW, die nach der halbjährigen Herausgabe einer Betriebszeitung eine gewisse politische Führung im Betrieb übernommen habe, dann aber durch die Entlassung der Mitglieder bei einem Streik im Herbst eingegangen sei. Weiter kommt er zu dem Schluss, dass "...in NRW allgemein die ZB-Partei erheblich im Verlaufe der Tarifkämpfe 1970 geschwächt worden ist,... - gerade eine Reihe der wenigen organisierten Arbeitergenossen sprangen ab, mehrere Betriebszeitungen mussten eingestellt werden, mehrere Gruppe brachen zusammen - ... ." Dies sei besonders schlimm gewesen, denn "...NRW war bei weitem der stärkste Landesverband." Die KPD/ML-ZB habe 1970 zwei Spaltungen erlebt, die Kritik der Ausgetretenen sei aber nur dem Zentralbüro, nicht den Mitgliedern, bekannt geworden. Als von den drei Mitgliedern des Landesaufbaukomitees Hessen einer ausgeschlossen wurde, habe dieser Selbstmord begangen. Auch die Kritik der Westberliner KPD/ML-Neue Einheit, dass die KPD/ML-ZB und ihr KJVD das Landesaufbaukomitee administrativ gegründet und sich dann mit diesem, nicht aber mit der Neuen Einheit vereinigt hätten, wird referiert. Das Bild eines bürokratischen Wasserkopfes wird hervorgerufen durch die Behauptung, dass "...im Winter 70 im zentralen Büro mehr Genossen tätig waren, als die ZB-Partei in NRW Mitglieder hatte.“ (16)
Natürlich waren WEINFURTH die innerorganisatorischen Verhältnisse des ZB bekannt. Seine Anklagen hatten hier einen gewissen Absolutheitsanspruch. Und einen extremen Drang, sich selbst als eine kommende neue Führungsperson in Szene zu setzen. Von der Hand zu weisen war allerdings nicht, dass er über Kenntnisse verfügte, die das ZB aus gutem Grund verschwieg. Das waren, wie hier vermutet werden darf, Kenntnisse, die weit über den LV NRW hinausgingen.
Dass das LAK Hessen in Verruf geriet, weil es massive Kritik an der Politik des ZB äußerte, wurde erst später bekannt. Ein Mitglied des LAK Hessen, dass im Auftrag des KJ-Inform in Walldorf-Mörfelden und Schweinfurt Gruppen des KJVD aufbaute, wurde vom ZB wegen „Karrierismus“ ausgeschlossen. Diese tragische Geschichte nahm ihren Lauf wie die „Geschichte der MLPD“ zu berichten wusste. (17) WEINFURTH, der sich und seine Mitstreiter als „führender Zirkel“ (18) bezeichnete, rühmte sich auch damit, die „Rote Garde ideologisch aufgebaut“ (19) zu haben.
Seine Erfolge waren, wenn man von solchen reden sollte, ihm nicht abzusprechen; denn schließlich gelang ihm der Aufbau des Landesverbandes NRW fast in Eigenregie. (20)
Doch das alles interessierte nicht mehr. Einmal Parteifeind, immer Parteifeind. Im „KND“ las sich das am 11.12.1971 so: „Der Parteifeind, Provokateur und Bankrotteur P. Weinfurth hat in diesen Tagen ein 'Literaturangebot Winter 71/72' der Öffentlichkeit bekannt gemacht. Dieses Literaturangebot beweist nichts anderes, als den vollständigen, restlosen und auf seine Art einzigartigen politischen Bankrott P. W.'s. Wir finden unter dem Abschnitt 'VII. Klassische Autoren' eine illustre Gesellschaft internationaler Opportunisten, linker und rechter Arbeiterverräter versammelt: Lukacs (Geschichte und Klassenbewusstseins u.a.), Korsch (Quintessenz des Marxismus u. a.), Trotzki (Permanente Revolution, Die Lehren der Revolution, Stalin Biographie, Schriften über den Kampf gegen den Faschismus u.a.), Bucharin (Historischer Materialismus u.a.), Ulbricht (Schriften über den sozialistischen Aufbau in der DDR), Thalheimer (Einschätzung der Sowjetunion, Weltpolitik nach dem 2. Weltkrieg, verpasste Revolution, zur Krise in der KPD u.a.). Unter der Überschrift 'IX Neuerscheinungen - Aus der internationalen kommunistischen Bewegung' finden wir: Breshnjew 24. Parteitag), Das entwickelte gesellschaftliche System des Sozialismus in der DDR von 1970, Diskussion zwischen Sartre und Il Manifesto, Zengakuren, Tupamaros, Black Panther, Marighela und Baader-Meinhof (Rote Armee Fraktion). Wenn P. W. sich bisher als berufsmäßiger Spalter und krimineller Provokateur betätigte, so ist er heute dabei, die antikommunistische, volksfeindliche Schund- und Hetzliteratur des Klassenfeindes unter die Leute zu bringen. Das fußt auf seiner erklärten Absicht, die von der Geschichte längst über die Feinde der Arbeiterklasse gefällten Urteile wieder in Frage zu stellen, Verwirrung in der marxistisch- leninistischen Bewegung zu stiften und aus diesem günstigen Klima den Nutzen für seine spalterische und Agententätigkeit zu ziehen.“ (21)
Am 11.12.1971 soll sich Peter WEINFURTH noch einmal an W. DICKHUT gewandt haben, um ihn zu gemeinsamen Gesprächen aufzufordern. „Weil wir eben meinen, dass sich mit Deiner Organisation möglicherweise eine Einheit herstellen lässt.“ (22)
Die KPD, die am 31.12.1971 ihre „Rote Fahne“ Nr. 33/1971 herausgab, sprach davon, dass in der KPD/ML-ZB eine „Palastrevolution“ stattgefunden hätte. Weiter behauptete die KPD, dass in der KPD/ML-ZB eine „erste Palastrevolution stattgefunden habe, bei der große Teile ihrer Führungsgruppe ausgebootet“ worden seien. Diese hätten sich nunmehr der KPD/ML-Neue Einheit bzw. der KD/ML angeschlossen. Falls die KPD gemeint haben sollte, dass mit „den großen Teilen der Führungsgruppe“ Peter Weinfurth gemeint sein soll, müsste es richtig MLKD (Marxistisch-Leninistische Kommunisten Deutschlands) heißen. (23)
Abschließend kann festgehalten werden, dass sich das ZB mit seinem letzten Schlag gegen WEINFURTH keinesfalls von seinen Krisen verabschiedete. Ganz im Gegenteil. Die Fehler der Metalltarifrunde, die Auseinandersetzungen mit der KPD/ML-ZK um die „Zwei-Wege-Theorie“, die anstehende Kampagne gegen Notstand, Aufrüstung und Revanchepolitik, die Trennung eines Teils des KJ-Informs vom KJVD zu Anfang 1972, die beginnende tiefe Organisationskrise und schließlich die putschistische Antikriegstagsaktion am 2. September 1972 in München sollten nahezu in einem Schwall alle möglichen Krisen hervorbringen.
Von WEINFURTH war über den Jahreswechsel 1971/72 nichts mehr zu hören. Wie vieles in dieser Zeit, so entschwand auch er in der Versenkung.
Mit der Bundeskontrolle (BuKo) der KPD/ML-Zentralbüro, die durch das Organisationsbüro angeleitet wurde, begann die erste „umfassende Untersuchung der Parteikräfte“ und der „gesamten Parteiarbeit“. In der marxistisch-leninistischen Bewegung war das nicht nur etwas völlig Neues, sondern ebenso Eigenartiges. Eigentlich ging es nur um eine Kaderverschiebung. Das ZB schien den Überblick über seine Parteikräfte verloren zu haben. Womöglich stand deshalb die Kadersichtung an.
Bereits Ende Januar/Anfang Februar 1971 standen die Pläne für die BuKo fest. Das Organisationsbüro ließ in seinen „Organisatorischen Aufgaben der KPD/ML bis zum 1. Mai 1972“ (1) verlauten: Aufgabe dieser „Bundeskontrolle soll es sein, eine umfassende Untersuchung der Parteikräfte“ einzuleiten und „die gesamte Parteiarbeit, von der obersten bis zur untersten Ebene, auf eine wissenschaftlichere und systematischere Grundlage als bisher zu stellen“. (2)
Die BuKo fand in einer Situation statt, wo auch erneut prinzipielle Fragen des Parteiaufbaus, der Haupt- und Nebenstränge der politischen und organisatorischen Arbeit, des Verhältnisses von Theorie und Praxis neu definiert oder geklärt werden sollten. Nichts war also klar. Ganz im Gegenteil. Die Vollmundigkeit, mit der das ZB einst angetreten war, entpuppte sich nun als laues Lüftchen.
In den „Organisatorischen Aufgaben“ hieß es dazu: „Die Genossen in der Partei beschwerten sich zunehmend über ein gewisses Durcheinander von Plänen, Hauptaufgaben, Nebenaufgaben, politischen und organisatorischen Aufgaben. So gab es Fragen über das Verhältnis von Theorie und Praxis, über den Stand der Parteientwicklung, das Verhältnis des Parteiaufbaus zur Entwicklung des Klassenkampfes, den Unterschied zwischen Agitation und Propaganda und vieles mehr. Desgleichen gab es verschiedene Auffassungen in der Frage der Bewertung des bisherigen Parteiaufbaus, in der Frage der Erfolge und Misserfolge unserer bisherigen Arbeit. Die Ursachen für dieses Durcheinander lagen weniger in der politischen Linie der Partei, als vielmehr in der Unklarheit darüber, mit welchen Kräften die Partei selbst ausgestattet war, in welchem Stadium ihrer Entwicklung sie war, denn die Entwicklung der Klassenkämpfe ist auch die Entwicklung der Partei ...“. (3)
Dass durch diese Sichtung der Kaderbestände das „Eingreifen der Partei in die Klassenkämpfe“ (4) möglich gewesen wäre, war mehr durch die Phantasie genährt worden als durch wirklichen praktischen Bezug. Man könnte auch sagen, dass die Planlosigkeit noch mit mehr Planlosigkeit ersetzt wurde. Als Eigengeständnis konnte das ZB durchaus formulieren: „Im Mittelpunkt dieser operativen Kontrolle stand die praktische Korrektur der Planlosigkeit des Parteiaufbaus in allen LV; eine Überwindung der Zufälligkeiten der Kräfteverteilung. Überall wurden Schwerpunkte gesetzt, Kader verlegt usw. Darüber hinaus enthüllte die BuKo zahlreiche Unklarheiten in der Partei über politische und organisatorische Einzelfragen, ein allgemein relativ niedriges Niveau, einen gewissen Mangel an innerparteilicher Diskussion. Insbesondere wurde klar, dass die Genossen noch nicht genügend darauf vorbereitet waren, sich in ihrer Arbeit auf den bewussten Übergang zur Gewinnung der fortgeschrittenen Arbeiter für die Partei auszurichten ... Das ZB zog daraus den Schluss, dass eine grundsätzliche Bestimmung des Entwicklungsstandes und der weiteren Perspektive des Parteiaufbaus auf wissenschaftlicher Grundlage nötig war.“ (5)
Tatsächlich war der hektische Aktionismus nicht gewichen. Und mit zahlreichen Direktiven, Anleitungsschreiben und Konferenzen versuchte das ZB der prekären Lage Herr zu werden. Die „Zufälligkeiten der Kräfteverteilung“ waren von Improvisationen und Platzhaltern begleitet. In keinem Landesverband gelang es dem Zentralbüro tatsächlich, sich an die Spitze der eigenen Bewegung zu stellen. Dass das „relativ niedrige Niveau“ angeprangert wurde, war wie eine Tomate, die abgefeuert wurde, jedoch das Ziel verfehlte. Es gab keine Schulung, keine Schulungsarbeit, kein wirkliches Studium marxistischer Literatur. Das hieß mit anderen Worten: die Theorie wurde nachgeschoben, um der Partei den Anstrich zu geben, sie sei auf der Höhe der Zeit. Und der anvisierte „Parteiaufbau auf wissenschaftlicher Grundlage“ war nur ein Popanz, der einmal aufgebaut, auch schnell wieder in sich zusammenfallen sollte. (6)
Die BuKo war aber auch ein verklärender Filter, der zum einen das Denken und Verhalten der Parteigenossen zu erklären versuchte, und andererseits nichts anderes als tägliche Indoktrination war. Das Parteivolk sollte auf seine Führer eingeschworen werden. Deshalb musste auch wiederum die politische Linie präzisiert werden, die immer dann zur Disposition stand, wenn die KPD/ML durch Krisen geschüttelt wurde. Und ohne den Stand der Parteikräfte tatsächlich abgerufen zu haben, stellte das ZB im „Parteiarbeiter“ fest: „Aber auch bezüglich der politischen Linie mussten in einigen Punkten präzisere Positionen herausgearbeitet werden. In einem entscheidenden Punkt, nämlich der Linie zur Sozialdemokratie, ist das bereits geschehen. Außerdem hat das ZB einen Vorschlag zur Bewertung der internationalen Situation und zur Politik des westdeutschen Imperialismus gemacht, (7) der einen entscheidenden Schritt vorwärts in der programmatischen Arbeit bedeutet und den linken Opportunisten mit ihren ‚Zwei Wegen des westdeutschen Imperialismus’ einen schweren Schlag versetzt.“ (8)
Damit war aus dem organisatorischen Gerüst der BuKo, das nur als Debakel bezeichnet werden konnte, eine politische Debatte zur internationalen Lage des „westdeutschen Imperialismus“ und der programmatischen Arbeit um die „Zwei-Wege-Theorie“ der KPD/ML-ZK (9) geworden. Das hatte hier schon eine innere Logik. Konnte doch angenommen werden, dass die Sichtung der Parteikräfte tatsächlich nur in diesem einen Grund bestand: dem „linken Opportunismus einen schweren Schlag“ zu versetzen. Bedenkt man, dass das Kadergerüst des ZBs nur aus Oberschülern, Abiturienten und Studenten bestand, dann wird auch klar, dass dieses Restprodukt der Studentenbewegung ungemeinen Nachholbedarf in der Publizistik hatte. Die ZB-Intellektuellen waren gleichzeitig ihre eigenen Aktivisten. Und der Rest wurde herangezogen, diejenigen also, die einigermaßen die Klassiker des Marxismus durchforsten konnten, um am Ende zu erklären, auf welche theoretischen Grundlagen der vom ZB prophezeite Klassenkampf zu fallen habe. Der Marxismus wurde sozusagen den Theorien des ZBs einfach übergestülpt.
Mit den Hauptparolen zum 1. Mai 1971 (vgl. Jürgen Schröder: „Der 1. Mai 1971 und die Disziplinierung des mit roter Fahne in Uniform demonstrierenden Bundeswehrsoldaten Hans-Rüdiger Raguse“): „Kampf dem Lohnraub - Kampf dem Lohndiktat“, „Gegen die Verrätereien der SPD-Regierung die geschlossene Front der Arbeiterklasse“, wie sie in der „Roten Fahne“ Nr. 8/1971 vom 26.4. und im KND vom 28.4. vorgestellt worden waren, richtete das ZB das Augenmerk ganz auf die „rechten SPD-Führer und ihre Helfershelfer in der Gewerkschaftsspitze“. (10)
Auch das „Politrundschreiben des Zentralbüros der KPD/ML“ vom 1.6.1971 (11) setzte noch den eingeschlagenen Weg zur Sozialdemokratie weiter fort. Anhand der Formulierungen war aber hier schon ersichtlich, dass es dem ZB nun darum ging, den Schwenk in der Politik zu vollziehen, die Faschisierung des Staates, die (innere) Notstandsgesetzgebung und die „sozialfaschistische Verwaltung der Arbeiterklasse“ programmatisch zu benennen. Diese Elemente sollten später verstärkt in die Kampagne „Gegen Notstand, Aufrüstung und Revanchepolitik“ (NAR) eingebracht werden. Es hieß dort: „Die Faschisierung des westdeutschen Staates ... das ist die innere Staatsreform. Sie schlägt sich am krassesten in den Notstandsgesetzen nieder, die alle formalen und juristischen Mittel zur Errichtung einer militärischen Notstandsdiktatur enthalten. Die westdeutsche Sozialdemokratie entwickelt sich zum Sozialfaschismus: Sie gab ihre Zustimmung zur Militärdiktatur und bereitet heute mit Hilfe der Durchführungsgesetze der Notstandsverordnungen unter der Maske der Reformen (ihrem sozialfaschistischen Programm) und durch die Faschisierung des Staatsapparates offen dem Faschismus den Weg. Worin besteht das System der sozialfaschistischen Verwaltung der Arbeiterklasse? Dieses System besteht in der Durchführung einer umfassenden Offensive des Finanzkapitals gegen die von der Arbeiterklasse erkämpften politischen Rechte und gegen die wirtschaftlichen Errungenschaften.“ (12)
Unter „sozialfaschistischer Verwaltung der Arbeiterklasse verstand das ZB: die „Vorbereitung der Militärdiktatur mit Hilfe der Notstandsgesetze“, „Zerstörung der parlamentarischen und bürgerlichen Demokratie“, das „Verwachsen der Führungskader der Sozialdemokratie und der Gewerkschaftsbürokratie mit dem Finanzkapital“, die „Verstaatlichung der Arbeiterorganisationen“, die „Verwandlung des gewerkschaftlichen Funktionärskörpers in ausführende Organe der Staatsmacht“, die „Einengung und Aufhebung der Legalität der revolutionären Organisationen der Arbeiterklasse“, die „planmäßige Sozialdemontage“, die „Ausweitung der Besteuerung der Löhne und Gehälter durch Massensteuern und Steuererhöhungen“, die „Ausplünderung der Werktätigen durch planmäßige Geldentwertung“, die staatliche Forcierung der kapitalistischen Rationalisierung“, die „Unterstützung der wirtschaftlichen Offensive der Kapitalisten“, die „staatliche Festsetzung der Löhne und Gehälter und schließlich den „Übergang der rechten Gewerkschaftsführung zur Sabotage und Abwürgung des Wirtschaftskampfes“. (13)
Zur Sozialdemokratie wurde weiter hervorgehoben: „Das sozialfaschistische Programm der Sozialdemokratie besteht in der schrittweisen Umsetzung der Notstandsgesetze in die Praxis. Das bedeutet: Vorbereitung der polizeistaatlichen Militärdiktatur, von der sozialfaschistischen Sozialdemokratie unter dem Deckmantel sogenannter ‚Reformen’ ins Werk gesetzt durch die Zerstörung der bürgerlichen demokratischen parlamentarischen Einrichtungen. Das bedeutet Verstaatlichung der Gewerkschaften und umfassender Abbau jeglicher Sozialgesetzgebung. Die Sozialdemokratie ist tatsächlich von der Verkündung ihres sozialfaschistischen Programms zu seiner Verwirklichung übergegangen.“ (14)
Das war schon bedeutsam; denn der Machtantritt der Sozialdemokratie war nicht nur für das ZB zu einer politischen Zäsur geworden. Die marxistisch-leninistischen Gruppen sahen in der Sozialdemokratie einen Universalfeind, auf den munter eingedroschen werden konnte. Sie verkörperte sozusagen die neue Macht im Staat. Und man erwartete förmlich den faschistischen Gegenschlag, der mit der Sozialdemokratie an der Spitze, die am rechten Rand wabernden Gruppen, Rechtsextremisten und CDU/CSU-Block (Strauß) vereinen sollte. Die Sozialdemokratie selbst, die schon seit der Jugend- und Studentenbewegung eine Partei der Spaltung, Lähmung und der verratenen Revolution war, verwaltete die Massen jetzt noch (zusätzlich) „sozialfaschistisch“.
Im „Bolschewik“ führte das ZB aus: „Mit dem Lohndiktat werden die Gewerkschaften im Wirtschaftskampf vollständig an die Kette des Monopolbürgertums gelegt. Das ist ein Schritt weiter auf dem Wege der Klassenzusammenarbeit, auf dem Wege der Konzertierten Aktion ... Mit dem Lohndiktat stößt die Arbeiterklasse, die für ihre noch vorwiegend wirtschaftliche Forderungen kämpft, auf eine Grenze, die nicht durch die Unternehmer im Betrieb und nicht durch die Verrätereien der rechten Gewerkschaftsführung gezogen worden ist. Durch das Lohndiktat der SPD-Regierung stehen dem Kampf der Arbeiterklasse in erster Linie nicht Verrat in den eigenen Reihen, sondern die Regierung und der staatliche Unterdrückungsapparat gegenüber, die das Lohndiktat mit organisiertem Streikbruch, politischer Schlichtung und Polizeieinsatz durchdrücken wollen. Das Lohndiktat zeigt an, dass die SPD- Regierung dazu übergeht, den wirtschaftlichen Kampf der Arbeiterklasse zu verbieten, oder, wenn es nicht anders geht, zu erdrosseln. Damit steht das Lohndiktat in engstem Zusammenhang mit dem faschistischen Lohnstopp, dem Verbot des Kampfes um die Tagesforderungen der Arbeiter und der Werktätigen Schichten. Es steht weiter im engsten Zusammenhang mit der Verstaatlichung der Gewerkschaften. Die Gewerkschaftsbürokratie hat die Aufgabe, das Lohndiktat in der Praxis durchzusetzen und die Ausweitung des Kampfes zur politischen Offensive des Proletariats gegen die SPD-Regierung und ihre sozialdemokratischen Helfershelfer zu verhindern.“ (15)
Interessanterweise musste man feststellen, dass das „Zentrum der Klassenauseinandersetzungen“, in deren Mittelpunkt das „Lohndiktat“ stehen sollte, mit dem Erscheinen des „Bolschewik“ aufgehoben worden war. Über dieses Unding beschwerte sich niemand. Da Politik hier in der extremsten Form aus Formeln bestand, oblag deren Durchsetzungsstrategie ganz allein dem ZB. Über diese Veränderungen kann nur gemutmaßt werden. Möglich war, dass dem ZB die Anprangerung des „Lohndiktats“ nicht mehr ausreichte. Und damit ihre verschärfte Politik gegenüber der SPD begründete. Die Kampagne gegen die Sozialdemokratie war aber dann vermutlich doch eher die direkte Fortsetzung linker KPD-Politik aus den 1920/30er Jahren; denn auch dort war deren politische Einmündung in die faschistische Diktatur nur eine Frage der Zeit.
Kaum beachtet wurden die Formulierungen aus der „Kurzen Instruktion der Gewerkschaftsabteilung der KPD/ML-ZB“ vom 2.6.1971. Diese Veröffentlichung zur Metalltarifrunde 1971 sprach von einem „umfassenden Verrat“ und der Aufgabe der „wachsenden Unruhe politische Ziele zu geben“, denn mit den „zunehmenden Krisenerscheinungen“ würde sich auch der „politische Charakter“ (der Sozialdemokratie, d. Vf.) ändern. (16) Kurze Zeit später hieß es im KND, dass die SPD die „Durchsetzung der Notstandsgesetze“ verlangen würde.
„Heute sind die SPD-Führer die eifrigsten Verfechter der Notstandsgesetze und zeigen damit deutlich ihr hinterhältiges Doppelspiel: Der Bundessicherheitsrat hat am 3. Juni gefordert, dass für die beschlossenen NS-Gesetze Ausführungsbestimmungen erlassen werden. Diese Ausführungsbestimmungen sind erforderlich, um die Gesetze nicht nur auf dem Papier stehen zu haben, sondern um sie auch durchsetzen zu können. Besonders fehlen zur Zeit noch die Ausführungsbestimmungen für das Arbeitssicherstellungsgesetz, das Ernährungssicherstellungsgesetz und das Verkehrssicherstellungsgesetz. Was diese Gesetze für eine Bedeutung haben ist klar: so sichert das Arbeitssicherstellungsgesetz z. B. der Regierung die ‚legale’ Möglichkeit, Arbeiter zur Dienstpflicht zu verpflichten.“ (17)
Und: „In dem Maße, wie die Arbeiterklasse die SPD-Führer als ihren schärfsten Feind erkennt und gegen sie den Kampf aufnimmt, muss die SPD-Führung Bundesgrenzschutz (BGS, d. Vf.) und Bundeswehr für den Einsatz gegen die Arbeiterklasse vorbereiten, muss sie die Notstandsgesetze praktikabel machen, um z. B. streikende Arbeiter dienstverpflichten zu können. Diese Angriffe der SPD-Führer muss die KPD/ML umfassend entlarven und so der Politik der sozialfaschistischen Verwaltung der Arbeiterklasse Schläge versetzen.“ (18)
Mit dem KND vom 5.6.1971 hatten die Redakteure des KND eine „Währungskrise“ prophezeit, die gleichzeitig mit dem „Stabilitätsprogramm in die „konterrevolutionäre sozialfaschistische Politik der SPD-Regierung“ einmünden würde. Ihre gegenwärtige Politik sei das Ergebnis der „gefährlichsten und reaktionärsten Politik des Monopolkapitals“. (19) Den entscheidenden Anstoß für diese Formulierungen, war ein Artikel aus dem „Roten Morgen“ Nr. 5/1971. In der Polemik um jene „Währungskrise“ wurde das ZK der KPD/ML wegen ihrer laschen Haltung zur Sozialdemokratie heftigst angegriffen.
„Für die Arbeiterklasse ist es angeblich ‚günstiger’, wenn ‚die SPD ... die Regierungsgewalt innehat’ und nicht die CDU/CSU. Doch in Wirklichkeit bedient sich die SPD-Regierung einer heuchlerischen Demagogie, hat sie doch einen gewissen moralischen Kredit unter den Arbeitern und versteht es darum besser, die Unterstützung und die heimliche Zusammenarbeit mit der faschistischen Reaktion zu verschleiern ... Die SPD als Regierungspartei ist nach Ansicht des Roten Morgen ‚günstiger’, doch in Wirklichkeit ist sie der Steigbügelhalter der Faschisten, denn sie schafft die innenpolitischen Bedingungen für deren Machtantritt. Sie knebelt die Arbeiter und das werktätige Volk, zur Sicherung des Hinterlandes für neue imperialistische Kriege ... Es ist angeblich ‚günstiger’, wenn die SPD angesichts der herannahenden Wirtschaftskrise ‚das arbeiterfeindliche Krisenmanagement betreiben muss'. Doch in Wirklichkeit ist die SPD-Regierung an der Macht, weil gerade sie die Arbeiterklasse ihrer politischen Rechte berauben kann. Nur die SPD ist heute in der Lage, unter dem Schleier der ‚Reformen’ und der ‚Friedenspolitik’ den schlimmsten Feinden des Volkes, den Faschisten, den Weg zu ebnen. Doch für den Roten Morgen ist all das ‚günstig’ und ‚günstiger’, als die CDU. Über einen solchen sozialdemokratischen politischen Kurs sagte der Genosse Thälmann vor fast 40 Jahren („Der revolutionäre Ausweg und die KPD“): ‚Die Politik, die die SPD betreibt ist ja in Wirklichkeit keine Politik des ‚kleineren Übels’, sondern gerade die POLITIK DES GRÖSSTEN ÜBELS FÜR DIE ARBEITERKLASSE. Das ist es, was wir den Massen zu zeigen haben. Die Sozialdemokratie führt jeweils soviel Anschläge im Dienst der Bourgeoisie gegen das Proletariat und die Werktätigen durch, wie nur vom Standpunkt des jeweiligen Reifegrades der Faschisierung durchgeführt werden können.“ (20)
Bisweilen konnte der Eindruck entstehen, dass die neue strategisch-politische Ausrichtung nun forciert werden musste. In der „Roten Fahne“ Nr. 11 vom 7.6.1971 war der Kampf gegen eine „Notstandspolitik“ schon relativ greifbar. Im Leitartikel „Die Arbeiterklasse kämpft – SPD-Polizei marschiert“ wurde ausgeführt: „Die westdeutsche und Westberliner Arbeiterklasse hat in den letzten Wochen verstärkt den Kampf aufgenommen. In Hannover streikten bei den Conti-Werken rund tausend Handwerker gegen die Arbeitshetze durch das antreiberische UMS-Akkordsystem und für die Anhebung der Löhne um zwei Lohngruppen.In Oberhausen zogen fünftausend Kollegen der Hüttenwerke Oberhausen AG (HOAG) aus Protest gegen die von den August-Thyssen-Hütten-Bossen beabsichtigte Stilllegung zweier Werke auf die Straße ... In diesen Kämpfen zeigen die SPD-Führer, von wem und für wen sie ihre Posten erhalten haben: Sie lassen die Polizei gegen die Kollegen aufmarschieren, um sie einzuschüchtern und notfalls auch die Streiks mit Gewalt zu zerschlagen ... Die SPD-Führer und mit ihnen Hand in Hand die rechten Gewerkschaftsführer sind also bereit, alle staatlichen Machtmittel gegen die streikenden und kämpfenden Arbeiter einzusetzen. Seit drei Jahren haben die SPD-Führer ein weiteres Mittel, den Polizei- und Bundesgrenzschutzeinsatz gegen streikende Arbeiter legal anzuwenden: Die Notstandsgesetze. Brandt und Kühn werden nicht zögern, dieses Mittel verstärkt einzusetzen ... Die Notstandsgesetze geben ihnen die Machtmittel Polizei, Bundesgrenzschutz und Bundeswehr in die Hand, um die auflebenden Kämpfe der Arbeiterklasse zu zerschlagen ...
Die Arbeiterklasse kann sich dagegen nur erfolgreich wehren, wenn sie nicht nur bei wirtschaftlichen Forderungen stehen bleibt, sondern den politischen Kampf geschlossen und einig aufnimmt. Davor haben die Kapitalisten und ihre Handlanger, die rechten SPD-Führer, Angst. Deswegen lassen sie jetzt schon Polizei aufmarschieren. Politischer Kampf - das ist der Kampf um die Staatsmacht, die den SPD-Führern aus den Händen gerissen werden und in die Hand der Arbeiterklasse übergehen muss. Um das zu erreichen, muss der ganze politische Staatsapparat mit seiner Polizei, Bundesgrenzschutz und Bundeswehr zerschlagen werden. Das ist die politische Aufgabe der Arbeiterklasse. Politisch kann die Arbeiterklasse nur unter der Führung der kommunistischen Partei kämpfen, die der Arbeiterklasse Richtung und Ziel gibt. In dieser Partei, der KPD/ML, müssen sich die klassenbewusstesten Kollegen organisieren. Nur so kann der Kampf zum Sieg führen. Zum Sieg über die Ausbeuter und all ihre Handlanger in einen neuen Staat, dem sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat.“ (21)
Die „Rote Fahne“ ließ nun keinerlei Zweifel mehr daran aufkommen, wie die Politik zur Sozialdemokratie zu gewichten war. Ihr Erkennungszeichen waren die „staatlichen Machtmittel“ und die weitreichenden Ausführungsbestimmungen der Notstandsgesetzgebung. Sie gebe den SPD-Führern die Mittel an die Hand, den „Polizei- und Bundesgrenzschutz“ „legal anzuwenden“. (22) Die KPD/ML war aus ihrer Sicht am Puls der Bewegung. Die verschütteten theoretischen Ansätze der Weimarer KPD wurden einfach aufgenommen und fanden sich hier wieder.
In diesem Zusammenhang sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die Broschüre der KPD/ML-ZB „Geschichtsfälscher“ (vermutliches Erscheinungsdatum: Mitte Juni 1971, d. Vf.) einen wesentlichen Impuls setzte. In der utopischen Rückwendung auf „Hitleraggression“ und „2. Weltkrieg“ musste sie als Bestätigung des eingeschlagenen Kurses erscheinen; denn die eigentlich immer fehlerhafte Politik des ZB hatte hier nun einen offiziellen Zeitzeugen benannt, den höchsten Ministerrat der UdSSR von 1948 unter der Leitung Stalins. (23)
Schlaglichter des strammen Kurses der Sozialdemokratie sah das ZB auch in den NATO-Tagungen, den Verteidigungsminister- und Außenministerkonferenzen aus der Zeit vom 24.5.1971 bis 4.6.1971. Im KND Nr. 45 vom 12.6.1971 wurde nun eine „erhöhte Kriegsgefahr“ suggeriert. Es hieß dort:
„NATO-KONFERENZ UND TRUPPENABZUG: ERHÖHTE KRIEGSGEFAHR
Angesichts des einzigartigen Aufschwungs des revolutionären Befreiungskrieges, des bewaffneten Volkskrieges sahen sich die US-Imperialisten genötigt, sich vor allem mit den Sozialimperialisten zu einigen, um an einigen Fronten durch vorläufige Abgrenzung der Interessenssphären, durch Zugeständnisse der Revisionisten und durch gemeinsamen Druck Ruhe zu schaffen ... Sind die Bemühungen um einen Truppenabzug und die Gespräche wirklich dazu gedacht, eine allgemeine Abrüstung einzuleiten? NEIN, im Gegenteil - unter dem Mantel der Abrüstung und der Truppenreduzierung wollen die beiden Großmächte ihre Aufrüstung noch weiter vorantreiben ... Welche Rolle spielen die westdeutschen Imperialisten bei diesen Verhandlungen? Die Politik der westdeutschen Imperialisten ist klar auf eine Doppeltaktik ausgerichtet: militärische Aufrüstung und gleichzeitige Aufweichung der osteuropäischen Staaten durch Verhandlungen ... Zusammenfassend kann man also sagen: Wenn die US-Imperialisten, gezwungen durch ihre wirtschaftlichen und politischen Krisen, sich mit den Sowjetrevisionisten in Europa teilweise einigen wollen, um ihre Kräfte an anderen Plätzen der Welt konzentrieren zu können, und wenn die Sowjetrevisionisten diese Pläne mitmachen, so ist das glatter Verrat an der Sache des Friedens. Denn die westdeutschen Imperialisten werden auf keinen Fall militärisch abrüsten, sondern werden sich das Nachgeben der SU-Revisionisten zunutze machen. Der Grund, warum die SU-Revisionisten nachgeben, ist auch klar: auch sie haben Ambitionen in anderen Teilen der Welt; sie wollen ihre Militärflotte immer mehr verstärken, sie wollen den Ring um China immer enger und fester ziehen, sie brauchen ihre militärische Kraft, um mit den USA gemeinsam gegen die Herde der Weltrevolution vorgehen zu können.“ (24)
Mit dem 17. Juni 1971 war die Metamorphose perfekt. Und schon ging es um die „Eroberung der DDR“. Diesen Feldzug, den der „Rote Morgen“ in den späteren „Übernahmeverhandlungen“ der Restbestände des Zentralbüros mit „revisionistischer Wurm“ bezeichnen sollte, beschrieb der KND Nr. 49 vom 26.6.1971 mit den Worten:
„SPD-FÜHRER ZUM 17. JUNI
Die SPD-Führer haben durchgesetzt, dass am 17. Juni im Bundestag keine große Feier mit Reden abgehalten wurde, sondern dass das Zonenrandförderungsgesetz beraten wurde. Dies sollte nach ihrem Plan zeigen, das sie keine Revanchegedanken in bezug auf die DDR haben, sondern dass es ihnen vor allem auf ‚die Menschen in beiden Teilen Deutschlands’ und auf die ‚menschlichen Erleichterungen’ ankommt. Doch hinter dieser Maske verbergen sich ihre Taten. Allein vier führende Funktionäre der SPD schreiben im ‚Mitteldeutschen Kurier’, dem Organ des Gesamtverbandes der Sowjetzonenflüchtlinge, zum 17. Juni. Und ihre Worte können nur mühsam ihre Absichten auf die Eroberung der DDR verdecken: Bundesverteidigungsminister Schmidt, Egon Franke, Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen, Klaus Schütz, Regierender Bürgermeister von Westberlin, und Hupka, Verbindungsmann der SPD-Spitze zu den Vertriebenen. Alle reden von der deutschen Einheit, die nicht vergessen werden darf und von der Offenhaltung späterer Möglichkeiten ... Das sind die wahren Ziele der SPD-Führer, die sich hinter ihren Worten von der ‚Entspannung’ zu verbergen suchen. Ein einiges kapitalistische Deutschland, mit dem sich die deutschen Monopole dann auch wieder einen ‚angemessenen Platz’ in der Weltpolitik erkämpfen wollen.“ (25)
Da die „Einverleibung der DDR“ durch das westdeutsche Monopolkapital für das ZB historisch auf der Tagesordnung stand, musste die These von der Aggressivität des „Sozialimperialismus“ und des „Aufmarschgebietes Westberlin“ fundiert werden. Im Mai 1972 (vgl. Jürgen Schröder: „Die Ratifizierung der Ostverträge am 17. und 19. Mai 1972“) war sie mit allen Facetten derart abstrakt bestimmt, dass sie sogar als „Kriegspakt Bonn-Moskau“ in die unrühmliche Geschichte des ZB eingehen sollte. (26)
Aus dieser Sicht waren die „Berlin-Verhandlungen“ Teil einer Zusammenarbeit der US-Imperialisten mit den westdeutschen Imperialisten, die „keine Rücksichten auf die Sicherheitsinteressen des Volkes der DDR“ nehmen würden. Der KND umschrieb das in der Ausgabe vom 23.6. mit den blumigen Worten:
„Jedermann weiß, dass die westdeutsche Regierung und die USA auf keinen Fall darauf verzichten wollen, Westberlin direkter in die Bundesrepublik einzugliedern als Aufmarschgebiet gegen die DDR. Sie werden höchstens ein paar ‚demonstrative’ Rechte, die ihnen bisher nichts eingebracht haben zum Handel dafür anbieten, dass die Sowjetführer die Zugehörigkeit Westberlins zur BRD und damit Westberlin als Vorposten des westlichen Imperialismus garantieren. Wenn die Sowjetführer dann davon reden, dass ‚Westberlin nicht mehr Auslöser von Spannungen’ sein soll, dann kann das nur heißen, dass sie zu diesem schmutzigen Handel bereit sind ... Die westdeutsche Regierung, die die Berlin-Frage in Lissabon zum Prüfstein der sowjetischen ‚Entspannungsbereitschaft’ gemacht hatte, und die gesamte westdeutsche Presse konnten sich über die Äußerung Breschnews sehr erfreut zeigen: ‚Die Bundesregierung hat am Donnerstag mit großer Genugtuung auf die Rede des sowjetischen KP-Chefs Breschnew auf dem Parteitag der SED in Ost-Berlin reagiert. Regierungssprecher von Wechmar begrüßte vor allem die nachdrücklich bekundete Bereitschaft der Sowjetunion, sich um einen erfolgreichen Abschluss der zur Zeit in Berlin stattfindenden Verhandlungen zu bemühen.’“ (27)
Die „Berlin-Verhandlungen“ wurden so in gewisser Weise zu einer selbstgefälligen Politik, mit der das ZB eine Lücke im Mosaik gefüllt hatte. Im KND Nr. 48 vom 23.6.wurde es noch deutlicher: „Unterstützt von den USA sind es gerade die SPD-Führer, die unter dem Deckmantel ‚friedlichen Ausgleichs’ und der ‚menschlichen Regelungen für die geteilte Stadt’ die Berlin-Frage so regeln wollen, dass Westberlin als Stützpunkt der Imperialisten in der DDR garantiert wird. Die SPD-Führer sind es auch hier wieder, die die Interessen des Volkes der DDR nach Sicherheit und gesicherten Grenzen aufs Schärfste bedrohen.“ (28) Das hörte sich nach Kriegserklärung an. Sie war es auch irgendwo.
