Roter Morgen, 5. Jg., 11. Oktober 1971, Nr. 11

11.10.1971:
Die Nr. 11 des 'Roten Morgens' (vgl. 27.9.1971, 25.10.1971) berichtet u.a. über die Entwicklung der Bewegung im Berliner Gesundheitswesen (vgl. 13.11.1969, 20.1.1970, 14.3.1970, 24.9.1970, 17.12.1970, 30.7.1971) sowie über dieses selbst. Über die Haltung der KPD/ML-ZK zum bundesweiten Ärztestreik berichtet auch die KPD (vgl. 5.11.1971).

Übernommen wird ein Artikel aus der 'Information' der RG Osthofen (vgl. Sept.
1971).

Im Artikel "Rote Fahne Bochum - Oder der revisionistische Wurm" wird zur KPD/ML-ZB ausgeführt:"
Wenn man sich heute mit Sympathisanten und Mitgliedern der Gruppe 'Rote Fahne' Bochum unterhält und sie fragt, wieso es denn zwei KPD/ML's gäbe, was der Unterschied zwischen ihrer Gruppe und der KPD/ML, deren Zentralorgan der 'Rote Morgen' ist, sei, erhält man ungefähr die Antwort: Ach die, das sind die Ezristen, die schwarze Linie, das sind die, die sich ins stille Kämmerlein zurückziehen und Theorie machen wollen. Und die Genossen des Zentralbüros verkünden stolz: Damals, 1968, als wir die Partei gründeten … Dabei war keiner von ihnen dabei. Nun gut, werden sie sagen, darauf kommt es auch gar nicht an. Hauptsache, wir haben die richtige Linie. Sicherlich haben sie eine Linie, nur ob es die richtige ist? Wie es jedoch zur Abspaltung ihrer Gruppe von der KPD/ML kam, das versuchen sie ihren Mitgliedern zu verschweigen. Wie alle Spalter versuchen sie die Notwendigkeit der Spaltung ideologisch zu begründen. Heute, nach anderthalb Jahren liest sich das so:
Die Auseinandersetzung entzündete sich an folgenden vier Fragen:
- Steht die Unterstützung der Kämpfe der Arbeiterklasse im Vordergrund der Arbeit der Partei - oder muß die Partei vor allem theoretisch an ihrem Programm arbeiten, solange sie sich im Aufbau befindet?
- Trägt die Partei den Sozialismus in die Arbeiterklasse - oder tun das die Intellektuellen?
- Muß der Kommunistische Jugendverband politisch von der Partei angeleitet werden, aber organisatorisch selbständig sein - oder muß der Jugendverband in der Zeit des Aufbaus von der Partei gegängelt werden?
- Muß die Partei neben ihrem politischen Kampf auch in den von rechten Sozialdemokraten geführten Gewerkschaften arbeiten und ist das der wichtigste Teil - oder soll sie auf die Spaltung der bestehenden Gewerkschaften hinarbeiten und versuchen, die Bedingungen für neue Gewerkschaften zu schaffen?

Das liest sich gut, nur stimmt es nicht. Zum Beispiel Punkt 2. Niemand in unserer Partei ist der Meinung, daß die Intellektuellen den Sozialismus in die Arbeiterklasse tragen, sondern das tut die Partei. Sie mußten schon einen Satz in der Januar-Ausgabe 1971 des ROTEN MORGEN sinnentstellend verdrehen, um zu diesem Unsinn zu kommen. Genauso ist es mit der Behauptung, wir seien der Meinung, die Jugendorganisation der Partei, die ROTE GARDE, müsse am 'Gängelband' geführt werden. Wir sind doch keine Kinder-Bewahranstalt. Sie sollen uns nachweisen, wo solch ein Schwachsinn steht. Zu Punkt 4 können sie unsere Antwort in dem Artikel 'Kampf zweier Linien in der Gewerkschaftsfrage' nachlesen. Die Frage bleibt, ob solche fiktiven, erfundenen Gründe Anlaß genug waren, eine Spaltung herbeizuführen, statt - wie wir damals vorschlugen - sie auszudiskutieren. Sie sollen doch ehrlich sein. Sie wollten die Spaltung … Doch zuerst einmal zu den Gründen, die wirklich zur Spaltung führten und die heute die Gruppe 'Rote Fahne' ihren Mitgliedern zu verschweigen sucht. Es handelt sich dabei um tatsächlich grundlegende Fragen. So stellten sie beispielsweise die These auf, daß die Partei von 'unten nach oben' aufzubauen sei. Sie lehnten es ab, bei der Entwicklung der Partei verschiedene Phasen zu unterscheiden. Sie warfen dem ROTEN MORGEN Trotzkismus vor, weil er meinte: Das Proletariat muß die anderen Klassen und Schichten führen, d.h. die anderen Klassen und Schichten müssen sich ihm unterordnen. Sie propagieren die Entfaltung einer 'massiven Praxis' und behaupteten, immer und unter allen Umständen sei im Widerspruch zwischen Theorie und Praxis die Praxis die Hauptseite und unterstellten, wer der Meinung ist, daß die Theorie die hauptsächliche Seite zwischen Theorie und Praxis sein könnte, wolle 'die Praxis liquidieren'. Nun ist das Theorie-Praxis-Verhältnis für die jungen marxistisch-leninistischen Parteien allerdings eine wichtige Frage, an die man nicht leichtfertig herangehen kann. Was an 'Theorie', was an konkreter Analyse seitens der modernen Revisionisten vorliegt, ist nicht brauchbar … Darin scheint die die Gruppe Rote Fahne allerdings anderer Meinung zu sein."

