Kommunistischer Nachrichtendienst der KPD/ML und des KJVD, Jg. 1, Nr. 39, 7. Okt. 1970 [fehlt]

07.10.1970:
Die Nr. 39 des 'KND' (vgl. 3.10.1970, 10.10.1970) der KPD/ML-ZB widmet sich unter dem Titel "Gegen die Zermürbungstaktik Wachsamkeit und entschlossener Kampf" auf ihren 12 Seiten wieder zuvorderst der Metalltarifrunde (MTR), in der mittlerweile in NRW, Bremen und Südwürttemberg-Hohenzollern die Schlichtung angelaufen ist.

In Hamburg habe sich die IGM auf einen ungeheuren Kuhhandel mit den Kapitalisten eingelassen. Nachdem diese einer Vorweganhebung von 4, 13 DM auf 4, 50 DM zugestimmt hatten, habe die IGM ihnen dafür eine Herabsetzung der betrieblichen Leistungszulagen von 17, 5% auf 11% geschenkt.

Der FDP-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Mischnick, habe sich in die Tarifrunde eingeschaltet und erklärt, daß Lohnerhöhungen über 10% konjunkturgefährdend seien. Damit wasche die FDP wieder einmal die schmutzige Wäsche der SPD, die sich dieses selbst gerade wegen der anstehenden Landtagswahlen nicht erlauben könne.

Die DAG habe bereits jetzt erklärt, daß sie 1971 geringere Lohnforderungen aufstellen wolle, da vermutlich die Konjunktur ungünstiger sein werde.

Noch in diesem Jahr werden 200 von 5 000 Textilbetrieben schließen, falls sich nicht die Profite entscheidend erhöhen. Bei F.A. Kümpers in Rheine (GTB-Bereich) sei in der Näherei vierzehntägige Kurzarbeit für 100 Arbeiter angekündigt worden.

Bei Schildkröt Mannheim sollen in den nächsten Wochen 300 Arbeiterinnen und 150 Arbeiter entlassen werden, da der Großteil der Spielwarenproduktion nach Nürnberg und Perpignan verlegt werde.

Aus Berlin wird berichtet vom Jugendmonat der IGM (vgl. 3.10.1970).

Das Bundesarbeitsgericht habe in einem Urteil bezüglich eines Hamburger Hafenarbeiters festgestellt, daß Arbeiter, die in Betriebszeitungen bzw. Flugblättern Kritik am Betrieb üben deswegen nicht sofort fristlos entlassen werden dürften. Der Hafenarbeiter habe ein Mitteilungsblatt für die Schauerleute herausgegeben, in dem er sich gegen die Ausbeutung der Hafenarbeiter gewandt habe.

Der parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und Kapitalist Rosenthal (SPD), habe der Arbeiterklasse vorgerechnet, daß es ihr doch finanziell ganz gut gehe und sie sich nicht als Betrogenen hinstellen solle. Allerdings sei seine Rechnung so zynisch, daß sogar die 'SZ' sie kritisiert habe. Ausgegangen sei er vom Bruttoeinkommen und habe dabei die Steigerung des Lohnsteueraufkommens vom Juli 1969 bis zum Juli 1970 um 48, 7% bei einer nur um 2, 1% gestiegenen Zahl der abhängig Beschäftigten unter den Tisch fallen lassen. Die Lohnsteuer der einzelnen sei um 3 bis 4% gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Auch die Inflation sei, laut 'SZ', mit 8% und nicht wie bei Rosenthal mit 4% zu veranschlagen.

Die KPD/ML-ZB meint dazu:"
Sogar während des Booms kann der Arbeiter heute kaum materielle und finanzielle Vorteile erkämpfen. Über den monopolkapitalistischen Staat holen sich die Kapitalisten (zumindest indirekt) das Geld zurück, um das sie von der Arbeiterklasse im Lohnkampf erleichtert worden sind."