Mit dem „Parteiarbeiter“ Nr. 6/1971, der vermutlich am 19.6.1971 erschien, stand das neue Gerüst. Nun ging es darum, zusammen mit den „Etappen des Parteiaufbaus“ (29), das „zentrale Kettenglied“ für den Kampf gegen den „Kriegspakt Bonn-Moskau“ zu ergreifen. Dem diente die Umstellung des Kadergerüstes, breite Rechenschaftslegung der Mitglieder über ihre Tätigkeit, die Neubestimmung des Charakters der „Roten Fahne“ innerhalb der „Etappen des Parteiaufbaus“, die Aufrüstung des „Finanz-Technischen Apparates“, die verschärfte betriebliche Agitation gegen die „sozialfaschistischen Gewerkschaftsbonzen“, die Umsetzung der „politischen Direktiven“, die „Umsetzung des Hauptschlages“, die „Präsenz der KPD/ML auf der politischen Bühne“, die Erstellung einer „Programmatik zur neuen Ostpolitik“, ein Buch zum „Kriegspakt Bonn-Moskau“.
Mit der Nr. 8/1971 des theoretischen Organs der KPD/ML-ZB „Bolschewik“, das vermutlich Ende September 1971 unter der Schlagzeile „VR China - Bollwerk des Friedens“ erschienen war, war der Rahmen endgültig abgesteckt, der Kampf gegen die „Revanchepolitik der Bonner Militaristen“ erstmalig in den größeren Zusammenhang gestellt, die „Einkreisung und Isolierung der DDR“, die jeden Tag „schneller heranreifen würde“ und der „Zeitpunkt des Einmarsches“, der „näher rücken würde“ beschrieben. Was noch fehlte, war die Herstellung der theoretischen Verbindung von „Einkreisungspolitik“ und „militärischer Besetzung“. Klar und deutlich formulierte das ZB, dass es den westdeutschen Imperialisten nun darum gehen würde, die DDR „wirtschaftlich und militärisch zu erobern“. All dies würde auf die „militärische Besetzung der DDR“ hinauslaufen. Die kommende Kampagne gegen „Notstand, Aufrüstung und Revanchepolitik“ war damit begründet.
Im „Bolschewik“ hieß es unter „Das Lohndiktat im System der Sozialfaschistischen Verwaltung“ dazu: „Auf zwei wichtige Fragen wollen wir hier dennoch eingehen, denn hier sind die Unklarheiten besonders groß. Die erste Frage betrifft die Absichten der westdeutschen Militaristen, die DDR zu erobern. Es handelt sich hier um das Verhältnis von wirtschaftlicher Durchdringung und militärischer Eroberung. Hier besteht die Gefahr, dass von einigen Genossen der wirtschaftlichen Ausdehnung eine zu große und den militärischen Kriegsvorbereitungen eine zu geringe Bedeutung beigemessen wird. Es besteht die Gefahr, dass die Möglichkeit einer bewaffneten Auseinandersetzung zu sehr in ferne Zukunft verschoben wird. Weiter ist es falsch, wirtschaftliche und militärische Eroberung gegenüberzustellen. Eine rein und ausschließlich wirtschaftliche Eroberung gibt es nicht. Die Eroberung kann nur auf politischem Wege vor sich gehen. Hierzu werden heute die wichtigsten und einschneidensten Maßnahmen von den westdeutschen Imperialisten getroffen. Alle diese Methoden der Einkreisung und Isolierung der DDR laufen schließlich auf die militärische Besetzung hinaus. Darum kann die Frage nicht: Wirtschaftliche oder militärische Eroberung heißen. Die Frage kann nur lauten: Wie erfolgreich ist der westdeutsche Imperialismus in seiner Einkreisungspolitik gegenüber der DDR und wie weit sind die politischen Voraussetzungen für die endgültige militärische Lösung schon herangereift? Wir sollten die Möglichkeiten des westdeutschen Imperialismus nicht überschätzen, die DDR durch wirtschaftliche Abhängigkeit in die Knie zu zwingen, um sie so schließlich politisch von der Landkarte auszuradieren.
Die DDR ist ein hochindustrialisiertes Land, das über entsprechende wirtschaftliche und politische Machtmittel verfügt, um sich eine ökonomische Vormachtstellung westdeutscher Monopole im Land selber vom Hals zu schaffen. Eine wirtschaftliche Durchdringung, die allmählich zu politischer Abhängigkeit führt, ist vollkommen ausgeschlossen ... Welche Bedeutung hat demzufolge die wirtschaftliche Offensive nach Osteuropa? Sie hat den Sinn, die wirtschaftliche Schwäche der osteuropäischen Länder und ihre Bereitschaft, sich mit den imperialistischen Wölfen einzulassen, auszunutzen, um in den Zeiten der Friedensbemühungen und der Entspannung, die der Entfesselung eines neuen Krieges vorhergehen, jede Möglichkeit für Monopol-, Extra- und Überprofite auszuschöpfen, die sich überhaupt nur bietet. Die wirtschaftliche Durchdringung Osteuropas ist eine Vorbereitung auf die kommenden politischen Auseinandersetzungen, aber kein Ersatz für die politische Unterdrückung.
Die friedliche wirtschaftliche Durchdringung dauert bis zu dem Zeitpunkt, den die Imperialisten für günstig halten, um zuzuschlagen. Und wie sind unter den heutigen Verhältnissen die Möglichkeiten einer bewaffneten Auseinandersetzung auf deutschem Boden und die Eingliederung der DDR in das Herrschaftsgebiet des westdeutschen Imperialismus einzuschätzen? Wir können soviel feststellen: Gerade in dieser Hinsicht haben sich in jüngster Zeit die Verhältnisse sehr tiefgehend verändert und die Entwicklung hat sich außerordentlich beschleunigt. Mit dem Westberlin-Abkommen, das die rechtliche Abtretung Westberlins an den westdeutschen Imperialismus und die Preisgabe der staatlichen Interessen der DDR an Bonn durch die Sozialimperialisten mit ihrer ‚Neuen Ostpolitik’ einen ersten wirklichen Durchbruch erzielt. Auf dieser Grundlage wird jetzt ein umfassendes ‚München’ von Bonn und Moskau vorbereitet: Verträge Westdeutschland-DDR, Gewaltverzichtsvertrag Westdeutschland-CSSR und nach dem Muster der Moskauer und Warschauer Verträge, Europäische Sicherheitskonferenz, Weiterführung der SALT-Gespräche (Gespräche über strategische Rüstungsbegrenzung) und schließlich Verhandlungen über gleichwertige, ausgewogene Truppenreduzierung. Die SALT-Gespräche verhandeln ausdrücklich über strategische, nicht über taktische Atombewaffnung, und halten so den westdeutschen Revanchisten alle infrage kommenden Möglichkeiten offen ...
Die Westberlin-Regelung hat nun endgültig das Tor zum Ausverkauf der Souveränität der DDR aufgestoßen. Die rechtlich anerkannte Einverleibung Westberlins ist der erste bedeutende Schritt auf dem Wege zum neuen großdeutschen Imperialismus. Die Sozialimperialisten haben den Bonner Revanchepolitikern Westberlin geschenkt. Sie haben mehr Zugeständnisse gemacht als von westdeutscher Seite jemals anvisiert worden sind. Selbst die äußerste Reaktion hat Mühe, an dem Abkommen irgend etwas auszusetzen. Wie kommt das? Die Sozialimperialisten sind zu derartigen Zugeständnissen bereit, weil ihre Kriegsvorbereitungen gegen Volkschina in ein bedrohliches Stadium getreten sind. Millionen von Soldaten, Tausende von Schiffen, Flugzeugen und Panzern und Hunderte von Atombomben haben sie an der Grenze Chinas massiert, um den Sozialismus auszulöschen und die chinesische Volksrepublik vom Erdboden zu vertilgen. Dieser Krieg wird der erste und letzte sein, den die Neuen Zaren im Kreml in ihrer Geschichte führen.
Ein solcher faschistischer Krieg gegen das chinesische Volk ist ein ungerechter und verbrecherischer Krieg. Darum kann der Sozialimperialismus in einem solchen Krieg China niemals niederzwingen. Ein solcher Krieg wird wie der Krieg Hitlers gegen den sowjetischen Arbeiter und Bauernstaat mit einer totalen militärischen, politischen und wirtschaftlichen Niederlage des Sowjetimperialismus enden ... Für unseren Zusammenhang genügt die Tatsache, dass die notwendigen politischen Voraussetzungen für den Einfall in die DDR mit jedem Tag schnell heranreifen. Die Kriegsgefahr ist heute nicht so drohend, doch die internationale Lage ist angespannt. Die Gefahr eines Krieges der Neuen Zaren zur Vernichtung des Sozialismus in China und zur Unterjochung des chinesischen Volkes wächst daher von Tag zu Tag. In dem Maße, wie die Sozialimperialisten zum Krieg gegen China rüsten, sind sie bereit, den westdeutschen Militaristen in Europa mehr und mehr Spielraum zu geben. Ein solcher Spielraum für die westdeutsche Aggressionsarmee bedeutet aber nicht wirtschaftliche Durchdringung der DDR, sondern militärische Besetzung, Einverleibung, Befreiung, Unterwerfung.
Das zeigt, dass wir die Möglichkeiten einer kriegerischen Eroberung der DDR nicht unterschätzen dürfen. Bei der Beurteilung dieser Möglichkeit dürfen wir uns nicht auf persönliche Eindrücke und Kirchturmspolitik verlassen, sondern müssen die Tatsachen richtig einschätzen. Und die sprechen, wie sich gezeigt hat, eine klare Sprache: Die DDR wird nicht wirtschaftlich erobert, sie wird auch nicht heute oder morgen mit Krieg überzogen. Doch der Zeitpunkt des Einmarsches rückt näher; die Vorbereitungen von westdeutscher Seite sowie der Ausverkauf der DDR von Seiten der sowjetischen Imperialisten haben schon heute einen überaus gefährlichen Umfang erreicht.
Nun zu der zweiten Frage. Es handelt sich hier um den Zusammenhang von imperialistischer Außenpolitik und sozialfaschistischer Innenpolitik in Westdeutschland. Sehr oft ist der Fehler gemacht worden, das Lohndiktat aus dem Stand der Beziehungen zum Ausland zu erklären. Das ist aber nicht richtig. Selbstverständlich dient das Lohndiktat der Plünderung der westdeutschen Bevölkerung im Interesse der wirtschaftlichen und politischen Ausdehnung. Das soll auch gar nicht infrage gestellt werden. Falsch ist es dagegen, die bestimmte politische Maßnahme des Lohndiktats aus den außenpolitischen Verwicklungen und nicht aus dem Stand der inneren Klassenauseinandersetzungen zu erklären. Der Rückschluss, beispielsweise von den Berlin-Verhandlungen auf das Lohndiktat ist nicht richtig und stimmt auch nicht mit dem Verlauf der politischen Entwicklung überein ... Darum ist es falsch, das Lohndiktat aus der internationalen Lage und der imperialistischen Außenpolitik Westdeutschlands zu erklären. Erwachen und Aufschwung des politischen Bewusstseins und die Kampfentschlossenheit der westdeutschen Arbeiter sind es, die die Schärfe des reaktionären Kurses und den Grad der Faschisierung für die Bourgeoisie notwendig machen.“ (30)
Die „Neue Ostpolitik“ des ZB war im Übrigen nichts anders als ein Sammelsurium theoretischer Ergüsse ehemaliger KPD- und SED-Theoretiker. U. a. ist hier Albert NORDEN zu nennen, dessen Schrift „Fälscher“ das ZB in vielen Passagen einfach plagiierte. (31) Diese „Neue Ostpolitik“ verdichtete sich mit der Herausgabe des „Bolschewik“ zu einem ehernen Stabilitätsprogramm, dass das ZB bis zu seiner Auflösung trug. Sie war, knapp umrissen, eine Politik der „Kriegsvorbereitungen gegen die Völker Osteuropas und vor allem gegen die DDR“. Sie sei, so das ZB, die Grundlage für „die Einkreisung der DDR, „die Hegemonialansprüche der westdeutschen Imperialisten in Westeuropa“, „die Kriegsvorbereitungen im Inneren“, „die Zentralisierung der Staatsgewalt“, „die Faschisierung des westdeutschen Staates“. (32)
Das KPD-Verbot vom 17. August 1956 hatte seinerzeit für viel politischen Zündstoff gesorgt. Die Repression des Staates gegenüber den Kommunisten warf auch die Frage danach auf, inwieweit eine legale Kommunistische Partei das gesellschaftliche Gefüge nachhaltig verändern würde. Der damalige Bonner Verfassungsstaat beantwortete sie nur mit einem eindeutigen Bekenntnis zur „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ und zum Grundgesetz. In dem Urteil hieß es damals: „Die Kommunistische Partei Deutschlands ist verfassungswidrig. Die Kommunistische Partei Deutschlands wird aufgelöst ... Es ist verboten, Ersatzorganisationen für die Kommunistische Partei Deutschlands zu schaffen oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzusetzen ... Vorsätzliche Zuwiderhandlung gegen diese Entscheidung oder gegen die im Vollzuge dieser Entscheidung getroffenen Maßnahmen werden gemäß §§ 47, 42 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht mit Gefängnis nicht unter 6 Monaten bestraft.“ (1) Damit wurden gleichzeitig die Bestrebungen aller marxistischen Organisationen zunichte gemacht, eine radikale Veränderung der gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse anzustreben.
Die in der Illegalität weiter existierende KPD unternahm eine Reihe von Initiativen, um als legale Partei anerkannt zu werden (2). Dieser Prozess dauerte bis 1968. Mit der Jugend- und Studentenbewegung und unter dem Eindruck der „sich bewegenden Massen“ konstituierte sich als legale Kommunistische Partei die DKP, die sich nur durch eine Reihe von politischen Zugeständnissen ihre Legalität sozusagen „erkaufte“. (3) Und mit der neuen Ostpolitik der Brandt-Scheel-Regierung waren die Vorbedingungen für einen „Normalisierungsprozess“ erreicht. Für die Kommunisten „chinesischer Prägung“, für diejenigen also, die aus der alten KPD kamen und diesen „revisionistischen Kurs“, der sich zudem an die Politik der Sowjetunion anlehnte, nicht mitmachen wollten, ergab sich zwangsläufig nur der Weg einer eigenen Parteigründung. Zur Jahreswende 1968/69 konstituierte sich nach einigen fraktionellen Auseinandersetzungen und unter Beteiligung einiger alter Kader der KPD die KPD/ML, die dann die Zeitschrift „Roter Morgen“, die bereits seit Sommer 1967 erschien, herausgab.
Mit der Gründung der KPD/ML, die sich neben der Ahnengalerie Marx, Engels, Lenin, auch auf Stalin und Mao Tse-tung berief und die sich später nach ihrem außerordentlichen Parteitag vom Dezember 1971 in viele einzelne Gruppen (wovon die KPD/ML-Zentralbüro eine war) aufsplitterte, schwang auch immer eine latente Verbotsgefahr mit; denn die gesellschaftlichen Verhältnisse sollten ja revolutioniert werden, was das Grundgesetz der BRD ausschloss. Und der Sozialismus, der auf den „Trümmern der alten Ordnung“ entstehen sollte, war radikal allen herrschenden demokratischen Bestrebungen entgegengesetzt.
Die KPD/ML war somit von Anfang an „verfassungswidrig“. Auch wenn, von einigen tatsächlich vorgekommenen Gewaltaktionen einmal abgesehen, sie niemals dazu fähig war, das Staatsgefüge nachhaltig zu erschüttern. Vielleicht war es dieser primäre Grund, der die staatlichen Institutionen (Bundesnachrichtendienst, Verfassungsschutz) davon abhielt, die Organisation zu verbieten. Trotzdem wurde sie vom Verfassungsschutz observiert. Und in diversen Berichten konnte auch nachgelesen werden, dass die „Linksextremisten“ die BRD „unterwandern“ wollten.
Immer wieder kursierte das Gerücht, dass die Bourgeoisie „die KPD/ML verbieten“ wolle. 1969/70, den eigentlichen Jahren der innerparteilichen Auseinandersetzungen, ließ die KPD/ML in ihren Publikationen verlauten, dass die „Anwendung des KPD-Verbots“ auch sie treffen könne. Von einer eigentlichen Verbotshysterie konnte hier jedoch noch nicht gesprochen werden. Aber für sie gab es zumindest eine Reihe von „Maßnahmen des Staates“, die darauf abzielten, die Organisation zu verbieten. Den Widerspruch zwischen faktischen Verbotsdrohungen und eher angedachten beantwortete die KPD/ML stringent damit, dass mit einer „Verschärfung des Klassenkampfes“ und der „Verankerung der Partei im Proletariat“ auch die Verbotsgefahr (an-)wachsen würde.
Die Entwicklung der Programmatik der Partei, die ersten theoretischen Gehversuche, das Auftreten vor Betrieben, die Herausgabe von Betriebszeitungen und anderem Agitations- und Propagandamaterial („Roter Morgen“, „Rote Fahne“) legten auch die Angriffsziele fest. Es hagelte nur so von „Kapitalistenknechten“, „kapitalistischen Vertretern“, „Bonzen“, „gekauften Politikern“, „SPD-Verrätern“, „sozialdemokratischen Helfershelfern“ usw., die alle scharf angegriffen wurden. Auch der Tonfall der Angegriffenen wurde schärfer, die sich gegen diese Art und Weise der KPD/ML, „Politik auf dem Rücken der Arbeiterklasse zu machen“ und damit das „Geschäft der Kapitalisten zu betreiben“ (DKP-Jargon), nicht anfreunden konnten. In den Betriebspublikationen ließen sich Betriebsräte nicht mehr länger beschimpfen und sorgten durch Kündigungen bekannt gewordener KPD/ML-Mitglieder für Irritationen, die sich u. a. durch Kündigungsschutzprozesse auf legalem Wege dagegen zur Wehr setzten. Allgemein entstand ein Klima der gegenseitigen Verdächtigungen, des Hasses und der Verleumdungen. Vielfach wurden die Unterzeichner der Publikationen der KPD/ML wegen „Verächtlichmachung der BRD“ sogar angeklagt (z. B. im Klaus-Dillmann-Roter-Punkt-Prozess, später im dem über NRW hinaus bekannt gwordenen Spreti-Prozess, im Strafverfahren gegen das KPD/ML-ZB-Mitglied Norbert Oßwald, gegen den Verantwortlichen des „KND“, Michael Schulte, oder gegen das RGO-Mitglied Norbert Bömer). Immer wurde versucht, auf das bestehende KPD-Verbot zu verweisen. Und die KPD/ML in dessen Nähe zu bringen.
Allerdings muss immer zwischen der KPD/ML-ZK und der KPD/ML-ZB unterschieden werden. Von der KPD/ML-ZK sind weniger Dokumente bekannt, die darauf hinweisen könnten, dass sie sich auf der gleichen Schiene bewegte wie die KPD/ML-ZB. Von der KPD/ML-ZB dagegen mehr. Selbst nach dem außerordentlichen Parteitag verfiel die KPD/ML-ZK nicht in das permanente Verbotsgedusel, sprach allerdings auch davon, dass „Rechte und Linke“, „bourgeoise Elemente“ sowie „klassenfeindliche“ und „trotzkistische“ Elemente die Organisation zerstören wollten. Mit dem Jahr 1971 und den ersten Anträgen zum 10. ordentlichen Gewerkschaftstag der IGM, „linksextreme Gruppen“ zu verbieten, veränderte sich in der damaligen marxistisch-leninistischen Bewegung die Politik des „Stillhaltens“. Die Offensiven gegen die Möglichkeiten eines Verbots dehnten sich aus. Die Publikationen der KPD/ML-ZB waren voll von Artikeln, Aktionen wurden durchgeführt und Demonstrationen organisiert. Mit dem Jahr 1972 dürfte sich die Verbotsgefahr für die ZB-Organisation zu einer regelrechten Verbotshysterie entwickelt haben, die mit der Ausländerdemonstration (4), dem Roten Antikriegstag in München (5) mit der Illegalitätsphase der KPD/ML (6) und dem Auseinanderbrechen der Organisation (7) möglicherweise sogar in ein (weltweites) Verschwörungskomplott einmündete; denn die „Agenturen der Bourgeoisie“ beschränkten sich nicht nur auf eine „rechte Dickhut-Flatow-Clique“, eine „Weinfurth-Verschwörung“ oder allgemeiner „rechter und linker und trotzkistischer Abweichungen“.
Dass das ZB diese Verschwörungen immer in einem Atemzug mit Sayers/Kahn (8) nannte, fiel in der Organisation nicht sonderlich auf; denn auch dort ging es nur darum, sich eine legitime Rechtfertigung zum Handeln (zur Liquidierung) zu verschaffen. Alles musste zurückgeschlagen werden: die inneren und die äußeren Feinde. Den Rahmen bildete der abgehalfterte Begriff des „Agentums“, der wohl im Marxismus selbst begründet liegt, später unter Lenin und besonders Stalin eine ganz eigentümliche Wendung bekam. „Verschwörer“ waren die, die Kritik an der Partei und deren Politik äußerten. Schnell gab es die „trotzkistische Weltverschwörung“. Und die Partei konnte sich nur festigen, indem sie sich von ihren „schädlichsten Elementen“ reinigte.
Die potentiellen Feinde der KPD/ML waren indes nicht mehr zu zählen. Schließlich wurde alles genannt, was in Frage kam: die Bourgeoisie, die Weltherrschaftspläne der Kapitalisten, die Imperialisten, die Parteien, Betriebsräte und Gewerkschaften, politische Institutionen und christliche Verbände, weltliche Institutionen, die Feinde in den eigenen Reihen, andere marxistisch-leninistische Organisationen und deren Führer. Alle arbeiteten irgendwie an einem Verbot der KPD/ML. Das „beschleunigte Verbot“, die „Schritte zum Verbot der KPD/ML“, die „Verbotshetze“ und die „konkrete Vorbereitung und Einleitung des Verbots“, wie es vollmundig in der „Zündkerze“ Nr. 11/12 1971 (9) hieß, das alles werde zur „endgültigen Entscheidungsschlacht“ führen, die mit der KPD/ML an vorderster Front gewonnen wird.
Bereits im Januar/Februar 1971 war in der Nr. 1. der Zeitung „Einheit - Kritik - Einheit“ (theoretisches Organ des Sozialistischen Arbeiter- und Lehrlingszentrums Hamburg) zu lesen:
„Die Hamburger Innenbehörde scheint sich zur Zeit umfassend mit einer möglichen Verbotserklärung des Hamburger SALZ zu befassen. Der VS stellte darüber hinaus eine Namensliste von 49 vermuteten SALZ-Genossen zusammen, notierte die seiner Meinung nach wesentlichen Zentren und Wohnungen der Organisation. Das Schwergewicht legten die Schergen jedoch einerseits auf die Herausarbeitung bestimmter Verbotsgründe (Ziel der Organisation: Errichtung der Diktatur des Proletariats; demokratisch-zentralistischer Aufbau der Organisation usw.) und andererseits auf die 'Analyse' bestimmter Bewegungsrichtungen hinsichtlich der allgemeinen politischen Arbeit (Betriebsarbeit!), der Vergrößerung der Organisation, der materiellen und finanziellen Basis, der Benennung der 'Führer' usw. Die wesentlichen Fehler der VSler, das total mangelnde Verständnis für den allgemeinen Charakter revolutionärer Arbeit und die besondere Tätigkeit des SALZ und seiner Bündnisorganisationen, die somit in jeder Beziehung unsinnigen Schlussfolgerungen usw. lassen es uns dringend notwendig erscheinen, gerade in diesen Fragen dem VS gegenüber Nachhilfeunterricht und allgemeine Aufklärung zu vermeiden. Die Geschichte der Organisation, die bewusstseinsmäßige Entwicklung der Genossen, sowie die Entwicklung der materiellen und organisatorischen Basis zu veröffentlichen, würde diese Etappe ... bedeuten, der konterrevolutionären Arbeit der VS-Chargen in die Hände spielen und Vorschub zu leisten ... Unsere Arbeit bleibt innerhalb der Organisation - 'denn in sie hinein', klagen die VS-Chargen, 'konnten wir bisher noch niemand einschleusen.“ (10)
Hinzugefügt werden müsste, dass mögliche Verbote alle linken Organisationen betrafen. Dass das „SALZ“ schon sehr früh in den Verdacht kam, verfassungsfeindlich zu sein, lag wohl darin begründet, dass Mitglieder und Sympathisanten in Norddeutschland, die eine rege politische Praxis entfalteten, dem Verfassungsschutz als „zu militant“ erschienen. Der spätere Kommunistische Bund mit der Zeitung „Arbeiterkampf“ sollte sich sogar mit dem Verdacht, die „Terror- und Sympathisantenszene“ zu unterstützen, herumschlagen müssen.
Am 18.1.1971 berichtete die KPD/ML-ZB über eine Veranstaltung mit Max Reinmann aus Mainz. Dort ging es um das KPD-Verbot. Der „KND“ meinte:
„REIMANN-VERANSTALTUNG IN MAINZ.
Im Rahmen der DKP-Woche in Mainz hatte der Spartakus (!) (MSB Spartakus, d. Vf.) zu einer Veranstaltung mit Max Reimann in die Uni Mainz eingeladen. Gekommen waren vor allem Spartakisten, DKPler, KPD-Mitglieder, Spartacus-Trotzkisten (KJO, d. Vf.), Gewerkschafter und Genossen der KPD/ML und des KJVD. Reimann bewies in seiner Rede, dass die alte KPD-Führung völlig mit dem revisionistischen Kurs der DKP-Führung übereinstimmt und sie als Agentur des Sozialimperialismus und der Sozialdemokratie in der BRD unterstützt. Reimann ging zuerst auf die Verträge ein; sie seien das entscheidende Problem, sie seien ein Weg zum Frieden. Deshalb müssten alle Kräfte, Kommunisten, Sozialdemokraten, Demokraten, die Jugend dafür mobilisiert werden. Je länger die Ratifizierung hinausgeschoben würde, umso stärker würde die Reaktion werden. Die Verträge seien eine Anerkennung der Realitäten. Umso unverständlicher sei es, wenn die SPD-Regierung an dem KPD-Verbot festhalte. Es sei nicht zu vereinbaren, dass sie hier jeden Kontakt mit Kommunisten ihren Mitgliedern verbietet, während sie im Ausland ihnen die Hände schüttelt. Es sei schockierend für die demokratische Öffentlichkeit, wenn der Herr Franke von Brandt beauftragt wird, am Grab von Bismarck einen Kranz niederzulegen. Wieso sagt sich die SPD-Führung (!) nicht los von der Politik, die schon zweimal in die Katastrophe geführt hat. Aber man kann sagen, die Kräfte des Friedens haben einen Erfolg errungen, das Rad der Geschichte ist vorwärts gerollt. Aber immer noch besteht das KPD-Verbot. Umso unverständlicher ist es, wenn Brandt von 'mehr Demokratie wagen' redet und das Verbot beibehält. Das KPD-Verbot ist keine juristische Frage, sondern eine politische, daraus folgt, der Bundestag muss entscheiden. Im Geist der Verträge müsse das KPD-Verbot aufgehoben werden ... Die Kommunisten hätten aus der Geschichte gelernt. Der Feind würde immer rechts stehen. Die SPD-Führung müsse auch diese Lehre ziehen. Schließlich forderte Reimann Schluss mit allem Trennendem zu machen und richtete ein Angebot an die SPD samt Willy Brandt, gemeinsam gegen den Faschismus zu handeln ... Zum Schluss forderte er noch die KPD-Mitglieder auf, in die DKP einzutreten: dass er nicht drin sei, sei kein Grund, nicht einzutreten.
In der anschließenden Diskussion trat zuerst ein Redner der KPD/ML auf. Er sagte, die KPD-Genossen, die noch nicht in der DKP sind, sind es deshalb nicht, weil die DKP eine falsche Politik macht. Er erläuterte dann, warum der Hauptstoß gegen die Sozialdemokratie zu führen ist. Er ging auf die Abwälzung der Krisen auf die Arbeiterklasse ein und auf die faschistische Verwaltung (Lohnleitlinien, BVG), auf die Vorbereitung des Faschismus (Bundesgrenzschutz (BGS, d. Vf.), Bundeswehr) und die Unterstützung der aufkommenden faschistischen Bewegung; und darauf, dass die Sozialdemokratie die soziale Hauptstütze der Monopolbourgeoisie ist. Reimann erklärte, der Hauptstoß sei nicht gegen die SPD-Führung zu richten, sondern gegen das Monopolkapital und damit (!) gegen die CDU bis zur Aktion Widerstand (AW, d. Vf.). Büscher vom Landesvorstand der DKP meinte dann, die KPD/ML würde die SPD-Arbeiter der Führung in die Arme treiben. Wie würde es sich die KPD/ML erklären, dass die Monopolbourgeoisie in der Hauptsache die CDU/CSU und Strauß unterstützt?“ (11)
KPD-Verbot und Hauptschlag gegen die Sozialdemokratie, die die „Hauptstütze der Monopolbourgeoisie“ sei, das zog sich wie ein roter Faden durch die Argumentation. Dass die „Vorbereitung des Faschismus“ unmittelbar mit einer Zerschlagung der „revolutionären Organisation der Arbeiterklasse“ zusammenhänge, kann dadurch erklärt werden, dass die „faschistische Verwaltung der Arbeiterklasse“ und die Unterstützung der aufkommenden faschistischen Bewegungen (durch die SPD, d. Vf.)“ für die KPD/ML-ZB ein umfassendes System der Sozialdemokratie darstellte. In diesem zieht sie die Schrauben der Unterdrückungsmaßnahmen immer mehr an. Und das würde, was später noch viel deutlicher formuliert wurde, zur Zerschlagung der marxistisch-leninistischen Organisationen führen.
Einen ersten Schritt, die Organisationserfolge linker Gruppen durch den VS (12) zunichte zu machen, könnte darin bestanden haben, in Westberlin einen Teil der Roten Zellen verbieten zu lassen. Die KPD/ML berichtete darüber am 22.2.1971 im „KND“:
„In Westberlin wird der FU-Vizepräsident Wesel aus der SPD ausgeschlossen. Wesel hatte eine Solidaritätserklärung gegen das Verbot der Roten Zellen unterzeichnet, in der von der 'antikommunistischen Tradition der SPD' und 'der Rolle der SPD beim Abbau der demokratischen Grundrechte' die Rede war. Eine große Zahl Westberliner SPD-Mitglieder hat diese Erklärung ebenfalls unterzeichnet. Ihnen wird es ähnlich ergehen wie Wesel. Der WB-SPD-Abgeordnete sagte auf einer SPD-Großveranstaltung in der Deutschlandhalle, auf der auch Brandt und Vogel anwesend waren: 'FÜR DIE PARTEI IST ES FÜNF MINUTEN VOR ZWÖLF.“ (13)
Verbot, Verbotsandrohungen und Berufsverbote hingen zusammen. Vor allem die Berufsverbote gehörten mit zu den Präventivmaßnahmen der bundesdeutschen Verfassungsschützer, wenn es darum ging, unliebsam gewordene Menschen aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen. Die Berufsverbote umfassten all diejenigen, die irgendwann dem Staat im (Hoch-)Schuldienst, auf Ämtern oder in Verwaltungen „auffällig“ geworden waren. Dagegen gab es zu Beginn der 70er Jahre eine Demonstration nach der anderen. Und es wäre schlichtweg falsch, zu behaupten, dass sich die Berufsverbote nur auf Angehörige der DKP/SDAJ oder MSB-Spartakus bezogen hätten. In Bochum kam es am 3.2.1971 zu einer Demonstration gegen die Berufsverbote. Die „Wahrheit“ berichtete darüber:
„In Bochum beteiligen sich, laut KB Bremen, 2000 an einer Demonstration gegen die Berufsverbote, die Teil einer Aktionswoche ist, die der von den Sozialistischen Abteilungsgruppen getragene AStA der RUB gemeinsam mit 18 Organisationen durchführt. An der Demonstration nehmen auch DKP, SDAJ und MSB Spartakus teil. An den Berufsschulen mobilisiert das Bochumer Lehrlingskollektiv (BLK).“ (14)
Die KPD/ML-ZB mutmaßte indes, dass die CDU offen für ein Verbot der DKP plädiere. Indem sie ihre ausdrückliche Zustimmung zum „Ausbau des Verfassungsschutzes“ gebe, würde sie sich in den Block einreihen, der sich für ein Verbot einsetze. Im „KND“ war zum 4.2.1971 zu lesen:
„CDU FORDERT D'K'P-VERBOT. Am 4.2. haben die bürgerlichen Parteien im Bundestag über die innenpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung diskutiert. Einig waren sich die Vertreter von CDU/CSU und SPD über die Maßnahmen zum Aufbau einer Bürgerkriegstruppe und die verstärkte Faschisierung des Staatsapparats: CDU-Benda sicherte Genscher ausdrücklich seine volle Unterstützung zum Ausbau des Bundesgrenzschutzes zu. Hier sei man 'in Sachfragen einer Meinung'. Wie notwendig diese Polizeitruppe sei, sagte Benda, zeige sich schon an der 'Lage an der Zonengrenze', wo eine 'Verhärtung in der Haltung der DDR-Grenzorgane' festzustellen sei. SPD-Schäfer freute sich über diese Zustimmung der CDU: Der Bundesgrenzschutz müsse aus seiner 'Zwitterstellung' zwischen Zoll, Bundeswehr und Polizei heraus, erklärte er, für den BGS müssten alle Voraussetzungen einer wirklichen Polizeitruppe geschaffen werden, mit voller Polizeiaufgabe. Außerdem forderte die CDU offen zum Verbot der D'K'P auf: Der CDU-Abgeordnete Miltner empfahl der Bundesregierung, zu prüfen, ob die D'K'P als Ersatzorganisation der verbotenen KPD behandelt werden müsse (also durch richterlichen Beschluss verboten werden kann) oder ob ein Verbotsverfahren gegen die D'K'P beim Bundesverfassungsgericht (BVG, d. Vf.) beantragt werden sollte. Ein Verbot der D'K'P liegt aber zur Zeit nicht im Interesse der rechten SPD-Führer; so riet auch der Westberliner SPD-Bundestagsabgeordnete Sieglerschmidt (der zu der rechten SPD-Vereinigung 'Freunde des Godesberger Programms' gehört) der Bundesregierung 'Zurückhaltung' in der Frage des D'K'P-Verbots - die Bundesregierung sollte erst einmal die 'politische Zweckmäßigkeit eines Antrags prüfen'.“ (15)
Im März 1971 berichtete „Der Kampf der Arbeiterjugend“ des KJVD darüber, dass die „SPD-Fraktion in NRW“ ein Verbot aller Organisationen, die „den Umsturz dieser westdeutschen Gesellschaft anstreben“ fordere. Der Verfassungsschutzbericht NRW aus dem Jahr 1971 berichtete auch darüber, dass die Aktivitäten „linksextremer Gruppen“ verstärkt beobachtet werden sollen. Öfter wurden in diesem KPD/ML und KJVD genannt. Im „KDAJ“ wurde dazu ausgeführt: „Die SPD-Fraktion in NRW forderte in den letzten Wochen das Verbot aller Organisationen, die den Umsturz dieser westdeutschen Gesellschaft anstreben.“ (16)
Selbst die Jusos seien nun vom Antikommunismusbeschluss betroffen. Im „KDAJ“ Nr. 4/1971 vom April war zu lesen:
„HETZE GEGEN DIE JUSOS. SPD-FÜHRER SÄUBERN DIE REIHEN DER PARTEI.
