Berliner Extra-Dienst, 2. Jg., Nr. 15, West-Berlin, 21. Februar 1968

21.02.1968:
Der Berliner Extra-Dienst (BED) Nr. 15 erscheint mit einer Extra-Dokumentation: "Wenn Demokratie funktionieren würde, dann Rücktritt von Schütz".
Artikel der Ausgabe sind:
- "Geheime Senatsumfrage ergab: Keine Anti-Studentische Mehrheit"
- "Gegenkundgebung: Gemeinschaftsempfang und arbeitsfrei"
- "CDU und NPD: Schlagende Verbindung gegen Demonstranten"
- "Untersuchungsausschuss: SDS-Mitglieder verweigern Aussage"
- "Vietnam-Komitee: Keine Behinderung durch DDR-Grenzorgane"
- "SPD West-Berlin: Vom Zerfall bedroht"
- "SPD-Linke: Attacke der Rechten zurückgewiesen"
- "Eine Klage aus dem Hause Springer: Gegen Extra-Dienst und Neuss"
- "Hamburg: Politische Polizei in den Oberschulen"
- "RC Saarbrücken: Hearing über Saar-Zeitung"
- "RC Mannheim-Ludwigshafen: Faschingszug absagen"
- "Gegenuniversität London: Lehrbetrieb eröffnet"
- "Auf Schallplatte: Neuss spricht Bild"
- "Zitat der Woche"
- "Witz der Woche"
- "Hinweise des Republikanischen Clubs"
- "Extra-Report"
- "Extra-Dokumentation"

Berichtet wird u. a. über die "Vorbereitungen des Senats und des vereinigten West-Berliner Establishments für die Gegenkundgebung am heutigen Mittwoch", über Aktionen der NPD "gegen Demonstranten". NPD-Zeitungen titeln: "Stoppt die Jung-Roten!", "Stoppt Dutschkes Terror!" SDS-Mitglieder, darunter Bernhard Blanke, Peter Gäng, Christian Semler und Rudi Dutschke, verweigern vor dem Untersuchungsausschuss in Sachen "studentische Unruhe" die Aussagen. Die Aussageverweigerung "wurde mit einer Ordnungsstrafe von 200,- DM belegt".

Berichtet wird weiter vom "Vietnam Komitee", das berichtet, dass die Grenzbehörden der DDR (sich) gegenüber den internationalen Teilnehmern an der Konferenz korrekt verhalten". Die SPD-West-Berlin scheint, so der BED, "vom Zerfall bedroht" zu sein. Springer strengt eine Klage gegen den BED und Neuss an. In Hamburg sei vor der Vietnam-Demonstration die Politische Polizei in Hamburger Oberschulen erschienen.

Der RC-Saarbrücken will sich Mitte März konstituieren. Inzwischen seien schon vier Arbeitskreise gebildet worden: "Pressekonzentration", "Notstandsgesetzgebung", "Vietnamkrieg", "Außerparlamentarische Opposition". Willy Huhn will am 22.2. im RC über "Russland 1917-1921" referieren. Im Extra-Report "Der Frühling kommt. Wach auf, Du Faschist" referiert Martin Buchholz über die Tage an der Deutschen Oper, nationaldemokratische Schläger und Demonstrationsverbote. In der Extra-Dokumentation "Wenn Demokratie funktionieren würde: Dann Rücktritt von Schütz" gibt der Vorstand des RC nach Beendigung der Vietnam-Kundgebung am 18.2.1968 eine Erklärung ab. Ausgeführt wird u. a.: "Zum ersten Mal hat bei einer Massendemonstration in Berlin die Polizei nicht eingegriffen. Infolgedessen ist es nicht zu einer Störung von Sicherheit und Ordnung gekommen. Nicht die außerparlamentarische Opposition, sondern der Regierende Bürgermeister und sein Innensenator haben durch ihre hetzerischen Parolen die extreme Rechte auf die Straße gebracht. Die Versuche der extremen Rechten, mit organisierten Schlägerkolonnen die Demonstranten zu provozieren, sind gescheitert. Die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts gegen die verfassungsfeindliche Politik des Senats haben eindeutig klargestellt, auf wessen Seite das Recht ist. Aber auch Schütz ha, sein Verhältnis zur Verfassung von Berlin und zum Grundgesetz verdeutlicht, indem er mit opportunistischem Gespür für das gesunde Volksempfinden weiterhin für ein Demonstrationsverbot eintritt. In jeder funktionierenden parlamentarischen Demokratie wäre der Rücktritt eines Regierungschefs und seiner Regierung, die ihre Unfähigkeit so eklatant zur Schau gestellt haben wie die von Berlin an diesem Wochenende, selbstverständlich".