In Anlehnung an Mao Tsetung und seine Schrift 'Über den Widerspruch', in der er ein Primat der Theorie favorisiert, wenn "noch kein politischer Kurs, keine Methode, kein Plan, keine Richtlinie vorhanden ist", folgert die KPD/ML-ZK:"
Diese Gedanken Mao Tsetungs wurden von der Gruppe Rote Fahne Bochum bzw. ihrem Jugendverband, dem KJVD in 'schöpferischer Weise weiterentwickelt' … Bei ihnen werden die Bedingungen, unter denen die Theorie Hauptseite werden könnte, folgendermaßen bestimmt (Bolschewik Nr. 1, mit dem sie die Spaltung ideologisch rechtfertigen wollten):
1. "….die andere Seite des Widerspruchs zwischen Theorie und Praxis (die Praxis) muß zunächst entfaltet werden, damit die Theorie zur hauptsächlichen Seite wird …
2. Die Theorie wird erst dann zur hauptsächlichen Seite des Widerspruchs, wenn die Fragen, die aus der Praxis gestellt werden, derart überhand nehmen, daß eine weitere Arbeit unmöglich wird …
3. Wenn z.B. sich im Ruhrgebiet eine neue Partei gründen würde, und ihre Agitation und Propaganda würde sich derart entfalten, daß der Bestand unserer Gruppe nicht mehr gesichert wäre, da die Mitglieder der anderen Partei unseren Mitgliedern ideologisch überlegen wären, dann würde die Theorie zur hauptsächlichen Seite des Widerspruchs zwischen Theorie und Praxis werden, denn eine weitere Ausdehnung der Praxis ist nur dann möglich, wenn die ideologische Auseinandersetzung mit dieser Partei intensiv geführt wird."

Die KPD/ML-ZK schreibt dazu:"
Niemals und zu keinem Zeitpunkt hat die Partei behauptet, daß man die Praxis liquidieren, sich ins stille Kämmerlein zurückziehen und die Theorie ausarbeiten solle. Wenn es solche Erscheinungen des Liquidatorentums gab - und es gab sie - wurden sie entschieden bekämpft. Eine proletarische Partei greift vom Tag ihrer Gründung an, und zwar in der ersten Phase ihres Aufbaus vorrangig propagandistisch in die Massenkämpfe des Proletariats ein, mit dem Ziel: Die Vorhut des Proletariats für den Kommunismus zu gewinnen, was nach Stalin heißt: Kader bilden, eine Kommunistische Partei schaffen, Programm und Grundlagen der Taktik ausarbeiten. Und natürlich können die Klassenanalyse, das Programm, eine richtige politische Linie nur in enger Verbindung mit der Praxis des Klassenkampfes der breiten Massen ausgearbeitet, entwickelt, überprüft werden. Was nicht heißt, daß die im Aufbau befindliche Partei die Klassenkämpfe schon führen muß … Das alles wurde von der Gruppe Rote Fahne nicht beachtet. Wild stürzte sie sich in das, was sie Praxis nannte und war baß erstaunt, daß die Arbeiter ihren ständigen Aufrufen zum Streik nicht folgten.

