Klassenkampf - Zeitung des Bundes Kommunistischer Arbeiter, Jg. 3, 1. Mai-Zeitung, o. J. (1972)

24.04.1972:
Der BKA Freiburg gibt vermutlich in dieser Woche eine 1.Mai-Zeitung seines 'Klassenkampfes' (vgl. 20.4.1972, 8.5.1972) mit vier Seiten DIN A3 unter Verantwortung von Leo Horlacher heraus:"
HERAUS ZUM 1.MAI!

Arbeiter, Angestellte, Lehrlinge!

In wenigen Tagen ist der 1.Mai. Weil dieser Tag diesmal auf einen Montag fällt, haben wir ein langes Wochenende - drei Tage keinen Meister, keine Stempeluhr, keine Akkordhetze.

Wir freuen uns auf die paar Tage Atempause, so wie wir jedes Wochenende, jeden Feiertag, oder gar den Urlaub herbeiwünschen. Wir brauchen die Verschnaufpausen um mithalten zu können, um trotz der verschärften Arbeitshetze, trotz der Rationalisierungen nicht zum alten Eisen geworfen zu werden.

Die kurzen Verschnaufpausen ändern nichts an dem System der tagtäglichen Ausbeutung und Unterdrückung, sie machen uns aber fähig, das System überhaupt zu ertragen, so wie jede Maschine ihre Zeit braucht, wo sie stillsteht und frisch geschmiert wird.

'Das System ertragen' - ist das unsere Antwort auf die tägliche Schinderei im Betrieb, auf den ständig verschärften Druck der Meister und Abteilungsleiter, auf den Mietwucher für schlechte Wohnungen, auf das völlig unzureichende Gesundheitswesen, auf die Verschlechterung unserer Lebensbedingungen insgesamt?

'In den Feiertag entfliehen' - kann das unsere Antwort auf die immer schärferen Angriffe des Monopolkapitals und seiner SPD/FDP Regierung sein?

GEGEN DIE VERSCHÄRFTEN ANGRIFFE DER KAPITALISTENKLASSSE - DIE EINHEITLICHE KAMPFFRONT DER ARBEITERKLASSE

Seit den Septemberstreiks 1969, seit den großen Lehrlingsdemonstrationen haben wir Arbeiter, Angestellte und Lehrlinge in der BRD immer wieder gezeigt, daß wir den Kampf gegen die Kapitalisten aufgenommen haben, daß wir uns nicht mehr von den sozialdemokratischen Gewerkschaftsführern am Gängelband der 'gesamtwirtschaftlichen Interessen' führen lassen. In zahllosen Streiks und Demonstrationen haben wir gezeigt, daß wir uns erkämpfte Positionen und Rechte nicht wieder nehmen lassen - daß wir den verschärften Angriffen unseren entschlossenen Widerstand entgegensetzen.

Ein Höhepunkt war der letztjährige Metallarbeiterstreik in Nordbaden/Nordwürttemberg (MTR der IGM in NB/NW, d.Vf.). Zwar ist es den sozialdemokratischen Gewerkschaftsführern gelungen, von Anfang an den Streik auf dieses eine Tarifgebiet zu beschränken, und selbst dort mußten die Kollegen gegen die Gewerkschaftsführung durchsetzen, auf die Streikliste zu kommen. Zwar ist es den Gewerkschaftsführern gelungen, zum Wohle des 'Gemeinsamen Ganzen' die Lohnerhöhung auf Lohnleitlinienhöhe zu halten, was für die Metaller nach Steuerabzug und Berücksichtigung der Inflationsrate von über 6% Lohnabbau für 1972 bedeutet. In verstärktem Maß gilt dies für die Kollegen im Öffentlichen Dienst (ÖD, d.Vf.), in der Druck-, Textil. und chemischen Industrie (DruPa, GTB- bzw. CPK-Bereich, d.Vf.).

Aber in dem Metallarbeiterstreik ist die Solidarität in der Arbeiterklasse, die Kampfbereitschaft aller Kollegen mächtig gewachsen.

Die Metallarbeiter in Südbaden waren zwar ausgeschlossen vom Streik, ebenso wie die Kollegen in Hamburg, Hessen oder Nordrhein-Westfalen. Aber auch hier haben die Metaller gespürt, welche Kraft von dem Streik ausging, wie sehr er das Bewußtsein der Kollegen mit der Stärke der Arbeiterklasse erfüllte.

