ID, Jg. 1, Nr. 12, Frankfurt/M., 17. November 1973
17.11.1973:
Es erscheint die Nr. 12 des "ID - Informations-Dienst zur Verbreitung unterbliebener Nachrichten" in Frankfurt/M.
Inhalt:
INLAND
- "Erklärung des Kollektivs"
- "Wetzlar: Anarchistenfahndung in Wetzlar/Gießen"
- "Frankfurt: Selbstorganisation der Gefangenen in der BRD"
- "Frankfurt: Gefangenenrat von Gefängnisleitung angeklagt"
- "Frankfurt: Protest gegen die Internierung von Kindern in der Frankfurter Frauenhaftanstalt"
- "Hamburg: "SPD-Behörde verhindert Solidaritätssammlung für den antifaschistischen Kampf in Chile"
- "Hannover: Hausdurchsuchung bei dem deutschen Friedensgespräch mit der italienischen Theatergruppe 'la Commune'"
- "Sindlingen: Zeugenschlachtprozess gegen Marianne Herzog"
- "Erlangen: § 129-Verfahren gegen RH-Erlangen/Nürnberg"
- "Tübingen: Zwei politische Prozesse eingestellt"
- "Erlangen: Verbot sozialistischer Literatur an bayrischen Unis"
AUSLAND
- "Kuba: Kubaner zum faschistischen Putsch"
- "London: Squatters gewannen Streit mit den E-Werken"
- "Äthiopien: Politische Hintergründe der Hungersnot"
- "New York: Pro-arabische Versammlung in den USA"
- "Liverpool: Englische Docker boykottieren Chile"
- "London: Leere Kirche besetzt"
- "Irland: Zur Flucht der drei Provos"
- "British-Columbia: Co-ops für Selbstversorgung"
DOKUMENTATION
- "Dokument 1: Forderungen des Gefangenenrates Frankfurt"
- "Dokument 2: Wissenschaft für Vietnam in Italien"
- "Dokument 3: Ein Arbeitsvertrag von Neckermann"
- "Dokument 4: 5 Jahre Militärregierung in Peru"
In der "Erklärung des Kollektivs" wird u. a. ausgeführt:
"RICHTIGE INFORMATIONEN SIND FÜR UNS UNERLÄSSLICHE PRODUKTIONSMITTEL UND SCHLAGKRÄFTIGE WAFFEN IM KLASSENKAMPF!
Der Informationsdienst ist ein unabhängiges Bulletin zur Verbreitung von Nachrichten über Konflikte, Sauereien der Herrschenden, Aktivitäten an der Basis und Kämpfe in der Dritten Welt. Der Informationsdienst will die Manipulation und das Monopol der bürgerlichen Presse durchbrechen.
NACHRICHTEN KOMMEN VOM VOLK UND KEHREN ZUM VOLK ZURÜCK.
Damit wir das verwirklichen können, bitten wir um die Mitarbeit aller Individuen und Gruppen. Schickt uns Berichte über eure Aktivitäten, über Dinge, die euch nicht passen und die ihr verändern wollt. Schreibt uns oder ruft uns an. Im Augenblick sind wir eine Gruppe von 10 regelmäßig im Büro und an dem Projekt arbeitende Genossen und ein Haufen von Leuten, die hin und wieder mal reinschauen und locker mitarbeiten. Wir haben zurzeit Kontaktzentren in Berlin, Hamburg, Köln und München. Weitere werden in Hannover und Stuttgart folgen. In den größeren Städten arbeiten wir beim Aufbau von Kommunikationszentren mit, die für uns eine bessere Arbeitsmöglichkeit bieten. Von dort wird jederzeit die Möglichkeit gegeben sein Informationen an uns weiterzuleiten. An ausländischen Informationen können im Augenblick französische, englische, spanische, italienische und portugiesische übersetzt werden. (…)
Der Kreis der Mitarbeiter soll sich nicht auf Journalisten und bestehende Organisationen beschränken, vielmehr glauben wir, dass in verschiedenen Lebens-,Arbeits- und Organisationszusammenhängen Erfahrungen gemacht werden, die selbst mit Fehlern behaftet, wichtige Informationen für die emanzipatorische Bewegung darstellen, da nur so die verschiedenen Formen des Widerstands gegen die Unmenschlichkeit des täglichen Lebens zur gemeinsamen Erfahrung werden können.
