Solidaritätskomitee Freies Irland: "Freies Irland" (1972-1973)

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Dietmar Kesten, Gelsenkirchen, 10.4.2019


Die Datenbank MAO ist ein
vollständig selbstfinanziertes Projekt.
Unterstützen Sie uns durch

Die Zeitschrift "Freies Irland" stammt, wie nicht nur Anzeigen nahelegen, aus der trotzkistischen Ecke des politischen Spektrums. Vermutlich sind in den Jahren 1972 und 1973 nur drei Nummern erschienen. Sonst bitten wir um Ergänzungen.

Liste der als Scans vorhandenen Zeitungen

Auszug aus der Datenbank "Materialien zur Analyse von Opposition" (MAO)

September 1972:
Vermutlich im September oder Oktober erscheint die Nr. 1 der Zeitschrift "Freies Irland" mit einer Auflage von 1.000 Exemplaren in Hamburg, hrsg. vom "Solidaritätskomitee Freies Irland".

Im Artikel "Selbstverständnis dieser Zeitung" heißt es u. a: "Nach dem Auseinanderbrechen der Studentenrevolte und der nachfolgenden 'Organisationsphase' erscheint die westdeutsche Linke heute neutralisiert, aufgesplittert in unzählige Parteien, Sekten, Zirkel, Schulungsgruppen und Organisationsansätze. An die Stelle militanter antiimperialistischer Massenaktionen trat organisationsborniertes Gezänk, Reaktionsunfähigkeit und Dogmatismus.

Unter dem Schlagwort den 'Klassenkampf im eigenen Land' zu führen und dem 'Primat des Parteiaufbaus' wurde die Abkehr von den Problemen des internationalen Klassenkampfs legitimiert.

'Bewußtseinsbildung' am Schreibtisch und kasernenmäßige Organisationsdisziplin waren die Grundlagen für die neuen 'Avantgarden' die heute den Arbeitern mit ihrem ökonomistischen Geschwätz in den Ohren liegen und dabei nichts anderes bewegen als sich selbst; die praktische Solidarität mit den kämpfenden Völkern der 3. Welt und den revolutionären Befreiungsbewegungen in den Ländern der europäischen Peripherie wurde auf dem Altar des Parteiaufbaus geopfert.

'Freies Irland' begreift sich als ein Instrument um die politische Demobilisierung der westdeutschen Linken aufzubrechen, indem es praktische Formen der Auseinandersetzung und der Aktion aufzeigt, die der Unterstützung der irischen Revolution dienen. Die Demobilisierung der Linken aufzubrechen, heißt für uns nicht, die vergangene 'Jugendrevolte' unbesehen aus der Ecke der Geschichte herauszuholen, sondern heißt über die Solidarität mit der irischen Revolution innerhalb der westdeutschen Linken ein Bewußtsein zu schaffen für die Notwendigkeit, die Analyse der Entwicklung des internationalen imperialistischen Systems und die Erfahrungen der westeuropäischen Arbeiterbewegung als Grundlage revolutionärer Strategie zu begreifen.

Es ist unsere Aufgabe, die Erfahrungen der irischen Arbeiterbewegung als Teil der europäischen Arbeiterbewegung, in die Diskussionen der westdeutschen Linken einzubringen und die politische Diskussion über die Perspektiven des Kampfs für nationale Selbstbestimmung und für eine vereinigte irische Arbeiterrepublik mit den vorhandenen Organisationsansätzen aufzunehmen." (S. 3)

'Freies Irland' wird vom "Solidaritätskomitee Freies Irland" in Braunschweig, Hamburg und Berlin-West herausgegeben. Die Zeitung "begreift sich als Diskussionsorgan mit dem Ziel, eine breite Solidaritätsbewegung der irischen Revolution in Westdeutschland aufzubauen: von daher werden wir alle Stellungnahmen und Analysen derjenigen revolutionären Organisationen und Gruppen veröffentlichen, die zur Unterstützung der irischen Revolution bereit sind, und werden versuchen, eine Auseinandersetzung über die irische Revolution innerhalb der westdeutschen Linken einzuleiten". (S. 5)

Artikel der Ausgabe sind:
- "Zum Selbstverständnis dieser Zeitung"
- "Zur Geschichte des irischen Republikanismus"
- "Christian S.: Zur Rolle der Gewalt in Ulster und die Berichterstattung in der bürgerlichen Presse"
- "Derry: Avantgarde des Widerstandes"
- "Irland: Das Auge des Hurricanes"
- "Bob P./Gery L.: Political Prisoners"
- "Bob P.: Kein berühmter Sieg"
- "Wer waren die Mörder?"
- "Val G.: Die Officials und die republikanische Einheit"
- "Niall N.: Der Kampf im Süden"

Geworben wird für den politischen Buchladen "Manifest" in Hamburg, für "Internationale sozialistische Publikationen" in Hamburg
Quelle: Solidaritätskomitee Freies Irland: Freies Irland, Nr. 1, Hamburg, (September/Oktober 1972).