Allmählich kamen sie dahinter, daß in dieser Praxis der Wurm stecken mußte. Stillschweigend korrigierte man einige Positionen, die man zuvor noch als Grund für die Spaltung ausgegeben hatte … Erklärtes Ziel der Gruppe 'Rote Fahne' ist, unsere Partei zu zersetzen und zu zerschlagen, was eindeutig in der Broschüre 'Zwei Wege in den Sumpf des Opportunismus' (vgl. Sept. 1971, d.Vf.) zum Ausdruck kommt. Wobei sie sich nicht scheuen, Namen von Genossen unserer Partei dem Klassengegner preiszugeben. In dieser Broschüre …, die sich mit dem zur Diskussion gestellten Artikel 'Zwei Wege des westdeutschen Imperialismus 'beschäftigt, wird der Versuch der Spaltung unserer Partei unternommen … Wir wissen selbst, daß der 'Zwei-Wege-Artikel' Fehler enthält (idealistisches Herangehen, mißverständliche, teils falsche Formulierungen). Aber das ist nicht das Wesen der Sache. Das Wesen der Sache ist, daß hier das erste Mal von westdeutschen Marxisten-Leninisten der Versuch gemacht wurde, auf der Grundlage einer breit entfalteten Diskussion zu einer korrekten Einschätzung der Entwicklungstendenzen des westdeutschen Imperialismus zu kommen. Wohl nicht umsonst hat ihn die Partei der Arbeit Albaniens in ihrem theoretischen Organ 'Pruga e Partise' 5/71 bis auf den Schlußteil 'Unsere Taktik' nachgedruckt.

Die Diskussion um den 'Zwei-Wege-Artikel' ist in der Partei noch nicht abgeschlossen. Sie wird, weitergeführt, sicher zu brauchbaren Ergebnissen führen. Ein Fehler war es, daß dieser Artikel, bevor er ausdiskutiert war, schon in einigen Veröffentlichungen der Partei als Linie seinen Ausdruck fand. Nachdem die Gruppe 'Rote Fahne' Bochum mit der Methode 'sich wild in die Praxis stürzen' Schiffbruch erlitten hatte, stürzte sie sich genauso 'wild in die Theorie' oder besser, in das, was sie darunter verstehen. Das, was die Gruppe 'Rote Fahne' unter Theorie versteht, ist nicht die konkrete Analyse einer konkreten Situation, sondern das unkritische Abschreiben der 'Theorie' der modernen Revisionisten. Dabei hat sie einen neuen, den 6. Klassiker des Marxismus-Leninismus entdeckt: Walter Ulbricht. Kein 'Bolschewik', keine Broschüre, in der nicht zigmal dieser Renegat, dieser Verräter der deutschen Arbeiterklasse zitiert wird. Damit hatte schon W. D. in seinem 'Revolutionären Weg' Nr. 2 begonnen. Warum haben sie ihn jetzt ausgeschlossen, wenn sie jetzt bereit sind, seine neorevisionistischen Theorien zu übernehmen? …
In diesem Licht muß man auch die Herausgabe von Schriften Ulbrichts durch die Gruppe 'Rote Fahne' Bochum sehen, die einzig und allein den Zweck verfolgt, den revisionistischen Plunder in die Arbeiterbewegung zu tragen …. Anstatt die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung kritisch vom marxistisch-leninistischen Standpunkt aus zu untersuchen, schreiben sie aus den Lehrbüchern der Revisionisten ab. Das führt dazu, daß sie zum Beispiel die korrekte These von der Notwendigkeit des Sturzes des Adenauer-Regimes im 'Programm der nationalen Wiedervereinigung Deutschlands' der KPD von 1952 als linkssektiererisch bezeichnen. Der logische Schluß: Die Partei des Proletariats darf nicht mehr den revolutionären Sturz der herrschenden Klasse propagieren, da das die Massen noch nicht verstehen können. Fürwahr, ihr Weg in den Sumpf des Revisionismus ist offensichtlich … Hier wird offensichtlich, was sich auch in ihrer praktischen Arbeit, in ihren ständigen Bündnisangeboten an die DKP-Führung ausdrückt … Wie offensichtlich ihre Rolle als Handlanger der modernen Revisionisten zur Spaltung der marxistisch-leninistischen Partei und Bewegung bereits ist, beweist ihr 13.-August-Artikel in Nr. 17 der 'Roten Fahne'. Dieser Artikel könnte wortwörtlich aus dem 'Neuen Deutschland', dem Zentralorgan der SED, abgeschrieben sein. In diesem Artikel wird die 'Mauer' durch Berlin zum antifaschistischen Schutzwall emporgejubelt. Jeder marxistisch-leninistische Arbeiter in der DDR würde ihnen diesen Artikel um die Ohren schlagen, weil er besser als die Epigonen der Ulbricht-Clique weiß, warum die Mauer entstand. Sie entstand durch eben diese Politik der Ulbricht-Regierung, die, anstatt den Klassenkampf in der DDR fortzusetzen, sich der ökonomistischen Linie des materiellen Anreizes der Sowjetrevisionisten anpaßte, die, statt die ideologische Revolutionierung voranzutreiben und die Diktatur des Proletariats zu festigen, es zuließ, daß eine neue Bourgeoisie aus Partei- und Staatsfunktionären, Managern und Technokraten entstand …
Alle Mitglieder der Gruppe 'Rote Fahne' Bochum und des KJVD sollten umgehend den Kampf gegen diese neorevisionistische Linie aufnehmen und die organisatorischen Konsequenzen ziehen, sonst werden sie unweigerlich im Sumpf des Revisionismus landen."
Die KPD/ML-ZB antwortet auf diesen Artikel in ihrer 'Roten Fahne' (RF - vgl. 25.10.1971, 8.11.1971).