Wir Arbeiter haben nicht die Möglichkeit, dem System zu entfliehen. Entweder wir wehren uns, schließen uns zusammen, oder die Kapitalisten senken fortlaufend unseren Lohn, nehmen uns die letzten Verschnaufpausen, bauen unsere Rechte wie z.B. das Streikrecht ab. Entweder wir nehmen den Kampf gegen Kapitalismus und Imperialismus auf, oder wir sind die ständigen Opfer von Krisen, Kriegen und Faschismus. Das sind die Erfahrungen der Arbeiterbewegung, die Erfahrungen aller vom Imperialismus unterdrückten Klassen und Völker in der ganzen Welt.

Tag für Tag erarbeiten wir ungeheure Werte, wir produzieren mit unserer Kraft und unserem Wissen den gesamten gesellschaftlichen Reichtum. Doch dient dieser Reichtum dem Volk und seinen Bedürfnissen?

Dient dieser Reichtum der friedlichen Entwicklung unseres Volkes und aller Völker?

Genau das Gegenteil ist der Fall. Ständig schießen neue Fabriken aus dem Boden, doch wir müssen um unsere Arbeitsplätze fürchten. Wir sehen die Schaufenster von Waren überquellen, doch wir können uns von unserem Lohn immer weniger kaufen. Wir wollen den Frieden, wissen vom Friedensbedürfnis aller Völker und sehen, wie die Bundeswehr zur stärksten Militärmacht Westeuropas ausgebaut wird und mit westdeutschen Waffen und Geldern der Befreiungskampf unterdrückter Völker niedergehalten wird.

Der gesellschaftliche Reichtum wird nicht für unsere, sondern für die Interessen der herrschenden Kapitalistenklasse eingesetzt.

Die Herrschaft des Monopolkapitals wird durch den bürgerlichen Staat abgesichert, der nach der Niederlage des Faschismus seit 1945 in Westdeutschland wieder im Gewande der bürgerlichen Demokratie auftritt. Weil wir alle paar Jahre unter den zugelassenen Parteien wählen dürfen (die KPD ist seit 1956 (vgl. 17.8.1956, d.Vf.) verboten und jede Partei, die für die proletarische Revolution kämpft kann als Nachfolgeorganisation verboten werden), sollen wir glauben, dieser Staat sei unser Staat, diese Demokratie sei unsere Demokratie!

Doch allein die Maßnahmen der letzten Jahre unter CDU/SPD und SPD/FDP Regierungen zeigen, wessen Instrument dieser Staat ist:

- Die Notstandsgesetze (NSG - vgl. 30.5.1968, d.Vf.) wurden verabschiedet, um im Falle des 'inneren Notstandes' der Kapitalherrschaft auf legalem Weg Bundeswehr gegen kämpfende Arbeiter einsetzen zu können

- Geheimdienst, Polizei und Bundesgrenzschutz (BGS, d.Vf.) werden angesichts der Streiks auf Vordermann gebracht, um von vornherein die Entwicklung einer Arbeiterbewegung verhindern zu können

- Der Werkschutz wird unter zentraler Anleitung der Kapitalistenverbände zur Privatarmee der Unternehmer ausgebaut

- Das eben als 'Reformgesetz' verabschiedete Betriebsverfassungsgesetz (BVG - vgl. 19.1.1972, d.Vf.) bindet den Betriebsrat noch fester als bisher an den Kapitalisten; mit der Einigungsstelle im Betrieb sollen alle Konflikte zwangsgeschlichtet und alle Kämpfe der Belegschaft unterdrückt werden

- Mit dem 'Berufsverbotserlaß' (BV - vgl. 28.1.1972, d.Vf.) der Innenminister sollen vor allem die kommunistischen und demokratischen Lehrer aus den Schulen hinausgesäubert werden, damit in den Schulen die Meinungen der Herrschenden auch die herrschenden Meinungen bleiben

- Das solidarische Verhalten der ausländischen Arbeiter und Studenten mit Kampf ihrer deutschen Kollegen führt dazu, daß ihre Organisationen verboten
werden sollen

- Die Kommunisten werden bespitzelt, auf schwarze Listen gesetzt, ihre Organisationen überwacht und deren Verbot unter den Gesichtspunkten der Opportunität diskutiert.

GEGEN DEN ABBAU DER DEMOKRATISCHEN RECHTE DES VOLKES! FÜR DAS BÜNDNIS DER ARBEITERKLASSE MIT ALLEN UNTERDRÜCKTEN SCHIHCTEN DES VOLKES IM KAMPF FÜR DEN SOZIALISMUS!

Die Maßnahmen des kapitalistischen Staates sind von der Furcht vor einer wiedererstarkenden Arbeiterbewegung diktiert. Obwohl die kommunistische Bewegung noch schwach ist, geistert das Gespenst des Kommunismus schon wieder durch die Amtsstuben, die Büros der Bosse, der bürgerlichen Politiker und Polizeipräsidenten. Schon hält es die DGB-Führung für nötig, klassenbewußte Kollegen aus der Gewerkschaft zu säubern (wie z.B. die Jugendvertreter bei Rhodia (CPK-Bereich - vgl. 17.3.1972, d.Vf.)) und macht bei den laufenden Betriebsratswahlen (BRW, d.Vf.) selbst mit Barzel gemeinsame Sache gegen den 'Linksradikalismus'.