Münchens Oberbürgermeister Vogel gab das Signal - und die anderen SPD-Führer begannen eine bundesweite Hetze gegen die Jusos. Sie bekräftigten ihren Antikommunismusbeschluss und erklärten, dass sie alle aus der Partei werfen würden, die weiter mit Kommunisten gemeinsame Aktionen durchführen oder auch nur mit ihnen diskutieren. Sie legten den Juso nahe, ihre beiden geplanten Kongresse nicht zu öffentlichen Veranstaltungen zu machen, sondern sie als geschlossene Arbeitskonferenzen abzuhalten ... Gegen rund 40 Jusos laufen Parteiverfahren, weil sie gemeinsam mit Mitgliedern der SDAJ und D'K'P (DKP, d. Vf.) Veranstaltungen gegen die Fahrpreiserhöhungen und gegen die Rüstungspolitik der Bundesregierung durchgeführt haben. Warum gehen die SPD-Führer gerade jetzt so scharf gegen die Jusos vor?
Zwanzig Jahre lang haben die CDU/CSU-Führer die Staatsgeschäfte für die Kapitalisten geführt. Sie haben die Grundlagen dafür gelegt, dass die Krupp und Co so weitermachen konnten wie vor dem Krieg. Sie haben verhindert, dass es den alten Nazis an den Kragen ging, sie haben dafür gesorgt, dass die Kapitalisten wieder eine Armee bekamen, die sie zur Eroberung fremder Länder und zur Niederschlagung von Arbeitskämpfen der Arbeiter einsetzen konnten: es wurde wiederaufgerüstet in Westdeutschland und die Bundeswehr eingegliedert in das aggressive NATO-Bündnis. Die CDU konnte diese Maßnahmen nur durchführen, weil die SPD- und Gewerkschaftsführer im Grunde die gleichen Ziele hatten wie sie und mit ihrem Einfluss größeren Widerstand bei den Arbeitern verhinderten. Sie unterstützen auch voll das Verbot der KPD. Auch sie meinten, dass es die Hauptsache wäre, die Kommunisten ein für alle Mal zu verjagen und zu verhindern, dass auch die Arbeiter in Westdeutschland eine demokratische Republik der Arbeiter und Bauern errichteten, wie sie es in der DDR begonnen hatten. Denn in einem Staat, in dem die Arbeiterklasse die Macht hatte, war für die SPD-Führer nichts zu holen. Die Kapitalisten dagegen winkten ihnen für ihre Unterstützung mit hohen Staatsposten ... Ihre Generalprobe hatten die SPD-Führer bei der Zustimmung zur Wiederaufrüstung und bei der Zustimmung zu den Notstandsgesetzen gegeben.
Die SPD-Führer aber sind nicht bereit, ihren Regierungssessel so schnell wieder für die CDU/CSU zu räumen. Mit dem vertrauen der Arbeiter haben sie sich hineingehievt. Wenn sie aber mit dem geschwundenen Vertrauen der Arbeiter ihre Posten nicht mehr halten können, dann eben anders. Sie beginnen die Werbung um die, die bisher der SPD misstraut haben, weil sie nach 'Arbeitern und Sozialismus' roch: sie werben um die, die sich ein bisschen Eigentum beiseitegeschafft haben und jetzt nichts wollen, als Sicherheit für ihren Besitz. Und genau hier sind den SPD-Führer die Jusos im Weg. Die Jusos gaben bisher der SPD einen Anstrich von Sozialismus. Aber die SPD-Führer sehen, dass das heute ein Luxus ist, den sie sich nicht mehr leisten können. Denn Wählerstimmen aus den Reihen der Arbeiter und der Arbeiterjugend haben die Jusos nicht gebracht. Sie haben auch keinen Einfluss auf die Jungarbeiter und Lehrlinge. Dagegen bekommen die Leute, auf deren Stimmen die SPD-Führer angewiesen sind, Angst, wenn sie die Jusos von 'Enteignung und Abschaffung des Privateigentums' reden hören. Und so wird den Jusos eben kurzerhand der Mund gestopft. Wie die SPD-Führer die Folgen dieser Hetzkampagne einschätzen, sagt der Ministerpräsident von NRW, Kühn. Das ist es, was hinter dem Gerede der SPD-Führer steht, wenn sie sagen, bei der Auseinandersetzung zwischen ihnen und den Jusos gehe es um die Entscheidung zwischen 'Revolution und Reform'.
Und die Jusos? Welche Konsequenzen ziehen sie daraus, dass die SPD-Führer ihnen den Mund verbieten und die Reihen der Partei ausrichten wollen, um noch schärfer gegen die Arbeiterklasse vorzugehen? In fast allen Landesverbänden haben sie sich hinter den Antikommunismusbeschluss der SPD-Führer gestellt. Voigt erklärt ausdrücklich, dass es jetzt noch mehr darauf ankäme, in der Partei mitzumachen: 'die Bevölkerung zu politisieren und gleichzeitig in der Partei zu arbeiten, also Partei und Gesellschaft nicht voneinander zu trennen.' Und der Vorstand der Jusos von NRW betont, dass die Jusos die Bundesregierung Brandt unterstützen, weil 'sie ein bedeutender Fortschritt in der innenpolitischen Entwicklung ist.' Warum die Juso-Führer so klein beigeben und die einfachen Mitglieder zu beruhigen suchen, sagen sie selbst, wenn sie sich darüber beschweren, dass die SPD-Führer sie wie Feinde behandeln, nicht aber wie 'Sozialdemokraten'. Die Juso-Führer wollen sich nicht zu Feinden der Partei stempeln lassen, weil sie sich damit den Weg zu den Pöstchen in Partei, im Staatsapparat und den Städten abschneiden. Ihnen galt der Satz eines Juso-Funktionärs: 'Gemeinsame Aktionen sind notwendig, dann aber ohne Papier und Unterschriften.'
Im stillen Kämmerlein also sollen die Jusos die Politik machen, die sie für richtig halten. Vor der Öffentlichkeit aber sollen sie die Fahne der SPD hochhalten. Die Betrogenen bei diesem ganzen Spiel sind die einfachen Mitglieder. Die, denen es wirklich darum geht, die Zusammenarbeit zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten voranzutreiben und gemeinsam für die Interessen der Arbeiterklasse zu kämpfen. Diese Hetzkampagne gegen die Jusos und die Antwort der Juso-Führer sollten allen ehrlichen Juso-Mitgliedern eines zeigen: Für die Juso- und SPD-Mitglieder, die auf der Seite der Arbeiterklasse stehen, kann es nur eine Antwort geben: diesen arbeiterfeindlichen, verlogenen und korrupten SPD-Führern den Rücken zu kehren und sich den Kräften zuzuwenden, die den konsequenten Kampf für die Interessen der Arbeiterklasse führen: der KPD/ML und dem KJVD.“ (17)
Das Buhlen um die Jusos hatte teilweise sogar einen Teilerfolg zu verzeichnen gehabt. In NRW gelange es der KPD/ML-ZB öfter, Aktionseinheiten mit örtlichen Juso-Gruppen einzugehen. Vor allem bei antifaschistischen Aktionen in Bochum, Dortmund, Recklinghausen oder Duisburg konnten öfter Juso-Mitglieder neben KPD/MLern gesichtet werden. So auch bei der Rote-Punkt-Aktion in Dortmund (vgl.: Dietmar Kesten: „Der Rote Punkt 1971 in Dortmund“), wobei allerdings die ortsansässigen Jusos eher bereit waren, ein Bündnis mit DKP/SDAJ einzugehen. Trotzdem solidarisierten sie sich dort mit dem öfter verhafteten Klaus Dillmann der KPD/ML-ZK. Über die Observierung der RP-Aktion berichtete die „Zündkerze“ der KPD/ML-ZK bei Opel-Bochum am 22.3.1971 in einem Extrablatt:
„KOLLEGEN! SOLIDARISIERT EUCH MIT DEM KAMPF GEGEN DIE FAHRPREISERHÖHUNGEN DER BOGESTRA.
In Dortmund kämpfen Arbeiter, Lehrlinge, Hausfrauen, Studenten und Schüler schon vier Wochen gegen die Fahrpreiserhöhungen. Unsere Kollegen von Hoesch haben sich solidarisiert. Ebenso Kollegen der Dortmunder Zechen. Auch hier in Bochum ging es am Donnerstag vergangener Woche los. Die Polizei schritt von Anfang an brutal ein. So wie in Dortmund verhaftete sie wahllos am Anfang, im weiteren Verlauf der Demonstrationen immer gezielter: Spitzel wurden beauftragt, die 'Rädelsführer' ausfindig zu machen, sie wurden mit genauen persönlichen Daten von der (politischen) Polizei (K14, d. Vf.) versehen, um Leute einzuschüchtern usw. Flugblattverteilern passierte es, dass sie plötzlich mit vollem Namen und Adresse angesprochen wurden. Kollegen, warum dieser Polizei-Terror? Preiserhöhungen, Kurzarbeit, Entlassungen in verschiedenen Branchen zeigen: Wir gehen einem zweiten 1966/1967 entgegen. Diesmal sind aber große Teile der arbeitenden Bevölkerung nicht mehr bereit, sich Lohnabbau usw. kampflos bieten zu lassen. Das wissen natürlich die Herren in Bonn und Düsseldorf. Sie haben schon seit Monaten alle Hebel in Bewegung gesetzt, um sich auf solche Demonstrationen und Streiks vorzubereiten: Die Unternehmer treffen Absprachen, um 'unliebsame' Kollegen besser feuern zu können, Polizeischulen, wie die in Bork (Selm, d. Vf.), sind fast nur noch mit der Ausbildung über Niederschlagung von Demonstrationen beschäftigt. Und jetzt hat sogar die SPD-Landtagsfraktion in NRW die Landesregirrung 'gebeten', bei der Bundesregierung vorstellig zu werden: Die 'radikalen Gruppen' sollen verboten werden.
Wer damit gemeint ist, dürfte klar sein. Nicht die Faschisten - Kühn setzte sich erst kürzlich mit Jungfaschisten an einen Tisch, sondern die Kommunisten, die KPD/Marxisten-Leninisten und ihre Jugendorganisation, die ROTE GARDE (RG, d. Vf.). Die Herrschenden greifen immer zu Verbotsanträgen, wenn's für sie brenzlig wird. So 1933, so 1956. Kollegen, an uns liegt es, ob die arbeitende und studierende Jugend allein bleibt oder nicht. Glauben wir nicht, dass der Kampf gegen Lohnabbau, Preiserhöhungen usw. nur ihr Bier wäre. Jeder von uns weiß, wie schwer es ist, seine Familie zu ernähren, wenn es Krisenlöhne oder Arbeitslosenunterstützung gibt.
Nur wenn wir uns alle einig sind, können wir etwas erreichen. Hände in den Schoß legen kann nicht unsere Sache sein. Erinnert euch nur an unseren Streik im vergangenen Jahr. Kaum einer hielt ihn anfangs für möglich - bis, ja bis es dann doch knallte! Wenn die Erfahrung der älteren Kollegen zum Feuer der jungen hinzukommt, dann läuten die Glocken Alarm bei den Bossen und Bonzen. Doch wenn wir nicht kämpfen, dann werden wir noch mehr verlieren! Kollegen, die KPD/Marxisten-Leninisten, ihre Rote Opel-Betriebsgruppe (Zündkerze) und ihre Jugendorganisation, die ROTE GARDE, werden euch in diesem Kampf konsequent unterstützen und alles dazu beitragen, dass WIRKLICHE Erfolge errungen werden können.“ (18)
Die im späteren Prozess gegen so genannte „Rädelsführer“ des Roten-Punkt immer wieder geäußerten Hinweise, dass die KPD/ML eine Strömung sei, die sich am „Rande der Legalität“ bewege und möglicherweise in der politischen Kontinuität der alten KPD stehe, dürften hier vorweggenommen worden sein. Die „SPD-Landtagsfraktion in NRW (hat) die Landesregierung 'gebeten', bei der Bundesregierung vorstellig zu werden: Die 'radikalen Gruppen' zu verbieten“. Das deckt sich mit der Vermutung der Ermittlungen gegen diese Organisationen, von der auch die Rote Garde Bochum am 25.3.1971 zu berichten wusste:
„JUNGARBEITER, LEHRLINGE, SCHÜLER UND STUDENTEN!
Nachdem SDAJ- und DKP-Häuptlinge letzte Woche veranlassten, der ROTEN GARDE die roten Fahnen und Transparente zu entreißen, mussten sie schnell einsehen: so leicht ließen sich die ROTGARDISTEN und ihre Sympathisanten nicht fangen. Was war ihre Konsequenz? Eine 'neue' Taktik! Ab Montag kommen sie vor jeder Demonstration zu uns und mimen in 'Einheitsbrei'. Was sich aber dahinter verbirgt, ist nicht die Absicht, die Einheit wirklich herzustellen, sondern sie immer wieder zu zerstören. Wie sieht dies konkret aus? SDAJ-Häuptling Jacobs kam zu uns (am Mittwoch) und meinte, man müsse zwei Demonstrationsblocks machen: bei Wertheim und an der gegenüberliegenden Post. Er versprach, für die sofortige Vereinigung beider Blocks zu sorgen, wenn die Polizei harte Angriffe startet. Aber was geschah dann? Die Polizei hatte den Plan spitz gekriegt und marschierte wie Napoleons Truppen im Karree auf. Sie trieb diesen Block in die Unterführung an der Post und ließ keinen Jungarbeiter, Lehrling usw. wieder heraus. Die Demonstranten saßen in der Falle! Als Hilfe vom anderen Block bei Wertheim angefordert wurde, empfingen SDAJ-Häuptlinge den betreffenden Genossen und trieben ihn unter Tätlichkeiten wieder zurück. Die SDAJ hatte also wieder einmal wahr gemacht, was sie schon letzte Woche gesagt hatte: 'ROTGARDISTEN und kämpferische Demonstranten sollen ruhig verprügelt und verhaftet werden, wir werden keinen Finger für sie krümmen!' Das gleiche war schon am Tag vorher am Hauptbahnhof passiert.
VERBOTSTENDENZEN?!
Aber es ist verabscheuungswürdig, wenn Leute wie Schüssler ohne mit der Wimper zu zucken das Geschäft der Polizei und ähnlicher netter Herren besorgen. Die kapitalistischen Schreiberlinge von der Lokalpresse honorieren solche 'Heldentaten'. Die Ruhr-Nachrichten (CDU-Blatt!) schrieben letzte Woche, dass zur Aktion Roter Punkt (ARP, d. Vf.) nur 'demokratische Organisationen' gehörten. Sieh da, die DKP eine 'demokratische Organisation', wo sie doch sonst so 'verhetzt' wird. Aber die RN sind schlau. Sie wissen, wo ihre wahren Freunde sitzen und ihre Feinde: Die SDAJ-Häuptlinge und ihre DKP-Veteranen sorgen für Ordnung, weil die SPD und die rechten Jusos dazu nicht mehr in der Lage sind, während die ROTGARDISTEN und ihre Partei, die KPD/ MARXISTEN-LENINISTEN gewillt sind, den Kampf konsequent aufzunehmen und fortzusetzen. Bei ihnen ist der Geist Ernst Thälmanns keine hohle Phrase. Daher müssen RN, WAZ und WR diese als 'Randalierer' und 'einsames Grüppchen' hinzustellen. Aber dies entspricht in keiner Weise der Wahrheit! VERBOTSTENDENZEN? Ja! Die SPD-Landtagsfraktion beantragte, die Landesregierung solle bei der Bundesregierung vorstellig werden. Absicht: die radikalen Organisationen, die 'zur Gewalt aufrufen, verbieten zu lassen.'
Dies ist das wahre Gesicht der Herrschenden. Auf der einen Seite müssen sie in Untertreibung machen, auf der anderen Verbotsanträge. Wie 1933, wie 1956! Köppler von der CDU tönt natürlich noch mehr ins Horn. Damit die SPD noch mehr den starken Max markiert. Wenn sich Kühn mit Jungfaschisten an einen Tisch setzt, gegen die 'Linksradikalen', sprich die Marxisten-Leninisten, aber hetzt, so beweist er ganz klar: Lieber einen Strauß und Hintermänner, als Kommunisten auch nur zu dulden. Solche Dinge sind aber bei der DKP/SDAJ tabu. Damit sie sich nicht mit der SPD und den Gewerkschaftsbonzen verderben. Ihre Rolle ist daher klar: Sie haben die Funktion der SPD der 20er Jahre, damit die Arbeiter, Hausfrauen und Bauern sich 'friedlich zur Schlachtbank führen lassen'.
JUNGARBEITER, LEHRLINGE, SCHÜLER UND STUDENTEN!
Der Hintergrund all dieser Verrätereien ist klar: Die nächste Krise steht vor der Tür. Überall schon Kurzarbeit, Entlassungen (BV, Stahlwerke usw. (IGM-Bereich, d. Vf.). Diese Sprache ist für jeden Arbeiter und Jungarbeiter deutlich genug. Wir sollen uns wieder einmal 'gesundschrumpfen'. Die Bauern in Brüssel und Bonn - trotz ihrer reaktionären Führung - haben uns gezeigt, wie weit die Krise schon gediehen ist. Nur dadurch ihr Kampf. Denn keiner wehrt sich, wenn er nicht angegriffen wird. Die Herrschenden haben Angst, dass der Funke auf die Arbeiter und Werktätigen überspringt, vor allem auf die arbeitende Jugend. Sie war schon immer der kampfentschlossenste Teil. Kam die Erfahrung der Älteren hinzu, so zitterten die Bosse und Bonzen wie Espenlaub. Ihr letztes Stündlein begann zu schlagen. Und heute ist es wieder einmal so weit. Die arbeitende Jugend kämpft, getragen von der Sympathie der Älteren. Die Einheit im Kampf, die sich hier anbahnt, versetzt die Herrschenden in Schrecken. Ihre Diktatur über die zig Millionen beginnt zu wackeln.
Kämpfen wir für die Einheit, bevor es wieder einmal wieder zu spät ist. Leere Worte helfen hier nicht, sondern nur entschlossenes und konsequentes Vorgehen. Wir sind keine 'Gewalttäter', aber wir sagen jedem: Wer sich zum Schaf macht, den fressen die Wölfe. Dies werden wir nicht zulassen. Das wichtigste aber ist: klar Freund und Feind zu unterscheiden. Eine Führung aufzubauen, die nicht erst den Herrn Polizeipräsidenten fragt, ob demonstriert werden darf oder nicht. Wenn man uns die Taschen leeren will und dazu noch Prügel verabreichen möchte, so müssen wir kämpfen. Denn hier wird keinem von uns was geschenkt in diesem Staat. DESHALB: Reiht euch ein in den ROTE-GARDE-Block! Helft, die Einheit herzustellen und zu bewahren. DENN: Mit Preiserhöhungen fängt es an, dann sind wieder Entlassungen dran! DENN: Mit Verbotsanträgen fängt es an, dann sind wieder die Braunen an!“ (19)
Deutlich war, dass ein Verbot der Marxisten-Leninisten hier in den Zusammenhang mit der kapitalistischen Krise gestellt wurde. Zu „Verbotsanträgen“ würden die Herrschenden immer dann greifen, „wenn’s für sie brenzlig wird. So 1933, so 1956“. Und ein weiterer Punkt war wichtig, nämlich, dass „Streiks und Demonstrationen“ wie im Roten-Punkt bedeuten würden, um „unliebsame“ Kollegen besser feuern zu können“. Auch deshalb habe die SPD-Landesregierung von NRW die Initiative ergriffen, um „bei der „Bundesregierung vorstellig zu werden“; denn die „radikalen Gruppen sollen verboten werden“.
Im „Aufruf“ des KJVD der KPD/ML-ZB zum 1. Mai 1971 „An die arbeitende Jugend“ war die Kernideologie des Marxismus, dass alles den Krisenprozessen zum Opfer fallen würde, deutlich genannt:
„Die SPD-Führer treffen nicht nur Maßnahmen, die die Profite der Kapitalisten im eignen Land sichern sollen. Sie bahnen auch der Eroberung fremder Absatzmärkte durch die Kapitalisten den Weg. Unter dem Deckmantel einer friedlichen Politik mit den Ländern Osteuropas treffen die SPD-Führer Maßnahmen, die es möglich machen, den Zugriff nach den fremden Ländern mit der Waffe in der Hand zu führen. Sie haben sämtliche versprochenen Reformen aus ihrem Programm gestrichen. Der Rüstungsetat braucht keine Streichung zu fürchten. Noch steht der Krieg nicht vor der Tür, aber die Militärs, die schon für Hitler die Kriegsmaschine bedienten, sitzen immer noch auf den entscheidenden Posten. Sie werden nicht zögern, noch einmal die Handgriffe auszuüben, die für Tausende den Tod bedeuten.
Noch ist der Krieg nicht da, aber schon fordert er Opfer. Allein bei den Abstürzen der Starfighter sind in den letzten Jahren 66 Menschen ums Leben gekommen. Unter dem Deckmantel der Verteidigung des Vaterlandes bereiten die SPD-Führer die Jugend in den Betrieben und in den Schulen darauf vor, für die Profite der Kapitalisten in den Krieg zu ziehen. Von jeher hat die Arbeiterjugend der Kriegspropaganda und dem Krieg ihren entschlossenen Widerstand entgegen gesetzt. Denn es ist die Arbeiterjugend, die als erste für die Profitgier der Kapitalisten bluten muss.
REISSEN WIR DEN SPD-FÜHRERN IHRE FRIEDENSMASKE VOM GESICHT!
SCHLUSS MIT DEN KRIEGSVORBEREITUNGEN!
GEGEN DIE AUFRÜSTUNGSPOLITIK DER SPD-REGIERUNG!
Die SPD-Führer können mit der Politik der friedlichen Maske nicht mehr alle ihre Maßnahmen durchsetzen. Zu deutlich wird in ihren Taten ihr wahres Gesicht. Sie zögern nicht, da wo Lügen nichts helfen, mit anderen Mitteln ihre Politik durchzusetzen. Die Notstandsgesetze: Bundesinnenminister Genscher (FDP, d. Vf.) baut den Bundesgrenzschutz (BGS, d. Vf.) und die Justiz aus, um sie zur brutalen Grundlage der Politik der SPD-Führer zu machen. Wem sie gilt, sagen die SPD-Führer offen. Ende des letzten Jahres erklärten sie die Kommunisten offiziell zum Feind der SPD. Und die SPD-Fraktion in NRW forderte in den letzten Wochen das Verbot aller Organisationen, die den Umsturz dieser westdeutschen Gesellschaft anstreben. Die Arbeiter beginnen, sich von dieser Partei abzuwenden. Schon warten die Strauß (FJS - CSU, d. Vf.) und Kiesinger (CDU, d. Vf.) darauf, dass die Kapitalisten sie wieder in die Regierungssessel heben, um noch offener gegen die Arbeiterklasse vorgehen zu können.
Und die Faschisten aus der 'Aktion Widerstand' (AW, d. Vf.) und den anderen Organisationen schließen sich immer enger zusammen und provozieren die Arbeiterklasse mit frechen Überfällen. Die SPD-Führer unternehmen nichts gegen ihren Terror. Im Gegenteil. Sie schützen sie mit ihrer Justiz und bezahlen sie mit unseren Steuergeldern. In Essen werden die Faschisten am 1.Mai auf die Straße gehen. Der SPD-Stadtrat hatte nichts dagegen einzuwenden. Es gibt nur eine Kraft, die einen neuen Aufstieg der Faschisten verhindern kann - die Arbeiterklasse unter der Führung der Kommunistischen Partei. Die SPD-Führer fürchten, dass die Arbeiterklasse sich am 1.Mai auf den Straßen Westdeutschlands und Westberlins sammelt und sich unter der Führung der Kommunisten zum Kampf für politische Freiheit und wirtschaftliche Sicherheit formiert.
Darum setzen sie alles daran, einen offenen, einen roten 1.Mai zu verhindern.
In Hamburg, in Westberlin und anderen Städten wollen sie den 1.Mai in den Saal verlegen. In anderen Städten wollen sie die Autorität der Brandt und Kühn vorschieben, um einen kämpferischen 1.Mai zu unterbinden. Aber die Arbeiter haben in den letzten Monaten gezeigt, dass sie nicht mehr bereit sind, über den Worten der SPD-Führer die Wirklichkeit und den Kampf zu vergessen. Sie werden auch am 1. Mai an der Seite ihrer Klassenbrüder in allen Ländern der Welt diesen Tag so feiern, wie er immer begangen worden ist: Sie werden den Herrschenden zeigen, dass alle ihre Mittel nicht ausreichen, um die westdeutsche Arbeiterklasse auf immer zu fesseln. Sie werden ihnen zeigen, dass sie sich rüsten, die Ketten der kapitalistischen Gesellschaft zu zersprengen.
Die Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten und der KJVD werden die Arbeiter, Jungarbeiter und Lehrlinge nach Kräften unterstützen. Sie werden ihnen den Weg weisen, ihre eigene freie Welt zu gewinnen.
HERAUS ZUM 1.MAI!
KAMPF DEM KAPITALISMUS - FÜR DEN ARBEITER- UND BAUERNSTAAT!
ORGANISIERT EUCH IN DEN JUGENDBETRIEBEGSGRUPPEN DES KJVD!“ (20)
Interessant war bei diesem „Aufruf“ des KJVD, dass die Unmittelbarkeit eines Verbots auf einer politischen Intrige der SPD-Führung fußte; denn die Kommunisten seien seit „Ende des letzten Jahres“ (1970, d. Vf.) „offiziell Feind der SPD“. „Und die SPD-Fraktion in NRW forderte in den letzten Wochen das Verbot aller Organisationen, die den Umsturz dieser westdeutschen Gesellschaft anstreben.“ Deshalb müsse den „SPD-Führern ihre Friedensmaske vom Gesicht gerissen werden“. Die SPD-Führer seien es, die die „Kriegsvorbereitungen“ planen, die „Aufrüstung“, unter dem Deckmantel einer „friedlichen Politik mit den Ländern Osteuropas treffen die SPD-Führer Maßnahmen, die es möglich machen, den Zugriff nach den fremden Ländern mit der Waffe in der Hand zu führen.“
Das war harter Tobak. Die Heimsuchung war total. Die politischen Umtriebe der SPD mündeten in eine bedeutungsschwangere Hysterie ein; denn im Wortsinn waren „Kriegsvorbereitungen“ und „Verbot“ eine Lebenslinie der Sozialdemokratie, die mit 1918/19, 1933, 1945, 1966/67 und 1970/71 direkt in Zusammenhang stehen würden. Die Sozialdemokratie war an diesem Punkt der eigentlichen Aufhänger für alle politischen Kampagnen der KPD/ML-ZB und des KJVD. Es war in gewisser Weise schon fanatisch, wie Geschichte gefälscht wurde, wie sie zum Produkt von Engstirnigkeit und zu einem Zustand von Spekulationslust wurde.
Ähnlich äußerte sich auch die KPD/ML-ZK am 1.4.1971 in Bochum:
„Jetzt fordert die SPD-Landtagsfraktion ein Verbot von 'radikalen Gruppen' - womit natürlich nicht die Nazis gemeint sind? Warum geht die Polizei dermaßen brutal vor (gegen Rote-Punkt-Demonstranten, d. Vf.)? Die SPD-Bonzen in den Rathäusern wissen ganz genau, wie schnell der Funke zum Steppenbrand werden kann. Deshalb schreibt auch die FAZ, Zentralorgan der Kapitalisten am 2.4.: 'Die an den Universitäten fortschreitende Verlotterung von Sicherheitsgefühl und Unrechtsbewusstsein darf in der Kommunalpolitik keine Fortsetzung finden.'
Der Kollege Bl. kritisierte vor allem den Betriebsrat und die IGM. Er meinte, dass die 15%-Forderung in diesem Jahr endgültig durchgesetzt werden müsse. Dazu brauchten wir starke Kampfgewerkschaften. Er kritisierte, dass die IGM-Führung nach England so viel Geld schickt.“
Die Forderung nach starken Kampfgewerkschaften können wir nur kräftig unterstützen. Aber, durch vielerlei Erfahrungen bestärkt, glauben wir nicht, dass diese in der IGM zu finden ist. Die heutigen Gewerkschaften sind Kapitalisten und mit dem Kapital verfilzt. Sie vertreten nicht unsere Interessen, weil sie damit ihre eigenen Interessen als Kapitalisten verletzten würden. Deshalb müssen wir für eine revolutionäre Gewerkschaftsbewegung sorgen. Die RBGs und die innergewerkschaftliche Opposition sind dazu ein erster Schritt.“ (21)
Verbot und ein härteres Durchgreifen der Polizei bei Demonstrationen waren „faschistische Methoden“. Die KPD/ML-ZK schrieb in einem Flugblatt:
„Vorgestern verkündete Innenminister Weyer (FDP, d. Vf.) nunmehr müsse die Polizei noch härter durchgreifen. Diese Herren besorgen ihr Geschäft für die Kapitalisten sehr gut! Immer wenn es auf den 'kleinen Mann' geht, wie der Sturmangriff auf unser Portemonnaie, den wir momentan erleben, lassen sie die 'sozialliberale Katze' - besser gesagt: Knüppel - aus dem Sack. Darin unterscheiden sie sich in nichts von ihren 'Kollegen' von der CDU: immer tüchtig den Kapitalisten in die Tasche schaffen, immer tüchtig drauf auf die Arbeiter mit Lohnraub, Steuererhöhung, Preissteigerung, Lohnstop usw. Und wenns ernst wird kann man wie ehemals SPD-Polizeipräsident Zörgiebel in Berlin auf die Berliner Arbeiter am 1.Mai 1929 schießen ließ, zu offen faschistischen Methoden greifen.“ (22)
Der “Rote Metall Arbeiter” der KPD/ML-ZB und des KJVD aus Münster berichtete in seiner Nr. 6/1971 vom 30.4.1971:
„JUNGE UNION BEKÄMPFT NAZIGEGNER.
Auf der Jugendmesse am 3.4. in Greven hatten viele Organisationen Stände aufgebaut, um über ihre Arbeit zu informieren. Die VVN (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes) war durch einen alten Metallarbeiter vertreten, der als Sozialdemokrat unter der Nazidiktatur der Rüstungsbarone mit allem Mut gegen Faschismus und Krieg gekämpft hatte und deshalb erbittert verfolgt worden war.
Die VVN informierte die Besucher über die Nazidiktatur und ihre großkapitalistischen Hintermänner. In dem ausliegenden Info-Material wies sie nach, dass die Lakaien, die sich schon damals als Handlanger der Profitgeier, Rüstungsbarone und Kriegstreiber hervorgetan hatten, heute immer noch auf ihren Pöstchen in Ministerien, Parteien und Gerichtssälen sitzen. Dass heute noch dieselben Herren die Macht haben: Die Krupp, Abs, Flick und Thyssen. Nur ihre Herrschaftsmethoden sind heute andere. Viele davon sitzen heute in den dicken Polstersesseln der CDU.
Diese offene Sprache passte der JU gar nicht in ihren Kram. Sie wollte ja gerade das Gegenteil: Diese Tatsachen verschleiern: Voller Hass setzte sie zum Angriff auf die VVN und damit auf alle antifaschistischen Kräfte an: Sie klaute vom VVN-Stand Info-Material, die Bestellscheine für die VVN-Zeitung 'Die Tat' und wollten den Bücherverkauf verhindern. Auf übelste Art pöbelten sie den alten Stille-Kollegen an. Als Krönung verbreiteten sie in der Münsterschen Presse Lügen über 'undemokratisches Verhalten' der VVN. So ist das in unserer 'Demokratie': Die Organisationen, die die Interessen der Arbeiter und Werktätigen vertreten werden verboten, behindert und verfolgt, wo es nur geht: CDU- und SPD-Führer verboten gemeinsam die KPD, erließen die Notstandsgesetze (NSG, d. Vf.). Heute verstaatlichen sie die Gewerkschaften (Lohndiktat, Konzertierte Aktion); die CDU fordert wieder das Verbot kommunistischer Organisationen, die SPD verbietet ihren Mitgliedern die Zusammenarbeit mit Kommunisten.
DAS SIND HANDLANGERDIENSTE IM AUFTRAG DER MONOPOLE!
Sie haben Angst vor der erstarkenden Arbeiterbewegung. Unter dem Mäntelchen der bürgerlichen Demokratie rüsten sie zum Faschismus. Im Moment tut sich dabei die SPD-Regierung besonders hervor - sie kann das besser, weil sie noch großen Einfluss auf die Arbeiterklasse hat. Doch wir müssen auch aufmerksam solche Machenschaften der CDU und der JU beobachten und bekämpfen.
KAMPF DEM FASCHISMUS UND SEINEN WEGBEREITERN!
JAGEN WIR DIE ABS UND THYSSEN, DIE RECHTEN SPD- UND CDU-FÜHRER DAVON, KÄMPFEN WIR FÜR EINEN STAAT DER ARBEITER UND WERKTÄTIGEN!“ (23)
Am 13.4.1971 legte die KPD/M-ZB-Hoesch-Betriebsgruppe der Westfalenhütte in Dortmund nach. Ihr Extrablatt der „Roten Westfalenwalze“ zum 1. Mai enthielt ein Bündnisangebot an den V-Körper der Westfalenhütte, an die dortige DKP- und SPD-Betriebsgruppe. Dort formulierte sie:
„Nicht nur das Lohndiktat, sondern auch zahlreiche Notstandsmaßnahmen fügen der Arbeiterklasse schweren Schaden zu. So rüstet die SPD-Regierung in unverschämter Weise ihr Bürgerkriegsheer auf, den Bundesgrenzschutz (BGS, d. Vf.). So wird sie das KPD-Verbot gegen alle revolutionären Organisationen der Arbeiterklasse anwenden und bedroht damit alle fortschrittlichen Werktätigen. Das Gefährliche ist, dass die SPD-Regierung eine unglaubliche Demagogie gegenüber der Arbeiterklasse zur Tarnung ihrer Vorbereitung auf den offenen Angriff gegen die Arbeiterklasse benutzt. Nur sie war in der Lage, den Widerstand der Arbeiterklasse gegen das reaktionäre Adenauer-BVG zu brechen, nur sie war in der Lage, durch unglaubliche Lügen die Bewegung gegen die Notstandsgesetze (NSG, d. Vf.) ins Leere laufen zu lassen; heute versucht die Sozialdemokratie, ihre 'Reformen' an den Mann zu bringen. Dabei kommt ein BVG heraus, was das alte Adenauer-BVG noch übertrifft und ein Durchführungsgesetz zu den Notstandsgesetzen ist. Alle sozialdemokratischen Arbeiter sollten den Kampf gegen ihre verräterische Führung aufnehmen und entschlossen für ihre Interessen, für die Interessen aller Werktätigen eintreten.“ (24)
Interessant war die Formulierung, dass nun „das KPD-Verbot gegen alle revolutionären Organisationen der Arbeiterklasse angewandt“ werden soll und dass es damit „alle fortschrittlichen Werktätigen“ bedrohen würde. Diese Formulierungen gebrauchte in dieser Schärfe noch nicht einmal das Polit-Büro. Die Wortwahl ließ erkennen, das die ängstliche Abschottung nun in eine gewisse Offensive einmünden sollte, die nach dem bewährten Muster gestrickt war: wir drängen uns an die imaginäre Mutterbrust und halten uns unseren Kunden warm. Dass der „klare“ Standpunkt der Partei hier eigenhändig untergraben wurde, störte wohl niemanden. Zumindest nicht die leitenden Parteiführungen auf oberer und unterer Ebene. Hier wurden einfach die Versatzstücke der KPD-Politik mit aktuellen Bezügen kombiniert.
Doch anders tat es nicht die DKP. In einer Sonderausgabe ihrer Zeitung „Informationen“ auf der Zeche Hansa in Dortmund zum 1. Mai stellte sie zu einem Bündnisangebot der KPD/ML-ZB am 26.4.1971 kategorisch fest: „Die Deutsche Kommunistische Partei, DKP, wendet sich an alle Arbeiter, Angestellte und Beamte, an die arbeitende und lernende Jugend, auch in diesem Jahr den 1. Mai einheitlich und geschlossen als einen Kampftag für die Rechte der arbeitenden Menschen zu begehen. Es gibt in Dortmund Versuche, das einheitliche Handeln aller Werktätigen zu verhindern. Unter Missbrauch solcher Begriffe, wie 'kommunistisch', 'Marxisten-Leninisten', 'KPD/ML' und anderer aus der Geschichte der noch immer widerrechtlich verbotenen KPD bekannter Begriffe, versuchen bestellte Provokateure, einheitliches Handeln der Werktätigen zu verhindern. Dabei missbrauchen diese sich 'kommunistisch' nennenden Provokateure auch den Namen Ernst Thälmanns, jenes Kommunisten also, der wegen seines Eintretens für die Einheit aller Arbeiter von den NAZIS im KZ-Buchenwald ermordet wurde. Es war und ist das Anliegen von Kommunisten, von Marxisten-Leninisten, die Aktionseinheit aller Arbeiter und Angestellten gegen das Großkapital herzustellen. Demgegenüber wollen die sich KPD/ML nennenden Schreihälse durch scheinradikale Forderungen das einheitliche Auftreten der Gewerkschaftsmitglieder verhindern. Die Hauptaufgabe aller Menschen besteht gegenwärtig darin, einheitlich die gemeinsamen Interessen gegen das Großkapital wahrzunehmen. Darum ruft die DKP dazu auf, die Spaltungsversuche solcher Provokateure, wie der sogenannten KPD/ML zurückweisen ...“ (25)
Dass die DKP hier auf die ihrer Meinung nach notwendige Aufhebung des KPD-Verbots schielte, obwohl sie als neu gegründete Organisation die Verbotsfrage selbst ad absurdum geführt hatte, konnte auf das Zentralbüro nur als Affront wirken. Die „bestellten Provokateure“ machten daraus aber gar nichts. In den offiziellen Verlautbarungen ihrer Presse war dieser politische Schwenk kein Thema. Stattdessen schoss sich das ZB mit blinder Euphorie auf die Aktionseinheiten zum 1. Mai ein, was die KPD/ML-ZK zum Anlass nahm, eine Offensive gegen „Aktionseinheiten mit Revisionisten“ zu starten.
