Die Presse, Nr. 2, Bochum, (27.Oktober 1970)

22.10.1970:
In Bochum gibt die Opel-Betriebsgruppe der KPD/ML-ZB "Die Presse" Nr. 2 mit folgendem Leitartikel heraus:
"11%-ANGEBOT-GEMEINER VERRAT DER SPD-REGIERUNG UND DER GEWERKSCHAFTSBONZEN

Am Freitag Urabstimmung: 11% oder Streik für die volle Durchsetzung der 15% Forderung. Wir sind bei Opel etwa 13. 000 zahlende Gewerkschaftsmitglieder. Unsere Entscheidung muss klar und eindeutig zeigen: wir lassen uns nicht von den IGM-Bonzen verschaukeln! Wir sind geschlossen gegen die Abwiegelungsmanöver der SPD-Regierung, die ihre arbeiterfeindliche Lohnraubpolitik zur Sicherung der Kapitalistenprofite fortsetzen und deswegen den solidarischen Kampf der Arbeiterklasse mit allen Mitteln verhindern will! Das 11% Angebot bedeutet eine erneute Herausforderung. 73 IGM-Vertreter haben diesem Angebot zugestimmt; sie warten in ängstlicher Hoffnung darauf, dass auch wir am Freitag den Schwanz einkneifen und vor dem gemeinsamen Komplott der Kapitalisten, ihrer SPD-Regierung und den IGM-Bonzen den Buckel krumm machen.

Aber 69 IGM-Vertreter der Großen Tarifkommission haben gegen den faulen Kuhhandel gestimmt; sie rechnen am Freitag mit unserer eindeutigen Unterstützung und Kampfbereitschaft. In Essen, Mülheim, Köln, Hagen und anderen Städten haben sofort nach der Bekanntgabe des 11% Angebots V-Leute und Betriebsräte geschlossen das Verhandlungsergebnis als Verrat bezeichnet und abgelehnt!

Unsere Entscheidung muß klar sein:
GEGEN DIE ARBEITERFEINDLICHEN BETRUGSMANÖVER FORDERN WIR KONSEQUENTEN KAMPF DER GEWERKSCHAFT FÜR DIE VOLLE DURCHSETZUNG UNSERER FORDERUNG

Der Verrat der IGM-Führer ist auch bei uns in NRW völlig offensichtlich. 11% Lohnerhöhungsangebot:
- nachdem Otto Brenner vor dem Tarifkampf die 15% Forderung als Mindestforderung bezeichnet und von vollen Streikkassen gesprochen hat!
- nachdem wir zu Tausenden auch in NRW in solidarischen Streiks und Protestmärschen die 15% gefordert und damit unsere Kampfbereitschaft gezeigt haben!
- nachdem 6 000 Kollegen der B-Schicht am Humboldt Eck vom 2.Vorsitzenden der IGM, Eugen Loderer, härtester Kampf für die 15% versprochen worden ist!
- und nachdem die Schlichtungsverhandlungen gescheitert und für kommenden Mittwoch die Urabstimmung über gewerkschaftlichen Streik für volle 15% angesetzt war!

Aber sofort nach dem Urabstimmungsbeschluss letzten Dienstag, griff die SPD-Regierung ein. Die SPD zittert vor jedem einheitlichen Kampf der Arbeiterklasse; denn immer mehr Kollegen haben die arbeiterfeindliche Lohnraubpolitik der SPD-Regierung durchschaut; Lohnleitlinien, Steuererhöhungen, Zwangssparen getarnt als 'Vermögensbildung', nichts gegen Preistreiberei und Mietwucher, aller für die Absicherung der Kapitalistenprofite; genau wie die CDU: Politik fürs Kapital nur mit der verlogenen Heuchelei; mehr für die Arbeiter tun zu wollen.

Doch unsere berechtigten Forderungen werden abgewiegelt. SPD-Minister Figgen nutzte sofort die gute Verbindung zu den SPD-hörigen Gewerkschaftsbürokraten aus und brachte sie mit den Kapitalisten an einen Tisch - zum Gemauschel hinter verschlossenen Türen. Unsere berechtigte Empörung über den gesamten Verlauf der Tarifrunde soll nun mit einem Prozent mehr als schon vorher angeboten war, niedergeschlagen werden. Mit ihrer 'Beruhigungspolitik'-so nannte SPD-Betriebsrat Perschke auf einer Betriebsversammlung selbst schon seine Arbeit als Betriebsrat-dürfen uns die IGM-Bonzen diesmal nicht mehr hereinlegen.

