Der Thieubesuch am 10.4.1973 in Bonn

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin

Foto: Protest gegen den Thieu_Besuch vor dem Bonner Rathaus im April 1973Hier wird nur eine Episode aus der langen Geschichte des Protests gegen den Vietnamkrieges beschrieben, der Besuch des südvietnamesischen Diktators Thieu in der Bundesrepublik Deutschland.

Bei der Aktion der Rathausbesetzung selbst ist mutmaßlich die Semler/Horlemann KPD führend tätig, natürlich unterstützt von ihrem Kommunistischen Studentenverband (KSV) und der Liga gegen den Imperialismus (LgdI), die unter anderem aus Dortmund (vgl. 6.4.1973) und Münster (vgl. 2.4.1973) anreisen, wobei sich an der Demonstration auch Vorläufer des Kommunistischen Bundes Westdeutschland beteiligen, während der Verband Deutscher Studentenschaften (VDS) eine gesonderte Demonstration durchführt und einige Gruppen wie die MHG Regensburg gar den Protest an sich zu verweigern scheinen (vgl. 2.4.1973).

An verschiedenen Orten kommt es, wie in Bonn (vgl. 8.4.1973), Hamburg (vgl. 7.4.1973, 9.4.1973, 10.4.1973), Heidelberg (vgl. 9.4.1973), Kiel (vgl. 10.4.1973), Regensburg (vgl. 2.4.1973) sowie Westberlin (vgl. 9.4.1973) zu eigenständigen Protestaktionen bzw. zu Mobilisierungsveranstaltungen. Zentraler Ausdruck des Protestes aber wird die Bonner Demonstration am 10.4.1973 wobei vor allem die Rathausbesetzung als Ereignis Bedeutung erlangte.

Die KPD, die vermutlich nur ihre Partei bzw. ihre perfekte Parteilichkeit mit dem Volkskrieg in Vietnam unter Beweis stellen wollte, wurde mutmaßlich durch den Angriff der Polizei auf das historische Rathaus eher überrascht. Lieber hätte sie sicher publikumswirksam proletarisch klingende Presseerklärungen zur besten Sendezeit abgegeben. Stattdessen wird sie selbst vorgeführt als 'gewalttätiger Geheimbund' aus 'Chaoten' und 'Politrockern', was die KPD-Anhänger damals sicherlich ein Stück weit waren. Weit entfernt aber waren sie von bewaffnetem Widerstand, vom Einsatz von Fäusten bzw. Füssen oder gerade greifbaren Gegenständen abgesehen.

Bei der Rathausbesetzung deutet sich bereits ein typisches Muster einer Vielzahl von militanten Aktionen während Demonstrationen bis zum heutigen Tag an: "Die Besetzer zogen sich geordnet zurück. Niemand von ihnen wurde festgenommen. Die Polizei hatte das Rathaus nur von einer Seite angreifen können, da auf dem Vorplatz zu viele Menschen versammelt waren."

Die kühn kalkulierenden Kaderkommandos kommen körperlich unbeschadet davon, es sind die sie schützenden demonstrierenden 'Massen', die die Köpfe für die Knüppel der Polizei hinhalten müssen.

Plakat: Weg mit dem Faschisten Thieu! (Liga gegen den Imperialismus, 1975)In der Bundesrepublik Deutschland sorgte diese Aktion für die Begründung des damals erwogenen Verbots der Semler/Horlemann-KPD, aber vor allem zunächst für die Demonstrationsverbote in NRW, u.a. gegen die 1. Mai Demonstrationen der linken Gruppen 1973 in Dortmund, aber auch für Raumverbote an den Universitäten (vgl. 14.4.1973, 15.4.1973).

International zumindest trug diese Aktion der KPD Anerkennung ein, nicht zuletzt in Vietnam selbst, die KPD und ihre Anhänger berichten ausführlich davon (vgl. 17.4.1973, 18.4.1973), während die Aktion zugleich seitens einiger Gruppen der bundesdeutschen Linken der KPD zum Vorwurf gemacht wurde, wie etwa durch den Arbeiterbund und die DKP (vgl. 12.4.1973, 13.4.1973), aber auch durch die Freunde des späteren KBW.

Einige der Beteiligten aber, vor allem Uli Kranzusch aus Lüneburg, wurden langjährigen Gerichtsverfahren unterworfen (vgl. 15.10.1973, 5.11.1973, 17.12.1973). Aber all dies geschieht später, nicht nur viele Tage später, sondern auch viele zigtausende getöteter Vietnamesen und Vietnamesinnen später.

Auszug aus der Datenbank „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO)

02.04.1973:
In Regensburg wird vermutlich in dieser Woche, laut KHB/ML der ABG, eine Resolution gegen den Besuch des südvietnamesischen Präsidenten Thieu in Bonn (vgl. 10.4.1973) verfaßt, die vom AStA der Uni, der Aktion Dritte Welt, der Demokratischen Front (DF), der Internationale der Kriegsdienstgegner / Deutsche Friedensgesellschaft (IdK/DFG), den Jungdemokraten (Judo), dem KHB/ML, der Roten Schülerfront (RSF), den SJD - Die Falken, der Sozialistischen Betriebsgruppe (SBG) Regensburg und dem Vietnamkomitee für Frieden und Befreiungskampf (VKfFuB) unterzeichnet wird. Jusos, MSB Spartakus, SHB und Marxistische Hochschulgruppe (MHG) Regensburg sind nicht anwesend oder verweigern die Unterstützung. Ein MHG-Führer habe die Unterschrift abgelehnt, da dies gegen die MHG verwandt werden könne.
Quelle: Roter Schrittmacher Nr.9,Regensburg Mai 1973, S. 11

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02.04.1973:
In Münster erscheint vermutlich in dieser Woche ein Flugblatt von KJK, KSV, SK/ML und LgdI: "Faschist Thieu raus aus Bonn!", das zur Demonstration gegen den Thieubesuch am 10.4.1973 aufruft.
Q: KJK, KSV, SK/ML , LgdI: Faschist Thieu raus aus Bonn!, o. O. Münster) o. J. (1973)

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06.04.1973:
Vermutlich zum Ende dieser Woche erscheint ein Flugblatt der KPD Ortsleitung (OL) Dortmund unter Verantwortung von Maria Bergmann:"
FASCHIST THIEU RAUS AUS DER BRD!

Am Dienstag will der Chef des Marionettenregimes in Saigon, Thieu die BRD besuchen!
- Derselbe Thieu der seit seinem Amtsantritt eine brutale Terrorherrschaft über die Bevölkerung Südvietnams ausübt, hunderttausende Patrioten in die Gefängnisse geworfen und Dorfbewohner in KZs zusammengepfercht hat,
- Derselbe Thieu, der sofort nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens in Paris erklärte: 'Alle Kommunisten, die innerhalb eines Gebietes angetroffen werden, daß von uns kontrolliert wird, müssen auf der Stelle erschossen werden!'
- Derselbe Thieu, der tagtäglich foltern und morden läßt, will in Bonn einen 'Höflichkeitsbesuch' abstatten.

Die SPD/FDP-Regierung und Präsident Heinemann scheuen sich nicht, diesem Faschisten die Hand zu reichen!

Gleichzeitig verweigert diese Regierung noch immer den Vertretern des vietnamesischen Volkes, Vertretern der FNL und der Regierung der DRV, die Einreise in die BRD.
Wir werden am Dienstag zeigen, daß wir fest auf der Seite des vietnamesischen Volkes in seinem Kampf gegen das Terrorregime stehen. Wir werden dem Faschisten Thieu einen gebührenden Empfang bereiten!

THIEU - HENKER VON SAIGON, RAUS AUS BONN!

Abfahrt der Busse aus Dortmund nach Bonn: 6 Uhr 30 Hauptbahnhof, Treffpunkt in Bonn: 9 Uhr Münsterplatz."
Q: KPD-OL Dortmund:Faschist Thieu - Raus aus der BRD,Dortmund o.J. (Apr. 1973)

06.04.1973:
Vermutlich zum Ende dieser Woche erscheint vermutlich in Bonn ein Flugblatt von NVK, LgdI, KPD, KJV, KSV und KOV zum Thieu-Besuch, welches zu den Vietnamprotesten am 9. und 10.4.1973 aufruft und auf der Rückseite von "Folter in Vietnam" berichtet.
Q: NVK, LgdI, KPD, KJV, KSV, KOV: Raus mit Thieu – dem Henker von Saigon!,Köln o. J. (1973)

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07.04.1973:
Die KPD berichtet aus Hamburg von einer Vietnamdemonstration gegen den Thieu-Besuch:"
Am Samstagabend protestierten im Anschluß an eine Versammlung der Liga (LgdI,d.Vf.) die Teilnehmer gegen den Thieu-Besuch, indem sie zum Amerika-Haus zogen und bei dieser Einrichtung des amerikanischen Kulturimperialismus die Scheiben einwarfen."
Q: Rote Fahne Nr.15,Dortmund 11.4.1973,S.6

08.04.1973:
Die KPD berichtet (vgl. 9.4.1973):"
In Bonn demonstrierten bereits am Sonntag nahezu dreihundert Menschen gegen den zu erwartenden Besuch des Massenmörders Thieu.

Die in Paris weilenden vietnamesischen Genossen hatten das Nationale Vietnamkomitee gebeten, bereits am Sonntag mit den Demonstrationen gegen Thieu zu beginnen."

Später kommt es zu mindestens einem Prozeß (vgl. 20.4.1976).
Q: Rote Fahne Nr.15 und 17,Dortmund bzw. Köln 11.4.1973 bzw. 28.4.1976,S.6 bzw. S.*

09.04.1973:
In Heidelberg führen die NRF-Gruppen und das Vietnamkomitee eine Demonstration mit Kundgebung zur Vorbereitung auf die morgige Demonstration gegen den Thieu-Besuch durch.
Q: Arbeiter-Zeitung Nr.5,Mannheim/Heidelberg Mai 1973

09.04.1973:
Die KPD berichtet aus Berlin von der Vietnamdemonstration gegen den Thieu-Besuch:"
Über 2 000 Menschen beteiligten sich an der Demonstration des Regionalen Büros des NVK.