Im Mai 1971 formulierte die DKP-Betriebsgruppe der Zeche Grimberg Bergkamen in einer Ausgabe ihrer „Zündschnur“ ihre Auffassungen zum KPD-Verbot noch einmal deutlich. An die KPD/AO, KPD/ML und PL/PI gerichtet, schrieb sie:
„KPD-VERBOT AUFHEBEN!
Es ist Mode geworden, Kommunist zu sein, für viele 'schick' und der 'letzte Schrei'. Eine Inflation in Kommunisten. Da gibt es 'Aufbauorganisationen der KPD' (KPD/AO, d. Vf.), 'Proletarische Linke' (PL/PI Berlin, d. Vf.), die 'Superrevolution’ von der KPD/ML usw. Die Bundesregierung hat soeben einen Bericht herausgegeben, der sehr deutlich macht, welche Kommunistische Partei zu Recht den Ruf für sich beansprucht, die Partei der größten deutschen Arbeiterführer zu sein, die Partei Liebknechts, Rosa Luxemburgs und Thälmanns. Mit weitem Abstand nämlich hat die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) den größten Einfluss unter den klassenbewussten deutschen Arbeitern (30 000 Mitglieder). Das Vertrauen der Arbeiter in den Betrieben, in ihre Kollegen, die Mitglied der DKP sind, wächst ständig, die kommunistischen Betriebsräte und Vertrauensleute sind der Garant für eine klassenbetonte Interessenvertretung der Arbeiter.
Im Jahre 1956 wurde die traditionsreiche KPD verboten, der Verbotsantrag wurde damals von Adenauer gestellt. Das unrechtmäßige Verbot der einzigen Arbeiterpartei war Verrat an den über 150 000 gefolterten und Zehntausenden Kommunisten, die während der Nazizeit in KZ's und Gefängnissen starben. Selbst die Westalliierten erklärten 1945 bei der Neuzulassung der Parteien, 'die KPD ist eine traditionell demokratische Partei'. Heute gibt es die DKP, über dieser Partei schwebt das widerrechtliche Verbot der KPD; denn wenn diese Partei den 'Klassenfrieden' der in der Bundesrepublik Herrschenden stört, wird sicher ein neuer 'Adenauer' Verbotsantrag stellen. Deshalb sagen wir Kommunisten der Betriebsgruppe der DKP bei Grimberg: OHNE AUFHEBUNG DES KPD-VERBOTS IN DER BUNDESREPUBLIK KEINE DEMOKRATIE!“ (26)
Dieser politische Zeuge passte der DKP natürlich ins Konzept. Sie sei es, die für sich das Recht in Anspruch nehmen könne, die wahren Kommunisten zu sein, „die Partei der größten deutschen Arbeiterführer zu sein, die Partei Liebknechts, Rosa Luxemburgs und Thälmanns. Mit weitem Abstand nämlich hat die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) den größten Einfluss unter den klassenbewussten deutschen Arbeitern“. Da war sie dann wieder: die Rhetorik um das wahre Erbe, um das gestritten wurde wie um Sandkastenförmchen. Und natürlich hatte auch hier die Bundesregierung die Argumente geliefert: sie würde sich nicht weiter um eine rechtliche Verfolgung kümmern, wenn es sich bei der Neukonstituierung nicht um eine Nachfolgeorganisation handle. Für die DKP war damit die Verbotsfrage vom Tisch. Mit den Gründungen der Aktion Demokratischer Fortschritt (ADF) und Deutsche Friedensunion (DFU) wurde zwar der Versuch unternommen, sich als „aufrechte“ Demokraten zu outen und ihren „besten Ruf“ zu verteidigen, doch ihre dilettantische Politik als Westabteilung der SED war hier schon offensichtlich geworden.
Auch daraus zog die KPD/ML-ZB wenig Propagandastoff. Denn die DKP war eigentlich nur das Resultat der finanziellen Abhängigkeiten vom SED-Apparat, deren Strukturen, der politisch-ideologischen Identifizierung mit der Innen- und Außenpolitik der UdSSR und dem Eingeständnis gegenüber den westdeutschen Politikern, als Kommunisten sich der Demokratie unterzuordnen. Welches politische Interesse sollte da die DKP noch an einer Aufhebung des KPD-Verbots haben? In frommer Einfalt konnten daher zig Betriebszeitungen der DKP, das offizielle Organ „Unsere Zeit“ (ZU), die Publikationen des MSB-Spartakus und die Presse der Unterorganisationen die gleiche Litanei herunterbeten: diese Kommunisten brauchen nicht (mehr) verboten zu werden, denn sie stehen auf dem Boden des Grundgesetzes.
Inwieweit die DKP mit an den Verbotsanträgen „extremer Gruppen“ zum 10. Ordentlichen Gewerkschaftstag in Wiesbaden (27.9.1971) beteiligt war, kann wohl nicht mehr geprüft werden. In vielen Verwaltungsstellen der IGM war sie allerdings stark vertreten. Ausgeschlossen werden könnte also nicht, dass die DKP auch Betreiber dieser Anträge war, Befürworter auf jeden Fall; denn das dürfte offizieller politischer Kontext gewesen sein. In einer Reihe von Ruhrgebietsstädten (Dortmund, Duisburg, Bochum, Gelsenkirchen) hatte die DKP in den Betrieben der Eisen- und Stahlindustrie und im Bergbau einen nicht zu unterschätzenden Einfluss gehabt. Durch die Polemik mit den K-Gruppen war sie sozusagen gezwungen worden, die Reinerhaltung der marxistischen Lehre mit allen Mitteln zu verteidigen. „Nestbeschmutzer“ konnten nicht geduldet werden. Das galt im übrigen auch für die Gegenseite, deren „revisionistische Politik“ überall bekämpft wurde. An die in den Ortsverwaltungen zur Abstimmung gestellten Anträge zum Gewerkschaftstag dürfte der Funktionärskörper der DKP zusammen mit dem SPD, die dort dominierte, beteiligt gewesen sein. Die Methodik war ganz einfach: die Stadtteilgruppen formulierten Anträge, die an die Ortsverwaltungen weitergeleitet wurden. Diese wählte die Anträge aus, ließ über sie in Vertreterversammlungen abstimmen. Der Gewerkschaftstag, an dem Delegierte aus der BRD beteiligt waren, stimmte dann endgültig über sie ab.
Im Juni 1971 fand für die Ortsverwaltung der IGM in Dortmund eine außerordentliche Vertreterversammlung statt. Darüber wurde berichtet:
„IG METALL VERTRETER FÜR REFORMEN IN BETRIEB UND ORGANISATION!
Im Juni 1971 fand für die Ortsverwaltung der IG Metall Dortmund eine außerordentliche Vertreterversammlung statt. Sie hatte die Aufgabe, die 13 ordentlichen Delegierten und deren Stellvertreter zu wählen sowie die Anträge an den Gewerkschaftstag zu beraten und zu verabschieden. Zu diesem Zweck war von der vorletzten Vertreterversammlung eine Kommission bestellt worden, die sich mit der Sichtung und Sortierung der Anträge beschäftigte. Was kam nun dabei heraus: Werner Dieterich, 2. Bevollmächtigter der Ortsverwaltung, hatte sich 'glänzend' präpariert. Während er für die Annahme von sehr unklar formulierten politischen Anträgen plädierte, ließ er sich mit allen Mitteln gegen Anträge aus, die sich gegen die im Betrieb herrschenden hierarchischen Verhältnisse wandten. Da wird der 10. ordentliche Gewerkschaftstag aufgefordert zu verlangen, dass rechts- und linksextreme Gruppen verboten werden sollen. Dabei werden die NPD und die Aktion Widerstand (AW, d. Vf.) beim Namen genannt. Was kommt damit zum Ausdruck? Wieder einmal ist eine Generation im Amt befindlicher Gewerkschaftsfunktionäre auf dem rechten Auge blind, auf dem rechten Ohr taub. Sie scheinen noch nie etwas davon gehört oder gelesen zu haben was die Wahlreden und die Wahlergebnisse der letzten Monate ausdrücken; nämlich, dass die alten und neuen Nazis von der NPD zur CDU/CSU übergelaufen sind und dass sie in Franz Josef Strauß (FJS - CSU, d. Vf.), in von Guttenberg und anderen ihre beste Interessenvertretung sehen. Diese qualitativen Feinheiten sind den Antragstellern und Befürwortern völlig entgangen. Nach links werfen sie alles in einen Topf. Die Handschrift dieser Anträge verrät ihre Urheber. Gleichlautende Anträge wurden nicht nur in den verschiedenen Stadtteilen unserer Ortsverwaltung gestellt, sondern in vielen anderen Ortsverwaltungen. Das beweist: diese Anträge sind in der vorliegenden Form erwünscht und zentral organisiert. Zentral organisiert ist aber auch der Widerstand gegen solche Anträge, welche die Aufgaben der Vertrauensmännerkörper (VLK, d. Vf.) erweitern sollen, die sich mit der Veränderung des bisherigen Modus bei der Auslösung von Arbeitskämpfen befassen. Mit der Zustimmung zu solchen Anträgen würden die Absichten von Brandt und Schiller unterlaufen, die Arbeiter in dieses System fest einzubeziehen, es an der Basis zu festigen und ihm neue Profitquellen zu erschließen. Das steht zwar in keinem Dokument der SPD und der Gewerkschaften, ist aber objektiv so. Deutlich kommt es zum Ausdruck in der Ablehnung der Anträge, die sich mit der konzertierten Aktion beschäftigen.“ (27)
Auch aus Hagen lag im Juni ein Antrag zum Ordentlichen Gewerkschaftstag der IGM vor. Die DKP-Zeitung „Hasper Gold“ berichtete von einer Vertreterversammlung darüber, „dass von der Klöckner Hasper Hütte das Betriebsratsmitglied Willi Neuhaus und das Mitglied der Vertrauenskörperleitung Wolfgang Wegener als ordentliche Delegierte zum IGM-Tag gewählt wurden. Als Gastdelegierte seien von der Hütte das Betriebsratsmitglied Heinrich Hoppe und der Vorsitzende des Jugendvertrauenskörpers Karl Heinz Rüter gewählt worden“. Und: „In Hagen beschloss die Vertreterversammlung der IGM folgenden Antrag: 'Bundesregierung und Bundestag werden aufgefordert, Maßnahmen gegen die bestehenden rechtsextremistischen Gruppen und linksextremistischen Vereinigungen (Mao- und Trotzkisten) einzuleiten, deren Ziel es sein muss, diese Gruppen aufzulösen.“ (28)
Die Anträge zum Verbot „rechtextremistischer und linksextremistischer Vereinigungen“ häufen sich im Juni/Juli 1971. Nach zog die IGM-Verwaltungsstelle Gevelsberg, die laut KPD/ML-ZK im Juni folgenden Antrag vorlegte: „Der Gewerkschaftstag möge beschließen: 'Bundesregierung und Bundestag werden aufgefordert, Maßnahmen gegen die bestehenden rechtsextremistischen und linksextremistischen Vereinigungen (Mao und Trotzkisten) einzuleiten, deren Ziel, es sein muss, diese Gruppen aufzulösen.“ (29)
Anfang Juni 1971 beschloss laut KPD/ML-ZB auch die Vertreterversammlung der IG Metall in Duisburg einen Antrag an den 10. Ordentlichen Gewerkschaftstag, der als Forderung nach einem Verbot der KPD/ML gedeutet wurde. Dort hieß es:
„Der Gewerkschaftstag möge beschließen: Die Delegierten des 10. ordentlichen Gewerkschaftstages fordern alle Funktionäre und Mitglieder der IG Metall auf, den maoistischen Gruppierungen mit Entschiedenheit entgegenzutreten. Der Vorstand der IG Metall wird beauftragt, sich gemeinsam mit dem DGB bei der Bundesregierung dafür einzusetzen, dass die politische Tätigkeit maoistischer Gruppen in der BRD auf die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz überprüft wird. Darüber hinaus wird die Bundesregierung aufgefordert, der Öffentlichkeit Informationen über:
1. die politischen Ziele
2. den organisatorischen Aufbau
3. führende Personen und sogenannte Hintermänner bestehender Gruppen
zu geben.
Begründung:
Das politische Ziel aller maoistischen Gruppen ist es, die freiheitlich-demokratische Ordnung der BRD zu zerstören. In Übereinstimmung mit neonazistischen Parolen und Methoden werden in betriebsbezogenen Zeitungen und sonstigen Publikationen demokratische Organisationen und Einrichtungen beschimpft und ihre Vertreter verleumdet und des Verrats an der Arbeiterschaft bezichtigt. In Verbindung mit rechtsradikalen Bestrebungen sind diese Gruppierungen ebenfalls eine Gefahr für den Fortbestand der Demokratie.“ (30)
In der Nr. 3/1971 des „Thyssen-Blatt“ der KPD/ML-ZK vom Juni schrieben die Verfasser: „Bulitz will die KPD/ML ins Gefängnis bringen! Vertreterversammlung der IGM fordert Verbot der Maoisten.“ (31)
Der „Jungkommunist in Betrieb und Gewerkschaft“ des KJ-Inform mit der ersten Ausgabe vom Juni 1971 griff diese Verbotsdrohungen auf. Und formulierte als Aufgabe: „Die Verankerung und Verbindung mit den Massen kann auch in Vorformen verlaufen. Die wichtigsten dieser Vorformen sind die Kontakte durch ZO-Vertrieb etc. und die Beobachtung der Betriebsarbeiter des Verbandes im Betrieb... Durch diese Arbeit werden die Grundlagen für die Erstellung von betrieblichen Kampfprogrammen gelegt. Diese Kampfprogramme können uns ja nur in richtiger Weise näher an die Massen heranführen, wenn sie auf einer korrekten politischen Linie auch für den Betrieb die wirklich brennendsten Forderungen stellen. Auch dieses Kampfprogramm müssen wir wieder mit einem konsequenten Kampf gegen die Spalter der Arbeiterklasse verbinden... Unsere gewerkschaftliche Arbeit ist in erster Linie der Kampf gegen die politische Spaltung der Arbeiterklasse, gegen den Verrat der Bonzen. Sie ist für den KJV ein Kampf um die Massen des Jungproletariats. Diesen Kampf und die Enthüllungen für diesen Kampf zu organisieren, ist die zentrale Aufgabe des örtlichen Gewerkschaftsleiters. Er muss weiter die Beobachtung der Lage und die Stimmung der Arbeiterjugend, besonders unter den Gesichtspunkten der Krise vorantreiben und damit die Voraussetzung für die Erstellung von betrieblichen Kampfprogrammen und einer Konkretisierung der Taktik für den Betrieb organisieren. Die selbständige Arbeit als KJV, die Arbeit an der Stärkung des KJVD, seiner Jugendbetriebsgruppen, steht im Augenblick eindeutig im Vordergrund. Die innergewerkschaftliche Arbeit tritt dagegen zurück, sie besteht im Augenblick im wesentlichen aus der Beobachtungstätigkeit.“
Und: „Wir müssen zu jeder Zeit die Verrätereien der sozialdemokratischen Handlanger im Betrieb und in der Gewerkschaft schonungslos, breit und anschaulich enthüllen. Wir müssen versuchen, den sich abzeichnenden Kämpfen die richtige Richtung zu geben, die richtigen Parolen und Losungen aufzustellen, um die Kämpfe politisch zu führen. Auch wenn wir diese Kämpfe kaum initiieren können, brauchen wir uns nicht als Beobachter daneben zu stellen, sondern müssen politisch in die Kämpfe eingreifen ...“ (32)
Wie das ZB, so ging auch das KJ-Inform davon aus, dass es in diesem Kampf darauf ankommt, „gegen den Verrat der Bonzen“ anzukämpfen, zu „jeder Zeit die Verrätereien der sozialdemokratischen Handlanger im Betrieb und in der Gewerkschaft schonungslos, breit und anschaulich (zu) enthüllen“. „Sozialdemokratische Handlanger“ waren sie fast alle. Betriebliche, lokale, überregionale und internationale, Agenten, Subversive, Kleinbürger und Intellektuelle. Alle waren irgendwo an der Hatz beteiligt. Eine innerinterne Auseinandersetzung der KPD/ML-ZK im „Roten Morgen“ Nr. 6/1971 belegt diesen Usurpatorenverdacht, der signalisierte, dass sie auch überall saßen und integrierten. Hugo Lanz aus München musste für folgende Formulierungen des „Roten Morgen“ herhalten:
„Hier wird mit aller Deutlichkeit klar, dass es sich bei Lanz nicht um einen kleinen Fisch handelt, der sich am Parteieigentum bereichert, weil er keine Lust zum Arbeiten hatte, sondern um einen Agentprovokateur übelster Sorte ... Die neuen Maßnahmen der Bourgeoisie gegen die Kommunistische Partei (hier spielte die KPD/ML-ZK auch auf die Verbotsdrohungen an, d. Vg.) sind eben diese: Man will uns zu Kriminellen abstempeln, uns durch die Verbreitung von Lügenmärchen vor dem Proletariat unglaubwürdig machen ... Wir stehen heute am Anfang eines Kampfes, in dessen Verlauf der Klassenfeind zu immer schwereren Waffen greifen wird. Kommunisten als die Vorhut des Proletariats müssen die zukünftige Entwicklung einschätzen können, sich schon jetzt entsprechend darauf vorbereiten. Die Bolschewisierung der Partei, der konsequente ideologische Kampf, die strikte Einhaltung der Prinzipien des demokratischen Zentralismus - das sind unsere schärfsten Waffen im Kampf gegen das schwerste Geschütz der Bourgeoisie: Die bürgerlichen Agenten, die die KP von innen her zersetzen und zerstören sollen... Jeden Schlag den die Bourgeoisie gegen uns führt, müssen wir umkehren und als Waffe gegen sie selbst benutzen. Jeder Schlag der Bourgeoisie, wenn wir ihn richtig beantworten, hilft uns, den Massen zu zeigen, wozu der Klassenfeind fähig ist, wie verrottet und morsch er ist.“ (33)
„Die Schläge der Bourgeoisie“, die der „Rote Morgen“ hier weltfremd benannte, mussten unterdessen auch die Ortsgruppen der KPD/ML-ZB und des KJVD in Gelsenkirchen erfahren. Im Juni/Juli 1971 fand dort eine Vertreterversammlung statt, auf der dem Duisburger Beispiel folgend, ein Verbot „der KPD/ML“ gefordert wurde. In dem Antrag wurde formuliert:
„Der 10. ordentliche Gewerkschaftstag möge beschließen: Die IG Metall wird über ihren Vorstand und den DGB alle nur möglichen und geeigneten Maßnahmen ergreifen, um gegen den Rechts- und Linksradikalismus (Anarchisten und Maoisten) vorzugehen, der durch seine Aktionen die parlamentarische Demokratie in Frage stellt und gefährdet. Wir fordern ein Verbot dieser Gruppen und schärfste Bestrafung bei Vergehen gegen die rechtstaatliche Ordnung. Die organisierten Kolleginnen und Kollegen können es auf die Dauer nicht hinnehmen, dass diese Gruppierungen dem systematischen Auf- und Ausbau des sozialen Rechtsstaates Bundesrepublik Deutschland entgegenwirken. Bewaffnete Überfälle auf Einrichtungen des Staates sowie Brandstiftung der linksextremistischen Gruppen werden aufs schärfste verurteilt. Die Attentats-und Terrorgruppen der NPD und der Aktion Widerstand (AW, d. Vf.) müssen wegen der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit verboten werden. Die Waffenfunde bei der europäischen Befreiungsfront, die Mordhetze in Würzburg, München, Bonn und Essen, der Attentatsversuch auf den Bundespräsidenten Heinemann durch rechtsextremistische Kräfte der NPD und der Aktion Widerstand sprechen eine Sprache, die man heute nicht mehr übersehen darf, da man sonst das Wesen der freiheitlichen Demokratie in Frage stellt.“ (34)
Der Gelsenkirchener Antrag ging weit über alle anderen Anträge hinaus. Explizit wurden nicht nur „geeignete Maßnahmen“ gefordert, um „gegen den Rechts- und Linksradikalismus vorzugehen“, auch nicht nur ein „Verbot dieser Gruppen“, sondern die „schärfste Bestrafung bei Vergehen gegen die rechtsstaatliche Ordnung“. Das ließ keinen Spielraum mehr zu für irgendwelche Wankelmütigkeiten. Hier verschmolzen eigenartige Ideen zu einem Sammelsurium von ideologischen Irrungen und Unkenntnissen. Nach dem damaligen Rechtsverständnis war es bereits möglich, bei „illegalem“ Flugblattverteilen „erkennungsdienstlich behandelt“ zu werden, d. h. vom „Täter“ wurden Profilaufnahmen gemacht und Fingerabdrücke genommen. das konnte doch wirklich nicht eine „schärfste Bestrafung“ nach sich ziehen. Doch vielleicht musste der dementsprechende Passus in dem Antrag relativiert werden. Und zielte nur auf den Terror der RAF ab? Jedenfalls hatte die Gelsenkirchener Ortsverwaltung mit einer Reihen von DKP-Mitgliedern hier reichlich Gelegenheit, ihren Unmut gegen die „Maoisten“ zum Ausdruck zu bringen, die auch in Gelsenkirchen ziemlich rege waren und es der DKP in verschiedenen Unternehmen der Eisen- und Stahlindustrie, im Metallbereich nicht einfach machte. Und natürlich konnten sie darauf bauen, dass ihnen die örtliche SPD zur Seite stand, denn schließlich wurden sie ja auch als „Sozialfaschisten“ bezeichnet.
Die Anträge zum 10. Ordentlichen Gewerkschaftstag nahm die KPD/ML-ZB im Juni 1971 zum Anlass, um zu fragen: „Gegen wen richten sich die Verbotsanträge der SPD-Regierung?“ Im KND vom 14.7.1971 hieß es dazu:
„Gegen wen richten sich die Verbotsdrohungen der SPD-Regierung? Der D'K'P-Vorsitzende Bachmann erklärte auf dem Hearing zum KPD-Verbot Anfang Juni in Duisburg, das KPD-Verbot richte sich gegen alle demokratischen Kräfte und werde besonders auch gegen die D'K'P als Druckmittel gebraucht. Doch stimmt das einfach nicht. Genscher erklärte schon vor dem Innenausschuss des Bundestages, er denke zur Zeit nicht daran, die D'K'P zu verbieten. SPD-Innensenator Ruhnau von Hamburg erklärte auf der Innenministerkonferenz der Länder, die in der D'K'P Organisierten seien keine unmittelbare Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung in der BRD. Verglichen mit den extremen Kräften der 'Neuen Linken' seien sie oft sogar ein 'Element der Stabilisierung, etwa bei Demonstrationen'.“ (35)
Die „Säuberung“ des Staates von „Kräften der Neuen Linken“ war sicherlich keine beinharte Verteidigung. Zur Observierung des Verfassungsschutzes und des Bundesnachrichtendienstes gegenüber den „Maoisten“ kann daher auch wenig gesagt werden. Über die für die Öffentlichkeit zugänglichen Verfassungsschutzberichte hinaus, gab es keine Unterlagen, die hätten bestätigen können, wo sie ins Visier der staatlichen Kontrolle gerieten. Allenfalls später bei der Sektion DDR der KPD/ML-ZK war die dortige Staatssicherheit mit ihrer Abgebrühtheit der Blauäugigkeit der Aust-Partei eindeutig überlegen. Und hatte sie relativ schnell in den Griff bekommen. Doch Genscher ließ sich spätestens nach dem „Münchener Massaker des „Schwarzen September“ am 5. September 1972 dazu hinreißen, seine angedachten Ideen im Hinblick auf ein Verbot „linksextremer Vereinigungen“ real werden zu lassen. Mit dem Verbot der Gruppen Palästinensischer Arbeiter und- Studenten hatte der „Feind“ objektiv und subjektiv nun einen Namen erhalten.
Für das ZB war ein mögliches Verbot nichts anderes als ein Teil der „Durchführungsgesetze der Notstandsverordnung unter der Maske der Reformen (ihrem sozialfaschistischen Programm) und würde „durch die Faschisierung des Staatsapparates offen dem Faschismus den Weg“ bereiten. Das sei das „sozialfaschistische Programm der Sozialdemokratie“. Im „Politrundschreiben des Zentralbüros“ vom Juni 1971 konnte man lesen:
„Es bestehe in der Schrittweisen Umsetzung der Notstandsgesetze in die Praxis. Das bedeutet Vorbereitung der polizeistaatlichen Militärdiktatur, von der sozialfaschistischen Sozialdemokratie unter dem Deckmantel sogenannter 'Reformen' ins Werk gesetzt durch die Zerstörung der bürgerlichen-demokratischen parlamentarischen Einrichtungen. Das bedeutet Verstaatlichung der Gewerkschaften und umfassender Abbau jeglicher Sozialgesetzgebung. Die Sozialdemokratie ist tatsächlich von der Verkündung ihres sozialfaschistischen Programms zu seiner Verwirklichung gegangen.“ (36)
„Die Walze“, Betriebszeitung der KPD/ML-ZB beim Bochumer Verein, schrieb am 3.6.1971:
„SPD-REGIERUNG VERLANGT DURCHSETZUNG DER NOTSTANDSGESETZE
Dass die SPD-Führer gerade die Ausführungsgesetze durchsetzen wollen, ist nur auf dem Hintergrund des Aufschwungs der Kämpfe der Arbeiterklasse und der Politik der SPD-Führer, die zu immer stärkeren Formen der sozialfaschistischen Form der Verwaltung der Arbeiterklasse greifen. 1970 war das streikreichste Jahr in Westdeutschland seit langem. Auch 1971 nehmen die Kämpfe der Arbeiterklasse an Umfang und an Organisationsgrad zu. Die SPD-Regierung startet mit Lohndiktat, Zwangssparen und Betriebsfriedensgesetz immer stärkere Angriffe gegen die Arbeiterklasse und ihre gewerkschaftlichen Rechte. In dem Maße, wie die Arbeiterklasse die SPD-Führer als ihren schärfsten Feind erkennt und gegen sie den Kampf aufnimmt, muss die SPD-Führung Bundesgrenzschutz (BGS, d. Vf.) und Bundeswehr für den Einsatz gegen die Arbeiterklasse vorbereiten, muss sie die Notstandsgesetze praktikabel machen, um z.B. streikende Arbeiter dienstverpflichten zu können. Diese Angriffe der SPD-Führer muss die KPD/ML umfassend entlarven und so der Politik der sozialfaschistischen Verwaltung der Arbeiterklasse Schläge versetzen.“ (37)
„Die Durchsetzung der Notstandsgesetze“, die vom Zentralbüro immer geflankt mit dem „Aufschwung der Kämpfe der Arbeiterklasse“ waren, würden zu „immer stärkeren Formen der sozialfaschistischen Verwaltung der Arbeiterklasse greifen“. Deshalb waren die Verbotsanträge exemplarisches Beispiel dafür, dass dem Rückgrat der „Befreiungsbewegungen“ in Westdeutschland (die Arbeiterklasse) der Krieg angesagt wurde. Partei und Klasse waren somit im Gebäude des Größenwahns des ZB kompatibel geworden. Würde die Arbeiterklasse getroffen, dann würde das zwangsläufig auch die KPD/ML-ZB treffen. Die Illusion war geboren, das Herz und Seele nun untrennbar miteinander verwoben seien.
Wie der Unvereinbarkeitsbeschluss der IG Chemie, so liefe auch das „Verbot der maoistischen Gruppen“ darauf hinaus, die „Kämpfe der Klasse“ über das „Lohndiktat“ zu unterdrücken. Das „Lohndiktat“ und die Verbotsanträge waren schon kultähnlich, hatten den Status der Unverrückbarkeit der Politik erlangt. Hier zeigte sich im übrigen auch, wie K-Gruppen der 70er Jahre Politik gewichtete: sie war auf solipsistischem Gedankengut aufgebaut, applaudierte sich selbst und war intellektueller Debattierclub für alle möglichen Ideen gewesen, ein Tummelplatz von Ideologien, die gleichzeitig patentartig Lösungen versprachen, ein Gestrüpp von bürgerlich und kleinbürgerlichen selbstproduzierten Theorien, die aus abstrakten Formeln und Positionen gestrickt waren.
Das ZB fasste die ihrer Meinung nach betriebene Hetze wie folgt zusammen:
„IGM-ORTSGRUPPEN FÜR VERBOT ‚MAOISTISCHER GRUPPEN’.
Zu den Methoden, mit denen die IGM-Führer die Tarifrunde und die Durchsetzung des Lohndiktats vorbereiteten, gehören auch die zahlreichen Verbotsanträge, die in den letzten Wochen IGM-Vertreterversammlungen von mehreren Orten gegen 'maoistische Gruppen' gestellt haben... Diese Verbotsanträge sind kein Zufall: Schon seit Monaten treiben die IGM- und IG Chemieführer ein systematische Hetze... ‚Antigewerkschaftliche Bestrebungen', das wollen die Führer der IGC und der IGM der KPD/ML unterschieben, wenn diese den Verrat der Gewerkschafts-BONZEN konsequent entlarvt. Da die Anträge auf Verbot jetzt so zahlreich gestellt werden, kann sich leicht absehen lassen, dass sie zentral auf Anordnung der obersten IGM-Bonzen inszeniert sind. Was wird mit dieser Hetze und mit den Verbotsanträgen bezweckt? Gerade in der Metalltarifrunde, wo sich aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre und der Kämpfe schon in diesem Jahr bei der Durchsetzung des Lohndiktats harte Kämpfe abspielen werden, müssen die IGM-Führer dafür sorgen, dass diejenigen Gruppen und Organisationen, die die Kämpfe der Arbeiterklasse unterstützen, verteufelt werden. Dies richtete sich in erster Linie gegen die KPD/ML, die den Kampf gegen das Lohndiktat und gegen die sozialfaschistischen Maßnahmen der SPD-Führer vor allem als einen politischen Kampf um die Kampf- und Streikfreiheit der Arbeiterklasse, gegen die Verstaatlichung der Gewerkschaften führt. Das richtet sich aber auch gegen Betriebsgruppen der Gruppe 'Roter Morgen' (KPD/ML-ZK, d. Vf.), wie z.B. in Duisburg, wo der erste Verbotsantrag herstammt, gegen den 'Röhrenkieker.
Mit dieser Hetze und den Verbotsanträgen wollen die IGM-Führer in der Öffentlichkeit die Meinung schaffen, auf die sie sich dann bei einer verschärften Klassenkampfsituation stützen können, um ein Verbot durchzuführen. Zum anderen dienen die Verbotsdrohungen vor allem der Disziplinierung der eigenen Reihen: Gewerkschaftsmitglieder und untere Gewerkschaftsorganisationen, wie Vertrauensleute, sollen mit Ausschluss bedroht werden, wenn sie mit 'gewerkschaftsfeindlichen maoistischen Gruppen zusammenarbeiten; gerade in der Metalltarifrunde soll verhindert werden, dass oppositionelle Vertrauensleute z.B. Informationen über die Verratspolitik der IGM-Führer, die diese hinter dem Rücken der Arbeiterklasse betreiben, an die KPD/ML oder andere Gruppen weitergeben und so den Kampf gegen die Durchsetzung des Lohndiktats stärken.
Doch diese Verbotsanträge sollen auch die Möglichkeit schaffen, wie es im Duisburger Antrag offen gesagt ist, dass die 'maoistischen Gruppen' noch stärker beobachtet werden sollen, damit man sie jederzeit zerschlagen kann. Und wie verhalten sich die D'K'P-Führer gegenüber diesen Verbotsdrohungen? Zur derselben Zeit, wo im Bundestag über ein mögliches Verbot der D'K'P geredet wird, unterstützen die D'K'P-Funktionäre die Verbotsanträge gegen die 'maoistischen Gruppen'!“
Und:
„IGM STELLT VERBOTSANTRAG GEGEN KPD/MARXISTEN-LENINISTEN!
Kolleginnen und Kollegen!
Am 4.Juni fand in Duisburg eine IGM-Vertreterversammlung statt. Diese VV verabschiedete Anträge für den IGM-Gewerkschaftstag im Herbst und wählte Delegierte dafür. Allerdings war eine Reihe dieser Vertreter nicht von den Kollegen gewählt, sondern von der Ortsverwaltung (OV) 'berufen'. Unter den Vertretern waren so hohe Persönlichkeiten wie Bünk, Mannesmann-Sachbearbeiter für Gewerkschaftsfragen, der erst vor kurzem den Henne-Plan, ein neues Ausbeutungssystem bei Mannesmann wesentlich mit unterstützt hatte; Bulitz, 1.IGM-Ortsbevollmächtigter und SPD-Ratsherr; Ehlers, Betriebsrat bei Mannesmann und im Bezirksvorstand der SPD; Judith, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der Thyssenhütte (ATH, d. Vf.), ehrenamtliches Mitglied beim IGM-Vorstand; Lukrawka, Betriebsratsvorsitzender bei Rheinstahl Meiderich, Beisitzer der OV und DKP-Mitglied). - usw. usf. Kurz: Jeder Kollege kann sich vorstellen, dass dort die 'Creme de la Creme' der Duisburger Gewerkschaftsbonzen vertreten war. Seit knapp einem Jahr nun erscheint bei Mannesmann der 'Röhrenkieker' und bei Demag der 'Hammer', beides Betriebszeitungen der Roten Betriebsgruppen (RBGs) der KPD/Marxisten-Leninisten. Diese beiden Betriebsgruppen waren binnen kurzer Zeit bei den Kollegen sehr populär geworden: sie sind die einzigen, die die Kollegen über jeden Malocher-Beschiss sofort informieren. Damit war die Ruhe für die 'hohen Persönlichkeiten' natürlich vorbei. Schon seit längerer Zeit überlegen sie, wie sie die kommunistischen Arbeiter mundtot machen können. Zu welcher Methode sie gegriffen haben, brachte die VV vom 4.6. an den Tag:
VERBOTSANTRAG!
Es handelt sich um den Antrag 32. Damit aber die Stimmabgabe von Anfang an klar war, ließ Bulitz in seinem Geschäftsbericht offen durchblicken, dass all diejenigen, die mit den sogenannten 'Maoisten' zusammenarbeiten, nicht mit dem Schutz der IGM rechnen können. Und diese Drohung saß. Anstatt dieses reaktionäre Spiel aufzudecken und anzuprangern, kuschten alle. Ergebnis: einstimmig! Die Stimmen der DKP waren dabei! Dieser Antrag nun macht offenkundig, was viele Kollegen zwar wussten, aber nicht wahrhaben wollten: Dass SPD und DGB alles andere als Arbeiterorganisationen sind. Das gleiche gilt für die DKP. Dass, was den Kapitalisten mit Hilfe der 'K'PF in Frankreich gelungen ist: das juristische Verbot der KPF/ML wird also auch hier klar und offenkundig vorbereitet.
Warum das alles, wo doch jeder Kollege sieht, dass die KPD/ML noch längst keine Massenpartei ist wie in den zwanziger Jahren die KPD Ernst Thälmanns?! Die Herrschenden und all ihre Stiefelknechte handeln nach der Devise 'Wehret den Anfängen', dem also, wovor sie am meisten zittern: dass die Arbeiter sehen lernen, was in dieser Gesellschaft eigentlich gespielt wird, vor allem aber, dass sie ihre roten Erkenntnisse in die Tat umsetzen könnten. Deswegen versuchen sie, dem Arbeiter schon heute die schärfste Waffe, die er in seinem Kampf besitzt, die Kommunistische Partei aus der Hand zu schlagen - in einer Zeit, da diese Waffe erst noch geschmiedet wird! Die Tricks, die sie dabei anwenden, sind zwar auf Dauer wirkungslos, können aber der Arbeiterklasse äußerst gefährlich werden. Dies beweist am besten unsere Geschichte. Nicht umsonst haben die Herrschenden Hunderttausende von klassenbewussten Arbeitern abschlachten lassen, nicht umsonst geht bereits heute die Polizei wieder brutal gegen streikende Arbeiter vor. Die Bilder in Presse und Fernsehen beweisen das.
Wer von den Kollegen also glaubte, all das, was wir bisher schon voraussagten, sei kalter Kaffee, 'Klassenkampf aus Opas Mottenkiste', der wird sehr schnell umdenken müssen, lernen müssen, dass wir nicht mehr in den 'ruhigen 50ern und 60ern' leben, sondern am Beginn der 'heißen 70er'. Die Chemiestreiks, unsere eigenen in den vergangenen zwei Jahren, die Hetze gegen klassenbewusste Kollegen, Hausdurchsuchungen wie die in München bei der 'Aktion Paragraph 218' beweisen, dass auch hier der Klassenkampf wieder Formen annimmt, die den Kapitalisten letztlich nur eine Alternative lassen: entweder endgültige Niederlage oder erneuter Faschismus! Die Zukunft wird zeigen, dass wir recht haben. Schon im Herbst kann es passieren, dass unsere Streiks und ähnliche Kämpfe wie die in der Chemie niedergedrückt werden. Daher ist es notwendig, klaren Kopf zu behalten, genau zu wissen, was auf uns zukommt, vor allem aber, was wir dagegen tun können und müssen.