Dezember 1972:
Vermutlich zum Jahresende erscheint die Nr. 2 der Zeitschrift "Freies Irland" mit einer Auflage von 2.000 Exemplaren in Hamburg, hrsg. vom "Solidaritätskomitee Freies Irland".

Im "Editorial" heißt es zur Herausgabe: "Wir wollen im Rahmen dieses Editorials noch einmal auf die Frage eingehen, wie sich eine solidarische Position mit dem irischen Freiheitskampf heute bestimmen lässt.

Gerade in der Situation, in der sich eine Solidaritätsbewegung mit der irischen Revolution in ersten Ansätzen zu formulieren beginnt, scheint es uns notwendig zu sein, von Anfang an auf die Schwächen einer 'parteilichen' Unterstützung ausschließlich für einen Flügel der Republikanischen Bewegung hinzuweisen.

Jede solidarische Position mit nationalen Befreiungsbewegungen muss ansetzen an dem uneingeschränkten Recht jedes unterdrückten Volkes auf nationale Selbstbestimmung und auf den Kampf für völlige Unabhängigkeit von seinen Unterdrückern. Das Eintreten für das Recht auf nationale Selbstbestimmung gegen die Bourgeoisien der Metropolen ist die grundsätzliche Pflicht jedes Revolutionärs, sie kann nicht abhängig gemacht werden von der Existenz einer sozialistischen Klassenführung, und von dem Bestehen einer klaren sozialistischen Programmatik.

Betrachten wir die Situation des irischen Kampfes heute, so können wir feststellen, dass in beiden Teilen des Landes, mit unterschiedlicher Intensität und in unterschiedlichen Formen, der Kampf für nationale Selbstbestimmung geführt wird.

Die entschiedensten Teile der republikanischen Bewegung, die beiden Flügel der IRA, führen diesen Kampf auf der Grundlage unterschiedlicher Programme und unterschiedlicher Praxisformen gegen das britische Militär wie gegen den reaktionär-klerikalen Staat Irland und den künstlichen Unionisten-Staat Ulster.

Obgleich keiner dieser beiden Flügel heute in der Lage ist, eine sozialistische Transformation Irlands, den Aufbau einer irischen Arbeiterrepublik vom Programm wie von der Praxis her in Angriff zu nehmen, bedarf ihr Kampf unserer eingeschränkten Solidarität, ohne dass wir die Notwendigkeit der Verbindung des nationalen Kampfs mit den Forderungen nach einer irischen Arbeite Republik in Frage stellen. Um es noch einmal klar zu formulieren, weder die Officials IRA, die zwar ein sozialistisches Selbstverständnis formuliert, aber in ihrer Praxis und in ihren Forderungen noch weitgehend ein reformistisches Konzept vertritt, noch die Provisional IRA, die in ihrer Führung kleinbürgerlich-nationalistisch und in ihrer Gesamtheit heterogen alle politischen Strömungen vom militanten Nationalismus bis hin zu revolutionär-sozialistischen Ansätzen repräsentiert, vertreten heute eine 'marxistische Klassenlinie' im irischen Kampf.

Aber es ist nicht unsere Aufgabe, den irischen Genossen Bedingungen für unsere Solidarität zu diktieren unter denen wir bereit sind, ihren Kampf zu unterstützen und wir haben nur dann das Recht eine solidarische Kritik an ihrem Kampf zu üben, wenn wir grundsätzlich ihr Recht auf nationale Selbstbestimmung ihren politischen und militärischen Kampf gegen den britischen Imperialismus und gegen die irische Reaktion unterstützen. Mit dieser Position stehen wir im Gegensatz zu denjenigen Gruppen, deren Solidarität davon abhängig ist, inwieweit es ihnen gelingt aus der nationalen Befreiungsbewegung einen 'bewußtesten Teil' herauszudestillieren. (…)

Die aktuellste Entwicklung in der Republik Irland macht deutlich, wie dieser Staat, wie diese herrschende Klasse auf Gedeih und Verderb an den kritischen Imperialismus gekettet ist und dass diese Klasse weder in der Lage sein wird, sich an die Spitze einer nationalen bürgerlich-demokratischen Republik zu stellen noch in der Lage sein wird, die republikanische Bewegung in ganz Irland zu neutralisieren. Der Kampf für nationale Selbstbestimmung wird sich von daher über einen langfristigen Differenzierungsprozess innerhalb beider Flügel des irischen Republikanismus ausweiten in den Kampf für die irische sozialistische Republik und wird kleinbürgerlichen Nationalismus und Sektierertum in diesem Prozess hinter sich lassen.

