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26.06.1970:
Die Nr. 70 der „RPK” erscheint. Inhalt der Ausgabe ist:
- Cabora Bassa. Voraussetzungen und Ziele einer internationalen Kampagne
- SDS-Heidelberg verboten. Die westdeutschen Monopole versuchen mit allen Mitteln, ihre imperialistische Expansion abzusichern
- Resolution vom heutigen Teach-In in Heidelberg
- Für die pharmazeutische Industrie bedeuten Arzneimittel nicht Mittel zur Heilung von Krankheiten, sondern Mittel zum Scheffeln von Profiten
- Zwei Briefe eins brasilianischen Genossen
Im Artikel „Cabora Bassa. Voraussetzungen und Ziele einer internationalen Kampagne” werden unterschiedliche Konzeptionen der Kampagne vorgestellt, wozu es u. a. heißt: „Wie kann eine Kampagne gegen die Beteiligung der westdeutschen Monopole an dem Cabora Bassa-Staudammprojekt geführt werden? Diese Frage muss gelöst werden, soll diese Kampagne nicht in ähnlicher Weise im Sande verlaufen wie diejenigen, die im letzten Jahr gegen die Kriegsforschung, die Entwicklungshilfe etc. propagiert, aber niemals konsequent durchgeführt wurden.
Seit Mitte Mai haben die Genossen der Heidelberger SAALA-Gruppe (Sozialistisches Asien, Afrika, Lateinamerika) und des SDS mit den Vorbereitungen einer Kampagne begonnen. Sie haben an der Heidelberger Universität über den von ihnen dominierten ASTA Agitationsmaterial verbreitet und haben einen Beschluss des Studentenparlaments herbeigeführt, dass die Cabora-Bassa-Kampagne aktiv zu unterstützen sei. Darüber hinaus haben sie sowohl im ‚Roten Forum‘ als auch in der Zeitschrift der SAALA und Trikont-Gruppen ‚Der Funke‘ einen materialreichen Artikel über Cabora Bassa und den Imperialismus in den portugiesischen Kolonien veröffentlicht. Schließlich haben sie vereinzelt Agitationsmaterial verschickt, haben eine Pressekonferenz abgehalten und am Ende der letzten Woche als propagandistischen Auftakt der Kampagne eine Demonstration gegen eine vom BMZ in Heidelberg veranstaltete ‚Entwicklungshilfe‚ -Konferenz organisiert.
Damit haben die Heidelberger SAALA und SDS-Genossen die ersten praktischen Schritte getan und eine Kampagne eingeleitet, die wir für notwendig, politisch richtig und längst überfällig halten. Dennoch fordert das Gesamtkonzept der Kampagne, das sich in den bisherigen Aktivitäten der Heidelberger Genossen abzeichnet, zur Kritik heraus. Diese Kritik führen wir - das muss einleitend unterstrichen werden -nicht mit dem Ziel, das Projekt zu torpedieren, sondern im Gegenteil, um durch frühzeitige Korrekturen entscheidende Fehler verhindern zu helfen …
In den Diskussionen über den Sinn und Zweck von Kampagnen spielte stets die Frage nach der organisierten Wirkung eine große Rolle, bis man - z. B. im Westberliner INFI - nach einer Kette negativer Erfahrungen in diesem Punkt zu dem falschen Schluss kam, dass Kampagnen eine solche Funktion doch nicht hätten. Hier wurde der Fehler gemacht, die Erfahrungen mit Kampagnen, deren Träger ausschließlich oder überwiegend Fraktionen des revolutionären Kleinbürgertums waren, unzulässig zu verallgemeinern. Erstens wurde die kleinbürgerliche Organisationsfeindlichkeit zu einer für alle Klassen gleichermaßen gültigen Gesetzmäßigkeit zu erheben. Zweitens wurde übersehen, dass das Ausbleiben einer organisierenden Wirkung selbst ein Resultat der studentischen Organisationsvorstellungen war. Denn regelmäßig wurde vom SDS oder studentischen Ad-hoc-Komitees zwar mit großem Einsatz ‚mobilisiert‚, mit ebensolcher Regelmäßigkeit wurde aber erst auf einer bestimmten Höhe der Mobilisierung die ernüchternde Frage gestellt, wie denn die Mobilisierten organisatorisch zusammengefasst werden könnten.
Die vorhandenen Komitees erwiesen sich dafür als ebenso untauglich wie der SDS. Kontinuierlich arbeitende studentische Massenorganisationen (wie z.B. die Roten Zellen) wurden erst nach einer langen Phase naturwüchsiger Entwicklung geschaffen. Ganz unfähig waren sowohl der SDS als auch alle studentischen Ad-hoc-Komitees, mobilisierte junge Arbeiter in ihre spezifisch studentischen Organisationen aufzunehmen. Kurz: Es fehlten alle organisatorischen Voraussetzungen für eine organisatorische Wirkung von Mobilisierungskampagnen. Tatsächlich können Kampagnen aber die Organisierung des Proletariats vorantreiben und über Aufklärungs- und Mobilisierungskonzepte hinausdringen, wenn einige Voraussetzungen geklärt und geschaffen sind: dann nämlich, wenn die Träger solcher Kampagnen nicht studentische Organisationen sind, sondern solche, die - seien sie zunächst auch nur Vorformen einer Partei - kontinuierlich in den Betrieben und Stadtteilen unter den proletarischen Massen arbeiten und den Massen ermöglichen, sich in ihnen und den von ihnen geschaffenen proletarischen Massenorganisationen zu organisieren.