Der Artikel "Schluß mit dem intellektuellen Geschwätz. Gegen den Versuch, unter dem Deckmantel des Kampfes zweier Linien innerhalb der Partei und des Kampfes gegen den Ökonomismus, die Partei zu zerstören!", erklärt u.a.:"
Genossen, uns reicht's. In den beiden letzten Ausgaben des ROTEN MORGEN mußten wir lesen, daß wir einer Partei angehören, die eine 'bürgerlich, reaktionäre' Linie verfolgt, deren Hauptquartier von 'objektiven Agenten der Bourgeoisie' erobert wurde, das man niederschlagen müsse, um einen neuen 'revolutionären Kern' in 'der Partei' zu 'bilden'. Einen Kern, der sich dann endlich im Kampf gegen den Faschismus mit den DKP-Revisionisten verbindet. Wir danken dem ROTEN MORGEN, daß er uns nach dem Prinzip 'Laßt hundert Blumen blühen' in so überaus plastischer Weise den Kampf zweier Linien in der Partei vor Augen führte, so daß es uns möglich ist, die übelriechenden Sumpfblüten der Reaktion von den Blumen des Sozialismus zu unterscheiden. Wir hätten allerdings gewünscht, daß die Redaktion des ROTEN MORGEN die Artikel unter der Spalte 'Kritik und Selbstkritik' und den namentlich (fb) gekennzeichneten Artikel besser als nicht die Meinung der Redaktion gekennzeichnet hätte, um Verwirrung unter den Lesern zu vermeiden. Keineswegs aber vertreten wir die Meinung, daß solche Artikel nicht in den ROTEN MORGEN gehören, weil unsere Gegner sich vielleicht über unsere Streitigkeiten lustig machen und sie für Angriffe gegen uns ausnützen könnten … Vor nichts haben die Führer dieser reformistischen, revisionistischen und neorevisionistischen Parteien und Gruppen mehr Angst, als sich offen und hart kritisieren zu lassen. Daß solche Beiträge im ROTEN MORGEN erscheinen können, ist nicht ein Zeichen unserer Schwäche, sondern der ideologischen Stärke unserer Partei; Kritik und Selbstkritik sind ein festes Prinzip in unserer Partei. Das ändert jedoch nichts am Inhalt, an der Tendenz dieser Artikel: 'Das Hauptquartier bombardieren!' Haben wir das nicht schon einmal gehört? Damals als der objektive Agent V. M. im ZK und in Westberlin einen fraktionistischen Putschversuch unternahm. Später, als die Dickhut-Genger-Gruppe zur Spaltung der Partei schritt. Und kürzlich bei uns, als wir das Zimmer des Hamburger Fraktionisten W. L. betraten, dem es gelungen war, den KSB/ML gegen die Partei aufzubringen und der sich hinter dem Rücken der LL der er selbst angehörte, zu Vereinigungsgesprächen mit anderen Gruppen traf, und wir an der Wand den Spruch prangen sahen 'Das Hauptquartier bombardieren'. Aus Erfahrung wird man klug. Das, was sich hier in den Artikeln des Landesverbandes Südwest abzeichnet, haben wir in den letzten drei Monaten in Hamburg durchexerziert. Es begann damit, daß eine knappe Handvoll intellektueller Genossen unserer Partei ursprünglich den Kampf zweier Linien in der Partei entdeckte. Von da ab sabortierten sie die praktische Arbeit des Landesverbandes. Wollten wir uns schulen oder praktische Aufgaben der Zellen in der politischen Arbeit besprechen, kreuzten sie mit Papieren auf, die unbedingt besprochen werden mußten … Der Gipfel ihrer Erkenntnis war schließlich der, daß sie feststellten, die Arbeiterklasse könne kein Klassenbewußtsein entwickeln, nur sie, die Intellektuellen, seien dazu in der Lage. Die Arbeiter vertreten die bürgerliche Ideologie, während sie, die proletarische vertreten. Was dann betreffs der Partei zur Folge haben müßte: Sie, die Intellektuellen, müssen in jedem Fall die Führung innehaben … Wir haben keine Lust, uns mit Dogmatikern herumzuschlagen, die lediglich einige Zitate von Lenin, Stalin und MaoTsetung herbeten können, die nicht in der Lage sind, ihr jeweils angelesenes Buchwissen mit den heutigen Verhältnissen des Klassenkampfes in der Bundesrepublik nach der Methode der konkreten Analyse in Verbindung zu bringen … Worin haben die Autoren der Kritik im Roten Morgen recht? 