Die Demonstranten zogen vom U-Bahnhof Kurfürstenstraße zum Amerikahaus. Sie riefen:

Thieu - Henker aus Saigon, raus aus Bonn!
Nixon - Mörder, Thieu - Henker, Brandt - Komplize!

Da die massenhaft aufgebotene Neubauer-Polizei wieder gedroht hatte, den Lautsprecherwagen zu beschlagnahmen, wenn Staatsoberhäupter beleidigt würden, zogen sich die Demonstranten nach der Kundgebung geschlossen zur Technischen Universität zurück und machten es der Polizei unmöglich, eine Provokation zu landen."
Q: Rote Fahne Nr.15,Dortmund 11.4.1973,S.6; KPD-RK Westberlin:Maizeitung Nr.2,Berlin 1973

09.04.1973:
Die KPD berichtet aus Hamburg von einer Vietnamdemonstration gegen den Thieu-Besuch:"
Am Montag demonstrierten hundert Antiimperialisten von der Moorweide durch die Innenstadt."
Q: Rote Fahne Nr.15,Dortmund 11.4.1973,S.6

10.04.1973:
In Bonn demonstrieren, laut KPD, 3 000, später 5 000 gegen den Thieubesuch, u.a. auch PCI/ML Italien, Niederländer und Dänen, Anhänger der KPD/ML-ZK und Zirkler (d.h. Organisationen des Bremer Kommunique - BK), während die Demonstration des VDS nur von knapp 1 000 Personen besucht worden sei. Im Anschluß an die erste Demonstration wird das Bonner Rathaus von der KPD und ihren Freunden besetzt. KPD, LgdI und NVK geben dies in einem Flugblatt "Bonner Rathaus von Antiimperialisten besetzt! Kommt zum Marktplatz!" bekannt.

Zur Demonstration rief auch die KHG (NRF) Mannheim/Heidelberg in Baden-Württemberg auf. Auch der unabhängige KSV Frankfurt in Hessen rief auf. Der KB Bremen lehnt in einer Erklärung seines ZK zu der Demonstration von u.a. KPD, VDS und SVI die Besetzung des Rathauses ab. In NRW rief die Ortsleitung (OL) Dortmund der KPD auf (vgl. 6.4.1973).

Im Anschluß gibt es mehrjährige Prozesse (vgl. 21.5.1978).

Laut ABG waren an der Rathausbesetzung nur 40 Aktivisten der KPD beteiligt, "Mitglieder einer Berliner Gruppe, die sich aus Studentenkreisen rekrutiert". Die ABG betonen: Angesichts ihrer Ablehnung der Aktion "werden wir uns von solchen Abenteurern nicht zur Solidarität mit ihnen zwingen lassen." Auch der AB im Nürnberger IGM-Bereich (vgl. 29.4.1974) berichtet. Die 'Kämpfende Jugend' (KJ) des AB OG Weiden (vgl. 18.2.1974) berichtet im Zusammenhang mit der Verleihung des Parteicharakters an die KPD (vgl. 9.1.1974).
Der AStA der LMU München (vgl. 4.5.1973) bzw. die ihn tragende AK-Fraktion der Rotzen Zellen betont: Zum Thieu-Besuch in Bonn "sind wir solidarisch mit den Genossen der 'KPD', unbeschadet unserer scharfen Kritik an ihrer Politik. Wir verweigern und allerdings Solidaritätsappellen, die uns zum Harakiri auffordern".

Die DKP berichtet:"
UNERWÜNSCHTER BESUCH

Am 10. April weilte Kriegsverbrecher Thieu in Bonn. Zum 'Höflichkeitsbesuch'!! Tausende Demokraten demonstrierten in der Bundeshauptstadt gegen die Anwesenheit Thieus. Aufgerufen hatte ein breites Bündnis demokratischer Parteien, Jugend- und Studentengruppen.

Über sie wurde in den Tageszeitungen kaum berichtet. Die Schlagzeilen lauteten: 'Rote Fahnen, blutige Krawalle' ('Bild').

Für die bürgerliche Presse der Bundesrepublik war das einzig Berichtenswerte die Rathausbesetzung eines maoistisch-anarchistischen Sturmtrupps.

Informationen über den Massenmörder Thieu und über die mächtigen Demonstrationen gegen ihn wurden fast überall unterschlagen.

Die 'Welt' weiß zu lügen, die 4 000-Mann-Demonstration sei vom VDS und der verbotenen KPD organisiert worden.

Die Maoisten haben ein sogenanntes Vietnamkomitee (Nationales Vietnamkomitee - NVK,d.Vf.) gegründet. Mit diesem Komitee und der Rathausbesetzung in Bonn helfen sie dem vietnamesischen Volk nicht.

Sie haben vielmehr erreicht, daß nur über den Krawall von der gleichgeschalteten Presse berichtet wurde, nicht aber über das Regime des Henkers Thieu, seiner Komplizen und Helfer in der BRD und USA. Die Maoisten entlarvten sich als Provokateure und nicht als ehrliche, solidarische Helfer des vietnamesischen Volkes, als sie mit ihrer Aktion die Regierungen der DRV und der Provisorischen Revolutionären Regierung Südvietnams mit der Saigoner Verwaltung in Verbindung bringen wollten.

Beide Regierungen haben sich von solchem Rabatz distanziert und den Chaoten erklärt, daß das Wort des weisen Ho-Chi-Minh gilt, für die Sache Vietnams alle Menschen zu gewinnen, die guten Willens sind.

Darum Solidaritätsspenden nur an die:
HILFSAKTION VIETNAM".

Vermutlich in der 'UZ* erscheint von der DKP folgender Artikel:"
DIENST FÜR DIE REAKTION
DKP-ERKLÄRUNG ZU PROVOKATIONEN

Anläßlich der sich in letzter Zeit häufenden Auftritte und provokatorischen Ausschreitungen anarchistischer und maoistischer Splittergruppen - so auch beim Protest gegen die Anwesenheit des Saigoner Diktators Thieu in Bonn - distanzierte sich der Bezirksvorsitzende der DKP von Rheinland-Westfalen, Gustav Trambowski, im Namen des Parteivorstandes der DKP scharf von diesen Aktivitäten.

Gustav Trambowski erklärte wörtlich: 'Gemeinsam mit Tausenden Bürgern, Gewerkschaftern, Studenten und Schülern, mit Jungsozialisten, SDAJlern und Jungdemokraten demonstrierten Mitglieder der Deutschen Kommunistischen Partei gegen den Empfang des Kriegsverbrechers Thieu bei Bundespräsident Heinemann.

Mit ihrer Demonstration traten die DKP-Mitglieder für Solidarität mit dem vietnamesischen Volk und für die Verwirklichung des Pariser Vietnam- Abkommens, vor allem aber für die Freilassung der mehr als 200 000 politischen Gefangenen und für die Herstellung demokratischer Freiheiten im Machtbereich des Thieu-Regimes ein.

Die provokatorischen Ausschreitungen anarchistischer und maoistischer Splittergruppen dienten nicht der Sache der Solidarität mit dem vietnamesischen Volk, sondern schadeten ihr. Die Anführer dieser gezielten Provokationen haben die Ausschreitungen systematisch vorbereitet, um dadurch die breiten Protestaktionen gegen Thieu und zugleich den Solidaritätsbeitrag der DKP und der anderen Demokraten in den Augen der Bevölkerung zu diskreditieren. Damit leisteten sie den Feinden des vietnamesischen Volkes und den reaktionären Kräften in der Bundesrepublik für ihre antikommunistische Hetze und für antidemokratische Unterdrückungsmaßnahmen direkte Hilfe."

Die KPD berichtet zentral:"
TAUSENDE FORDERTEN: HENKER THIEU RAUS!

Starke Demonstrationen gegen den Besuch des Faschisten Thieu in Bonn. Im spontanen Handstreich besetzten die Demonstranten das Bonner Rathaus. Die Fahnen der indochinesischen Völker und Transparente gegen die Zusammenarbeit der Brandt-Regierung mit der Thieuclique machten das Rathaus eine Stunde lang zum Symbol des Kampfes der Antiimperialisten der BRD.

Bereits am Morgen des 10. April versammelten sich nahezu 3 000 Menschen auf dem Münsterplatz. Aus allen Teilen der BRD und aus Westberlin waren sie dem Aufruf des Nationalen Vietnamkomitees, der Liga gegen den Imperialismus und der KPD und ihren Massenorganisationen gefolgt. Nach mehreren Ansprachen zog die Demonstration durch die Bonner Innenstadt. Die Revisionisten hatten zum Thieu-Besuch auf dem Bonner Münsterplatz einen überdimensionalen Lautsprecherwagen aufgebaut, der in keinem Verhältnis stand zu dem Häuflein von hundert, das sich um ihn scharte.

An dem Demonstrationszug beteiligten sich die Zirkel (des späteren KBW,d.Vf.) mit einem Block, ebenfalls einige Genossen der KPD/ML-Roter Morgen (KPD/ML-ZK,d.Vf.).

Der Zug bewegte sich vom Münsterplatz durch die Innenstadt zurück zum Ausgangspunkt. Anschließend zogen die Demonstranten zum Rathaus, das schnell und ohne Widerstand besetzt wurde. Die Stadtväter hatten eiligst, noch vor ihren Untergebenen, das Weite gesucht. Die Genossen schmückten das Gebäude mit den Fahnen der kämpfenden Völker Indochinas, der Fahne der KPD und den Transparenten:

- Thieu - Faschist, Brandt - Komplize!
- Freie Einreise für die Vertreter der Völker Indochinas!
- Thieu, Henker aus Saigon, raus aus Bonn!

Mit Ansprachen an die in großer Zahl auf dem Vorplatz versammelten Demonstranten und die zusammengeströmten Bonner dauert die Besetzung ungefähr eine Stunde.

Mit Tränengasgranaten, Wasserwerfern und Plastikschilden setzte dann die zusammengezogene Polizei zum Sturm an. Sie schoß das Tränengas durch die Fenster und einzelne Polizisten warfen mit Pflastersteinen.

Ein schwerverletzter Genosse, ihm hatte ein Polizist einen Pflasterstein ins Gesicht geworfen, so daß das Nasenbein gebrochen ist - wurde im Krankenhaus über eine Stunde lang nicht behandelt. Man setzte ihn vielmehr auf einen Stuhl und fotografierte ihn mehrmals von allen Seiten.