Das Vorantreiben dieses Differenzierungsprozesses, die Herausbildung eines revolutionären Programms ist jedoch ausschließlich die Aufgabe der irischen Arbeiterklasse und kann auch nur von ihr gelöst werden. Aufgabe der westdeutschen Solidaritätsbewegung ist es jedoch nicht, einen Flügel der IRA gegen den anderen zu unterstützen. Wir sind mit allen nationalistischen und sozialistischen Organisationen der republikanischen Bewegung solidarisch, die den britischen Imperialismus und die einheimische Reaktion bekämpfen. Wir wollen propagandistisch und materiell mithelfen, die Entwicklung der irischen Revolution vom nationalen Freiheitskampf zur Vereinigten Irischen Arbeiterrepublik voranzutreiben!"

Artikel der Ausgabe sind:
- "Editorial"
- "Bernadette Devlins Appell"
- "Interview mit Tony Heffernan (Officials)"
- "Bob P.: Wohin gehen die Officials?"
- "H. M.: Die englische Arbeiterklasse und die Befreiung Irlands"
- "Der Unionismus"
- "Die Internationale Ausbeutung Irlands"
- "Peter Z.: Nord-Irland hat zwei Seiten. Wir sprechen hier von jener, die Sie Interessiert"
- "Stärkerer Anstieg der Industrie-Produktion in Nord-Irland"
- "Aisling C.: Die Repression in den 26 Grafschaften"

Geworben wird u. a. für die Edition Prinkipo im Verlag Olle&Wolter (West-Berlin), für den "Manifest-Buchversand" (Hamburg), für das "Vietnam-Info", für "Permanente Revolution", für "Was tun?", für "Klassenkampen", "Red Mole", "Mullvaden", "The Plough", für "Internationale Sozialistische Publikationen" (Hamburg). Bekanntgegeben wird, dass "Freies Irland" für Januar/Februar 1973 eine "Solidaritätskampagne" für Irland starten will.
Q: Solidaritätskomitee Freies Irland: Freies Irland, Nr. 2, Hamburg, (Dezember 1972).

Mai 1973:
Vermutlich im April oder Mai erscheint die Nummer 3 der Zeitschrift "Freies Irland" mit einer Auflage von 2000 Exemplaren in Hamburg, hrsg. vom "Solidaritätskomitee Freies Irland".

Im "Editorial" der Ausgabe heißt es u. a.: "In dieser Nummer setzen wir uns mit der Politik der Provisional IRA auseinander. Die Artikel sollen genauso als Diskussionsbeiträge verstanden werden, wie die im 'Freien Irland' Nr. 2 über die Officials: Sie sollen helfen, größere Klarheit über den Charakter der irischen Organisationen und die politischen Positionen innerhalb der republikanischen Bewegung zu schaffen. Uns kann und darf es nicht darum gehen, einen der beiden Flügel der IRA einseitig zu verdammen, oder gegen den anderen zu unterstützen.

Wir müssen die Bedeutung und die Grenzen beider Flügel erkennen und sie ungeachtet unserer Kritik propagandistisch und materiell unterstützen. Ein fester Bestandteil unserer Solidaritätsarbeit muss die Kampagne gegen die britische Armee sein, die hier in Deutschland im Rahmen der NATO für ihren Bürgerkriegseinsatz in Ulster trainiert wird. Deshalb informieren wir in dieser Ausgabe über die Situation in der Armee und werden das in den nächsten Nummern fortsetzen."

Artikel der Ausgabe sind:
- "Editorial"
- "Bomben in London-Irischer Volkskampf, Zeitung der Irland Komitees"
- "Erklärung der Anti-Internment League zu den Londoner Bomben"
- "Aisling Connelly: Wahlen im Süden"
- "Bob Purdie: Die Politik der Provisionals"
- "Die ökonomische Bombenkampagne"
- "Sektierertum und die Bombenexplosion"
- "Der Kampf gegen die Rückständigkeit"
- "Wer wird die Provos überwinden?"
- "Interview mit Sean O' Bready, Provisional, Sinn Fein"
- "Das 'Weißbuch', kleines Zuckerbrot, große Peitsche"
- "Die Armeemoral ist angeschlagen!"
- "Hohe Verluste"
- "Klare Fakten"
- "Auswirkungen in Britannien"
- "Interview mit einem Deserteur"
- "Volkslied heißt Kampflied"

Geworben wird für die Schrift "Irland, ein Vietnam in Europa" und die Schallplatte "Befreit Irland (Trikont, München), für den Manifest-Buchversand (Hamburg) und für die Edition Prinkipo im Verlag Olle & Wolter (Berlin-West).
Q: Solidaritätskomitee Freies Irland: Freies Irland, Nr. 3, Hamburg, (April/Mai 1973).

Letzte Änderung: 10.04.2019