1. Daß es in der Partei praktisch seit dem massiven Erscheinen von Betriebszeitungen im LV Südwest und später auch nach Gründung des ZBGK einen Trend zum Ökonomismus gab, wovon auch der ROTE MORGEN beeinflußt wurde. Aber wohlgemerkt, einen Trend, eine Tendenz zum Ökonomismus. Es ist bösartig und unsolidarisch zu behaupten, es habe sich dabei um eine Linie von Konterrevolutionären gehandelt, die diese in die Partei getragen hätten, um sie in den Sumpf des Opportunismus zu führen … Warum kreuzt ihr erst heute mit eurem Artikel auf? Hat doch der ROTE MORGEN bereits vor Monaten in Erkenntnis vorhandener Abweichungen den Artikel 'Über die Verbindung von ökonomischem und politischem Kampf' gebracht, der von Radio Tirana in vollem Wortlaut gesendet wurde … Sicher gibt es den Kampf zweier Linien in der Partei. Die kurze Geschichte unserer Partei zeigt eine Reihe von Beispielen dafür. Gibt es diesen Kampf nicht mehr, ist die Partei revisionistisch entartet. Und es ist notwendig, diesen Kampf gegen rechts- und 'links'opportunistische Auffassungen bewußt zu führen, darüber bestehen zwischen euch uns uns grundsätzliche Unterschiede, die zu Antagonismus führen können, wenn ihr euch nicht korrigiert und rechtzeitig Selbstkritik übt. Wir sind der Meinung, daß man beim Kampf zweier Linien innerhalb der Partei die in ihrem Wesen nach unterschiedlichen Arten von Widersprüchen, die zwischen uns und dem Feind und die im Volk richtig unterscheiden und behandeln muß, damit die Partei auf der Grundlage der Prinzipien des Marxismus-Leninismus und der Maotsetungideen ihre Einheit verstärkt … Wir sind der Meinung, daß die Widersprüche innerhalb der Partei nach dem Prinzip 'Einheit-Kritik-Einheit' und der Richtlinie 'aus früheren Fehlern lernen, um künftige zu vermeiden' und 'die Krankheit bekämpfen, um den Patienten zu retten', zu lösen sind … Und noch ein Punkt, in dem ihr recht habt: Daß der ideologische Kampf gegen Gruppen außerhalb der Partei, die sich marxistisch-leninistisch nennen, vernachlässigt wurde, daß die Gefahr - wie es sich in der Mai-Nummer des ROTEN MORGEN ausdrückte - zur prinzipienlosen Vereinigung bestand. Aber Genossen, habt ihr nicht auch den Fehler gemacht, den ihr bei uns anprangert? Was habt ihr in Südwest, wo sich das Zentrum des KAB befindet, dazu beigetragen? Die Westberliner Genossen haben einen Artikel gegen die KPD/AO für den ROTEN MORGEN geschrieben. Die Münchener Genossen haben in einer Broschüre die Roten Zellen und was da bei ihnen sonst noch existiert aufs Korn genommen. Wir haben eine umfangreiche Broschüre gegen das neorevisionistische SALZ … herausgebracht. Ihr aber und ein anderer Landesverband auch habt durch Schweigen geglänzt … Worin liegen die Ursachen für die aufgetretenen Fehler in der Partei? … Für uns aber liegen die Ursachen dieser Fehler klar auf der Hand. Sie liegen im Spontaneismus begründet … Ihr sagt: Wir müssen einen neuen 'revolutionären Kern' schaffen. Wir sind der Meinung, daß es diesen revolutionären Kern in der Partei sehr wohl gibt. Ohne ihn hätten wir keine Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten und ohne ihn hätte der Kampf gegen die rechtsopportunistische Dickhut-Genger-Gruppe nicht geführt werden können, ohne ihn hätte es keine Plattform gegeben, in der die Aufgaben der Partei für die jetzige Phase im wesentlichen korrekt bestimmt waren. Spätesten nach der Plattform aber traten die Fehler auf. Sie wurden nicht zur Grundlage der Arbeit der gesamten Partei … Inzwischen sind die Einsichten und die Möglichkeiten vorhanden, den entsprechenden Schritt zu tun. Nehmen wir ihn in Angriff. Sorgen wir jetzt dafür, daß für die Genossen, die mit zentralen Aufgaben betraut sind, die Bedingungen vorhanden sind, sie auch auszuführen. Stärken wir unseren revolutionären Kern durck korrekte Kritik und frisches Blut."
Die Kritiker nehmen mit diesem Artikel Bezug auf eine Veröffentlichung im 'Roten Morgen' Nr. 9 vom 13.9.1971 "Antifaschistischer Kampf und Parteiaufbau", der von 'fb' unterzeichnet ist.
Er ist unterzeichnet von: H.E., Packer, K.A., Bauarbeiter, H.M., Gärtnerin, A.H., Werftarbeiter, K.F., Zimmermann, S. H., Arbeiterin, P.L., Fräser, H.S., Rohrschlosser, S. H., Betriebschlosserin.