Die Besetzer zogen sich geordnet zurück. Niemand von ihnen wurde festgenommen. Die Polizei hatte das Rathaus nur von einer Seite angreifen können, da auf dem Vorplatz zu viele Menschen versammelt waren.

Im Anschluß an den Rückzug allerdings bei der dann von der Polizei veranstalteten Hetzjagd wurden leider fünf Genossen festgenommen.

Während des ganzen Nachmittags zog die Demonstration geordnet durch die Stadt, veranstaltete viele Kundgebungen.

Lustlos verlief die von den Revisionisten im VDS anberaumte Demonstration: Knapp 1 000 Demonstranten zogen kurz und wie in einer Pflichtübung durch die Stadt.

Während der Demonstration gingen beim Nationalen Vietnamkomitee in Bonn Grußadressen der Provisorischen Revolutionären Regierung (PRR,d.Vf.), des Dänischen Vietnamkomitees, des Niederländischen Vietnamkomitees und der Kommunistischen Partei (ML) Italiens ein und wurden verlesen.

Die niederländischen Genossen nahmen auch mit einer Delegation an der Demonstration teil. Die Zahl der Demonstranten war im Laufe des Tages auf 5 000 angewachsen, viele waren noch mit Bussen und PKW gekommen.

Nach einer machtvollen Kundgebung auf dem Münsterplatz löste sich die Demonstration geordnet auf.

Nach den erfolgreichen Demonstrationen versuchte die Polizei sich mit allen erdenklichen Einschüchterungsmethoden dafür zu rächen, daß der solidarische und kämpferische Zusammenhalt der Genossen ihnen größere Prügel- und Verhaftungsaktionen unmöglich gemacht hatte.

Sie durchsuchten die Genossen in den abfahrenden Bussen, machten Personalkontrollen, schrieben sich Namen auf und in den Berliner Bussen nahmen sie widerrechtlich, bevor die Genossen zu ihrem Bus zurückgekehrt waren, die für die DDR-Grenzbehörden vorgeschriebenen Namenslisten.

Vor dem Büro des Nationalen Vietnamkomitees fanden diese 'Rache'-Aktionen ihren Höhepunkt: Zwei vollbesetzte Mannschaftswagen fuhren vor, die Polizisten saßen ab, und ihre Führer gaben an, sie wollten die Verkehrssicherheit des Lastwagens prüfen, der an der Spitze der Demonstration gefahren war und der, sichtbar durch eine große Aufschrift, einem großen Autoverleih gehört."

Die KPD veröffentlicht auch die:"
Grußbotschaft der Vertretung der Provisorischen Revolutionären Regierung der Republik Südvietnam in Paris, die am Dienstagnachmitag dem Bonner Büro des NVK telefonisch übermittelt wurde:
'Freunde und Genossen,

Wir sind begeistert von Eurer Initiative, diese großartige Protestaktion in Erwartung des Thieu-Besuchs in der BRD organisiert zu haben.

Das zeugt von Eurer kämpferischen Solidarität mit den indochinesischen Völkern. Wir hoffen, daß sich diese Solidarität immer mehr festigen wird.

In diesem Moment möchten wir an alle Freunde, die seit Jahren unseren gerechten Kampf unterstützen, die herzlichsten Dankesworte richten.

Dr. Le van Loc'"

Ebenfalls werden folgende Zitate verbreitet:"
THIEU IN BONN:

'In Vietnam gibt es keine politischen Gefangenen. In den Gefängnissen sitzen nur Kriminelle und Kommunisten.'

DAZU DIE MELDUNG DER FRANZÖSISCHEN NACHRICHTENAGENTUR AFP:

'Wie aus Vietnam bekannt wurde, hat die Polizei der Thieu-Regierung in den letzten Tagen in den Konzentrationslagern Dat Ly und Trung Hoa mehr als 1 000 politische Gefangene umgebracht, darunter mehrere Frauen und Kinder, indem sie der Nahrung der Gefangenen Gift beimischte.'"

Eingegangen wird von der KPD auch auf die Behauptungen der IIVS über die Ablehnung der Aktion durch die PRR (vgl. 1.7.4.1973, 23.4.1973).

Zentral berichtet die KPD nach einer Woche über heute und die Folgen:"
KPD SOLL ALS GEHEIMBUND ABGESTEMPELT WERDEN!
DIE POLIZEIPHANTASTEN AN DER ARBEIT!

Warum das Bonner Rathaus?, fragen vorgeblich Wohlmeinende über die Besetzung. Warum mußtet Ihr in diesem historischen Gebäude derartige Zerstörungen anrichten?, fragen furchtsame und zaudernde Gemüter, und spielen auf die Sache mit den zerstörten Gobelins an, der die bürgerliche Presse breiten Raum gibt.

Dazu erst einmal folgendes: Es wurden von den Rathausbesetzern keine wertvollen Dinge zerstört - auch keine Gobelins!

Selbst die bürgerliche Hetzpresse muß das zwischen den Zeilen zugeben. Bild schreibt, die Gobelins seien klatschnaß gewesen. Was Wunder, da die anrückende Polizei mit ihren Wasserwerfern als erstes durch die Fenster des Rathauses spritzte und im Innern auf diese Weise echte Verwüstungen an Wänden und Decken anrichtete.

Im sogenannten Gobelin-Saal wurde ein Kronleuchter vom Wasserstrahl getroffen und ging zu Bruch. Der Fußboden wurde von ins Rathaus geschossenen Tränengasgranaten verbrannt.

Was die Besetzer zum Bau von Barrikaden gegen die anstürmende Polizei verwendeten, waren Büromöbel und ähnliches Mobiliar. Und wenn davon einiges kaputtging, so ist das NICHTS, gemessen an dem Schaden, den der Besuch des faschistischen Massenmörders Thieu unserem Land und dem Ansehen unseres Volkes in der Welt zugefügt hat.

Die SPD/FDP-Regierung und ihre Gallionsfigur Heinemann können sich nicht herausreden, Thieu hätte sie wie ein ungebetener Gast zum Sonntagsnachmittagskaffee überrascht.

Sie sind für diesen Schaden voll verantwortlich.

Geht man davon aus, daß dieser Provokation, dem Staatsbesuch Thieus, nicht nur papierne Resolutionen entgegengesetzt werden mußten, um den um ihre Freiheit und Unabhängigkeit kämpfenden Völkern Indochinas zu zeigen, daß zwar die Regierung der Bundesrepublik nicht aber das gesamte Volk den imperialistischen Schlächter Thieu freundlich empfängt, so muß man die Aktion gutheißen!

Sicherlich hat der Bonner Rathausbeamte recht, der den Besetzern sagte, sie hätten besser und richtiger das Auswärtige Amt besetzt. Aber die Genossen, die mit dieser Aktion ihre Abscheu gegen eine Zusammenarbeit der Bundesregierung mit der Thieu-Clique bekunden wollten, sind keine Selbstmörder. Die Zentren der Bundesregierung sind militärisch derart gegen Protestaktionen aus dem Volk abgeschirmt, daß jeder Versuch einem Selbstmord gleichkäme.

Trotzdem darf die Alternative in so einem Fall nicht heißen: Keine Aktion.

Die Gefangenen in Südvietnam sind 'ausnahmslos Verbrecher oder Kommunisten', sagte der Massenmörder Van Thieu beim Zwiegespräch mit Bundespräsident Heinemann. Dagegen hatte auch Heinemann nichts einzuwenden, denn dieser Meinung, daß 'Verbrecher und Kommunisten' in die Gefängnisse gehören, dieser Meinung sind auch die deutschen Sozialdemokraten, beziehungsweise sind sie der Auffassung, daß Kommunisten und Verbrecher ein und dasselbe sind.

Um gegen die Kommunisten 'wirkungsvoller' vorgehen zu können, ohne gleich den schweren Hammer eines Parteienverbots einzusetzen, ist ihnen jetzt die Sache mit dem 'kommunistischen Geheimbund' und der 'kriminellen Vereinigung' eingefallen.

Großmäulig läßt sich Münchens schußfreudiger Polizeipräsident Schreiber über eine Weltverschwörung aus. Seine Erzählungen im 'Internationalen Presseclub' Münchens, die sich auf 'Feststellungen der Kriminalpolizei und des Verfassungsschutzes' stützen, entwerfen das phantastische Bild einer weltweiten Untergrundorganisation; sie erinnern an die Stammtischreden reaktionärer deutscher Kleinbürger, in denen seit je Weltverschwörungen von Freimaurern, tibetanischen Mönchsorden, jüdischen und kommunistischen Geheimbünden 'entlarvt' werden.

Schreiber weiß von einer 'paramilitärischen Organisation', straff geführt, sehr beweglich usw. usw. Er erfindet eine 'Internationale der anarchistischen Föderation' (vielleicht gibt es sogar wirklich eine unbedeutende Gruppe dieses Namens in Paris), als Zentrum seiner Weltverschwörung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung und alles stinkt ebenso penetrant wie die Verschwörungstheorien auf deren Grundlage der Anarchist Valpreda in Italien über drei Jahre widerrechtlich eingekerkert wurde.

Gegen Schluß seiner phantasiereichen und tatsachenarmen Ausführungen läßt der Münchner Polizeipräsident die Katze aus dem Sack:
'Es geht nicht mehr so vorsichtig, daß möglichst kein Blut fließt.'

Das ist das polizeitaktische Ergebnis sozialdemokratischer Überlegungen: Wird weiter gegen den BRD-Imperialismus demonstriert, gegen seine Komplizenschaft mit faschistischen Militärmachthabern, seine Angriffe auf die werktätige Bevölkerung im Dienst der Monopole, wird weiter dagegen demonstriert und nicht artig um Mitbestimmung im Betrieb und Demokratie im Büro gebeten, dann wird geschossen.

Die Westberliner Neubauer-Polizei hat das - bisher noch vereinzelt - zum Schutze griechischer Faschisten vorgemacht, mehrere Bonner Polizisten hatten beim Sturm auf das Rathaus ebenfalls ihre Pistolen gezückt.

