ID, Jg. 2., Nr. 18, Frankfurt/M., 11. Januar 1974
11.01.1974:
Es erscheint die Nr. 18 des "ID - Informations-Dienst zur Verbreitung unterbliebener Nachrichten" in Frankfurt/M. In der "Hausmitteilung" kritisiert das "ID-Kollektiv West-Berlin" verschiedene Berichte und erklärt: "Der ID-Informationsdienst zur Verbreitung unterbliebener Nachrichten wird diesem Anspruch nicht gerecht". Z. B. wird zur Nr. 2 erklärt: "Erklärung von Ärzten zur Zwangsuntersuchung von Ulrike Meinhof wurde weggelassen, obwohl eingesendet. Anstelle dessen wurde die Nachricht von einer Demonstration der Liga gesetzt".
Inhalt:
INLAND
- "Wir fordern Diskussion!"
- "Frankfurt: Demonstration gegen das Schah-Regime"
- "Berlin: Verschärfte Isolierhaft gegen Ulrike Meinhof"
- "Stuttgart: Betriebsräte und Ärzte protestieren gegen die Isolationsfolter"
- "Hamburg: Revision von Werner Hoppe abgelehnt"
- "Berlin: Medizinkongress"
- "Freiburg: Empörung über einen Vorfall in der Freiburger chirurgischen Poliklinik"
- "Berlin: Senat will 3.000 Krankenbetten streichen"
- "Berlin: Schwarze Hilfe"
- "Mannheim: Anstaltsleitung droht mit Maßregeln gegen den inneren Gefangenenrat"
- "Berlin: Spendenaufruf des inneren Kollektivs der Strafanstalt Berlin-Tegel"
- "Berlin: Mitarbeiter der Soldatenzeitung 'Forward' gekündigt"
- "Schwanewede: Soldatengruppe gegründet"
- "Duisburg: Plakat der Roten Hilfe"
- "Frankfurt: Einladung zur Konferenz des DFG/IDK"
- "Erlangen: Büchertisch-Prozess"
- "Bochum: Aus Flugblatt der oppositionellen Gewerkschafter"
AUSLAND
- "Madrid: Todesurteil und hohe Strafen gegen M.I.L.-Mitglieder"
- "Frankreich/Washington: Journalisten auf der Lohnliste des CIA"
- "Iran: Die Truppen des Schahs marschieren in Aman ein"
DOKUMENTATION
- "Dokument 1: Brief eines Gefangenen an den Landtag"
- "Dokument 2: Technokraten der Seele"
LETZTE MELDUNG
- "Strafanzeige wegen versuchter Tötung und unterlassener Hilfeleistung"
In "Wir fordern Diskussion!" erklärt das ID-Kollektiv, Frankfurt u. a.: "Der Brief der ID-Genossen aus Berlin hat bei uns zu langen und heftigen Auseinandersetzungen über den Abdruck und die Form der Beantwortung geführt, auch über die jetzige Form bleiben die Meinungen geteilt. Es ist schon ganz schön schwer, auf die einzelnen Punkte nicht einzugehen und sich in den Augen der ID-Leser ins 'richtige Licht' zu rücken. Aber wir meinen doch, dass die aufgezählten Sachen formale Vorwürfe sind, ohne die inhaltlichen Schwierigkeiten aufzuzeigen, und dass am Ende einer solchen Diskussion nichts weiter als neue Vorwürfe und neuer Hickhack stehen kann. Wir möchten aber doch anmerken, dass wir die meisten der Vorwürfe als falsch betrachten.
Viel wichtiger erscheint uns der Hintergrund auf dem dieser Brief entstehen konnte, denn er offenbart uns ein Dilemma indem wir auch hier bei der Diskussion von Meldungen immer wieder stehen. Die Konzeption des ID steht bei jedem kritischen Artikel zur Debatte und das erste abgedruckte Selbstverständnis lässt viele Fragen offen.
Mit dieser Konzeption verbunden blieb auch unser Verhältnis zu den Berlinern ungeklärt. Sind sie nun Teil des Kollektivs oder sind sie eine Korrespondentengruppe? (…) Um den Rahmen zu beschreiben, in dem sich unsere Diskussion bewegt, geben wir hier ihre beiden Pole wieder. Der einen Vorstellung nach soll der ID die Widerspiegelung der politischen Bewegung durch die Berichte praktisch arbeitender Genossen leisten, und dadurch, dass alles gedruckt wird, was in die Redaktion reinkommt. ID würde ein Service sein, der sammelt und verteilt, aber bewusst darauf verzichtet, die Bewegung zu interpretieren.
Dagegen steht die andere Position: weil politische Gruppen nicht alles umfassen, was politisch relevante Ereignisse sind, müssen wir auch selbst recherchieren und dazu sollte ein Netz von 'Korrespondenten' aufgebaut werden. Indem wir uns bislang so verständigt haben, dass wir das eine tun wollen, ohne das andere zu lassen, liegt bei der Auswahl und/oder Bearbeitung des eingesandten Materials unser Problem bei der Gewichtung. Es wäre prima, wenn auch andere Gruppen oder Individuen aktiv würden und uns ihre Vorstellungen von einem alternativen Informationsdienst schicken. Nur eine inhaltliche Diskussion, die über ein beleidigtes Hickhack hinauskommt, wird uns weiterhelfen können".
Berichtet wird u. a. über Ronald Augustin, der sich seit dem 24.7.1973 in U-Haft in Stuttgart-Stammheim befindet, Hintergrund: Verdacht auf die Zugehörigkeit zur RAF, über die Ablehnung der Revision von Werner Hoppe, der im Juli 1972 zu 10 Jahren verurteilt worden war, über einen Medizin-Kongress im West-Berlin am 19./20.1. mit dem Thema: "Für eine ausreichende medizinische Versorgung der werktätigen Bevölkerung", über den West-Berliner Senat, der "3.000 Krankenhausbetten streichen will", über die "Schwarze Hilfe", die sich in Hamburg im Januar konstituiert hat, über die Kündigung eines Mitarbeiters der Soldatenzeitung "Forward". In Schwanewede bei Bremen hat sich eine Soldatengruppe gegründet, die die Zeitung "Anti-Barras-Info" herausgibt. Die DFG/IDK ruft zu einer LDK auf. Ein "Büchertisch-Prozess" ist in Erlangen beendet worden. Urteil: u. a. wegen "Verkaufs von Raubdrucken". Antrag: "500 DM Geldstrafe". Sog. "Rädelsführer" wurden freigesprochen. Berichtet wird noch von OPEL-Bochum. Aus dem Ausland wird berichtet vom Todesurteil gegen M.I.L.-Mitglieder und von LIP.
Im "Dokument 1" geht es um einen "Brief eines Gefangenen an den Landtag". In der "Letzten Meldung" stellt Otto Schily in einer "Presseerklärung" "Strafanzeige wegen versuchter Tötung und unterlassener Hilfeleistung". Seine Mandantin, Katharina Hammerschmidt, habe Schily beauftragt, "eine Strafanzeige bekanntzumachen (…) gegen die für die Verweigerung angemessener ärztlicher Hilfeleistung in der Vollzugsanstalt für Frauen verantwortlichen Personen". Am 17.1.1974 soll dazu eine Veranstaltung stattfinden.
Quelle: ID, Jg. 2., Nr. 18, Frankfurt/M., 11. Januar 1974.