Zunächst einmal wird der Klassengegner versuchen, die kommunistischen und anderen klassenbewussten Kollegen zu isolieren. Wenn ihm das gelingt, hat er 'freie Hand'. Dazu braucht er aber gerade solche Organisationen, die noch den meisten Kredit bei den Kollegen haben (SPD, DGB, DKP), um sein schmutziges Geschäft über die Bühne zu bekommen. Wenn diese 'Arbeiterorganisationen' Verbot und härteres Vorgehen befürworten, so erweckt es den Eindruck, als wären es die Arbeiter selbst, die das sollten. Dies wurde bereits 1918, 1933, 1945 und 1956 erfolgreich praktiziert - und immer wieder waren es SPD- und Gewerkschaftsbonzen, die dies Geschäft für die Kapitalisten besorgten. Natürlich brauchen die Kapitalisten und ihre Speichellecker ein 'legales Mäntelchen' - also stempelt man die Kommunisten zum 'Bürgerschreck', zum 'Abschaum' der Gesellschaft.
Man versucht, Kommunisten zu 'politischen Kriminellen', zu 'Linksfaschisten' zu machen. Aus diesem Register nur eine 'kleine' Kostprobe: in Köln wurde in einem Streiklokal der Chemie-Arbeiter eine Scheibe eingeworfen Sofort hieß es, das wären die 'maoistischen Kommunisten' gewesen. Primitivität ist da die große Masche. So schreiben die Leute vom V-Leute-Ausschuss beim Bochumer Verein ) in ihrem Blatt, das sie die gegen die 'Walze', die Betriebszeitung der Organisation 'Rote Fahne' (KPD/ML-ZB, d. Vf.), gegründet haben, die KPD/Marxisten-Leninisten fordere die Arbeiter indirekt auf, Maschinen und Fabriken in Brand zu stecken. Sie sollten lieber einmal bei Lenin nachschlagen, was der dazu geschrieben, was mit den Fabriken passiert, wenn die Arbeiter die Macht ausüben, bevor sie in ihrem Blatt wieder solchen K„se schreiben. Nur Faschisten haben an solchen 'fundierten Äußerungen' über die KPD/ML ihre reinste Freude, und diejenigen, die in der Verfolgung der Kommunisten den Faschisten in nichts nachstehen! Von 'politischen Kriminellen' ist es dann natürlich kein weiter Weg mehr zum 'kommunistischen Faschisten'. Offenbar haben die Gewerkschaftsbonzen 1933-45 auf der anderen Seite gestanden, sonst wüssten sie, was Faschismus ist. Nämlich brutalster Terror gerade gegen die konsequentesten Antifaschisten - die Kommunisten.
Ähnliches gilt für die Arbeiterverräter in der DKP. Sie, gerade sie haben ein äußerst großes Interesse daran, die Kommunisten vom Hals zu bekommen. Sind diese es doch, die die Sowjetunion (SU, d. Vf.) als das bezeichnen, was sie heute ist: ein Staat, in dem die neue Klasse der Arbeiterverräter regiert, ein Staat, in dem mit faschistischen Methoden gerade Kommunisten brutal unterdrückt werden. Wie dies aussieht, hat uns allen das polnische Beispiel äußerst eindrucksvoll vermittelt. Die polnischen Arbeiterverräter schossen die Arbeiter nieder wie es die SPD in den Revolutionsjahren und die Faschisten während ihrer Herrschaft nicht besser machen konnten... Und daran hat sich und wird sich in China nichts ändern, solange Arbeiterverräter und ähnliches Pack bis aufs letzte bekämpft werden. Auf diesem Hintergrund erst ist erklärbar, warum es im Antrag 32 nicht 'kommunistische' sondern 'maoistische Gruppen' heißt: weil sonst die DKP nicht zugestimmt hätte. Nicht weil die DKP nun kommunistisch ist, sondern weil sie ein äußerstes Interesse daran hat, sich von wirklich revolutionären Kräften abzusetzen. Und die sind heute am besten mit dem Etikett 'maoistisch' zu diffamieren. (Nicht umsonst sagte der Vorsitzende der SEW (in Berlin, d. Vf.), Danelius, auf der Moskauer Beratung der Arbeiterverräter, dass DIE KPD/ML die größte Gefahr für sie darstelle!) Um ihre Posten in der Gewerkschaft zu halten, um am Mitbestimmungszauber lukrativ beteiligt zu werden, um den hiesigen Kapitalisten das Geschäft mit denen in der SU zu erleichtern, kriecht sie und kriecht wo es nur geht, in alle offen stehenden Ärsche. Es ist daher kein Wunder, dass viele alte Genossen der KPD, Mitglieder der Roten Ruhrarmee, Mitglieder des Roten Frontkämpferbundes (RFB, d. Vf.), die Finger von dieser Partei gelassen haben und sich, soweit sie gesundheitlich noch dazu in der Lage sind, gerade den Organisationen der KPD/ML anschließen.“ (38)
Ein mögliches Verbot der Mao-Gruppen würde nach diesen Berichten auch die KPD/ML-ZK treffen, die möglicherweise über den „Röhrenkieker“ einen größeren Einfluss bei Mannesmann hatte als KPD/ML-ZB oder andere Gruppen. Ihre Roten Betriebsgruppen und die daraus resultierenden Gruppen der Revolutionären Gewerkschaftsopposition waren vielleicht sogar unbeirrt gradliniger als die ZB-Organisation. Die Argumente dafür zog sie selbst aus ihrem fossilen und ehernen Urgestein. Und sie war auch das starke Bollwerk gegen alle anderen Abweichungen. Mit ihrer emotionalen Bindung an Aust konnte sie dementsprechend auch andere Gruppen immer auf Distanz halten. Und darauf verweisen, dass sie sich im Kampf gegen den Revisionismus gegründet habe.
Außer der „Zündkerze“ (Opel-Bochum) waren es nur noch der „Röhrenkieker“´(Mannesmann Duisburg) und die „Stählerne Faust“ ( BG Hoesch, Dortmund, verlief mit „RGO BG Hoesch“ und den „RGO-Nachrichten“), die über NRW hinaus bekannt waren. Mit diesen Zeitungen konnte die KPD/ML-ZK punkten. Vielleicht hatte sie auch einige Betriebskader mehr, die auf Versammlungen oder in gewerkschaftlichen Gruppen das Wort ergriffen. Sonst wäre es auch nicht zu erklären gewesen, dass man auch sie nach allen Regeln der Kunst permanent innerbetrieblich durchleuchtete. Jedenfalls waren die Verbotsanträge wohl planmäßig vorbereitet und hatten zur damaligen Zeit eine wichtige politische Diskussion entfacht, die neben den Berufsverboten auch als politisches Vorhaben der Brandt/Genscher-Regierung genannt werden sollten.
Konsequenterweise musste sich die DKP aber auch gegen Verbotsdrohungen zur Wehr setzen, von denen sie selbst betroffen schien. Der KND berichtete zum 5.7.1971:
„UZ UND D'K'P ZU VERBOTSANTRÄGEN.
Wie verhalten sich die D'K'P-Führer zu den Verbotsdrohungen, die durch die Berichte von Genscher usw. in die Öffentlichkeit gebracht wurden? Entlarven sie diese Berichte als Vorbereitung weiterer Verbotsanträge in der Öffentlichkeit, zeigen sie an diesen Verbotsdrohungen, dass eine Kommunistische Partei sowohl legal als auch illegal kämpfen muss, zeigen sie den Klassencharakter des bürgerlichen Staatsapparats auf, der zum Verbot revolutionärer und demokratischer Organisationen schreitet, wenn er seine Herrschaft bedroht sieht, und der sich dann auch wenig um die Vorschriften der Verfassung kümmert? In der 'UZ' vom 5.6.1971 heißt es in einem Brief des Parteivorstands der D'K'P an Innenminister Genscher, es sei eine 'Fälschermethode des Oberstadtdirektors von Düsseldorf, kommunistische Überzeugung mit Verfassungsfeindlichkeit gleichzusetzen’ und in derselben 'UZ' heißt es: '... die Behauptung des Bundesinnenministeriums, die DKP setze die Arbeit der verbotenen KPD fort und die Ziele der DKP seien identisch mit denen der KPD, hat unsere Partei bereits bei ihrer Neukonstituierung zurückgewiesen ... Wir achten das Grundgesetz, wir verteidigen die darin verkündeten demokratischen Grundrechte und Grundsätze.“ (39)
Es konnte nicht verwundern, dass ob dieser Äußerungen die Marxisten-Leninisten der DKP ihre Universallehre vom reinen Marxismus entgegensetzen; denn dieser beharrte auf der sozialistischen Revolution und Errichtung des Arbeiter- und Bauernstaates ohne bürgerlich-demokratisches Wohlwollen. Denn, „wer das Grundgesetz achtet“, mit dem ist kein Staat zu machen, meinten die MLer. Auf der anderen Seite war die Haltung der DKP auch als krasses politisches Fehlurteil zu gewichten; denn beides, die „Achtung des Grundgesetzes“ und die „Verteidigung der darin verkündeten demokratischen Grundrechte“, hätte auch von Parteien am rechten Rand stammen können. Hier schob die DKP einfach kein Informationsmaterial nach, und tat so, als ob alleine schon das Grundgesetz Garant für eine unbesorgte politische Arbeit sein kann. Mit dieser Blauäugigkeit ihrer demokratisch möglichen Umwandlung der warenproduzierenden Verhältnisse, sicherte sie sich im Gegensatz zu den Marxisten-Leninisten einen erheblichen Vertrauensbonus einer Reihe von Politikern im damaligen Deutschen Bundestag. Die DKP wurde sozusagen, ohne jemals in diesem Parlament als Partei anwesend gewesen zu sein, zum außeroppositionellen Sprachrohr der SED.
Am 14.6.1971 berichtete die KPD/ML-ZB aus Flensburg von ihrem Flugblatt zur Demonstration gegen das KPD-Verbot. Im „Kommunistischen Nachrichtendienst“ hieß es dazu:
„AUFHEBUNG DES KPD-VERBOTS!
Die Kommunistische Partei ist die schärfste Waffe der Arbeiterklasse im Kampf gegen die Kapitalistenklasse. Im Jahre 1956 gelang es den westdeutschen Kapitalisten, die KPD zu verbieten. Das geschah mit aktiver Unterstützung der SPD-Führer. Die KPD war für die westdeutsche Kapitalistenklasse eine Gefahr beim Aufbau ihrer Machtstellung und beim Versuch, wieder aufzurüsten... Die Maßnahmen der SPD-Führer zum Schutz der Kapitalisten wurden nach ihrer aktiven Mitwirkung beim KPD-Verbot immer härter. 1968 verabschiedeten sie zusammen mit der CDU die Notstandsgesetze. Die SPD-Führer bauen ... den Bundesgrenzschutz und die Bundeswehr zu Bürgerkriegsarmeen auf. Selbst in ihren eigenen Reihen ... verbieten sie ihren Mitgliedern, mit Kommunisten Aktionsbündnisse einzugehen. Steffen sagte ganz deutlich: 'Wenn eine Parteiorganisation Aktionsbündnisse mit den Kommunisten beschließt, bedeutet das für mich ein Ausschlussverfahren'.
Warum kämpfen wir heute für die Aufhebung des KPD-Verbots? Das KPD-Verbot gibt heute noch der Klassenjustiz die Möglichkeit, jede kommunistische Organisation als Nachfolgeorganisation der KPD zu verbieten ... Damit wird deutlich: Das KPD-Verbot ist ein Schlag gegen unsere demokratischen Rechte. Es liegt daher im Interesse der gesamten werktätigen Bevölkerung, im Interesse aller demokratischen und sozialistischen Kräfte, dass dieses Verbot aufgehoben wird. Es ist daher die Aufgabe aller kommunistischen Organisationen und demokratischen Kräfte, sich am Dienstag für die Aufhebung des KPD-Verbots einzusetzen. Bei solch einer Aktion darf es kein engstirniges Konkurrenzdenken geben und keine Organisation darauf beharren, als einzige ihren Namen zu nennen und als einzige vertreten zu sein.
Genauso handeln jedoch die Führer der D'K'P in Flensburg. Sie sehen nicht mehr die Aufhebung des KPD-Verbots als Hauptsache an, sondern versuchen, ihre Partei herauszustellen ... Die D'K'P-Führer wagen es sogar, der KPD/ML und ihrem Jugendverband zu drohen: 'Wir sind die einzige marxistische Arbeiterpartei der Bundesrepublik, wenn ihr von der KPD/ML auf einer Demonstration mit eigenen Losungen auftretet, dann werden wir mit ALLEN MITTELN und unter ALLEN UMSTÄNDEN das verhindern.' Diese unverschämte Drohung ist ein eindeutiger Versuch, die KPD/ML und alle anderen kommunistischen Organisationen einzuschüchtern und ist ein offener Versuch, die Arbeiterklasse zu spalten. Die KPD/ML und der KJVD werden konsequent am Dienstag unter ihren Losungen an der Demonstration für die Aufhebung des KPD-Verbots teilnehmen!“ (40)
An der Demonstration nahmen neben KB/ML Flensburg auch DKP und KPD/ML-ZB teil (vgl. 22.7.1971). Das Flugblatt des Zentralbüros gipfelte in der Aussage, dass „das KPD-Verbot (heute) noch der Klassenjustiz die Möglichkeit (gibt), jede kommunistische Organisation als Nachfolgeorganisation der KPD zu verbieten.“ Das KPD-Verbot wurde als „ein Schlag gegen unsere demokratischen Rechte“ interpretiert, wobei der Hintergrund natürlich auch eine gewisse pathetische Sicht, wenn nicht sogar patriotische Sicht war; denn dass die Aufhebung des Verbots im „Interesse der gesamten werktätigen Bevölkerung“ liege, war schon Illusionsmacherei der KPD, die ihren eigenen Niedergang immer in diese armselige Propaganda packte. Ähnliches packte auch die „Rote Fahne“ Nr.12/1971 in den Artikel: „Kampf den Notstandsvorbereitungen der SPD-Führer. Die ersten Schritte richten sich gegen die Arbeiterklasse“. (41)
In Flensburg fand am 22.6.1971 eine Demonstration gegen das KPD-Verbot statt. Daran nahmen außer dem KB/ML selbst auch die DKP und die KPD/ML-ZB teil. Anlass für die Demonstration war laut KND „die heutige Verhandlung vor der Zweiten Großen Strafkammer des Flensburger-Landgerichts über das KPD-Verbot“. Weiter schrieb der KND:
„DEMONSTRATION GEGEN DAS KPD-VERBOT IN FLENSBURG.
Aufgabe jeder revolutionären Partei ist es... die Einschränkung der demokratischen Rechte durch die Aufrechterhaltung des KPD-Verbots tatkräftig zu bekämpfen. Die D'K'P organisierte am Tag, an dem der Flensburger Prozess um den beschlagnahmten Programmentwurf der KPD von 1968 begann, eine Demonstration zur Aufhebung des KPD-Verbots. Ziel musste es hierbei sein, möglichst viele demokratische und revolutionäre Gruppen zu einer Aktionseinheit gegen das Verbotsurteil zusammenzuschließen. Die KPD/ML Flensburg beschloss deshalb, sich an dieser Demonstration zu beteiligen. Zu der Demonstration verteilte die KPD/ML ein Flugblatt ... (vgl. 14.6.1971, d. Vf.) Bei der Demonstration, an der rund 500 Personen teilnahmen, versuchten die D'K'P-Führer mit allen Mitteln, den Block der KPD/ML, der trotzdem eigene Parolen mitführte, vom Block der D'K'P-Mitglieder abzutrennen, indem sie einen Lautsprecherwagen, der zwischen D'K'P-Block und dem Block des Kommunistischen Bundes/ML fuhr, extra langsam fahren ließen.“
In einer Selbstkritik zu diesen Äußerungen formuliert die KPD/ML-ZB: „Wichtiger und schwerwiegender als die technischen Pannen sind jedoch die politischen Unklarheiten und Fehler. Dies zeigt sich vor allem an der mangelnden Einschätzung der D'K'P. Z.B. 'Aufgabe jeder revolutionären Partei ist es, die Einschränkung der demokratischen Rechte durch die Aufrechterhaltung des KPD-Verbots tatkräftig zu bekämpfen. Die D'K'P organisierte am Tag ... eine Demonstration zur Aufhebung des KPD-Verbots.' Hier wird durch eine unklare Formulierung der Eindruck erweckt, als sei die D'K'P eine kommunistische Partei, die ihren revolutionären Pflichten nachkommt. Die KPD/ML meint nicht, dass die D'K'P eine kommunistische Partei ist. Was gezeigt werden sollte, war folgendes: dass die D'K'P-Führer sich in Worten revolutionär und Partei der Arbeiterklasse geben (indem sie z.B. Demonstrationen gegen die Aufrechterhaltung des KPD-Verbots durchführen), dass sie aber in Taten die Aufrechterhaltung aktiv unterstützen, indem sie Illusionen über den Charakter des Grundgesetzes verbreiten und so die Arbeiterklasse einschläfern wollen.“ (42)
Distanzierung und Neufindung unter dem Deckmantel der Feindseligkeit, auf die traf man überall, wenn die Positionen der Überlegenheit, wie hier, zu einem Raffinement zu verkommen drohte. Das ZB machte diese Demonstration zu einem kindlichen Urvertrauen, das es in die Hände der Selbstkritik legte; denn die „politischen Unklarheiten und Fehler“ waren eher aus handfesten Motiven und Interessen gespeist. Der Bonus war, dass es die einzige Organisation war, die politisch über die richtige Linie im Kampf gegen das KPD-Verbot verfügte. Daher duldete sie keine andere Gruppierung neben sich. Die latenten Machtpositionen fügten sich dann in ihren geheimen Bonus ein, über allem zu stehen und mit ihren Positionen nur so zu strotzen. Verwunderlich war, dass der KB/ML-Flensburg ungeschoren davon kam. Da das ZB im hohen Norden nie ein Bein auf die Erde bekam, wäre zu mutmaßen, dass es sich nicht ganz von der dortigen ML-Bewegung abnabeln wollte. So half es, sich der DKP und ihrer „rabiaten Verwahrlosung“ in Sachen KPD-Verbot zu nähern.
Die DKP berichtete vom 24.6.1971: „In einer Geheimberatung des Innenausschusses des Bundestages über die DKP am 24.6.1971 wurde erneut die permanente Verbotsdrohung gegen die DKP belebt. Der 'Verfassungsschutz' (angeblicher Verfassungsschutz) geht in einem 'Geheimbericht' sogar so weit, das Eintreten der DKP für die rasche Ratifizierung und volle Verwirklichung der Verträge von Moskau und Warschau in der Außen- und Innenpolitik der BRD als Zeichen von 'verfassungswidriger Tätigkeit' zu denunzieren.“ (43)
Und die KPD/ML-ZB am gleichen Tag:
„KAMPF DEN VERBOTSDROHUNGEN GEGEN REVOLUTIONÄRE ORGANISATIONEN.
VERBOTSDROHUNG GEGEN REVOLUTIONÄRE ORGANISATIONEN.
Zu den sozialfaschistischen Maßnahmen, mit denen die SPD-Führer den wachsenden Kämpfen der Arbeiterklasse entgegentreten, gehören auch die Verbotsurteile gegen revolutionäre Organisationen der Arbeiterklasse; dazu gehören aber auch VerbotsDROHUNGEN gegen diese Organisationen, mit denen die ”öffentliche Meinung dafür geschaffen werden soll, jederzeit ein Verbot aussprechen zu können.
BERICHT ÜBER 'DKP SETZT AKTIVITÄTEN DER KPD FORT.
Vor einiger veröffentlichte die bürgerliche Presse Auszüge aus einem 'vertraulichen' Papier des Bundesamtes für Verfassungsschutz; in diesem Papier hieß es, die D'K'P 'setze praktisch die Tätigkeit der 1956 vom Bundesverfassungsgericht verbotenen KPD fort' (Frankfurter Allgemeine (FAZ, d. Vf.) vom 25.6.). Am 24.6. diskutierte der INNENAUSSCHUSS DES BUNDESTAGES über diesen Bericht. Auch hier wurden die Ausführungen Genschers als geheim erklärt. Am nächsten Tag (25.6.) stand dann jedoch in der 'Frankfurter Allgemeinen', dass die Mehrheit des Innenausschusses gegen ein Verbot der D'K'P sei.“ (44)
In einer Selbstkritik zu diesen Äußerungen formuliert die KPD/ML-ZB: „Die unklare Einschätzung der D'K'P wird auch am Anfang des Artikels unterstützt, wenn es in der Überschrift heißt: 'Kampf den Verbotsdrohungen gegen revolutionäre Organisationen' und dann erst einmal lange Berichte über die D'K'P kommen. Hier hätte also schon in der Überschrift stehen müssen 'Kampf den Verbotsdrohungen gegen revolutionäre und demokratische Organisationen'.“
Dass die Verbotsdrohungen gegen „revolutionäre Organisationen“ mit denen die SPD-Führer nun „den wachsenden Kämpfen der Arbeiterklasse entgegentreten“ wollen, hatte das ZB schon öfter verlauten lassen. Vielleicht war das hier bereits ein Hinweis auf kommende illegale Phasen, die in erster Linie auf sich selbst bezogen wurden. Die Sammlungsbewegung ZB wurde später schnell zur Seelenbewegung, die einmal im „Untergrund“, sich vorbildlich zentralisieren kann, was bis dahin unbekannt gewesen war. Mit den Verbotsdrohungen setzte das ZB sich ein historisches Kostüm auf. Es wollte dem Klassenfeind entfliehen, doch begegnete ihm täglich mehr. Auch wenn das mögliche Verbot nur in ein sarkastisches Selbstbekenntnis einmündete, so setzte es politisch-publizistisch die Gedanken für ein Experiment frei: der aktionistische Kampf zwischen ihr und der Bourgeoisie sollte in einem Eklat enden; denn alle „sozialfaschistischen Maßnahmen“ würden in die große Kampagne gegen die Ostpolitik, gegen „Notstand, Aufrüstung und Revanchepolitik“ einmünden.
Vom 24.6.1971 berichtete der KND in seiner Ausgabe vom 14.7.:
„KPD-PROGRAMM FREIGEGEBEN!
Die zweite Große Strafkammer des Flensburger Landgerichts erklärte am 24.6.1971, dass der Programmentwurf der KPD nicht verfassungswidrig sei. UNTER DEM DRUCK DER WACHSENDEN AUFMERKSAMKEIT DER DEMOKRATISCHEN ÖFFENTLICHKEIT DES IN- UND AUSLANDES SAH SICH DAS GERICHT AUSSERSTANDE, DIE BESCHLAGNAHME DES PROGRAMMENTWURFS VON 1968 (vgl. Feb. 1968, d. Vf.) WEITER AUFRECHT ZU ERHALTEN.“
Die KPD/ML-ZB berichtete von Verbotsbestrebungen gegen Linke in Bayern (vgl. 22.6.1971), NRW (vgl. 28.6.1971) und bundesweit (vgl. 24.6.1971) und fuhr fort:
„Auch mit dem Urteil zum VERBOT DES KPD-PROGRAMMENTWURFS IN FLENSBURG VOM 24.6. soll die Verbotsdrohung aufrecht erhalten werden. Zwar wurde in diesem Urteil der Programmentwurf der KPD von 1968 mit der Begründung freigegeben, dass er nichts verfassungsfeindliches enthalte. Gleichzeitig wurde aber die Aufrechterhaltung des KPD-Verbots von 1956 betont.
Das KPD-Verbot richtet sich gegen alle demokratischen Kräfte, die in der Nationalen Front für ein einheitliches antifaschistisch-demokratisches Deutschland kämpften, gegen die imperialistische koloniale Unterdrückung und ihre Unterstützung durch den westdeutschen Imperialismus (siehe dazu 'Bolschewik' 6 (vgl. Jan. 1971, d. Vf.) S.78); es richtete sich vor allem gegen die KPD als revolutionäre Partei der Arbeiterklasse, die auf der Grundlage der Lehren von Marx, Engels, Lenin und Stalin zum Sturz der westdeutschen imperialistischen Adenauer-Regierung und ihrer Helfer aus der SPD-Führung aufrief und den Kampf dafür organisierte.
Die Aufrechterhaltung des Verbots der KPD als ehemals marxistisch-leninistischer Partei ist das Instrument des imperialistischen Staats, um die ständige Drohung über die revolutionäre Arbeiterbewegung aufrecht zu erhalten und die revolutionären Organisationen der Arbeiterklasse jederzeit zerschlagen zu können.“ (45)
Gleichzeitig sah sich das ZB dazu verpflichtet, noch einmal in Selbstkritik zu machen: Über die DKP berichtete sie am 28.6.: „Am 28.6. veröffentlichte die Westdeutsche Allgemeine (WAZ) eine Untersuchung des INNENMINISTERIUMS VON NRW über die Tätigkeit der Kommunisten an Rhein und Ruhr. In diesem Bericht wird die finanzielle und zahlenmäßige Stärke der D'K'P von NRW betont (12 000 Mitglieder, allein in diesem Jahr 2 600 Zuwachs).“
In einer Selbstkritik zu diesem und anderen Berichten (vgl. 24.6.1971) heißt es: „Diese Unachtsamkeit taucht nochmals auf, wenn ein Bericht über die 'Tätigkeit DER KOMMUNISTEN an Rhein und Ruhr' zitiert wird, wo dann auf die D'K'P eingegangen wird; wenn wir das 'K' von D'K'P in Anführungszeichen setzen, so wollen wir damit klar machen, dass die D'K'P-Führer sich nur 'Kommunisten nennen, um die Arbeiterklasse zu verwirren, dass sie aber in Wirklichkeit eine Agentur der Sozialdemokratie in der Arbeiterklasse sind.“ (46)
Natürlich war das KPD-Verbot für alle fortschrittlich agierenden Parteien, Bünde oder Organisationen ein ständiges Damoklesschwert. Da das Gesetzesvorhaben nie in die Praxis umgesetzt wurde und es nur die berühmten Hinweise des Staates gab, wurde der Kampf gegen das KPD-Verbot irgendwo zu einem Kampf gegen die Windmühlenflügel. Die mit hohem Unschuldston vorgetragene Empörung wurde für alle Seiten nur noch ein lauer Wind einer auflagenlimitierten Argumentation. Die Gewaltförmigkeit der bürgerlichen Ordnung überhaupt, jegliche radikale Opposition mundtot zu machen, entsprach einer nervösen Alarmbereitschaft, nicht aber einer breiten theoretischen Bestimmung des Ist-Standes der wirklichen Ziele des westdeutschen Kapitalismus. Das KPD-Verbot war nur noch sprachgewandte Hülse, das von einem triefenden Vokabular des jeweiligen Weltanschauungsdachs durchdrungen schien. Der Bonner-Staat konnte sich einfach beruhigt zurücklehnen; denn er hatte durch die Mitbefürwortung der Gründung der DKP eigentlich sein erstrebenswertes Ziel erricht: die Opposition zu nasführen.
Auf der Org.-Büro Sitzung des Zentralbüros im Juli 1971, auf der auch der „Tätigkeitsbericht des Org.-Büros beim ZB der KPD/ML“ verabschiedet worden war, war neben den Themen „Vorbereitung auf die Metalltarifrunde“, „Der richtige Einsatz der Parteikräfte“, auch der Punkt „Stärkung der Zentrale“ Gegenstand der Diskussion. Wieder einmal ging es um die Festlegung der Kaderbestände. Einmal mehr wurde, dem Bericht folgend, die Zentrale aufgestockt, indem sich der führende Kern „auf die Aufgaben der dritten Parteiperiode“ einstellte, um der Gefahr zu begegnen, dass der Kaderbestand in der Führung ausgedünnt werde. Die Aufgaben des Org.-Büros waren darauf ausgerichtet, das Netz der konspirativen Arbeit breit anzulegen, um einem möglichen Verbot zuvorzukommen. Ein weiterer wichtiger Hinweis darauf war, dass die Sitzungen der Zentrale möglicherweise ab diesem Zeitpunkt nicht mehr in Bochum stattfanden, da die Gefahr eines Lauschangriffs bestand. (47)
Die Metalltarifrunde 1971 war für die KPD/ML-ZK ebenfalls Anlass genug, um sich zu Verbotsvorbereitungen zu äußern. In dem Papier „Über die aktuelle politische Lage, die Metalltarifbewegung im Herbst 1971 und die Aufgaben der revolutionären Kräfte“, das wohl auf Ende Juni 1971 zu datieren ist, führte sie aus:
„Die MTB wird für die Bosse und Bonzen der Zeitpunkt sein, wo sie den Einfluss der revolutionären Kräfte am besten beobachten und ihre Gegenmaßnahmen treffen können. Vor allem Metallbereich haben die revolutionären Kräfte ihren bisherigen größten Einfluss... Die Bourgeoisie wird hier vor allem zwei Dinge in die Tat umzusetzen versuchen: EINMAL Einschüchterung der Arbeiterklasse (ähnlich dem Chemiebereich, siehe die dortige Tarifverhandlung in Bezug auf klassenkämpferische Kollegen), ZUM ANDEREN offene Verbotsvorbereitung. Immerhin findet Anfang Oktober eine Konferenz der Landesinnenminister mit Genscher statt, bei der gerade über solche Dinge gesprochen werden soll - nach dem IGM-Gewerkschaftstag, also nach dem vermutlichen Verbotsantrag der IGM gegen die ml Kräfte! Außerdem finden Anfang 1972 die neuen Betriebsrätewahlen (BRW, d.Vf.) statt, sie müssen also mit allen Mitteln versuchen, die Opposition innerhalb und außerhalb ihrer Reihen niederzuhalten, vor allem oppositionelle Listen verhindern.
DIE AUFGABEN DER REVOLUTIONÄREN, MARXISTISCH-LENINISTISCHEN KRÄFTE.
Hauptziel muss es sein, den Einfluss in den Reihen der Arbeiterklasse zu vergrößern, die fortschrittlichsten Arbeiter für den Kommunismus zu gewinnen und an die Partei heranzuführen, die KPD/ML ... Was die Innenpolitik anbelangt, neben dem ersten der wichtigste (Punkt): der Kampf gegen die Illegalisierung revolutionärer Organisationen. Den Feinden der Arbeiterklasse reicht es schon, wenn diese Organisationen effektiv die Tarifkämpfe, die ökonomischen Kämpfe der Arbeiterklasse unterstützen. Wie groß wird erst die Gefahr für diese Leute, wenn sie immer mehr an politischem Einfluss gewinnen?! Die Verräterrolle der DKP ist in diesem Zusammenhang besonders hervorzuheben ... Sie sabotiert den Kampf gegen die Illegalisierung der revolutionären Organisationen durch ihren bürgerlichen Legalismus, ja sie unterstützt die Verbotstendenzen tatkräftig.“ (48)
Den “Kampf gegen die Illegalisierung der revolutionären Organisationen”, die Hammerschläge des Feindes, wollte das ZK der KPD/ML über die Teilnahme an den Betriebsrätewahlen 1972 führen, über die Metalltarifrunde und dadurch, dass sie die „Verräterrolle der DKP“ entlarvt. Der Hinweis auf die Betriebsrätewahlen war gänzlich neu. Und fehlte in dieser Form beim ZB ganz. Während die KPD/ML-ZK über ihre RGO einige (wesentliche) Erfolge feiern konnte, schmorte dagegen das ZB hinsichtlich der Betriebsrätewahlen im eigenen Saft. Zwar gab es hier und da einige Betriebsräte und V-Leute, die aber außer ihren Positionspapieren nichts Entscheidendes dabei hatten, um als betriebliche Alternative zu gelten.
Immerhin versuchte das ZB in der Gewerkschaftsfrage eine Linie zu finden. „Wir brauchen Gewerkschaften, aber nicht solche“, wohl einheitlicher Tenor. Vier Wochen nach den ersten Anträgen von Ortsverbänden der IGM, revolutionäre Gruppierungen verbieten zu wollen, berichteten das ZB und das ZK gleichlautend von Opel Bochum am 1.7.1971:
„VERBOTSHETZE GEGEN DIE KPD/ML.
Und der nächste Schritt ist die Illegalisierung der Marxisten-Leninisten. Wie in Duisburg so hat jetzt auch der Kreisverband Ennepe (Gevelsberg, d. Vf.) der IGM einen Verbotsantrag gegen die KPD/ML beschlossen. Was viele Kollegen beim Lesen des Extrablatts der Zündkerze (vgl. 21.6.1971,d.Vf.) nicht glauben wollten, rückt jetzt immer n„her. Von der Kollegin B. aufgefordert, dazu Stellung zu nehmen, stellten sich der 'Kollege' Perschke, Kollege Jasczyk vom Rosa Kadett und Kollege Adamek von der SPD-Betriebsgruppe, der vorher noch laut von der Profitgier der Kapitalisten getönt hatte, hinter diesen Verbotsantrag. Dabei stützten sie sich auf verleumderische Hetze, dass die Marxisten-Leninisten antigewerkschaftlich seien und wir aber eine starke Gewerkschaft brauchten und nicht die Zündkerze.
GEWERKSCHAFTEN JA! ABER NICHT SOLCHE!
Kolleginnen und Kollegen, wie oft haben wir geschrieben, wir brauchten Gewerkschaften, aber nicht solche. Wenn sie mit 'gewerkschaftlich' meinen, den Bonzen in den Arsch zu kriechen und ihre Politik zu unterstützen, dann haben wir allerdings etwas dagegen. Was wir unter 'gewerkschaftlich' verstehen, ist etwas anderes. Wir brauchen einen starken V-Leute-Körper, aber nicht einen, der auf der Seite der Kapitalisten steht, sondern einen, der auf unserer Seite steht, in dem die Kollegen sind, die sich am meisten für uns einsetzen. Wir brauchen Gewerkschaften, aber nicht solche, die mit den Kapitalisten und der SPD-Regierung gemeinsame Sache machen, uns ans Lohndiktat der Bosse und ihrer Regierung binden, sondern solche, die unsere Interessen vertreten und wir brauchen eine kommunistische Partei, die aus den fortgeschrittensten Kollegen besteht und unseren Kampf für den Sozialismus anführt.“ (49)
Neu war der Antrag vom Kreisverband Ennepe (Gevelsberg), der ebenfalls einen Verbotsantrag stellte. Allerdings hatte nie ein Ortsverein explizit DAS Verbot der KPD/ML gefordert. Womöglich gab es in einigen Entwürfen den Hinweis auf die KPD/ML, aber die Anträge, die auf dem Ordentlichen Gewerkschaftstag der IGM in Wiesbaden zur Abstimmung anstanden, waren „gereinigt“. So bezogen ZK und ZB das Verbot einfach im allgemeinen auf die KPD/ML und sogen es sich aus den Fingern. Für die Kadermasse jedoch wirkte der vermeintliche Kampf dagegen befreiend, das Selbstwertgefühl konnte steigen, denn man gehörte einer Organisation an, die vom Klassenfeind bekämpft und verboten werden sollte.
Die angedeuteten Differenzen hinsichtlich der Gewerkschaftsfrage, spiegelten sich auch in der „Gewerkschaftsbroschüre“ des ZB der KPD/ML wider. Darin war u. a. die Abgrenzung von anderen Organisationen, vor allem gegenüber der KPD/ML-ZK, hinsichtlich des Parteiaufbaus beschrieben. Die KPD/ML-ZB wolle „sich abgrenzen“, damit der „Kampf gegen die SPD-Regierung“ geführt werden könne; der Kampf gegen sie sei auch ein Kampf gegen den inneren Notstand und damit ein Kampf gegen das KPD-Verbot. Das würde für alle Perioden des Parteiaufbaus gelten.
Aufgabe sei es ...“die Aktivität der Massen zu entfalten, sie von den sozialfaschistischen Führern zu lösen und diese zu isolieren, starke Betriebszellen aufzubauen, die Fraktionsarbeit in den Gewerkschaften zu beginnen, den Massen bei der Entwicklung neuer Kampfformen zu helfen und die Kämpfe auf eine höhere politische Stufe zu heben. Die KPD/ML befindet sich im Moment am Beginn der dritten Periode der ersten Etappe des Parteiaufbaus. In den ersten beiden Perioden hatte sie besonders die Aufgabe, sich abzugrenzen und in der Massenarbeit und theoretischen Arbeit die eigene Linie auszuarbeiten und zu erproben. Die Partei hat sich in den ersten beiden Perioden abgegrenzt nach rechts und links. Sie hat sich einmal gegenüber den ökonomistischen Zirkeln abgegrenzt, die den Unterschied von Partei und Gewerkschaft nicht begriffen haben und die Gewerkschaften als die 'grundlegenden Organisationen des Proletariats' bezeichnen. Diese Zirkel führten die Notwendigkeit der Partei meistens nur als leere Phrase mit und beschränkten ihre Praxis auf die innergewerkschaftliche Arbeit bzw. die Förderung des ökonomistischen Kampfes.