Kritisiert wird dieser Artikel u.a. in:
- Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland durch den LV Südwest der KPD/ML-ZK (vgl. 11.10.1971).
- NRW durch die späteren ML Duisburg (vgl. Feb. 1972).

Es erscheint auch die "Erklärung des ZK der KPD/ML: Den Roten Morgen von Opportunisten reinhalten". Darin wird erklärt:"
Der Artikel 'Antifaschistischer Kampf um Parteiaufbau' im ROTEN MORGEN Nr. 9/1971 verstößt in mehreren Punkten gegen Prinzipien des Marxismus-Leninismus. Am schwerwiegendsten sind die Folgerungen des Artikels in der Frage von taktischen Bündnissen mit der DKP. Hier liegt die schwerste rechtsopportunistische Abweichung gegenüber dem modernen Revisionismus im ROTEN MORGEN seit Erscheinen vor. Der Artikel muß deshalb (obwohl er durch namentliche Zeichnung indirekt als Diskussionsbeitrag eines Genossen gekennzeichnet wurde) entschieden zurückgewiesen werden. Die Ursache für die rechtsopportunistischen Folgerungen des Artikels bilden von Anfang an eine idealistische und subjektivistische Einschätzung der Klassenkräfte. Aus der Feststellung Mao Tsetung 'Die Haupttendenz in der heutigen Welt ist Revolution', die sich auf das gesamte imperialistische Weltsystem bezieht, wird mechanisch abgeleitet, daß dem Imperialismus auch in Teilen der Welt keine vorübergehenden taktischen Siege mehr gelingen können. Daraus wird weiter gefolgert, daß es dem westdeutschen Imperialismus in Zukunft nicht mehr gelingen kann, die faschistische Diktatur zu errichten … Diese Einschätzung bedeutet eine leichtfertige Unterschätzung des Gegners, die sowohl zu 'links'- als auch zurechtsopportunistischen Konsequenzen führen kann. Weiter zeigt sich das idealistische Herangehen des Autors in einer mechanistischen, automatischen Verbindung vom Faschismus mit der proletarischen Revolution … Zusammen mit der falschen Auslegung von 'Haupttendenz Revolution' ergibt sich daraus ein einziges, im voraus klares Schema der Revolution in Westdeutschland: die Bourgeoisie faschisiert ihren Staat, das Proletariat verschärft den antifaschistischen Kampf in dem Augenblick, in dem die Bourgeoisie versucht, den Faschismus zu errichten, findet die proletarische Revolution siegreich statt … So einfach geht das. Das Schema klärt die Genossen nicht im geringsten darüber auf, daß die Revolution äußerst schwierig ist, daß sie im Zickzack verläuft und durchaus andere Wege gehen kann … Eine weitere klassenanalytische Einschätzung findet sich bei der Beurteilung von NPD und 'Aktion Widerstand'. Der Autor übernimmt ohne Untersuchung die Einschätzung der DKP, daß die NPD usw. Hauptstütze der Faschisierung wäre. Das ist völlig falsch … Entgegen dem Artikel muß festgestellt werden, daß CDU und SPD die hauptsächlichen politischen Träger der Faschisierung sind und auch in der nächsten Zeit bleiben werden … Die subjektivistische Analyse führt bei der Anwendung auf die Frage des Bündnisses mit der DKP zu den schwersten rechtsopportunistischen Fehlern im ROTEN MORGEN seit seinem ersten Erscheinen im Jahre 1967 … Schließlich und endlich: Die vorgeschlagene Taktik zeugt von einem unbegreiflchen Mißtrauen in die Massen und besonders die fortschrittlichen Arbeiter. Offenbar meint der Autor, daß sie unsere antirevisionistische Propaganda 'nicht verstehen' werden. Er meint also, daß wir keine überzeugenden Argumente gegen den Sozialfaschismus besitzen. Und auf dieser Basis möchte er sie gewinnen. Wen anders als Opportunisten wird er aber auf diese Weise gewinnen? Also: fb möchte die Partei dadurch stärken, daß er sie an den modernen Revisionismus und sogar indirekt an die SPD kettet, und daß er 'Gruppen' gewinnt, auf der Basis des Verzichts auf antirevisionistische Argumente! Jedes weitere Wort erübrigt sich: Der Artikel hat der Partei, auch als Diskussionsbeitrag und als 'Kritik' gekennzeichnet, sehr geschadet. Es war ein Fehler, ihn überhaupt zu veröffentlichen."

