Die Presse, Nr. 1, Bochum, 22. Januar 1971

22.01.1971:
Es erscheint "Die Presse" Nr. 1 mit dem Leitartikel:
"DAS NEUE PUNKTESYSTEM FÜR ZEITLÖHNER: HINTERHÄLTIGER SPALTUNGSVERSUCH!

In einigen Abteilungen-besonders in Werk 2-hat der Betrug schon begonnen: ab sofort erhalten alle Zeitlöhner einzeln die Leistungszulage nach einem neuen Punktesystem. Nur spärlich sickern die Informationen durch; nur wenige V-Leute wurden von den Meistern klar informiert; vom Betriebsrat keinerlei Anzeichen von Abwehrmaßnahmen.

Nach vier Gruppen wie 'Leistung', 'sauberes Arbeiten', 'unfallfreies Arbeiten' sollen die Meister jeden Kollegen mit insgesamt höchstens 32 Punkten bewerten. Keiner hat das Recht, seine Bewertung genau zu erfahren. Mit Lohnunterschieden von mehr als 50 Pfennig pro Stunde für die gleiche Arbeit sollen wir uns abfinden. Passt dem Meister deine Nase nicht, willst du dich gegen die ständige Antreiberei wehren: dein Punktkonto sinkt …

Den Opel-Bossen geht es darum, jeden einzelnen Kollegen auf die Jagd nach Punkten anzusetzen, um ihn bis aufs Blut auszunehmen. Ihnen geht es um schärfere Disziplinierung, sie wollen uns zu Radfahrern bei den Meistern machen, sie wollen uns gegeneinander aufhetzen und ausspielen. Warum ist das gerade jetzt für die Kapitalisten so wichtig? Warum gerade jetzt neue Akkordzeiten und damit Verschärfung der Richtzeiten am Band? Warum gerade jetzt der verstärkte Versuch, die Arbeitshetze in der Lackiererei noch zu erhöhen, um damit diesen Engpaß in der Produktion zu beseitigen und in den folgenden Abteilungen die Bandgeschwindigkeiten abermals zu beschleunigen?

Kollegen!
Auch die Opel-Herren bereiten sich auf die Wirtschaftskrise vor. (Am Mittwoch konnten wir in der WAZ lesen, dass statt 1, 24 Millionen Neuanschaffungen von PKWs - 1970 - für dieses Jahr nur noch 600 000 Neuanschaffungen zu erwarten sind.). Die Vorbereitungen der Opel-Herren: verschärfte Ausbeutung-um die Profite zu sichern, Spaltungsversuche-um den einheitlichen Abwehrkampf gegen Lohnkürzung, Kurzarbeit und Entlassungen zu verhindern.

Angriffe auf unsere Lage und Spaltungsversuche-das ist auch genau die Politik der SPD-Regierung zur Rettung der Profite der Kapitalisten. Auch wenn wir in der Automobilindustrie die Krise noch nicht direkt zu spüren bekommen, so richten sich doch auch die geplanten Angriffe der SPD-Regierung gegen jeden von uns.

SPD-Finanzminister Möller kündigte an, dass die Zurückzahlung der 10%-Lohnraubsteuer mit den Tarifforderungen zu verbinden. In der Konzertierten Aktion der SPD-Regierung, der Gewerkschaftsführer und der Kapitalisten wurde in 'Lohnleitlinien' beschlossen, dass die Arbeiter in diesem Jahr höchstens 7% mehr bekommen sollen. Jetzt soll auch noch die 10%-Lohnraubsteuer in den Tarifforderungen verrechnet werden.

Die KPD/ML hat zu Recht von Anfang an die sofortige Zurückzahlung dieser Steuer gefordert. Doch wir blechen weiter. Dazu kommen jetzt noch massive Preiserhöhungen für Post und Bahn und zum Beispiel 10%-Erhöhung des Milchpreises. In der Stahlindustrie sind die Kollegen bereits direkt betroffen: der Bochumer Verein plant nach Zwangsurlaub Kurzarbeit für zahlreiche Kollegen, bei SWB flogen erst vor wenigen Tagen etwa 50 Kollegen auf die Straße.

In der Zuliefererindustrie der Automonopole gibt es massive Entlassungen und Kurzarbeit. So plant Bosch, 800 Kollegen rauszuwerfen. Bei Porsche in Stuttgart-Zuffenhausen wurden vorige Woche 300 Kollegen entlassen. Die Lügen von Brandt und Brenner, 1971 seien die Arbeitsplätze nicht in Gefahr, sind längst durch Tatsachen entlarvt. In zahlreichen Betrieben haben die Kollegen energisch den Kampf aufgenommen:

- V-Leute von Hoesch in Dortmund fordern garantierten Mindestlohn. Garantierten Mindestlohn auch bei Kurzarbeit (etwa 1.100 DM). Letzter Anstoß ihrer Forderung: es wurde bekannt, dass die Betriebsratsgehälter von 1.600 auf 1 800 DM erhöht werden sollen.