Lügen von Eisenstangen, mit denen Polizisten geschlagen worden seien, sollen auf zukünftige Opfer unter den Demonstranten vorbereiten. Die Berichterstattung über die Aktion in Bonn, der Haftbefehl gegen einen Studenten wegen versuchten Totschlags erwecken den Eindruck, als seien Polizisten von Demonstranten angegriffen worden. Es liegt aber nicht etwa ein Polizist mit eingeschlagenem Schädel in einem Bonner Krankenhaus sondern ein Hamburger Genosse. Ihm hatte ein Polizist einen Pflasterstein genau ins Gesicht geworfen.

Schreiber steht mit seinen 'Enthüllungen' nicht allein, Hetzblatt 'Bild' hat ähnlich verworrene Geschichten über wandernde Terroristenbanden berichtet.

Den anderen Strang des Vorgehens gegen kommunistische Organisationen ? wobei die ordentliche DKP immer ausgenommen ist - zeigen die reaktionären Zeitungen 'Welt' und 'Welt am Sonntag'. Sie greifen auf und geben zurück Stichworte der Sozialdemokratie, mit denen kommunistische Organisationen, besonders die KPD, zum Geheimbund gestempelt werden sollen.

Ein seit längerer Zeit laufendes Ermittlungsverfahren gegen die Genossin Bergmann wegen angeblicher Beleidigung eines Verfassungsorgans muß für einen verleumderischen Trick herhalten. 'Welt'-Korrespondent Loose versucht den Eindruck zu erwecken, diese Anschuldigung und Ermittlungen seien der einzige Weg der Behörden nach der Bonner Rathausbesetzung, die KPD aufzuspüren: 'Um an die KP-Führer heranzukommen, die sich selbst als Nachfolger der KPD-AO (Kommunistische Partei Deutschlands - Aufbauorganisation) verstehen, hat die Dortmunder Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen die 34jährige in Niederschlesien geborene (was soll das?) Maria Bergmann eingeleitet, die im Impressum verantwortlich zeichnet.'

Weder die Staatsanwaltschaft noch der 'Weltkorrespondent' Loose wollen wissen, daß wir in Dortmund ebenso wie in Westberlin und anderen Städten seit fast drei Jahren die ROTE FAHNE (immer mit Verlags- und Kontaktadresse), Kommunistische Arbeiterpressen und Flugblätter verteilen, öffentliche Veranstaltungen abhalten, Bücher publizieren, Büros anmieten, Demonstrationen anmelden und durchführen und was der legalen Aktivitäten mehr sind? Wir haben uns sogar zur Teilnahme an den letzten Bundestagswahlen angemeldet. Alles sehr ungewöhnliche Handlungsweisen eines Geheimbundes oder kriminellen Vereinigung, sieht man einmal davon ab, daß nach Thieus Erklärung Kommunisten generell kriminell sind und in die Zuchthäuser gehören.

Offensichtlich halten sich Staatsanwälte und Springer-Journalisten nicht dort auf, wo wir öffentlich auftreten, sonst hätten beide bei einem einzigen Besuch in unserer Parteizentrale oder auf öffentlichen Versammlungen die führenden Genossen der KPD zu hören und zu sehen bekommen.

Aber es ist nicht das Problem uninformierter Staatsanwälte und dümmlicher Zeitungsschreiber, es ist der Versuch, kommunistische Organisationen, die wirklich gegen das Monopolkapital und seinen Staatsapparat kämpfen, die nicht nach Betriebsratsposten und Mitbestimmungssesseln drängen, zu Kriminellen zu stempeln, ihre Organisation zum Geheimbund zu machen, um ohne das Risiko politischer Prozesse mit Strafgesetzen gegen sie vorgehen zu können.

Die Methode ist nicht neu! Sie ist auch keine Erfindung der deutschen Sozialdemokratie, sie ist ein Mittel aus dem Repertoire der Konterrevolution.

Die Kommunisten werden sich dagegen zur Wehr setzen, nicht mit finsteren Drohungen oder untergründiger Verschwörung, sondern mit öffentlicher Agitation und Propaganda, mit massenhaften Aktionen. Jedes Gerichtsverfahren, in dem Kommunisten oder andere fortschrittliche Menschen als Kriminelle abgeurteilt werden sollen, wird zum Tribunal gegen den Imperialismus der deutschen Monopole, gegen ihre SPD/FDP-Regierung."

Die KPD fordert auch:"
ULI KRANZUSCH SOFORT FREILASSEN!

Unter den Demonstranten, die gegen den Besuch des Massenmörders Thieu in Bonn demonstrierten, war auch Uli Kranzusch, Student an der Pädagogischen Hochschule (PH,d.Vf.) Lüneburg. Da es der Bonner Polizei nicht gelungen war, auch nur einen der Genossen, die das Rathaus besetzt oder die Besetzung verteidigt hatten, festzunehmen, versuchte sie hinterher, von den Demonstranten, die noch in der Stadt waren, einige zu verhaften und zu Sündenböcken zu machen. Neben anderen wurde Uli Kranzusch festgenommen, aus Gründen, an denen offensichtlich noch gebastelt werden muß, soll er allein dafür vor Gericht gestellt werden, daß der Protest gegen den Henker Thieu weltweites Aufsehen erregte.

Versuchter Totschlag wird ihm vorgeworfen. Stellvertretend dafür, daß 5 000 Antiimperialisten den Staatsempfang für einen faschistischen Henker, veranstaltet von einer sozialdemokratischen Regierung, nicht ungestört ließen, stellvertretend dafür, daß es dem Staatsapparat nicht gelungen ist, dies durch harten Polizeieinsatz zu verhindern, stellvertretend dafür, daß 5 000 Menschen nicht den leisen Vorwurf (wie die DKP und ihre Sympathisantenorganisationen), sondern die lautstarke Anklage wählten, stellvertretend dafür soll Uli Kranzusch büßen.

Gegen ihn erließ ein Bonner Richter Haftbefehl, eiligst brachte man ihn nach Köln in das Untersuchungsgefängnis.

Hier wird er bereits eine Woche in Isolation gehalten. Seine Verlobte durfte ihn nicht besuchen. Mit dem blödsinnigen Argument, Uli sei noch nicht vernommen, er habe sich nicht zur Sache geäußert, verweigerte der Haftrichter ihr die Besuchserlaubnis. Die Haftanstalt wies eine Schreibmaschine zurück, die seine Verlobte ihm bringen wollte, damit Uli auch im Gefängnis seine Arbeit fortsetzen kann. Während dieses Versuchs, eine Besuchserlaubnis zu bekommen, schickten die Justizbehörden von Köln und Bonn sie hin und her, niemand wollte zuständig sein.

Die Justizbehörden sind selbst noch nicht vorbereitet auf das, was sie dem Genossen Uli eigentlich vorwerfen wollen, deshalb möchten sie ihn auch vorerst isolieren. …

In Bonn wird ein Untersuchungsausschuß sich bemühen, genau den Polizeiüberfall und die Umstände der Festnahme des Genossen Uli zu klären.

Wir dürfen und werden auf keinen Fall zulassen, daß ein Genosse von der Klassenjustiz willkürlich herausgegriffen wird.

Wenn heute die bürgerliche Presse behauptet, Vertreter der KPD hätten gesagt, sie wollten Uli Kranzusch notfalls mit Gewalt befreien, dann ist das ein plumper Versuch, die Solidarität mit dem zu Unrecht eingesperrten Genossen zu spalten. Die Propagandisten der SPD/FDP-Regierung spekulieren mit dieser Lüge auf die Schwankenden, Unentschlossenen und Ängstlichen, indem sie ihnen einreden wollen, die KPD sei eine Art Baader-Meinhof-Gruppe (RAF,d.Vf.). Lassen wir uns dadurch nicht irre machen, schließen wir uns fest zusammen in unserer Solidarität mit dem Genossen!"

Die KPD/ML-ZK (vgl. 21.4.1973) befaßt sich u.a. mit der Haltung der KG(NRF) Mannheim-Heidelberg.

Der Polizeipräsident Bonn (vgl. Jan. 1974) berichtet:"
10.4.1973: RATHAUS BESETZT

In einem konspirativ vorbereiteten , blitzschnellen Überraschungscoup besetzten am 10.April 1973 um 11 Uhr 35 etwa 40 Aktivisten der maoistisch orientierten KPD das Bonner Rathaus, abgeschirmt von etwa 3 000 Anhängern und Mitläufern, die die Vorder- und Rückseite des Rathauses blockierten und dazu aus Mülltonnen, Gasthausstühlen und Blumenkübeln Barrikaden errichtet hatten.

In dem härtesten Polizeieinsatz mit Schlagstock, Wasserwerfern und Tränengas, den Bonn je erlebt hat, wurde - entgegen vielen falschen Pressemeldungen - die Umgebung des Rathauses binnen 43 Minuten buchstäblich freigekämpft. Die dabei eingesetzten 250 Beamten waren einem Hagel von Pflastersteinen, Flaschen, aus den Rathausfenstern geworfenen Schreibmaschinen und anderen Wurfgeschossen ausgesetzt. Leider konnten während dieser Straßenschlacht die Besetzer das Rathaus auf der abgelegenen Seite fluchtartig verlassen und in der Masse der Sympathisanten untertauchen. In den darauffolgenden Monaten wurden von der Kriminalpolizei zwölf Rathausbesetzer ermittelt.

Bilanz der blutigen Auseinandersetzungen: 40 verletzte Polizeibeamte, von denen drei mehrere Wochen aufgrund ihrer Verletzungen dienstunfähig waren. Die Zahl der verletzten Demonstranten wurde nicht bekannt."

Es seien "fast 200" Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.

Der Südwestdeutsche Referendarverband (vgl. 9.7.1973) berichtet von den Demonstrationsverboten in NRW (vgl. Düsseldorf - 17.4.1973):"
SCHRITTE POLITISCHER REPRESSION IN NRW

Innenminister Weyer hatte schon in den Wochen vor dem 1. Mai mit Hinweis auf die Bonner Rathausbesetzung anläßlich des Thieu-Besuches ein Verbot der Gruppe Rote Fahne (KPD) und ein Verbot der Gruppe Roter Morgen (KPD/ML) gefordert. Außerdem kündigte er an, im Bereich NRW alle Aktionen und Demonstrationen dieser Gruppen rücksichtslos mit Polizeigewalt zu zerschlagen."