Der kapitalistische Staatsapparat verteidigt die Herrschaft des Monopolkapitals, er ist dessen geschäftsführender Ausschuß. Es ist unmöglich, mit Hilfe der bürgerlichen Demokratie, mit Hilfe der bürgerlichen Parteien eine Politik im Interesse des Proletariats und der gesamten werktätigen Massen zu machen. Alle Illusionen und Hoffnungen, die wir in die bürgerliche Demokratie setzen, schwächen nur unsere eigene Kraft und halten uns davon ab, unsere eigenständige Klassenpolitik zu entwickeln und durchzusetzen. Alle Wahlpropaganda der Jusos und der DKP hatte letztlich keine andere Funktion, als unsere Hoffnungen auf die bürgerliche Demokratie zu lenken und uns davon abzuhalten, unseren eigenständigen Kampf gegen Monopolkapital und Staat aufzunehmen.

1.MAI - INTERNATIONALER KAMPFTAG DER ARBEITERKLASSE!

Am 1.Mai geht es darum zu zeigen, daß wir diesen Kampf aufgenommen haben. Es geht darum, unsere wachsende Kampfbereitschaft gegen Kapital und Staat, unsere internationale Solidarität mit dem Kampf der unterdrückten Völker zu demonstrieren.

In einer Situation, in der Sozialdemokratie und DKP mit allen Mitteln versuchen, die noch junge Arbeiterbewegung an den bürgerlichen Staat und seine Institutionen zu binden, ist es eine aktuelle Aufgabe, die Eigenständigkeit der proletarischen Politik gegenüber dem gesamten System des Kapitalismus und Imperialismus zu propagieren und durchzusetzen. Deshalb haben wir die Parole ausgegeben:

FÜR EINE SELBSTÄNDIGE KLASSENPOLITIK DES PROLETARIATS!
FÜR DEN WIEDERAUFBAU DER KOMMUNISTISCHEN PARTEI!
MACHEN WIR DIE GEWERKSCHAFTEN ZU KAMPFORGANISATIONEN DER ARBEITERKLASSE!

In einer Situation, in der die Sozialdemokratie - unterstützt von der DKP - die Ostverträge als 'Instrumente der Friedenssicherung' preist, geht es darum, verstärkt die revolutionäre Einheit der Arbeiterklasse und der unterdrückten Völker als einziger Friedensgarant zu propagieren. Nicht die Verträge, die dem westdeutschen Imperialismus die Tore nach Osten öffnen, sondern allein der unversöhnliche Kampf des Proletariats für die sozialistische Revolution, der unversöhnliche Befreiungskampf der unterdrückten Völker kann den Imperialismus zurückdrängen und ihn schließlich besiegen. Erst der weltweite Sieg der proletarischen Revolution kann endgültig den Frieden sichern.

PROLETARIER ALLER LÄNDER UND UNTERDRÜCKTE VÖLKER VEREINIGT EUCH!

Verträge, die mit dem Imperialismus geschlossen werden, dürfen seine Macht nicht ausweiten, sondern müssen seinen 'Spielraum' begrenzen. Diese Bedingungen erfüllen die Verträge von Moskau und Warschau (mit der SU bzw. Polen, d.Vf.) nicht im mindesten. Sie greifen erklärtermaßen einem noch abzuschließenden 'Friedensvertrag' nicht vor und beinhalten deshalb keine Anerkennung der Grenzen in Europa. Sie lassen erklärtermaßen u.a. den 1956 (vgl. 26.5.1952, d.Vf.) zwischen der BRD und den Westmächten abgeschlossenen Deutschlandvertrag unberührt, in dem die Annektionsabsichten der BRD gegenüber der DDR in einem 'wiedervereinigten Deutschland' innerhalb des 'freien Westens' verankert sind. Die Verträge beinhalten weiter keine Anerkennung der staatlichen Eigenständigkeit der DDR, während im Viermächteabkommen Westberlin faktisch der BRD zugeschlagen und als vorgeschobener Posten des BRD-Imperialismus nach Osten akzeptiert wird.

Die Verträge drängen den Imperialismus nicht zurück, sondern geben vielmehr seinem Expansionsbedürfnis Raum. Diese Tatsache gilt es der Friedensdemagogie der SPD-/DGB- und DKP-Führer auch am 1.Mai entgegenzuhalten!