In einem Artikel "Krise und Inflation" wird ausgeführt:"
Je näher die Krise rückt, und je mehr die Preise steigen, desto unsicherer wird die Bourgeoisie, welche Mittel sie noch zur Stabilisierung einsetzen soll. Die bürgerlichen Ökonomen widersprechen sich unaufhörlich, die Meinungen gehen von 'Anzeichen einer Normalisierung' bis 'Rezession in Sicht', und nur die marxistische Analyse der nationalen und internationalen Widersprüche und ihrer Bewegung kann zum richtigen Ergebnis kommen, daß sich die allgemeine Krise des Kapitalismus in einiger Zeit in einer aktuellen zyklischen Krise verschärfen wird. Die Bundesbank behauptet in ihrem letzten Gutachten (Monatsbericht vom September, der sich auf Juli-Zahlen stützt), das Bild des weiter bestehenden Booms müßte nur etwas 'ergänzt' werden, und benutzt die Anzeichen der Krise, die sie einerseits als 'Normalisierung' bezeichnet, um die Arbeiterklasse zu bedrohen und von Lohnforderungen abzuhalten. Aber das die Bundesbank mit ihren eher moralischen Hinweisen und den nur auf die Zirkulation gerichteten Maßnahmen der Zinserhöhung und Mindestreservenbildung nicht mehr ausreichende Mittel zur Aufrechterhaltung ihrer Autorität in einer Phase verstärkter Klassenkämpfe hat, wird der SPD-Regierung klar, weil sie die inflationäre Entwicklung verantworten muß. Also muß sie die Aufgabe übernehmen, 'Stabilitätspolitik' zu betreiben. Diese besteht hauptsächlich in allmählich schärfer werdenden staatlichen Eingriffen zur Beschränkung der Tarifautonomie, in Lohnleitlinien, in einer durch Steuererhöhungen finanzierten und von den Preissteigerungen aufgefressenen 'Reformpolitik'. Schon der Hauptgeschäftsführer von Gesamtmetall in NRW, Kircher, forderte in einem Gespräch mit dem 'Handelsblatt', eine 'neutrale, mit Autorität ausgestattete Institution', 'die hier in Form von Orientierungsdaten etwa Hilfestellung leisten könnte'.

Das heißt, daß die alten Mittel des Stablitätsgesetzes und auch der Sachverständigenrat der Monopolbourgeoisie zur Disziplinierung der Arbeiter nicht mehr ausreichen. Hier springt die SPD-Regierung in die Bresche und wird immer mehr zur sozialfaschistischen Verwaltung der Arbeiterklasse mit Hilfe des Staatsapparates greifen. Gleichzeitig droht für die Kapitalisten aber eine erneute Aufwertung der DM, denn wenn sich die 'Arndt-Fraktion' in der SPD durchsetzt, die meint, daß eine antiinflationäre Politik solange nutzlos ist, solange es eine 'offene Flanke' (Außenwirtschaft) gibt, so muß die SPD zur Unterstützung ihrer inneren Befriedungsmaßnahmen auch außenwirtschaftlich etwas unternehmen. Das kann der exportabhängigen Monopolbourgeoisie nicht recht sein. Sie profitiert im Moment davon, daß die Preissteigerungen bei uns niedriger sind als im Ausland, andererseits gehen die Exporte wegen der Krise in den anderen kapitalistischen Ländern schon zurück, so daß sie eine Aufwertung nicht hinnehmen wollen. Deshalb richtet CSU-Pohle (Flick Generalbevollmächtigter) eine Anfrage an die Bundesregierung hinsichtlich der Stellung der Bundesbank, deren Stellung er stark erhalten möchte. Denn die Bundesbank unterstützt eine expansionistische Politik. Sie sagt, 10% des Welthandels und 20% des Kapitalexports werden von der BRD gestellt. Damit kann man die anderen Länder beeinflussen und braucht nicht unbedingt abhängig von deren Inflation zu sein. Jedoch ist die Position, die der westdeutsche Imperialismus in der Welt einnimmt, noch nicht so stark, daß nicht weiterhin vor allem auf Kosten der Arbeiterklasse 'stabilisiert' werden müßte."