Das Dortmunder Komitee das Demonstrationsverbot berichtet in einer Beilage zur Zeitung des Regionalen Komitees (vgl. 14.5.1973), u.a. in Bochum, Castrop-Rauxel und Dortmund, im Zusammenhang mit der verbotenen 1.Maidemonstration 1973 in Dortmund:"
Anläßlich des Besuches des Faschisten Thieu in der BRD besetzt eine Gruppe von Antiimperialisten das Bonner Rathaus (vgl. 10.4.1973,d.Vf.). Die Rathausbesetzung als 'symbolische' Aktion war von den wirklichen Kämpfen der Arbeiterklasse und des Volkes losgelöst. Kurz darauf wird die Mai-Demonstration der Gruppen, die für die Rathausbesetzung verantwortlich zeichneten, aus politischen Gründen verboten. Die Büros zweier dieser Gruppen werden durchsucht, eine rücksichtslose und verlogene Hetzkampagne von den bürgerlichen Massenmedien wird gestartet. Der Bespitzelungsapparat läuft auf vollen Touren, einige Gewerkschaften beschließen den Ausschluß klassenbewußter Kollegen, Kollegen, die sich an Veranstaltungen von 'Gruppen links von der DKP' beteiligen, müssen mit Ausschlußverfahren rechnen."

Berichtet bzw. aufgerufen wird auch durch den KJV (vgl. Apr. 1973), die MLSG des KABD (vgl. Apr. 1973), das Komitee Hände weg von der KPD (vgl. 23.6.1973), durch die EKKE Griechenland (vgl. 30.4.1973) und die Initiative fortschrittlicher Publizisten, Künstler und Wissenschaftler (vgl. 30.4.1973) sowie in:
- Bayern durch den KHB/ML der ABG (vgl. Mai 1973), dessen Zentralkollektiv auch einen Offenen Brief an die Genossen und Freunde im KSV richtet sowie durch den AB in Nürnberg (vgl. Mai 1974) und Weiden (vgl. 18.2.1974);
- Bremen durch den KOB (vgl. 17.5.1973);
- Hamburg durch SSG bzw. KG (vgl. 2.5.1973, 28.5.1973);
- Hessen durch die KG Eschwege (vgl. 12.5.1973) und die IG/KOG Frankfurt/Offenbach/Wiesbaden (vgl. 17.5.1973);
- Niedersachsen durch den KSB Braunschweig (vgl. 25.4.1973);
- NRW durch das KPD-RK (vgl. 6.3.1978), in Bochum durch die ML (vgl. Juni 1973); in Dortmund durch den DKP-Kreisvorstand (vgl. 11.4.1973, 12.4.1973), vom KSV der KPD (vgl. 20.4.1973) und vom AStA der PH (vgl. 21.5.1973) sowie im IGM-Bereich bei Hoesch durch die DKP (vgl. 12.4.1973), die KPD/ML-ZK (vgl. 23.4.1973) und die KPD (vgl. 24.4.1973); in Duisburg durch die ML Duisburg bei Mannesmann (vgl. 10.4.1973) und in Münster durch KJK, SK/ML, KSV und LgdI (vgl. 2.4.1973) sowie die Vietnamausschüsse WWW (vgl. 11.4.1973).
Q: ML Bochum: Gegen politische Unterdrückung – das geschlossene Handeln der ML-Bewegung,Bochum o. J.; KPD, LgdI, NVK: Bonner Rathaus von Antiimperialisten besetzt! Kommt zum Marktplatz!, O. O. o. J.;Rote Robe Nr. 3/1973, Heidelberg, 9. Juli 1973, S.95ff.;Weg mit den Demonstrationsverboten! Uneingeschränkte Demonstrationsfreiheit für Demokraten und Kommunisten!,Dortmund o.J. (Mai 1973),S.4;Komitee Hände weg von der KPD:Bulletin Nr.1,Köln o.J. (1973),S.1ff;Der Polizeipräsident Bonn:Polizei Bonn 73. Jahresbericht 1973 der Kreispolizeibehörde Bonn,Bonn o.J. (1974),S.10 und 28;Die Lanze,Duisburg 10.4.1973,S.1f;KPD-RK NRW:Veranstaltung der KPD. Solidarität mit dem Aufbau des demokratischen Kampuchea!,Dortmund o.J. (1978),S.4;KSV Dortmund:Kampf allen Einschüchterungs- und Illegalisierungsversuchen,Dortmund o.J. (Apr. 1973);Stählerne Faust Extra,Dortmund 1.5.1973,S.7f;Der Standpunkt,Kiel Mai/Juni 1973,S.3f;DKP-Kreisvorstand Dortmund:Achtung! Wichtige Information für alle!,Dortmund 11.4.1973,S.1;DKP Kreisvorstand Dortmund:Werte Kollegen,Dortmund 12.4.1973,S.1;Eschweger Kommentare Nr.2,Eschwege Mai 1973,S.6;Kämpfende Jugend Nr.5,Dortmund Apr. 1973,S.1 und 12;Kommunist Extra,Göttingen o.J. (1974);Kommunistische Arbeiterzeitung Nr.35,München Mai 1973;Kommunistische Studentenzeitung Nr.14,München Mai 1973,S.14f und Beilage;Rote Presse Nr.6 und Extra,Hamburg 2.5.1973 bzw. 28.5.1973,S.1 und 15f bzw. S.1ff;Roter Aufmucker Nr.26,München Mai 1973,S.5;Roter Morgen Nr.15,Dortmund 21.4.1973,S.1 und 5;Roter Widerdruck Nr.22,München Mai 1973;Rotes Signal Nr.4/5,Erlangen April/Mai 1973,S.14f;Rote Hochschulzeitung Nr.9,Braunschweig 25.4.1973,S.8f und 16 sowie Beilage;Schulkampf Nr.5,Bremen 17.5.1973,S.16ff;Schulkampf Nr.4,Frankfurt Mai 1973,S.9;Metallarbeiter Nr.1,Nürnberg Mai 1974,S.2;Die Neue Welt Nr.6/7,Frankfurt ***1978,S.2;Wahrheit Nr.4,Bremen Apr. 1973;Arbeiter-Zeitung Nr.5,Mannheim/Heidelberg Mai 1973;Rote Fahne Nr.15, 16, 17 und 19,Dortmund 11.4.1973, 18.4.1973, 25.4.1973 bzw. 9.5.1973,S.1 und 6, S.2, S.1 und 3 bzw. S.7;Rote Fahne Sonderdruck Erklärung des Zentralkomitees der KPD,Dortmund o.J. (Apr. 1973);Kommunistische Hochschulpresse Nr.8,Frankfurt 2.5.1973;Hammer und Amboß Maizeitung,Lüneburg 1973,S.2;Kämpfende Jugend Nr.5,Dortmund Apr. 1973;Münchner Studentenzeitung Nr.3,München 4.5.1973;HZ,Dortmund März 1975,S.2;Heisse Eisen Extrablatt Gegen Unternehmerwillkür und Berufsverbot!!!,Dortmund Apr. 1973,S.2;KPD-OL Dortmund:Faschist Thieu - Raus aus der BRD,Dortmund o.J. (Apr. 1973);Kommunistische Arbeiterpresse Hoesch Nr.23,Dortmund 24.4.1973,S.2f;Der Rote Schlüssel,Weiden Jan./Feb. 1974,S.5 und 8;DOS Nr.20,Dortmund o.J. (1973),S.4ff;Vietnamausschüsse WWU: Nixon - Mörder! Thieu - Henker! Brandt – Komplice!, o. O. O. J. (1973);KJK, KSV, SK/ML, LgdI: Faschist Thieu raus aus Bonn!, o. O. Münster) o. J. (1973)

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10.04.1973:
Die KPD berichtet:"
Ungefähr dreißig Genossen des niederländischen Nationalen Vietnamkomitees veranstalteten am Dienstagnachmittag vor dem Konsulat der BRD in Amsterdam eine kurze Kundgebung gegen den Empfang des Faschisten Thieu durch den deutschen Bundespräsidenten. Sie trugen Schilder mit der Aufschrift 'Thieu - Mörder, Brandt - Komplize!'."
Q: Rote Fahne Nr.15,Dortmund 11.4.1973,S.6

10.04.1973:
In Hamburg beteiligen sich, laut und mit SSG Hamburg (vgl. 2.5.1973), heute zunächst rund 300 an einer Vietnamdemonstration gegen den Thieubesuch, der Schlusskundgebung am Mönckebrunnen hören rund 600 Leute zu.
Q: Rote Presse Nr.6,Hamburg 2.5.1973,S.6

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10.04.1973:
In Kiel riefen, laut den Roten Zellen Kiel (RZK – 16.4.1973), sowohl das von ihnen unterstützte Vietnamkomitee als auch der Vietnamausschuss des NVK der KPD vermutlich für heute zur Demonstration gegen den Thieubesuch auf, woran ca. 400 Menschen teilnahmen.
Q: Kommunistische Studentenzeitung Nr.3,Kiel 16.4.1973,S.9f und 25

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11.04.1973:
In Münster berichten die Vietnamausschüsse WWU des NVK der KPD vermutlich ab heute in einem Flugblatt "Nixon - Mörder! Thieu - Henker! Brandt – Komplice!" von der Bonner Rathausbesetzung am 10.4.1973.
Q: Vietnamausschüsse WWU: Nixon - Mörder! Thieu - Henker! Brandt – Komplice!, o. O. O. J. (1973)

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12.04.1973:
Der DKP Kreisvorstand Dortmund gibt den folgenden Text von einer Seite DIN A4 zur Vietnamdemonstration bzw. Rathausbesetzung der KPD in Bonn (vgl. 10.4.1973) heraus:"
Werte Kollegen,

die Verwüstung des Bonner Rathauses am 10.4., die insbesondere seitens der Springer-Presse der DKP in die Schuhe geschoben wird, gibt uns Veranlassung, hierzu unsere Position darzulegen:

Die DKP verurteilt die Politik und die Ausschreitungen maoistischer und anarchistischer Schlägertrupps auf das Schärfste.

Derartige Provokationen arbeiten nur den reaktionären, fortschritts- und gewerkschaftsfeindlichen Kräften in die Hände, sie diskreditieren jede demokratische, fortschrittliche Bewegung.