VERHINDERN WIR DEN VERRAT DER GEWERKSCHAFTSFÜHRUNG!
MACHEN WIR MIT DER KPD/ML DIE GEWERKSCHAFT ZUR KAMPFORGANISATION DER ARBEITERKLASSE
ORGANISIERT EUCH IN DER BETRIEBSGRUPPE DER KPD/ML"

Neben dem "LESERBRIEF EINES KOLLEGEN", heißt es im Artikel:
"HEILIGABEND-SCHICHT-BESCHERUNG DER ARBEITERVERRÄTER IM BETRIEBSRAT
Kolleginnen und Kollegen!
Wir haben durch unseren Streik insgesamt 46 statt der geforderten 56 Millionen DM Weihnachtsgeld durchgesetzt. der Betriebsrat hat das als großen Sieg seiner Verhandlungstaktik gefeiert. Er wollte uns auf der Belegschaftsversammlung weismachen, dass er in diesem Streik unsere Interessen vertreten hätte. Wie sieht das in Wirklichkeit aus? Nicht durch die Verhandlungen, sondern NUR durch unseren Kampf bekommen wir mehr Geld. Es ist ein Hohn, wenn das Ergebnis als Verhandlungssieg gefeiert wird. Der Betriebsrat hat während des Streiks immer wieder versucht, uns an die Arbeit zu schicken. Als er ALLEIN DURCH UNSEREN STREIK zu Verhandlungen gezwungen wurde, hat er uns zusammen mit den GM Bossen betrogen. Unsere Forderungen waren:
- 100% Weihnachtsgeld - ausgehandelt wurden 71-100% je nach Betriebszugehörigkeitsjahren.
- Das war ein gemeiner Trick, um unsere einheitliche Kampffront zu spalten.
- Volle Bezahlung der Streikschichten - dies wurde erreicht.

ABER WIE? Kurz danach wurde uns mitgeteilt, dass wir bis Weihnachten jeden Samstag auf Frühschicht eine Sonderschicht machen müssen. Damit schaffen wir den GM Bonzen den Profit, den sie durch den Streik verloren haben. Und nicht nur den! Dadurch, dass bei uns die Produktion auf vollen Touren läuft, ersetzen wir ihnen gleichzeitig einen Teil der Profite, die ihnen durch den jetzt schon wochenlangen Streik unserer amerikanischen Kollegen bei GM verloren geht. So machen sie uns zum Streikbrecher unserer amerikanischen Kollegen.

Kolleginnen und Kollegen. Diese SPD-Verräter in unserem Betriebsrat haben noch nicht einmal davor zurückgeschreckt, einer Schicht an Heilig-Abend zuzustimmen. Wir alle haben Familie, viele Frauen müssen mitarbeiten. Wie stellen sich die Herren Betriebsräte es eigentlich bei uns am Heilig Abend vor?
Wann sollen wir die Vorbereitungen treffen? Wir müssen die Wohnung putzen, das Essen und die Bescherung vorbereiten. Diese Unverschämtheit können wir uns nicht bieten lassen. Viele Kolleginnen haben das auch direkt gesagt: z. B. in der Elektromontage, im Preßwerk, in der Näherei und in der Küche. Sie sind zu einem großen Teil bereit, dafür zu kämpfen. Aber es reicht nicht, wenn die Frauen allein die Heilig-Abend Schicht verweigern. Das wäre den Bonzen gerade recht, uns wieder einmal gegeneinander auszuspielen. Kollegen, nach acht Stunden Knochenmühle kann keiner mehr richtig Weihnachten feiern. Wenn nachmittags die Vorbereitungen in großer Hetze getroffen werden, die Geschäfte zu sind, so dass Kleinigkeiten, die vergessen worden sind, nicht mehr gekauft werden können, wenn man von der Arbeit so kaputt und nervös ist.
Kolleginnen und Kollegen, diese Lehre müssen wir aus unserem Streik ziehen. Nur im gemeinsamen Kampf setzen wir unsere Forderungen durch: Die Heilig Abend Schicht muß verlegt werden!"
Q: Die Presse, Nr. 2, Bochum, o .J. (27.Oktober 1970).

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