Zum Rückgang des Anstieges des Bruttosozialproduktes wird erläutert:"
Der Kapitalismus produziert zyklische Krisen, die sich darin äußern, daß die Produktionsverhältnisse aktuell die Entwicklung der Produktivkräfte behindern, wie es sich eben im Rückgang des Anstieges des Bruttosozialprodukts äußert. Eine ständige und planmäßige Erweiterung der Befriedigung sozialer Bedürfnisse ist unmöglich. Die Zurückführung auf die inflationäre Entwicklung (wie sie vom Statistischen Bundesamt bei der Bekanntgabe der Zahlen vorgenommen wurde, d.Vf.) dient dazu, die Arbeiterklasse über die Unausweichlichkeit von Krisen im Kapitalismus hinwegzutäuschen und ihr den schwarzen Peter zuzuschieben, indem die Lohnerhöhungen für die Inflation verantwortlich gemacht werden."

Berichtet wird u.a. auch noch über die Entlassung des Chefredakteurs der 'Gewerkschaftlichen Monatshefte' Fabian. Dieser gehöre zu denjenigen Kräften, "die besonders nach dem Verbot der KPD und der vollständigen Säuberung des Gewerkschaftsapparates von Kommunisten, die Theorie vertraten, daß die Gewerkschaften die Funktion einer außerparlamentarischen Opposition hätten." Die Kündigung von Fabian und die Mitte des Jahres erfolgte Entlassung des Chefredakteurs der 'Gewerkschaftlichen Umschau' der IG Chemie (CPK) Brumlop sei "ein weiterer Beweis dafür, daß die Gewerkschaften nicht über die Gewerkschaftsschulen und -zeitungen erobert werden können, wie es die Trotzkisten und 'linke' Sozialdemokraten meinen, sondern nur durch Eroberung der Massen der Gewerkschaftsmitglieder".

Die Gewerkschaftsführer, die ihren Einfluß auf die Arbeiterjugend schwinden sähen, enfalteten nun verstärkt Aktivitäten, um dies zu verhindern. Anfang Oktober solle der Bundesjugendausschuß des DGB ein Aktionsprogramm beschließen, das eine breite Aufklärung über die Probleme der berufstätigen Jugend vorsehe. 1971 solle das Jahr des 'jungen Arbeitsnehmers' werden. Auch sei die neue Gewerkschaftsjugendzeitung 'ran' erschienen, deren Anfangsauflage 100 000 betragen solle. Der Inhalt solle, laut einem Redaktionsmitglied, zwischen 'Bravo' und 'Konkret' liegen.

Über den nationalen Aufbau der NLA wird anhand eines Artikels der 'Welt' berichtet. In NRW gäbe es etwa 800 Mitglieder, das sei etwa die Hälfte des Bundesbestandes. Zwei Drittel davon seien FDP-Mitglieder, während NPD und der Bund der Vertriebenen zurückhaltend seien. In Gelsenkirchen sei ein Regionalverband Ruhr gegründet worden, nachdem die FDP am Wochenende beschlossen habe die drei NLA-Mitglieder aus ihrer Fraktion auszuschliessen. Der Zerfall der FDP gehe aber, auch in anderer Richtung, weiter, so sei die gesamte dreiköpfige Stadtratsfraktion in Dormagen zur SPD übergetreten. In Niedersachsen habe die NLA ca. 100 Mitglieder in mehreren Bezirks- und Kreisverbänden, von denen 20% im letzten Jahr aus der FDP ausgetreten seien. Der Landesführer der NLA, Homeier, halte enge Kontakte zu den Vertriebenenverbänden und dem ehemaligen BHE.
In Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sei die NLA noch nicht sehr stark, in Schleswig-Holstein wolle man 1971 zu den Landtagswahlen kandidieren. In Hessen solle eine Landesgruppe gegründet werden (vgl. 18.10.1970).