Verschiedene Anzeichen deuten darauf hin, daß die gleichen Splittergruppen, die für die Ausschreitungen in Bonn verantwortlich sind, auch für Dortmund derartige Provokationen planen. So plant eine sogenannte 'Revolutionäre Gewerkschaftsopposition' (RGO,d.Vf.), die offen zur Spaltung der Gewerkschaft aufruft, für den 14./15.Mai in Dortmund-Mengede (im Städtischen Saalbau!) einen Spalterkongreß. Am 14.April soll die Demonstration gegen das Berufsverbot (BV,d.Vf.), am 1.Mai die Demonstration des DGB gestört werden. So wird z.B. in einem Flugblatt des 'Maikomitees oppositioneller Gewerkschaftler' ((MK,d.Vf.) Gegen Monopolkapital und Gewerkschaftsführung!) ein 'oppositioneller Block in der Demonstration des DGB' angekündigt.

Wir halten es für dringend erforderlich, den Provokations- und Spaltungsversuchen am 14./15.April und am 1.Mai durch eine umfassende Mobilisierung der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter und Angestellten eine entschiedene Abfuhr zu erteilen. Eine möglichst breite Beteiligung an den Demonstrationen am 14.4. und am 1.5. wäre u.E. hierfür ein guter Ausgangspunkt.

Zu Eurer Information fügen wir als Anlage ein Exemplar unserer Betriebszeitung 'Heiße Eisen' bei, die heute in Dortmund vor den Betrieben des Hoesch-Konzerns (IGM-Bereich,d.Vf.) verteilt wurde."
Q: DKP Kreisvorstand Dortmund:Werte Kollegen,Dortmund 12.4.1973

13.04.1973:
An der Universität Bonn wird, laut SSG Hamburg (vgl. 2.5.1973), auf einem Teach-In des KSV die Rathausbesetzung (vgl. 10.4.1973) diskutiert. Der AStA-Vorsitzende Markard (MSB) verurteilt diese als 'Verbrechen' und widersetzt sich seinem mehrheitlich geforderten Ausschluss von der Veranstaltung, woraufhin es zu Handgreiflichkeiten kommt (vgl. 14.4.1973).
Q: Rote Presse Nr.6,Hamburg 2.5.1973,S.5

14.04.1973:
An der Universität Bonn wird, laut SSG Hamburg (vgl. 2.5.1973), für ein weiteres Teach-In des KSV (vgl. 13.4.1973, 15.4.1973) kein Raum vergeben, da dieser die Öffentlichkeit nicht garantieren will. Es kommt zum Polizeieinsatz gegen die trotzdem teilnehmenden ca. 250 bis 300 Menschen.
Q: Rote Presse Nr.6,Hamburg 2.5.1973,S.5

15.04.1973:
An der Universität Bonn wird, laut SSG Hamburg (vgl. 2.5.1973), vom Rektor die Polizei gerufen und der Campus geschlossen, nachdem vom KSV und der Initiativgruppe KG (Sympathisanten der Kommunique-Gruppen des späteren KBW) zu einem weiteren Teach-In (vgl. 14.4.1973) aufgerufen wurde. Zu diesem rufen dann alle politischen Gruppen auf, es beteiligen sich ca. 1 500 auf dem Campus. Eine KSV-Demonstration wird von der Polizei zerschlagen.
Q: Rote Presse Nr.6,Hamburg 2.5.1973,S.5

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16.04.1973:
Die KPD äußert sich:"
Zum Monitor-Bericht vom 16.4.1973

Wer bisher noch geglaubt hatte, systematische Lügen und Pogromhetze seien nur die Spezialitäten der Springer-Presse, der konnte sich in der 'Monitor-Sendung' vom 16.4. über die antiimperialistischen Aktionen anläßlich des Thieu-Besuches (in Bonn - vgl. 10.4.1973,d.Vf.) eines besseren belehren lassen. Journalisten dieser Sendereihe hatten bei uns nachgefragt, ob sich unsere Partei zu den Demonstrationen und Aktionen gegen Thieu, besonders zur Besetzung des Rathauses, äußern würde. Wir stimmten zu. Das hört sich bei dem 'Moderator' so an: 'Es ist uns gelungen, die Hintermänner des Sturms auf das Rathaus ausfindig zu machen und sie zum Sprechen zu bewegen'.

DER ZÜGELLOSEN HETZE ENTGEGENTRETEN!

Es werden sämtliche Lügen aufgetischt, von denen selbst Teile der bürgerlichen Presse abgerückt sind. 'Vermummte Gestalten', 'Die Fenster zerschlagen', 'Das Inventar zertrümmert' (alles ohne den Schatten eines Beweises). Anschließend wirft sich der Fernsehsprecher in die Moralistenpose und erregt sich über uns, die wir uns 'nicht scheuen, leichtfertig die Verantwortung für Gewalt zu übernehmen, die Schwerverletzte gefordert hat, und die, wenn ihnen nicht das Handwerk gelegt wird, auch Todesopfer fordern wird.'

Zunächst einmal: Schwerverletzt ist nicht der Polizist, der aufgrund einer Polizeierfindung, die der Moderator nachplappert, mit einer Eisenstange verletzt worden sein soll, sondern schwerverletzt ist einer unserer Genossen, dem ein Polizist einen Pflasterstein ins Gesicht geworfen hat.

Die Verbreitung von Polizeilügen ist aber für den Fernsehsprecher nur der Anlaß, das Publikum darauf vorzubereiten, daß die Polizei künftig rigoros von der Schußwaffe Gebrauch machen wird (siehe auch 'Schreiber-Interview').

Man muß sich folgendes vorstellen: Der Henker Thieu besucht die Bundesrepublik, die sein Regime bis jetzt mit über 170 Millionen unterstützt hat. Während der Bundespräsident empfängt, sterben in den Saigoner Gefängnissen täglich hunderte von politischen Gefangenen. Jede Mark, die dem Thieu-Regime zufließt, jede diplomatische Geste, die es stabilisiert, ist ein neuer Beweis für die Komplizenschaft der Brandt-Regierung. Von diesen Tatsachen (auf die wir im Interview hinwiesen!) keine Spur bei Casdorff und Co. Verbrecher ist nicht Thieu sondern Verbrecher sind diejenigen, die gegen ihn demonstrieren. Nicht die Brandt-Regierung ist der Mitschuld an den Massakern in Vietnam überführt, sondern die Demonstranten tragen schon jetzt die Schuld an der künftigen Ermordung ihrer eigenen Genossen. Das ist die Logik des Klassenfeindes!

Aus lauter Furcht, die Zuschauer könnten sich bei dem anschließenden Interview (ein kleiner Ausschnitt aus der gesamten Aufnahme) einige Gedanken machen, wurden bei den Antworten der Genossen Untertitel angebracht, und zum Schluß warnte der Moderator eindringlich davor 'auf die Parolen der eloquenten (sprachgewandten, d. R.) Rattenfänger hereinzufallen'.

Die ganze Hetze war zu schmierig aufgetragen. Zu deutlich war die Absicht, uns 'als Geheimbund im Mauseloch' darzustellen. Der Kongreß der revolutionären Gewerkschaftsopposition (RGO - vgl. 14.4.1973,d.Vf.), wo das Eintreten der 'anarchistischen Gewalttäter' für die Interessen der Arbeiterklasse offen und vielfältig dokumentiert wurde, beweist unsere konsequente Massenarbeit. Er wurde deshalb auch konsequent verschwiegen. Trotz dieser keineswegs neuen Erkenntnisse werden wir auch weiterhin jede Möglichkeit nutzen, die 'Medien' des Klassenfeindes als Tribüne zu nutzen. Es folgt der Wortlaut der Moderation und der Ausschnitt des Interviews, der gesendet wurde.

Monitormoderator Casdorff:
'Ein ständiges Gesprächsthema bei spätbürgerlichen Kaffenkränzchen und kerndeutschen Stammtischrunden ist nun schon seit Wochen und Monaten der rote Terror, der sich über die Bundesrepublik ergießt. In Unkenntnis aber auch Böswilligkeit wird dabei dann alles durcheinandergeworfen, wenn es darum geht, die Verantwortlichen dieser Demonstrationen in der letzten Zeit zu nennen. Da werden Jungsozialisten und Jungdemokraten (Jusos der SPD bzw. Judos der FDP,d.Vf.) ohne jede Hemmung gleichgesetzt mit Kommunisten und Maoisten und Trotzkisten, Anarchisten, Chaoten und was es sonst noch so gibt. Wir wollen deshalb heute abend mit mehreren Berichten einen Beitrag dazu leisten, daß auch der politische Normalverbraucher in die Lage versetzt wird, zwischen der Linken, die energisch aber legal sozialistische Ziele anstrebt und den verbrecherischen Gruppen, die von Klassenkampf sprechen aber den Straßenkampf meinen, zu unterscheiden. Die Terrorakte der letzten Tage in Frankfurt (vgl. 28.3.1973,d.Vf.) und Bonn haben sicher mehrere Väter. Die wichtigste Gruppe aber ist ohne Zweifel eine Organisation, die den Namen KPD übernommen hat.

Es ist uns gelungen, diese Hintermänner des Sturms auf das Bonner Rathaus ausfindig zu machen und sie zum Sprechen zu bewegen. Aufschlußreich ist, wie ich meine, nicht nur das, was sie sagen, sondern wie sie es tun: Junge Männer, die sich nicht scheuen, leichtfertig die Verantwortung für Gewalt zu übernehmen, die Schwerverletzte gefordert haben und, wenn ihnen nicht das Handwerk gelegt wird, auch Todesopfer fordern werden.

Der Polizeibericht meldet: Dienstag, 10. April, 10 Uhr 30, 60 vermummte Gestalten besetzen das Bonner Rathaus, zerschlagen Fenster und Inventar. Tausende bilden einen Wall gegen die anrückende Polizei. Demonstranten werfen mit Pflastersteinen und dreschen mit Eisenstangen und Schlagstöcken auf Polizisten ein. Die Folge: Schwerverletzte Beamte, schwerverletzte Demonstranten, ein Sachschaden von 1/2 Millionen Mark, auf dem Bonner Rathaus die Fahne der KPD.

120 km von Bonn die gleichen Parolen.

Hier sitzen die Verantwortlichen für die Aktion, in der Parteizentrale der KPD in Dortmund. Ihr Vorbild ist Mao, ist Rot-China. Gleichermaßen bekämpfen sie Kapitalismus und Sowjetkommunismus. Ein harter Kader, Genosse kann nur werden, wen die Führung auserwählt.'