- Bei Mannesmann streikten die Kollegen von zwei Werken Sie antworteten auf die Wegrationalisierung von Arbeitsplätzen und den Versuch, aus den übriggebliebenen Kollegen noch mehr herauszuschinden mit der Forderung: 5%-Lohnerhöhung!

- In allen betroffenen Betrieben fordern die Betriebsgruppen der KPD/ML: bei Kurzarbeit voller Lohnausgleich!

Es kommt darauf an, dass auch wir bei uns jedem Angriff der Kapitalisten entgegentreten. Ab Februar fallen die Sonderschichten weg; für viele Kollegen schon eine Lohneinbuße von mehr als 10%. Höchste Wachsamkeit ist also geboten. Informiert uns über alle Versuche der verschärften Ausbeutung!

WEG MIT DEM PUNKTESYSTEM; EINHEITLICHE LEISTUNGSZULAGE FÜR ALLE ZEITLÖHNER!

Die V-Leute müssen uns sofort genauestens über das Punktsystem informieren! Unsere Kampfbereitschaft haben wir bereits im Tarifkampf und im Preßwerkstreik im Mai bewiesen. Die Opel-Betriebsgruppe der KPD/ML wird wichtige Informationen sofort mit Flugblättern an alle weitergeben und jede Kampfmaßnahme unterstützt!"

Ein weiterer Artikel lautet:
"DAS NEUE BETRIEBSVERFASSUNGSGESETZ: 'VERBESSERUNGSVORSCHLÄGE' ZUR UNTERDRÜCKUNG DER ARBEITERKLASSE!
Auf der letzten Betriebsversammlung pries der SPD-Betriebsratsvorstand in lauten Tönen die Reformen der SPD/FDP-Regierung, vor allem den neuen Entwurf des BVG. Kein Wunder! Die SPD/FDP-Regierung hat als Vorgeschmack für das neue BVG die Amtszeit der jetzt noch amtierenden Betriebsräte um ein Jahr, bis zum 30.April 1972 verlängert. Die Betriebsräte, die jetzt im Frühjahr eigentlich neu gewählt werden sollten, haben von der SPD-Regierung ein Jahr Schonfrist bekommen. Das bedeutet für sie: wieder ein Jahr länger einen gesicherten Posten, ein Jahr länger keine Knochenmühle. Gerade nach den Tarifkämpfen können viele Betriebsräte diese Schonfrist gebrauchen, um ihre verräterische Mauschelei in Vergessenheit zu bringen.

So propagieren die 'geretteten' Betriebsräte eifrig das neue BVG. Sie heben jetzt vor allem hervor, dass jetzt mehrere kleine Abteilungsversammlungen im Jahr stattfinden sollen und nur noch zwei Belegschaftsvollversammlungen anstatt bisher vier. Das kann Perschke und seinen Kollegen nur recht sein. Gerade auf unserer letzten Betriebsversammlung wurden die sogenannten Interessenvertreter im Betriebsrat von allen Kollegen durchschaut und ausgepfiffen. Und das ist doch gerade die Aufgabe der Belegschaftsversammlungen, dass wir alle gemeinsam den Verrat von Betriebsräten an unseren Forderungen angreifen und gemeinsam Kampfmaßnahmen organisieren. Nur wenn allen die Teilnahme möglich ist, können die Unterdrückungsmethoden der Opel-Bonzen in den verschiedenen Abteilungen sofort allgemein bekannt gemacht werden, so dass ein gemeinsamer Kampf sofort möglich ist. Von den Kollegen konnten wir bisher in der Aussprache Nachrichten aus anderen Werksteilen erhalten, die der Betriebsrat uns bis dahin vorenthalten hatte.

Aber gerade dem wachsenden Kampfgeist der Kollegen, gerade dem wachsenden Einfluß der Kommunisten bei der Organisierung des gemeinsamen Kampfes will die SPD-Regierung einen Riegel vorschieben, eben deswegen plant sie die Einschränkung der Belegschaftsversammlungen!
Betriebsräte wie Perschke und Co. sind natürlich froh darüber: sie wollen die Abteilungsversammlungen ausnutzen zur weiteren Spaltung unserer einheitlichen Kampfkraft. So soll es zum Beispiel möglich gemacht werden, dass erst ein halbes Jahr nach einer Akkordkürzung etwa in der Fertigmontage D4 alle darüber informiert werden. Die betroffenen Kollegen brauchen aber unsere Solidarität sofort, wenn eine derartige Verschärfung der Ausbeutung verhindert werden soll. Die rechten Betriebsräte aber werden uns dann Achselzuckend erklären: 'Jetzt ist es leider zu spät, die Würfel sind gefallen…'