Berichtet wird noch von der "Internationalen Vietnam Konferenz, die am 17./18.2 stattfand. In der "Schlusserklärung" heißt es dazu u. a.: "Während das vietnamesische Volk den Kampf für Unabhängigkeit und sozialistische Demokratie gegen den barbarischen US-Imperialismus führt, während in West-Berlin der Senat als Komplize des US-Imperialismus versucht, jede Solidarisierung mit dem Befreiungskampf des vietnamesischen Volkes als kriminell zu verfolgen und mit Polizeiterror zu zerschlagen, haben sich in West- Berlin Vertreter der sozialistischen Jugend Westeuropas, Vertreter der amerikanischen Widerstandsbewegung und Vertreter der revolutionären Jugend der drei Kontinente versammelt, um ihre Solidarität mit dem Befreiungskampf des vietnamesischen Volkes zu bekunden und um gemeinsame Maßnahmen für den Kampf gegen den US-Imperialismus zu beraten. In einer groß angelegten Offensive hat die FNL Südvietnams den revolutionären Volkskrieg auf eine neue Stufe gehoben. Ihre militärischen Erfolge fußen auf dem intensivierten Kampf des gesamten vietnamesischen Volkes. Diese Erfolge beweisen die Fähigkeit revolutionärer Befreiungsbewegungen, die mit dem gigantischen Vernichtungsapparat einer industriellen Großmacht geführte konterrevolutionäre Aggression abzuweisen. Sie entlarven vor der Weltöffentlichkeit und vor der Bevölkerung der USA alle Erfolgsmeldungen und Prognosen der konterrevolutionären Führung als Lügen. Mit der erfolgreichen Offensive der revolutionären Befreiungskräfte wächst die Gefahr weiterer geographischer und militärischer Eskalation der amerikanischen Aggression. Es ist zu befürchten, dass der in die Defensive getriebene US-Imperialismus einen Ausweg im Einsatz von Atomwaffen sucht. (…) Die Oppositionsbewegung steht vor dem Übergang vom Protest zum politischen Widerstand. (…)

Die in West- Berlin versammelten Vertreter der sozialistischen Jugend Westeuropas, der amerikanischen Widerstandsbewegung und der revolutionären Jugend der drei Kontinente sind sich darin einig, durch folgende Aktionen ihren gemeinsamen antiimperialistischen Kampf zu konkretisieren und zum aktiven Widerstand zu entfalten:
1. In allen westeuropäischen Ländern wird die Kampagne zur materiellen Unterstützung des bewaffneten Befreiungskampfes der FNL Südvietnams auf breiter Basis verstärkt.
2. In westeuropäischen Ländern mit amerikanischen Truppenstützpunkten werden in den USA selbst Aufklärungsaktionen unter den GI' s durchgeführt mit dem Ziel die Wehrkraft der US-Armee zu zersetzen und die Soldaten von der Notwendigkeit derstandes, der Sabotage und der Desertation zu überzeugen. (…)
5. In West-Berlin wird eine Dokumentationszentrale gegen den Missbrauch der Wissenschaft zu Zwecken der imperialistischen Kriegsführung eingerichtet. Die antiimperialistische Widerstandsbewegung wird aufgefordert, diese Zentrale zu unterstütze benutzen.
6. In allen westeuropäischen Ländern wird eine Kampagne vorbereitet zur Aufklärung der Bevölkerung über Konzerne, die als Produktionsstätten für Vernichtungswaffen am schmutzigen Krieg verdienen. Dieser Kampagne werden sich Demonstrationen und Blockaden anschließen (z. B. gegen den Napalmproduzent Dow Chemical).

Wir rufen die antiimperialistischen Widerstandsbewegungen auf, darüber hinaus immer wieder auf gemeinsame Massenmanifestationen gegen den US-Imperialismus und seinen Handlanger in Westeuropa hinzuarbeiten. Im Verlauf dieses gemeinsamen Kampfes muss die politische und organisatorische Zusammenarbeit zwischen den revolutionären Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt und den Widerstandsbewegungen in der in den westeuropäischen Ländern intensiviert und zu einer Einheitsfront ausgebaut werden. Es siege die vietnamesische Revolution!
Es siege die sozialistische Weltrevolution!"
Q: Berliner Extra-Dienst, 2. Jg., Nr. 15, West-Berlin, 21. Februar 1968.

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