Frage: Sie sind beide Mitglied des Zentralkomitees der KPD, einer maoistischen Organisation, die die Verantwortung für den Sturm des Rathauses in Bonn übernimmt. Haben Sie diese Aktion geplant, generalstabsmäßig geplant oder war das eine momentane Aktion?

Antwort: Diese Aktionen, die ja Massenaktionen sind, wo hunderte oder tausende von Menschen teilnehmen, werden natürlich von uns immer wieder geplant, werden geplant als antiimperialistische Manifestationen, werden geplant auch aus anderen Anläßen gegen den Feind im Inneren, die arbeiterfeindliche Brandt-Regierung, gegen den Feind im Äußeren.

Frage: Was kann das Motiv sein, bei solchen Aktionen, bei denen es zu Straßenschlachten kommt, zu Körperverletzungen, ja sogar soweit, daß Leute gefährdet werden, ihr Leben zu verlieren.

Antwort: Die Begründung für die Massenaktionen in Bonn liegt doch auf der Hand. Der Massenmörder und Faschist Thieu wird von der SPD-Regierung empfangen. Das empört alle Antiimperialisten und Antifaschisten in der Bundesrepublik, das empört jeden fortschrittlich denkenden Menschen, und gegen einen solchen Empfang ist es gerechtfertigt, alle Maßnahmen zu ergreifen, die notwendig sind, um eine solche Tat der Brandt-Regierung zu entlarven.

Frage: Ich kann mir nicht vorstellen, daß es sinnvoll ist, daß man sogar Polizisten erschlägt oder wenigstens in Lebensgefahr bringt, nur, um eine Demonstration gegen Thieu zu machen.

Antwort: Ihre Frage geht doch sicher dahin, ob wir bewußt Tote oder Schwerverletzte in Kauf nehmen, anläßlich solcher Aktionen. Wir meinen, daß unsere Genossen und unsere Freunde in erster Linie die Aufgabe hatten, den Rückzug derer zu sichern, die das Rathaus vorübergehend besetzt haben, um eine möglichst große Öffentlichkeit gegen den Thieu-Besuch zu mobilisieren.

Frage: Das haben Sie nicht erreicht, Sie haben aber erreicht, daß es Schwerverletzte gegeben hat auf beiden Seiten. Es wird berichtet vom außerordentlich brutalen Vorgehen eines Ihrer Genossen, er ist ja auch wegen versuchter Tötung festgenommen worden.

Antwort: Sie haben vorhin von generalstabsmäßiger Planung gesprochen. Natürlich gehört die generalstabsmäßige Planung der Polizei, die wie in diesem Fall auch einen brutalen Überfall in Szene gesetzt hat, nicht in unseren Bereich, das ist Sache der Polizei. Wir wissen aus Erfahrung, daß wir uns zu schützen haben, daß wir uns zu verteidigen haben gegen Überfälle der Polizei, und wenn's dabei zu harten Auseinandersetzungen kommt, muß jeder wissen, der heutzutage Polizist ist, auf wen er angesetzt wird.

Frage: Ist das nun die neue Taktik Ihrer Partei, daß Sie in der nächsten Zukunft irgendwelche Aktionen vorbereiten werden? Irgendwelche Brutalitäten oder Gewalt?

Antwort: Das ist nicht die erste Aktion, dieser Art, die wir durchführen und wird auch nicht die letzte sein.

Frage: Waren Sie in Frankfurt auch mit dabei?

Antwort: Wir haben in Frankfurt mitdemonstriert. Wir meinen, daß im Zentrum die Massenmobilisierung zu stehen hat, und die zahlreichen Demonstrationen, die wir organisiert haben zur Unterstützung des Kampfs der Völker Indochinas beweisen das. Wir werden zu spektakulären Aktionen greifen, wenn spektakuläre Anläße es gebieten, wie z.B. der Besuch Thieus. Wir werden anläßlich des Besuchs Breschnews (aus der SU - vgl. 19.5.1973,d.Vf.), wir haben es bereits beschlossen, Demonstrationen veranstalten.

Frage: Auch so wie in Bonn jetzt?

Antwort: Das ist eine Frage der Taktik, keine Grundsatzfrage. Wir meine aber, daß es in erster Linie darauf ankommt, wie auch in Bonn, wo wir 5 000 Menschen auf die Beine gebracht haben, Massenmobilisierungen durchzuführen.

Frage: Träumen Sie nicht eine romantisch-revolutionäre Idee einer Revolution, die in der Bundesrepublik gar nicht funktionieren kann?

Antwort: Träumer sind meiner Meinung nach diejenigen, die glauben, mit Strukturreformen die kapitalistische Gesellschaft überwinden zu können. Realisten sind die, die den Gewaltapparat des Monopolkapitals analysiert haben und die wissen, daß der Weg zum Sozialismus auch in der Bundesrepublik mur über die bewaffnete Auseinandersetzung der Volksmassen mit dem kapitalistischen Staatsapparat gehen wird.

Frage: Aber die Volksmassen tun das gegenwärtig nicht und werden es auch nicht tun.

Antwort: Der erste Teil Ihrer Behauptung ist sicher richtig. Was den zweiten anlangt: Für den revolutionären Zusammenschluß der Arbeiterklasse, für den revolutionären Zusammenschluß des Volkes kämpfen wir seit unserer Gründung.

Casdorff:
'Meine Damen und Herren, da sitzen nun diese jungen Männer und bekennen sich geradezu im Plauderton zur Gewalt und sprechen vom Bürgerkrieg, ohne auch nur die geringste Ahnung von seinen Schrecken zu haben. Ich halte es auch für falsch, solche Äußerungen als unausgegoren abzutun. Dieser Filmbericht sollte vielmehr eine Warnung und ein Appell sein, eine nachdrückliche Warnung an alle jungen Menschen, nicht auf die Parolen eloquenter Rattenfänger reinzufallen, ein Appell an die zuständigen Polizeibehörden, für die Untaten von Krawallschlägern nicht die politische Jugend verantwortlich zu machen, gegen erkannte terroristische Gruppen aber sehr energisch vorzugehen, so wie das heute in Köln und Bonn wohl schon geschehen ist.'"

Von dem Interview berichtet die KPD auch in NRW bei Hoesch Dortmund (IGM-Bereich - vgl. 24.4.1973).
Q: Wissenschaft im Klassenkampf Nr.3/4,Köln *** 1973,S.121; Rote Fahne Nr.16,Dortmund 18.4.1973,S.8;Kommunistische Arbeiterpresse Hoesch Dortmund Nr.23,Dortmund 24.4.1973,S.2

17.04.1973:
Die Hochschulleitung Bochum des KSV der KPD gibt die Broschüre "Dokumentation über den Kampf gegen den Besuch des Faschisten Thieu in Bonn. Die Bonner Rathausbesetzung" heraus. Enthalten sind die Abschnitte bzw. Artikel:
- "Kommunisten im Rathaus" aus der 'Kämpfenden Jugend' Nr.4/1973;
- "Der Besuch des Faschisten Thieu - Eine Provokation für das deutsche Volk";
- "Rathausbesetzung - Vandalismus oder antiimperialistische Solidarität?;
- "Sachschaden und Schlägerei - auf wessen Seite steht die Gewalt?";
- "Zwei Seiten im Kampf";
- "Die antiimperialistische Solidarität verstärken - den Kampf gegen den staatlichen Terror führen!";
- "Fahndung nach Rathausstürmern";
- "Folter in Vietnam";
- "Die Kriegsgefangenen kehren heim. Aus Thieu's KZs… - aus Nordvietnam";
- "'Vietnam-Hilfe' der SPD/FDP-Regierung - imperialistische 'Entwicklungshilfe' zur Ausbeutung des vietnamesischen Volkes";
- "Die SPD-Regierung Arm in Arm mit dem US-Imperialismus" zu Repressionen gegen die LgdI-Ortsgruppe Essen;
- "Die bürgerliche Presse stempelt Antiimperialisten und Antifaschisten zu Kriminellen, ihre Organisationen zu verbrecherischen 'Geheimbünden'"; sowie
- "Die Revisionisten des MSB stehen der Hetze der Springerpresse in Nichts nach - im Gegenteil!"
Q: KSV-Hochschulleitung Bochum: Dokumentation über den Kampf gegen den Besuch des Faschisten Thieu in Bonn. Die Bonner Rathausbesetzung, Bochum 17.4.1973

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18.04.1973:
Das Regionalkomitee Wasserkante des KSV der KPD gibt frühestens heute die Broschüre "Dokumente und Berichte zu den antiimperialistischen Aktionen gegen den Besuch van Thieus" heraus mit den Abschnitten:
- "Tausende forderten: Henker Thieu raus!";
- "Kommunisten im Rathaus";
- "Heuchelei und Hetze der Volksfeinde";
- "DKP und MSB-Spartakus: offen auf der Seite der Volksfeinde!";
- "DKP-Führer: Feinde des vietnamesischen Volkes!";
- "Kampf dem staatlichen Terror der Brandt-Regierung!"; sowie.
- ein Aufruf zu den Hamburger Mai-Aktionen der KPD.