Was ihr und wir, das ID-Kollektiv dazu beitragen können, das ist unserer Ansicht nach: PARTEILICHKEIT DER INFORMATION NICHT HEIßT: IM INTERESSE DES VOLKES DIE HALBE WAHRHEIT VERSCHWEIGEN. Schickt uns Nachrichten! (…)
Wir wollen keinen linken Journalismus aufbauen! Lasst die Betroffenen sprechen! Gebt den Aktivisten das Wort, nicht den Journalisten. Wir unterliegen keinem Formulierungsdruck, wenn nur klar wird, worum es geht. Auch sind wir gegen Trennung von Politik, Kultur, Sport, Frauenteil u. a. Macht der Bevölkerung, den Kollegen, den Genossen klar, dass sie selbst zu Wort kommen müssen, nicht die Herrschenden oder deren Handlanger bei den Medien.
Unsere Empfänger sind im Wesentlichen Gruppen, Kommunikationszentren, linke Stadtteil-u. Betriebszeitungen, Jugendzentren, Buchläden u. a., die als Multiplikatoren unsere Nachrichten weiter veröffentlichen. Aber darüber hinaus werden wir versuchen Arbeitsformen zu finden, die es möglich machen die Gegeninformationen auch unter dem Teil der Bevölkerung zu bringen, der zurzeit keine andere Alternative zu bürgerlichen Medien hat".
Berichtet wird u. a. über eine "Anarchistenfahndung" in Wetzlar, bei der "17 Personen festgenommen wurden". Der Aufhänger soll der "Einbruch in ein Lebensmittelgeschäft" gewesen sein, über die "Selbstorganisation der Gefangenen in der BRD". Die Gruppe besteht aus "entlassenen Strafgefangenen und ehemaligen Inhaftierten in psychiatrischen Haftanstalten". Gegen das Büro des "Gefangenenrates Frankfurt" sei nun ein Prozess angestrengt worden. Hintergrund: Man beschuldigt die Anstaltsleitung des Mordes. Berichtet wird weiter über die DFG/IDK. Die Geschäftsstelle in Hannover sei am 5.11. von der Polizei durchsucht worden, über den Prozess gegen Marianne Herzog. Weiter wird berichtet über die "Rote Hilfe" Erlangen/Nürnberg. Am 12.11. seien Ermittlungen aufgenommen worden, da ihre Tätigkeit als "Werbung für eine kriminelle Vereinigung" aufgefasst wird. An bayrischen Universitäten ist der Versuch unternommen worden, "die Büchertische in den Studentenwerken- und Gebäuden zu verbieten". Die Stadtteilgruppe Berlin-Kreuzberg hat die Broschüre: "Sanierung in Kreuzberg" herausgegeben. Berichtet wird noch von Kuba, aus Äthiopien und von einer "Pro-arabischen Versammlung" in New York. Demos zur Unterstützung des arabischen Volkes fanden in Michigan, in Chicago und Los Angeles statt. Im "Dokument 1" werden die Forderungen des Gefangenenrates Frankfurt/M. veröffentlicht, im "Dokument 2" wird über die Organisierung der "Kollektive Wissenschaft für Vietnam" in Italien berichtet. Diese hätten schon im November 1972 Treffen in Bologna organisiert und "Forschungsvorschläge" gesammelt. Im "Dokument 3", werden Teile des "Arbeitsvertrages von Neckermann" veröffentlicht.
Q: ID, Jg. 1, Nr. 12, Frankfurt/M., 17. November 1973.