In "Was haben die Grundeinheiten der Partei mit dem Roten Morgen zu tun?" wird auch ausgeführt:"
Es lassen sich bestimmt hunderte von beispielen aufzählen, daß die bürgerliche Presse politische Enthüllungen bringt, sie natürlich für die bürgerliche Agitation und Propaganda verwendet, und daß die betreffenden Ortsgruppen der Partei entweder dazu ganz schweigen oder diese Enthüllungen dem ROTEN MORGEN vorenthalten.

Wir wollen das mit einem halben Dutzend Beispielen belegen, es ist das, was nach kurzer Überlegung und Untersuchung herauskam.

In Bochum wurden auf einer Müllkippe 150 Fässer mit tödlichem Gift gefunden. Es besteht große Gefahr, daß das Trinkwasser vergiftet wird. Im Spiegel muß man das lesen, und noch dazu, daß die DKP uns hier etwas vormacht! Obwohl in Bochum eine aktive Ortsgruppe besteht.

In Worms war vor ein paar Wochen der 'rote Jochen', der Renommiersozialist und Demagoge Steffen, zu Gast und hat sich im Verlauf einer Diskussion vollständig als Sozialchauvinist und Opportunist entlarvt. Zudem hat er eine äußerst interessante Bemerkung über Aktionseinheit mit der DKP gemacht: 'Ich kann mir durchaus einen Fall vorstellen, wo wir mit der DKP gemeinsam vorgehen können: Gegen die ganz Verrückten, die Maoisten!' Davon berichteten die Wormser genossen kein Wort."

Von der Redaktionssitzung für diese Nummer berichtet der Landespresseverantwortliche NRW (vgl. 27.9.1971, 25.10.1971):"
ÄRZTESTREIK. Von J (Wb) vorgelegt, von mir geringfügig überarbeitet. Dieser Artikel war nicht als Aufmacher von uns gedacht. E war während dieser Sitzung jedoch nur kurzfristig anwesend. Wir hatten jedoch einen Seitenplan aufgestellt, wo der Artikel zum Bundesgrenzschutz für die Titelseite vorgesehen war.

KNAST. Von BF vorgelegt.

HEIßER DRAHT. Von mir.

MIETERHÖHUNG IN WESTBERLIN: Von J (Wb) verfaßt, von mir kontrolliert.

WER HAT DIE INDONESISCHE KP VERRATEN? Von mir verfaßt und von den übrigen Redakteuren akzeptiert.

WIEDER EINE OHRFEIGE. Von mir.

SCHLUß MIT DEM INTELLEKTUELLEN GESCHWÄTZ. Dieser Artikel wurde nach Redaktionsschluß in den RM genommen, statt des Ökonomismus-Artikes, der erneut beraten und überarbeitet worden war, allerdings in seiner Endfassung nicht mehr von allen Redakteuren zur Kenntnis genommen werden konnte. Dennoch war er soweit beraten worden, daß seine Annahme gerechtfertigt schien. Der Geschwätzartikel dagegen war auf putschistische Weise in den RM gekommen und von E verfaßt worden, der das zunächst bestritt. Bei seiner Beratung in einem Arbeiterkollektiv ist der Setzer M nicht hinzugezogen worden. Als dieser Artikel besprochen wurde (Sitzung für 11/71), hatte ich ihn noch nicht gelesen. Die Argumentation von E war so, daß ich seine Gegner unterstützte. Es lag bereits eine Kritik aus Stuttgart vor, die jedoch ebenso unterschlagen wurde wie der Ökonomismusartikel, und E hatte zugesichert, sie zu drucken (sie wurde jedoch nur gesetzt).

DEN RM VON OPPORTUNISMUS REINHALTEN: Diese Erklärung des ZK lag ebenfalls nicht der Redaktion vor. Sie unterstützt den Geschwätzartikel.

SIEMENS GARTENSTADT und AUSBEUTUNG IN EINZELHANDEL. Arbeiterkorrespondenz. Von J vorgelegt.

ROTE FAHNE BOCHUM ODER DER REVISIONISTISCHE WURM. Von E verfaßt. Lag der Redaktion vor, die die Passagen über die 2-Wege-Theorie deutlicher ablehnend gefaßt haben wollte. Mit Billigung des ZK ist jedoch die alte Fassung beibehalten worden und das Faksimili 'Pruga e partisi' trotz ausdrücklicher Ablehnung durch die Redaktion eingefügt worden.