Die KPD/ML hat diesen Zirkeln die Notwendigkeit entgegengesetzt, schon jetzt die Partei tatkräftig nach einem einheitlichen Plan von oben nach unten aufzubauen: sie hat den Unterschied von Partei und Gewerkschaft klar herausgestellt. Weiter muss sich die Partei von der massenfeindlichen und liquidatorischen Linie der Gruppe 'Roter Morgen' abgrenzen. Gerade die Gewerkschaftsfrage war ein sehr wesentliches Feld der Abgrenzung. Die Partei hat ihre Linie zur Gewerkschaftsarbeit nicht unabhängig von der politischen Arbeit und der Massenarbeit erprobt. Die entscheidende Schlacht hierfür war die Metalltarifrunde 1970 (MTR, d. Vf.), als der Kampf gegen die Verrätereien der SPD-Regierung und für die volle Durchsetzung der gewerkschaftlichen Forderungen auf der Tagesordnung stand. Diese Kämpfe zeigten, dass der Hauptstoß im Moment gegen die SPD-Regierung geführt werden muss, weil sie mit Hilfe ihrer Agenturen - der Gewerkschaftsführer und der Revisionisten - die Arbeiterklasse spaltet und die wichtigste soziale Stütze der Bourgeoisie darstellt.
Diese Kämpfe zeigten weiter, dass in der beginnenden Flut das Schwergewicht des Kampfes im Betrieb liegt, dass die Linie, kühn neue Betriebsgruppen aufzubauen, richtig ist. Diese Kämpfe zeigten schließlich, dass nicht der Aufbau neuer Gewerkschaften, sondern die konsequente Arbeit in den bestehenden Gewerkschaften mit dem Ziel ihrer Eroberung notwendig ist, weil die rechten Gewerkschaftsführer trotz aller Verrätereien noch einen gewissen Masseneinfluss in der Arbeiterklasse haben ... Es gibt vom Stand der Klassenkämpfe inzwischen die Möglichkeit, dass die fortgeschrittensten Arbeiter die Wirtschaftskämpfe selbständig führen und dass sie Streikkomitees bilden, weiter die Möglichkeit, eine breite Massenorganisation gegen die rechten Gewerkschaftsführer aufzubauen - doch die Partei kann diese Kämpfe und den Aufbau dieser Organisationsformen noch nicht umfassend leiten. Der Parteiaufbau ist wegen der späten Gründung der KPD/ML noch hinter dem Stand der Klassenkämpfe zurückgeblieben.“ (50)
Die Geschichte des Kampfs gegen das KPD-Verbot förderte erstaunliche Geschichten und echte Geheimnisse ans Tageslicht, nämlich die Konstruktion. Die Metalltarifrunde 1971 wurde ca. Mitte Juli 1971 vom ZB dazu benützt, um ihre Politik hinsichtlich eines angedachten Verbots an den Mann zu bringen. Der KND schrieb:
„Und in der FAZ, der Hauspostille der Großbourgeoisie, steht am 10.7. sogar: '...ohne jede Aufregung wird die Deutsche Kommunistische Partei von der westdeutschen Industrie betrachtet, obwohl auf sie das Schlagwort 'DKP kontra Großkapital' gemünzt ist... Insgesamt drängt aber auch die westdeutsche Industrie nicht auf Maßnahmen gegen die DKP.' Wenn die Großkapitalisten unmittelbar nach einer Tarifrunde (CTR der CPK - vgl. 4.7.1971), in der das Lohndiktat der SPD-Regierung durchgesetzt wurde, nichts gegen die Aktivitäten der D'K'P haben, so spricht wohl auch Bände. (Dies darf natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch bei einer faschistischen Machtübernahme, bei entsprechend verschärften Klassenkampfbedingungen, auch die D'K'P vom Verbot unmittelbar bedroht wird.). Zur Zeit richten sich diese Verbotsdrohungen vor allem gegen die KPD/ML, die gerade für die Metalltarifrunde durch ihren politischen Einfluss eine immer größere Gefahr für die Kapitalistenklasse und die SPD-Führer wird, da sie alle Betrugsmanöver und Angriffe der SPD-Führer konsequent entlarvt.“
Und über die KPD/ML sollte die „FAZ“ geschrieben haben: „Was der Industrie mehr Sorge macht, ist das lebhafte Konkurrenz-Verhältnis innerhalb der radikalen linken Gruppen, das die einzelnen, beispielsweise die Kommunisten und Maoisten der sogenannten 'Kommunistischen Partei Deutschlands, Marxisten-Leninisten', (KPD/ML) ständig zu Erweisen größerer Aktivität treibt.' Zu Deutsch: der Kampf der KPD/ML um die Einheit aller Revolutionäre ist der Industrie Anlass zur Sorge.“ (51)
Die Metalltarifrunde 1971 entsprach keiner politischen Zuspitzung des Klassenkampfes, den das ZB darin gerne gesehen hätte. Und ihr Einfluss in dieser war ebenso gering wie in den zurückliegenden oder den anstehenden Tarifrunden. Verbotsdrohungen und Metalltarifrunde wurden klammheimlich zu einer Einheit gemacht; denn der „politische Einfluss“ drohte. Und damit war sie eine „Gefahr für die Kapitalistenklasse und die SPD-Führer“, weil sie (die KPD/ML) alle „Betrugsmanöver“ grundsätzlich „entlarven“ konnte.
Ernüchterung folgte auf dem Fuße. Die Großindustrie wusste schon genau, wie sie sich erwehren konnte. Ihr „natürlicher“ Gegner waren eher die Gewerkschaften, die ihr doch hier und da einige Zehntel Prozentpunkte mehr in den Tarifrunden abtrotzen konnte. Unmut konnte deshalb angebracht sein, weil nicht immer vorauszusehen war, wie sich das Tarifexperiment hochschaukeln konnte und mit welchen Widerständen zu rechnen war. DKP und KPD/ML waren keine ernstzunehmenden Gegner. Sie stachelten im Sinne der Unternehmen diese Runden einfach nur an. Und verbreiteten Parolen, die sie in ihrem Geschäft mit der Gewerkschaftsspitze nun gar nicht gebrauchen konnte.
Der KND Nr. 53/1971 erschien am 14.7.1971 mit dem Leitartikel „Kampf den Verbotsdrohungen gegen die revolutionären Organisationen“. Aus NRW wurde berichtet von einem Bericht der Landesregierung über Kommunisten (vgl. 28.6.1971), über die Belegschaftsversammlung bei Opel Bochum (IGM-Bereich - vgl. 1.7.1971), die Anträge zum Verbot linker Gruppen in der IGM in Dortmund (vgl. Juni 1971), Duisburg (vgl. 4.6.1971), Gelsenkirchen (vgl. Juni 1971) und Hagen (vgl. Juni 1971) und aus dem CPK-Bereich von der CTR Westfalen (vgl. 23.6.1971) und CWH Marl (vgl. 22.6.1971). (52).
Und auch der „Jahresplanungsbericht“ der KPD/ML-ZB vom 16.7.1971 legte im politischen Plan den Kampf gegen das KPD-Verbot als ein „zentrales Kettenglied“ fest. (53) Für das ZB waren mit der MTR 1971 und ihrer Forderung nach 15% mehr Lohn und Gehalt, die politischen Bedingungen nun zugespitzt. Je mehr es sich in dieser radikalen Offenheit offenbarte, umso schärfer musste auch ihr Ton werden.
In der „Roten Fahne“ Nr. 14/1971 vom 19.7 las sich das so: „Vertrauen auf die eigene Kraft. Die Taktik der KPD/ML in der Metalltarifrunde '71: Die Erfahrungen, die die westdeutsche Arbeiterklasse in diesen Kämpfen mit der Sozialdemokratie und den rechten Gewerkschaftsführern machte, und das aktive Auftreten der KPD/ML haben das politische Erwachen der westdeutschen und Westberliner Arbeiterklasse, besonders der Arbeiterjugend beschleunigt... Nach den Kämpfen der letzten Jahre soll das Lohndiktat der SPD-Regierung wieder für 'Ruhe an der Heimatfront' sorgen und die Profite der Kapitalisten in der beginnenden Krise sichern. Das Lohndiktat ist die Antwort der SPD-Regierung auf die wachsende Kampfbereitschaft der Arbeiterklasse. Es soll verhindert werden, dass die westdeutsche und Westberliner Arbeiterklasse genauso wie die englischen (britischen, d. Vf.) und italienischen Arbeiter von breiten wirtschaftlichen Kämpfen zu politischen Massenstreiks übergeht. Dazu soll auch der Lohnkampf abgewürgt und die Streikfreiheit der westdeutschen Arbeiterklasse noch weiter eingeschränkt werden. Die rechten Gewerkschaftsführer unterstützen aktiv die Durchsetzung des Lohndiktats: Sie verharmlosen den Polizeieinsatz durch die SPD-Führer, sie lenken vom Lohndiktat ab durch breite Reklame für flexible Altersgrenze, Steuerreform, Mitbestimmung ... Die Metaller können in diesem Jahr ihre wirtschaftlichen Ziele nur im Kampf gegen das Lohndiktat der SPD-Regierung durchsetzen. Die Gewerkschaftsführer können zu diesem Kampf nicht gezwungen werden; sie werden ihn verraten. Daher müssen die wirtschaftlichen Kämpfe selbständig geführt werden. Darauf muss die KPD/ML die westdeutschen Metaller in diesem Jahr ideologisch vorbereiten. 'Vertrauen auf die eigene Kraft' heißt die Parole. Der erste Schritt zum selbständigen wirtschaftlichen Kampf ist die selbständige Aufstellung der Lohnforderungen auf breitester Grundlage (das heißt, möglichst in Belegschaftsversammlungen) ... Darum gibt es im Juli zwei Aufgaben für die Betriebsgruppen der KPD/ML: Breiteste Propaganda als Vorbereitung der Massen auf die Auseinandersetzungen in den nächsten Monaten und die Aufstellung der 15-Prozent-Forderung in Belegschafts- und Gewerkschaftsversammlungen ... Streiks können in diesem Jahr nur Erfolg haben, wenn sie sich gegen das Lohndiktat der SPD-Regierung richten, ohne und gegen die IGM-Führer geführt werden, nicht nur einige Stunden, oder ein bis zwei Tage dauern.
Diese Kampfbedingungen erfordern, dass solche Streiks von einer Streikleitung organisiert werden. Wie steht die KPD/ML zur Bildung von Streikleitungen? Wir begrüßen grundsätzlich eine Streikleitung, die von den Kollegen im Betrieb gewählt wird. Wir unterstützen jede Streikleitung politisch und organisatorisch, die bereit ist, gegen das Lohndiktat der SPD-Regierung zu kämpfen und das Vertrauen der Kollegen besitzt. Wenn die Streikleitung bereit ist, gegen die Verrätereien der IGM-Führer zu kämpfen, aber die Rolle der SPD-Regierung nicht erkennt, werden wir einen ideologischen Kampf gegen diese falschen Ansichten führen ... Vor dem Beginn offener Kämpfe werden wir nicht zur Bildung von Streikleitungen aufrufen.
Forderungen, die jede Streikleitung vertreten muss, sind: Kampf dem Lohndiktat der SPD-Regierung! Gegen die Verrätereien der SPD-Regierung die geschlossene Front der Arbeiterklasse! Entschlossener Kampf für 15 Prozent Lohnerhöhung! Vertrauen auf die eigene Kraft! Diese Forderungen sind die Grundlage nicht nur für jede korrekte Streikleitung, sondern auch für jede weitere Einheitsfront im wirtschaftlichen Kampf, für ein breites Bündnis, das die KPD/ML in allen Betrieben proletarischen Betriebsgruppen anderer Organisationen und kampfbereiten Gewerkschaftern anbietet. Das Lohndiktat ist nicht nur ein wirtschaftlicher Angriff auf die Löhne der Arbeiterklasse, es ist ein umfassender politischer Angriff... Dagegen muss die Arbeiterklasse einen wirtschaftlichen und einen politischen Kampf führen: der wirtschaftliche Kampf für 15 Prozent Lohnerhöhung kann jedoch nur Erfolg haben, wenn die Politik das Kommando führt, wenn ein politischer Kampf unter Führung der KPD/ML gegen die Verrätereien der SPD-Regierung und gegen die weitere Aufrüstungspolitik geführt wird.“ (54)
In Dortmund ließ die KPD/ML-ZK um den 20.7.1971 ein Flugblatt ihrer Roten Garde vor der Kokerei Hansa verteilen. Zur IGM führten sie aus:
„VERBOT DER KPD/ML“
Am 4. Juni verabschiedete die Vertreterversammlung der IGM Ortsverwaltung Duisburg folgenden Antrag an den Gewerkschaftstag der IGM im Herbst (vgl. 27.9.1971, d. Vf.) in Wiesbaden“. Es folgt der komplette Antragstext und fortgefahren wird: Diesem Antrag folgten inzwischen ähnliche in Gelsenkirchen (vgl. Juni 1971, d. Vf.) und Dortmund (vgl. Juni 1971, d. Vf.). Sie zeigen deutlich, dass die herrschende Kapitalistenklasse - obwohl die KPD/ML noch klein ist – nichts mehr fürchtet als eine revolutionäre Partei der Arbeiterklasse. UND ZU RECHT!
UNSERE POLITIK
Denn die KPD/ML duldet in ihren Reihen weder Bonzen noch Arbeiterverräter vom Schlage eines Leo Werski. Wir bekämpfen die DGB-Bonzen, weil sie die Gewerkschaften von einem Instrument der Arbeiter im Klassenkampf zu einem Instrument in den Händen der Kapitalisten gemacht haben. Das bewiesen 'unsere' Interessenvertreter Adolf Schmidt und Co von der IGBE noch vor zwei Monaten (vgl. 20.4.1971, d. Vf.), als sie uns nach Geheimverhandlungen einen Tarifabschluss von 7,3% unterjubelten, und das zu einem Zeitpunkt, wo wir mitten in der Talfahrt zur Krise stecken! Gerade da brauchten wir Gewerkschaften, in denen nicht Betriebsräte und V-Leute von den Bonzen zur Wahl bestimmt werden, sondern in denen wir Arbeiter bestimmen und unsere Interessen selbst vertreten. Deshalb bekämpfen wir auch die Bonzen der DKP, die uns Arbeitern Sand in die Augen streuen, wenn sie behaupten, diese Gewerkschaften seien unsere Interessenvertretungen, wir müssten sie stärken. Wie könnten wir Agenturen der Kapitalistenklasse stärken? Wer solche Theorien verbreitet, hat die Politik der KPD Ernst Thälmanns nicht nur revidiert, er hat sie verraten! So ist es dann auch nicht mehr verwunderlich,, wenn die DKP-Funktionäre in der Vertreterversammlung der IGM Duisburg für das Verbot der KPD/ML stimmten!! Hier zeigt sich, dass bei der DKP von 'kommunistisch' keine Rede sein kann, dass es nur eine revolutionäre kommunistische Partei in der Bundesrepublik gibt: die KPD/Marxisten-Leninisten. Deshalb: bei allen Betriebs- und Gewerkschaftsversammlungen: bei allen Parteiversammlungen von SPD und DKP: WEG MIT ALLEN VERBOTSHETZERN! Trotz Verbotsdrohungen - voran im Kampf für den Sozialismus! Stärkt die KPD/ML!“ (55)
Das erinnerte sehr an die später von KPD und KPD/ML ausgegebene Parole am 8. Oktober 1977, als sie gemeinsam eine „revolutionäre“ Demonstration der Marxisten-Leninisten organisierten und gegen die Kommando-Hysterie bei der Schleyer-Fahndung auftraten. Der Marxismus-Leninismus lasse sich „nicht verbieten“, hieß es einige Jahre später. Eine drohende Illegalisierung könne verhindert werden, wenn man die KPD/ML „stärkt“. Das Medium war hier, dass Anspruch und Wirklichkeit differierten. Nach außen war die KPD/ML Makulatur, nach innen musste sie sich reorganisieren, um später die Erschaffung ihrer Welt in die geheimbündlerische Form überzuführen, die das ZB mit ODR und ODA umschrieb.
Von innen waren nicht nur die altbekannten Parteifeinde aktiv, auch von außen überschwemmten sie nahezu im Orwellschen Sinne das ganze Parteisystem. So häuften sich die Berichte über Aktivitäten der Politischen Polizei auf den Versammlungen der KPD/ML. Am 19.7. las man darüber im KND:
„POLITISCHE POLIZEI AUF KPD/ML-VERANSTALTUNGEN IN DUISBURG
Nachdem die IGM-Vertreterversammlung in Duisburg (vgl. 4.6.1971, d. Vf.) das Verbot der KPD/ML gefordert hat, erschienen jetzt auf einer öffentlichen Versammlung der KPD/ML-Betriebsgruppe bei Mannesmann zwei Vertreter der Politischen Polizei (K14, d. Vf.). Sie verlangten unter Berufung auf unsere 'demokratischen' Gesetze die Namen und Adressen aller Versammelten, was ihnen jedoch verweigert wurde. Trotzdem nahmen sie an der Veranstaltung teil.“ (56)
Eine solche „Polizeistaatsatmosphäre“ beschrieb auch der Bund Kommunistischer Arbeiter (BKA) Feiburg am 5.8.1971 in seinem Organ „Klassenkampf“.
„VORBEREITUNGEN FÜR DEN POLIZEISTAAT.
Am 5. August starb in München eine junge Bankangestellte, die von Bankräubern als Geisel festgehalten worden war. Der Wagen, in dem das Mädchen saß, war von 150 Einschüssen getroffen. Der Bankräuber wurde ebenfalls getötet, 'standrechtlich erschossen'. Zynisch wurde dies von der Staatsanwaltschaft und der Polizeiführung damit begründet, man habe auf diese Weise 'das Leben der Geiseln retten' wollen. Dabei war klar, dass bei Schnellfeuer aus Maschinenpistolen auf den bereitgestellten Fluchtwagen auch das Leben der darin sitzenden Geisel in höchster Gefahr war. Gar nicht zu reden von den anderen Geiseln, die sich mit dem zweiten ebenfalls bewaffneten Bankräuber zu diesem Zeitpunkt noch in der Bank befanden.
POLIZEIAKTIONEN - EINE WARNUNG!
'Nothilfe' hieß es nach der Ballerei, 'wir mussten das Leben der Geiseln retten.' Doch in Wirklichkeit ging es um etwas anderes. Als in München der Bankräuber ohne Rücksicht auf Verluste erschossen wurde, da wollte die Staatsmacht zeigen, was passieren kann, wenn einer die Gesetze durchbricht. Man will uns daran gewöhnen, dass jede Verletzung der geltenden Normen von der Polizei in MG-Garben erstickt werden kann. Das trifft auch den kleinen Ladendieb, es richtet sich aber eigentlich gegen jeden Versuch, sich im Betrieb der Ausbeutung entgegenzustellen, richtet sich gegen den Neubeginn der Klassenkämpfe in der Bundesrepublik. Die Großeinsätze schaffen eine Polizeistaatsatmosphäre, die jedem klarmachen soll: Auflehnung gegen dieses System ist sinnlos.
DER ANGRIFF ZIELT AUF DIE ARBEITERKLASSE
Weil die Herrschenden wissen, dass die Masse der Werktätigen auf Dauer die kapitalistischen Verhältnisse nicht hinnehmen wird, bauen sie ihren Herrschaftsapparat aus. Sie nutzen dafür geschickt spektakuläre Ereignisse wie in München.
Kaum waren die Leichen des Bankräubers und seiner Geisel kalt, begannen Regierungs- und Oppositionssprecher gleichermaßen für ein schärferes Vorgehen der Polizei Stimmung zu machen. Und Innenminister Genscher versprach eine Verstärkung und Zentralisation der Polizei und holte zudem einen alten Plan aus der Tasche: die VORBEUGEHAFT. Während die Springer-Presse eine gezielte politische Kampagne in Gang setzte und von einer 'Welle der Gewalt über Deutschland' sprach, beschlossen die Innenminister auf einer gemeinsamen Sitzung auf die Einführung des Haftgrundes der Wiederholungsgefahr, zu deutsch Vorbeugehaft, zu drängen. DANACH KANN JEDERMANN VERHAFTET WERDEN, VON DEM NOCH NICHT EINMAL ERWIESEN IST, OB ER DIE IHM ZUR LAST GELEGTE TAT BEGANGEN HAT, GESCHWEIGE DENN, OB ER AUCH KÜNFTIG STRAFFÄLLIG WERDEN WIRD. Diese Vorbeugehaft war schon für die Nazis ein bequemes Mittel, politische Gegner ohne Gerichtsverhandlung ins Gefängnis zu bringen.
Zur Begründung wird auf WACHSENDE KRIMINALITÄT hingewiesen. Aber diese ist ein Produkt der kapitalistischen Gesellschaft: in der ein stetig wachsender Reichtum, der vor unserer Nase in unseren Städten so sichtbar und verführerisch aufgebaut wird, nur von wenigen genossen werden kann, und die große Mehrheit, die diesen Reichtum täglich erarbeitet, davon ausgeschlossen bleibt. Die Ladendiebe und Bankräuber ziehen daraus eine falsche Konsequenz: sie wollen diese Verhältnisse für sich allein ändern. Sie sehen nicht, dass es darauf ankommt, die kapitalistischen Verhältnisse insgesamt zu ändern, in denen die tägliche Arbeit aller Werktätigen immer als neues Eigentum bei denen auftaucht, die sie ausbeuten. Das BEISPIEL USA zeigt besonders deutlich den engen Zusammenhang zwischen der tiefgehenden Krise des gesamten Gesellschaftssystems einerseits und der wachsenden Kriminalität andererseits. Obwohl die USA eine zentrale und durchaus schießwütige Bundespolizei haben, ist dort die Kriminalität noch weit größer als bei uns in der Bundesrepublik. Das zeigt, dass es falsch ist zu glauben, man könne der steigenden Kriminalität - große Mehrheit Vermögensdelikte - durch Verstärkung und ähnlichem Herr werden.
Bei der jetzt laufenden Kampagne für Verstärkung der Polizei und für Einführung der Vorbeugehaft geht es also gar nicht in erster Linie um 'Bekämpfung der Kriminalität', wie behauptet wird. Eben sowenig wie es bei den 1968 beschlossenen Notstandsgesetzen in erster Linie um den 'Katastrophenschutz' geht.
HIER GEHT ES VIELMEHR UM DIE SCHAFFUNG DER VORAUSSETZUNGEN FÜR UMFASSENDE SCHLÄGE DER STAATS- UND POLIZEIFÜHRUNG GEGEN DIE ORGANISIERTE ARBEITERSCHAFT.
So erlauben die Notstandsgesetze den Einsatz von Polizei, Bundesgrenzschutz und Bundeswehr als Bürgerkriegsarmee im Innern. Sie erlauben die Außerkraftsetzung unserer demokratischen Rechte wie Telefongeheimnis, Briefgeheimnis, Versammlungsfreiheit, Streikrechte, freie Wahl des Arbeitsplatzes. So geht es bei der angeblichen 'Bekämpfung der Kriminalität' um eine Verschärfung des politischen Strafrechts, um die Möglichkeit, politische Gegner jederzeit in 'Vorbeugehaft' zu nehmen, um verschärfte Bespitzelung und Unterdrückung ausländischer Kollegen in der Bundesrepublik und um Schaffung einer Polizeistaatsatmosphäre im allgemeinen.
NUR: DER KLASSENKAMPF ENTWICKELT SICH TROTZDEM!
IN DEN FABRIKEN, wo wir gezwungen sind, den Großteil des Arbeitstages für den Profit anderer zu schuften, für einen Lohn, der den Preissteigerungen nicht nachkommt. Wo wir in der Krise rausfliegen, wenn der Absatz stockt. Wo jede Sekunde, die uns bei der Arbeit zum Verschnaufen bleibt, wegrationalisiert wird, die Arbeitshetze immer irrsinniger wird - sei's im Akkord oder im Großraumbüro. Wo die körperlichen und vor allem nervlichen Belastungen uns ständig auslaugen und zu Wracks machen. Wo jährlich Tausende in sogenannten 'Arbeitsunfällen' von der kapitalistischen Maschinerie ermordet werden, weil die Sicherheit der Arbeiter natürlich nur ein zusätzlicher 'Kostenfaktor' ist, und das eigene 'Aufpassen' der ständigen Verschärfung der Arbeitshetze zum Opfer fallen muss ... KEINE GROSSEINSÄTZE, KEINE VORBEUGEHAFT KÖNNEN DIESE VERHÄLTNISSE AUF DAUER VOR DEM ANSTURM DER ORGANISIERTEN ARBEITERSCHAFT RETTEN.“ (57)
Das „Kampfprogramm der KPD/ML-ZB vom 11.8.1971 warnte auch vor diesen „politischen Knebelungsversuchen durch die SPD-Regierung“. Und führte aus: „Die Knebelungspläne der SPD-Regierung sollen die 'Ruhe an der Heimatfront' sichern, die die Flick und Thyssen für ihre Eroberungspläne nach Ost und West brauchen. Für die Aufrüstungspolitik der SPD-Regierung und für die Unterstützung der US-Imperialisten bei ihrem Krieg gegen die Völker Indochinas und das palästinensische Volk sollen die Arbeiter durch Steuererhöhungen und Zwangssparen ausgepresst werden. Keine Steuererhöhungen! Kein Zwangssparen! Keine Mark von unserem Lohn für die Aufrüstungspolitik der SPD-Regierung! Für die internationale Solidarität der Arbeiterklasse mit den heldenhaften Völkern Indochinas und Palästinas! Gegen die Knebelungsmaßnahmen im Innern, die diese imperialistische Politik absichern sollen, lauten die Losungen: Auflösung des Bundesgrenzschutz! Gegen KPD-Verbot und Notstandsvorbereitung! Der Lohnkampf ist gerichtet auf die Herstellung der Einheit der Arbeiterklasse gegen alle spalterischen Forderungen: 15% Lohnerhöhung auf den Ecklohn für alle! Gegen die Spaltung durch Leichtlohngruppen, Altersabschläge und Punktsysteme! Gegen die Lohnraub- und Krisenangriffe muss die Forderung aller Metaller sein: Kampf dem Lohnraub - Garantierter Mindestlohn 1 000 DM Netto - Gegen Arbeitshetze und Entlassungen - 7 Stundentag bei vollem Lohnausgleich! Nur durch das Vertrauen auf die eigene Kraft kann gegen die SPD-Führer und deren Agenten im Betrieb der Kampf geführt werden! Organisiert Euch in den Betriebsgruppen der KPD/ML!
Euer Kampf gegen die Verrätereien der SPD-Führer kann nur erfolgreich sein, wenn eine revolutionäre kommunistische Partei die westdeutsche und Westberliner Arbeiterklasse führt. Obwohl die KPD/ML noch eine junge Partei ist, hat sie diese Aufgaben angepackt. Mit ihrem Zentralorgan Rote Fahne enthüllt sie alle Verrätereien der SPD-Regierung, mit ihren Betriebszeitungen entlarven ihre Betriebsgruppen zahlreiche SPD- und DKP-Betriebsräte als Schillers Handlanger im Betrieb. Nur eine solche Partei kann allen Arbeitern den richtigen Weg weisen und den Kampf um Lohn und Brot mit dem Kampf gegen die Aufrüstungspolitik und Notstandsvorbereitungen verbinden. Nur eine solche Partei kann allen Arbeitern und Werktätigen ihr Ziel zeigen: die Zerschlagung des bürgerlichen Klassenstaates und die Errichtung eines sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaates. Gegen den Kapitalismus - Für den Arbeiter- und Bauernstaat! Stärkt die KPD/ML!“ (58)
„Die Verrätereien der SPD Regierung enthüllen“, wollte auch das SALZ Hamburg. Am 11.8.1971 erschien ein „Extrablatt“ mit dem Titel „Leben wir in einem Polizeistaat?“ Berichtet wird u. a. auch über die Vorbereitungen einer Demonstration am 17.8.1971 gegen das KPD-Verbot, an der „mehrere Organisationen“ teilnehmen wollten. (59)
In München führte die KPD/ML-ZK am 13.8.1971 eine Veranstaltung zum KPD-Verbot durch. Im „Roten Morgen“ war zu lesen:
„ERFOLGREICHE VERANSTALTUNG ZUM KPD-VERBOT.
Vor fünfzehn Jahren, am 17. August 1956, wurde in Westdeutschland die KPD verboten. Zu diesem Anlass führten wir im Arbeiterviertel Haidhausen eine Propagandaveranstaltung durch. Wir gedachten dabei gleichzeitig des 100. Geburtstages von Karl Liebknecht, dem großen deutschen revolutionär und Mitbegründer der KPD. Unter den ca. 100 Sympathisanten, Interessierten und Genossen, die den Veranstaltungsraum füllten, befand sich eine ganze Reihe alter KPD-Genossen. Wohl keiner von ihnen, der nicht in Hitlers KZs den Grausamkeiten der faschistischen Folterknechte ausgesetzt war. Aber sie haben sich ihren revolutionären Geist bewahrt. Für uns junge Kommunisten war es ein großes Erlebnis, dass wir so viele alte Kämpfer in unseren Reihen begrüßen konnten.
Und besonders glücklich waren wir, als wir erfuhren, dass von den alten Revolutionären in den Reihen der Genossen waren, die zusammen mit Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Wilhelm Piek und anderen im Jahr 1919 die KPD gegründet hatten. Zwei Gründungsmitglieder der KPD bei unserer Veranstaltung - das hätten wir nicht erwartet. Das Programm unserer Veranstaltung begann mit einem Vortrag über die Entwicklung der Kämpfe des Proletariats seit der Entstehung des Kapitalismus. Der Vortrag wurde von einem Arbeitergenossen in freier Rede gehalten. Er erinnerte daran, dass die größten deutschen Arbeiterführer und Kommunisten, die in diesem Jahrhundert gelebt und gekämpft haben - Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und Ernst Thälmann - unter den vielen Opfern waren, die von der Bourgeoisie auf das Grausamste ermordet wurden.
Und der Genosse hat großartig gesprochen. Nicht dass die Formulierungen besonders geschliffen waren. Aber bei jedem Satz, den er aussprach, spürte man den leidenschaftlichen proletarischen Klassenstandpunkt des Genossen. Die alten und die jungen Zuhörer spürten das und so entstand von Anfang an eine ausgezeichnete revolutionäre Atmosphäre. Eindringlich stellte unser Genosse dar, in welches Elend der Kapitalismus immer wieder die werktätigen Massen gestürzt hat und dass dies auch in Zukunft nicht anders sein kann, solange dieses Ausbeuterregime nicht beseitigt ist. Er berichtete, MIT WELCHER
VERZWEIFLUNG UND MIT WELCHEM MUT UNS HEROISMUS DIE ARBEITERKLASE SICH IMMER WIEDER ZUM KAMPF GEGEN DIE AUSBEUTER ERHOB, und mit welcher Grausamkeit der bürgerliche Staat gegen die kämpfenden Arbeitermassen vorgegangen ist, um diese Kämpfe im Blut zu ersticken. Er zeigte, welche hervorragende Rolle die Kommunistische Partei als Vortrupp der Arbeiterklasse in diesen Kämpfen spielt und dass die Kommunisten als die Todfeinde der Ausbeuterklasse den schärfsten Verfolgungen ausgesetzt sind.“
In weiteren Referaten und Diskussionsbeiträgen gingen wir noch genauer darauf ein, warum die KP der Todfeind der kapitalistischen Ausbeuterklasse ist: Weil sie als Vortrupp der Arbeiterklasse die breiten Massen der Werktätigen wachrüttelt, sie zum politischen, zum sozialistischen Klassenbewusstsein emporhebt und sie unbeirrbar zur proletarischen Revolution, zum bewaffneten Aufstand gegen die Ausbeuterherrschaft führt. Wir machten deutlich, dass die D'K'P (DKP, d. Vf.) auf Vorschlag des kapitalistischen Staates gegründet wurde. Die Bourgeoisie braucht eine Partei, wie früher die SPD, die auch dann Einfluss auf die breiten Massen hat, wenn diese zum politischen Bewusstsein erwachen und begreifen, dass ihr Elend nur mit der Beseitigung des Kapitalismus ein Ende finden kann. Eine bürgerliche Partei, die sich als Arbeiterpartei tarnt und vorgibt, für den Sozialismus zu kämpfen, die aber in Wirklichkeit den Kampf der werktätigen Massen vom Weg der Revolution ablenkt und damit die Herrschaft der Kapitalisten rettet. Eine solche Verräterpartei braucht der Kapitalismus auch jetzt wieder dringend, denn die Arbeiterklasse beginnt zu erwachen. Eine solche Partei ist die D'K'P. Durch Zitate aus dem D'K'P-Grundsatzprogramm, aus der D'K'P-Zeitung 'UZ' und aus D'K'P-Betriebszeitungen, sowie durch Beispiele aus der opportunistischen Politik der D'K'P erbrachten wir den Beweis, dass diese Betrugspartei eine neue sozialdemokratische Partei ist, die den Arbeitern Sand in die Augen streut, um sie vom revolutionären Kampf für den Sozialismus abzuhalten. Gleichzeitig sagten wir aber auch, dass wir wissen, dass in der D'K'P auch ehrliche Kommunisten sind, die den Betrug ihrer Führer noch nicht durchschaut haben und die es für uns zu gewinnen gilt.
Wir legten weiterhin klar, dass die Gründung der KPD/Marxisten-Leninisten (vgl. 31.12.1968, d. Vf.) die notwendige Konsequenz aus diesem heimtückischen verrat sogenannter Kommunisten war. Und die Antwort auf das KPD-Verbot muss für jeden klassenbewussten Arbeiter heute vor allem heißen: Am Aufbau der KPD/Marxisten-Leninisten mitzuwirken, den stählernen Vortrupp des Proletariats zu schmieden, damit die Arbeiterklasse in den kommenden großen Klassenkämpfen gerüstet ist. In der anschließenden Diskussion ergriffen mehrmals alte KPD-Genossen das Wort. Einer dieser genossen - er ist schon weit über 70 Jahre alt - sagte in bewegten Worten, dass er auch heute noch bereit sei, sein Leben für die Revolution zu opfern, wenn dies notwendig sei. Niemand von uns zweifelte an der Ernsthaftigkeit dieses Wortes.
Die D'K'P hatte einige Studenten auf unsere Veranstaltung geschickt, die versuchten, den Arbeiterverrat der D'K'P zu verteidigen. Offenbar sind die D'K'P-Bonzen das Opfer ihrer eigenen Verleumdungspropaganda geworden, und glaubten, bei uns seien fast nur Studenten versammelt. Sie haben damit aber einen bösen Reinfall erlitten. Bei den anwesenden Arbeitern und anderen Werktätigen konnten sie keine Zustimmung finden. Vielmehr isolierten sie sich vollkommen. Aber damit nicht genug, entlarvten sie sich auch noch auf andere Weise: Ein Arbeiter, den wir kurzem gewonnen hatten, ergriff das Wort. Noch nie hatte er vor einer derartigen Versammlung gesprochen und dazu noch ins Mikrophon. Klar, dass er deshalb ein wenig gehemmt war und seine Sätze stockend und unbeholfen formulierte. Aber was er sagte, drückte sein tiefes Klassenbewusstsein aus. Er sagte, dass wir gemeinsam und entschlossen für die sozialistische Revolution kämpfen müssten und dass dabei MAO TSE-TUNG und das revolutionäre Volkschina unser Vorbild sein soll.