Weiterer Verrat an den Arbeitern im neuen BVG: Gewerkschaftsvertreter dürfen nur 'im Benehmen mit der Unternehmensleitung' den Betrieb betreten. Die SPD-Regierung schafft hiermit den Kapitalisten ein Ausleseverfahren: 'Gewerkschaftsvertreter' wie Loderer z. B., der uns beim Protestmarsch zum IGM-Haus empfahl, möglichst schnell wieder an die Arbeit zu gehen, könnten natürlich jederzeit in den Betrieb kommen. Echte Gewerkschaftsvertreter, die uns zum Durchhalten auffordern, die uns Unterstützung und nicht Streikbruch bringen, müßten draußen bleiben. Also auch hier: Alles für den Frieden der Kapitalisten im Betrieb, alles gegen die Kampfkraft der Arbeiter. So geht es auch weiter: 'Politische Betätigung' im Betrieb soll erlaubt werden - natürlich nur, wenn sie den Arbeitsfrieden und den Produktionsablauf nicht stört.

Was dabei für uns herauskommt, ist klar:
Nehmen wir nur ein Beispiel: als die Kollegen vom BV in Bochum im Juni für eine Mark mehr streikten, erklärte die SPD-Betriebsgruppe sofort: 'Man kann mit einem Streik im Moment der SPD nur schaden'. Sie wiegelte den Streik ab. Statt der geforderten einen Mark kamen deshalb auch nur 5 bis 17 Pfennig heraus. Die Betriebsgruppe der KPD/ML beim BV hatte die Forderung nach einer Mark mit Flugblättern immer wieder unterstützt. Nun sollen die SPD-Betriebsgruppen, aber auch CDUler und NPDler noch mehr 'Freiheit' bekommen, im Betrieb gegen die Kommunisten zu hetzen. Denn wir Kommunisten stehen an vorderster Front, wenn es darum geht, sich den 'Betriebsfrieden' der Kapitalisten nicht aufzwingen zu lassen.

Bei der Vorlage des ersten BVG-Entwurfs 1952 streikten in der Bundesrepublik über zwei Millionen Kollegen gegen das reaktionäre Adenauer-Gesetz. Der BVG-Entwurf von Arendt bringt nicht viel anderes: Alles zur Sicherung des 'Betriebsfriedens', alles gegen die Kampfkraft der Arbeiter. Da die Gewerkschaftsspitze heute fest in der Hand der SPD ist, kann die SPD diesen Spitzen auch ein paar mehr 'Rechte' geben, denn sie kann sicher sein, dass die Gewerkschaftsbonzen diese 'Rechte' nur in eine Richtung gebrauchen werden - in Richtung gegen die Kommunisten, in Richtung gegen den Klassenkampf, in Richtung auf den Burgfrieden mit den Kapitalisten. Was tun gegen diesen erneuten Angriff der Kapitalisten und ihrer Regierung? Nur die Einheit der Arbeiterklasse kann den Kampf erfolgreich führen. Wir brauchen eine starke Arbeiterorganisation mit Betriebsgruppen in allen Großbetrieben, mit einer zentralen Leitung, die alle Erfahrungen der Ausbeutung und Unterdrückung der Arbeiterklasse, alle Kampferfahrungen zusammenfaßt und so die Ausrichtung des gemeinsamen Kampfes angibt.

Die Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten hat inzwischen über 40 Betriebsgruppen in der Bundesrepublik aufgebaut. Alle geben Betriebszeitungen heraus, einheitlich angeleitet vom Zentralbüro der KPD/ML. Zehntausende von Kollegen lesen unser Zentralorgan, die ROTE FAHNE. Gemeinsam führen wir den Kampf gegen die arbeiterfeindliche SPD-Regierung und die anderen Parteien des Kapitals, gegen die rechten Gewerkschaftsführer, gegen die Verräter des Kommunismus in der D'K'P. Gemeinsam werden wir das neue BVG bekämpfen-sind wir auch noch nicht so stark organisiert, um es vom Tisch zu fegen, so werden wir doch jede Auswirkung dieses Unterdrückungsgesetzes allen Kollegen entlarven, den gemeinsamen Abwehrkampf in allen Betrieben aufnehmen.

Kollegen!
Unterstützt die Betriebsgruppe der KPD/ML! Berichtet uns über jeden Angriff der Opel-Kapitalisten und ihrer Handlanger im Betrieb. Macht Vorschläge für unsere Betriebszeitung. Schreibt uns Kritik, wenn wir Fehler machen. Benachrichtigt uns, wenn ihr in persönlichen Gesprächen mit einem Genossen genauer über unsere Arbeit informiert werden wollt oder Informationsmaterial über die KPD/ML wünscht. ORGANISIEREN WIR UNS IN DER BETRIEBSGRUPPE OPEL DER KPD/ML!"

Geworben wird für die "Rote Fahne".
Q: Die Presse, Nr. 1, Bochum, 22. Januar 1971.

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