Beigelegt ist ein Sonderdruck der 'Roten Fahne' mit der "Erklärung des Zentralkomitees der KPD" zu den Razzien in Bonn, Köln und Reutlingen und dem Aufruf zur Maidemonstration der KPD in Hamburg sowie zur Maiveranstaltung in Hamburg am 30.4.1973.
Q: KSV-RK Wasserkante: Dokumente und Berichte zu den antiimperialistischen Aktionen gegen den Besuch van Thieus; Rote Fahne Erklärung des Zentralkomitees der KPD, Hamburg o. J. (1973)

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25.05.1973:
In Köln beginnt, laut KSB Bremen, die 3.außerordentliche dreitägige MV des SVI (vgl. 13.4.1973), auf der ein neuer Bundesvorstand aus 3 Vertretern der Kommunique-Organisationen (späterer KBW) und einem Vertreter der Sozialistischen Basisgruppe Hannover gebildet wird. Eine Mehrheitsfraktion werde gebildet von Kommunique-Organisationen, KHB/ML der ABG, SHB/SF, KSG/ML des KABD und den Basisgruppen. Der KSV der KPD arbeite zwar mit, habe aber so gut wie keinen politischen Einfluß. Laut KHB/ML (vgl. Juni 1973) versucht ein KSV-Anhänger u.a. den SVI zur Solidarisierung mit der Bonner Rathausbesetzung (vgl. 10.4.1973) zu bewegen.
Q: Unter dem Roten Banner Nr.11,Bremen 13.6.1973; Kommunistische Studentenzeitung Nr.15,München Juni 1973,S.8

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Juni 1973:
In Göttingen gibt die Kommunistische Schülerfront (KSF) Göttingen die Nr. 5 ihres 'Schulkampfs' (vgl. Apr. 1973, 28.6.1973) als Zentralorgan heraus. Gefragt wird "Verbot der Kommunisten?", wobei u.a. Bezug genommen wird auf die Rathausbesetzung in Bonn am 10.4.1973.
Q: Schulkampf Nr. 5,Göttingen Juni 1973

15.10.1973:
Die Rote Hilfe (RH) e.V. der KPD (vgl. 10.10.1973) berichtet (vgl. 13.10.1973, 5.11.1973):"
FREIHEIT FÜR ULI KRANZUSCH!

Am 15.10. beginnt vor dem Landgericht Bonn der Prozeß gegen Uli Kranzusch, der 3 Wochen dauern wird. Uli Kranzusch hat an der Demonstration (vgl. 10.4.1973,d.Vf.) teilgenommen, an der sich über 3 000 Menschen beteiligten, um gegen den Besuch des Faschisten Thieu (Südvietnam,d.Vf.) zu protestieren und den Forderungen Nachdruck zu verleihen: Thieu - Henker aus Saigon - Raus aus Bonn! Keinen Pfennig für das Thieu-Regime - Alles für das Volk! Seit fast einem halben Jahr wird Uli Kranzusch widerrechtlich in Haft gehalten.

Der ungeheure Vorwurf der Anklage lautet: Versuchter Totschlag und Widerstand gegen die Staatsgewalt.

Uli Kranzusch wird vorgeworfen, einen Polizeibeamten mit einer Eisenstange angegriffen und dabei versucht zu haben, ihn zu töten. Wie unhaltbar der Vorwurf der Anklage ist, zeigt die Tatsache, daß sich die Anklage vorwiegend auf Polizeizeugen und zivile Kriminalbeamte stützt; zeigt die Tatsache, daß nach wiederholten Untersuchungen das Bundeskriminalamt keine Lackspuren an der Eisenstange feststellen konnte.

Tatsache ist, daß U. Kranzusch während des Rückzuges der Demonstranten vom Bonner Marktplatz inmitten von Tränengaswolken brutal von einem Polizisten geschlagen wurde, so daß ihm ein Teil des Backenzahnes kaputtging. Er hob eine Eisenstange auf, um sich gegen weitere Angriffe zu schützen und gebrauchte die Eisenstange nicht, um Polizisten anzugreifen, geschweige denn zu töten, und wurde kurz darauf von 4 Polizisten festgenommen.

WORUM GEHT ES IN DIESEM PROZESS?

Der Vorwurf der Anklage, der sich auf unhaltbare Beweise stützt, der Vorwurf des VERSUCHES zeigt, daß Uli Kranzusch alleine wegen seiner politischen Gesinnung bestraft werden soll. Worum geht es also?

- Der Prozeß gegen Uli Kranzusch soll Auftakt und Vorbild sein für Hundert von anstehenden Prozessen gegen Demonstranten. Diejenigen, die sich gegen Völkermord, Ausbeutung und Unterdrückung einsetzen, sollen als Kriminelle abgeurteilt werden, eingeschüchtert und vom Kampf abgehalten werden. Dieser Prozeß ist ein Anschlag auf die demokratischen Rechte des Volkes: die lange Inhaftierung von Uli Kranzusch und seine geplante Verurteilung sollen entschiedene Demokraten, Antiimperialisten und Kommunisten davon abhalten, von ihren Grundrechten auf Meinungsäußerungs- und Demonstrationsfreiheit Gebrauch zu machen.

- Durch die Aburteilung Einzelner sollen die Beweise geschaffen werden, die bisher nicht erbracht werden konnten, um fortschrittliche Organisationen als 'kriminelle Vereinigungen' zu verbieten. Die Aufrechterhaltung des Haftbefehls, die Beschlagnahmung von Briefen von und an Uli Kranzusch, sowie Maßnahmen der Isolierhaft (lange Zeit Verweigerung einer Schreibmaschine, Einschränkung des tägliches Rundganges und der Teilnahme an Gemeinschaftsveranstaltungen) wurden u.a. mit dem Hinweis auf die Ermittlungen nach Paragraph 129 Strafgesetzbuch begründet.

- Die Verurteilung von Uli Kranzusch als einem von Tausenden, der Völkermord und die Verbrechen am vietnamesischen Volk verurteilt, soll von den Verbrechen der Thieu-Clique, von der Tatsache, daß dieser Massenmörder 165 Mio. DM aus Steuergeldern von der Bundesregierung erhielt, ablenken; soll ablenken von der Tatsache, daß die Bundesregierung bis heute diplomatische Beziehungen zur Marionettenregierung in Südvietnam unterhält, diese seit Jahren durch 'wirtschaftliche Hilfe' unterstützt, den Vertretern der Demokratischen Republik Vietnam (DRV,d.Vf.) und der Provisorischen Revolutionären Regierung (PRR,d.Vf.) der Republik Südvietnam dagegen die Einreise verweigert. Abgelenkt werden soll von der Tatsache, daß deutsche Monopole Kriegsmaterial und chemische Waffen der Marionettenregierung in Südvietnam liefern, daß deutsche Unternehmen das vietnamesische Volk ausplündern.

Die Verbrechen der Thieu-Clique und ihre Unterstützung durch die Brandt-Regierung sollen verschwiegen werden - deshalb soll Uli Kranzusch abgeurteilt werden.

Der Prozeß gegen Uli Kranzusch ist deshalb ein Prozeß gegen die ganze antiimperialistische Bewegung, gegen diejenigen, die Völkermord und die Verbrechen der Thieu-Clique verabscheuen und verurteilen. Wer die Verteidigung der demokratischen Grundrechte ernst nimmt darf es nicht zulassen, daß Demonstranten als Kriminelle abgeurteilt werden und das Recht auf Meinungsäußerungs- und Demonstrationsfreiheit auf diese Weise außer Kraft gesetzt wird!

SCHLUSS MIT DER ISOLIERHAFT!

Uli Kranzusch wird nicht nur seit 1/2 Jahr widerrechtlich in Haft gehalten. Er ist darüberhinaus den erschwerten Haftbedingungen der politischen Gefangenen, wie sie in der BRD üblich geworden sind, ausgesetzt. Bis September wurden seinen Freunden und seiner Verlobten jeglich Besuche verweigert. Monatelang wurde ihm eine Schreibmaschine nicht genehmigt. Bücher, Zeitschriften und Briefe wurden beschlagnahmt. Die Teilnahme am täglichen Rundgang und an Gemeinschaftsveranstaltungen ist stark eingeschränkt… Es ist allein der Standfestigkeit von Uli Kranzusch und der starken Solidaritätsbewegung zu verdanken, daß einzelne Maßnahmen der Isolierhaft gelockert wurden und die Isolierhaft ihren Zweck verfehlte: Uli Kranzusch zu zermürben und ihn an der Verteidigung zu hindern. Wir fordern:
- Uneingeschränkte Besuchserlaubnis!
- Aufhebung der Zensur von Büchern, Zeitschriften und Briefen!
- Uneingeschränkte Informationsfreiheit der politischen Gefangenen über Presse, Rundfunk und Fernsehen! …

Freiheit für Uli Kranzusch bedeutet die Verteidigung der Grundrechte derjenigen, die sich für den gerechten Sieg des vietnamesischen Volkes einsetzen!

FREIHEIT FÜR ULI KRANZUSCH!
FREIHEIT FÜR ALLE POLITISCHEN GEFANGENEN!
ALLES FÜR DEN ENDGÜLTIGEN SIEG DES VIETNAMESISCHEN VOLKES!"

Berichtet wird auch durch den KOV (vgl. Okt. 1973) und die KPD bei Ford (vgl. 8.10.1973).
Q: Kommunistische Arbeiterpresse Ford Niederlagen in Siege verwandeln!,Köln o. J. (1973),S.6; Rote Hilfe Nr.1,Dortmund o.J. (1973),S.2f;Schulkampf Nr.10,Dortmund Okt. 1973,S.1f

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05.11.1973:
Vor dem Landgericht Bonn trägt Uli Kranzusch der in Bonn wegen der Rathausbesetzung angeklagt wird (vgl. 10.4.1973, 15.10.1973) sein Plädoyer vor.
Q: Schulkampf Nr.11,Dortmund Nov. 1973,S.8f

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17.12.1973:
Der Kommunistische Oberschülerverband (KOV) der KPD gibt seinen 'Schulkampf' Nr.12 (vgl. Nov. 1973, Jan. 1974) für Dezember frühestens in dieser Woche mit heraus. Berichtet wird auch vom "Schandurteil gegen Uli Kranzusch".
Q: Schulkampf Nr.12,Dortmund Dez. 1973,S.9

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19.02.1975:
Der Kommunistische Jugendverband (KJV) der KPD gibt die Nr.4 seiner 'Kämpfenden Jugend' (KJ - vgl. 5.2.1975, 5.3.1975) heraus. Gewürdigt wird das fünfjährige Bestehen der KPD, wobei auch auf die Rathausbesetzung in Bonn am 10. April 1973 eingegangen wird.
Q: Kämpfende Jugend Nr.4,Dortmund 19.2.1975,S.5

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19.02.1975:
Der Kommunistische Jugendverband (KJV) der KPD gibt die Nr.4 seiner 'Kämpfenden Jugend' (KJ - vgl. 5.2.1975, 5.3.1975) heraus. Gewürdigt wird das fünfjährige Bestehen der KPD, wobei auch auf die Rathausbesetzung in Bonn am 10. April 1973 eingegangen wird.
Q: Kämpfende Jugend Nr.4,Dortmund 19.2.1975,S.5

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Letzte Änderungen: 15.5.2012

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