Und wie reagierten unsere D'K'P-Studenten? Sie machten sich in arroganter Manier über die unbeholfene Ausdrucksweise dieses klassenbewussten Arbeitergenossen lustig. Mit diesem Verhalten haben diese D'K'P-Abgesandten eine ausgezeichnete Visitenkarte ihrer Partei hinterlassen. Am Ende des normalen Veranstaltungsprogramms wurde mit großer Begeisterung die Internationale gesungen. Danach gab es noch viele Diskussionen beim Bier, dabei erklärten mehrere alte KPD-Genossen: eure Veranstaltung hat uns begeistert. Es ist genauso wie in alten Zeiten bei der KPD. Der gleiche revolutionäre und kommunistische Geist herrscht bei euch! Dies war das schönste Lob für uns.“ (60)
Den „verschärften Kurs“ der SPD, den Diskussionsteilnehmer auf der Münchener Veranstaltung verurteilten, griff der KND vom 4.9.1971 auf. Er berichtete u.a. auch von der Veranstaltung und führte weiter in seinem Leitartikel aus: „Verschärfter Kurs der SPD-Führer: Bundesgrenzschutz -Polizeireform. Danach ist „ein weiterer Schritt zum Ausbau der staatlichen Unterdrückungsorgane zur militärischen Unterdrückung der Arbeiterklasse perfekt“. Hingewiesen wird darauf, „dass der Kompetenzbereich des BGS auf das gesamte Bundesgebiet ausgedehnt worden ist. Auch würde die härtere Anwendung von Gesetzen bei der Verbrechensbekämpfung, die härtere Bestrafung von illegalem Waffenbesitz, die Ausführungsverordnung für das Handgranatengesetz eine verschärfte Niederhaltung der erstarkenden Arbeiterklasse“ bedeuten. Eine der wichtigsten Methoden der „sozialfaschistischen Verwaltung der Arbeiterklasse ist die Einengung oder Aufhebung der Legalität der revolutionären Organisation der Arbeiterklasse. An erster Stelle steht dabei die Aufhebung der Legalität der KP. Die SPD-Führer wollen jetzt das KPD-Verbot, das sie schon 1956 voll unterstützt haben, gegen die KPD/ML anwenden. Sie können sich dabei auf ihre Reserven in der Arbeiterklasse, die sozialdemokratischen Gewerkschaftsführungen und die Revisionisten stützen. Die Anträge zum Verbot 'maoistischer Gruppen' zum IGM-Gewerkschaftstag beweisen dies deutlich.“ Diese Anträge werden u.a. gestellt von den IGM-Verwaltungsstellen Gelsenkirchen, Dortmund (vgl. Juni 1971), Velbert, Gevelsberg und Duisburg. (61)
Eine Spitze setzte der „KND“ gegen den KAB/ML. Und führte aus: „Der KAB/ML äußert sich nicht zu diesen Anträgen, zumindest nicht in der Augustausgabe der 'Roten Fahne', die sich dem IGM-Tag widme: Kein einziges Wort verlieren sie über die Verschärfung der sozialfaschistischen Angriffe der Sozialdemokratie gegen die Arbeiterklasse, die sich in Anträgen zum Verbot 'maoistischer Gruppen' und in Anträgen zum erleichterten Ausschluss von oppositionellen Gewerkschaftern ausdrückt. Stattdessen über 175 Zeilen nur Anträge, die sich auf die Erweiterung der innergewerkschaftlichen Demokratie, auf den Austritt aus der Konzertierten Aktion und ein 'fortschrittliches BVG' beziehen. So zitieren die Führer des KAB von den Verbotsanträgen nur die Anträge, die das Verbot 'rechtsextremer Gruppen' fordern ... Kein Wort zu den Verbotsanträgen gegen die 'Maoisten', kein Wort über die Gefahr der Wiederanwendung des KPD-Verbots. Dies zeigt das Verdrehen des Charakters der Sozialdemokratie und ihrer Handlanger im Gewerkschaftsapparat. Die Führer des KAB verschweigen bewusst, dass an den Punkten, wo die Sozialdemokratie nur noch schwer ihre Maske der Politik der inneren Reformen aufrechterhalten kann, wo sie die Arbeiterklasse nur noch schwer unter Kontrolle halten kann, sie immer offenere Methoden der sozialfaschistischen Verwaltung der Arbeiterklasse anwendet. Nicht umsonst kommen alle Anträge zum Verbot 'maoistischer Gruppen' aus Städten, wo die Sozialdemokratie in kampfstarken Betrieben schon stark an Einfluss verloren hat: so aus Duisburg (Mannesmann, Thyssen), Dortmund (Hoesch), Gelsenkirchen (Schalker Verein). ... Die Führer des KAB setzen ihre Politik der Verdrehung des Charakters der Sozialdemokratie in der gleichen Nummer der Roten Fahne noch die Krone auf, wenn sie ein paar Seiten später über die Duisburger Verbotsanträge schreiben: 'Wie konnte es dazu kommen, dass die Vertreterversammlung diesen reaktionären Vorstoß nicht abwehrte? ... Die Antwort ist einfach. Seit längerem verteilt eine Gruppe der Aust-KPD/ML vor mehreren Betrieben in Duisburg sogenannte Betriebszeitungen. In diesen Betriebszeitungen, in denen einige Studenten ihre Buchweisheiten von sich geben, werden die Gewerkschaften als arbeiterfeindliche Organisationen hingestellt ... Unter diesen Bedingungen hatten die Initiatoren des obigen Antrags leichtes Spiel ... Die Ultralinken der Aust-KPD/ML liefern geradezu die Munition für Reaktion und Chauvinismus. Diese Dreieinigkeit einer Handvoll Arbeiterfeinde spielen sich gegenseitig die Karten zu: dieses teuflische Spiel wird jedoch kläglich enden.' Die Einzigen, die allerdings kläglich enden werden, nämlich immer mehr im Sumpf des Rechtsopportunismus sind die Führer des KAB. Mit ihrer 'Begründung' der Verbotsanträge erweisen sich die Führer des KAB als echte Agenten der Sozialdemokratie, als Demagogen, die die Arbeiterklasse in die Arme der Sozialdemokratie treiben ... Die Führer des KAB zeigen mit ihrem Artikel zum Gewerkschaftstag, dass sie bewusst den Charakter der Sozialdemokratie verdrehen, dass sie sich bewusst absetzen von der Einschätzung der Sozialdemokratie zu Beginn einer revolutionären Flut, so wie Thälmann sie für 1928 vorgenommen hat und wie sie von der KPD/ML auf die heutige Situation angewandt wird.“ (62)
Der KAB/ML und seine eigentümliche Ideologie von den reinen Proletariern, die von allein den Kampf gegen jedes „Buchwissen“, gegen die „kleinbürgerlichen Intellektuellen“ führen würden, schießt hier gegen die „Ultralinke Aust-KPD/ML“ und macht in Rivalität. Der Hauptvorwurf wäre der, dass die „Gewerkschaften als arbeiterfeindliche Organisationen“ bezeichnet werden. Beim KAB/ML war diese Diktion gang und gebe. Mit seinem doktrinären Aushänge-Arbeiterkult war jede Gruppierung, die nicht den „Vorzeigeproletarier“ in ihren Reihen hatte, Rivale, bürgerlich oder kleinbürgerlich. Und der spontane Hass richtete sich noch zusätzlich gegen die Kader mit denen sie einst befreundet waren, nämlich der Aust-KPD/ML.
Dass die „Dialektiker“ des KAB/ML hier schlichtweg politische Fehler produzierten, soll nicht näher ausgeführt werden. Wichtig erscheint nur, dass sie die Verbotsanträge zum Anlass nahmen, um um ihre Platzherrschaft in den Betrieben zu kämpfen. Der KND hatte das einst nicht begriffen, sondern schwafelte vom „Beginn der revolutionären Flut“, und dass der KAB/ML die „Einschätzung der Sozialdemokratie“ bewusst „verdrehe“. Sie seien eben „Agenten der Sozialdemokratie“. Die Zielbetriebe spielten hier also eine entscheidende Rolle, diejenigen, die angeblich die „kampfstärksten“ waren, an denen sich die K-Gruppen die Hand gaben, und die in ihren Belegschaften die „klassenbewusstesten“ und „kampferfahrendsten“ Proletarier hatten. Wenn etwas Proletenkult war, dann das. Und die dilettantische Aufgeregtheit des KAB/ML war nichts anderes als ein Produkt seiner Selbsteinkreisung. Hier konnte richtig „gevolkstümelt“ werden. Und der Betrieb war der Ort, der das proletarische Heiligenzentrum war.
Die „Zündkerze“ (Opel-Bochum) berichtete zum 1.9.1971 noch einmal über die Verbotsanträge und stellte fest: „Da gibt es grundsätzlich folgende Möglichkeiten:
ERSTENS erklärt man die KPD/ML zur Nachfolgeorganisation der verbotenen KPD. Dann könnte man sie durch einfachen Erlass des Innenministers auflösen. Aber dann gibt man öffentlich zu, dass die wirklichen Nachfolger der revolutionären Thälmann-KPD die 'Maoisten' sind! Das wäre peinlich und taktisch nicht gerade geschickt. Denn das heißt: die von der DKP sind wirklich das, was sie von sich behaupten - bürgerliche Demokraten, aber keine Kommunisten, sie haben mit der KPD Ernst Thälmanns einfach nichts zu tun. Ein solcher Schritt wäre eine zu deutliche Aufklärungsaktion für die Arbeiter, man wird sie nicht wagen.
ZWEITENS könnte man der KPD/ML einen Prozess machen, in dem man die 'Verfassungsfeindlichkeit' nachzuweisen sucht. Dieser Prozess vor dem Bundesverfassungsgericht (BVG, d. Vf.) es handelt sich bei der KPD/ML eindeutig um eine Partei) würde nur Wasser auf die Mühlen der 'Maoisten' sein, sagt man sich sehr richtig. Das würde von diesen 'Fanatikern' frech ausgenützt, um das Volk noch mehr aufzuklären. Also auch nicht zu gebrauchen. Was aber bleibt dann noch? Dann bleibt nur noch der DRITTE WEG: Man betrachtet diese 'Maoisten' gar nicht als politische Partei, sondern schlicht als 'kriminelle Organisation'! Dies Rezept hat schon immer einiges für sich gehabt: So verbot Bismarck die revolutionäre SPD, so die SPD 1918 die KPD, so Hitler 1933 die KPD (siehe Reichstagsbrandprozess), so auch 1956 die KPD. Eine 'Mafia' braucht man nicht vors Bundesverfassungsgericht zu bringen, mit der macht man 'kurzen Prozess'. Was macht es schon für einen Unterschied, wenn man heute den Kommunisten 'Kaufhausbrandstiftung', Banküberfälle', 'Mord' usw. anhängen will wie 1933? Man hat ja das Fernsehen, die Presse, auch die Gewerkschaftspresse fest in der Hand, wer aber weiß schon, wie diese 'Fanatiker' argumentieren? Das sind eben 'Demagogen', die Beispiele dafür bringen, dass unser Grundgesetz (GG, d. Vf.) das Grundgesetz einer Diktatur gegen die Arbeiter ist, dass die Arbeiter keinerlei wirkliche Freiheit genießen. Also stellt man sie lieber gleich als 'Kriminelle' hin (wie Bundesinnenminister Genscher (FDP, d. Vf.), wie Bayerns Innenminister Merck (CSU, d. Vf.), wie der SPD-Vorstand, wie DKP-Häuptling Bachmann usw.).
Also versucht man, gegenüber ihnen so vorzugehen wie gegenüber der eigens zu solchen Zwecken konstruierten 'Baader-Meinhof-Bande' (RAF, d. Vf.). Wie man in München oder Hamburg so etwas in Szene setzt, konnte selbst die bürgerliche Presse nicht verschweigen. Ein Menschenleben ist eben Dreck wert in dieser Gesellschaft. Ob einer an einer Kugel, am Arsenschlamm, am Unfalltod verreckt, das ist gleich: die Hauptsache, der Rubel rollt für die Imperialisten und die Ordnung für diese Profitmacherei bleibt erhalten. In dieser Hinsicht werden die 'Verfassungsschützer' sicher noch ihre Phantasie spielen lassen: wie wäre es mit Verbindung von 'Maoisten' (das erinnert an 'gelbe Gefahr', 'blaue Ameisen' und 'Schlitzaugen') und Rauschgift, z.B. Opium? Auf diese Idee kam bereits die französische Polizei, die unseren Genossen von der KPF/ML Opium unters Bett schmuggelte und sie zu Rauschgiftschmugglern machen wollte. Oder schnell eine kleine Pistole in der Wohnung versteckt, dann Hausdurchsuchung, schon ist 'die schwere Bewaffnung' erwiesen ... Aber vielleicht fällt den Beamten der entsprechenden Organisationen zur Wahrung und Sicherung des Profits noch etwas ganz Extravagantes ein, man hat ja schließlich reiche Erfahrung vor 1945 sammeln können ...
Gibt es wirklich tiefgehende Widersprüche zwischen den 'Faschisten von morgen' in der CDU/CSU und in SPD/DGB? Das will uns die DKP weismachen. Sie behauptet, das 'Rechtskartell' sehe in der DKP die Hauptgefahr, während es mit den 'Maoisten' zusammenarbeiten, ja sie sogar finanzieren würde. Diese lächerliche Lüge aus Ulbrichts Mottenkiste ist durch die Tatsachen vollkommen widerlegt. Gerade die CDU sieht in der KPD/ML eindeutig die eigentliche Gefahr. Der Straußsche 'Bayernkurier' sagt dies offen und unumwunden. Auch der bayrische Innenminister Merck macht einen klaren Unterschied zwischen 'kriminellen Maoisten' und den DKP-Revisionisten. Und im Innenausschuss war sich Benda mit Genscher einig, dass man die DKP nicht verbieten sollte!
Die CDU/CSU hat also lediglich die Aufgabe, der DKP dauernd das Verbot 'anzudrohen', um sie noch fester in den Bonner Staat zu integrieren. Mögen also in anderen Fragen ernsthafte Widersprüche zwischen SPD und CDU/CSU über die Taktik bestehen, in DIESER Frage ist man sich vollständig einig. In diesem Punkt geht es um den Bestand der gemeinsamen Basis des westdeutschen Imperialismus, der 'demokratischen Grundordnung', wie es heißt. Hier geht man deshalb arbeitsteilig vor. Geschickter ist es nämlich, wenn sogenannte 'Arbeiterorganisationen' die Sache einleiten. Ja, die Einheitsfront umfasst sogar die DKP: das macht sich besonders gut, wenn 'Kommunisten' mit für das Verbot dieser 'Kriminellen' stimmen!
Schließlich noch der alte Trick: die 'Maoisten' werden mit den Neonazis gleichgesetzt. Damit dieser faule Zauber nicht allgemein nur schallendes Gelächter auslöst, ist es taktisch unklug, dass diese Behauptung von altbekannten Neonazis selbst aufgestellt wird. Aus diesem Grunde braucht man besser die Sozialfaschisten (einschließlich der in der DKP). Diese können besser das alte Schmierentheater von den 'Schlägen nach rechts und links' vorspielen. Vor Hitlers Machtantritt lief dies im wesentlichen ebenso. So sagte damals der Vorsitzende der SPD, Wels, auf dem Magdeburger Parteitag. 'Es ist unsere Aufgabe, die Demokratie zu stärken und die Republik zu schützen. Gelänge es den Feinden der Republik, der Demokratie in Deutschland so schweren Schaden zuzufügen, dass einmal kein anderer Ausweg bliebe als Diktatur, dann, Parteigenossen, sollen Stahlhelm, sollen Nationalsozialisten, sollen ihre kommunistischen Brüder von Moskau (heute müsste es heißen: die 'Maoisten'!) das eine wissen: die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften als die Vertreter der großen Masse des deutschen Volkes, festgefügt in ihren Organisationen, in verantwortungsbewusstem Handeln und in unzerbrechlicher Disziplin, würden auch trotz ihrer demokratischen Grundeinstellung die DIKTATUR zu handhaben wissen. Das Recht auf Diktatur fiele ihnen allein zu, niemand anderem.'
Angenommen, die 'maoistische' Betriebspresse verschwände mit einem Augenblick aus der Öffentlichkeit und müsste so verteilt werden wie z.B. früher die KPD-Zeitung 'Die Glocke' beim Bochumer Verein (BV von Krupp, d. Vf.) - dann würden die Machenschaften der Bosse und ihrer gekauften Gewerkschaftsbonzen nicht mehr so schonungslos enthüllt werden, jedenfalls in der ersten Zeit. Dann würden sich diese Herren etwas sicherer fühlen - kann das in eurem Interesse liegen, Kollegen? Natürlich werden wir nicht klein zu kriegen sein, werden wir so konsequent handeln wie die Genossen von der 'Glocke', die auf ihre Bonzen pfiffen, die feist in der DDR saßen und bei ihrer Rückkehr die 'Rosa Glut' ('Rote Glut' der DKP, d. Vf.) herausgeben ließen, was schlicht und einfach Verrat war, denen gegenüber, die HIER die Opfer bringen mussten. Nun, wir bleiben hier! Um ein Wort von Mao Tse-tung zu gebrauchen: Der Stein, den sie erhoben haben, wird auf ihre eigenen Füße fallen!
Augenblicklich entwickelt sich gegen die Gewerkschaftsbürokratie eine kämpferische gewerkschaftliche Oppositionsbewegung. Die Bonzen zittern schon, wenn sie das Wort hören, denken sie doch sofort an die Revolutionäre Gewerkschaftsopposition (RGO) der 20er Jahre. Von dieser Gewerkschaftsopposition haben die Arbeiter nichts zu befürchten, im Gegenteil: es ist ihre eigene Sache. Mit dem juristischen Verbot der KPD/ML soll der aktivste Teil der neuen gewerkschaftsoppositionellen Bewegung zerschlagen werden, also nicht nur die Partei. Das ist gegen die Interessen jedes klassenbewussten Gewerkschafters gerichtet, gegen jeden Kollegen, der unter Gewerkschaft etwas anderes versteht als eine Versicherungsanstalt für die Bonzen und ihre Auftraggeber.
Wir fordern deshalb alle klassenbewussten Kollegen in den DGB-Gewerkschaften auf, sich gegen die sozialfaschistischen Verbotsanträge zur Wehr zu setzen. Schluss mit dem lächerlichen Argument 'rechts ist gleich links'. Die Entwicklung des Klassenkampfes schreitet voran. Die KPD/ML fordert alle fortschrittlichen Arbeiter, Angestellten, Frauen und Intellektuellen auf, gegen das Verbot der 'Maoisten' entschlossen Stellung zu beziehen. Heute sind die Marxisten-Leninisten bedroht, aber die Reaktionäre werden morgen auch andere Gruppen verfolgen. Man muss den Anfängen wehren!
BEI ALLEN BETRIEBS- UND GEWERKSCHAFTSVERSAMMLUNGEN: WEG MIT ALLEN VERBOTSHETZERN! (63)
So Unrecht hatte die „Zündkerze“ mit ihrem „Dritten Weg“ nicht. Die Maoisten nicht als „politische Partei“ zu betrachten, sondern als „kriminelle Organisation“, die im Zuge der Baader-Meinhof-Fahndung öfter auch als solche bezeichnet wurde (z.B. im „Roten-Punkt“-Prozess gegen Klaus Dillmann oder im Spreti-Prozess). Nur war die KPD/ML keine Stadtguerilla. Das unterschied sie dann doch extrem von den gewaltfähigen und bewaffneten „Kadern“ des Kerns um Andreas Baader. Warum der Verfassungsschutz diese These nicht weiterstrickte, muss bis heute unverständlich bleiben. Ein Verbot hätte möglicherweise jedoch rechtliche Auswirkungen nach sich gezogen. Die Legalisierung der DKP hätte neu verhandelt werden müssen. Und auch die ganze Debatte um eine legale kommunistische Partei wäre neu entbrannt. Die Demokratie wäre wieder auf den Prüfstand gehoben worden. Und die Debatten wären nicht verstummt. So blieb alles beim Alten. Die KPD/ML-ZK und die KPD/ML-ZB konnten weiter „legal“ agitieren.
Am 27.9.1971 fand der 10. Ordentliche Gewerkschaftstag der IGM in Wiesbaden statt. Eine Reihe von Gruppen berichtetet über ihn und der Entschließung des Vorstandes, der die „Strafverfolgung und das evtl. Verbot von Maoisten und anderen Linksextremisten gefordert“ hatte. Die KPD/ML berichtete darüber: „Ihre Aktivitäten konzentrieren sich zunehmend auf die Herstellung und Verteilung zahlreicher betriebsbezogener Schriften, in denen eine regelrechte Hetzkampagne gegen die Gewerkschaften geführt und deren haupt- und ehrenamtliche Funktionäre in der übelsten Weise beschimpft werden.“
Weiter hieß es in der „Roten Fahne“: „Die Entschließung wird gegen den Protest einiger weniger Delegierter verabschiedet. Die entscheidenden Punkte der Gewerkschaftsführung auf diesem Gewerkschaftstag waren laut KPD/ML-ZB: Propaganda für die imperialistische Politik der SPD-Regierung, aktive Unterstützung des reaktionären Kurses der Sozialdemokratie, Vorantreibung der Faschisierung.“
Vom KJVD der KPD/ML-ZB wurde der Gewerkschaftstag als „Instrument der Unterdrückung für die Arbeiterjugend bezeichnet“, da vor allem für die Arbeiterjugend keinerlei Rechte gefordert werden (Streikverbot usw.).
In Baden-Württemberg berichtet der Bund Kommunistischer Arbeiter (BKA)
Freiburg:
„Zum IGM-Gewerkschaftstag: EIN GEWERKSCHAFTSTAG DER SPD-REGIERUNG
Die BILD-Zeitung lobte 'Brenners Linie der Vernunft'. Das Kapitalistenblatt 'Handelsblatt' pries 'die Besinnung auf die politische Verantwortung' der IG Metall; und die der SPD-Regierung nahestehende 'Süddeutsche Zeitung' (vgl. 2.10.1971, d. Vf.) nannte die IG Metall 'maßvoll, um das Staatsganze besorgt und regierungsfreundlich' (...). Die bürgerlichen Presseorgane, Rundfunk und Fernsehen zeigten sich mit dem Verlauf des ... Gewerkschaftstages der IG Metall äußerst zufrieden. Sie hatten auch allen Grund dazu.
WEITERER ABBAU DER INNERGEWERKSCHAFTLICHEN DEMOKRATIE
Der Gewerkschaftstag hatte noch gar nicht begonnen, da waren vom Vorstand schon die Weichen gestellt zur Erstickung auch der kleinsten Opposition gegen die Politik der 'Sozialpartnerschaft'. Nach dem Willen der 'Antragsberatungskommission' sollten von 1 238 Anträgen an den Gewerkschaftstag ganze 77 (!) angenommen werden, das sind rund 6%. Alle Anträge, die nicht mit den vom Vorstand eingebrachten 17 'Entschließungen' übereinstimmten, sollten auf dem Gewerkschaftstag 'keine Berücksichtigung' finden. Auf diese Weise wanderten restlos alle wichtigen Anträge der Opposition (weit über 100) in den Papierkorb, ohne vorher überhaupt diskutiert worden zu sein!
Gleichzeitig werden von den IG Metall-Führern verstärkte Anstrengungen unternommen, die VERTRAUENSLEUTE (VL, d. Vf.) stärker durch den Gewerkschaftsapparat zu kontrollieren. Denn in den letzten Jahren wurden die Vertrauenskörper (VLK, d. Vf.) in vielen Betrieben zu aktiven Vertretern der Interessen der Belegschaften. In Betrieben, wo Betriebsräte (BR, d. Vf.) mehr an das Wohlergehen der Kapitalisten als an die Lage der Arbeiter und Angestellten denken, gerieten Vertrauensleute und Betriebsrat deshalb immer häufiger aneinander. Auf dem Gewerkschaftstag kam nun ein Protokoll einer Geheimtagung (vgl. 22.7.1971, d. Vf.) zwischen IG Metall-Arbeitsdirektoren der Montanindustrie (in der es seit 1952 die 'paritätische Mitbestimmung' gibt) und einigen IG Metall-Vorstandsmitgliedern ans Licht der Öffentlichkeit.
VOLLE DURCHSETZUNG DER POLITIK DER SPD-REGIERUNG
Für alle sichtbar wurden auf dem Gewerkschaftstag die Vorstellungen der IG Metall-Spitze und ihres großen Anhangs unter den Delegierten zur augenblicklichen Tarifrunde (MTR, d. Vf.). Vor allem wurde beschlossen, weiterhin an der 'Konzertierten Aktion' von Kapitalisten, SPD-Regierung und Gewerkschaftsführung teilzunehmen, an einem Gremium, durch das die Politik der Gewerkschaften direkt an die Ziele des kapitalistischen Staatsapparates und damit an die Interessen der Kapitalisten gebunden wird. Otto Brenner bekannte sich in einer Grundsatzrede voll zur Konzertierten Aktion und zu einer Tarifpolitik, die 'der heutigen Wirtschaftslage entspricht'. Jede andere Politik als die des Vorstandes würde nämlich dazu führen, dass 'unsere eigenen Mitglieder die Organisation nicht mehr ernst nehmen würden ... Die Gewerkschaftsspitze steht auf der Seite der SPD-Regierung und damit auf der der Monopolkapitalisten. Denn Monopolkapital und Staat sind im Augenblick fieberhaft damit beschäftigt, durch eine Senkung des Lebensniveaus der arbeitenden Bevölkerung eine große wirtschaftliche und politische Offensive gegen die anderen kapitalistischen Staaten und zur Eroberung der 'Ostmärkte' einzuleiten, - zur Stabilisierung und Vergrößerung der Profite der
westdeutschen Kapitalisten. Deshalb ist es das Ziel der IG Metallführung, in der jetzigen Tarifrunde einen Abschluss in der Höhe des in der 'Konzertierten Aktion' festgesetzten Lohndiktats von ca. 7% UND DAMIT EINE REALE LOHNSENKUNG durchzusetzen.
DIE PAROLE DER GEWERKSCHAFTSFÜHRER: KAMPF DEN KOMMUNISTEN
Diese Politik der Sozialpartnerschaft wurde am Beginn des vergangenen Gewerkschaftstages von einigen fortschrittlichen Kollegen kritisiert. Doch diese Kollegen sehen als die Ursache dieser Politik die 'Laschheit' und das 'Versagen' einiger 'Bonzen'. Tatsächlich ist die bürgerliche, an den Interessen des Kapitals ausgerichtete Politik der Gewerkschaftsspitze die planmäßige KONSEQUENZ AUS DER KETTUNG DER GEWERKSCHAFTEN AN DIE POLITIK DER SPD UND AN DEN BÜRGERLICHEN STAATSAPPARAT. Anders als die 'DKP', die auf dem Gewerkschaftstag (wie auch meistens sonst) der Vorstandspolitik kaum Widerstand entgegensetzte, unterstützen die Kommunisten überall in der Bundesrepublik und Westberlin einschränkungslos jeden Kampf der Arbeiterklasse gegen die Angriffe auf ihre Lebensverhältnisse und ihre politischen Rechte.
Welche Angst die Gewerkschaftsführer schon jetzt vor dem konsequenten Kampf der kommunistischen Kollegen haben, zeigt sich darin, dass zum ersten Mal ein IG Metall-Gewerkschaftstag von der Bundesregierung DAS 'VERBOT' UND DIE 'STRAFVERFOLGUNG' KOMMUNISTISCHER ORGANISATIONEN FORDERT! Hier zeigt sich, wie stark das Interesse der reaktionären Gewerkschaftsführer an der Aufrechterhaltung der Kapitalistenherrschaft ist, - um ihre Macht, Privilegien und Posten in der Wirtschaft und vor allem im Staatsapparat zu erhalten. Jetzt, wo in der Arbeiterschaft eine grundsätzliche Opposition gegen die kapitalistische Gesellschaftsordnung zu entstehen beginnt, sind es die Gewerkschaftsführer, die laut die Zerschlagung der entstehenden Arbeiterbewegung fordern.
GEGEN DIE POLITIK DES KLASSENVERRATS - STÄRKUNG DER GEWERKSCHAFTSOPPOSITION!
Seit den Septemberstreiks 1969 ist die Kampfbereitschaft großer Teile der Arbeiterklasse gestiegen. In der Metalltarifrunde vor einem Jahr, bei den Lohnkämpfen der Kollegen in der Chemieindustrie im Juni und bei vielen spontanen Streikaktionen in den vergangenen Monaten haben die Kollegen in zahlreichen Betrieben gelernt, dass die Arbeiterklasse für ihre unmittelbaren wirtschaftlichen Interessen, für die Verteidigung ihres Lebensniveaus kämpfen muss, um den wachsenden Angriffen der Kapitalisten und der SPD-Regierung Widerstand leisten zu können. In diesen Kämpfen haben die Kollegen aber auch gemerkt, dass es immer häufiger notwendig ist, den Kampf für die eigenen Interessen selbst in die Hand zu nehmen. Denn die Gewerkschaftsführer zeigten sich bei diesen Kämpfen als Abwiegler und als Spalter, und nicht wenige Betriebsräte (BR, d. Vf.) fielen den kämpfenden Kollegen in den Rücken.
In vielen Belegschaften, bei vielen Vertrauensleuten und fortschrittlichen Gewerkschaftern ist deshalb in der letzten Zeit eine Opposition gegen die klassenverräterische Gewerkschaftsführung entstanden. Die von den Kollegen gewählten gewerkschaftlichen Vertrauensleute (VL, d. Vf.) waren es meistens, die gegen den Willen von Betriebsrat und Gewerkschaftsleitung die Kampfaktionen der Kollegen organisierten. Die Vertrauensleute sind in vielen Betrieben zu wirksamen Organen der Interessenvertretung der Belegschaften geworden, vor allem dort, wo fortschrittliche Kollegen die Initiative ergriffen haben ... Die Vertrauensleute müssen unsere Interessen über die Grenzen des Betriebes hinaus in der Gewerkschaft vertreten. Sie müssen dafür sorgen, dass die Forderungen der Gewerkschaften tatsächlich unsere Forderungen sind, und nicht solche, die von der Gewerkschaftsspitze aufgestellt werden, die mit den Kapitalisten und ihrem Staat zusammenarbeitet und sich an den Lohnleitlinien orientiert. D.h. Forderungen, die von unseren Lebensinteressen ausgehen und nicht von den Profitinteressen der Kapitalisten.“
Der Bund Kommunistischer Arbeiter (BKA) Freiburg) berichtet vom Kampf gegen das Betriebsverfassungsgesetz.
„Viele Anträge auf dem IG Metall Gewerkschaftstag verurteilten den arbeiterfeindlichen Regierungsentwurf. So stellte z.B. ein Antrag aus Frankfurt (in Hessen, d. Vf.) fest: 'DER REGIERUNGSENTWURF BEINHALTET WEITERE VERSCHLECHTERUNGEN gegenüber dem geltenden BVG und muss mit allen gewerkschaftlichen Mitteln verhindert werden.“
In NRW berichtet die KPD/ML-ZB u.a. bei Minister Stein Dortmund (IGBE-Bereich) u.a. dass Lukrawka sowie weitere DKP-Mitglieder diesem Antrag zugestimmt hätten. Von den Anträgen für das „Verbot der KPD/ML“ in NRW in Duisburg (vgl. 4.6.1971), Dortmund (vgl. Juni 1971) und Gelsenkirchen (vgl. Juni 1971) berichtet auch die KPD/ML-ZK Dortmund bei Hansa (IGBE-Bereich - vgl.19.7.1971). In Bochum berichtet die Rote Opel Betriebsgruppe (RBG) der KPD/ML-ZK (vgl. 4.10.1971) zunächst:
„DIESE WOCHE: IGM-TAG IN WIESBADEN
Letzten Montag wurde der 10.Gewerkschaftstag der IGM in Wiesbaden eröffnet. Um den Kongress gleich richtig einzustimmen, bekräftigte Bundeskanzler Brandt wiederum die Lohnstop-Politik seiner Regierung: Lohnerhöhungen wie im Vorjahr würden 1971 nicht mehr in die 'veränderte Landschaft' der Konjunktur passen ...! Vorsitzender Brenner stieß ins selbe Horn: die diesjährigen Forderungen der IG Metall seien 'vernünftig' und 'der wirtschaftlichen Lage angemessen'. Der schöne Einklang von SPD- und IGM-Chef straft alles Gerede von Brandt, die Tarifautonomie dürfe 'nicht zur hohlen Phrase' werden, Lügen, mit denen die Delegierten und Mitglieder beruhigt werden sollten. Statt dem Druck der Kapitalisten entschieden entgegenzutreten, ziehen die IGM-Bonzen von vornherein den Schwanz ein - sind sie doch selber längst Kapitalisten geworden, und eine Kr„he hackt der anderen kein Auge aus! Kritik der Delegierten, die auf der Dienstagssitzung laut wurde, verpuffte schnell.
Gleichzeitig trumpfen die Arbeit-'geber' auf: am Montag stand im 'Handelsblatt' (HB, d. Vf.), dem Hausorgan der Kapitalisten, zu lesen: 'NUR ÜBER EINEN BESCHÄFTIGUNGSDRUCK LIESSEN SICH DIE GEWERKSCHAFTEN WIEDER DISZIPLINIEREN'! Das heißt: durch Entlassungen will man die Arbeiter in Angst versetzen (nicht die 'Gewerkschaften', die sind längst 'diszipliniert', aber um den Mitgliedern Sand in die Augen zu streuen, muss man so tun, als greife man die Bonzen an, während man in Wirklichkeit die Arbeiter meint), damit sie nicht gegen Lohnstop und Lohndrückerei aufmucken. Und das wird dann auch in die Tat umgesetzt, wobei die Stahlkapitäne an Rhein und Ruhr es den Metallindustriellen vormachen: beim Bochumer Verein (Krupp BV, d. Vf.) sollen z.B. bis Ende März 1972 680 Kollegen entlassen werden; gleichzeitig will man 'beim Lohnkampf hart bleiben', wie die WAZ am Mittwoch schrieb. Und in der selben WAZ ließen die Stahlkapitalisten die Katze aus dem Sack: 'SELBST EINE (LOHN-) ERHÖHUNG UM DAS AUSMASS DER GELDENTWERTUNG - ALSO UM 5 BIS 6 V.H. - STÖSST AUF ENERGISCHEN WIDERSTAND'! Das bedeutet nichts anderes, als dass die Kapitalisten unsere Löhne nicht nur nicht erhöhen, sondern sie EFFEKTIV DRÜCKEN wollen! Und sie werden dabei von Bundesregierung und IGM-Führung unterstützt ...
BRANDT UND LODERER SCHIESSEN GEGEN 'MAOISTEN'
Diese Freiheit nehmen sich in besonders frecher Weise natürlich die 'Linksextremisten' heraus, die, wo immer sie können, Funktionäre 'in unflätigster Weise beschimpfen'. In diese Richtung schlug Willy BRANDT, ganz 'großer Staatsmann', als er von einer 'Verwilderung der politischen Gruppen' (?!) sprach, von der notwendigen 'Abwehr der Gefahren für die demokratische Ordnung' (wobei er als Kapitalistenvertreter natürlich nur die Demokratie für die Reichen und Besitzenden kennt, nicht aber für die große Masse!), und den IGM-Bonzen zurief: 'Seien Sie wachsam ...' (FAZ vom 27.9.). LODERER, der nächste Festredner, stieß ins selbe Horn: 'Die Gewerkschaften seien nicht dazu da, die Geschäfte von politischen Sektierern und Hasardeuren (Glückspielern) zu besorgen'.
Nein, sie besorgen lieber die Geschäfte der Kapitalisten, zu denen sie ja selbst gehören! Im Betrieb haben sich die Bonzen schon lange nicht mehr die Hände schmutzig gemacht (manche sogar noch nie), in der Politik übernehmen sie mit Freude das schmutzige Geschäft der Kapitalisten und ihres Staatsapparates, wenn es darum geht, Vorwände für das Verbot revolutionärer Gruppen, d.h. der sog. 'Maoisten', frei Haus zu liefern. Außerdem gehen Brenner und Genscher (FDP, d. Vf.) von der Überlegung aus: 'Eine Hand wäscht die andere', und auf diese Weise haben sie hinterher wieder saubere Hände. Aus dem Machtbereich der IGM - nämlich den Betrieben – wird ein störendes Geschwür entfernt, während Genscher der Bevölkerung weismachen kann, die Arbeiter selbst seien ja für das Verbot der KPD/ML und anderer Gruppen, da die Gewerkschaft ja dafür sei. Dass diese die Kollegen in den Betrieben gar nicht mehr repräsentiert, verschweigt er wohlweislich.
So verabschiedete der IGM-Kongress eine Vorstandsentschließung, in der die IGM sich von allen 'extremistischen Parteien und Gruppierungen' distanziert. Es heißt da: 'Der Gewerkschaftstag erwartet (!) von der Bundesregierung die Strafverfolgung grundgesetzwidriger Aktionen einschließlich des eventuellen Verbots der sie tragenden Organisationen.' (Frankfurter Rundschau v. 2.10.1971)
Mit diesem Gummiparagraphen 'Strafverfolgung grundgesetzwidriger Aktionen' sind aber auch alle Kollegen gemeint, die aus dem Verrat der IGM praktische Konsequenzen ziehen und zum Beispiel Streiks durchführen, die die IGM nicht dulden will - also 'wilde' Streiks, die laut Tarifvertrag verboten sind. Die IGM-Bonzen und -Bürokraten, die sich darüber beschweren, dass die Kollegen mit 'wilden' Streiks mehr rausgeholt haben als die IGM ihnen zugestehen wollte (die für so was ja schließlich 'zuständig' ist) - diese Bonzen ernten nur die Früchte ihrer eigenen Politik. Aber das nehmen sie gleichzeitig zum Vorwand, gegen solche Kollegen und ihre Organisationen vorzugehen! (64)
Der zentrale KPD-Artikel vom 8.10.1971 wird von ihrer Zelle bei Hoesch Dortmund (vgl. 11.10.1971) so gekürzt:
„IG-METALL-GEWERKSCHAFTSTAG: IGM UND SPD-REGIERUNG ARM IN ARM IM DIENSTE DER MONOPOLE
Otto Brenners eindeutige Wiederwahl beweist: noch immer gelingt es der IG-Metall-Spitze, gestützt auf die Vertreter der Arbeiterbürokratie, die IG-Metall an die Interessen der Monopole zu ketten. Die halbherzigen und weinerlichen Proteste der 'linken' Sozialdemokraten bilden die demokratische Fassade. Willy Brandt wurde vom 2.IG-Metall-Vorsitzenden Loderer begrüßt als 'der Mann des Prinzips der Menschlichkeit in der Politik'. Ungeachtet der Tatsache, dass bereits der Chemie-Tarifabschluss den Lebensstandard der Arbeiter herabdrückte, ungeachtet der Tatsache, dass die Schillerschen Lohnleitlinien - im Auftrag der Kapitalisten - dasselbe von den Metallarbeitern fordern, behauptete SPD-Kanzler Brandt 'Man kann nicht morgens, mittags und abends mehr essen und dabei behaupten, dass man abnehmen wolle.' Die Kapitalisten werden fetter, die Arbeiterklasse magert ab. Das zeigen gerade die jüngst beschlossenen Steuermaßnahmen: die Massensteuern - für Benzin, Tabak und Branntwein - werden kräftig erhöht; die von den Kapitalisten gezahlte Investitionssteuer beträgt ab 1.1.1972 nur noch 2%, also die Hälfte, und wird zum Jahresbeginn 1973 völlig gestrichen ...
WACHSENDE UNTERDRÜCKUNG GEWERKSCHAFTSOPPOSITIONELLER KRÄFTE!