WAS HABEN DIE GRUNDEINHEITEN DER PARTEI MIT DEM RM ZU TUN? Von Bf. Änderungsvorschläge von mir wurden nach heftiger Debatte akzeptiert. Es handelt sich um die Passage: 'Es ist natürlich richtig, Fabrikenthüllungen an den RM zu geben', wo zunächst eine Ablehnung solcher Enthüllungen vorgesehen war. In der veränderten Fassung fand der Artikel die Zustimmung der Redaktion.

BUNDESGRENZSCHUTZ GEGEN STREIKENDE ARBEITER. Von wem der Artikel stammt, weiß ich nicht. Er wurde allgemein gutgeheißen.

ALTE MENSCHEN IM KAPITALISMUS. Von Bf mitgebracht. Von der Redaktion angenommen.

DIE JUSTIZ - FREUND UND HELFER DER POLIZEI. Von mir. Ich hatte es übernommen, Kurznachrichten zu schreiben, um auf diese Weise den RM abwechslungsreicher zu machen. Einige davon tauchen in späteren Nummern noch auf. Nicht erschienen war wieder einmal der Ökonomismus-Artikel. E redete sich heraus, das ZK wolle dazu eine Erklärung schreiben, beides sollte dann gemeinsam in 12/71 abgedruckt werden. Wie von W (Du) zu erfahren war, war der Artikel im ZK überhaupt nicht behandelt worden, er selbst war mit der Erklärung beauftragt worden, hatte sie jedoch nicht geschafft. Aus stand auch eine Ökonomismus-Kritik, die besonders den Artikel: 'Das Dilemma der IG Metall' (8/71) betraf. Sie war mir gegen Ende der Sitzung von 10/71 zur Bearbeitung gegeben worden. Da ich jedoch einiges für unberechtigt hielt, hätte ich erst noch eine eigene Stellungnahme verfassen müssen, wofür die Zeit nicht reichte. Diese Frage wurde auf den folgenden Sitzungen nicht mehr diskutiert. Eine Zurücknahme der kritisierten Forderung, die ich verfaßt hatte, wurde ebenfalls nicht gedruckt, obwohl ich ausdrücklich darauf hinwies."
Q: KPD/ML-ZK-LPV NRW: Bericht des LPV NRW (K) und RM-Redkoll-Mitglied über seine Tätigkeit im RM-Redkoll von Dezember 1970 bis November 1971, o.O. o.J., S. 11f; Roter Morgen Nr. 11, Hamburg 11.10.1971;KPD/ML-ZK-OGL Dortmund: Kritik der OGL Dortmund an der 'Theorie' von den Zwei-Wegen des westdeutschen Imperialismus und ihrer Auswirkungen auf die Praxis der Partei, Dortmund o.J. (1971);N.N.: Beitrag zum ideologischen Kampf mit der Position des TKB/ML-Kiel, Duisburg Feb. 1972, S. 4;KPD/ML-ZK-LV Südwest: Analysen und Anträge des LV Süd-West, o.O. Okt. 1971


Roter Morgen, 5. Jg., 11. Oktober 1971, Nr. 11, Seite 1a
Roter Morgen, 5. Jg., 11. Oktober 1971, Nr. 11, Seite 1b

Roter Morgen, 5. Jg., 11. Oktober 1971, Nr. 11, Seite 2a
Roter Morgen, 5. Jg., 11. Oktober 1971, Nr. 11, Seite 2b

Roter Morgen, 5. Jg., 11. Oktober 1971, Nr. 11, Seite 3a
Roter Morgen, 5. Jg., 11. Oktober 1971, Nr. 11, Seite 3b

Roter Morgen, 5. Jg., 11. Oktober 1971, Nr. 11, Seite 4a
Roter Morgen, 5. Jg., 11. Oktober 1971, Nr. 11, Seite 4b

Roter Morgen, 5. Jg., 11. Oktober 1971, Nr. 11, Seite 5a
Roter Morgen, 5. Jg., 11. Oktober 1971, Nr. 11, Seite 5b

Roter Morgen, 5. Jg., 11. Oktober 1971, Nr. 11, Seite 6a
Roter Morgen, 5. Jg., 11. Oktober 1971, Nr. 11, Seite 6b

Roter Morgen, 5. Jg., 11. Oktober 1971, Nr. 11, Seite 7a
Roter Morgen, 5. Jg., 11. Oktober 1971, Nr. 11, Seite 7b

Roter Morgen, 5. Jg., 11. Oktober 1971, Nr. 11, Seite 8a
Roter Morgen, 5. Jg., 11. Oktober 1971, Nr. 11, Seite 8b