Konkret angewandt auf die Vorbereitung und Durchführung einer Cabora Bassa-Kampagne heißt das: In Westberlin bildet sich weder die Projektgruppe Afrika, die eine Art Ad-hoc-Komitee darstellt, in dem Vertreter verschiedener Organisationen zusammenarbeiten, noch eine der Roten Zellen ein, noch einmal eine isolierte studentische Internationalismus-Kampagne führen zu können (wie dies in Heidelberg die SAALA und SDS-Gruppen tun), sondern die KPD-Aufbauorganisation und die PEI haben in Zusammenarbeit mit der Projektgruppe Afrika begonnen, Agitation über Cabora Bassa in den betreffenden Monopolen (AEG, TELEFUNKEN, SIEMENS) und den proletarischen Stadtteilen durchzuführen, um von einer bestimmten Stufe der Vorbereitung an auch die Roten Zellen an den Hochschulen und Akademien zur Unterstützung der Kampagne aufzufordern. Die Mobilisierung der revolutionären Intelligenz, der Studenten und Schüler stellt also eine nachgeordnete und bündnispolitisch zu bestimmende Aufgabe dar und nicht das Hauptziel der Kampagne …“
Zum „SDS-Verbot“ wird in der Ausgabe eine „Resolution“ („SDS-Heidelberg verboten. Die westdeutschen Monopole versuchen mit allen Mitteln, ihre imperialistische Expansion abzusichern”) veröffentlicht, in der es heißt: „am Donnerstag, dem 25. Juni, ist der Heidelberger SDS von der baden-württembergischen Landesregierung als ‚verfassungsfeindliche Organisation‘ verboten und ‚aufgelöst‘ worden.
Zur Begründung des Verbots ist an erster Stelle die Demonstration der Heidelberger Genossen gegen das Cabora Bassa-Projekt des westdeutschen Imperialismus und die ‚Entwicklungshilfe‘- Konferenz der Chefplaner des Imperialismus in Heidelberg herangezogen worden.
Das Verbot des Heidelberger SDS ist eine ohnmächtige Maßnahme der schwäbischen Potentaten, die den Kampf der Sozialisten in Heidelberg nicht entscheidend wird behindern können, sondern im Gegenteil zu einer Solidarisierung großen Ausmaßes führen wird.
Dennoch ist sie als Vorbote verschärfter staatlicher Unterdrückungsmaßnahmen au werten, die von denjenigen imperialistischen Monopolen initiiert werden, die unmittelbar, an der neokolonialen Ausbeutung beteiligt sind. Die Monopolblätter, wie z. B. der Industriekurier, haben schon jetzt unmissverständlich gefordert, den Kritikern des Cabora Bassa-Projektes das Maul zu stopfen. (Vgl. den Artikel der Projektgruppe Afrika in dieser Nummer). Ungeachtet des Verbots werden wir in Zusammenarbeit mit den Genossen des Heidelberger SDS und anderen sozialistischen Organisationen in der Bundesrepublik und Westberlin die Vorbereitung und Durchführung einer Kampagne gegen die Beteiligung der westdeutschen Monopole AEG, TELEFUNKEN, SIEMENS,HOCHTIEF, VOITH am Cabora Bassa-Projekt und zur Unterstützung der revolutionären Befreiungsbewegungen in den portugiesischen Kolonien, Südafrika und Rhodesien vorantreiben. Um für die Aufhebung des Verbots des SDS sowie gegen alle Versuche der Legalisierung sozialistischer und kommunistisch Organisationen zu demonstrieren, fordern die KPD-Aufbauorganisation, die PEI und der Zentralrat der ROTEN ZELLEN alle Genossen und Freunde auf, sich am Dienstag, dem 30. Juni, an einer massenhaften Solidaritätsdemonstration zu beteiligen! Wir schlagen vor, unter folgenden Parolen» zu demonstrieren:
AUFHEBUNG DES SDS -VERBOTS! KAMPF DER ILLEGALISIERUNG SOZIALISTISCHER UND KOMMUNISTISCHER ORGANISATIONEN! AUFHEBUNG DES KPD-VERBOTS! FREIHEIT FÜR ALLE INHAFTIERTEN KOMMUNISTEN! ENTMILITARISIERUNG DER POLIZEI! UMFASSENDE DEMONSTRATION - UND VERSAMMLUNGSFREIHEIT ! ORGANISIERT DEN KAMPF GEGEN DIE IMPERIALISTISCHE EXPANSION DER WESTDEUTSCHEN UND WESTBERLINER MONOPOLE!“
Reklame wird in der Ausgabe gemacht für:
- Buchhandlung Karin Röhrbein (West-Berlin)
- Jürgens Buchladen (West-Berlin)
- Agit-Buch-Vertrieb GmbH (Frankfurt/M.)
- sowie für das Buch „Illustrierte Geschichte der deutschen Revolution“ und
- das Buch zu den „Septemberstreiks 69.“
Q: Rote Presse-Korrespondenz, Nr.70, West-Berlin, 26.6.1970.
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