Die DKP-Führer zeigten Euch bei den Vorbereitungen zum 1.Mai, daß es ihnen nicht auf die Entwicklung einer eigenständigen Klassenpolitik des Proletariats ankommt, sondern daß sie im Gegenteil zugunsten der Propagierung der Ostpolitik darauf verzichten, und sie sogar hintertreiben.

Auch letzten 1.Mai fielen die DKP-Führer dem damaligen gewerkschaftlichen Maikomitee in den Rücken und riefen in ihrem Flugblatt dazu auf, die offizielle DGB-Podiumsdiskussion im Kolpinghaus zu besuchen. Dieses Jahr versuchen DKP- und SDAJ-Führung wieder mit allen Mitteln, sich bei der Freiburger DGB-Führung anzubiedern und deren Segen für ein brav reformistisches Maikomitee zu erhalten. Zunächst versuchten die DKP- und SDAJ Führer, mit der Frage der Ostverträge das Maikomitee der Gewerkschaftsjugend von innen her zu 'erobern'. Es gelang den DKP'lern, in einer Reihe von Jugendgruppen Mehrheiten für die Parole 'Für die Ratifizierung der Ostverträge' zu bekommen. Doch das radikale Eingreifen der Freiburger DGB-Führung half, die Positionen zu klären. Es wurde klar, daß die DKP mit ihrer Politik auf derselben Seite steht wie die Gewerkschaftsführung, die dem gewerkschaftlichen Maikomitee untersagen wollte, gegen das arbeiterfeindliche Betriebsverfassungsgesetz, für die Solidarität mit dem Befreiungskampf der unterdrückten Völker, gegen Kapitalismus und Imperialismus zu demonstrieren. Es wurde vielen Kollegen klar, daß die DKP nichts anderes als ein Wasserträger der SPD- und Gewerkschaftsführung ist und die umjubelte neue Ostpolitik nichts anderes als ein Mittel imperialistischer Expansion ist. Die DKP ging mit ihrem Spaltungsversuch unter: die Jugendgruppen stellten sich mehrheitlich hinter das Maikomitee und entschieden gegen DGB- und DKP-Führung.

Die Freiburger DKP-Führer mußten dies geahnt haben. Seit Wochen haben sie klammheimlich zwei Demonstrationsroute gemeldet. Als klar war, daß die große Mehrheit der aktiven Gewerkschaftsjugend nicht umfallen würde, gingen die DKP- und SDAJ-Führer ans Gründen eines neuen 'Maikomitees'. Sie haben dieses Maikomitee auf eine Plattform gestellt, in welcher der Klassenkampf des Proletariats nicht mehr zu finden ist und haben diese Plattform damit angepriesen, daß sie in Karlsruhe die Zustimmung des dortigen DGB-Kreisvorstandes gefunden habe. Wir sind sicher, daß dieses 'Maikomitee' auch die Zustimmung des hiesigen Kreisvorsitzenden Jorzig finden wird.

Am 1.Mai geht es für alle klassenbewußten Arbeiter, Angestellten und Lehrlinge, für alle Schüler und Studenten, die das Bündnis mit der Arbeiterklasse herstellen wollen, darum, den DGB- und DKP Führern eine entschiedene Absage zu erteilen und unter den Parolen des gewerkschaftlichen Maikomitees die Position des Proletariats, seinen entschiedenen Kampf gegen Kapitalismus und Imperialismus zu demonstrieren!

Wir rufen alle Arbeiter, Angestellten und Lehrlinge, die gesamte werktätige und lernende Bevölkerung auf, unter der Roten Fahne der Arbeiterbewegung an der Demonstration und Kundgebung des gewerkschaftlichen Maikomitees teilzunehmen.

MACHEN WIR DEN 1.MAI ZU UNSEREM KAMPFTAG!"

Berichtet wird aus Indochina bzw. Vietnam (vgl. 31.3.1972) und aus der 'Arbeiter-Zeitung' (AZ - vgl. 27.3.1972) der KG (NRF) Mannheim/Heidelberg wird ein Artikel über Fabrikarbeit in China übernommen.

Nach eigenen Angaben werden von dieser Maizeitung ca. 1 200 Exemplare verkauft, eine Preisauszeichnung aber vermochten wir leider nicht zu finden.
Q: Klassenkampf 1.Mai-Zeitung und Nr. 21, Freiburg o.J. (Apr. 1972) bzw. 17.5.1972, S. 1ff bzw. S.6

Freiburg_KBW033

Freiburg_KBW034

Freiburg_KBW035

Freiburg_KBW036



[ Zum Seitenanfang ]   [ vorige Ausgabe ]   [ nächste Ausgabe ]   [ Übersicht ]   [ MAO-Hauptseite ]