Ein seltenes Lob bekommt die SU-Nachrichtenagentur TASS, diese habe ganz richtig erkannt, daß Nixon mit seiner Mittelmeerreise eine Demonstration der US-Militärmacht nicht weit von Suez beabsichtigte. Dann allerdings wird so fortgefahren:"
Um bei diesem üblen imperialistischen Unternehmen die eigene friedliche Rolle zu betonen, verlegte das Hauptquartier der Roten Flotte anläßlich des Nixon-Besuches 5 weitere Kriegsschiffe und 5 Unterseeboote ins Mittelmeer. Damit verfügt die SU über 38 Überwasserschiffe und 13 U-Boote, die USA über 50 Überwassereinheiten der 6.Flotte. Eine 'Demonstration der US-Militärmacht nicht weit von Suez', wo die SU glaubt, das alleinige Recht auf Militärmachtdemonstrationen von der arabischen Kleinbourgeoisie gepachtet zu haben, paßt natürlich schlecht ins Konzept der arabischen Kleinbourgeoisie und ihrer Verbündeten. Daß die ganze Sache dann doch ein Schlag ins Wasser wurde, lag weniger an der Friedenspolitik der Roten Flotte, sondern am unprogrammgemäßen Tod des Hauptadressaten, Nasser. Nixon wollte mit seinem Besuch der arabischen Kleinbourgeoisie klarmachen, daß auch der relative Schutz, den die SU garantiert, die USA nicht dazu bewegen wird, Teile ihres Interessensgebietes aufzugeben. Die Kanonen der 6.Flotte sollten sozusagen die neue Runde der Friedensgespräche mit Israel einläuten."

Ein gutes Beispiel internationaler Solidarität der Arbeiterklasse sei von den KollegInnen der französischen Rhone-Poulenc Company gegeben worden, die einen Streik von 1 800 Chemiearbeitern im britischen Rhone Poulenc Zweigwerk May and Baker in Dagenham unterstützt hätten. Diese seien Ende Juni in den Streik getreten, um eine Verschlechterung ihrer Löhne im Vergleich zu anderen Arzneimittelwerken zu verhindern. Die Kapitalisten hätten sie mit 11% abspeisen wollen. Der internationale Chemiearbeiterbund aber habe sich solidarisiert und die französischen Arbeiter hätten über ihre Gewerkschaft Geld geschickt, so daß nach drei Wochen 16% durchgesetzt werden konnten.

In Peru hätten jetzt rund 10 000 Bergarbeiter ihren Streik beendet, nachdem die Regierung erklärt habe auf ihre Forderung nach Entlassung des Arbeitsministers General Chamot Biggs und anderer Regierungsbeamter einzugehen.

In Großbritannien habe sich auf dem Labour-Parteitag in Blackpool die Radikalisierung der sozialdemokratischen Arbeitermassen gezeigt. Gegen die Empfehlung der Parteiführung seien eine Reihe von klassenkämpferischen Beschlüssen gefaßt worden. Zur Fusionskontrolle sei z.B. 'Kampf der wachsenden Macht des Monopolkapitalismus' angekündigt worden. Die Resolution des Vorstandes zur Wirtschaftsplanung, die Lohnstops vorsah, sei abgelehnt worden. Diese Radikalisierung sei besonders von den Gewerkschaftsvertretern durch den Druck von ihrer Basis, ausgegangen, während die Ortsvereine den rechten ehemaligen Verteidigungsminister Healey in den Parteivorstand gewählt hätten. Allerdings habe es auch Beifall und Unterstützung für rechte Redner gegeben, so für Wilson und für Barbara Castle, die zwar die Gewerkschaftsreformpläne der Tories angriff, selbst aber als Arbeitsministerin solche vorbereitet habe. Auch die imperialistische Nordirlandpolitik der Parteiführung sei unterstützt worden.
Q: Kommunistischer Nachrichtendienst Nr. 39, Bochum 7.10.1970