Die Gewerkschaftsführer leisten den Kapitalisten aktiv Handlangerdienste bei der Unterdrückung jeder fortschrittlichen Bewegung in den Betrieben. Der 10. Gewerkschaftstag hat diese Politik nicht nur bestätigt, sondern noch weiter ausgebaut. Zwar führten die Vorstandsmitglieder schöne Reden über die innergewerkschaftliche Demokratie. Mayr forderte die 'ungehinderte Betätigung gewerkschaftlicher Vertrauensleute'. Solchen Reden entsprach dann auch der vom Gewerkschaftstag gefasste Beschluss, die verschärfte Unterdrückung der Kommunisten (der 'Linksextremisten', der 'maoistischen Gruppierungen') zu fordern. Dass die DKP-Mitglieder dagegen keinen Widerspruch vorbrachten, konnte nicht mehr verwundern. War doch der weitest gehende Antrag zu diesem Punkt (von der Verwaltungsstelle Duisburg (vgl. 4.6.1971, d. Vf.)) von DKP-SDAJ-Mitgliedern unterstützt worden.
Mit der Diffamierung der fortschrittlichen Vertrauensleute und der Aufforderung an die SPD-Regierung, gegen diejenigen, die am entschlossensten die Politik der Gewerkschaftsführer entlarven, mit dem Mittel des Verbots vorzugehen, hat die IG-Metall-Spitze auf dem Gewerkschaftstag versucht, die oppositionellen Kräfte innerhalb der Gewerkschaft einzuschüchtern. Auf dem Gewerkschaftstag selbst hat sie diese Linie ohne größeren Widerstand über die Bühne gebracht. Nur: die entschiedenen oppositionellen Kräfte waren nicht anwesend. In der laufenden Metalltarifrunde, in den kommenden Auseinanderssetzung in den Betrieben ihre Politik der Spaltung und des Verrats so leicht durchzusetzen wie auf dem Gewerkschaftstag, das wird den IG-Metall-Führern kaum gelingen.
Die Rote Garde Unna (RG der KPD/ML-ZK - vgl. 5.11.1971) berichtet: „Es wurden sechs Verbotsanträge gegen die KPD/ML, ROTE GARDE und verschiedene revolutionäre Gruppen in Westdeutschland gestellt!“ (65)
Der 10. Ordentliche Gewerkschaftstag der IG-Metall war so etwas wie eine Bestandsaufnahme. Immer ging es auf diesen Gewerkschaftstagen um Kooperation mit der jeweiligen Regierung. Dass hier Eugen Loderer und Willy Brandt Hand in Hand auftraten, bewies die Unverrückbarkeit der politischen Positionen der Industriegewerkschaft Metall und der SPD. Es war gerade Brandt, der mit „freundlich durchsonnten Nebel“, wie der Historiker Arnulf Baring“ (66) schrieb, die Delegierten auf seine Seite zog. Er ergriff nicht eigentlich Partei, sondern „schwebte über ihnen“. Dank seiner „besonderen Fähigkeiten“, wonach sich „alle unter einem Dach wohlfühlen konnten“. Der Gewerkschaftstag war so etwas wie ein Familienfest. Die verkündeten „Lohnleitlinien“ von Brandt, die Schiller, der später vom „Superminister“ Helmut Schmidt ersetzt wurde, als „unverzichtbar“ für Staat und Markt erklärte, waren so etwa wie Koalitionsergebnisse in kleiner Runde. Korrekturen waren nicht angezeigt. Der Gewerkschaftstag war ein Blankoscheck in Sachen Regierungspolitik.
Der „Radikalen“-Erlass, sich von allen „extremistischen Parteien und Gruppierungen“ zu distanzieren, hatte später in der Praxis zur Folge, dass jeder Zweifelsfall überprüft wurde. Dass der Gewerkschaftstag von der Bundesregierung „die Strafverfolgung“ erwarte und die „grundgesetzwidrigen Aktionen“ bei Bestrafung forderte, war mit dem „Radikalen“-Erlass eine flankierende Maßnahme, der den Reformismus der SPD und die Anpassung an den Staat und an die Machtverhältnisse bestätigte, eine Art „gewerkschaftlichen Aktivismus“, wie Theo Pirker in seiner Analyse über die Gewerkschaftsbewegung in Westdeutschland schrieb. (67) Der Metallertag schwächte die Anträge aus den Verwaltungsstellen allerdings gewaltig ab. Aus dem „Verbot der Maoisten“ wurde nur noch „grundgesetzwidrige Aktionen“, was keinesfalls bedeutete, dass politische linke Gruppen nun entkriminalisiert wurden.
Für das ZB stand der Gewerkschaftstag im unmittelbaren Zusammenhang mit der Reise Brandts nach Russland und der „Verschärfung der Kriegsgefahr in Europa“; denn „Ruhe an der Heimatfront“ hieße auch, den Staatsapparat zu „faschisieren“, um die „Neuaufteilung der Welt“ durch den westdeutschen Imperialismus voranzutreiben. Deshalb müssten die Kommunisten der „KPD/ML unterdrückt“ werden. Am 27.9.1971 konnte daher die „Rote Fahne“ Nr. 19/1971 auch berichten: „Die Völker Europas haben noch gut den Raubkrieg Hitlers in Erinnerung, der das Ziel hatte, die Neuaufteilung der Welt zu erzwingen und Deutschland eine Vormachtstellung zu geben. Deshalb muss der westdeutsche Imperialismus seine wirklichen Absichten verschweigen und bemänteln. Das kann allein die Sozialdemokratie, die der Arbeiterklasse Westdeutschlands und Westberlins, die den Völkern Osteuropas immer noch vortäuschen kann, sie handle im Interesse des Friedens und der Versöhnung ... In diesem Zusammenhang muss man die Anstrengungen der Sozialdemokratie sehen, Ruhe an der Heimatfront zu schaffen. So sind in letzter Zeit zahlreiche Maßnahmen durchgeführt worden, die die Rechte der Arbeiterklasse und der werktätigen Massen wie ihrer politischen Organisationen bedrohen: Durch die Neuordnung der Polizei wird der Staatsapparat gestrafft und ausgebaut; der Bundesgrenzschutz (BGS, d. Vf.) wird zur Bürgerkriegsarmee umgewandelt. Das hat nur den Sinn, die Großmachtträume besser zu verwirklichen und jeden Widerstand unterdrücken zu können. Die SPD-Regierung wird nicht zögern, ihre Polizeitruppen gegen die kampfstarken Metaller in der diesjährigen Metalltarifrunde einzusetzen, wenn die Mittel des Betrugs und der Überrumpelung nicht mehr ausreichen, die Arbeiterklasse niederzuhalten ... Es liegt auf der Hand, dass die Sozialdemokratie die Arbeit der Kommunisten als die gefährlichste Störung der so mühsam und unter Druck aufrechterhaltenen 'Ruhe an der Heimatfront' betrachtet. Deshalb häufen sich in letzter Zeit die Drohungen gegen Kommunisten ... Im Bundestag wird nach der Stärke der Kommunistischen Gruppen und der 'maoistischen Parteien', der KPD/ML und nach Verbotsplänen der Bundesregierung gefragt. Besonders die sozialdemokratischen Handlanger der Imperialisten sind aktive Vorreiter, das KPD-Verbot auch auf die KPD/ML anzuwenden ... Der IGM-Vorstand hat eine Entschließung eingebracht, die das Verbot der 'Maoisten' fordert ... Kurz: Die Sozialdemokratie und alle Reaktionäre wollen die revolutionären Kräfte der Arbeiterklasse mundtot machen und ihre Organisationen vernichten ... Die Partei und die Arbeiterklasse müssen sich auf solche faschistischen Angriffe vorbereiten ... Wir müssen auch dann verstehen, den Kampf der Arbeiterklasse zu führen und die Wahrheit über den Imperialismus in die werktätigen Massen zu tragen, wenn die Sozialdemokratie zum offenen Terror gegen die Arbeiterklasse greift.“ (68)
Mit der Krim-Reise Brandts und der Ratifizierung des Moskauer- und des Warschauer Vertrages hatte der „Kriegspakt Bonn-Moskau“ eine neue Stufe erreicht. Die kommenden politischen Themen waren abgesteckt. Es ging um den inneren Notstand, die allgemeine Aufrüstung („Faschisierung“) und die bereits eingeleitete Revanchepolitik. Das sollte das ZB unter „Notstand, Aufrüstung- und Revanchepolitik“ (NAR) fassen, und damit eine bis dahin noch nicht durchformulierte politische Kampfparolistik in der linken Bewegung einführen.
Die Darstellungsweise des KJVD der KPD/ML-ZB wich nicht von der des ZB ab. Auch im „Kampf der Arbeiterjugend“ Nr. 10/1971 vom November war zu lesen: „Unterdrückung der KPD/ML wird vorbereitet - Auch der Jugendverband muss sich der Gefahr bewusst werden“. Er verwies dabei auf die Verbotsanträge gegen die „Maoisten, die auf dem Gewerkschaftstag beschlossen werden sollen“.
Und weiter: „Die Partei und die Arbeiterklasse müssen sich auf solche faschistischen Angriffe vorbereiten. Diese Drohungen sind ernst. Verbot und Terror dürfen die Kommunisten nicht mundtot machen. Wir müssen auch dann verstehen, den Kampf der Arbeiterklasse zu führen und die Wahrheit über den Imperialismus in die werktätigen Massen zu tragen, wenn die Sozialdemokratie zum offenen Terror gegen die Arbeiterklasse greift.“ (69)
Wie sich die Partei und der Jugendverband auf die „faschistischen Angriffe“ vorbereiteten, konnte im „Parteiarbeiter“ Nr. 8 vom November nachgelesen werden: Der „Politische Bericht“ des ZB führte aus:
„Im Mittelpunkt der Angriffe der Sozialdemokratie im letzten Monat stand die weitere Durchsetzung des Lohndiktats. Durch die Verschärfung der Währungskrise wird die imperialistische Konkurrenz gesteigert und die SPD-Führer werden verstärkte Maßnahmen zur Knebelung der Arbeiterklasse durchführen. Schon wenige Tage nach der Bekanntgabe von Nixons Maßnahme erklärten mehrer Vertreter der SPD-Regierung, dass die Metaller jetzt noch nicht einmal das Ergebnis der Chemiearbeiter erreichen dürften. Die sozialdemokratischen IGM-Führer führten diese Anweisung prompt durch. Die Tarifkommissionen stellten Forderungen zwischen 9 und 11% auf ... Am 13./14.8. hatte die Geheimtagung des IGM-Vorstandes die Linie des offenen Verrats festgelegt. Die Verschärfung der Währungskrise hatte die Sozialdemokraten aller Schattierungen enger zusammengeschlossen, hatte den Spielraum für linke Manöver erheblich eingeengt. Daher gab es in den Tarifkommissionen keine großen Fraktionskämpfe, daher folgten die TK-Mitglieder zumeist offen der verräterischen Linie der SPD-Führer. Damit ist auch vollkommen klar, wie die Tarifkommissionen sich zu einem 6,5 % Verrat stellen werden ... Die rechten sozialdemokratischen Führer unterstellen sich immer offener der SPD-Regierung und ihrem Lohndiktat und führen immer weniger Ablenkungs- und Betrugsmanöver durch. Besonders seit Verschärfung der Währungskrise wird diese Tendenz deutlich: Sie unterstützen offen die imperialistische Politik der SPD-Regierung zur Schaffung einer neuen Leitwährung unter aktiver Beteiligung der DM ... So sind die sozialdemokratischen Gewerkschaftsführer nicht nur Handlanger der SPD-Regierung bei der Durchsetzung des Lohndiktats und verschiedener wirtschaftlicher Angriffe, sondern auch aktive Vorkämpfer und Propagandisten der ganzen imperialistischen Politik der SPD-Regierung.“
„In der gesamten marxistisch-leninistischen Bewegung findet nur langsam eine Polarisierung statt. Besonders an der Frage, ob der Kampf gegen das Lohndiktat politisch geführt werden muss, oder ob es reicht, ihn als einen bloß ökonomischen Kampf gegen die Kapitalistenklasse zu führen, zeigt sich, wer wirklich Marxist-Leninist ist oder wer früher oder später in den Sumpf des Revisionismus landen wird. Aus verschiedenen örtlichen Zirkeln hat sich unter der Führung von SALZ, KB und ABG's ein Block von 17 Zirkeln gebildet, der eine Minimalplattform zur MTR herausgegeben hat. Die Plattform und die von den Zirkeln verfolgte Politik zeigen, dass sie sich auf dem Weg zum modernen Revisionismus befinden. Sie wollen einen ökonomistischen rechtsopportunistischen Kampf führen, indem sie die Bedeutung der Sozialdemokratie als soziale Hauptstütze der Bourgeoisie leugnen, den Kampf zur Zerstörung des Kapitalistenstaates und zum Aufbau des sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaates zurückstellen und stattdessen die Arbeiterklasse gegen die Angriffe der Kapitalisten zusammenschließen wollen. In ihrer Taktik wollen sie Demonstrationen zur Unterstützung der IGM-Führer bei Schlichtungsverhandlungen organisieren, also die Arbeiterklasse über den Charakter der IGM-Führer täuschen und die alte rechtsopportunistische Losung 'Zwingt die Bonzen' befolgen.
Die Fehler dieses Zirkelblocks zeigten sich sehr schnell, als die ersten offenen Schritte zum Verrat beschlossen waren. In Bremen, wo die IGM-Führer 11 Prozent forderten, erklärte der KB Bremen (KBB, d. Vf.), dass die Ablehnung der 10 Prozent ein Erfolg der konsequenten Kollegen sei und dass der Kampf für die 11 Prozent ein Kampf gegen die Lohnleitlinien sei. Nachdem der IGM-Vorstand die Forderungen der Tarifkommissionen bestätigt hatte, schwenkte der ganze Zirkelblock auf die Linie 'Volle Durchsetzung der gewerkschaftlichen Forderungen' ein - genau wie die DKP-Führer. Eine raffiniertere Politik betrieb in den letzten vier Wochen die KPD/AO, die in den letzten vier Wochen ihre Spaltertätigkeit - besonders im Ruhrgebiet - verstärkte. Die ideologische Plattform der KPD/AO ist ebenfalls durch und durch rechtsopportunistisch, obwohl sie sich als marxistisch-leninistisch ausgibt. In einer umfassenden Direktive des ZK der KPD zur MTR wird das Lohndiktat der SPD-Regierung nicht einmal genannt, wird ein rein wirtschaftlicher Kampf propagiert. Ihre Hauptlosung heißt '120 DM für alle' - hieran messen sie auch alle anderen Fragen, so kommen sie z.B. zu der absurden Behauptung, dass eine Politik, die die Propaganda in den Mittelpunkt stellt, als Hauptforderungen aufstellen müsse '120 DM für alle' ... Die Gruppe Neue Einheit (KPD/ML-NE, d. Vf.) ist jetzt endgültig vom KAB und Dickhut getrennt und hat mit ihrem neuen ZO 'Revolutionäre Stimme' ihre ökonomistische und rechtsopportunistische Politik vor den wichtigsten westdeutschen Großbetrieben vertrieben (Klöckner, Ford, Mannesmann, Hoesch) ... Der Abfall der Gruppe Neue Einheit war ein scharfer Schlag für die KAB/Dickhut Gruppe, die jetzt nicht viel mehr als ein baden-württembergischer Zirkel mit Anhängseln im Saarland und in NRW ist. Dem entsprechen gewisse Tendenzen zur ideologischen Verfaulung im KAB ... In der Gruppe Roter Morgen vollzieht sich ein Prozess der Klärung. Die 'Theorie der zwei Wege' kann sich nicht durchsetzen und in einigen Fragen vertreten die Genossen nun korrekte Ansichten und entlarven das Wesen der Sozialdemokratie als einer imperialistischen Kraft. Es ist notwendig, diese Entwicklung durch eine Verbreiterung des ideologischen Kampfes zu unterstützen und alle Fehler dieser Gruppe sorgfältig zu aufzudecken.“ (70)
Aus dieser Darstellung wurde klar, dass die Angriffe der Sozialdemokratie nicht nur eine „weitere Durchsetzung des Lohndiktats“ bedeuteten, sondern auch eine „Verschärfung der Währungskise“, die die „imperialistische Konkurrenz“ steigern würde. Damit würde sich die „Nebelung der Arbeiterklasse“ erheblich verschärfen. Die Partei müsse deshalb, wie der „Parteiarbeiter“ weiter ausführte: „Ihre organisatorische Arbeit zur Gewinnung der fortgeschrittensten Arbeiter vervielfachen, um der Bewegung gegen die sozialdemokratischen Führer und ihre Agenten einen organisierenden Kern zu geben. Zugleich muss sich die Partei der schärfer werdenden Angriffe der Staatsgewalt und der Sozialfaschisten wirksam wehren können und ihre Arbeit darauf einstellen... Unsere Org.-Arbeit zeigte auf dem Gebiet der Verbreiterung der Pressearbeit und der offensiven Agit.-Prop-Formen überall große Erfolge. Die Leitungsmethoden wurden verbessert, die Parteiinformation nahm einen Aufschwung. Die Schwierigkeiten konzentrieren sich auf den richtigen Zusammenhang unserer Arbeit mit den Problemen der Arbeiterjugend, sowie auf die Gewinnung von Sympathisanten für die Parteiorganisationen. Deshalb müssen wir jetzt den Kampf zur Überwindung dieser Schwierigkeiten aufnehmen und uns gerade auch nach dem Verrat, nach dem Abschluss der MTR, ganz besonders darauf konzentrieren, unsere Arbeit hier zu verbessern.“ (71)
Neben dem Gewerkschaftstag, der Metalltarifrunde, dem Kampf gegen den „Zirkelblock“ bedeuteten die „schärfer werdenden Angriffe der Staatsgewalt und der Sozialfaschisten“, dass das ZB zu einem Laboratorium mit besonderen Fähigkeiten wurde. Es deutete an, stellte fest und bereitete sich vor. Die bereits angedeuteten Kaderverschiebungen und die ersten Kontakte mit der Illegalität lagen in den Verbotsanträgen begründete. Daraus, so schien es, wurde vermutlich die weitere konkrete Politik abgeleitet. Das drohende Verbot, der „Schlag ins Gesichts der Partei“, brachte auch eine Verschärfung des politischen Tons mit sich.
Verwunderlich war es nicht, dass in der „Roten Fahne“ Nr. 20 vom 11.11.1971 der Leitartikel hieß: „Gewerkschaftstag: IGM-Führer auf dem Weg zur Staatsgewerkschaft. IGM-Führer stimmen für Schillers Konzertierte Aktion.
Auf dem Gewerkschaftstag der IG Metall wurde klar, dass die Führer der IGM die wichtigsten Stützen der Großmachtpolitik der SPD-Regierung sind und bereit sind, ihren Beitrag zu dieser Politik zu leisten. So riefen sie nach einer Demokratisierung aller gesellschaftlichen Bereiche, um im gleichen Atemzug ein Verbot der marxistisch-leninistischen Organisationen zu verlangen. So riefen sie nach 'permanenten Reformen', zeigten gleichzeitig aber Verständnis dafür, dass diese Reformen nur dazu dienen, die Polizei, den Bundesgrenzschutz und die Armee zur besseren Unterdrückung der Arbeiterklasse zu 'reformieren'. Der ganze Gewerkschaftstag diente der Ausrichtung der IGM-Funktionäre auf die Unterstützung der arbeiterfeindlichen Politik der SPD-Regierung. Die IGM-Führer zeigten sich in den wichtigsten Fragen nicht nur als wertvolle Handlanger der SPD-Regierung, sondern auch als Vorreiter der imperialistischen und reaktionären Pläne der westdeutschen Großkapitalisten. Schiller hatte in einer Grußadresse an die IGM-Führer aufgefordert 'solidarisch mit der SPD-Regierung zusammenzuarbeiten', um die gegenwärtige Krise des kapitalistischen Währungssystems dazu auszunutzen, die westdeutschen Imperialisten zur führenden Macht auf diesem Gebiet zu machen.“ (72)
Die IGM-Führer waren nach dieser Deutung auch „Vorreiter der imperialistischen und reaktionären Pläne der westdeutschen Großkapitalisten“, die in diesem Zusammenhang die „wichtigsten Stützen der Großmachtpolitik der SPD-Regierung“ sind. Damit unterschied sich das ZB kaum von der großmundigen Kritik der KPD/ML-ZK, die sich sogar darauf versteifte, dass die IGM-Führer mit der SPD die „Speerspitze des westdeutschen Großmachtstrebens“ sei, und dass der „Dreibund“ (Kapitalisten, SPD und Gewerkschaftsführer) die politische Kampfrichtung vorgebe. Diese Interpretationen öffneten die Türen für endlosen Strategien und Taktiken, Auslegungen, Ziele, Perioden, Direktiven usw. Der Kontext wurde so global, die Politik darin vergraben, und die Gefährdung der Kommunistischen Partei, die Verbotsvorbereitungen zu einer früher oder später zur Exilpolitik, wie sie vom ZB für die marxistisch-leninistische Bewegung auf die Spitze getrieben wurde.
Immer wieder gab es zu dieser Zeit auch Berichte über die RAF-Fahndung, die in dieses Konzept passten. So berichtete die Rote Hilfe (RH) e.V. der KPD von der „Aktion Ruhrschiene“ und das „Umstellen und Durchkämmen von ganzen Stadtteilen“. (73) Davon berichtete auch die Rote Opel Betriebsgruppe (RBG) Bochum der KPD/ML-ZK vom 1.11.1971:
„AKTION RUHRSCHIENE: JAGT DEN KLEINEN MANN!
In der Nacht zum Mittwoch, den 13.10., fielen 5 000 Polizisten über das Ruhrgebiet her. Die Auffahrten zur B1 wurden kontrolliert, KFZs geprüft, 'Verkehrssünder' gepackt. Aber nicht nur das: es wurden die Personalien von insgesamt über 20 000 Personen festgestellt, hunderte wurden verhaftet bzw. für kürzere oder längere Zeit festgehalten. Was hat diese 'Aktion Ruhrschiene' zu bedeuten?
Viele Menschen in Westdeutschland und Westberlin haben in letzter Zeit gemerkt, wie gefährlich es ist, wie Baader oder Meinhof auszusehen, einen BMW zu fahren, oder gar einer Polizeisperre auszuweichen. Dann kann es passieren, dass man als Verbrecher verfolgt und gestellt wird und, wenn man Pech hat, wird man durch Genickschuss 'auf der Flucht' erschossen, wie es kürzlich einem kleinen 'Ganoven' in Berlin passiert ist. Es hieß von Amts wegen, die Aktion ‚Ruhrschiene' sei eine Großaktion zur Überprüfung von 'Gastarbeitern', 'Rauschgiftsüchtigen', zum Aufspüren von 'Verkehrssündern' und zur Ermittlung von Mitgliedern der 'Baader-Meinhof-Gruppe'.
Doch was ist tatsächlich geschehen? Zwar wurde kein angebliches Mitglied erwischt oder gar erschossen, wie es im Juli der Friseuse Petra Schelm (vgl. Jürgen Schröder: Die Erschießung von Petra Schelm am 15. Juli 1971) erging, aber dafür drang die Polizei - häufig ohne Hausdurchsuchungsbefehl - in Gaststätten und Wohnungen ein, wurde handgreiflich und durchsuchte, was ihr unter die Finger kam. So wurde bei dem Überfall auf ein Haus von Fürsorgezöglingen, die statt in einem Erziehungsheim in einem Kollektiv wohnen und von Sozialarbeitern und Studenten betreut werden, diesen die Hemden vom Leib gerissen, um, - wie es hieß - Rauschgiftinjektionen zu finden. Ähnliches geschah in mehreren Wohngemeinschaften. Geht es bei diesen Großaktionen, zu denen in Zukunft nach einer Meldung aus Hamburg auch der Bundesgrenzschutz (BGS, d. Vf.) hinzugezogen werden soll, tatsächlich in der Hauptsache um die Vernichtung einer anarchistischen Splittergruppe, die zum Staatsfeind Nr.1 hochgejubelt wurde?
Sicher nicht! Viel zu vage sind die Anzeichen dafür, dass es hier wirklich um eine fest organisierte Gruppe handelt, etwa nach Art der Tupamaros, was die bürgerliche Presse ihnen auch immer in die Schuhe schieben mag. Das ganze Theater stellt im Grunde genommen eine Notstandsübung dar. Man könnte es auch mit Sparringsboxen vergleichen. Hier wird probiert und trainiert für den wirklichen Gegner. Dem Unternehmertum und seiner jeweiligen Regierung - heute der SPD/FDP Regierung - droht nur wirkliche Gefahr von der überwiegenden Mehrheit des Volkes, besonders der Arbeiterklasse. Wenn diese sich nämlich unter der Führung einer revolutionären kommunistischen Partei zusammentun, um Schluss zu machen mit Ausbeutung, Korruption und der ganzen parlamentarischen Schmierenkomödie. Angesichts der beständig um sich greifenden Krisenzeichen der bundesdeutschen Wirtschaft wissen die Kapitalisten natürlich, dass die Arbeiterklasse sich nicht wehrlos ihren mühsam erkämpften Lebensstandard wegnehmen lassen wird, damit die Gewinnspannen der Unternehmen stabil bleiben. Damit besteht natürlich auch die Gefahr, dass die spontane Arbeiterbewegung immer mehr mit der revolutionären verschmilzt. Die KPD/ML und ihre Organisationen haben ja schon oft genug bewiesen, dass sie in der Lage sind, nicht nur die längerfristigen Ziele der Arbeiterbewegung aufzuzeigen, sondern sich auch aktiv für die Tages-Interessen der Arbeiterschaft einsetzen.
Ein Polizeisprecher sagte es der WAZ ganz deutlich, was der eigentliche Sinn von Großrazzien wie der 'Ruhrschiene' ist: sie sollen die 'Macht der Polizei' demonstrieren, also 'abschreckenden Charakter' haben. Man will die Arbeiter einschüchtern, damit sie ja nicht auf 'dumme Gedanken' kommen. Sollte das nicht wirken, so haben wir hier in Westdeutschland nicht mehr und nicht weniger von der Polizei, 'unserem Freund und Helfer', zu erwarten, als die kämpfenden Arbeiter bei den Seat-Werken in Spanien, nämlich Niederknüppeln und in letzter Konsequenz 'blaue Bohnen'. Außer diesen Einschüchterungen versuchen die Kapitalisten noch über ihre Presse die 'Maoisten' zu diffamieren, indem man sie in Zusammenhang mit 'kriminellen Elementen' wie der 'Baader-Meinhof-Gruppe' bringt. Es war auch sicher kein Zufall, dass bei dem Münchner Banküberfall im August in der Tagesschau am selben Abend behauptet wurde, die Bankräuber hätten sich als 'Mitglieder der Roten Front und der Roten Garde ((RG, d. Vf.) Jugendorganisation der KPD/ML)' bezeichnet.
Trotz all dieser üblen Tricks und Verleumdungen wird sich die KPD/ML nicht davon abbringen lassen konsequent die Interessen der Arbeiterklasse und des ganzen Volkes zu vertreten. Letztlich werden die Kapitalisten und all ihre Helfer scheitern bei dem Versuch, einen Keil zwischen die breiten Massen und die Marxisten-Leninisten zu treiben. Genau vor dieser Verbindung aber, vor dem gemeinsamen Kampf der breiten Massen und der Revolutionäre in der KPD/ML, haben die Mächtigen in unserem Staat gewaltigen Bammel. Davor will die SPD/FDP-Koalition einen Riegel schieben.“ (74)
Diese fiktiven Vorbereitungen, die Großaktionen zur Überprüfung „von 'Gastarbeitern', 'Rauschgiftsüchtigen', (und) zum Aufspüren von 'Verkehrssündern' und zur Ermittlung von Mitgliedern der 'Baader-Meinhof-Gruppe“, waren für KPD/ML-ZK, KPD/ML-ZB, sicherlich auch für alle anderen ml-Organisationen, der Versuch einer „Einschüchterung“ und „Diffamierung“, die die Gruppen zu „treffenden Gegenmaßnahmen“, wie es im „Polit-Bericht“ des ZB hieß, animierte. Für das ZB hieß es unmittelbar nach dieser Großaktion: fortan fand kaum eine Sitzung noch in der Goldhammerstraße statt. Offiziell war dort immer noch der Sitz der Zentrale, doch die Führung war bereits „ausgeflogen“. Sitzungen der leitenden Gremien fanden in angemieteten Wohnungen im Ruhrgebiet statt, die später alle eine Tarnung erhielten.
Im Zuge der Baader-Meinhof Fahndung war eben nichts mehr wie es einst war. Später wird es darum gehen, ein legales und illegales Zentrum zu errichten, Technik und Geldvermögen (wobei das ZB hier eine eigenartige Politik ohne Kontrolle errichtete) beiseite zu schaffen, ins Ausland zu gehen, im Inland unterzutauchen. Die Isolation von den „Massen“ war perfekt. Auch die Tarnung war perfekt. Die Entwicklung der Geschichte der Widersprüche des ZB lief darauf hinaus, aus einem diffusen Bodensatz Nahrung für die Politik zu ziehen. Die „Aktion Ruhrschiene“ war indes eine Provokation, in deren Rahmen jede/r überprüft werden konnte, der in die Fänge der Polizei geriet und bei „drohender Gefahr“ mit zur „erkennungsdienstlichen Behandlung“ musste. Viele Bürger kamen so in den unfreiwilligen „Genuss“, der Polizei und damit dem Staat Rede und Antwort zu stehen.
Die „Bochumer Studentenzeitung“ (BSZ) berichtete über ein Tribunal in Bochum gegen die „Aktion Ruhrschiene am 21.1.1971, zu dem der KSB/ML aufgerufen hatte: „Es nehmen ca. 100 Studenten teil und verabschieden eine Resolution: Die auf dem Tribunal ... zur Ruhrgebietsrazzia 'Ruhrschiene' versammelten Studenten verurteilen aufs schärfste die Willkürmaßnahmen eines Polizeiapparates, der im Auftrag der herrschenden Klasse eine Notstandsübung zur Einschüchterung der arbeitenden Bevölkerung im Ruhrgebiet durchführte. Die Versammelten sehen in der Aktion ein weiteres Anzeichen der zunehmenden Faschisierung dieser Gesellschaft ... Die auf dem Tribunal Versammelten geben ihrer Entschlossenheit Ausdruck, alles in ihrer Kraft stehende zu tun, um die Spaltung der revolutionären Bewegung zu überwinden und umso stärker die Faschisierung zu bekämpfen ... Die Versammelten fordern alle revolutionären Kräfte auf, sich mit der KPD/ML, der Roten Garde und dem KSB/ML im Kampf gegen die Monopolbourgeoisie zu solidarisieren! Die Versammelten werden die Gründung eines Komitees 'Kampf gegen Polizeiwillkür und Illegalisierungshetze' unterstützen.“ (75)
Aus diesen „Willkürmaßnahmen des Polizeiapparates“ zog das ZB auch die Konsequenz, keine organisatorischen Berichte mehr im „Parteiarbeiter“ zu veröffentlichen. Die Berichte der Leitung gab es nur noch „dreimonatlich“. Und für die einzelnen Kampagnen und Aufgaben gab es viele „mündliche Direktiven“. Die wöchentlichen Beratungen wurden durch „monatliche“ ersetzt, die Kurierfahrten, vormals öffentlich angekündigt, wurden durch „illegale“ Fahrten ersetzt. (76) Auch der „Parteifeind“ Peter Weinfurth kam hier noch einmal zu unverhofften Ehren. Legte er doch seinen „Plan zur Absicherung der Partei“ vor, indem er tatsächlich auf die offensichtlichen Schwachstellen der ZB-Organisation verwies und eine „Absicherung der Zentrale“ ins Gespräch brachte. (77)
Der Org.-Bericht des ZB vom November 1971 verwies auf die „verschärfenden Maßnahmen der Bourgeoisie“ und formulierte: „Zugleich muss sich die Partei der schärfer werdenden Angriffe der Staatsgewalt und der Sozialfaschisten wirksam wehren können und ihre Arbeit darauf einstellen ... Unsere Org.-Arbeit zeigte auf dem Gebiet der Verbreiterung der Pressearbeit und der offensiven Agit.-Prop-Formen überall große Erfolge. Die Leitungsmethoden wurden verbessert, die Parteiinformation nahm einen Aufschwung. Die Schwierigkeiten konzentrieren sich auf den richtigen Zusammenhang unserer Arbeit mit den Problemen der Arbeiterjugend, sowie auf die Gewinnung von Sympathisanten für die Parteiorganisationen. Deshalb müssen wir jetzt den Kampf zur Überwindung dieser Schwierigkeiten aufnehmen und uns gerade auch nach dem Verrat, nach dem Abschluss der MTR, ganz besonders darauf konzentrieren, unsere Arbeit hier zu verbessern.“ (78)
Die „Maßnamen der Bourgeoisie“ betrafen auch das traumatische Misstrauen gegen alle diejenigen, die die Politik des ZB nicht teilten. Diese Linie war seit guten 2 Jahren die Vorstellung der Führung, dass alles, was gegen die Partei gerichtet war, Agententum und Provokation darstellt. Die maoistischen Verwirrungen gingen soweit, dass man anfing, Abweichler zu bespitzeln und sie politisch nach Möglichkeit unter Druck zu setzen. Das geschah eigentlich ganz legal in der Parteipresse, hatte aber enorme Auswirkungen, wenn etwa daran gedacht wird, dass diese Organe jedem zur Verfügung standen. Die Herausbildung der KJ-Inform Fraktion ab Mitte Dezember 1971 entsprach diesem Elitedenken, dass die Unfehlbarkeit der Führung gänzlich ausschloss.
Wie das ZB bekannt gab, hatte sich diese Fraktion zum Ziel gesetzt, „KPD/ML-ZB und KJVD zu zerschlagen ... vier Genossen aus der zentralen Leitung und des JV sollen sich an dieser Fraktionsbildung beteiligt haben ... Inhalt der Fraktionsbildung sei u.a.: - das ZB zu isolieren und die Partei zu zerstören, die überzeugten Genossen in einer neuen Gruppe zu sammeln, um sie dann dem 'EK' von Ernst Aust und dem Roten Morgen unterzuordnen, - die interne Geheimhaltung und Disziplin, die alle Möglichkeiten und Formen des Kampfes ausnutzen wollen, um ihre Ziele zu verwirklichen.“ (79)
Es war kein Zufall, dass die „Linie der Partei infrage gestellt“ wurde. „Der Angriff der Bourgeoisie“ stand nun mal im Zusammenhang mit der „zunehmenden Faschisierung“ und den „staatlichen Anschlägen und Verbotsdrohungen“ gegen die KPD/ML“. Die Partei befand sich in einer schweren Krise. Diese musste auch politische Auswirkungen haben, die auf der FuKo vom 11.12.1971 verhandelt wurde.
Diese Konferenz war notwendig geworden, nachdem die hartgesottenen Kader der „imperialistischen Politik der Herrschenden“ nicht stand halten konnten. All ihre Fehler ließen sich nach Meinung der Funktionärskonferenz auf einen einzigen Fehler zurückführen, auf die „Verletzung der Lehren des Marxismus-Leninismus“. (80) Der Partei drohte die Ausdünnung des Kaderbestandes, der sich nicht nur auf die Ausgetretenen bezog. Die Partei geriet ins Wanken, fiel noch nicht. Trotz dieser Schlappe konnte noch einmal zum Jahresende 1971 gegen das KPD-Verbot und die „zunehmende Faschisierung“ mobilisiert werden. Demonstrationen fanden in nahezu allen Landesteilen statt. Neben einer Demo in Bochum auch am 11.12.1971 in München.
Dazu schrieben „Roter Morgen“ und „Rote Fahne“: „In München findet eine Demonstration gegen die zunehmende Faschisierung des politischen und gesellschaftlichen Lebens in Westdeutschland statt. Insbesondere richtete sich diese Demonstration gegen die immer schärfer werdenden staatlichen Anschläge und Verbotsdrohungen gegen die KPD/ML und die anderen marxistisch-leninistischen Organisationen in Westdeutschland ... Mehrere hundert Menschen demonstrieren unter roten Fahnen mit der Aufschrift KPD/ML unter den Losungen: Kampf dem KPD-Verbot und seiner Anwendung auf die marxistisch-leninistischen Organisationen! Verschiedene politische Organisationen, darunter auch die KPD/ML-ZB hatten sich zu einer Aktionseinheit zusammengeschlossen.“ (81)
Die KPD/ML-Zentralbüro hatte in München auch wiederum die „staatlichen Anschläge“ und die „Verbotsdrohungen gegen die KPD/ML und die anderen marxistisch-leninistischen Organisationen in Westdeutschland“ in Verbindung mit ihrer politischen Linie zu „Notstand, Aufrüstung und Revanchepolitik“ gebracht, mit der sie übergangslos das Jahr 1972, dem Entscheidungsjahr, einläutete. Die NAR-Politik sollte die Vorbereitungen auf Konspiration und Illegalität erheblich verschärfen. Die KPD/ML-ZK hatte auf ihrem Außerordentlichen Parteitag vom Dezember 1971 (82), auf dem sich die Organisation nahezu auflöste, und der keine Mehrheiten mehr zuließ, ihre Kampagnenfahrpläne erst einmal auf Eis legen müssen. Interessant war, dass dieser Parteitag in tiefster Konspiration stattfand. Legalität und Illegalität, die sich hier noch die Waage hielten, wurden 1972 in den Strom der gesellschaftlichen Veränderungen hineingezogen. Das ZB wird die Legalität zugunsten der Illegalität aufgeben. Sein Markenzeichen wurde die permanente Kontrolle der Basis, das postmoderne Gesamtmodell der Faschisierung, der sozialfaschistischen Betrugsmanöver, die in den Ritt nach Osten einmündeten.
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